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This Guy means Business…

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Holmes & Watson

Holmes & Watson

Mitglied im GC Ennetsee, einem jungen Club, der in Holzhäusern zu Hause ist – das hat Damian Ulrich, gleich wie Fabienne In-Albon, nicht daran gehindert, bis in die Nationalmannschaft vorzustossen. Dort wird er in diesem Jahr zusammen mit Tino Weiss und Roger Furrer Teamstütze sein, nachdem Martin Rominger und Nicolas Sulzer zu den Pros übergetreten sind. Wir spielten im Spätherbst neun Löcher mit Damian Ulrich, und zwar die Frontnine des GC Schönenberg.

Der Primus inter Pares der GolfSuisse-Redaktion hat sich mit einem der besten Amateure des Landes zu einem Friendly Game verabredet. Klar: man muss sich die Ziele hoch stecken. Aber dieser Ulrich hat ein Handicap unter Null. Eiszeit also für den Chefredaktor?

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Wir begrüssen uns an der eleganten Clubhaus-Bar von Schönenberg; Manager Zogg hat uns die Wahl gelassen, ob wir die Frontnine oder die Backnine spielen wollen. Ich habe meine Kamera dabei, und Damian Ulrich ist leicht verletzt. Sehnenscheidenentzündung am rechten Handgelenk; das kann durchaus eine langwierige Angelegenheit werden. «Ich habe jetzt vier Wochen lang ausgesetzt, keinen einzigen Ball gehauen. Zwischendurch eine Bewegungsübung kann nicht schaden. Ich freue mich richtig, endlich wieder mal auf einen Golfplatz zu kommen!»

Na denn. Der Bursche steuert zielsicher den weissen Abschlag des ersten Lochs an. Der Boden ist, wie im November üblich, ziemlich feucht –der Platz wird sich ellenlang spielen. Das kann ja heiter werden; Damian steht in seinem ersten Jahr nach der Juniorenzeit, also voll im Saft, während ich selber bereits bei den Senioren startberechtigt bin…

Er ist ein Vollblutsportler, der als kleiner Junge auch schon an den schweizerischen Schwimm-Meisterschaften gestartet ist. «Das Schwimmen wurde mir dann zu langweilig. Ich habe auch Tennis gespielt, später Fussball. Beim Golf bin ich dann hängen geblieben.»

Daran ist sicherlich auch Julian Meyerscough mitschuldig, der Head Coach von Holzhäusern, wo Damian als 14-Jähriger seine ersten Schwünge machte. Der Engländer brachte dem Bewegungstalent einen sehr ordentlichen Schwung bei, der es ihm erlaubte, schon zwei Jahre später ein einstelliges Handicap zu spielen. Über 0 mit 19 Jahren hat er mittlerweile +1,7 erreicht – ziemlich imposant, gegen meine mickrigen 7,1. Wir stehen also auf diesem ersten Abschlag und schiessen beide den Ball ins Semirough rechts. Damian hat mir auch schon erzählt, dass sein bestes Score, das er jemals gespielt hat, eine 64 gewesen sei, und dass er auf meinem eigenen Heimplatz schon mal sieben unter Par oder so gespielt habe. Die Herbstsonne fällt bereits sehr flach auf den sich wunderschön ans Gelände schmiegenden Golfplatz, der zwar sehr privat ist, der aber natürlich auch Spieler von anderen ASG-Clubs als Greenfee-Spieler willkommen heisst. So spät im Herbst allerdings haben sich gerade ein paar Clubmitglieder auf den Fairways verirrt. Eigentlich ist Golf so am schönsten; draussen in der Natur, fast alleine, ein Matchplay um gar nichts mit einem guten Spieler. Vorsicht! Dieser solide Ball Striker ist in der Nati! Aber Damian ist nicht nur ein ehrgeiziger Sportler, der ziemlich genau weiss, welches seine Stärken und seine Schwächen sind, sondern er ist auch ein freundlicher Junge, dem man einen Fehler schnell verzeiht. Und dieser unterläuft ihm, 1up, mit einem getoppten Ball ins Out auf dem zweiten Abschlag. Chance zum Ausgleich, denke ich, und hooke meinen Ball in die Tannen.

