Südwesttext Januar-Februar 2020 Nr. 122

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SÜDWESTTEXT Zeitung für die Textil- und Bekleidungsindustrie HERAUSGEGEBEN VON SÜDWESTTEXTIL

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Themen Bildung + Soziales „Wir hätten dich Garn“ Seite 14 Recht + Steuern Krank und nochmal krank Seite 16

Der Lieferkette auf der Spur:

„Organic Cotton Tour“ Seite 8

Heimtextil feiert Jubiläum

50. Ausgabe der Weltleitmesse mit Megathema Nachhaltigkeit

Keyvisual Heimtextil 2020

Ein halbes Jahrhundert im Zeichen des textilen Designs: Zum 50. Mal versammelte die Heimtextil in Frankfurt am Main die internationale Wohntextilbranche. Vom 7. bis 10. Januar 2020 präsentierten 2 952 Unternehmen aus 65 Ländern ihre Neuheiten auf der weltweit größten Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien. „Es gibt kaum eine Messe weltweit, die solch eine bewegte, erfolgreiche Geschichte vorweisen kann. Seit der ersten Veranstaltung

im Januar 1971 mit 679 Ausstellern haben wir im Laufe der Jahrzehnte massiv in die Qualität der Messe sowie in Informations- und Inspirationsangebote für die Branche investiert“, erklärte Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt. Dabei sieht sich die textile Einrichtungsbranche bedeutenden Herausforderungen gegenüber: Die digitale Transformation – Stichwort „Industrie 4.0“ – führt gegenwärtig Fortsetzung Seite 1

Positiv ins neue Jahr gestartet Mit einem positiven Wert von 4,8 Punkten fällt der Südwesttextil-Geschäftsklimaindex im Januar erstaunlich gut aus. Lag er bei der letzten Befragung noch im negativen Bereich, so dreht er nun erfreulicherweise wieder in die positive Richtung. Mit dafür verantwortlich ist die Zufriedenheit mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Der Wert liegt hier bei 9,2 Punkten. Bei der letzten Befragung im Oktober 2019 lag der Wert bei minus 17,1 Punkten. Exemplarisch zeigt sich diese Entwicklung am erzielten Inlandsumsatz: Aktuell bewerten 31 Prozent der Befragten die erzielten Umsätze als gut, vor drei Monaten empfanden das nur 16 Prozent der Unternehmer. Eine leichte Zurückhaltung zeigt sich bei den wirtschaftlichen

Erwartungen. Hier liegt der Wert bei 0,49 Punkten und spiegelt so die unsichere Lage der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Situation mit ihren zahlreichen ungelösten Problemen. Keiner kann bis dato die Auswirkungen des Brexits einschätzen und auch die ungeklärten wirtschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen den USA und China wirken sich belastend aus. Zudem kommen noch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus dazu – ein Ende ist noch nicht abzusehen. Analysten erwarten auf der Grundlage der Erfahrungen mit der SARS-Epidemie eine vollständige Erholung des Marktes erst ab dem Ende des 2. Quartals. Christine Schneider

Technik + Umwelt REACH im Zielkonflikt mit seinen eigenen Schutzzielen Seite 19

Zahl des Monats Trotz einer täglichen Staustrecke von 4 200 Kilometern in Deutschland fahren zwei von drei Erwerbstätigen mit dem Auto zur Arbeit. Dabei legen die meisten Beschäftigten gar nicht allzu weite Strecken zum Arbeitsplatz zurück: Bei 81 Prozent beträgt die Distanz zwischen Wohnund Arbeitsstätte weniger als 25 Kilometer, 28 Prozent müssen sogar höchstens fünf Kilometer zurücklegen. Doch der Pkw ist trotz der vielen Staus auf deutschen Straßen oft schneller als Bus und Bahn. Hinzu kommt, dass aufgrund der hohen Mieten am Arbeitsort mittlerweile jeder Sechste lieber pendelt als umzieht und deshalb auch längere Arbeitswege in Kauf nimmt. Die Bundesagentur für Arbeit hat festgestellt, dass in Deutschland inzwischen fast 13 Millionen Arbeitnehmer in einen anderen Kreis zur Arbeit pendeln – das ist mehr als jeder dritte Berufstätige.

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Quelle: IW Medien

Aktuell Ein Tag für Innovative und solche, die es werden wollen: Am 25. März 2020 findet in Stuttgart im „Look 21“ das future_innovation_festival statt, Höhepunkt des Projekts „place2tex“– das Innovationsnetzwerk der Textilbranche. Weitere Infos und Anmeldung unter www.place2tex.com/fif.


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Verband + Industrie

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Fortsetzung von Seite 1 In Kürze

Heimtextil feiert Jubiläum zu grundlegenden Veränderungen bei der Herstellung und Verarbeitung von Wohntextilien. Nicht alle Unternehmen können da Schritt halten, und so war das vergangene Jahr auch geprägt von Geschäftsaufgaben und Insolvenzen. Zwar eröffnet die Digitalisierung viele Möglichkeiten auf Produktionsseite – auf der Handelsseite sorgt sie dafür, dass sich Kaufströme signifikant verschieben und stationäre Fachgeschäfte mittelfristig auf neue Konzepte angewiesen sind. Auch hier lassen sich eine starke Konsolidierung sowie ein Rückgang von Fachhandelsgeschäften beobachten. Doch wie überall ist auch in dieser Branche Nachhaltigkeit das große, alles überlagernde Thema. In diesem Jahr standen die grünen Aspekte bereits zum zehnten Mal

ganz oben auf der Agenda der Messe. Mit einer Reihe von Maßnahmen forcierte die Heimtextil das nachhaltige Engagement der Industrie und gab grünen Vorreitern eine Bühne. Am 8. Januar fand die große Jubiläumsparty unter dem Motto „Some Glam and some Glamour“ mit viel Gold und Glitter statt – passend zur goldenen 50. Es wurden Filme und viele Bilder gezeigt – aktuell und historisch – und in einem Showcase Designklassiker aus den vergangenen Dekaden in Szene gesetzt. Tolle Musik machte die Live-Band „Jimmy Wilson Band and dancers“ und sorgte für gute Stimmung bis spät in die Nacht. Hier zeigten die Heimtextiler, dass sie nicht nur eine kreative und innovative Branche sind, sondern dass sie auch richtig feiern können.

Und mitten drin die Südwesttextilmitglieder. Von insgesamt 33 Ausstellern waren diese von der ersten Stunde an auf der Heimtextil als Aussteller vertreten und haben bis heute keine der fünfzig Ausgaben der Weltleitmesse verpasst:

/ Alfred Apelt GmbH / Badenia Bettcomfort GmbH & Co. KG / Billerbeck Betten-Union GmbH & Co. KG / Centa Star Bettwaren GmbH & Co. KG / Gustav Gerster GmbH & Co. KG / Konrad Hornschuch AG

Business at OECD (BIAC) hat die Broschüre „Responsible Business Conduct: The OECD Guidelines for Multinational Enterprises“ überarbeitet. Die Broschüre gibt einen guten Überblick über Inhalte und Konzepte der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Die deutsche Fassung der OECDLeitsätze ist abrufbar unter https:// bit.ly/2RXS8jA.

Antje von Dewitz Foto: @clementlauchardphotographyAG Simone Diebold

Das Messeteam und die Austeller der ersten Stunde feierten mit zahlreichen Gästen mit leckerem Essen und toller Livemusik der Jimmy Wilson Band ein rauschendes Fest. Fotos: Messe Frankfurt Exibition GmbH / Thomas Fedra

Mit dem Vanity Fair Changing Your Mind Award 2020 erhielt Antje von Dewitz, VAUDE Geschäftsführerin, am 6. Februar eine renommierte internationale Auszeichnung. An der feierlichen Preisverleihung im Kimpton Fitzroy Hotel in London nahmen rund 150 Gäste aus der Reise- und Tourismusbranche und der Medienwelt teil. Die Vanity Fair Changing Your Mind Awards werden jährlich an fünf Persönlichkeiten aus aller Welt verliehen, die den Mut haben neue Wege einzuschlagen und damit positive Veränderungen bewirken. Antje von Dewitz erhielt den Award für ihr Engagement, nachhaltig zu wirtschaften und weit über VAUDE hinaus zu einem veränderten Bewusstsein in der Gesellschaft beizutragen. Insbesondere für im Ausland produzierende deutsche KMU, die auf lokale Ausbildungsstrukturen zur Fachkräftegewinnung angewiesen sind, ist ein gemeinsamer Aufbau von Ausbildungsclustern zur Bündelung von Ressourcen und zur Deckung des lokalen Bedarfs an Fachkräften wichtig. Die Förderung „ClusterVET“ des BMBF sieht vor, bestehende oder sich im Aufbau befindliche Unternehmenscluster zu Ausbildungsclustern weiterzuentwickeln. Mehr unter https:// bit.ly/35mhhcs.


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Südwesttextilmitglieder präsentieren sich auf der Heimtextil

Das Familienunternehmen Apelt mit Sebastian Ihling, Donata Apelt-Ihling, Ottmar Ihling und Karoline Ihling-Fehrle gehört mit seinen Dekostoffen, Kissen, Decken und Bettwäschen zu den Heimtextilausstellern der ersten Stunde.

Egeria-Inhaber Ali Kücükkinaci freut sich über das 100-jährige Jubiläum seiner Frottierwarenfirma in diesem Jahr.

Formesse-Geschäftsführer Matthias Jaschke ist stolz auf die klimaneutrale Produktion seiner Produkte. Auf dem Sofa: Simone Diebold, Rebekka Rüth, Ana Mena, Sonja Jaschke und Matthias Jaschke. Fotos: Südwesttextil

Max Mödinger, Sohn von schlafgut-Geschäftsführerin Dr. Ursula Matheis-Mödinger, hat mit einem Team eine Zero-Waste-Verpackung für die Spannbetttücher entwickelt, 100 Prozent aus Rest- und Altpapier und komplett kompostierbar.

Auch bei Weidmann spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle, Michael Rapp, Henrike Weidmann und Joachim Weiss.

Centa-Star-Geschäftsführer Thomas Müller und Vertriebsleiter Micky Herrmann waren mit ihrem Stand sehr zufrieden.

Billerbeck-Geschäftsführer Friedrich Ermert präsentierte stolz das „Blauer Engel“-Zertifikat, das das Unternehmen für die Produktlinie Billerbeck Greta® bekommen hat. Doch auch bei anderen Produkten spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle.

Andreas Veil, Geschäftsführer von Traumina, erklärte Peter Haas das Marketingtool des Bettenspezialisten: Traumina bietet seinen Händler an, mit ihnen am Messestand Videosequenzen zu drehen, die dann in Trauminavideos integriert werden.

Roxana Ciobanu präsentierte die „Stop-Ocean-Plastic“-Kollektion von OBB, die dieses Jahr 120-jähriges Jubiläum feiert.


