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Keine Mühe scheuen –es lohnt sich!

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Holmes & Watson

Holmes & Watson

Viele Amateure vernachlässigen ihr Material allzu sehr; schlechte Schläge, Scores weit unter ihrem wirklichen Potenzial sind das Resultat. Schlechte Schläge werden auf den schlechten Schwung abgeschoben, das Selbstvertrauen leidet, die Freude schwindet. Marc Chatelain, seit bald 10 Jahren Playing Pro, zeigt, mit welcher Sorgfalt er und seine Kollegen bei der Auswahl, der Bestellung und bei der Pflege ihres Materials vorgehen – davon können wir Amateure nur lernen.

Der Golfer von heute scheint über jeden Aspekt des Spiel bestens informiert zu sein. Jede Golfzeitschrift bietet Trainingstips von den besten Pros, Reportagen über die besten Golfdestinationen rund um den Globus, Berichte über internationale Anlässe, Resultate oder Fitnessanweisungen für die golflose Winterzeit. Auch über die neuesten Entwicklungen im Materialbereich wird genügend geschrieben. Besonders am Anfang der Saison liest man über die neuen Schläger der einzelnen Marken, und man bekommt gleich auch noch eine Einschätzung von Personen mitgeliefert, welche das neueste Material ausgiebig getestet haben.

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Trotz der Fülle der Informationen, die in diesem Bereich vorhanden sind, stelle ich bei vielen Pro-Ams immer wieder fest, dass meine AmateurSpielpartner mit Material spielen, welches weder ihren physischen Eigenschaften noch ihrer Spielstärke entspricht. Auch der Zustand der gespielten Schläger gibt uns Pros teilweise zu denken. Das Spiel wird durch solche Unzulänglichkeiten zusätzlich erschwert. Offensichtlich schlummern noch Reserven, was die Informationen in Bezug auf das Material betrifft. Insbesondere möchte ich auf das soge- nannte Fitting aufmerksam machen, welches sowohl vor der Auswahl von neuem Material als auch bei der Kontrolle nach Erhalt der neuen Schläger entscheidend ist. Weiter möchte ich über die Einflüsse der Marken, über Testmöglichkeiten, über die Wartung und auch über verschiedene Aspekte bei der Zusammenstellung eines Sets informieren. Korrektes Material ist für jeden Pro ein Muss, und auch Amateure – unabhängig von der Spielstärke – sollten diesem Punkt mehr Gewicht beimessen. Das Spielniveau und damit das Score werden auf jeden Fall davon profitieren.

Lernen von den Pros

Wie geht man also am besten vor, wenn es um die Auswahl von neuem Material geht? Entgegen der verbreiteten Praktik bei vielen Amateuren –einfach mal in den Pro Shop zu gehen und sich ein paar Sets anzuschauen und womöglich gleich auch noch eines davon zu kaufen – mache ich als Pro zuerst ein Fitting. Beim Spezialisten, auch Clubfitter genannt, lässt man sowohl sich selber wie auch seinen Schwung ausmessen, um Erkenntnisse zu erlangen, welches Material am besten mit den physischen

Eigenschaften der jeweiligen Person übereinstimmen.

Als erstes wird die Körpergrösse und die Distanz zwischen Handgelenk und Boden bei gerader Körperhaltung gemessen. Das ergibt einen ersten Ansatzpunkt, ob der Schlägerschaft eventuell länger oder kürzer sein sollte, verglichen mit dem Industriestandard. Danach schlägt man ein paar Bälle (meistens mit einem Eisen 5 oder 6) auf einer Anlage, welche mit einem Computersystem verbunden ist. Die Auswertung dieser Daten, welche auf dem Durchschnitt aller geschlagenen Bälle basiert, erlaubt es dem Spezialisten, eine Empfehlung abzugeben, wie das Material des Spielers zusammengestellt werden sollte. So kann er zum Beispiel anhand der gemessenen Schwunggeschwindigkeit einen weicheren oder härteren Schaft empfehlen, als bisher verwendet. Auch kann er den Spieler bezüglich der Länge der Schläger, der Winkelstellungen (Lie und Loft), des Swingweight und des Gesamtgewichts beraten. Mit diesen Information kann man sich nun viel besser auf die Suche nach geeignetem Material begeben, nicht zuletzt deshalb, weil die Auswahl nun eingeschränkt ist. Bei dem enormen Angebot an Schlägerköpfen,

Schäften und Griffen, welche heutzutage auf dem Markt sind, kann eine gewisse Limitierung der Möglichkeiten, basiert auf der Empfehlung des Spezialisten, nur helfen.

