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Nora, Flo, Fred
Die drei Kürzel im Titel muss man sich merken; und www.ladieseuropeantour.com ebenfalls.
Denn Nora Angehrn, die letztes Jahr ihre erste Saison in der obersten Liga der Proetten Europas gespielt hat, ist jetzt nicht mehr allein. Anlässlich der Q-School der LET, dem Qualifikationsturnier für die Tour also, schafften auch Florence Lüscher (Blumisberg) und Frédérique
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Seeholzer (Montreux) den Einzug unter die besten Golfspielerinnen Europas. Und nachdem die LET dieses Jahr im Mai in Losone ein Turnier spielen wird, stehen die Chancen ausgezeichnet, dass Nora, Flo und Fred sogar in der Schweiz im Einsatz zu sehen sein werden.
Wir wissen es: das «Damen-Golf» wird längst nicht auf dem Niveau des Spiels der besten Männer abgehandelt. In Europa nicht, aber auch in den USA nicht. Deshalb – das gleich voraus – sollte man sich www.ladieseuropeantour.com als Lesezeichen speichern. Auch die Website der LET hat eine Funktion «Live Scoring», wo während der Turniere die Zwischenergebnisse laufend nachgeführt werden und aufgerufen werden können.
Die Saison von Nora Angehrn (27) verlief nicht optimal; sie schaffte bloss ganz wenige Cuts und musste sich am Saisonende auf den steinigen Weg einer zweiten Q-School begeben. Das erste Jahr ist immer ein Lehr-Jahr; schwungtechnische Probleme trugen das ihre dazu bei, die bisher einzige Tourspielerin der Schweiz zu verun- sichern. Also ab nach Merija, westlich von Malaga; nach den vier Runden des Turniers musste man bloss unter den ersten 30 klassiert sein, und schon war das Problemchen gelöst. Nora intensivierte vorher während Wochen das Training ihrer Fundamentals, und sie schaffte es zum Schluss eher knapp, aber doch vor allem dank einer regelmässigen, konzentrierten Leistung – mit dem einzigen Ziel, 30. zu werden. Sie wurde 27. Überraschung: damit war sie bloss drittbeste Schweizerin. Die Bernerin Florence Lüscher (24), während ihrer Amateurkarriere nie besonders aufgefallen, hatte sich vor drei Jahren dazu entschlossen, Teaching Pro zu werden, und fand Unterschlupf bei den beiden Lehrmeistern Christophe Bovet und Dimitri Bieri in Vuissens. Die beiden ehemaligen Turnier-
Cracks brachten der grossgewachsenene, schlanken Sportlerin einen der besten Schwünge bei, der bei Schweizer Frauen besichtigt werden kann (siehe auch Golf Suisse 5/05). Mit ihren soliden Grundlagen übernahm sie am Qualifying mit 68 gleich die Führung nach der ersten Runde, nur um am zweiten Tag 80 Schläge zu schreiben… zum Schluss erreichte sie den 11. Rang und die sichere Tourkarte. Intensives Training vor allem des kurzen Spiels waren eine der Ursachen für diesen unerwarteten, ja schon beinahe sensationellen Aufstieg – von der Kreisklasse in die Champions League, quasi.

Saisonvorbereitungen
Im März finden die ersten Turniere der LET in Europa statt, nachdem schon Events in Australien und Südafrika in der Wertung sind. Nora und Florence hatten durch den Winter aber alle Hände voll zu tun. Zum einen musste viel trainiert werden. Doch dann ist eine Tourspielerin eine Art Kleinunternehmen, muss ein Jahresbudget aufstellen (und zusammentrommeln…), muss planen, Reisen organisieren, verhandeln, diskutieren, Hände schütteln und fit bleiben. Nora verbrachte den Dezember in der Schweiz, teilweise im Schnee, meistens ohne Golfschläger. Im Januar dislozierte sie für mehrere Wochen in die Gegend von West Palm Beach und will nun Ende März in Teneriffa vor allem eines – den Cut überstehen.