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Change is in the air: Fashionweek im Wandel Mitte Januar traf sich die internationale Modeszene zur Fashionweek in Berlin. Neue Örtlichkeiten und Konzepte bringen Schwung und Veränderungen. Die Stadt will in die Zukunft des Modestandorts investieren. Das Jahrzehnt begann spannend für die Modeszene und besonders für die Absolventinnen und Absolventen der deutschen Modeschulen, die am Vorabend der Leitmessen im Rahmen der Berliner Fashionweek im Vienna House Andel's Berlin ihre Kollektionen im Rahmen der Neo.Fashion präsentieren. Das einzigartige Veranstaltungsformat mit den „Best Graduates’ Shows“ wurde 2017 als Plattform für den deutschen Designer-Nachwuchs geschaffen und stärkt seitdem die Rolle Berlins als Modehauptstadt. Insgesamt neun Modeschulen waren in den drei Modenschauen vertreten und zeigten ihre Kreationen vor rund 2 000 Gästen. Die Veranstaltung gab einen Ausblick

sich mit gesellschaftlich relevanten Themen, wie Geschlechterrollen, Diversität, Digitalisierung sowie Umweltschutz und zeigen sich als Zukunftsgestalterinnen und Zukunftsgestalter. Mit ihren Entwürfen leisteten sie ihren Beitrag zur Gestaltung einer nachhaltigen und innovativen Zukunft – nicht nur in der Modebranche. Südwesttextil unterstützte die Teilnahme an diesem Konzept durch ein finanzielles Sponsoring. Auch der Gesamtverband textil+ mode war in diesem Jahr Partner der Graduiertenshow und lud in diesem Zusammenhang zum PolitFashion-Neujahrsempfang in das Loft 14 ein. Hier trafen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik

»Die deutsche Textilindustrie steht für Innovationen, hohe Qualität und Langlebigkeit und damit für einen Green Deal Textil.« Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer textil+mode

auf die Zukunft der Mode und stellte das kreative Potenzial, das Thema Nachhaltigkeit und insbesondere die Nachwuchsförderung in den Vordergrund – ein Event, gewidmet dem Leitgedanken „Fashion for Future“. Eine der präsentierenden Hochschulen war erstmals die Hochschule Reutlingen mit ihrem Schwerpunkt Modedesign der Fakultät für Textil & Design. Sieben Nachwuchstalente begeisterten mit ihren Abschlusskollektionen, die mit viel Kreativität, Enthusiasmus, Talent und Können eigens in den Laboren der Hochschule designt und realisiert wurden. „Unsere Premiere hier auf der Neo.Fashion. war ein großartiger Erfolg. Die Absolventinnen können stolz auf ihre Show und ihre Kollektionen sein“, erklärte Julia von Leliwa, Leiterin des Studienschwerpunkts Modedesign, im Anschluss an die Show in Berlin begeistert. Bei den gezeigten Kollektionen war insgesamt ein deutlicher Trend erkennbar. Die Absolventinnen und Absolventen beschäftigten

und Industrie vor den Shows, um sich über das Potenzial des kreativen Nachwuchses und die textilen Trends – Innovation, Technologie und Nachhaltigkeit auszutauschen. Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands, betonte zum Auftakt der Modewoche die Bedeutung für den Standort Berlin und die Werte der Industrie. Nach diesem exklusiven „Sundowner“ genossen die Gäste die Präsentation des Designnachwuchs. Für die deutschen Bekleidungshersteller war die Januarausgabe der Fashionweek ähnlich spannend. Ein Raunen war durch die Reihen gegangen, als im Herbst die Panorama verkündete, gemeinsam mit dem nachhaltigen Messekonzept der Neonyt an den ehemaligen Flughafen Tempelhof zu ziehen. Für die Nachhaltigkeitsmesse bedeutete dies einen großen Sprung, war die Ausstellerzahl doch stetig gestiegen und die bisherige Location im Kraftwerk nach nur wenigen Saisons wieder zu klein geworden. Trotz der erweiterten Kapazitäten musste auch am Tempelhof noch

Nach der Begrüßung von Dr. Uwe Mazura bekräftigte die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Nicole Ludwig, die Bedeutung des Modemessen-Standortes Berlin und den wachsenden Trend für nachaltige Mode. Fotos: t+m und Neo.Fashion


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eine improvisierte Leichtbauhalle zusätzlich auf dem ehemaligen Rollfeld eingerichtet werden, um allen Ausstellern Platz zu bieten. Die Atmosphäre in dem ehemaligen Hangar war wie immer fantastisch und durch die Nähe zur Panorama, die sich direkt auf der anderen Seite des Rollfelds beherbergt war, fanden in diesem Jahr auch zunehmend konventionelle Einkäufer den Weg auf die Nachhaltigkeitsmesse.

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Auch das Konferenzformat Fashion Sustain lockte interessierte Fachbesucher an, und so fanden im ehemaligen Flughafen-Restaurant spannende Diskussionen statt. Darunter auch eine rund um das Thema Kreislaufwirtschaft und die Neuentwicklung einer sogenannten „Circularity.ID“. Mit auf dem Podium saß Anna Pehrsson, Recycling Spezialistin beim SüdwesttextilMitglied Texaid, und beschrieb die

Herausforderungen, die beim Recyclingprozess entstehen. Doch auch die Modewelt außerhalb der immer mehr zur Normalität werdenden Nische war von den Veränderungen am Tempelhof betroffen. So entschieden sich viele Hersteller, darunter Olymp und Digel, in diesem Jahr hauptsächlich auf die Premium am Gleisdreieck zu setzen. Olymp glänzte hier mit einem toll in das Industriegebäude

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eingebetteten Showroom. Ausgeleuchtete Nischen ließen den Blick auf die alten Backsteinwände frei und kleine Fenster ließen immer wieder durch die Wand auf ein neues Produkt blicken. Eine tolle Atmosphäre, in der sich auch Geschäftsführer Mark Bezner sichtlich wohl fühlte. Zur Stärkung gab es dann noch einen kräftigen Gin aus Stuttgart. Rebekka Rüth

Vanessa Frank stattete den Influencer- und Blogger-Event-Bereich „Prepeek“ mit den stylischen Bodenkissen von Darling Little Place aus. Auch das Team von Organication präsentierte auf den Neonyt seine nachhaltige Kollektion. Südwesttextil on Tour: Rebekka Rüth, Peter Haas und Simone Diebold wurden dieses Mal von Mitgliedern begleitet – Melanie Müller von Rösch und Franziska Kaiser.

Auf der Panorama zeigte Jürgen Schweikardt seine GOTS-zertifizierte Premiummode, vollstufig produziert in Sonnenbühl. Marc Bezner fühlte sich auf der Premium am Gleisdreieck im Olymp-Showroom, eingebettet in einem Backstein-Industriegebäude, sehr wohl. Die hippe Stuttgarter Gin-Bar bot Stoff zur Stärkung. Fotos: Südwesttextil


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PH-Werte: Die Kolumne von Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer Peter Haas

Von der Leidenschaft fürs Handeln »Kreativ und mutig sollten wir das tun, was in unseren Kräften liegt. « Willkommen im neuen Jahrzehnt, liebe Leserinnen und Leser! Wie hat es bei Ihnen angefangen? Ich hatte nach wenigen Tagen im Büro das Gefühl, dieses Jahr startete mit noch mehr Vollgas als die vorigen. Ist das gut? Lässt das auf mehr Dynamik hoffen als wir Ende 2019 befürchtet haben? Oder ist das schlecht, weil das schneller drehende Rad eher ein Zeichen für zunehmende Unsicherheit und Aktivismus ist? Was erwartet uns? Den Vergleich zu den letzten 20er Jahren, die goldene waren

und letztendlich braune wurden, möchte ich gar nicht ziehen – auch wenn manche Analogie (Börsen, politische Kultur…) ins Auge sticht. Viel wichtiger als die Prognosen und Szenarien der Zukunftsforscher ist das Engagement der Zukunftsgestalter. Wie sagte Albert Einstein: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ Sprich: Kreativ und mutig sollten wir das tun, was in unseren Kräften liegt. Südwesttextil tut dies mehr denn je auf vielfältige Weise – ob mit

unserem Engagement für einen europäischen Lehr- und Forschungsleuchtturm in Reutlingen (das „Texoversum“) oder auch mit den Impulsen, die unser Projekt place2tex mit dem „Future Innovation Festival“ den Unternehmensvertretern im März geben kann. Dort haben wir eine Reihe von Firmen auf der Bühne, die beispielhaft für ein „sich stetes Neu erfinden“ stehen. Melden Sie sich noch schnell an! Es wird ein hoch inspirierender Tag! Mich hat zu Beginn des Jahres inspiriert, was ich über ein Bekleidungsunternehmen aus der Region las: Dass sie nicht nur ihren Webshop auf die neue Zeit umprogrammiert haben (weil die Beziehung zum Endkunden bei schwindenden Einzelhändlern immer wichtiger wird und weil der Endkunde immer öfter online kauft und das auch noch per Handy). Nein, dieser Fabri-

kant hat auch ein traditionsreiches Bekleidungsgeschäft von den Inhabern übernommen, umgebaut und neu eröffnet – aber nicht allein, sondern mit zwei Partnerunternehmen gemeinsam. Drei Marken, die sich gut ergänzen, den Standort erhalten und Kunden ein aufgefrischtes Erlebnis bieten. Genial. Seit drei Jahren frage ich mich, warum z.B. die guten Standorte von Kaufhof und Karstadt nicht von Modeherstellern selbst übernommen und bewirtschaftet werden. Die Leidenschaft fürs Handeln, die Liebe zur Ware und zum Kunden könnten neu entfacht werden – anders als bei jenen, die doch eigentlich nur noch Immobilienspekulanten und keine Einzelhändler mehr sind. Die Nachricht vom reaktivierten Traditionshaus mit drei Marken bestärkte mich jedenfalls, dass mein Arbeitsmotto richtiger denn je ist: „Machen ist wie Wollen, nur krasser“.

Termine unbedingt vormerken und gleich anmelden! „Und bitte!“– Ihr Auftritt vor Publikum und Kameras

Foto: iStock.com/ iStock.com/Ignatiev

„HR meets SWT“ – Personalleitertagung 2020

Foto: iStock.com/ iStock.com/Jirsak

Trainer ist Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Südwesttextil, PR- und Medienprofi mit langjähriger Radio- und TV-Erfahrung.

Zur diesjährigen Personalleitertagung am 22. April 2020 lädt Südwesttextil wieder in einem etwas „größerem Format“ ein. Gastgeber der Tagung ist das Mitgliedsunternehmen Margarete Steiff GmbH in Giengen an der Brenz. Beginnen wird die Veranstaltung am Vorabend 21. April 2020 im Lobinger Hotel Weisses Ross in Langenau mit einem Vortrag von Lars Sudmann, den der Verband als Referenten gewinnen konnte. Lars Sudmann ist ein international angesehener Experte zu den Themen moderner Führung von Mitarbeitern. Nach einem gemütlichen Abendessen mit ausreichend Zeit für anregende Gespräche besteht Übernachtungsmöglichkeit.

Anmeldung: www.suedwesttextil.de/veranstaltungen/auftrittstraining-0420

Anmeldung: www.suedwesttextil.de/veranstaltungen/plk-2020

Am 1. April 2020 veranstaltet Südwesttextil im Look 21 in Stuttgart einen Workshop für alle, die mal reden müssen. Ob vor Kunden, Kollegen oder Mitarbeitern, auf Betriebsversammlungen, Messen oder im eigenen Image-Film: Irgendwann heißt es „Bühne frei“ oder „Kamera läuft“. Viele sind sich nicht sicher, wie sie im öffentlichen Auftritt wirklich performen. Und wie kann man das überhaupt trainieren bzw. welche Tipps gibt es für gelungene Auftritte? Deshalb: lieber im Workshop üben als live scheitern.


