1 minute read

Semhar Negash

In Eritrea steht «Ldet» vor der Tür

Als ich mit meinem Sohn vom Spielplatz zu unserem Haus zurückkam, freuten wir uns, einer Nachbarin zu begegnen, die wir in den letzten Wochen nicht gesehen hatten. Sie erzählte uns, dass sie Urlaub hatte und für einige Wochen verreist war. Oh, sagte ich, ich freue mich auch darauf, im Dezember wegzufahren, um Weihnachten mit der Familie meines Mannes zu feiern. Sie liess mich den Satz nicht bis zu Ende sprechen und sagte traurig: Oh, ihr seid zu Weihnachten nicht hier? Letztes Jahr war ich in der Wohnung ganz allein, und ich konnte richtig spüren, wie wenig Energie das Alleinsein am Weihnachtstag hat. Das tut mir leid, entgegnete ich, ich weiss, wie es ist, sich einsam zu fühlen. Beide waren wir für einen Augenblick traurig und still.

Der Vorfall mit dieser Nachbarin erinnert mich wieder daran, welche Bedeutung der Aspekt des Zusammenkommens für ein Fest hat, sei es eine religiöse, eine kulturelle oder sonst eine Feier. Unabhängig davon, auf welchem Kontinent wir leben, was, wie, warum und wann wir ein Fest feiern, es gibt ein gemeinsames Bedürfnis danach, nach dem viele von uns sich sehnen. Wenn ich mich an Weihnachten erinnere, das in meiner Muttersprache Tigrinya «Ldet» heisst, tragen mich die vielen Bilder, Gerüche und Geschmäcker zurück in mein Heimatland Eritrea, das tief in mir verankert ist.

Eritrea ist eines der Länder, die Ldet am 7. Januar feiern – wie auch andere orthodoxe Christ*innen. Ich bin in einer Stadt namens Keren aufgewachsen, die zur Hälfte von Muslim*innen und zur Hälfte von Christ*innen bewohnt wird und in der mindestens vier Sprachen gesprochen werden. Dort ist das Feiern der Vielfalt eine wichtige Sache, an die ich auch denke, wenn ich mich an das LdetFest in Eritrea erinnere. Als Christ*innen feierten wir Ldet mit unserer Familie sowie der Nachbarschaft und luden

ANZEIGE

HOOO HOO HO

Hochschule der Künste Bern Haute école des arts de Berne hkb.bfh.ch