Das will auch Florence Lüscher, die zwei Monate in Südafrika an ihrem Spiel gefeilt hat, nachdem sie im Dezember ebenfalls Schneesport in Flims getrieben hatte. Zu Einsätzen als Snowboard-Lehrerin, wie in früheren Wintern, reichte es allerdings diesmal nicht.
Aber wer ist Frédérique Seeholzer?
Im Alter von 24 Jahren scheint der begeisterten Sportlerin aus den Waadtländer Alpen die Welt offen zu stehen – sie ist jedenfalls entschlossen zuzupacken. Und sie hat Erfahrungen als Wettkämpferin: «Als Jugendliche fuhr ich Skirennen, spielte früh auch schon Golf, aber vor allem, um meinem Vater eine Freude zu machen. Golf war in unserer Familie allgegenwärtig – mein Götti, Pie Bagnoud, ist der Vater von Jacky, heute Pro in Montreux.» Mit 15 Jahren endlich begannen die Greens von Montreux sie mehr zu interessieren als die Pisten von Villars. «Mit Freunden traten wir ins Juniorentraining ein und waren gleich begeistert. Jacky Bagnoud verhalf mir zu schnellen Fortschritten, und schon bald war ich Kadermitglied der ASG. Seit 1999 habe ich regelmässig in der Nationalmannschaft gespielt.»
Doch neben dem Golf vernachlässigte sie als gute Schweizerin auch die berufliche Ausbildung nicht; 2004 schloss sie diese in den USA mit einem «Bachelor of Arts» in Psychologie und einem Handelsdiplom ab. Dort hat sie als Mitglied des UniTeams sehr viele Turniere gespielt, hat sich Turnierroutine erworben, auch sonst viele Erfahrungen sammeln können; und sie hat während der ganzen Zeit auch die ASG-Aufgebote befolgt und hat so zum Beispiel an den Europameisterschaften oder am British Amateur teilgenommen. Sehr viel profitiert hat Frédérique Seeholzer im Rahmen der ASG von Régine Lautens. «Sie hat mir sehr viel geholfen. Sie beobachtet, erteilt Ratschläge, motiviert – ihre Erfahrung ist gewaltig, und sie ist immer sehr positiv.» Daneben hat sie jetzt auch eine
Zusammenarbeit mit Corinne Soulès begonnen; die ehemalige Tour-Spielerin unterrichtet heute im Golf du Gouverneur in der Nähe von Lyon. Seit dem überraschenden Vordringen aller drei Schweizerinnen in die Reihen der Tour-Spielerinnen haben Florence, Nora und Frédérique ein wachsendes Interesse in der Schweiz festgestellt. «Die moralische Unterstützung ist genau so wichtig wie finanzielle Hilfe. Auf beides bin ich angewiesen, wenn ich mein erstes Ziel erreichen will – die Tourkarte auch für 2007 zu behalten.» Dazu muss sie sich bis Ende der Saison innerhalb der ersten 90 der Order of Merit klassieren.
Sie weiss deshalb, dass sie viel spielen muss; sie plant einen Start an allen Turnieren, an welchen sie startberechtigt ist. Das wären rund 20 Events; bloss das Womens British Open erfordert eine spezielle Qualifikation, und das Evian Masters ist ein Einladungsturnier. Nach einer intensiven Phase des Trainings ist der Saisonstart im April vorgesehen. Vorher gibt es aber auch einen Rattenschwanz von administrativen Dingen zu regeln. Für die junge Proette jedenfalls steht ein spannendes Abenteuer bevor, mit vielen Unbekannten; ein Start in eine neue Karriere – Frédérique Seeholzer kann den Saisonbeginn kaum erwarten.
■ Jacques Houriet
Feiern den Erfolg der drei Girls anlässlich eines PGA-Events im November in Wylihof: André Bossert, Frédérique Seeholzer, Alex Chopard, Nora Angehrn, Marc Chatelain, Florence Lüscher, Raphael de Sousa und Julien Clément.