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Neue Mitglieder bei Südwesttextil

Alles nachhaltig: Maßhemden und stilvolle Accessoires für den Hund. Fotos: Agentur für nachhaltige Kommunikation

Der Stift besteht aus Flachsfasern und rubinrotem Recycling Baumwollgarn, das aus Primärabfällen der Konfektionsindustrie gewonnen wird. Fotos: www.manaomea.com

MASSMANUFAKTUR BADEN Die MASSMANUFAKTUR BADEN wurde 2019 in Baden-Baden von Ulrike Stöckle gegründet. Das Unternehmen fertigt Maßhemden, Maßblusen, Maßblusenkleider und Maßpyjamas ausschließlich in ÖKO-TEX100-Qualität und auf Basis eines nachhaltigen Geschäftsmodells im Sinne des Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Auf Anfrage gibt es auch maßgefertigte Kragen und Binder für Hunde sowie Hundemäntel und Hundebetten. Jeder, der sich stilvoll kleiden möchte, ohne dabei auf Qualität und Nachhaltigkeit verzichten zu müssen, findet hier das passende und individuell gefertigte Maßbekleidungsstücke. Die handverlesenen Produkte zeigen, dass Stil, Qualität und Nachhaltigkeit kompromisslos vereinbar sind.

manaomea Nach vielen Jahren in der Luft- und Raumfahrttechnik nutzt das soziale Start-up seine patentierte Technologie und sein Know-how, um Ideen rund ums Textilrecycling in reale Produkte zu übersetzen. Gestartet ist manaomea mit einer Kollektion von Stiften, die aus bestem natürlichen Grafit, umschlossen von Recyclinggarnen, Naturfasern, Textilabfällen und einem selbst gekochten Biopolymer bestehen. Natürliche Unikate, die schöne Geschichten zu erzählen wissen, und aus Abfällen neue relevante Werte schaffen: damit ihr Nutzen ein Genuss ist, Menschen in fairem Handel arbeiten können, viele noch bessere Ideen entstehen, und das Atmen von sauberer Luft kein Luxus wird.

Bei den Mitgliedsunternehmen

v.l.n.r.: Stefan Thumm (Südwesttextil), Arnd-Gerrit Rösch (Gerhard-Rösch-Gruppe), Martin Rosemann (SPD) und Arved Westerkamp (Gerhard-Rösch-Gruppe), Peter Haas (Südwesttextil). Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Nähgarne, Kordeln, elastische und unelastische Bänder, Klettverschlüsse und Reißverschlüsse. Fotos: www.erichwahl.de

Erich Wahl Das Böblinger Familienunternehmen in dritter Generation blickt auf eine 80-jährige Erfahrung im Bereich textiler Produkte und Kurzwaren zurück. Es wurde 1940 mit der Vision gegründet, als zuverlässiger Partner im Bereich der Kurzwaren die textile Produktion zu unterstützen. Die Schwerpunkte des Unternehmens liegen in den Bereichen Nähgarne, Kordeln, elastische und unelastische Bänder, Klettverschlüsse und Reißverschlüsse. Neben einer professionellen Beratung wird eine schnelle, unkomplizierte und zuverlässige Abwicklung der Bestellungen über den Onlineshop des Unternehmens angeboten. Das Ziel des Spezialisten für Kurzwaren ist es, die Produkte der Kunden mit der Expertise noch erfolgreicher zu machen und so zu einem hohen Qualitätsstandard beizutragen.

Zu einem industriepolitischen Austausch hatte Arnd-Gerrit Rösch, Geschäftsführer der Gerhard-Rösch-Gruppe (Rösch Fashion und Rökona) in Tübingen den SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Martin Rosemann ins Unternehmen eingeladen. Rosemann stammt aus Saulgau in Oberschwaben und hat seinen Wahlkreis in Tübingen-Hechingen. Als Arbeitsmarktexperte seiner Fraktion hat er natürlich auch Interesse an der Situation der Arbeitgeber, die Rösch und Co-Geschäftsführer Arved Westerkamp als herausfordernd beschrieb, insbesondere mit Blick auf zahlreiche regulatorische Belastungen. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und ihrer guten Arbeitsplätze steht auf der Kippe“, so Rösch. Dem Gespräch wohnten auch Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer Peter Haas und der Verbandsexperte für Umwelt, Energie und Chemie, Stefan Thumm bei. Ergebnis der Runde: Der Dialog zwischen Berlin und den SüdwesttextilFirmen soll wiederholt und verbreitert werden.


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Auf den Spuren der Nachhaltigkeit: Organic Cotton Tour Ein Porträt der Firma Paradies entlang ihrer Lieferkette Die textile Wertschöpfungskette ist eine der globalsten der Welt und so ist es nicht verwunderlich, dass eine Reise zu textilen Produktionsstätten oft über mehrere Kontinente führt. Anfang des Jahres 2019 entstand beim Südwesttextil-Mitgliedsunternehmen Paradies die Idee, die Produktionsstätten, die in der Umstellung der eingesetzten Gewebe auf Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau im Bettwarensortiment eine essenzielle Rolle spielen, zu besuchen und gleichzeitig für die Kunden die Lieferkette sichtbar und transparent zu machen. „Back to Basic“ – zurück zu den Ursprüngen, zum Anfang der Lieferkette, zum Ausgangsort, zur Basis der Produkte. Die Reise begann in der Blütezeit der Baumwollernte und führte die Delegation zu zwei Feldern nach Ägypten. Vor Ort bestimmt in den weitläufigen Baumwollfeldern die biodynamische Bewirtschaftung den Alltag, denn für die zweimal jährlich stattfindende Prüfung durch die Control Union müssen viele Aspekte beachtet werden. So erfuhren die Heimtextiler, dass für die Dünger eine natürliche Basis aus einer Mixtur aus Pflanzen verwendet wird und darüber hinaus zum Schutz vor Insektenfraß einheimische Vogelgattungen angesiedelt werden. Der nächste Stopp der Reise war bei einem großen Familienunternehmen mit rund 2 000 Fairtrade zertifizierten Baumwollfarmen. Bei der Ankunft im Dorf wurden die Besucher mit großer Gastfreundschaft empfangen und so entstand schnell eine gemütliche Runde, in der der Austausch über die gemeinsame Leidenschaft für das textile Produkt im Fokus stand. Erzählungen aus dem Alltag des Biobaumwollanbaus wechselten sich mit interessierten Fragen nach dem Endprodukt und der weiteren Verarbeitung des Rohstoffs ab. Besonders freute das Paradies-Team die Erzählungen der Bauern über ständig stattfindende Weiterbildungsmaßnahmen und die durch den Verkauf der Biobaumwolle ermöglichte Bildung für viele Familien in der Region. So wurde aus dem geschäftlichen Treffen ein kultureller

Für Geschäftsführer Klaus Kremers (rechts im Bild) und Einkäufer Marcus Mauersberger (2. v. l.) von Paradies, ein Mitgliedunternehmen von Südwesttextil, begann Anfang des Jahres 2019 die Reise „Back to Basic“ – zurück zu den Ursprüngen, zum Anfang der Lieferkette, zum Ausgangsort, zur Basis der Produkte. Fotos: Paradies

und freundschaftlicher Austausch, der mit gegenseitigen Geschenken gekrönt wurde. Die Bauern freuten sich über eigens für diesen Anlass angefertigte Sonnenschutzkappen und die Gäste von Paradies fühlten sich geehrt, einen Turban sowie den traditionellen Punkt auf der Stirn zu tragen. Weiter entlang der Wertschöpfungskette besuchte die Delegation noch eine indische Baumwollspinnerei. Auch bei dieser Stufe wurde erneut klar, dass die nachhaltige Produktion besondere Sorgfalt in jeder Prozessstufe beinhaltet. So erfolgt beispielsweise beim Trennen der Baumwollfasern von den Samen, die normalerweise ein Reststoff sind, eine Weiterverwertung zu Baumwollsamenöl, das beispielsweise als Tier-Kraftfutter verwendet wird. Die letzte Station der Reise führte zu einer Weberei nach Pakistan. Hier ist die Textilindustrie der wichtigste Industriesektor und auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine zunehmend größere Rolle. Der dort ansässige Partner zur Gewebeherstellung befindet sich auf dem „grünen“ Weg und arbeitet aktuell an der Verringerung des CO2-Fußabdrucks sowie an einem allgemeinen nachhaltigen Ansatz in der Produktion. So besitzt das Unternehmen unter anderem eine

Abwasserbehandlungsanlage, denn was in Europa selbstverständlich ist, ist in Pakistan ungewöhnlich. In der Anlage werden jährlich bis zu 1,5 Millionen Liter Wasser gefiltert und gereinigt. So werden Mensch und Umwelt in der grundsätzlich bereits wasserarmen Gegend geschont. Nach dieser Reise fühlte sich das Team in der kompromisslosen

Entscheidung für den Einsatz von Bio-Qualitäten bestätigt. Neben dem Schutz der Natur freute das Team besonderes, dass durch die Unterstützung der nachhaltigen Produktion auch vor Ort die Lebensbedingungen verbessert werden können. Doch darüber hinaus war für das Team diese Reise äußerst wichtig, denn selbst für den erfahrenen Bettwarenhersteller gab


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es in den Produktionsländern noch etwas dazuzulernen, beispielsweise zu den Vorgängen des ökologischen Anbaus und dem Prozess, den die Bauern durchlebt haben, um Regulierungen zugunsten der Umwelt vor Ort umzusetzen. So hatte die lange Reise über drei Kontinente einen ähnlichen Effekt, wie sie auch eine Urlaubsreise oder ein längerer Aufenthalt im Ausland hat. Neben all den

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wichtigen Informationen über die Gewinnung und Verarbeitung von Baumwolle sowie vielen Gesprächen über die Industrie und Entwicklung, bedeuteten die Besuche für das Paradies-Team eine Erweiterung des Horizonts, das Erleben und Schätzen neuer Kulturen sowie letztendlich eine Stärkung der partnerschaftlichen Beziehungen, die sich für das Unternehmen über den gesamten Globus ziehen.