Bei der eigentlichen Auswahl des Materials ist vor allem beim Schlägerkopf die Optik entscheidend. Der Schlägerkopf muss einfach gut aussehen und dem Auge des Spielers entsprechen. Als Pro kann ich nicht mit einem Schläger spielen, welcher meiner optischen Vorstellung nicht entspricht. Nur schon der Vertrauensfaktor allein genügt als Erklärung. Auch der Markenname spielt eine bedeutende Rolle. Bei einer Marke, welche auf der Tour beliebt ist und dementsprechend von vielen Pros benützt wird, weiss man einfach, dass die Qualität der verwendeten Materialien gut und die Entwicklung auf dem neuesten Stand ist.

Bei der Auswahl des Schaftes vertraue ich hauptsächlich auf die Auswertung des Fittings, aber auch hier wähle ich einen Schaft von einer Firma, welche bei Tourspielern hoch im Kurs liegt. Beim Griff schlussendlich geht es mir als Pro hauptsächlich um eines: die Materialien und die Dicke des Griffes müssen es mir ermöglichen, oder besser sogar erleichtern, den Schläger korrekt zu halten. Bei den anderen

Daten, wie Länge des Schlägers, Loft, Lie, Swingweight halte ich mich an die Messergebnisse des Fittings.

Ausprobieren

Natürlich will ich einen Schläger auch auf der Driving Range testen, bevor ich ein ganzes Set bestelle. Die sogenannten Demo Days sind eine gute Möglichkeit, um eine Vielzahl von Schlägern einer Marke auszuprobieren. Viele Proshops haben auch selber Testschläger, welche man mit auf die Driving Range nehmen darf. Nach Möglichkeit will ich aber auch verschiedene Komponenten miteinander vergleichen, etwa einen gewissen Schlägerkopf mit einer Vielzahl von verschiedenen Schäften, natürlich immer innerhalb der Parameter des Fittings. Diese Möglichkeit besteht am ehesten, wenn ein Proshop gleich selber ein Fitting-Center einer gewissen Marke betreibt. Von diesen Gelegenheiten sollte man auf jeden Fall profitieren, bevor man sich für ein Set entscheidet. Wichtig ist am Schluss vor allem, dass sowohl die Optik als auch das Gefühl des Schlägers während des Schwungs stimmt.

Nach Auswahl der einzelnen Komponenten und den Angaben des Fittings kann nun das Set bestellt werden. Da ich als Pro einen Materialvertrag mit einer bestimmten Marke habe, kann ich meine Schläger beim Importeur oder sogar direkt aus der Fabrik bestellen. Auch wenn Sie als Amateur diese Privilegien vielleicht nicht geniessen, sind Sie trotzdem nicht gezwungen, Schläger «ab der Stange» zu kaufen. Die meisten Schlägermarken bieten eine Custom-Order-Möglichkeit an, und ich rate Ihnen, davon Gebrauch zu machen. Bestellen Sie Ihr Set wie bis anhin in Ihrem Proshop. Versichern Sie sich, dass das Set gemäss Ihren Vorgaben bestellt wird. Ihr Pro oder die Mitarbeiter Ihres Proshops werden Ihnen bei diesem Vorgehen gerne behilflich sein. Wenn nun also mein neues Set eintrifft, will ich mich versichern, dass es auch den Vorgaben der Bestellung entspricht. Nach einer Probe auf der Driving Range, bei welcher ich einen ersten Eindruck bekomme, gehe ich also wieder zum Spezialisten. Er soll mir helfen, eventuelle Unstimmigkeiten zu finden. Leider ist es nicht immer so, dass die Schläger aus der Fabrik perfekt sind. Eine gewisse Diskrepanz kann schon mal vorkommen, und das kann sich verheerend auf das Spiel auswirken. Sollte beispielsweise die Frequency der Schäfte nicht konstant sein, ein Schaft der Serie also härter oder weicher ist als die anderen sein, kann sich dieser eine Schläger sehr schnell als Problemschläger erweisen. Hatten wir nicht alle schon einmal einen Schläger im Bag, welchen wir auch nach intensivstem Training auf der Driving Range einfach nicht in den Griff bekamen? Es muss nicht unbedingt an uns gelegen haben, es könnte durchaus auch sein, dass das Material einfach nicht gepasst hat.

Eine Kontrolle beim Spezialisten ist deshalb auch nach Erhalt der Schläger unerlässlich. Er kann die neuen Schläger genau ausmessen und mit den Daten der Bestellung vergleichen. Sollte eine Komponente nicht exakt den Vorgaben entsprechen, ist der Clubfitter selbstverständlich in der Lage, dies zu beheben. Der neuerliche Gang zum Spezialisten ist der entscheidende Faktor, um ein wirklich konstantes und gutes Set zu erhalten.

