8 minute read

Spielen zum Spass –oder Schleppen zum Spass?

Next Article
Holmes & Watson

Holmes & Watson

Golfer haben Gepäck bei sich – das lässt sich nicht vermeiden. Einen Golfbag mit einigen Golfclubs drin nämlich. Wenn es allerdings bei «einigen Golfclubs» bleiben würde, dann ginge das ja noch. Nein; 14 Stück sind es, jeder zu 300 bis 400 Gramm, je nach Typ und Modell. Dazu einen Golfball zu 1,62 Unzen, einen Reserveball zu 1,62 Unzen, eine Flasche mit Wasser oder Tee zu anderthalb Kilo, Regenschirm zu 600 Gramm, Windbreaker, Regenhülle für den Bag, Mütze, Ersatzmütze, Energie-Riegel, Banane zu 300 Gramm, 200 Tees zu je drei Gramm, Pitchgabel zu 28 Gramm, jede Menge Kleinmaterial – nochmals zwei Kilo. Macht zusammen nach Adam Riese –viel zu viel. Aber das dürfte die durchschnittliche Ausrüstung sein, welche der Golfer in der Schweiz auf einer Turnierrunde mitschleppt. Die 23 anderen Golfbälle zu 1,62 Unzen (das sind je 45,93 Gramm, zusamen 1 Kilo und 56 Gramm) noch nicht mitgerechnet…

Das Leben ist hart. Zu Beginn einer Saison muss sich der Golfer zuerst einmal grundsätzlich entscheiden, mit welchen Mitteln er seinen Golfbag während der kommenden Saison über die 18 Spielbahnen einer Runde befördern will. Immerhin ist das Ziel klar: fit bleiben. Da eine Turnierrunde meistens vier Stunden (und damit zu lang) dauert, fällt es den meisten Spielern nicht ein, den Bag am Rücken zu tragen.

Advertisement

Dabei haben die Hersteller mit der serienweisen Ausrüstung der Golfbags mit Rucksack-Gurten da schon einen enormen Fortschritt erzielt. Mit diesen neuen Systemen, welche heute nahezu ausnahmslos an den Stand Bags (also denjenigen mit den ausklappenden Aluminiumstützen) installiert sind, verteilt sich das Gewicht immerhin schon mal gleichmässig auf beide Schultern, was deutlich ergonomischer ist als mit dem klassischen Riemen. Bloss noch Caddies auf der PGA Tour tragen den Bag einseitig; aber das hat mit Berufsstolz zu tun.

Natürlich am meisten verbreitet sind Trolleys (auch «Pull Carts» oder «Wägeli» genannt). Sie genauer zu beschreiben, erübrigt sich; jeder Golfer kennt sie, die meisten Spieler benützen sie. Neuerdings sind dreirädrige Modelle aufgekommen, die den grossen Vorteil haben, dass man sie auch vor sich herschieben kann. Zusammenfassend und aus der Optik des oben formulierten Ziels (möglichst fit zu bleiben bis zum 18. Hole nämlich) müssen aber auch hier Abstriche gemacht werden. Weil Trolleys einhändig gezogen werden, ist eine einseitige Ermüdung nicht ausgeschlossen; speziell natürlich auf sehr coupierten Golfplätzen. Es gibt in der Schweiz auch weit weg von den Hochalpen einige berüchtigte Golf Holes (wie die Nummer 6 in Blumisberg, die Nummer 12 in Erlen, die Nummer 5 in Rheinblick oder der berüchtigte Kilimandjaro in Neuchâtel – von Küssnacht oder Hittnau gar nicht zu reden), welche für den Spieler zu einem Test seiner kardiovaskulären Verfassung werden; erst recht, wenn er einen Trolley hinter sich her zieht. Alle Arten von Verrenkungen werden dabei beob- achtet, bis hin zu der radikalen Lösung: Bag an den Rücken, Trolley zusammen klappen und mittragen.