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Bis heute sind 90 Prozent der eingesetzten Gewebe im Bettwarensortiment auf Paradies Greentex® BIO-Baumwollgewebe umgestellt worden. Seit 2010 wird der gesamte Strombedarf des Unterneh-

Abfall und Emissionen geachtet. Neben diesem beeindrucken Prozess lassen sich zahlreiche weitere Maßnahmen in der nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens nennen.

mens aus erneuerbarer Energie bezogen und 2013 wurde das Unternehmen „Fair Trade“ zertifiziert. Seit 2016 arbeitet das Unternehmen CO2-neutral und darüber hinaus wird auf die Vermeidung von

Im Bereich Verpackung werden 100 Tonnen pro Jahr recycelt und auch bei den Materialien wird stets geprüft, ob Bio-Materialien oder ressourcenschonende Alternativen eingesetzt werden können. Der Bettwarenhersteller ist außerdem Mitglied der „Plant My Tree“Initiative, die sich um die Aufforstung von deutschen Wäldern und den CO2-Abbau kümmert. Das Unternehmen wurde als Ökoprofit-Betrieb im Rahmen eines ökologischen Projekts für integrierte Umwelttechnik ausgezeichnet. Bei all diesen Maßnahmen verfolgt Paradies neben dem wichtigen Hauptaspekt der Qualität, den Paradieskunden seit Jahrzehnten schätzen, den Ansatz, Nachhaltigkeit in der Identität des Unternehmens zu verankern. Rebekka Rüth


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Weltweit erster Cradle to Cradle® zertifizierter Nähfaden

Disana spendet Strickwindeln für verwaiste Kängurukinder

Die AMANN Group erhielt im Januar 2020 für ihre neue Produktlinie LIFECYCLE als erster Nähfadenhersteller weltweit die Auszeichnung CRADLE TO CRADLE CERTIFIED TM GOLD für den technischen Kreislauf. Cradle to Cradle® zertifizierte Produkte sind für die vollständige Kompostie- Foto: www.amann.com rung (biologischer Kreislauf) oder das materialreine Recycling (technischer Kreislauf) konzipiert und ermöglichen eine konsequent geschlossene Kreislaufwirtschaft, bei der keine Abfälle anfallen. Seit Jahren entwickelt AMANN gezielt Produkte weiter, um sie durch den Einsatz von ausgesuchten Recycling- und Naturmaterialien nachhaltiger zu machen. Lifecycle Polyamide wurde in Zusammenarbeit mit dem internationalen Umweltinstitut EPEA für eine Wiederverwertung als Rohstoff im technischen Kreislauf optimiert. Dies bedeutet, AMANN hat ein Produkt entwickelt, das maximale Recyclingfähigkeit gewährleistet, keine Ressourcen verbraucht und sich gleichzeitig durch besonders hohe Qualität auszeichnet. Gewonnen wird der Rohstoff für Lifecycle Polyamide aus recycelten Fischernetzen sowie anderen textilen Abfällen. Da bei der Herstellung nach Cradle to Cradle® keinerlei gesundheits- und umweltschädliche Materialien eingesetzt werden dürfen, verzichtet AMANN auf Silikone und verwendet bei der Färbung der Fäden ausschließlich kompostierbare Farbstoffe. Diese ressourcenschonende Vorgehensweise wirkt sich nicht nur positiv für die Umwelt aus, sondern auch auf die Produktqualität. Der neue Nähfaden Lifecycle besitzt exzellente Festigkeitswerte und ist äußerst robust, scheuerbeständig und belastbar.

Als Hersteller von Naturtextilien für Baby- und Kinderbekleidung ist das SüdwesttextilMitgliedsunternehmen Disana weltweit mit gleichgesinnten Unternehmen vernetzt. Woollykins Organics, ein australischer Kunde, kam im Rahmen der verheerenden Buschbrände auf die Idee, aus gebrauchten Strickwindeln und den MoltonTüchern Disana als Innenfutter, einen Prototyp-Beutel für verwaiste Kängurukinder zu nähen. Für die Tiere ist es sehr wichtig in einem Beutel aufwachsen zu können und so Foto: www.disana.de die Geborgenheit der Mutter spüren zu können. Chemiefasern kommen bei der empfindlichen Haut nicht in Frage. Die kleinsten Kängurus bekommen sogar den wärmenden Walkstoff von Disana als Innenfutter eingenäht, da sie noch kein Fell haben und die Wärme benötigen. Nach der begeisterten Rückmeldung eines Wildtierpflegers vor Ort schrieb Brenna, die Inhaberin von Woollykins, nach Deutschland und bat um die Spende weiterer Materialien. Für das Familienunternehmen mit Sitz am Rande der Schwäbischen Alb war es eine Selbstverständlichkeit, den Australiern bei der Rettung ihrer Tiere zu helfen, und so wurden mehrere Kartons voller Strickwindeln, Molton-Tüchern und Walkstoffresten nach Australien geschickt. Dort wurden die Materialien dann von Brenna und vielen anderen Helfern zu Beuteln zusammengenäht. Eine tolle Aktion!

Bundespreis Ecodesign 2020

Coronavirus in China und Auswirkungen

Der vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt ausgelobte Bundespreis Ecodesign zeichnet nachhaltige und herausragend gestaltete Produkte, Dienstleistungen und Konzepte aus. Der Preis ist in vier Kategorien ausgeschrieben: Produkt, Service, Konzept und Nachwuchs. Die Qualität der Einreichungen wird in einem mehrstufigen Verfahren von Fachleuten aus dem Umweltbundesamt, dem Beirat und der interdisziplinär besetzten Jury bewertet. Innovationsgehalt, Gestaltungsqualität und Umwelteigenschaften stehen bei der Bewertung im Vordergrund. In jeder Kategorie können mehrere Preise vergeben werden. Die Preisträger und Nominierten erhalten für ihre Preisträger 2019 in der Kategorie ProEinreichung eine Auszeichnung in dukt: Rucksäcke aus Bananenblätter der jeweiligen Kategorie sowie das von Bananatex® by QWSTION. Recht, damit zu werben. Die Gewinner des Nachwuchspreises erhalten zusätzlich einen Geldpreis in Höhe von 1 000 Euro. Alle nominierten und prämierten Einreichungen werden im Folgejahr in einer Wanderausstellung präsentiert.

Zwar hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Auftreten des neuartigen Coronavirus in China und den USA keine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" ausgerufen. Dennoch steigt die Zahl der Infizierten weiter und auch in Deutschland isind Infektionen mit dem Virus bestätigt Foto: iStock.com/solarseven worden. Eine solche Pandemie kann Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen in Deutschland haben. Von ihrer Intensität hängt es ab, wie stark Betriebe im Einzelnen erfasst werden und ob Arbeitsabläufe im gewohnten Umfang sichergestellt bleiben. Ebenso stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das Virus für den Einsatz von Arbeitnehmern außerhalb Deutschlands hat. Der BDA und der Gesamtverband textil+mode geben einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen sowie über arbeitsvertragliche Folgen, wenn Arbeitnehmer wegen des Coronavirus nicht beschäftigt werden, und über die Auswirkungen auf Entsendungen von Arbeitnehmern in das Ausland. Zudem wird dargestellt, welche Vorbereitungshandlungen getroffen werden können, um innerbetriebliche Folgen möglichst einzugrenzen.

Anmeldefrist: bis 6. April 2020 Hinweise zum Wettbewerbsverfahren https://bit.ly/37G4gwb

Zu finden unter: https://www.suedwesttextil.de/nachrichten/ coronavirus-auswirkungen-tm


Januar / Februar 2020 I Nr. 122

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Bildung + Soziales  11

TEXTIL FÜR MORGEN nachhaltig vernetzt in Baden-Württemberg #textilfuermorgen

Zum Ende des letzten Jahres durften wir bereits stolz vom Gewinn eines Projektes im Rahmen des Ideenwettbewerbs des Rats für nachhaltigen Entwicklung berichten. Jetzt wird es konkret und Ihre Unterstützung ist gefragt:

Am 23. und 24. April laden wir zu unserem Round Table „Textil für Morgen“ in das Hotel Achalm in Reutlingen ein. Alle interessierten Mitgliedsunternehmen sind eingeladen, sich an diesem Prozess mit ihren wichtigen Perspektiven einzubringen, denn der Round Table soll der Auftakt für einen gemeinsamen Prozess der Nachhaltigen Entwicklung sein. Mit Ihrer Unterstützung soll in dem zweitägigen Moderationsprozess eine Roadmap entstehen, die die wesentlichen Bausteine Ihrer Nachhaltigkeitsstrategien umfasst und die Herausforderungen für die Zukunft bündelt. Ziel ist es, mit dem Projekt den Startschuss für eine stärkere Vernetzung der Mitgliedsunternehmen in Nachhaltigkeitsthemen zu geben und konkrete

Projekte mit anderen Akteuren aus Verbänden und Forschung anzustoßen.

Ihre Mitwirkung ist gefragt!

Warum Ihr Unternehmen bei diesem Workshop dabei sein sollte? Das Thema Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein Trend und wird in der breiten Öffentlichkeit diskutiert und zunehmend auch in Gesetzgebungen umgesetzt. Dies trifft langfristig nicht nur Hersteller von Endprodukten, sondern auch ihre Lieferketten. Bringen Sie sich im Rahmen der Tagung aktiv ein und vernetzen Sie sich, denn besonders bei den komplexen Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung gilt es, die regionalen Synergien zu nutzen und sich gemeinsam bestimmten Herausforderungen zu stellen. Weitere Informationen und die Anmeldung finden Sie unter: www.suedwesttextil.de/veranstaltungen/roundtable-textilfuermorgen

Südwesttextil @ NEONYT Im Rahmen des Projektes planen wir in Kooperation mit der Messe Frankfurt ein rund 80 qm2 großes Showcase für die Sommerausgabe der Neonyt – dem globalen Hub für Mode, Nachhaltigkeit und Innovation in Berlin. Vom 30. Juni bis 2. Juli 2020 öffnet die Messe gleich zwei der ehemaligen Hangars auf dem Berliner Tempelhof Flughafen für die breite Öffentlichkeit. In Kombination mit dem Konferenzformat „Fashion Sustain“ und mit der Nähe zur Messe Panorama am gleichen Standort bildet der Flughafen Tempelhof so einen zukunftsweisenden Hotspot für die Modeszene. Mit der Bespielung der Showcase-Fläche möchte Südwesttextil die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit über den Trend der nachhaltigen Mode hinaus demonstrieren und so unabhängig vom Produkt den Weg aufzeigen, den viele Textil- und Bekleidungsunternehmen im Südwesten beschreiten. Das Showcase soll daher die Vielfalt unserer Branche aufzeigen und öffnet einigen Mitgliedsunternehmen aus allen Bereichen die Möglichkeit, sich an dieser Gemeinschaftsfläche zu beteiligen. Interesse? Kontaktieren Sie Rebekka Rüth (rueth@suedwesttextil.de)

Foto: Messe Frankfurt


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Verband + Industrie

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JANUAR / FEBRUAR 2020 | NR. 122

Ein Jahrhundert Betriebsrat Am 4. Februar 1920 trat mit dem Betriebsrätegesetz der Vorläufer des heutigen Betriebsverfassungsgesetzes in Kraft. Doch obwohl die Mitbestimmung seit 100 Jahren gesetzlich verankert ist, haben heute nur wenige Betriebe einen Betriebsrat „Nachdruck aus dem Informationsdienst iwd des Instituts der deutschen Wirtschaft“

Zwar gab es schon vor 1920 eine Art Betriebsrat, doch der damalige Arbeiterausschuss war eine freiwillige Einrichtung. Erst mit dem Betriebsrätegesetz wurde die Mitbestimmung verbindlich geregelt und die Betriebsräte konnten in sozialen und personellen Angelegenheiten mitreden, „zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber“, wie es in Paragraf 1 des Gesetzes hieß. Auch das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das 1952 das Betriebsrätegesetz ablöste, setzt auf ein kooperatives Miteinander: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und (…) zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen.“ Gleichwohl gibt es auch einige Unterschiede zwischen dem Gesetz von damals und dem von heute (Grafik): Ab einer Betriebsgröße von 101 Beschäftigten sieht das BetrVG für den Betriebsrat mehr Mitglieder vor als das Betriebsrätegesetz. Außerdem werden dem Betriebsrat im BetrVG deutlich mehr und differenziertere Rechte eingeräumt. Im Gesetz von 1920 beschränkte sich die Mitwirkung vor allem auf die Vereinbarung von Dienstvorschriften, die Verwaltung von Pensionskassen und Werkswohnungen sowie auf die Einhaltung von Tarifverträgen. Das BetrVG gewährt den Arbeitnehmern dagegen zahlreiche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in sozialen, personellen und auch wirtschaftlichen Angelegenheiten. Dazu gehören Beratungs- und Anhörungsrechte, Informations- und Vorschlagsrechte, Zustimmungs- und Vetorechte bis hin zu erzwingbaren Mitbestimmungsrechten – zum