Rhythmus

Double Bogey für beide, Bogey am dritten Loch, also immer noch 1up für den Meister, der immerhin an den British Amateur Championship 2005 nach den beiden Qualifikationsrunden an erster Stelle der Rangliste gelegen hatte, vier und mehr Schläge vor dem gesamten Feld. Er gewinnt auch das vierte Loch, das ich völlig verhacke, und verliert das fünfte, weil er seinen Approach in den Wald schiesst. Na also. Wir sind natürlich, wie es sich gehört, ohne jedes Aufwärmen gestartet, was nicht immer so einfach ist. Vor allem, wenn man ständig dazu über jene Dinge diskutiert. Zugegeben: wir sind langsam und winken mehrmals Mitglieder von Schönenberg durch.

«Seit ich mit Rolf Stauffer für alles Mentale zusammenarbeite, versuche ich, mich überhaupt nicht mehr mit Gedanken an meine Technik zu beschäftigen. Alles muss über das Schwunggefühl laufen. Wenn ich beispielsweise einen Fade spielen will, dann will ich das nicht mit irgend einer technischen Umstellung machen, und auch nicht über das Visualisieren des Ballflugs. Ich will den Fade spüren, und mein Körper macht dann selbständig das Richtige.»

Das nächste Loch ist ein 177 Meter langes Par 3: Damian schiesst einen Draw aufs Green. «Ich kann den Ball ziemlich gut manövrieren. Mein natürlicher Ballflug ist eher ein Draw; aber neuerdings versuche ich fast lieber, den Ball von links nach rechts kurven zu lassen, weil ein Fade viel weicher landet.» Und weil er sowieso keine Probleme mit der Länge hat, was er nicht sagt, was man aber sieht. Der knapp 1 Meter 90 grosse Athlet hat Hebelverhältnisse, die ihn buchstäblich zum Longhitter prädestinieren. Aber alles hat seine Grenzen. Und zwar auf dem 8. Loch, einem der Signature Holes von Schönenberg –ein 479 Meter langes Par 5. «Par 5» ist für jeden guten Spieler gleichbedeutend mit Birdie-Chance. 230 Meter carry sind notwendig, um das Wasserhindernis zu überwinden. Damian schafft das locker; sein Ball liegt etwa 250 Meter südöstlich vom Abschlag mitten auf dem Fairway. Es ist allerdings schon sein zweiter Ball. Den ersten Abschlag hat er etwas nach rechts gepusht; in den Bach. «Das ist mein typischer Fehlschlag, und weil ich jetzt kaum richtig in Form bin, ist das Risiko gross, das mir das passiert.» Der Push ist der typische Fehlschlag vieler guter Spieler; vor allem dann, wenn sie richtig Gas geben wollen. Ein ganz leichter Overswing sorgt dafür, dass der Driver ein bisschen Rückstand auf den Körper hat, und ein etwas zu aggressives Auslösen des Körpers verschlimmert die schlechte Synchronisation zwischen Körper und Arme/Driver noch. Subjektiv hat der Spieler das Gefühl, in gutem Rhythmus geschwungen zu haben; doch der Ball startet nach rechts, auf einem etwas zu steilen Abflugwinkel, und fliegt schnurgerade in die Büsche. «Meine Schwächen liegen sonst eher im Chippen und im Pitchen. Das ist auch der Bereich des Spiels, wo ich manchmal staune, um wie viel besser die Playing Pros auf der Tour spielen als wir Amateure.» Das sagt einer, der ein Unter-Null-Handicap hat und am Omega European Masters in Crans-Montana im letzten September beinahe den Cut geschafft hat. «Auf der zweiten Runde habe ich bloss acht Greens in Regulation getroffen, aber doch 4 über Pat gespielt.» Das bedeutet nichts anderes, als dass Damian Ulrich auf diesen ultraschnellen Greens eben doch hervorragend gechippt hat; dazu hat er reihenweise Par-Putts aus anderthalb, zwei Metern gelocht.