Schweiss muss vergossen werden

Ebenfalls häufig zu beobachten ist an den geeigneten Stellen die Praxis, den Trolley halbwegs zum hoch- oder tiefgelegenen Green stehen zu lassen, bloss den Putter und den Driver mitzunehmen und so etwas Energie zu sparen. Natürlich: das lässt sich nur machen, wenn es das Layout des Platzes zulässt. Von den oben zitierten Holes eignet sich nur dasjenige in Neuenburg, auf den andern drei Golfplätzen spielt man nicht hin und her. Also muss gekrampft und geschwitzt werden. Wer nach einem dieser Aufstiege noch in der Lage ist, einen kontrollierten Schlag auszuführen, der hat Glück gehabt. Noch dicker kommt es in Wallenried, wo nach dem Putten auf dem sechsten Green einen steile Rampe zum siebten Abschlag hochgekraxelt werden muss. Es ist eines der schwierigeren Löcher des Platzes – ein langes Par 4, und rechts vom Fairway dieser Nummer 7 lauern weisse Pfosten! Da möchte man besonders frisch sein für den Tee Shot.

Das sind echte Prüfungen. Ein Golfschwung ist, in der Sprache der Athleten, keine Sache der Ausdauer, sondern eine explosive Schnellkraftübung im Stile eines Hochsprungs oder eines Kugelstosses. Soll das klappen, darf man nicht ausser Atem sein.

Die elegante Antwort auf diese Problemstellung sind elektrische Trolleys. Sie sind in den letzten Jahren zu Tausenden ausgeschwärmt und bevölkern heute die schweizerischen Golfplätze. Die Gründe für ihre rasend schnell zunehmende Popularität sind sicherlich vielfältig.

• Technologie. Moderne Materialien, kleiner und kleiner gewordene Komponenten und – in erster Linie – Batterietechnologie haben die Konstruktion solcher Geräte erst möglich gemacht.

• Serienfertigung. Die steigende Nachfrage hat es den Produzenten erlaubt, grössere Serien herzustellen, was sich auf die Preise vorteilhaft ausgewirkt und die Nachfrage weiter stimuliert hat.

• Klappmechanismen bei einem modernen HightechGerät erlauben es, den Trolley extrem platzsparend im Kofferraum, im Kästchen oder im Einstellraum ver- schwinden zu lassen. Auf- und Abbau erfolgen in Sekundenschnelle, und auch das Laden der Batterie erfordert höchstens noch ein Daran-Denken, aber weder Bärenkräfte noch riesige Installationen.

• Die Golfer-Gemeinde nicht nur in der Schweiz wird in gleichem Tempo älter wie die Gesamtbevölkerung. Diese banale Information sagt aber aus, dass es heute viel mehr ältere Golfer gibt als noch vor zehn Jahren – und diese Spieler und Spielerinnen schätzen den Elektro-Komfort.

• Viele der neusten Golfplätze unseres Landes sind in ziemlich hügeligem Gelände gebaut worden. Wenn das aus der Sicht der Landwirtschaft, die auf horizontalem Gelände am besten prosperiert, zu begrüssen ist, so machen diese Auf- und Ab-Parcours das Golfspiel schwieriger – und ermüdender. Auch dieser Umstand hat bei Elektro-Trolleys eine nachfragestimulierende Wirkung.

• Vielerorts werden elektrische Miet-Trolleys angeboten. Dieser Proshop-Service, der natürlich zu begrüssen ist, hat schon in manchem Golfer die Überzeugung reifen lassen, genau das sei die Lösung für sein chronisches Durchhalteproblem auf den Backnine oder seine ebenso chronischen Rückenschmerzen.

Auch Pros unter den Kunden

Volker Krajewski, Präsident der Swiss PGA, Head Pro in Schinznach Bad und regelmässiger Mitarbeiter von Golf Suisse, ist längst nicht der einzige Pro, der auf seinen Turnierrunden elektrisch angetrieben transportiert. Mehr und mehr merken auch die harten Kerls unter uns Golfern, dass eine 18-Loch-Runde körperlich nicht so leicht durchzustehen ist. Caddies sind zwar auf der Tour obligatorisch; aber in den Turnieren der Swiss PGA kann sich kaum ein Pro einen Caddie leisten.

Golf Suisse hat sich zur fotografischen Illustration das dritte Loch des Championship Courses von Moossee ausgesucht. Auch dort muss eine respektable Rampe bezwungen werden, bevor auf diesem schwierigen Par 5 der zweite Schlag ausgeführt werden kann.

Kein Zufall deshalb, dass die Amateure keuchen und stöhnen, während Pro Krajewski das Hindernis strahlend (oder müsste man sogar sagen: triumphierend?) bezwingt.