Beispiel bei den Themen kollektive Arbeitszeitregelungen, Überstunden und Kurzarbeit sowie bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Das BetrVG gilt heute als tragende Säule der deutschen Arbeitsmarktordnung. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Management und Betriebsrat trotz aller Interessenun-

terschiede in den meisten Fällen zu einer Lösung kommen: In 95 Prozent aller betrieblichen Entscheidungen schaffen es Management und Betriebsrat, einen Konsens herzustellen. Trotz dieser guten Zusammenarbeit ist die Reichweite der betrieblichen Mitbestimmung in Deutschland beschränkt. Wie im Betriebsrätegesetz von 1920 gilt auch heute: Die Arbeitnehmer haben das Recht, einen Betriebsrat zu wählen, verpflichtet sind sie nicht. Und tatsächlich verzichten viele darauf (Grafik): In Westdeutschland hatten 2018 nur 9 Prozent aller Betriebe einen Betriebsrat, in Ostdeutschland waren es 10 Prozent. Diese niedrigen Quoten gelten allerdings nicht generell. Denn es sind vor allem die kleinen und mittleren Betriebe, in denen nur selten ein Betriebsrat gewählt wird: Von den Firmen mit 5 bis 50 Beschäftigten haben in Westdeutschland nur 5 Prozent einen Betriebsrat – in großen Unternehmen ist er mit fast 90 Prozent dagegen Standard. Wenn man die Reichweite nicht auf die Betriebe bezieht, sondern auf die Beschäftigten, ergibt sich ein etwas besseres Bild: Demnach arbeiten im Westen 42 und im Osten 35 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit einem Betriebsrat. Ohnehin scheint die Existenz eines Betriebsrats für die Zufriedenheit der Arbeitnehmer keine notwendige Bedingung zu sein (Grafik): Ob es einen Betriebs- oder Personalrat gibt, hat auf die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten kaum Einfluss. Im Durchschnitt liegt die Arbeitszufriedenheit in Betrieben mit Betriebsrat bei 7,21 Punkten – ohne Betriebsrat sind es 7,25. https://spektor.iwmedien.de


JANUAR / FEBRUAR 2020 I NR. 122

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Bildung + Soziales 13

Der neue Dekan der Reutlinger Textilfakultät

Seit Oktober 2019 im Amt: Prof. Dr. Jochen Strähle, Dekan der Fakultät Textil & Design.

Seit Oktober 2019 führt ein neuer Dekan gemeinsam mit einem ebenfalls neuen Vorstandsteam die Geschicke der Fakultät Textil & Design. Der neue Dekan und Fashionmanagement-Experte Prof. Dr. Jochen Strähle spricht mit Südwesttextil über Ziele, Visionen und Herausforderungen. Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit als Dekan gesetzt und welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? Wir haben uns im Vorstand drei Ziele gesetzt. Das erste ist die Reakkreditierung aller sieben Studiengänge, mit dem Ziel, eine höhere Vernetzung und mehr Synergien innerhalb der Fakultät zu erzeugen. Das zweite Ziel ist es, das Texoversum aufzubauen und zum Leben zu erwecken und damit einen Ort zu kreieren, an dem Innovation rund um Textil stattfinden kann. Unser drittes Ziel ist es, die Marke Hochschule Reutlingen, mit uns als Fakultät, wieder zur ersten Anlaufstelle für textile Ausbildung in Deutschland zu machen. Schwerpunktmäßig sollen für mich die Menschen im Mittelpunkt stehen. Die Vision ist, dass wir hier die Welt von morgen durch Textil gestalten wollen und wir hier nur Dinge tun, die dem Menschen und der Gesellschaft helfen. Das fängt bei uns selbst, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen an und geht schließlich über die Studierenden hinweg in die Gesellschaft. Die Studierenden müssen das Gefühl haben, dass sie sich hier entwickeln können. Unsere Aufgabe ist es, ihnen die Möglichkeit dazu zu

geben. Somit können wir einen positiven Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Sie waren in verschiedenen leitenden Funktionen in der Modebranche tätig. Welche Erfahrung nehmen Sie aus dieser Zeit für Ihre Arbeit als Dekan mit? Das erste ist, dass die Vergangenheit nur durch Veränderung in der Zukunft Bestand hat. Man muss Dinge ändern, damit sie besser werden. Das zweite ist, dass in jeder Organisation viele Talente schlummern, von denen man zunächst nichts weiß. Helfen, diese nach vorne zu bringen, ist unglaublich gewinnbringend. Das dritte ist, dass ohne die Menschen in der Fakultät nichts bleibt außer einer losen Hülle, das gilt im Übrigen für jedes Unternehmen. Das ist der zentrale Punkt. Wie ist Ihre Vision für die Fakultät in zehn Jahren? Bei der 175-Jahr-Feier in zehn Jahren sollten wir die zentrale Anlaufstelle für textile Ausbildung in Deutschland sein. Wir sollten mit genannt werden unter denjenigen Orten, an denen Innovation für die Textilindustrie passiert. Das gilt für die Ausbildung, für die Hochschulbildung, die Weiterbildung, für Innovation und Politik. Wenn wir hier genannt werden, ist das Ziel erreicht. Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für die Textilindustrie und damit für die Fakultät? Die deutsche Perspektive auf die Textilindustrie hat sich gewandelt.

Produktion findet hier nicht mehr im großen Stil statt, deswegen sagt man der Branche weniger Relevanz für Deutschland nach. Global gesehen ist sie jedoch einer der größten, global vernetzten, Arbeitgeber. Wenn man an einem Standort mit dieser Perspektive und langfristig überschaubarer Produktion ein nichtsdestotrotz relevantes Feld besetzt, ist das eine Herausforderung. Es gibt viele Themenfelder, in denen Textil eine große Rolle spielt. Man darf es nicht mit Bekleidung alleine verwechseln bzw. gleichsetzten. Gerade Medizin, Mobilität und Architektur sind große Tätigkeitsfelder, in denen Textil eine tragende Zukunftsrolle hat. Ich glaube auch, im Vergleich zu anderen Branchen hat die Textilindustrie mit der Wahrnehmung von Textil in der Breite, mit dem Image, zu kämpfen. Die Frage ist, wie schaffen wir es junge Menschen dafür zu begeistern, dass Textil vielschichtiger ist, als es an der Oberfläche scheint und ein Zukunftsfeld ist, welches viel näher an den Lebenswelten der Menschen ist, als das vielleicht andere Branchen sind. Textil hat in vielen Bereichen Eingang, die wir für die Zukunft immer stärker benötigen. Zum Beispiel im medizinischen Bereich: Menschen werden immer älter - für eine bessere Versorgung spielt Textil eine Rolle. Menschen werden immer mobiler und benötigen zeitgemäße Lösungen. Der Leichtbau spielt eine immer wichtigere Rolle, hier hat Textil eine große Aufgabe. Bekleidung grundsätzlich natürlich auch. Viele Auswüchse der Klimakrise sind auch auf textile Produktion zurück zu führen - dafür braucht es Lösungen. Diese Lösungen müssen

gefunden werden, auch das ist unsere gesellschaftliche Aufgabe. Welche Skills der Studierenden und Absolventinnen und Absolventen der Fakultät liegen ihnen besonders am Herzen? Jede Reutlinger Textilabsolventin und jeder Reutlinger Textilabsolvent hat Grundkenntnisse über Technologie, Design und BWL. Jeder, unabhängig davon, welcher Studiengang studiert wurde. Das ist einzigartig und liegt im Grundprofil der Hochschule verankert. Jeder, der hier bei uns ist, hat über alle Kernbereiche der textilen Wertschöpfungskette Wissen und Erfahrung, das ist einzigartig. Deswegen ist die Einsatzfähigkeit unserer Absolventen höher, als die manch anderer. Jeder unserer Absolventinnen und Absolventen hat substanzielles Wissen, gepaart mit der Neugier, Neues zu entdecken. Wir scheinen eventuell manchmal nicht so glamourhaft, aber wir können hier in Reutlingen Textil wirklich. In unserer Zeit wirken bunte Bilder zwar stark, aber langfristig setzt sich Substanz immer durch. Auch Internationalität ist für unsere Absolventinnen und Absolventen wichtig, findet jedoch nicht ausschließlich durch Auslandssemester statt, sondern wird hier auch auf dem Campus gelebt und gefördert. Was war für Sie die größte Überraschung als Dekan? Qua Funktion ist man als Dekan stark an allen Bereichen interessiert, dadurch nimmt man die Vielfältigkeit der eigenen Organisation noch mal stärker und intensiver wahr, als dass im Vorfeld der Fall war. www.reutlingen-university.de

Das neue Vorstandsteam der Fakultät Textil & Design rund um Dekan Prof. Dr. Jochen Strähle: (v.l.n.r.) Prof. Dr. Klaus Meier, Prof. Dr. Jochen Strähle, Prof. Henning Eichinger und Prof. Dr. Torsten Textor. Fotos: Hochschule Reutlingen/J.Lehmann


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Bildung + Soziales

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JANUAR / FEBRUAR 2020 | NR. 122

„Wir hätten dich Garn“

Die Ulmer Bildungsmesse zeigte: Das Trommeln um den Nachwuchs ist dringender denn je

Foto: Die beiden Ausbildungsexperten Felix Rothenbacher und Kathrin Wolf von Otto Garne und der gut besuchte Stand von Porcher Industries. Fotos: Südwesttextil

Vom 6. bis 8. Februar 2020 fand die 10. Ulmer Bildungsmesse statt. Südwesttextil warb mit der Ausbildungskampagne Go Textile! für die Wahl der textilen Berufe und unterstützte damit seine Mitgliedsunternehmen Gebrüder Otto und Porcher Industries, die ebenfalls auf dem Gemeinschaftsstand vertreten waren. Für beide Textiler ist klar, dass intensiv um den Nachwuchs geworben werden muss. Auf der Ulmer Bildungsmesse, die im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführt wird, erreichen die Unternehmen zahlreiche Jugendliche, Lehrer und Eltern. Die Messe erfreute sich mit 45 000 Besuchern und 280 Ausstellern in sieben Hallen erneut enormer Beliebtheit. Wie wichtig dieser Baustein im Werben um Jugendliche ist, zeigen zwei Meldungen im Vorfeld der Messe. So hat die Bundesagentur

für Arbeit im Januar 2020 die Zahlen zum Stand der Nachvermittlung und der Ausbildungsstellen auf dem Markt für das begonnene Ausbildungsjahr veröffentlicht. Es wird deutlich, dass die Betriebe zunehmend Rekrutierungsprobleme haben. Die Anzahl der am

die Ergebnisse einer DIHK-Umfrage unter 23 000 Unternehmen, die in einem F.A.Z.-Artikel veröffentlicht wurden. Der Aufschwung am Arbeitsmarkt ist abgeflaut – aber weil immer mehr Arbeitskräfte in Rente gehen, finden die Betriebe oft nur schwer geeignetes Personal.

»Jetzt aber Vollgas! Wer jetzt seine Belegschaft von morgen sichern will, muss ausbilden.« Peter Haas, Hauptgeschäftsführer Südwesttextil e.V.

30. September 2019 noch unversorgten Bewerber (24 400) konnte bis Januar 2020 um 10 300 auf 14 100 reduziert werden. Im Bereich der Textiltechnik gab es bundesweit 344 offene Stellen, die gemeldet waren, aber nur 56 Bewerber. In die gleiche Richtung zeigen

Nach der Umfrage kann fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland trotz Konjunkturdelle Arbeitsplätze längerfristig nicht besetzten. Die Demografie wird zum Hemmschuh. Aufgrund von fehlenden Arbeitskräften müssen schon heute Aufträge abgelehnt werden. Auf diese Meldungen reagierte Peter Haas, Hauptgeschäftsführer von Südwesttextil, mit einem flammenden Appell an die Unternehmen: „Jetzt aber Vollgas! Wer jetzt seine Belegschaft von morgen sichern will, muss ausbilden: Endlich erstmals ausbilden, wieder ausbilden oder noch mehr ausbilden! Schluss mit dem Lamento! Arbeitgeber, geht auf Angriff! Geht in die Schulen, noch öfter als bisher! Werbt für Eure Angebote. Kümmert Euch um Bewerber, die noch nicht 100-prozentige Selbstläufer sind. Nutzt die überbetriebliche Ausbildung in der Gatex, um die Azu-

bis noch fitter und prüfungsreifer zu machen! Ja, ich weiß, sie sind dann noch öfter nicht im Betrieb. Aber Ausbildung ist Invest, nicht Return. Wer sagt, das ist Blödsinn, möge sich über Umsatzeinbußen wegen abgelehnter Aufträge aufgrund mangelnder Beschäftigter nicht beschweren.“ Die Baumwollspinnerei Otto aus Dietenheim und Porcher Industries aus Erbach haben dies längst erkannt und sich auf den Weg gemacht. Gebrüder Otto zum Beispiel hat neben dem regelmäßigen Besuch von Messen, der Kooperation mit der örtlichen Schule und einem Profil auf der Go Textile!-Seite auch eine eigene Karriereseite für ihre Ausbildungsberufe im Internet – ich-bin-ein-spinner.de. Gerne unterstützt der Verband auch Sie bei ihren Aktivitäten, sprechen sie uns an!

Christine Schneider Diplom-Ökonomin Fachkräfte + Märkte Tel.: +49 711 21050-25 schneider@suedwesttextil.de


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JANUAR / FEBRUAR 2020 I NR. 122

Berufseinsteiger aufgepasst! Young Professionals Day auf der TV TecStyle Visions in Stuttgart Ende Januar war es wieder soweit: Die „Expo 4.0“, der Messeverbund für visuelle Kommunikation und haptische Werbung, fand vom 30. Januar bis 1. Februar 2020 in Stuttgart statt und erfreute sich mit 421 Ausstellern und 12 518 Besuchern erneut großer Beliebtheit. Darunter auch die TV TecStyle Visions, Fachmesse für Textilveredlung und Promotion. Mit 262 Ausstellern bekräftigte das zweijährig stattfindende Konzept seinen Status als europäischer Branchentreff und Leitmesse für die Textilveredlung. Die TV TecStyle bereicherte dabei den Messeverbund in diesem Jahr zusätzlich mit einem von Innovationen und Wissenstransfer geprägten Rahmenprogramm. Als Blick in die nahe Zukunft fungierte in der diesjährigen Messeausgabe die „TecCheck Area“. In der digitalen Microfactory veranschaulichten neun Unternehmen unter Koordination der DITF (Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf) die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Fertigung. Innerhalb einer Stunde entstand ein Polo-Shirt, von 3D-Design und Konzeption, über Druck, Thermofixierung, Zuschnitt und Konfektion. Am ersten Messetag bot der Young Professionals Day auch Einblicke

Foto: Christine Schneider, Kerstin Ressel und Prof. Dr. Christian Kaiser (v.l.n.r.) im Gespräch mit Steffi Erhardt über den Wandel der Ausbildungsberufe. © Messe Stuttgart

für Schüler, Studierende und Berufseinsteiger. Auch Südwesttextil war mit dabei und berichtete über die Zukunft und die Veränderung der Aus- und Weiterbildung in der Textilindustrie. Außerdem war Christine Schneider, Leiterin des Bereichs Fachkräfte + Märkte bei Südwesttextil, Teilnehmerin an einem Podiumsgespräch, bei dem es ebenfalls um die Herausforderungen für die Aus- und Weiterbildung in der Branche ging. An der von Steffi Erhardt, SE Spitzenkleid, moderierten Podiumsdiskussion beteiligten sich außerdem Prof. Dr. Christian Kaiser von der

Jugend trifft auf „Antike“ Die Auszubildenden des dritten Lehrjahres zum Produktionsmechaniker Textil (Weberei) in der Gatex haben in einem Arbeitsprojekt einen wesentlichen Beitrag zur Revision einer Jacquardeinrichtung eines Handwebstuhls des Textilmuseums Zell im Wiesental geleistet. Die beiden Azubis Pascal Schranz von Zweigart & Sawitzki und Bruno Russo von Global Safty Textiles haben die 400 Platinenstruppen der Jacquardeinrichtung erneuert. Somit ist es dem 84-jährigen Webmeister Stephan Helbig bei Vorführungen wieder möglich, den Webstuhl störungsfrei zu betreiben. Neben der Erneuerung der Platinenstruppen hatte das Projekt auch den Effekt, dass sich die Azubis mit der ursprünglichen Technik auseinandersetzen konnten.

Hochschule Albstadt-Sigmaringen und Kerstin Ressel, Personalleiterin bei Mey. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig: Die Infrastruktur für eine kontinuierliche Weiterbildung ist einer der Bausteine, um die Zukunft der Textil- und Bekleidungsindustrie in Deutschland zu sichern. Die Textilveredlung stellt in diesem Zusammenhang weiterhin eine Kernkompetenz dar. Um für diesen Bereich gut ausgebildete Fachkräfte zu haben, bietet die Gatex in Bad Säckingen ein breites Schulungsangebot an. Christine Schneider

Umsetzungsfragen zum neuen BBiG Mit der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) durch das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz (BBiMoG) haben sich in der praktischen Umsetzung einige Fragen ergeben. Die BDA hat einen Fragen-AntwortenKatalog zusammengestellt, den Sie im Mitgliederbereich unter www.suedwesttextil.de finden. Die Übersicht wird angesichts weiterer Erkenntnisse und aufkommender Fragen fortlaufend ergänzt. Den jeweils aktuellen Stand der Übersicht stellen wir Ihnen kontinuierlich in unserem Mitgliederbereich unter der Rubrik „Fachkräfte – Ausbilder-Dialog“ zur Verfügung.

Bildung + Soziales 15

Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz Am 1. März 2020 tritt das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Damit soll die gezielte Zuwanderung und die Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden aus Drittstaaten erleichtert werden. Neben weiteren Neuerungen soll es künftig Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung möglich sein, gezielt zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland einzuwandern. Des Weiteren wird der Fachkräftebegriff erweitert. Er umfasst nun alle beruflich Qualifizierten. Diese können nach Deutschland zur Arbeitsplatzsuche einreisen. Deutschkenntnisse müssen hierfür nachgewiesen und der Lebensunterhalt gesichert sein. Ebenso entfällt die Begrenzung auf Mangelberufe sowie die Vorrangprüfung bei anerkannter Qualifikation und vorliegendem Arbeitsvertrag. Weitere Infos unter www.bmi. bund.de/SharedDocs/faqs/DE/ themen/migration/fachkraefteeinwanderung/faqs-fachkraefteeinwanderungsgesetz.html.

Seminare Bildungswerk Seminarangebot der Akademie für Personal- und Organisationsentwicklung im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft in Kooperation mit Südwesttextil. Zeitmanagement – zielorientiert und top geplant 19.-20. März 2020, Haus Steinheim an der Murr Design Thinking – Innovationen anstoßent 23.-24. März 2020, Haus Gutach-Bleibach Employer Branding – Schritt für Schritt zum attraktiven Arbeitgeber 26. März 2020, Haus Reutlingen www.biwe-akademie.de


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Recht + Steuern

JANUAR / FEBRUAR 2020 | NR. 122

Krank und nochmal krank

Entgeltfortzahlung bei neuer Krankheit während bestehender Arbeitsunfähigkeit psychischen Leidens arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber leistete Entgeltfortzahlung bis einschließlich 20.03.2017. Im An-

bestehende Arbeitsverhinderung bis einschließlich 30.06.2017. Im Juli 2017 erbrachte die Arbeitnehmerin im Hinblick auf ihren gewährten

Lydia Knapp Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) – Fachanwältin für Arbeitsrecht Tel.: +49 711 21050-15 knapp@suedwesttextil.de

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht dann nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.12.2019, Aktenzeichen 5 AZR 505/18). Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die befristet bis zum 31.07.2017 beschäftigte Arbeitnehmerin war seit dem 07.02.2017 infolge eines

Foto: iStock.com/schulzie

schluss bezog die Arbeitnehmerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihrer Hausärzte, die zuletzt am 05.05.2017 eine bis einschließlich 18.05.2017 fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestierten, Krankengeld. Am 19.05.2017 unterzog sich die Arbeitnehmerin wegen eines gynäkologischen Leidens einer seit längerem geplanten Operation. Ihre niedergelassene Frauenärztin bescheinigte am 18.05.2017 als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit vom 19.05.2017 bis zum 16.06.2017 und durch Folgebescheinigung eine fort-

Urlaub und Überstundenausgleich keine Arbeitsleistungen mehr und begann eine Psychotherapie bei einem Neurologen. Die Arbeitnehmerin erhielt in der Zeit vom 19.05.2017 bis zum 29.06.2017 weder von der Beklagten Entgeltfortzahlung noch von ihrer Krankenkasse Krankengeld. Sie begehrte nun vom Arbeitgeber Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum mit der Begründung, sie sei ab dem 19.05.2017 wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen. Die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am

18.05.2017 geendet. Der Arbeitgeber macht geltend, den Umständen nach sei von einem einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen. Die Arbeitnehmerin habe deshalb nur einmal für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen können. Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts muss der Arbeitnehmer im Streitfall voll darlegen und beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist und sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit anschließt. Diesen Beweisen konnte die Arbeitnehmerin insbesondere den Umständen des Falles nach nicht erbringen. Gerade im Zusammenhang mit immer wieder auftretenden neuen Erkrankungen stellt sich häufig die Frage, wie lange die Entgeltfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber besteht, wenn der Sechs-Wochenzeitraum längst erfüllt wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat nun – erneut – klargestellt, dass es in diesen Fällen dem Arbeitnehmer obliegt darzulegen und zu beweisen, dass jeweils die alte Erkrankung beendet ist und eine neue Erkrankung gegeben ist.

Neues zu innerbetrieblichen Stellenausschreibung Eine mit dem Betriebsrat vereinbarte generelle innerbetriebliche Stellenausschreibung bedeutet für sich allein weder eine Festlegung auf den Kreis der Bewerber allein aus dem Betrieb, noch verpflichtet sie den Arbeitgeber, diesen Bewerbern bei der Besetzung des Arbeitsplatzes einen Vorrang einzuräumen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 03.05.2019 - 4 TaBV 15/18). Aus der Verpflichtung, Stellen intern auszuschreiben, folgt noch nicht, dass die Stellen bei Vorhandensein fachlich geeigneter betriebsinterner Bewerber mit diesen zu besetzen sind. Mit

einer Verpflichtung zur internen Ausschreibung per Betriebsvereinbarung wird lediglich der Regelung in § 93 BetrVG Rechnung getragen. Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Stellen vor ihrer Besetzung im Betrieb ausgeschrieben werden. Dieses kann er generell oder im konkreten Einzelfall verlangen. Diese Regelung soll es dem Betriebsrat im Interesse der von ihm vertretenen Belegschaft ermöglichen, durch die Bekanntmachung der freien Beschäftigungsmöglichkeiten den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sollen

die Gelegenheit erhalten, sich auf die zu besetzenden Arbeitsplätze zu bewerben. Daneben soll das Stellenbesetzungsverfahren für die verfügbaren Arbeitsplätze durch die innerbetriebliche Stellenausschreibung transparent ausgestaltet werden. Die betriebliche Ausschreibung bedeutet aber für sich allein weder eine Festlegung auf den Kreis der Bewerber aus dem Betrieb, noch verpflichtet sie den Arbeitgeber, diesen Bewerbern bei der Besetzung des Arbeitsplatzes einen Vorrang einzuräumen. Vielmehr liegt es vorbehaltlich anderweitiger Erklärungen des Arbeitgebers und

vorbehaltlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarter Auswahlrichtlinien im Sinne von § 95 Absatz 1 BetrVG grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers, die Stelle einem Arbeitnehmer seiner Wahl zu übertragen. Er kann sich dabei auch für einen betriebsfremden Bewerber entscheiden, wenn er ihn für den geeigneteren hält, sofern nicht Auswahlrichtlinien vorhanden sind, die eine Bevorzugung von internen Bewerbern zum Gegenstand haben.

Lydia Knapp


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Recht + Steuern

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Gutschrift auf Arbeitszeitkonto beitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft. In diesem Fall trägt der Arbeitnehmer

er von wann bis wann Arbeit geleistet hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen,

Alexander Stöhr Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) – Fachanwalt für Arbeitsrecht Tel.: +49 711 21050-22 stoehr@suedwesttextil.de

Führt der Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und weist dieses – ohne jeden Vorbehalt – eine bestimmte Anzahl von Guthabenstunden aus, stellt er damit den Saldo des Kontos streitlos. Will der Arbeitgeber im Nachhinein dann den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo bestreiten, muss er im Einzelnen darlegen und beweisen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei. Diese Grundsätze gelten dann jedoch nicht, wenn sich der Ar-

Foto: iStock.com/Ralf Geithe

gemäß den für einen Überstundenprozess geltenden Maßstäben die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die Stunden tatsächlich geleistet hat. Hinsichtlich der Ableistung von Überstunden genügt der Arbeitnehmer zunächst seiner Vortragslast, wenn er vorträgt, an welchen Tagen

Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 2020 Zum Start in das neue Jahr gibt es hier eine kurze Zusammenfassung interessanter Neuerungen zum Jahreswechsel im Arbeitsund Sozialrecht: / Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 9,35 Euro brutto. / Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird bis Ende 2022 auf 2,4 % gesenkt. / Neuer Freibetrag für Betriebsrentner in Foto: iStock.com/NiroDesign der gesetzlichen Krankenversicherung liegt bei 159 Euro. / Am 01.01.2020 trat das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung in Kraft. Geregelt ist eine Mindestvergütung von 515 Euro, die bis 2023 ansteigt. Daneben gibt es neue Fortbildungsbezeichnungen und insbesondere die Freistellung Auszubildender und ehrenamtlicher Prüfer/innen wurde neue geregelt. / Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt am 01.03.2020 in Kraft. Dadurch dürfen Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten grundsätzlich in Deutschland arbeiten, wenn Sie ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorweisen können. Weitere Öffnungen gibt es insbesondere bei der Möglichkeit der Einreise zur Arbeitssuche sowie dem Wegfall bisheriger Beschränkungen auf Engpassberufe, die besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind. / Am 01.01.2020 wurde die elektronisch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingeführt.

welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist. Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer zudem vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Über-

stunden angeordnet hat. Statt der ausdrücklichen Anordnung von Überstunden kann es auch zu einer konkludenten Anordnung oder zur Duldung von Überstunden kommen. Hierbei muss der Arbeitnehmer darlegen, von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll. Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschieden (Urteil vom 5.11.2019 – 5 Sa 73/19). In dem vom LAG zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer die Stunden selbst in das vom Arbeitgeber bereit gestellte elektronische Zeiterfassungssystem eingepflegt. Das Urteil liegt auf der seit längerem bestehenden Rechtsprechungslinie des Bundesarbeitsgerichts.

Termin unbedingt vormerken und anmelden! Aktuelle Rechtsprechung im Arbeitsrecht

Foto: iStock.com/PhonlamaiPhoto

Am 12. März 2020 veranstaltet Südwesttextil in der Filharmonie Filderstadt das Seminar „Aktuelle Rechtsprechung im Arbeitsrecht“. Der Referent wirkt als Vorsitzender Richter beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg selbst an Urteilen für die Praxis mit und stellt die für Unternehmen relevanten Entscheidungen vor. Die Teilnehmer erhalten damit für ihre tägliche Arbeit wichtiges und „druckfrisches“ Know-how. Anmeldung unter www.suedwesttextil.de/veranstaltungen/aktuellerechtsprechung-2020


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Technik + Umwelt

JANUAR / FEBRUAR 2020 | NR. 122

Termine

Die Highlights 2019 sind erschienen! Zum neunten Mal hat die AFBW die Höhepunkte und Neuigkeiten aus einem Kalenderjahr zusammengefasst. Mit den Highlights 2019 zeigt die textile Clusteragentur die Vielfalt des landesweiten Netzwerks, die technologischen Möglichkeiten, kurzum: den MEHRWERT DURCH NETZWERK!

FIBER HIGHLIGHTS 2019 AFBW – MEHRWERT DURCH NETZWERK

Download unter www.afbw.eu/de/index/afbw/aktuelles/details/die-highlights-2019-sind-erschienen

Was hat die AFBW 2019 beschäftigt? Im Jahr 2019 zog sie in neue Räumlichkeiten (S. 9), feierte 10-jähriges Bestehen (S. 6) und hat ganz nebenbei ihr Leistungsportfolio geschärft und erweitert. Neben weiteren „Highlights“, wie dem erfolgreichen Abschluss des Netzwerkprojekts FIBER PUSH (S. 18) und BauTex BW (S. 19) war das AFBW-Team auf Messen unterwegs und hat zahlreiche AGs und Events für ihre Mitglieder organsiert. Und die AFBW zeigt, wie ihr typischer Arbeitstag verläuft (S.11). Lassen SIe sich beim Lesen inspirieren!

OEKO-TEX® Neuregelungen 2020 Zu Jahresbeginn hat OEKO-TEX® die bestehenden Richtlinien sowie die geltenden Prüfkriterien und Grenzwerte für ihre Zertifizierungen und Services aktualisiert. Alle Neuregelungen treten nach einer Übergangsfrist am 1. April 2020 endgültig in Kraft. Die wichtigsten Änderungen kurz zusammengefasst: / MADE IN GREEN by OEKO-TEX® neu auch für Lederprodukte / Neu in den Grenzwertkatalogen aufgenommen sind: Foto: iStock.com/yaruta krebserregenden N-Nitrosamine und N-nitrosierbaren Substanzen, Herbizid Glyphosat und seine Salze sowie der Totalgehalt der toxischen Schwermetalle Arsen und Quecksilber / Neu unter Beobachtung sind einige neue als SVHC eingestufte Substanzen sowie Substanzen aus der Gruppe der Arylamine. Aber auch diverse Farbstoffe, Pestizide und perfluorierte Verbindungen werden künftig genau unter die Lupe genommen. / Integration von DETOX TO ZERO in STeP by OEKO-TEX® Den ausführlichen Bericht finden Sie unter www.suedwesttextil.de/nachrichten/neuregelungen-oekotex2020.

Termin unbedingt vormerken und gleich anmelden!

REACH, DETOX & Co. Textiles Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Schadstoffmanagement

Thementag von Südwesttextil / Hohenstein Group / AFBW HohensteinAcademy, Bönnigheim

7. April 2020

Jetzt anmelden unter www.suedwesttextil.de/veranstaltungen, clauss@suedwesttextil.de oder +49 711 21050 - 14

Textiles Grundwissen für Kaufleute und Azubis Das von der Gatex vom 09. bis 13. März in Bad Säckingen veranstaltete Seminar ermöglicht einen Überblick über die Entstehung von Textilien. Die Teilnehmer erhalten einen Überblick über die Entstehung von Textilien und können so deren Qualität besser bewerten und bei Bedarf fachkundiger beraten. Weitere Infos und Anmeldung unter www. die-gatex.de. Internationale Woche der Schmaltextilien 2020 Die Technische Universität Dresden lädt vom 09. bis 13. März 2020 zum ersten Mal zu einer Internationalen Woche der Schmaltextilien für Hightech Anwendungen ein. Zu folgenden Themen sind spannende Events geplant, die auch unabhängig voneinander besucht werden können: Neue Materialien und Sensorik, Flechttechnologie, Schmalgewebe / mehrlagige Gewebe / 3D Weberei, Montagetechnik für textile Produkte. Weitere Infos und Anmeldung unter www.suedwesttextil.de. AG Textile Techniken Am 17.03.2020 veranstaltet die AFBW die Arbeitsgruppe zum Thma „Caprolactam in-situ“unter der fachlichen Leitung von Prof. Markus Milwich (DITF) im „Look 21“ in Stuttgart. Die in-situ-Polymerisation von Caprolactam, das als Ausgangsstoff für die Herstellung von Polyamid 6 dient, eröffnet der Fertigung von faserverstärkten Kunststoffbauteilen ganz neue Möglichkeiten. Mehr unter www.afbw.eu. Forum Funktionalisierung Am 21. April 2020 veranstaltet die AFBW in Kooperation mit den DITF und den Hohenstein Instituten das Forum Funktionalisierung. Es behandelt sämtliche Aspekte der Funktionalisierung von Textilien. Dazu zählen insbesondere innovative Materialien und Technologien bei der Produktion von funktionellen Fasern, ausgerüsteten Flächengebilden sowie technischen Systemen. Auch aktuelle Forschungsergebnisse, Prüfsysteme, Trendanalysen und neue Anwendungsgebiete sowie Marketingaspekte. Mehr unter www.afbw.eu.


JANUAR / FEBRUAR 2020 I NR. 122

SÜDWESTTEXT

Technik + Umwelt

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REACH im Zielkonflikt mit seinen eigenen Schutzzielen Neues ECHA-Restriktionsverfahren zur C6-Fluorchemie bietet jede Menge Zündstoff

Foto: iStock.com/artisteer

Schon über ein Jahrzehnt dauert in der Textilindustrie die Umstellung der Fluorchemie von C8 auf C6 und sie ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Textile Ausrüstung mit Fluor- bzw. fluorierten Polymeren bewirkt zahlreiche Schutzwirkungen für Mensch und Umwelt. Die ECHA, die selbst diesen sehr aufwendigen Umstellungsprozess per Gesetzgebung vorangetrieben hat, konterkariert diese Bemühungen nun mit einem sehr weitreichenden C6-Fluorchemie-Restriktionsentwurf, der am 29.01.20 veröffentlicht wurde. Wird nichts verändert, steht bald eine Menge in der EU zur Disposition. Durch das Restriktionsverfahren ist in der Textilbranche – vor allem im Bereich der technischen Textilien – die Existenz vieler EUTextilfirmen bedroht. Dies bedeutet einen bevorstehenden Verlust von zehntausenden an EU-Arbeitsplätzen sowie das Zerbrechen von Wertschöpfungsketten. Viele REACH-Schutzziele für Mensch und Umwelt werden dabei noch ad absurdum geführt. Als wäre das noch nicht genug, führt parallel zum neuen Restriktionsverfahren der ECHA die Europäische Kommission aktuell eine Studie über die Verwendung von PFAS-Alternativen, Emissionen und andere Faktoren durch, die sich nur auf den Textilsektor konzentriert, mit dem Ziel, die ECHA zur Erstellung weiterer Beschränkungsdossiers aufzufordern. Im Januar 2020 führten die Forschungsnehmer der Studie, die Beraterfirmen Ramboll und Wood, in Brüssel einen Work-

shop durch, an dem der Gesamtverband textil+mode zusammen mit EURATEX, unter fachlicher Abstimmung mit den Verbänden Südwesttextil und dem VTB, wichtigen Input eingebracht haben. Noch bevor die Kommission die Ergebnisse dieser umfassenden Studie über die Beschränkung von PFAS in Textilien überhaupt vorliegen hat, veröffentlichte nun die ECHA das Beschränkungsdossier für die C6-Fluorchemie mit der Leitsubstanz PFHxA (Perfluorohexanoic Acid). Der Beschränkungsvorschlag legt die Grenzwerte für Verunreinigungen auf 25 ppb für PFHxA und 1 000 ppb für PFHxAverwandte Stoffe fest – die gleichen Grenzwerte wie bei der C8-Fluorchemie-Beschränkung für PFOA, deren Einhaltung auf Textilien heute noch oftmals nicht gesichert einhaltbar sind. Von den Behörden wird also weiter schablonenhaft reguliert, und was eine globale Gesamtemissionsbetrachtung anbelangt, die noch nie im Rahmen der Restriktionen in der Fluorchemie durchgeführt wurde, ist man noch immer nicht klüger geworden. Bisherige REACHRestriktionen in diesem Bereich führten deshalb global gesehen auch zu mehr PFAS-Emissionen als zu weniger. Der neue Beschränkungsentwurf bezieht sich auf die Herstellung, Verwendung und Vermarktung von C6-Fluorchemie als Stoffe in Formulierungen und in Erzeugnissen und gilt daher auch für fluorierte C6-Polymere, bei deren Herstellung nur Spuren an PFHxA entstehen. Es

ist eine 18-monatige Übergangsfrist nach Inkrafttreten vorgesehen, die angesichts mangelnder Alternativen bzw. Umstellungszeiträume völlig unrealistisch ist. Ausnahmen wurden bisher im Entwurf nur für persönliche Schutzausrüstung zum Schutz der Benutzer vor Risiken der Risikokategorie III und der medizinischen Textilien aus Vliesstoffen festgelegt. Zu beachten ist, dass diese Ausnahmen nicht zeitlich begrenzt sind, was anzeigt, dass die Restriktionsverfasser genau wissen, dass es derzeit in vielen Anwendungen keinerlei Alternativen zur C6- bzw. C8-Telomer-Fluorchemie gibt. Jedoch für textile Brennstoffzellenmembranen, brandlastminimierte Abdeckungen für den Motorraum von Fahrzeugen, Textilien für die Heißgasfiltration von Müllverbrennungsanlagen, UV- bzw. Sonnenschutztextilien, Textilien in der Architektur/Leichtbau, medizinische Textilien bzw. Medizinprodukte, die nicht aus Vliesstoff bestehen, persönliche Schutzausrüstung, die nicht Klasse III zertifiziert ist, textile Transportbänder für die Lebensmittelindustrie, brandlastoptimierte Heimtextilien u.v.m. sind keine Ausnahmen vorgesehen! Kaum einer dieser Artikel wird jemals gewaschen bzw. setzt im Gebrauch PFHxA in die Umwelt frei. Komplett vergessen wurde in der Restriktion auch die Textilbeschichtung. C6/C8 fluorierte Polymere werden in der Beschichtung als Prozesshilfsmittel eingesetzt, um das sogenannte „Durchschlagen“ der Beschichtungspaste zu verhindern. Im Rahmen der Beschichtung funktionieren fluorfreie Produktalternativen nicht. Mit diesem Restriktionsentwurf würden daher auch viele EU-Textilbeschichter vor dem Aus stehen. Deren Artikel würden dann in Asien produziert und in die EU importiert, da die Marktüberwachung in der EU nicht funktioniert. Die Thematik betrifft also nicht nur die Bekleidung und hier im speziellen die Outdoorbekleidung – und auch diese wird im Schneesturm auf 3 000 Meter zur Überlebensversicherung bzw. zum Leben bewahrenden Schutztextil.

Geradezu grotesk ist, dass es funktionierende schusssichere Westen in der EU für die Behörden wie Polizei und Grenzschutz offensichtlich auch nicht mehr geben soll, denn diese werden für den sogenannten Nassbeschuss mit C6-/C8-Polymeren ausgerüstet. Das bedeutet mit fluorfreier Ausrüstung, also ohne C6-/ C8-Ausrüstung, gleiten die Projektile wie mit Butter geschmiert durch die Aramidfaser-Gewebelagen. Das Resultat ist dann für den Träger tödlich, genauso wie dieser Restriktionsansatz für viele Textiler und andere EU-Industrien. Diese Tatsache sollte die EU jetzt vor die Frage stellen: „Wieviel EU-Bürger dürfen für ein paar Kilogramm PFHxA-Emissionseinsparung pro Jahr im Einsatz, am Berg bzw. auf hoher See gefährdet werden?“ Dies zeigt den ganzen Zielkonflikt dieser Restriktion mit den ureigenen Schutzzielen von REACH auf. Fluorfreie Alternativen, die von vielen propagiert und der Politik immer wieder glaubhaft gemacht werden, funktionieren in all diesen Bereichen nicht, und bei der C6Chemie liegt derzeit technisch das untere Limit. Fatal ist auch, dass momentan die Querbeziehungen dieses Entwurfs zu den vielen anderen aktuell laufenden REACH-Restriktionen bzw. REACH-Wirkungen, wie z. B. zu Mikroplastik, vergessen werden – weitere Kollateralschäden sind somit vorprogrammiert. Alles Textile, ob das Erzeugnis selbst oder die Herstellungsprozesse, sind unter hohem EU-Restriktionsdruck, und wer als Fachmann vernetzt denkt, fragt sich, was überhaupt in Zukunft noch in der EU produzierbar ist bzw. in den Verkehr gebracht werden kann. Visionen führen auf den Mond, auf Wunschdenken basierende Utopien in den Abgrund. Wir brauchen funktionierende Alternativen und dazu braucht es Ideen, Fachleute und viel Forschungsgeld, und dann ist Gesetzesdruck wichtig, diesen neuen Lösungen den Weg zu bahnen! Fragen an: Dipl.-Ing.(FH) Stefan Thumm Tel.: +49 151 281 090 45 umwelt@suedwesttextil.de


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Zu guter Letzt

SÜDWESTTEXT

JANUAR / FEBRUAR 2020 | NR. 122

Mode, nachhaltig und digital. Ein Widerspruch? Auf der Munich Fabric Start trafen sich wieder Experten zum Textil- und Modedialog der Verbände Am 5. Februar fand der neunte Textil- und Modedialog im Rahmen der Messe Munich Fabric Start statt. Im Fabric Club drehte sich an diesem Abend alles um das Thema Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Christian Dierig, Sprecher des Vorstands der Dierig Holding AG, führte in bewährter Manier durch die Veranstaltung. Im Anschluss an den Impulsvortrag über „Körpervermessung via Smartphone – die Revolution im Onlineshop Bereich“

betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt, so Prof. Kaiser. Er halte es jedoch für wichtig, bei diesem Thema die technische Komponente mehr zu berücksichtigen. Als kreatives Highlight präsentierte der Design-Nachwuchs der Deutschen Meisterschule für Mode, Designschule München, in einer Modenschau sein meisterliches Können. Begleitet wurde die Show diesmal von Biboul Darouiche, einem großartigen live

Das Podium (v.l.n.r.): Christian Dierig, Peter Schöffel, Prof. Christian Kaiser, Mirjam Smend und Johanna Schöffel Fotos: VTB

von Leon Szeli, Geschäftsführer des Start-ups presize, moderierte er die Podiumsdiskussion mit den Gästen Mirjam Smend, Initiatorin und Gründerin der Nachhaltigkeitsmesse „Greenstyle MUC“, Prof. Christian Kaiser, Professor für Textiltechnologie an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und hier zuständig für das Projekt „Microfactory“ sowie Johanna Schöffel, Duale Masterstudentin Human Resources, Schöffel Sportbekleidung GmbH und Peter Schöffel, Geschäftsführer der Schöffel Sportbekleidung GmbH. „In unserer Branche stehen die Werte Qualität und Nachhaltigkeit an erster Stelle“, erklärten Peter Schöffel und seine Tochter Johanna. Ein Beispiel: In der Schöffel

Service Factory, in der kleinere Reparaturen am Produkt vor Ort vorgenommen werden können, bekomme der Kunde die Möglichkeit auch nach vielen Jahren, seine Lieblingsjacke durch Reparaturen zu erhalten. Dieser Ansatz der Nachhaltigkeit trete dem Trend der „Fast Fashion“ entschieden gegenüber. Auch wenn das Problem der „Fast Fashion“ sehr aktuell sei, meinte Mirjam Smend, dass das Thema der Nachhaltigkeit und die Sensibilisierung für die Wertigkeit textiler Produkte immer mehr im Mainstream ankomme. Dennoch bleibe es wichtig, dass man viel über den Bereich der „Slow Fashion“ berichte und auf allen Kanälen kommuniziere. Plattformen wie Messen, Social Media, die

Zu guter Letzt

»Die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Wandel wird in den kommenden zehn Jahren die Gewinner von den Verlierern trennen.« Edwin Keh, Leiter des Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel, in Akzente 3'19

Medienberichterstattung und die Kommunikation der Unternehmen selbst seien in dieser Verbindung enorm wichtig, so die Messeexpertin. „Tue Gutes und rede darüber“, meinte auch Johanna Schöffel als Marketing Expertin des Unternehmens Schöffel. Auch in der Forschung spielt die Nachhaltigkeit in Verbindung mit der Digitalisierung eine große Rolle. Textiler 3-D Druck, Losgröße 1 etc., sind im Zeitalter der Digitalisierung kein Wunschdenken mehr, sondern in der Realität angekommen. Prof. Christian Kaiser gab hierzu interessante und spannende Einblicke in den Bereich der „Microfactory“ seines Instituts. Das Thema Nachhaltigkeit würde in vielen Firmen eher unter

Musiker an den Kalimbas und Congas. Im entspannten Gespräch bei Flying Buffet fand das Netzwerktreffen dann seinen Ausklang. Der Textil- und Modedialog ist eine gemeinsame Veranstaltung der Partner Verband der Bayerischen Textil- und Be kleidungsindustrie, Verband Lederbekleidung, Gesamtmasche und Südwesttextil.

Impressum © Alle Rechte vorbehalten. Keine Vervielfältigung ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers. Verband der Südwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie Südwesttextil e. V. Türlenstraße 6 70191 Stuttgart

Präsident Bodo Th. Bölzle Hauptgeschäftsführer Peter Haas

Auflage 1 850 Exemplare

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Verantwortlich für Inhalt und Layout Simone Diebold

Erscheinungsweise zweimonatlich

+49 711 21050-0 +49 711 233718 www.suedwesttextil.de

Der Bezug der Südwesttext ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


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