Service und Support

Nun habe ich also mein «perfektes» Set zusammen. Damit ist die Arbeit aber nicht getan. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Service. Eine gewisse Pflege des Materials ist nicht nur für die Performance empfehlenswert, sondern auch für die Lebensdauer. Da die Rillen im Clubface eine wichtige Funktion haben, ist es unabdingbar, diese sauber zu halten, und zwar nicht nur nach jeder Runde, sondern nach jedem Schlag. Auch die Griffe benötigen spezielle Pflege. Es lohnt sich, die Griffe gelegentlich mit Seifenwasser zu waschen, um Dreck und Fett zu lösen. Auch wenn die Lebensdauer der Griffe dadurch verlängert wird, sollte man alle Griffe mindestens einmal pro Jahr wechseln. Zu guter Letzt gehört auch die korrekte Lagerung der Schläger bei längerem Nichtgebrauch, wie in den Wintermonaten, dazu. Die hochwertigen Materialien speziell in den Schäften reagieren nicht sehr gut auf kalte Temperaturen. Lagern Sie ihre Schläger deshalb nicht in der Garage, sondern in einem Raum mit Zimmertemperatur.

Wie es allgemein bekannt ist, besteht ein Golfset den Regeln entsprechend aus maximal 14 Schlägern. Ich habe noch mit keinem Pro gespielt, welcher diese Anzahl Schläger nicht ausge- nutzt hätte. Auf der anderen Seite sehe ich es immer wieder, dass Amateure mit weniger als den erlaubten 14 Schlägern auf die Runde gehen. Die Erklärungen reichen von «ich treffe den Driver ja eh nicht» bis zu «ich bin nicht gut genug, um lange Eisen zu spielen».

Natürlich ist es unsinnig, einen Schläger mit in den Bag zu nehmen, bei welchem man sich nicht sonderlich wohl fühlt. Aber anstelle eines Drivers könnte man auch ein zusätzliches Holz in den Bag stellen, und die Hybrid- oder Rescue-Clubs sind eine wunderbare Alternative für die langen Eisen. Als Pro nütze ich also nicht nur die Anzahl 14 auf jeden Fall voll aus, sondern ich stimme die Zusammenstellung des Sets auch auf die Platz- und Wetterbedingungen ab. Sollte es nass und kalt sein, so bevorzuge ich vielleicht eher ein Holz 5 oder einen Rescue-Club anstelle eines traditionellen Eisen 2. Sollte es windig und trocken sein, kann wieder das Eisen 2 die bessere Variante sein, um den Ball flacher spielen zu können und um das trockene Terrain besser auszunützen. Sollte ein Platz viele tiefe Bunker haben, nehme ich eventuell ein zusätzliches Sandwedge mit viel Loft in den Bag, anstelle eines der langen Eisen. Die Variationsmöglichkeiten sind gross. Wenn Sie das nächste Mal auf Ihrem Heimplatz spielen, möchte ich Sie deshalb auffordern, darauf zu achten, ob Sie einen bestimmten Schläger praktisch nie spielen – der wäre dann zu ersetzen –, oder ob Sie sogar einen bestimmten Schläger in Ihrem Set vermissen. Auf jeden Fall sollten Sie immer mit der maximalen Zahl von 14 Schlägern antreten, um alle Möglichkeiten auszunützen. Von dieser Empfehlung möchte ich Spieler, welche gerade mit Golf anfangen und sich hauptsächlich auf der Driving Range aufhalten, ausnehmen. In diesem Fall genügt es vollkommen, wenn man nur diejenigen Schläger mitbringt, welche einfacher zu erlernen sind, wie die kurzen Eisen.

Kosten bleiben im Rahmen

Die hier erwähnten Aspekte zur richtigen Auswahl und Wartung des Material scheinen einen erheblichen Mehraufwand an Zeit und Kosten zu bringen. Es ist vor allem ein gewisser zeitlicher Aufwand, den der mindestens zweimalige Gang zum Clubfitter und die Testphase mit dem Besuch von Demo Days mit sich bringt.

Demo Days und die Benützung von Testschlägern aus dem Proshop kosten in der Regel nichts. Beim Service ist mit gewissen Auslagen für das Wechseln der Griffe zu rechnen, und natürlich kostet auch der Besuch beim Clubfitter eine Pauschalsumme. Die Mehrkosten gegenüber dem Kauf eines Sets ab Stange sind sicher vertretbar und gut investiertes Geld. Wenn man in Betracht zieht, dass viele Golfer Unsummen für irgendwelche Wunderdriver ausgeben, welche die erhofften 10 Meter extra dann doch nicht bringen, darf ich hier doch sagen, dass sich dieser Mehraufwand in zweierlei Hinsicht lohnt. Erstens kann es nämlich durchaus sein, dass der vom Spezialisten angeregte Schaftwechsel auf einmal 15 Meter extra bringt. Zweitens können Sie dann endlich ausschliessen, dass das Material schuld ist an Ihren schlechten Schlägen. Auch das wird den Gang zu einem anderen Spezialisten erleichtern: zu Ihrem Pro für eine Lektion!

■ Marc Chatelain

Elektro-Trolleys ja oder nein?

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