«Mit Sicherheit spiele ich besser, wenn ich meinen Bag weder tragen noch schleppen muss. Der Elektromotor macht

Test imAufstieg: vom Golf-SuisseTeam ist nur Pro Volker Krajewski mit seinem brandneuen JuCad-Trolley wirklich glücklich… die Arbeit, ich bleibe frisch und schnappe nicht nach Luft, wenn ich für den nächsten Schlag an der Reihe bin». Der Pro von Schinznach weiss, wovon er redet – in seinem Heimclub sind die Holes selber zwar nicht besonders stark onduliert, vom Green zum nächsten Abschlag aber geht es zweimal ziemlich drastisch aufwärts.

Touring Pros, die Woche für Woche mehrere Turnierrunden so frisch wie möglich überstehen müssen, würden natürlich am liebsten gleich fahren. Das Verwenden von Carts jedoch ist sowohl auf der European Tour als auch auf der US PGA Tour nicht erlaubt; auf der Champions Tour indessen bis vor kurzem schon. Die Senioren hatten bis vor zwei Jahren das Recht, Golf Carts zu benutzen. Wie zu hören ist, könnte diese Regel erneut – Wiedereinführung von Carts – geändert werden.

Bei den Amateuren ist die Sache etwas komplizierter. Die Golfregeln selber sagen dazu nichts. In ihren eigenen Regeln hat die ASG festgehalten, dass anlässlich aller Turniere marschiert werden muss. In Artikel 6 der «Allgemeinen Regeln für alle Meisterschaften und Coupes, die unter der Leitung der ASG durchgeführt werden» heisst es unter dem Titel «Golf Carts»: Anlässlich offizieller ASG-Meisterschaften ist es den Spielern nicht gestattet, auf dem Platz Golf Carts zu benutzen. Sie müssen zu Fuss gehen». Das Fahren würde Vorteile verschaffen, weil man weniger ermüdet.

In den Clubturnieren sind die Clubs autonom. Die meisten Clubs haben aber eine ähnliche Regel wie die ASG als Platzregel; höchstens, dass Ausnahmen aus medizinischen Gründen, allenfalls sogar unter Vorlegen eines Arztzeugnisses, zulassen werden.

Doch, so Volker Krajewski, das könnte sich bald ändern. «Das Vermieten von

Golf Carts ist für die Golfclubs ein Zusatzgeschäft. Das lassen sie sich ungern entgehen. Wenn die Nachfrage der Mitglieder oder Greenfeespieler zunimmt, dürften die Cart-Flotten auf manchen Golfplätzen wachsen!»

Golfplatz umbauen?

Mehr Carts, das heisst zuerst einmal investieren. Nicht nur müssen diese Mini-Autos zuerst einmal gekauft werden, sondern sie müssen auch in einem geeigneten Unterstand verstaut werden; sie müssen gewartet, geputzt und die Batterien aufgeladen werden. Wir gehen an dieser Stelle jetzt einmal davon aus, dass Carts mit knatternden Zweitaktmotoren nirgendwo in der Schweiz eine echte Option sind…

Doch auch auf dem Golfplatz selber dürften gewisse Anpassungen unvermeidlich sein. Die Bodenbeschaffenheit, aber auch das Gelände selber machen es unmöglich oder zumindest problematisch, bei allen Wetterverhältnissen auf dem Gras zu fahren. An steilen Stellen, neben den Abschlägen und Greens müssen also Wege gebaut werden; sogenannte «Cart Paths».

Ein exzellentes Beispiel dafür ist der neue 18-Loch-Platz von Zuoz Madulain. Er steht unter dem Management der gleichen Betreibergesellschaft wie der Platz in Samedan, ist aber, im Unterschied zum ältesten Golfplatz der Schweiz in der Ebene zwischen Samedan und Celerina, alles andere als topfeben. Auf 1800 Metern über Meer ist das Bezwingen von Aufstiegen durch Touristen aus dem Unterland so eine Sache; die dünne Höhenluft macht aber nicht nur die Aufstiege zu den Abschlägen anstrengend, sondern auch der Marsch zum nächsten Ball mit einem Trolley im Schlepptau treibt den Puls in die Höhe. Um dem Risiko ausbleibender Umsätze vorzubeugen, hat man in Zuoz deshalb von allem Anfang auf Carts gesetzt. An zahlreichen Stellen des Platzes sind befahrbare Kieswege erstellt worden.