Jeder Clubgolfer würde staunen, wie schwierig es ist, auf einem für die PGA Tour präparierten Golfplatz überhaupt einen Ball ins Loch zu bringen. Auch für einen Nationalmannschafts-Golfer sind so schnelle, so stark ondulierte Greens wie in Crans nicht der Normalfall. Damian weiss, dass er noch mehrere Stufen auf der Leiter hinauf an die Spitze erklimmen muss; dass er also noch beständiger, noch präziser und noch Druck-resistenter werden muss. In seinem Hinterkopf reift der Plan, im Herbst 2006 ebenfalls den Schritt zu den Pros zu wagen.

Zusammen mit seinem Coach, Julian Meyerscough, mit seiner Fitnesstrainerin Sonja Müller aus Bad Ragaz und seinem Mental-Coach Rolf Stauffer will er aber diese Herausforderung annehmen.

Sportler unter sich

In seiner Ausbildung hat Damian Ulrich, dessen Vater Martin seinerzeit Schweizer Meister im Modernen Fünfkampf gewesen ist, dem Sport im allgemeinen und dem Golf im speziellen immer einen grossen Stellenwert gegeben. Er hat eine schulische Ausbildung, welche es ihm jederzeit erlauben wird, in eine normale Be- rufskarriere umzuschwenken. Doch zuerst verlangt der Golf-Bazillus nach seinem Recht: er freut sich darauf, Teamstütze in der Nationalmannschaft zu sein. Grossen Anteil an seiner Motivation hat Nationalcoach Graham Kaye, auf den er grosse Stücke hält: «Er ist ein Vorbild, ein absoluter Fachmann, ein Golfkenner – von ihm habe ich viel gelernt!»

Aber er hat auch viel profitiert von der engagierten Nachwuchsförderung im GC Ennetsee; auf dem 27-Loch-Platz der Migros in Holzhäusern also, der am stärksten frequentierten Golfanlage der Schweiz. Annemarie In-Albon ist dort als Junioren-Captain seit Jahren sehr aktiv; man hat den Vorteil des Public Golf resolut ausgenützt. Zahlreiche Neugolfer spielen hier, und die schicken ihre Kinder ins Juniorentraining.

Jetzt hat man in Ennetsee sogar ein «Club 500 Förderpool» genanntes Projekt gestartet, das denjenigen Juniorinnen und Junioren des Clubs, die es an die nationale Spitze gebracht haben, den Weg zu den Pros ebnen will. Das Projekt will im wesentlichen den Spielern helfen, die Start-Up-Kosten einer Pro-Karriere zu bezahlen. Im Gegenzug partizipieren die Mitglieder des Förderpools an den Preisgeldern der unterstützten Athleten.

Birdie vor dem Einnachten

Immer nur voll auf Angriff: so kann man bei den Pros keine Preisgelder gewinnen. So kann man nicht einmal ein Par 5 gegen einen Journalisten gewinnen. Doch unser Game war schon vorher 3&2 zu Ungunsten des Schreibers ausgegangen; Hole Number 8 kann er mir also getrost überlassen. Unser Schlussloch, nach Sonnenuntergang, ist wiederum ein Par 3 von 176 Metern. Das Green liegt ziemlich eindrücklich auf einer Art Terrasse seitlich an einem Abhang; verfehlt man es… aber ich treffe es, und Damian trifft es auch. Bloss dass mein Putt etwa 15 Meter lang ist und seiner 3 Fuss.

Ich gratuliere ihm zum Birdie und zum «Sieg» und offeriere ihm, wie es sich für einen Verlierer gehört, den Drink an der Clubhaus-Bar. Er bestellt Fruchtsaft. Wie es sich für einen Spitzensportler gehört.

■ Urs Bretscher

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