Die Miete für eine 18-Loch-Runde bewegt sich in Grössenordnungen von 50, 60 Franken; in Zuoz sind es 60 Franken. Wie substanziell dieses «Zusatzgeschäft» wirklich ist, das ist nun bloss noch eine einfache Rechnungsübung.

Florida-Reisende wissen, wie es sich mit den Carts verhält. Wer im Sunshine State eine Golfrunde zu Fuss spielen möchte, muss oftmals lange suchen, bis er einen Golfplatz findet, wo das erlaubt ist; häufig sogar erst am Nachmittag (Twilight Rate). Auch in anderen touristischen Destinationen sind Carts heute weit verbreitet. Sie sind in den meisten Greenfee-Angeboten nicht enthalten, müssen also gesondert gerechnet werden und bringen den Golfplätzen, die sie für obligatorisch erklärt haben, zusätzliche Millionenumsätze.

Mehr noch: die meisten modernen Resort-Plätze sind von allem Anfang an auf den Gebrauch von Carts hin entworfen worden. Der Architekt musste so nicht mehr darauf achten, dass die Abschläge in der Nähe der Greens liegen; nicht selten sind zum nächsten Abschlag Fahrstrecken von mehreren hundert Metern zurückzulegen, Strassen müssen überquert und Wohnquartiere besichtigt werden. Carts sind da auch für den Puristen angenehmer, als seinen Trolley über einige zusätzliche Kilometer Asphalt zu ziehen.

Wer es ganz anders haben möchte, für den gibt es einige sehr exklusive Angebote. Da wäre zum Beispiel der Old Course in St. Andrews; es ist ein öffentlicher Golfplatz, der durchs Jahr hindurch jedermann offen steht, der Monate im Voraus eine Startzeit reserviert hat und bereit ist, das Greenfee von 120 Pfund (Hochsaison) zu bezahlen. Carts sind hier genauso verpönt wie auf dem ziemlich neuen, spektakulär in die Klippen der irischen Westküste gebauten Golfplatz von Doonbeg. Greg Norman hat hier als Designer mitgewirkt; nicht nur gibt es hier keine Carts, sondern auch keine Fahrwege. Der Platz ist auf Marschieren hin konzipiert worden.

Ist Golf gesund oder nicht?

So oder so: eine Golfrunde ist anstrengend. Will man ein anständiges Score ins Clubhaus bringen, so muss man fit bleiben bis am Schluss. Daneben müssen auch gesundheitliche Aspekte berücksichtigt werden, welche hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Rückenschmerzen aller Art sind sicherlich eines der am weitesten verbreiteten Übel unter den Clubgolfern; sie werden durch das Nachziehen eines Hand-Trolleys sicherlich nicht gemildert. Muskelverspannungen in Schultern und Nacken, Ellenbogenschmerzen oder sogar Hüft- oder Knieprobleme werden ebenfalls eher schlimmer als besser. Neben der Rotation im Golfschwung ist das lange Auf-den-Beinen-Sein, das Warten und Herumstehen ein Problem. Bei fortschreitender Müdigkeit wächst das Risiko, sich zu verkrampfen oder die Koordination zu verlieren; nicht nur schlechte Bälle, sondern auch Verletzungen (Muskelzerrungen, Verstauchungen) drohen, gerade bei kaltem oder feuchtem Wetter. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie wichtig es ist, durch eine Golfrunde hindurch alles zu tun, um möglichst frisch und fit zu bleiben. Wenn das Tragen des Bags oder das Nachschleppen eines Trolleys zum physischen Problem wird, dann ist ein Elektro-Trolley genau die richtige Antwort für unsere Verhältnisse in der Schweiz. Falsche Scham oder falscher Ehrgeiz helfen wenig: im besten Fall leidet das Score, wenn’s dumm geht aber auch die Gesundheit.

Ausser, man mache es wirklich wie die richtigen Pros und die golferischen Vorfahren in Schottland – man habe seinen eigenen Caddie dabei, der einem nicht nur den Bag nachschleppt, sondern auch die Clubs reinigt und die Bälle findet…

■ Joe Golfer

This article is from: