Südwesttext Februar/März 2018/Nr. 113

Page 1

SÜDWESTTEXT Zeitung für die Textil- und Bekleidungsindustrie HERAUSGEGEBEN VON SÜDWESTTEXTIL

WWW.SUEDWESTTEXTIL.DE

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Themen Verband + Industrie Raus aus der „Öko-Kartoffelsack“-Ecke Seite 7 Bildung + Soziales Werbetrommel für Textil Seite 11

Neues Südwesttextil-Mitglied

VAUDE im Porträt

Recht + Steuern Für Datenschutz gerüstet? Seite 15

Seite 8

Architektur trifft auf textiles Design Gelungener Start der Heimtextil in die neue Einrichtungssaison

50 Jahre Centa Star. Foto: Südwesttextil

Rund 70 000 Besucher aus 135 Ländern erlebten auf der Fachmesse für Wohn- und Objekttextilien Heimtextil in Frankfurt am Main vom 9. bis 12. Januar Designneuheiten von 2 975 internationalen Ausstellern und steigerte bereits zum achten Mal in Folge die Anzahl der teilnehmenden Firmen. Neben weltweiten Marktführern und Branchengrößen bot die Heimtextil mit ihrem NewcomerProgramm „New & Next“ mehr als 50 jungen Designern und Start-ups

eine internationale Plattform. Ein Schwerpunkt der Messe bildete die Objektausstattung und damit einhergehend der Fokus auf die Zielgruppe der Architekten und Objektplaner. Auch in diesem Jahr waren viele Südwesttextil-Mitglieder vertreten: z. B. Adam Matheis, Alfred Apelt, billerbeck Betten-Union, Centa-Star, Formesse, Global Safety Textiles, Gustav Gerster, Konrad Hornschuch, Mattes & Ammann, Traumina, OBB und Weidmann. Bildergalerie Seite 3

Geschäftsklimaindex ist nach wie vor hoch Der Quartalsindex von Südwesttextil ist mit nicht ganz 25 Punkten im Vergleich zur letzten Umfrage im Herbst wieder etwas gefallen, aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. Gründe dafür sind vor allen Dingen die zurückhaltende Einschätzung der aktuellen Geschäftslage. Zwei Aspekte stehen stellvertretend für die steigende Unzufriedenheit: die Inlandsumsätze sowie die erwirtschafteten Erträge. Beurteilten bei der letzten Umfrage noch 58 Prozent der Befragten die im Inland erzielten Umsätze als gut, so waren dies jetzt nur noch 38 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigen die Erträge: im Oktober sprachen acht Prozent

von schlechten Geschäften, nun sind es 21 Prozent. Für die nächsten Monate erwarten die Unternehmen keine größeren Veränderungen der wirtschaftlichen Lage. Interessant ist, dass mittlerweile kein Unternehmen mehr Mitarbeiter abbauen möchte. Verständlich auch vor dem Hintergrund der jüngst veröffentlichen Zahlen zum Arbeitsmarkt. Mit einer Arbeitslosenquote von 3,4 Prozent ist der baden-württembergische Arbeitsmarkt nahezu leergefegt. Die Jugendarbeitslosigkeit steht bei 2,6 Prozent im Land. Christine Schneider

Zahl des Monats In keiner europäischen Region ist das verarbeitende Gewerbe wichtiger als in Baden-Württemberg, zeigt ein umfangreicher, internationaler Vergleich des Experten für Regionalanalysen und Industriepolitik beim Stuttgarter IMU-Institut, Dr. Jürgen Dispan. Lag sein Anteil an der Bruttowertschöpfung vor gut zehn Jahren noch bei 31,5 Prozent, so ist er inzwischen auf rund 33 Prozent gestiegen. Damit hat der Südwesten einen Vorsprung gegenüber anderen wichtigen Bundesländern, aber auch im Vergleich zu anderen wirtschaftsstarken Regionen in Europa, weiter ausgebaut. Grund ist der Studie zufolge die enge Verflechtung zwischen Industrie und industrienahen Dienstleistungen, wobei die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes weit über seinen Anteil an der Bruttowertschöpfung hinausgehe. Quelle: Stuttgarter Zeitung

33

Aktuell Am 19. April 2018 ist es wieder soweit – getreu dem Motto „Von Studenten für Studenten“ wird die Karrieremesse contexme der Hochschule Reutlingen von einem Team Studierender der Fakultät Textil & Design organisiert. Die Firmenkontaktmesse bietet die Möglichkeit, sich ein Bild über potentielle Arbeitgeber zu machen und erste Kontakte zu knüpfen.


2

SÜDWESTTEXT

Verband + Industrie

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Erfolgreiches Jahr für TTL Technische Textilien Lörrach GmbH & Co. KG (TTL) ist Hersteller von Nadelfilzen und Nadelvliesen für industrielle Anwendungen und kann in diesem Jahr auf 180 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken. Im Jahr 2017 konnte TTL seine Marktposition in allen drei Produktsegmenten (Filtermedien für die industrielle Entstaubung, Wäschereitextilien und Industrietextilien mit Individuallösungen für Industrien aller Art) festigen und ausbauen, was eine Umsatzsteigerung von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr erbrachte. Das Unternehmen präsentierte sich 2017 mit Messeständen auf der „Clean Show“ in Las Vegas und auf der Techtextil in Frankfurt. In diesem Jahr sind Messeauftritte auf der IEX in Köln (Messe für industrielle Dämmstofftechnik und Isoliertechnik) und auf der EXPOdetergo in Mailand (Fachmesse für Maschinen, Technologien, Produkte und

Dienstleistungen für die Textilpflege) geplant. Im Bereich Fertigung wurde eine neue Highspeed Vliesstoffanlage aufgebaut. Dies ist die größte Investition der Firmengeschichte.

In Kürze

Anlage wird im Februar installiert. Die neuen Anlagen ermöglichen eine effizientere Herstellung der Produkte und bieten Möglichkeiten für neue Produkte und Absatzmärkte. Beide Neuanlagen werden im

Thomas Diels Foto: Ettlin AG

Teil des Herstellungsprozesses von Nadelfilzen bei TTL. Foto: TTL

Der Erwerb einer modernen Wickel- und Schneideeinrichtung wurde ebenfalls beschlossen. Diese

ersten Quartal 2018 den Regelbetrieb aufnehmen. www.ttl.de

Olymp als herausragender Arbeitgeber ausgezeichnet

Die Musternäherei bei Olymp. Foto: Südwesttextil

Am 23. Februar 2018 haben der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, der ehemalige Arbeitgeberpräsident Prof. Dr. Dieter Hundt und Prof. Dr. Dr. h. c. Bert Rürup fast 100 mittelständische Arbeitgeber für ihre herausragenden Leistungen gewürdigt. Die ausgezeichneten Unternehmen haben sich auf bemerkenswerte Art und Weise für eine mitarbeiterorientierte und gleichzeitig leistungsorientierte Arbeitsplatzkultur stark gemacht und ihr Unternehmen somit zukunftssicher aufgestellt. Viele von Ihnen sind bereits in der „neuen Arbeitswelt“ angekommen. Zu den Preisträgern gehört auch das Südwesttextil-Mitglied Olymp. Herzlichen Glückwunsch!

Termin vormerken / Texklusiv-Seminar

Power für den Alltag: Kommunikations- und Situations-Training für weibliche Führungskräfte

21. und 22. Juni 2018 auf Schloss Haigerloch

Jetzt anmelden unter www.suedwesttextil.de/veranstaltungen, kastning@suedwesttextil.de oder +49 711 21050 - 11 © iStock.com/fizkes

Die Ettlin AG hat mit Wirkung zum 1. Januar 2018 Thomas Diels zum Geschäftsführer ihrer textilen Gesellschaften bestellt. Der 55-Jährige verstärkt die Geschäftsführungen der Ettlin Spinnerei und Weberei Produktions GmbH & Co. KG und der Gebrüder Mogler Textil GmbH.

Zur erfolgreichen Umsetzung der grundlegend überarbeiteten Markenstrategie hat der Künzelsauer Denimbrand Mustang seine Geschäftsleitung um CEO Dietmar Axt verstärkt. Neben dem bereits seit Oktober letzten Jahres als in der neu geschaffenen Position des COOs agierenden Jonas Niemeyer verantwortet Michael Boy außerdem seit 1. Dezember 2017 in der Position des CFO. Der Bonner Verlag PPM PRO PflegeManagement hat erstmals den Preis „Favorit AltenPflege 2018“ in insgesamt zwölf Gebieten, z. B. der Speisenversorgung, des Mobilfunks, der Raumausstattung, und der Wäscherei, verliehen. In der Kategorie „Pflegehilfsmittel und -verbrauchsmittel“ wurde das Südwesttextil-Mitglied Paul Hartmann AG ausgezeichnet. 15 000 Leserinnen und Leser des E-Mail-Newsletters „PflegeManagement aktuell“ wurden zu ihren Lieblings-Dienstleistern und Firmen befragt, auf die sie in ihrer täglichen Pflegetätigkeit häufiger zurückgreifen. Der Jahresbericht 2017 des DIN-Normenausschusses Textil und Textilmaschinen (Textilnorm) informiert über die Aktivitäten in den einzelnen Arbeitsausschüssen und gibt eine vollständige Übersicht über alle neuen und in Bearbeitung befindlichen Norm-Projekte des Textilnorm. Der Bericht steht unter www.suedwesttextil.de zum Download bereit.


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

SÜDWESTTEXT

Verband + Industrie 3

Fortsetzung von Seite 1

Architektur trifft auf textiles Design

Mit ihrer neu lancierten Bettwäsche-Kollektion „Apelt – Decorate Your Night“ mit insgesamt 15 Motiven setzte das Unternehmen farbenfrohe Designakzente.

„Made in Germany“ – alle Produkte von Apelt werden im Atelier in Oberkirch entworfen, in der eigenen Jacquard-Weberei sowie in europäischen Produktionsstätten hergestellt und nach Ökotex Standard 100 zertifiziert.

Das Ehepaar Ottmar Ihling und Donata Apelt-Ihling arbeiten Seite an Seite mit ihren Kindern Karoline Ihling-Fehrle (r.), sie verantwortet das Design, und ihr Bruder Sebastian Ihling (nicht im Bild) kümmert sich um den Vertrieb und die Erschließung neuer Märkte.

Badenia- und Brinkhaus-Geschäftsführer Frank Gänser begründet den diesjährigen Verzicht eines eigenen Messestandes mit der Messeumstrukturierung 2019.

Die Messeneuheit von Billerbeck: Zirberella – das Decken und Kissenprogramm mit drei Füllungsvarianten. Fester Bestandteil sind jeweils Zirbenholzflocken. Erholsamer Schlaf durch den angenehm holzigen Duft der ätherischen Öle der Zirbe.

Melanie Weber-Veil zeigt Peter Haas, dass nur die besten und feinsten Daunen aus den kältesten Regionen für die Daunenbettwaren von Traumina verwendet werden. Der „Down-Pass“ bestätigt, dass kein Lebendrupf bei der Gewinnung der Daune erfolgt.

Die Gardinenkollektion „feel of nature“ von Gerster beruht auf Nachhaltigkeit, Eleganz und Fairness. Hochwertige Garne im natürlichen Look stehen für Langlebigkeit.

Viel Neues bei OBB: so wurde z. B. das Premium-Sortiment „Black Forest“ um eine vegane Decke und ein veganes Kissen ergänzt. Wie jedes Jahr gab es zur Stärkung eine leckere Schwarzwälder Kirschtorte und Kaffee des Barista-Meisters Thomas Schweiger.

Henrike Weidmann und Joachim Weiss berichteten dem Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer von ihren erfolgreichen Geschäften in Ausrüstung, Veredelung und Konfektion von faserund daunendichten Geweben.

Chef der Benecke-Hornschuch Surface Group Dr. Hans-Hinrich Kruse präsentierte „TrendCode“, den neuen interaktiven Designleitfaden mit Augmented Reality und Virtual Reality für Kunden.

Bruno Lehmann demonstrierte den atmungsaktiven Polsterbezugsstoff „laif VyP“. Es ist ist durchlässig für Luft und Wasserdampf und macht das Sitzen damit besonders komfortabel . Der Stoff kommt bereits im Continental-Concept-Car „The Pioneer“ auf Sitzflächen und Seitenteilen der Lehnen zum Einsatz.

Im Rahmen der Heimtextil konnte Peter Haas dem SüdwesttextilMitglied Centa Star zum 50-jährigen Firmenjubiläum gratulieren. Geschäftsführer Thomas Müller (mitte) und Vertriebschef Micky Herrmann (links) freuten sich sehr über die Südwesttextil-Jubiläumsurkunde. Fotos: Südwesttextil


4

SÜDWESTTEXT

Verband + Industrie

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

PH-Werte: Die Kolumne von Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer Peter Haas

Vier gewinnt – wer ist die Null?

»Rufen Sie Ihren eigenen betrieblichen Digital-Gipfel aus.« Wer nicht mehr weiter weiß, gründet ´nen Arbeitskreis. Wer schlauer ist, veranstaltet einen Gipfel. Seit einigen Jahren ein beliebtes Format in der Politik, um schlagzeilenträchtigen Themen große Aufmerksamkeit und Bedeutung zu geben. Flüchtlingsgipfel, Energiegipfel, Dieselgipfel, kürzlich lud das Baden-Württembergische Wirtschaftsministerium zum Digitalgipfel. Durchaus erfolgreich, kamen doch mit 1 000 Teilnehmern doppelt so viele wie gedacht, die Location musste kurzfristig gewechselt werden. Botschaft: Digitalisierung geht alle an. So banal diese Erkenntnis klingt, so sehr wird sie doch ignoriert. Gerade im Mittelstand. Hier werden Kosten, Zeit

und sonstige Mühen gescheut, sich mit der radikalen Veränderung der Welt und den möglichen radikalen Effekten aufs eigene Unternehmen auseinanderzusetzen. Dabei gilt: „Keiner kann sich wegducken!“ So treffend formuliert es der Chef vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, Professor Wilhelm Bauer, seines Zeichens Technologiebeauftragter der Landesregierung. Er hat die Branchen in vier Quadranten eingeteilt: Einige sind schon mitten im Digitalisierungssturm und werden teilweise davon hinweggefegt (Bauer nennt das „kurze Lunte, großer Knall“ und sieht hier zum Beispiel den Einzelhandel), andere haben noch etwas Zeit und sind weniger

Vernetzte Produktion

betroffen (wie Bergbau und Chemie = „lange Lunte, kleiner Knall“). Das produzierende Gewerbe und damit auch unsere Industrie verortet Bauer im Quadranten „lange Lunte, großer Knall“, was so viel heißt wie: Noch könnt Ihr Euch vorbereiten, aber wer das verpasst, dem droht das Aus! Und wer will schon die Null sein im Projekt 4.0? Damit das nicht passiert, hat jetzt das Kompetenzzentrum „Textil vernetzt“ seine Arbeit aufgenommen. Das Team wird im Rahmen der Initiative „Mittelstand 4.0“ vom Bund gefördert, hat seinen Sitz bei unserem Dachverband „textil + mode“ in Berlin, bringt seine Informations- und Beratungsangebote aber vor allem in die Regionen. Einige unserer Mitglieder nutzen das Kompetenzzentrum schon, um ihre eigene „digitale Fitness“ zu überprüfen und Ideen zu entwickeln. Das Themenspektrum ist riesig und reicht vom digitalen Engineering (auch der Nähroboter ist keine Zukunftsmusik mehr) über digitales Lernen und Arbeiten bis hin zu smarten Sensorsystemen für die Produktion und vernetzte Produktionsketten.

Ich kann nur empfehlen, diese tolle Möglichkeit eines branchenspezifischen Kompetenzzentrums zu nutzen (siehe Grafik unten). Überlassen Sie es nicht der Politik, Digitalgipfel zu veranstalten. Rufen Sie Ihren eigenen betrieblichen Gipfel aus. Überlegen Sie mit Ihrer Mannschaft, wie Ihr Unternehmen digitaler werden kann – oder wo die Digitalisierung Gefahren für Ihr Geschäftsmodell birgt. Wir bei Südwesttextil bleiben auch nicht stehen. Angefangen von der Digitalisierung ganzer Kellergewölbe voller Akten bis hin zu Konzepten für Gerichtstermine mit iPad statt Leitz-Ordner und virtuellen Workshops reichen aktuelle Projekte. Zugegeben, nach dem Gipfel folgen mühsame Abstiege in die Jammertäler der To-Do’s. Aber wer will schon, dass wie bei Goethe „über allen Gipfeln“ Ruhe ist. Denn, so dichtet er weiter: „Über allen Gipfeln ist Ruh', In allen Wipfeln spürest Du kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur! Balde ruhest du auch.“ Das sollte nicht das Ergebnis Ihrer persönlichen Digitalisierungsstrategie sein.

Neues aus Berlin

Textile Lichtsysteme Individuelle Produktion

Smart Textiles

Ralph Kamphöner

Assistenzsysteme

Sensortechnologie

i !

?

Leichtbau

Simulate, Print and Cut

Die Initiative „Mittelstand 4.0“ des Gesamtverbands textil + mode in Berlin. Grafik: t+m

Johannes Diebel Fotos: t+m

Am 1. Februar hat Ralph Kamphöner als Leiter Büro Brüssel und Leiter Außenwirtschaft die Vertretung von t+m auf europäischer Ebene übernommen. Er tritt damit die Nachfolge von Felix Ebner an. Aus seiner Zeit als Director International Trade & Wholesale beim europäischen Handelsdachverband EuroCommerce bringt Kamphöner umfangreiche Erfahrungen im internationalen Textil- und Bekleidungshandel mit. Der auch heute immer noch in Deutschland zugelassene Rechtsanwalt spricht neben Deutsch auch Englisch, Französisch und Italienisch verhandlungssicher. Auch im Bereich Forschung gibt es eine Neuerung. Johannes Diebel – Wirtschaftsingenieur und Spezialist für Fördermittelmanagement sowie für Projektkoordination in der Forschung – hat die operative Leitung der Geschäftsstelle des Forschungskuratoriums Textil e. V. in Berlin übernommen.


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Verband + Industrie 5

SÜDWESTTEXT

Neue Mitglieder bei Südwesttextil Annette Bischoff-Selent – Consultant Bekleidung Eine Berufserfahrung aus über 25 Jahren im Bereich der Bekleidungsindustrie führte zu der Entscheidung, in eine Beratertätigkeit zu gehen. Die Fachkompetenz von Annette Bischoff-Selent liegt im Bereich Produktentwicklung, Passformentwicklung mit CAD Technik, Produktionsmanagement im In- und Ausland – vor allem im Flach- und Rundstrickbereich. Basierend auf ihrem kompetenten Netzwerk bietet sie eine umfassende Beratung von Unternehmen und Projekten in diesen Bereichen an. Der Firmensitz ist Tübingen, doch ein Einsatz erstreckt sich über die Grenzen hinaus. Foto: Annette Bischoff-Selent

Relax Bettwaren Seit 1992 stellt Relax Bettwaren mit großer Leidenschaft hochwertige, unverwechselbare Bettwaren „Made in Germany“ her. Der Grundstein wurde von den Eltern gelegt: Anfang der Neunziger Jahre wurden Bettwaren in eigener Produktion entwickelt, produziert und vertrieben und das Geschäft weiterentwickelt. 2010 haben die Söhne das Familienunternehmen übernommen und stetig wachsen lassen. Die Besonderheit ist die vollstufige Produktion vom Rohstoff bis zur fertigen Bettwaren, die es ermöglicht, flexibel, schnell und serviceorientiert zu handeln und seinen Kunden jederzeit ein zuverlässiger Partner zu sein. Nähere Informationen unter www.relax-bettwaren.de. Foto: Relax Bettwaren

WIEDERBELEBT Wiederbelebt nutzt ausschließlich Restbestände/Überproduktionen von Textilunternehmen aus Baden-Württemberg. Hierbei handelt es sich um hochwertige Materialien, für die es lediglich keine Verwendung mehr gibt. Das Unternehmen steht für eine transparente Wertschöpfungskette. Soziale Standards und eine hohe Qualität stehen beim Produktionsprozess klar im Fokus. Produziert werden die limitierten Kollektionen im eigenen Atelier in Stuttgart. Wiederbelebt legt viel Wert auf ein minimalistisch und trendübergreifendes Design. Weg vom Ökoimage, hin zu tragbarer, stilvoller und cooler Mode. Jedes Modell der Kollektionen ist auf 50 Stück limitiert. Foto: www.wiederbelebt.de

Termin vormerken Hilfestellung beim Datenschutz / Personalleiterkreis

tungen

de

8. Mai 2018, Olymp Bezner KG, Bietigheim-Bissingen

© iStock.com/Jirsak

sttextil

Jetzt anmelden unter www.suedwesttextil.de/veranstaltungen, roedder@suedwesttextil.de oder +49 711 21050 - 23

Das Praxishandbuch „Beschäftigtendatenschutz und Datenschutz-Grundverordnung in der Praxis" von BDA und Gesamtmetall informiert anschaulich und fundiert über die Herausforderungen für den Beschäftigtendatenschutz durch die Datenschutz-Grundverordnung und das neue Bundesdatenschutzgesetz, die am 25. Mai 2018 in Kraft treten werden. Unter www. arbeitgeberbibliothek.de kann das E-Book heruntergeladen werden.


6

SÜDWESTTEXT

Verband + Industrie

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Munich Fabric Start

High-Tech und Nachhaltigkeit aus Baden-Württemberg Die 44. Munich Fabric Start setzte vom 30. Januar bis 1. Februar einen weiteren Meilenstein. Mehr als 1 800 Kollektionen internationaler Anbieter für Fabrics und Accessoires aus der Textil- und Mode-Industrie wurden präsentiert. Neue Technologien, innovative nachhaltige Materialien, spezielle Färbe- und Ausrüstungsverfahren, Glanz, Farbe und Prints sind die Tendenzen. Großes Potenzial bieten die aktuellen Entwicklungen und Innovationen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit, das ein enorm breites Spektrum an smarten Lösungen und natürlichen Prozessen bedient. Zu diesen Themen präsentierten sich auch Mitgliedsunternehmen von Südwesttextil. Gemeinsam mit einem führenden Ausrüster hat Gebr. Elmer & Zweifel eine ökologisch unbedenkliche Ausrüstung entwickelt. Roland Stelzer, Geschäftsführer des Bempflinger Textilexperten, sieht das Bedürfnis nach wasserabweisenden Stoffen ohne Flourcarbonchemie und Wachsimprägnierung im Markt. Mit der Entwicklung des neuen Ausrüstungsverfahren fallen beide Effekte weg und ein kleiner Regenschauer kann trocken über-

Ökologisch unbedenklicher wasserabweisender Stoff von Cotonea.

HC – das hochleitfähige und strapazierfähige Stickgarn von Madeira.

standen werden. Das Tragegefühl unterscheidet sich trotzdem nicht von einem anderen Baumwollstoff und die wasserabweisende

Eigenschaft ist dem Textil nicht anzumerken. Die neu entwickelte Ausrüstung basiert auf einem Polyurethan und erfüllt auch jegliche

Oliver Weinmann und Markus Biniek vom Etikettenhersteller Glücksband präsentieren in München schon seit Jahren ihre Produkte und finden die Messe nach wie vor spannend.

Zertifizierungsansprüche. Wie alle Produkte der hauseigenen Marke Cotonea ist die Ausrüstung GOTS und Bluesign zertifiziert und erscheint auch nicht auf der Greenpeace Detox Liste. Pflegeleicht ist das Material, das zu 100 Prozent aus fairer Biobaumwolle aus Kirgisistan besteht, außerdem. Der Stoff ist bei 40° waschbar und muss hinterher lediglich gebügelt werden, damit der wasserabweisende Effekt weiterhin besteht. Das hochleitfähige und strapazierfähige Stickgarn HC vom Garnspezialisten Madeira aus Freiburg wurde speziell für e-Textilien und LED-Anwendungen entwickelt. Jedes einzelne Filament wird in einem speziellen Fertigungsprozess dauerhafte versilbert. Dies garantiert eine hohe, langanhaltende Leitfähigkeit. Einsatzbereiche sind z. B. innovative Performance-, Sport- oder Arbeitsbekleidung, Medizin, Mode, Automotive, Telekommunikation und Heimtextilien. Weitere Südwesttetxiler präsentierten ihre innovativen Produkte: Amann Group, Gebe Textil Technik, Gütermann, KBC Fashion, Regine IQTrim sowie Maschentex. Simone Diebold

Cotonea weltweit unter den Top 3

Nur zwei Unternehmen nutzen mehr Biobaumwolle. Foto:Cotonea

Im Marktbericht der gemeinnützigen Organisation „Textile Exchange“ aus den USA, die sich weltweit für die Umsetzung von nachhaltigen Standards in der Textilbranche einsetzen, wird die Gebr. Elmer & Zweifel GmbH aus Bempflingen mit starken Positionierungen ausgezeichnet. Mit der 2003 gegründeten Marke Cotonea etabliert sich die

Firma, die seit 1855 als Familienunternehmen für textile Kompetenz steht, zunehmend als Anbieter für Heimtextilien und Oberbekleidung. Dabei tritt die Spinnerei und Weberei mit IVN Best zertifizierten Produkten als Marke auf, die dank eigener Projekte zum Anbau von biologisch-fairer Baumwolle, die Wertschöpfungskette von der Faser bis zum Endprodukt komplett kontrolliert. In den Ranglisten von Textile Exchange ist Cotonea nicht nur fester Bestandteil des „100 % Clubs“, der die Unternehmen auszeichnet, die ausschließlich mit Bio Baumwolle arbeiten, sondern erzielt auch exzellente Platzierungen in den TOP 10 der Wachstumsrangliste und der OFT Liste. Diese weist den Textilspezialisten weltweit als den drittgrößten Verarbeiter von biologisch-fairer

Biobaumwolle aus. Mehr Fair Trade Biobaumwolle verwenden nur Boll & Branch aus New Jersey sowie Coop aus der Schweiz. Damit zeigen die Bempflinger wieder einmal eine starke Positionierung als Unternehmen, das die Balance zwischen den preislichen Herausforderungen des Marktes und dem eigenen ethischen Anspruch gefunden hat. Der Marktbericht lässt nicht nur Hoffnung aufkommen, dass mehr Unternehmen ihre Ziele ähnlich ambitioniert wie Cotonea setzen, sondern zeigt auch auf, dass die Nachfrage nach Biobaumwolle bei den Kunden steigt. Transparenz, Verantwortung und Zusammenarbeit sind dabei einige der Werte, die die Branche hoffen lassen und für die sowohl die Organisation als auch der schwäbische Anbieter für Textilien stehen.

Für Textile Exchange ist Roland Stelzer, Geschäftsführer von Elmer & Zweifel, einer der Querdenker der Branche. Von den Baumwollprojekten in Uganda und Kirgisistan berichtet er erfreut, dass die Bauern in Kirgisistan nun in der Lage sind, auf eigenen Füßen zu stehen, nachdem das Projekt jahrelang durch die Helvetas Intercooperation finanziert wurde. In Kooperation mit der Gulu Agricultural Development Company hat das Projekt in Uganda bereits dafür gesorgt, dass zwischen 2014 und 2016 über 18 000 Bauern im Anbau von biologischer Baumwolle geschult wurden. Mit rund 40 000 Bauern auf der Warteliste sieht Roland Stelzer weiterhin großes Potenzial, durch den Anbau von Biobaumwolle den Lebensstandard vor Ort nachhaltig zu erhöhen. Rebekka Rüth


Februar / März 2018 | Nr. 113

SÜDWESTTEXT

Verband + Industrie  7

Raus aus der „Öko-Kartoffelsack“-Ecke

Marcus Adam war Diskutant beim diesjährigen Textil- und Modedialog. Foto: TMD

Marcus Adam ist seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Hochschule Reutlingen. Nach seinem BWL Studium in München und Schweden arbeitete der 33-Jährige in der Unternehmensberatung im Bereich Finanz- und Risikomanagement. Im Rahmen seiner Promotion zum Thema „nachhaltige Geschäftsmodelle in der Bekleidungsindustrie“ begleitet er verschiedene Forschungsprojekte, die sich mit der nachhaltigen Transformation der Bekleidungs- und Textilindustrie befassen. Wie sehen Sie aktuell die Situation in der Bekleidungsindustrie? Bekleidungsunternehmen befassen sich zwar zunehmend mit dem Thema Nachhaltigkeit, im Vergleich zu anderen Industrien ist das Interesse von Unternehmen an der Thematik allerdings relativ gering und nachhaltige Unternehmensstrukturen sind größtenteils nur rudimentär vorhanden. Die Geschäftsaktivitäten beschränken sich hauptsächlich auf Kommunikation und die Einführung vereinzelter nachhaltiger Kollektionen. Der Weg zu einem ganzheitlichen Unternehmensansatz, der sich von der Produktentwicklung bis zur Verantwortung über den Pointof-Sale hinaus erstreckt, ist in der Summe noch sehr weit. Welchen Ansatz verfolgen Sie mit Ihrer Forschung? Ich forsche rund um das Thema Nachhaltigkeit in der Bekleidungsund Textilindustrie und versuche

dies auch in Lehrveranstaltungen zu verankern. Eine der größten Herausforderungen ist es, belastbare Daten zu erheben. Sowohl Konsumenten als auch Unternehmen betonen gerne, dass ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist – ihr tatsächliches Handeln spricht aber oft eine andere Sprache. Die soziale Erwünschtheit hat bei diesem ideologisch aufgeladenen Thema einen starken Einfluss. Um robuste Erkenntnisse zu erlangen, sind daher auch neue Forschungsansätze nötig. Einer dieser Ansätze ist eine von meinem Kollegen, Prof. Dr. Matthias Freise, und mir neu ins Leben gerufene Übungsfirma. Gemeinsam ermöglichen wir es Studierenden der Hochschule Reutlingen bereits während ihres Studiums Praxiserfahrung unter Realbedingungen zu sammeln. Als Geschäftsführer der Übungsfirma und Wissenschaftler bietet sich für mich dabei der Raum verschiedene Szenarien zu testen und verlässliche Daten zu erheben. Warum spielt Nachhaltigkeit bei Unternehmen noch eine relativ geringe Rolle? Die Frage ist, warum sollten Unternehmen überhaupt ökologische und soziale Aspekte in ihrer Tätigkeit berücksichtigen? Die Bekleidungsindustrie ist extrem preisgesteuert. Unternehmen präsentieren permanent neue, günstige Kollektionen und die Konsumenten reißen sich darum. Es gibt zwar einen Markt für nachhaltige Bekleidung, der auch kontinuierlich

wächst, von Mainstream ist das jedoch noch weit entfernt. Und Unternehmen sehen das natürlich. Nur wenige sehen hier die Möglichkeit einen neuen Markt zu erschließen. Für die meisten ist Nachhaltigkeit lediglich Teil ihres Risikomanagements – man möchte schlechte Presse vermeiden. Die Kunden hingegen schauen bei Bekleidung primär auf Preis und Style. Wenn man sich einen Fehlkauf leistet oder ein Teil im Müll landet, tut das dem Konsumenten finanziell nicht sonderlich weh. Nachhaltige Produkte werden von dem Kunden häufig in die „Öko-Kartoffelsack“-Ecke gestellt und es wird angenommen, dass diese teuer und wenig modisch sind. Es fehlt an grundsätzlicher Kenntnis zu welchem sozialen und ökologischen Preis Kleidung hergestellt wurde. In anderen Branchen wie z. B. Lebensmittel ist die mediale Präsenz dieser Themen viel größer. Unter welchen Umständen und mit welchen ökologischen Auswirkungen ihr T-Shirt produziert wurde, wissen aber nur die wenigsten. Und falls doch, kann man das leicht verdrängen – man steckt es sich ja nicht in den Mund. Welche Probleme und Herausforderungen sehen Sie für die Branche? Ein ganzheitlicher unternehmerischer Nachhaltigkeitsansatz erfordert neue Fähigkeiten und neues Denken. Das umfasst Kenntnisse über neue Materialien und Technologien, stärkeren Einbezug aller Stakeholdergruppen in die Geschäftsaktivitäten, Transparenz, Kommunikation und neue Marketingstrategien. Die entscheidende Frage ist am Ende: wie können Unternehmen einen Markt für nachhaltige Kleidung schaffen und den Konsumenten davon überzeugen dafür auch ein wenig mehr zu zahlen? In diesem Bereich gibt es noch großen Forschungsbedarf. Wir haben bisher kein Erfolgsrezept, keine Blaupause, die pauschal auf alle Unternehmen angewandt werden kann. Manche Unternehmen versuchen es über einen moralischemotionalen Ansatz und appellieren an das ethische Selbstverständnis des Kunden. Ein anderer Weg ist es,

den Konsumenten durch rationale Argumente zu überzeugen und die persönlichen Vorteile eines Kaufs zu betonen: etwas höhere Anschaffungskosten, dafür bessere Qualität, längerer Lebenszeit des Produkts, zeitloses Design und gute Hautverträglichkeit, um nur einige Punkte zu nennen. Mittelfristig gedacht muss sich die Anschaffung für den Kunden finanziell lohnen. Wenn es Unternehmen gelingt dies richtig zu kommunizieren, eröffnet sich auch ein großer Markt. Für Unternehmen ist dafür ein langer Atem wichtig und das ist auch eines der größten Probleme. Der Erfolg einer konsequenten Nachhaltigkeitsstrategie lässt sich kurzfristig nicht oder nur schwer messen. Ein Umdenken weg von primär kurzfristigen Zielen, hin zu einer langfristigen Ausrichtung ist daher nötig. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Hoffnung macht mir, dass eine Debatte gestartet wurde und diese einen immer größeren Kreis in Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik erreicht. Nachhaltigkeit sollte als Entwicklungsprozess verstanden werden. Am Ende ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe Verantwortung zu übernehmen, da steht jeder Einzelne in seiner Rolle als Konsument, Arbeitnehmer oder Arbeitgeber in der Pflicht. Aber auch Politik und öffentliche Einrichtungen sind gefragt. Als Hochschule haben wir da einen wichtigen Bildungsauftrag, schließlich bilden wir die Führungskräfte von morgen aus. Das umfasst nicht nur die Vermittlung von Fachwissen, sondern auch die generelle Sensibilisierung hinsichtlich Nachhaltigkeit. Hochschulen haben hier noch großen Nachholbedarf und müssen die entsprechenden Kompetenzen selbst entwickeln. Um dies möglichst effizient tun zu können, wünsche ich mir einen noch stärkeren Austausch mit der Unternehmensseite. Forschung, Lehre und Praxis sollten besonders im Bereich Nachhaltigkeit noch viel enger verzahnt sein.

Rebekka Rüth


8

Verband + Industrie

SÜDWESTTEXT

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Nachhaltigkeit made in Germany

Südwesttextil im Gespräch mit der Unternehmerin Dr. Antje von Dewitz Im hügeligen Hinterland des Bodensees, im kleinen Ort Obereisenbach, befindet sich der Firmensitz des nachhaltig innovativen Outdoor-Ausrüsters VAUDE. Es ist Mittagspause: In der bio-zertifizierten Kantine essen Eltern gemeinsam mit ihren Kindern zu Mittag und an der großen Kletterwand im grünen Innenhof sichern sich die Mitarbeiter gegenseitig. In einer Planungs- und Umbauphase von insgesamt drei Jahren ist aus dem organisch gewachsenen Unternehmen ein familienfreundlicher, grüner Campus entstanden. Für die Innengestaltung wurden bewusst umweltfreundliche und helle Materialien verwendet, die die großen offenen Büros behaglich machen. Alle Besprechungszimmer tragen Bergnamen und so treffen wir Dr. Antje von Dewitz im Besprechungszimmer „Hohe Kugel“. Seit 2009 führt die 45-Jährige das Familienunternehmen in der zweiten Generation und ist damit sehr erfolgreich. Im Jahr 2015 freute sich ihr Team über den Siegertitel als „Deutschlands nachhaltigste Marke“ und im letzten Jahr wurde von Dewitz als jüngste Unternehmerin in die „Hall of Fame“ des Handelsblatts aufgenommen, um nur einige der vielen Auszeichnungen zu nennen. Gegründet wurde der Bergsportausstatter 1974 von ihrem Vater Albrecht von Dewitz, auf dessen Initialen und Spitzname auch der Firmenname beruht. Neben der kompletten Ausstattung für den Bergsteiger, Wanderer und Radfahrer hat besonders die Rubrik Taschen und Reisegepäck der Outdoormarke in den 2000er große Be-

enthält, um Orientierung im LabelDschungel zu geben. Dazu gehört das Schweizer Bluesign Label, das zu Best Practice Technologien und einer möglichst schadstoffarmen Produktion verpflichtet. Das Unternehmen hat sich ebenfalls im Rahmen des Greenpeace Detox Commitments zu „Zero Discharge“ verpflichtet. Zu der aktuellsten Version des Green Shape Labels gehört auch ein Index, der die Reparierbarkeit eines Produktes indiziert. Be-

Insgesamt hat sich auf diesem Weg die Anzahl der Produktionsstätten von 65 auf 50 verringert, denn nicht alle Partner passten noch zu der nachhaltigen Ausrichtung und konnten alle Auflagen erfüllen. Um auch bei den Materiallieferanten in Asien die ökologischen und sozialen Standards zu erhöhen, hat VAUDE in den letzten vier Jahren eigene EmpowermentProgramme und eigenes Know-how aufgebaut. In einem Projekt werden den Materiallieferanten Strukturen und Inhalte von Schadstoff- und Umweltmanagement sowie Sozialstandards vermittelt, ein anderes Projekt verbessert die Sozialstandards in Myanmar. In der Kommunikation mit den Lieferanten und Produzenten ist für von Dewitz besonders erfreulich, dass diese auf Augenhöhe stattfindet und darüber hinaus ein enges Netzwerk zwischen den Wettbewerbern entstanden ist. Trotz einiger europäischer Standorte und der eigenen Manufaktur in Obereisenbach ist eine

reits bei der Produktentwicklung wird darauf geachtet – ein Reparaturservice ist in der Manufaktur in Tettnang angeschlossen. Um den Produktkreislauf zu schließen, wagt sich der Outdoor Spezialist auch in neue Geschäftsmodelle vor: Auf Ebay bietet VAUDE eine Second-Hand-Plattform für private Verkäufer, um ihre gebrauchten Produkte anzubieten, auf der Online-Plattform „I fix it!“ werden Videos mit Reparaturtipps und das Bestellen von Ersatzteilen angeboten und mit dem Modell „I rent it!“ kann der Kunde sich spezielle Ausrüstungen auch einfach leihen. So wird gewährleistet, dass der ökologische Fußabdruck auch auf Kundenseite minimiert wird.

komplette Produktion in Deutschland nicht möglich. Hauptgrund ist neben der fehlenden Wertschöpfungskette der Mangel an Fachkräften und das fehlende Interesse an handwerklichen Tätigkeiten. Gerade deshalb, setzt sich das Familienunternehmen sehr für seine Mitarbeiter ein und engagiert sich besonders für Flüchtlinge, die in der Tettnanger Manufaktur angelernt werden. Die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt liegt Antje von Dewitz sehr am Herzen, doch von den aktuell elf Beschäftigten haben sieben bereits eine Ablehnung ihres Asylantrags erhalten. Mit juristischer Unterstützung und einem offenen Brief an Kanzlerin Merkel möchte sie erreichen, dass

Seit 2009 führt die 45-jährige Antje von Dewitz das Familienunternehmen in der zweiten Generation und ist damit sehr erfolgreich.

kanntheit über die Branche hinaus beschert. Seit 2009 schlägt VAUDE mit Antje von Dewitz einen konsequent nachhaltigen Weg ein, der diese Werte nicht nur in einzelnen Kollektionen, sondern in allen Unternehmensbereichen verankert. Den Weg dorthin beschreibt die Geschäftsführerin als steinig, denn die Veränderungen erforderten einen hohen Ressourceneinsatz trotz des bereits vorhandenen grünen Bluts. Mittlerweile hat sich das Thema Nachhaltigkeit für das Unternehmen vom bremsenden hin zum innovationstreibenden gemausert. Neben der internen strategischen Weiterentwicklung hat sich auch die Einstellung der Verbraucher zu diesem Thema positiv verändert. Mit Zertifizierungen und Transparenz investieren die Tettnanger in das Vertrauen der Konsumenten und Stakeholder. VAUDE steckt sich dabei selbst sehr hohe Ziele mit dem eigenen Nachhaltigkeitslabel „Green Shape“, das durch Überarbeitungen immer weiterentwickelt als auch verschärft wird und mehrere Botschaften und Zertifizierungen

„Vom Reststoff zum Rohstoff“ Durch die Eröffnung einer Upcycling-Werkstatt am Standort in Tettnang werden zwei Herzensanliegen des Familienunternehmens erfüllt: Die Integration von Flüchtlingen und die Schonung von Ressourcen. Aus Stanzresten und Materialüberschüssen, die in der Produktion anfallen, werden praktische Shopper-Taschen genäht. Durch die Herstellung der Unikate können rund 900 kg Restmüll pro Jahr vermieden werden. Aus dem Projekt heraus soll eine Upcycling-Community entstehen, die als Material-Austauschbörse und zur Ideenfindung für neue Produkte dienen soll. Im Rahmen eines Pilotprojekts wird VAUDE auch aus ausgemusterten Zeppelinhüllen Taschen und Rucksäcke für die Deutsche Zeppelin-Reederei in Friedrichshafen produzieren.


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Flüchtlinge in Deutschland nach erfolgreicher Integration auch bleiben können. Wirtschaften in Partnerschaft mit Mensch und Natur – das verdeutlicht nicht nur der Einsatz für Geflüchtete, sondern die generelle Haltung in Tettnang. Vereinbarkeit von Familie bzw. Freizeit und Beruf wird hier schon lange großgeschrieben und so gibt es seit 2001 ein eigenes Kinderhaus, in dem heute rund 30 Kinder täglich betreut werden. VAUDE wurde mit dem Audit „Beruf und Familie“ zertifiziert und stärkt mit verschiedenen Initiativen seine Mitarbeiter. Fast 50 Prozent arbeiten in Teilzeit und aktuell läuft die einjährige Pilotphase der Initiative mobiles Arbeiten. Statt neue Parkplätze in die Bauplanung zu integrieren, gibt es nun direkt auf dem Betriebsgelände sechzig Parkplätze weniger, außerdem sind die besten Plätze für Mitfahrgemeinschaften reserviert, statt für Führungskräfte. Mitarbeiter können sich auch E-Bikes leihen und den großen Fahrradkeller sowie die Mitarbeiterduschen nutzen. Dreimal täglich gibt es Sport- und Gesundheitsangebote und selbst Haustiere sind willkommen. Erfahrungen und Ideen können jederzeit über das interne, soziale Netzwerk ausgetauscht werden und so betont Antje von Dewitz die Relevanz der digitalen Medien für das Thema Nachhaltigkeit. Sie findet, dass sich Digitalisierung und Nachhaltigkeit nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig fördern. Transparenz und das Bewusstsein für Umweltkatastrophen und schlechte Produktionsbedingungen resultieren aus der Möglichkeit, sich immer und überall weltweit zu vernetzen. Für die Zukunft wünscht sich die VAUDE-Chefin weiterhin ein

SÜDWESTTEXT

Verband + Industrie 9

Von offenen modernen Büros bis hin zu einer lichdurchfluteten Produktion mit gut ausgestatteten Arbeitsplätzen, einer Kletterwand für gemeinsame sportliche Aktivitäten und einer liebevoll gestalteten Kindertagesstätte – der VAUDE-Campus in Obereisenbach lässt kaum einen Wunsch unerfüllt. Fotos: VAUDE

gesundes Wachstum, vor allem im europäischen Ausland. Denn auch die Outdoorbranche befindet sich weiter in einem Konzentrationsprozess von Marken und Unternehmen. Die Tettnanger haben sich in diesem Markt mühsam die Position

eines Vorreiters erkämpft und die Unternehmerin ist stolz darauf, dass sie erfolgreich fair und ökologisch wirtschaften. Ihr Wunsch ist, weiterhin Standards setzen zu können und damit über die Branche hinaus zu inspirieren. Herausforde-

Green Shape Core Collection Auf der Ethical Fashion Show in Berlin und auf der ISPO in München hat VAUDE seine neue Green Shape Core Collection vorgestellt. Die Kollektion beinhaltet zehn Materialien, von denen fünf komplett neu entwickelt wurden und von denen über 90 Prozent recycelbar sind. Dazu gehören unter anderem ein Wollfilz aus Milchresten, ein organisches Fleece aus Holzresten oder Reissverschlüsse aus Rizinusosöl. Die Inhalte der Kollektion sollen die Zukunft der Outdoorindustrie widerspiegeln und die Ausstattung ist nicht mehr auf eine Sportart spezialisiert, sondern für die Verwendung in verschiedenen Disziplinen gedacht. Bereits im Sommer wird die nächste Green Shape Core Collection vorgestellt- an der Entwicklung arbeitet ein achtköpfiges Innovationsteam gemeinsam mit Partnern. In Zukunft soll die Kollektion auch weiterhin als Plattform für innovative Materialien genutzt werden, die dann nach und nach auch in den anderen Kollektionen übernommen werden.

rungen im Bereich Nachhaltigkeit werden nicht ausbleiben und so schaut Antje von Dewitz gemeinsam mit ihrem Team motiviert und zuversichtlich in die Zukunft. Rebekka Rüth


10  Verband + Industrie

SÜDWESTTEXT

Februar / März 2018 | Nr. 113

Dank Denkendorf: Smarte Textilien für Olympia

Foto: iStock.com/Jag_cz

In Pyeongchang wurde um Sekunden, Meter und Medaillen gekämpft. Doch bevor sich die Skifahrer den Hang hinunter stürzen, gibt es für die Athleten auch Leerlauf. Während langer Wartezeiten zwischen Aufwärmen und Start drohen die Muskeln zu erkalten. Hier bietet die moderne Textilforschung für die deutschen Sportler eine Lösung: die innovative Heizhose aus Denkendorf/Reutlingen. Bisher gab es beheizbare Wettkampfbekleidung nur für Leichtathleten. Charly Waibel, ehemaliger Bundestrainer der alpinen Damen und Herren-Ski-Teams war mit der bisher erhältlichen heizbaren Wettkampfbekleidung nicht zufrieden. Er wendete sich deshalb an Markus Milwich, Bereichsleiter an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) und Professor am „Lehr- und Forschungszentrum interaktive Materialien IMAT“ an der Hochschule Reutlingen. Die Idee für die wärmende Hose entstand durch Zufall. Ursprünglich ging es darum, bionische Prinzipien für Skianzüge nutzbar zu machen. Aufgestickte

Haifischstrukturen sollten den Luftwiderstand verringern. Dies funktionierte zwar bei 20 Grad Celsius, aber nicht bei tiefen Temperaturen. Milwich schlug deshalb scherzhaft vor, das Textil eben auf die nötige Temperatur aufzuheizen. Waibel gab zu bedenken, dass „das Einbauen von Elektronik im Rennanzug durch das Reglement verboten“ sei. Doch der Gedanke ließ Waibel nicht mehr los und so kam ihm im Sommer 2017 die Idee, vom Team des Reutlinger/Denkendorfer IMAT eine spezielle Heizhose entwickeln zu lassen, die die Sportler während der Viertelstunde nach dem Aufwärmen bis zum Start warm hält. Die mit Heizelementen, Elektronik und einen leistungsfähigen Akku ausgestattete wärmende Überhose schließt mit dem Knie ab, da die Skischuhe nicht gewärmt werden sollen. Sie kann vor dem Start mit einem Handgriff schnell entfernt werden. Die deutsche Skirennläuferin Kira Weidle hat die Hose bei den Abfahrtsläufen in Garmisch im Februar getestet und ist begeistert: „Die Hose ist super und funktio-

niert gut, [...]. Sie ist beliebt bei den Sportlern und bereits Standard“. Es werden unter den Athletinnen und Athleten bereits Wünsche laut, weitere Kleidungsstücke zu beheizen, wie zum Beispiel Socken. Was auf dem Eis der Gangneung Ice Arena in Pyeongchang so leichtfüßig schwebend aussieht, ist das Ergebnis jahrelangen harten Trainings. Jeder mehrfach gesprungene Salchow oder Toeloop besteht aus komplexen und für jeden Sport-

Foto: iStock.com/Artur Didyk

ler individuellen Bewegungsabläufen. Eine ausgefeilte Sensorik, die in spezielle Trägertextilien eingesetzt wird, analysiert diese Abläufe ganz genau und optimiert damit das Training der Athleten. Die DITF haben die textilen Träger für das von der Universität Stuttgart entwickelte Tool entwickelt. Das Projekt trägt den Namen MISSIE3 („Messund Informationssystem für Sprünge im Eiskunstlauf“). Mit MISSIE3 werden Absprung und Landung, Flugzeit, Stützzeit und Rotationsgeschwindigkeitsverlauf genau erfasst und analysiert. Vier Beschleunigungs- und Bewegungs-Sensoren

Das Austria House in Pyeongchang – made by Losberger Im Auftrag der Olympic Austria GmbH (ÖOC) konstruierte das Südwesttextil-Mitglied Losberger in Zusammenarbeit mit der österreichischen Agentur TR!O GmbH die mobile Eventlocation anlässlich der Winterspiele 2018. Sechs Wochen lang waren die Container mit den Bauteilen auf hoher See unterwegs bis sie schließlich Anfang Dezember im südkoreanischen Pyeongchang eintrafen. Hier erwartete sie die Temporärbau-Profis von Losberger, die das Austria House zum vereinbarten Termin errichteten. Das temporäre Village umfasste eine VIP-Lounge aus der Zelthalle Palas mit 500 m² im Erdgeschoss und 475 m² im Obergeschoss – vollisoliert mit horizontalen Wand- und Glaselementen ausgebaut und mit einer umlaufenden Attika ausgestattet, dem ORF TV-Studio sowie einem Küchen- und Cateringzelt.

Mobile Eventlocation von Losberger. Foto: Losberger

kommen dabei zum Einsatz: einer im Bereich der Brustwirbelsäule, einer an der Lendenwirbelsäule und jeweils einer an jedem Schlittschuh. Mit Hilfe einer App sieht der Trainer bereits Sekunden nach dem Sprung die Bewegungen des Beckens, der Schulter des Athleten sowie die Rotation um die Körperlängsachse als farbige Graphen auf seinem Tablet dargestellt. Hat der Laie schon Mühe zu erkennen, ob ein Sprung nun drei- oder vierfach gesprungen wurde, so ist es auch für einen erfahrenen Trainer oft schwierig, Fehler in den einzelnen Bewegungsabläufen zu erkennen. Der Trainer kann das System intuitiv selbst bedienen und mit den Bewegungsinformationen während des Trainings die Bewegungsabläufe analysieren und verbessern. Die Textilien mit den Sensoren sind sehr leicht und angenehm zu tragen. Mit MISSIE3 können Koordination und Körperspannung auf den einzelnen Athleten abgestimmt trainiert und damit die Leistung langfristig optimiert werden. Gerade für die Nachwuchsarbeit sind einfach anzuwendende Analysemethoden wichtig. Die Übungszeit wird optimal genutzt und der Sportler nicht überfordert. Dies ist umso wichtiger, da die Anforderungen im Eissport stetig wachsen. In Zukunft sollen Fünffachsprünge die heute üblichen Vierfachsprünge ablösen. Das Projekt wurde vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft gefördert. www.ditf.de

STEP up! geht in die fünfte Runde Vom 1. März bis zum 31. Mai können Unternehmen aller Branchen Stromeffizienzmaßnahmen beim wettbewerblichen Förderprogramm „STEP up!“ (StromEffizienzPotenziale nutzen!) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie einreichen und bis zu 30 Prozent Förderung erhalten. Weitere Informationen sowie Hinweise zur Antragstellung finden Sie unter www.stepupenergieeffizienz.de/step-up.


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

SÜDWESTTEXT

Bildung + Soziales 11

Werbetrommel für textile Ausbildungsberufe Südwesttextil-Mitgliedsunternehmen präsentieren sich auf Ausbildungsmessen in der Region Rund 8 500 Besucher an zwei Messetagen und 126 Aussteller – Tendenz steigend – die Stadthalle als Messestandort. Das sind die emotionslosen Fakten der Bildungsmesse Neckar-Alb „binea“ in Reutlingen Anfang Februar. Betriebe und Unternehmen, die beruflichen Schulen des Landkreises Reutlingen und Tübingen, Hochschulen sowie zahlreiche Institutionen und Einrichtungen der Region nutzen die Plattform, um junge Leute für die Ausbildung anzuwerben. Auch die Südwesttextilfirma Rökona war mit einem Stand vor Ort und präsentierte sich den potenziellen Fachkräften von morgen. Am ersten Tag war auch Südwesttextil mit am Stand und unterstützte sein Mitglied und präsentierte den zahlreichen Interessierten

Mit gut motivierten Azubis präsentierte die Personalerin Sabrina Kittelberger auf der Bildungsmesse Neckar-Alb „binea“ in Reutlingen ihr Unternehmen. Fotos: Südwesttextil

die Nachwuchskampagne Go Textile!. Hier finden sich deutschlandweit über 200 Unternehmen die dringend Auszubildende für die textilen Berufe suchen. Der Vorteil der Ausbildungsmesse: neben einem Unternehmen

wie Rökona zeigten sich auch die Hochschule Reutlingen, die Gewerbliche Schule Metzingen und die Modeschule Stuttgart. Diese Vielfalt an Bildungseinrichtungen zeigte den Jugendlichen hautnah, welche Wege und Möglichkeiten

für ihr lebenslanges Lernen offen stehen. Nach elf Jahren hat sich diese Messe in Reutlingen mehr als etabliert und damit auch das Niveau und die Ernsthaftigkeit der Interessenten.

In Ulm präsentierten sich die Südwesttextil-Mitglieder Gebrüder Otto und Lederer. Das Glücksrad von Gebrüder Otto sorgte für regen Besuch auf dem Gemeinschaftsstand.

Ende des Monats ging es dann zur 9. Ulmer Bildungsmesse mit rund 45 000 Besuchern an drei Tagen. Auf dem Messegelände lockten in den sieben Hallen eine Programmvielfalt mit Kurzvorträgen und Präsentationen. Die rund 280 Aussteller mit etwa 1 000 verschiedenen Ausbildungs- und Studienangeboten versprachen Hilfe im Dschungel der Berufswahl. Natürlich war hier wieder Südwesttextil mit dem Go Textile! -Stand vor Ort, begleitet vom Dietenheimer Unternehmen Gebrüder Otto. Sie rührten an den gesamten drei Tagen kräftig die Werbetrommel für die Ausbildungsberufe in der Textilbranche.

Mit einem Glücksrad und allerlei Gewinnen wurde die Neugier der Jugendlichen geweckt. Die Auszubildenden von Gebrüder Otto nutzen die Chance und stellten in Gesprächen den interessierten Jugendlichen ihre Ausbildung vor. Am Donnerstag war auch die Firma Lederer aus Amstetten auf dem Gemeinschaftsstand und nutzte die gemeinsame Plattform. An diesem Tag kamen viele Schüler gemeinsam mit ihren Klassen und Lehrern auf die Bildungsmesse. Die meisten hatten schon eine klare Vorstellung von der beruflichen Richtung, die sie einschlagen möchten und stellten viele interessierte Fragen.

Auch am Samstag herrschte in den Gängen ein dichtes Gedränge, da viele Eltern ihre Chance nutzten sich früh gemeinsam mit ihren Kindern zu informieren. In diesem Jahr kamen auch Geflüchtete mit ihren Betreuern, um die Vielfalt der Bildungsmöglichkeiten zu erkunden. Die zehnte Auflage der Ulmer Bildungsmesse wird es vom 6. bis 8. Januar 2020 geben. Für unsere Unternehmen sind Bildungsmessen ein wichtiges Mittel, um für sich Werbung zu machen und somit zur Linderung des Fachkräftemangels beizutragen. Christine Schneider


12

SÜDWESTTEXT

Bildung + Soziales

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Der Ausbilder wird zum Lernbegleiter Neues Südwesttextil-Format: Der „Workshop Ausbildung 4.0“ Die Südwesttextil-Ausbilderaussprache im Oktober im Voith Training Center in Heidenheim hat gezeigt: Die Digitalisierung von bestimmten Arbeitsbereichen verändert auch die betriebliche Ausbildung. Damit war die Idee geboren, dieses Thema bei einem Ausbildung 4.0-Workshop in kleinerem Kreise noch intensiver zu bearbeiten. Dieser fand dann auch zeitnah am 19. Januar im kreativen Umfeld des „Innovation Space“ der „Live at Work-Location“ in Böblingen statt. Die sehr engagierte Gruppe, bestehend aus 17 Teilnehmern aus 10 Südwesttextil-Mitgliedsunternehmen, vertiefte am Vormittag die Ausbildungs-Aspekte wie den Einstellungsprozess, das Bild des Ausbilders sowie die Kommunikation mit jungen Mitarbeitern. Der Referent Andreas Schneider zeigte anhand seiner eigenen Erfahrung als ehemaliger Ausbildungsverantwortlicher der Firma Trumpf, wie durch neue Tools und Änderungen im Prozess des Bewerbungsmanagements die richtigen Bewerber gefunden werden können.

Mit Hilfe von Legosteinen bauten die Teilnehmer ihre Ausbildungsmodell der Zukunft Fotos: Südwesttextil

Er plädierte für eine Abkehr von klassischen Bewerbungsunterlagen wie z. B. Zeugnissen und stellte das Einbeziehen einer Potenzialanalyse vor, was eifrig diskutiert wurde. Ebenso sei die Ver-

kürzung des Bewerbungsprozesses eine wichtige Maßnahme beim Recruiting der Jugendlichen. Die Zeitspanne von der Bewerbung bis zum Ausbildungsvertag oder der Absage dürfe nicht länger als zwei

bis drei Wochen dauern. Am Nachmittag ging es dann darum zu beschreiben, wie sich die derzeitige Ausbildungsituation in den Unternehmen darstellt und in welche Richtigung sie sich bis 2025 entwickeln soll. Um diese Aufgabe nachhaltig zu verankern, bauten die Teilnehmer in zwei Gruppen mit Legosteinen ihre Ausbildungsmodelle der Zukunft. Diese haptische Übung förderte die Kreativität der Gruppe und nach der ersten Hemmschwelle kamen innovative Ergebnisse zustande. So wird 2025 der Ausbilder zum Lernbegleiter und das Lernen gliedert sich viel stärker als heute in den täglichen Arbeitsprozess ein. Davon bleibt auch eine Berufsschule nicht verschont. Hier wird ebenfalls eher eine Begleitung und Integration durch ELearning-Tools oder Web-Chats stattfinden und somit die Zeit der Auszubildenden in der Institution Berufsschule verkürzt, so die Vorstellungen der Workshopteilnehmer. Christine Schneider

Textile Aus- und Weiterbildung

Ganztag an Schulen zur Berufsorientierung nutzen

Die Gatex ist das Aus- und Weiterbildungszentrum der Textilindustrie, einer der traditionsreichsten, leistungsfähigsten und modernen Wirtschaftszweige des Landes. Sie unterstützt die Unternehmen mit praxisbezogenen Bildungskonzepten bei ihrer Personalentwicklung. Sie fördert, intensiviert und erweitert die betriebliche Ausbildung des Fachkräftenachwuchses dieser Branche und ist somit die unverzichtbare dritte Säule in der dualen Ausbildung. In Form von Blockunterricht werden die Auszubildenden in Theorie und Praxis begleitend zur Berufsschule und zur betrieblichen Ausbildung spezifisch auf ihren Beruf vorbereitet. Da die Ausbildung in der Gatex die gesamte textile Produktionskette umfasst, bekommen die Auszubildenden neben ihrem zu erlernenden Beruf auch Einblicke in vor und nach gelagerte Produktionsprozesse. Absolventen der Gatex sind als hoch qualifizierte Nachwuchskräfte in der Textilindustrie sehr gefragt. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Weiterbildung der Arbeitnehmer. Deshalb bietet die Gatex verschiedene Qualifizierungsmöglichkeiten, in denen sie mit engagierten Referenten fundiertes Fachwissen vermittelt.

Immer mehr Schulen machen gebundene oder offene Ganztags-angebote. Ganztagsschulen haben die große Chance, die Berufsorientierung neu im Tagesablauf zu verankern und die zusätzliche Zeit für eine systematische und praxisnahe Berufsorientierung und Übergangsbegleitung mit hohem Praxisanteil einzusetzen.

Aktuell werden folgende Seminare und Workshops angeboten: / 12. bis 16. März Textiles Grundwissen für Kaufleute und Azubis / 23. bis 25. April Textiles Grundwissen – Textiltechnik

Die neue Handreichung für Schulen, Betriebe und die SCHULEWIRTSCHAFTArbeitskreise zeigt die unterschiedlichen Optionen mit vielen Praxisbeispielen aus Schulen, Empfehlungen, Listen und weiteren Tipps. Sie steht zum Download bereit unter www.schulewirtschaft.de/ganztagsschule.

Mehr finden Sie unter www.die-gatex.de.

Foto: Schulewirtschaft

Kooperationen zwischen Schule und Betrieb können erweitert werden und bieten Perspektiven für praxisnahe Aktivitäten zur Berufsfindung. Betriebe können Schulen anbieten, den Ganztag mit ihren Angeboten zur Berufsorientierung gemeinsam zu gestalten. Das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT mit seinen Arbeitskreisen unterstützt Ganztagsschulen mit Angeboten und vermittelt z. B. vor Ort zwischen Schulen und Betrieben.


SÜDWESTTEXT

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Bildung + Soziales 13

Kaufmann und Kauffrau im E-Commerce Branchenübergreifender Ausbildungsberuf für boomenden Onlinehandel Der Onlinehandel boomt. Aufgrund dieser Entwicklung wird es ab dem 1. August 2018 den neuen dualen Ausbildungsberuf "Kaufmann/ Kauffrau im E-Commerce" geben. Er ist der erste neue kaufmännische Ausbildungsberuf seit zehn Jahren und auf diesen speziellen Wachstumsmarkt zugeschnitten. Gemeinsam mit den Sozialpartnern und Sachverständigen aus der betrieblichen Praxis hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Auftrag der Bundesregierung die neue dreijährige Ausbildungsordnung erarbeitet. Der branchenübergreifende Ausbildungsberuf eröffnet im stetig wachsenden Online-Geschäft die Möglichkeit, Auszubildende systematisch an neue Anforderungen heranzuführen, die mit der Digitalisierung und verändertem Kundenverhalten einhergehen. Da projektbezogenes Arbeiten ein wesentliches Merkmal im E-Commerce ist, werden Auszubildende von Anfang an mit projektorientierten Arbeitsweisen vertraut gemacht. Sie lernen darüber hinaus,

Foto: iStockphoto.com/Poike

sich ständig mit dem Wandel der Vertriebskanäle und Strukturen des E-Commerce auseinanderzusetzen. Dabei sind ihr Wissen und ihre Erfahrung insbesondere an den externen und internen Schnittstellen gefragt – zum Beispiel, wenn es um Werbung, Logistik, IT oder Rechtsund Controlling-Aspekte geht. Im Einzelnen gehört zu ihren Aufgaben neben der Auswahl und dem Einsatz von Online-Vertriebskanälen

und der Mitarbeit bei der Gestaltung und Bewirtschaftung des Waren- und Dienstleistungssortiments auch die Vertragsanbahnung und -abwicklung im Online-Vertrieb sowie die Unterstützung bei der Beschaffung. Weitere wichtige Aufgaben sind die Kundenkommunikation, die Entwicklung und Umsetzung des Online-Marketings sowie die kaufmännische Steuerung und Kontrolle.

Fragen an: Dipl.-Ökonomin Christine Schneider Tel.: +49 711 21050-25 schneider@suedwesttextil.de

Seminare Bildungswerk

Integration von Geflüchteten Ein erfolgreicher Einstieg in Arbeit ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration in Deutschland. Wie das gelingt, zeigen Projekte auf einer bundesweiten Web-Plattform, an der sich Südwesttextil beteiligt – gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Nach der Hälfte der Ausbildungszeit werden im ersten Teil der Gestreckten Abschlussprüfung in den Bereichen Sortimentsbewirtschaftung und Vertragsanbahnung die Inhalte der ersten 15 Ausbildungsmonate schriftlich geprüft. Das Ergebnis geht mit 25 Prozent in die Gesamtnote ein. Der zweite Prüfungsteil umfasst dann die Bereiche Geschäftsprozesse, Kundenkommunikation, Wirtschafts- und Sozialkunde sowie ein Fachgespräch zu einem projektbezogenen Prozess im E-Commerce. Das neue Ausbildungsangebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss, mittleren und höheren Schulabschlüssen. Hilfreich sind eine Medienaffinität und das Interesse, sich ständig mit neuen Entwicklungen im Online-Vertrieb und in den Vertriebskanälen auseinanderzusetzen.

Seminarangebot der Akademie für Personal- und Organisationsentwicklung im Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft in Kooperation mit Südwesttextil.

Foto: Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Um Unternehmen bei der Integration von Geflüchteten besser zu unterstützen, haben sie gemeinsam die Internetseite www.erfolgreich-integrieren.de ins Leben gerufen. Die Internetseite verfolgt zwei Ziele: Sie stellt eine Plattform für Unternehmen dar, um sich über die vielfältigen Informationen und Angebote zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu informieren. Gleichzeitig bietet sie Unternehmen und Verbänden die Gelegenheit, das vielfältige Engagement der Wirtschaft sichtbarer zu machen und vorhandene Strukturen besser zu vernetzen.

Gesprächstraining für Führungskräfte 12. bis 13. März 2018, Haus Gutach Herausforderung Führung 19. bis 21. März 2018, Haus Gutach

Die Internetseite ist in sechs Rubriken geordnet. Dabei sind die „Praxisbeispiele“ der Unternehmen das Herzstück: Sie zeigen, wie die Integration in Arbeit gelingen kann.

Selbst- und Zeitmanagement: Survival-Tipps für den Berufsalltag 9. bis 10. April 2018, Haus Steinheim

Südwesttextil ist mit seiner Initiative „next in textil“ ebenfalls dabei.

www.biwe-akademie.de


14

SÜDWESTTEXT

Recht + Steuern

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Rechtssichere Etikettierung und Kennzeichnung Erfolgreiches Textilkennzeichnungsseminar von Südwesttextil und Hohenstein in der Filharmonie Ihr Weg durch den Kennzeichnungs-Dschungel“. Unter diesem Motto wurde den Teilnehmern des am 16. Januar von Südwesttextil in der Filharmonie Filderstadt veranstalteten Seminars Basics Textilkennzeichnung ein umfassender Überblick über die nach der europäischen Textilkennzeichnungsverordnung zu beachtenden Anforderungen an die Bezeichnung von Textilfasern sowie die Etikettierung und Kennzeichnung von Textilerzeugnissen vermittelt. Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben wird von Behörden wie Marktbegleitern aufmerksam beobachtet. Mit 44 Teilnehmern entsprechend gut besucht war die Veranstaltung, in der Robert Marx, Syndikusrechtsanwalt bei Südwesttextil und Ansprechpartner für Fragen der Textilkennzeichnung, den Teilnehmern nicht nur tiefe Kenntnisse der rechtssicheren Kennzeichnung von Textilerzeugnissen vermittelte, sondern auch so praxisrelevante Fragen wie Aufbewahrungspflichten, Voraussetzungen einer zulässigen „Made in“-Kennzeichnung, Anforderungen an die verpflichtende Herstellerangabe nach dem ProdSG und mögliche Sanktionsrisiken mit den Teilnehmern besprach. Südwesttextil-Referent für Technik und Umwelt Stefan Thumm, Dipl.-Ingenieur (FH) für Textilchemie und Textilveredelung, rundete das Thema der textilen Kennzeichnung mit einem Erfahrungsaustausch über die selbst für Fachleute sehr komplexe europäische Biozidverordnung ab. Aus dieser ergeben sich Anforderungen für Textilerzeugnisse mit Hygieneausrüstung, Geruchsinhibierung oder Pilz- und schimmelhem-

Die Referenten Stefan Thumm (o.l.) und Dr. Alexander Alpmann von den Hohenstein-Instituten (o.r.) bereiteten den Teilnehmern den Weg durch den Kennzeichnungs-Dschungel. Fotos: Südwesttextil

mender Ausstattung. Dabei beantwortete er unter anderem die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwendung von Bioziden an Textilerzeugnissen zu kennzeichnen ist und hob speziell die Bedeutung eines informierten Marketings hervor. Zur Veranschaulichung präsentierte Stefan Thumm unter interessierten Teilnehmern Beispiele kritisch zu betrachtender Werbeaussagen wie „schützt vor bakterieller Infektion und Übertragung“, „killt 99 Prozent der Bakterien“ oder „bekämpft Keime“.

Darüber hinaus erhielten die Teilnehmer durch den Kooperationspartner von Südwesttextil, die Hohenstein Group, fachlich kompetent repräsentiert durch Dr. Alexander Alpmann, praktische Einblicke in quantitative und qualitative Methoden zur Faserbestimmung, die Pflegekennzeichnung nach GINETEX sowie die bei der Kennzeichnung von zertifizierter Kleidung nach Maßgabe der jeweiligen PSA-Kategorie zu beachtenden besonderen Anforderungen. Neben einem gemeinsamen Er-

fahrungsaustausch stellten sich die Experten in einer abschließenden Diskussionsrunde den Fragen der Teilnehmer und konnten so auch Antworten auf individuelle Problemstellungen geben. Fazit: Ihr „Weg durch den Kennzeichnungs-Dschungel“ ist bereitet. Fragen an: Robert Marx Tel.: +49 711 21050-19 marx@suedwesttextil.de

Südwesttextil-Kompetenz für Export und Zoll In einer globalisierten Welt steigt für viele Mitglieder die Bedeutung von komplexen zoll- und außenwirtschaftlichen Fragen. Diese Kompetenz hat bei Südwesttextil jetzt „Brief und Siegel“. Wir freuen uns, unserem Mitarbeiter Robert Marx zur Zertifizierung als Fachkraft für Export und Zollabwicklung – Branchenschwerpunkt Textilwirtschaft (IHK) gratulieren zu können. Herr Marx hat den entsprechenden Lehrgang bei der IHK-Exportakademie Stuttgart mit erfolgreich bestandener Prüfung absolviert. Neben dem Arbeitsrecht und dem Bereich der Textilkennzeichnung wird er unsere Mitglieder somit künftig auch in Fragen des Zoll- und Außenhandelsrechts kompetent beraten. Robert Marx

Foto: iStock.com/Tryaging


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

SÜDWESTTEXT

Recht + Steuern

15

D-Day 25. Mai: Für Datenschutz gerüstet? chendes Datenschutzkonzept besteht, empfiehlt es sich zusätzlich, entsprechende unternehmensinterne Richtlinien für die Prozesse aufzusetzen, die sicher stellten, dass der Datenschutzbeauftragte möglich frühzeitig in Prozesse eingebunden wird. Außerdem sollte das Verfahrensverzeichnis, das nach Inkrafttreten der Grundverordnung als Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten beschrieben wird, auf Anpassungsbedarf geprüft werden.

Jetzt Datenschutzkonzept implementieren

Foto: iStock.com/Jirsak

Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Es wird jetzt also Zeit, in den Endspurt einzutreten und die notwendigen Umsetzungsschritte vor dem Inkrafttreten zu ergreifen. Soweit Firmen noch gar keine Datenschutzstruktur bei sich im Hause haben, sollte jetzt spätestens die Initiative ergriffen werden, um ein notwendiges Datenschutzkonzept zu implementieren.

Anpassungsschritte sind insbesondere bei den sogenannten neuen Rechten der Datenschutzgrundverordnung notwendig. Dies betrifft insbesondere das Recht auf Vergessen, also das Löschungsverlangen, das Recht auf Datenportabilität und die Aufstellung eines Prozesses für Datenpannen. Da mit der Datenschutzgrundverordnung nachgewiesen werden können muss, dass ein entspre-

Ein wichtiger Punkt bei einem Datenschutzkonzept ist weiterhin immer auch die Frage der Auftragsdatenverarbeitung. Hier sollte noch einmal kritisch geprüft werden, in welchen Bereichen überhaupt eine Auftragsdatenverarbeitung existiert. Soweit diese festgestellt wurde, ist auch hier eine Anpassung der bisherigen Vertragswerke erforderlich. Hierzu sollten die

neuen Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung mit den Dienstleistern abgestimmt werden. Dabei empfiehlt sich zumeist, einfach die Verwendung eines neuen Vertragsmusters. Auch wenn die Anpassung der einzelnen bestehenden Vertragswerke an die Datenschutzgrundverordnung möglich wäre, dürfte es zumeist einfacher sein, ein neues geprüftes Muster zu verwenden, weil sonst die Gefahr besteht, das Anpassungspunkte übersehen werden. Auch wenn nicht zu erwarten ist, dass unmittelbar nach Umsetzung sofort existenzbedrohend hohe Bußgelder erteilt werden, empfehlen wir, die Umsetzungsschritte ernst zu nehmen und sicher zu stellen, dass das Unternehmen datenschutzkonform aufgestellt ist. Zur Unterstützung hierzu stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung. Fragen an: Nathan Binkowski Tel.: +49 711 21050-21 binkowski@suedwesttextil.de

Aushangpflicht für Arbeitgeber

Foto: iStock.com/PIKSE

Zahlreiche Gesetze sehen Aushang/Auslagepflichten vor. Der Aushang dient dazu, die Arbeitnehmer über ihre Rechte zu informieren. Meist regelt das jeweilige Gesetz oder die Verordnung selbst auf welche Art und Weise die entsprechende Vorschrift den Arbeitnehmern zur Kenntnis zu bringen ist. Den Arbeitnehmern muss ermöglicht werden, den jeweiligen Inhalt frei zugänglich zur Kenntnis zu nehmen. Dies bedeutet, dass nicht etwa eine dritte

Person um Vorlage gebeten werden muss. Gewöhnlich erfolgen entsprechende Aushänge oder die Auslage solcher Vorschriften in Pausen-, Aufenthaltsräumen, der Kantine oder an einem schwarzen Brett. Wegen seiner besonderen Stellung ist auch das Betriebsratsbüro als geeignete Stelle für die Auslage der Gesetzestexte anzusehen. Auch das Intranet mit einer entsprechenden Verlinkung auf die einzelnen Gesetze (www.gesetzeim-internet.de; Seite des Bundesministeriums der Justiz, von hier aus sollte eine weitere Verlinkung erfolgen) kann für eine entsprechende Bekanntmachung genutzt werden. Voraussetzung ist hierbei jedoch, dass jeder Arbeitnehmer freien Zugang zum Intranet hat, so dass auch hier keine dritte Person beteiligt werden muss. Die folgende Aufzählung erfasst die wichtigsten Fälle von Aushangpflichten. Sie ist insofern nicht abschließend, als ggf. branchenspezifische Besonder-

heiten zu beachten sind. Im Einzelfall beraten wir Sie gerne. / Allgemeines Gleichbehandlungs-

gesetz / Arbeitszeitgesetz / § 61 b Arbeitsgerichtsgesetz / Arbeitsschutzvorschriften, ins-

/

/

/ / / /

besondere Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung, Jugendarbeitsschutzgesetz, Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft Mutterschutzgesetz (grundlegende Reform zum 30. Mai 2017 und 1. Januar 2018) Ggf. besondere Schutzvorschriften wie Gefahrenstoffverordnung, Röntgenverordnung, Strahlenschutzverordnung, Baustellenverordnung, Bildschirmarbeitsverordnung, Druckluftverordnung Heimarbeitsgesetz Ladenschutzgesetz Betriebsvereinbarungen Ggf. ergeben sich aus der Wahlordnung zum Betriebsrat, zur

Schwerbehindertenvertretung oder zum Sprecherausschuss weitere Aushangpflichten z.B. das Wählerverzeichnis, Wahlvorschläge, Wahlvorstand, Wahlergebnisse etc. / Einschlägige Tarifverträge Sofern ein Betriebsrat im Betrieb vorhanden ist, ist dieser über den Aushang und die Art und Weise der Bekanntmachung zu informieren. Ist eine elektronische Bekanntmachung nicht möglich, gibt es zahlreiche Anbieter, die gebundene Ausgaben vorhalten, die dann an geeigneter Stelle im Betrieb ausgehängt oder ausgelegt werden können. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die Ausgabe jeweils erneuert werden muss, wenn sich Gesetzesänderungen ergeben. Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung. Alexandra Schulte


16

Technik + Umwelt

SÜDWESTTEXT

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Wenn das Sandmännchen kommt... Welchen Einfluss haben innovative Bettdecken auf den Schlaf? Es heißt: Wer schläft, sündigt nicht. Aber wer fragt: Wie muss eine Bettdecke gestaltet sein, damit der Schlaf sündhaft gut ist? In einem neuen Forschungsprojekt geht die Hohenstein Group diesem Ansatz wissenschaftlich nach. Mit ersten Ergebnissen des Projektes ist im Frühjahr 2019 zu rechnen.

klima zu gewährleisten. Um den thermophysiologischen Komfort von Bettdecken zu bestimmen, greift man bislang auf ein Messsystem zurück, das auf den Ergebnissen von Schlafversuchen basiert. Das Wärme- und Feuchtemanagement wird mit Hilfe des Hautmodells sowie der thermischen

Foto: iStock.com/g-stockstudio

Rund ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch im Bett. Der Schlaf dient der Regeneration und dem Erhalt unserer Leistungsfähigkeit. Während des Schlafes kommt der Körper mit verschiedenen textile Materialien wie Matratze, Bettdecke, Bett- und Schlafwäsche in Kontakt. Physiologisch betrachtet nimmt die Bettdecke den größten Einfluss auf den Wärme- und Feuchtigkeitsausgleich während des Schlafens. Schließlich soll sie die notwendige Wärmeisolation bieten, damit während des Schlafens keine Auskühlung des Körpers erfolgt. Andererseits soll die Bettdecke, die vom Mensch produzierte Feuchtigkeit ableiten, um ein trockenes Bett-

Gliederpuppe „Charlie“ gemessen. Dabei werden Wärme– und Feuchtetransporteigenschaften der Bettdecken getrennt untersucht. Mit dem thermischen und schwitzenden Manikin „Sherlock“ erhofft man sich zukünftig beide Messungen in einer Methode zu vereinen. Mit „Sherlock“ sollen vor allem innovative Füllmaterialien für Bettdecken untersucht werden. Dabei handelt es sich um neue Materialien, und Konstruktionen u. a. Bettdecken aus 3D-Maschenwaren oder mit Füllungen aus mikrofeine Faserstrukturen, etc. Diese neu entwickelten Bettdecken lassen sich mit den bisherigen Bewertungssystemen nicht ausreichend charakterisieren.

Gerade die Betthöhle dieser Bettdecken kann sehr unterschiedlich gestaltet sein. Mit Hilfe der 3D-Scanner Technologie soll jetzt der Einfluss der Drapierbarkeit der Bettdecke auf die Betthöhle und die Wärmeisolation sowie das Wärme- und Feuchtemanagement von Bettdecken systematisch untersucht werden. Im Fokus stehen dabei die Abhängigkeit der Drapierbarkeit der Decke von den Parametern Füllmaterialien, Füllmenge, Konfektionierung und Inlett. Ziel des Projektes ist es, eine Datenbasis zu erstellen, die es Herstellern von Bettdecken ermöglichen soll, bekleidungsphysiologisch hochwertige Bettdecken unter Berücksichtigung verschiedenster Füllmaterialien produzieren zu können. Hersteller von Füllungen (Hersteller von Vliesen, Gewirken, Faserkügelchen etc.) können aufgrund der erhofften Daten optimale Füllmaterialien (bzgl. Material und Füllmenge) zur Verfügung stellen. Erwarteter Vorteil der Forschungsergebnisse wird sein, dass Materialprüfungen schneller, günstiger und auch für individuelle Anfragen – abgestimmt auf die Kundenbedürfnisse – umsetzbar sein werden. Darüber hinaus können die Ergebnisse auf die Outdoor-Industrie (Schlafsäcke) sowie auf Winterbekleidung und Bekleidung mit Isolationsschichten übertragen werden, da hier die feuchte Wärmeisolation auch eine zentrale Rolle spielen kann. www.hohenstein.de

Termin vormerken / Seminare Arbeitsrecht Basics von A-Z Teil 1 und 2 19. Juni und 28. Juni 2017, Filharmonie Filderstadt

Jetzt anmelden unter www.suedwesttextil.de/veranstaltungen, roedder@suedwesttextil.de oder +49 711 21050 - 23

Termine Präsentation «FAST-Matrix» Gemeinsam mit führenden Industriepartnern hat die DITF Denkendorf in-situ polymerisierbare Ein- und Zweikomponenten-PolyamidMatrixsysteme neu entwickelt und charakterisiert. Am 13. März präsentieren DITF und AFBW nun die Ergebnisse. Mehr unter www. afbw.eu. Techtextil Russia 2018 Die Techtextil Russia 2018 – die russlandweit führende und wichtigste Fachmesse für Technische Textilien – findet vom 20. bis 23. März 2018 in Moskau statt. Mehr unter www.techtextil-russia. ru.messefrankfurt.com. Deutsches Fachkolloquium Textil Am 22. und 23. März finden in Dresden Vorträge zu dem Thema „Textilverstärkte Faserverbundwerkstoffe“ u.a. mit Vorträgen aus den Bereichen Faser- und Textilindustrie, Textilmaschinenbau, Chemie, Veredlung und Funktionalisierung, Simulation und Prüftechnik, Composites und OEM´s und Endanwender statt. Mehr unter www.aachen-dresdendenkendorf.de/dft. MedTech Summit – Kongress & Partnering Informieren Sie sich vom 11. bis 12. April 2018 in Nürnberg über aktuelle Technologie- und Markttrends. Profitieren Sie von der abwechslungsreichen Zusammensetzung der Kongressthemen – von der Forschung bis zur Anwendung. Nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten zur Diskussion, zur Vernetzung und zum Austausch mit Experten und erhalten Sie wertvolle Impulse für die Zukunft. Mehr unter www. www.mt-connect.de. Nachhaltigkeitskongress 2018 Als Höhepunkt und Abschluss des Jubiläums „10 Jahre Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg“ findet am 13. April 2018 in Stuttgart der Nachhaltigkeitskongress "Mehr TateN! – Mehr Zukunft" statt. Im Fokus stehten Nachhaltigkeits- und Zukunftsthemen, die über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus diskutiert werden. Mehr unter www.nachhaltigkeitsstrategie.de.


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

SÜDWESTTEXT

Technik + Umwelt

17

Meldepflicht bei KWKG-Umlage

Kompetenz und Kooperation

Der Strombezugspreis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Eine ist die Umlage zur Finanzierung und Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWKG-Umlage). 2017 lag sie regulär bei 0,438 Cent/kWh und kann, wie viele andere Strompreiskomponenten, reduziert werden, wenn Unternehmen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die KWKG-Umlage kann für das Vorjahr reduziert werden, wenn der Verbrauch bei einem Letztverbraucher an einer Abnahmestelle über 1 Mio. kWh liegt.

Südwesttextil berät seine Mitglieder umfassend – in rechtlicher, wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht – zur gesetzeskonformen Textilkennzeichnung. Dies gelingt durch eine einmalige Zusammenarbeit unseres Anwaltsteams mit unserem Textilchemiker sowie den Foto: iStock.com/VladyslavDanilin Partnern bei den Hohenstein Instituten, einem der weltweit führenden Prüfinstitute, sowie der Organisation Ginetex. Geballte Kompetenz, kostenlos für Südwesttextil-Mitglieder. Die PFLEGEkennzeichnung ist in Deutschland nicht gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch fördern wir mit GINETEX GERMANY die Verbreitung und Verwendung der internationalen GINETEX-Symbole in Deutschland. Die Einhaltung der Vorschriften beim Gebrauch dieser Symbole werden dabei sichergestellt. Die Symbole der Pflegekennzeichnung sind markenrechtlich geschützt. Eigentümer der Marken ist das Groupement International d’Etiquetage pour l’Entretien des Textiles (GINETEX) mit Sitz in Paris. Die Pflegekennzeichnung ist außerdem Gegenstand der internationalen Norm ISO EN DIN 3758:2012. Die Rechte liegen bei den jeweiligen GINETEX Länderorganisationen.

Was muss also getan werden? Letztverbraucher mit einem Verbrauch über 1 Mio. kWh in 2017 müssen dieses bis zum 31. März 2018 bei ihrem lokalen Verteilnetzbetreiber melden. Weiterhin müssen Letztverbraucher, welche Mengen weitergeleitet haben, auch diese melden. Die ECG, der langjährige Partner beim Strom- und Gaseinkaufsring von Südwesttextil, empfiehlt, die jeweils vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellten Formulare zu nutzen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Mehr unter https://www.suedwesttextil.de/nachrichten/kwkg-umlage-meldepflicht.

Foto: iStock.com/winterling

Südwesttextil-Mitglieder werden als Unternehmen, die über ihre Verbandszugehörigkeit zum GINETEX-Netzwerk gehören, von der deutschen Geschäftsstelle kostenlos beraten.

Ganzheitliche Energie-Services für nachhaltige Denim Mode Umweltfreundlich, ressourcenschonend, fair und regional produziert – wer eine Jeans oder sportive Baumwollhose des Familienbetriebs Joker Jürgen Bernlöhr GmbH aus Bönnigheim erwirbt, ist Eigentümer einer echten Rarität. Seit der Betriebsgründung im Jahre 1975 findet die Herstellung einer Joker Jeans zum größten Teil direkt in der Firmenzentrale in Bönnigheim statt. Als eines der letzten vollstufigen Unternehmen der Branche fertigt Joker seine Ware vom ersten bis zum letzten Schritt in der Wertschöpfungskette selbst und kann deren erstklassige Qualität daher uneingeschränkt gewährleisten. Modernste Anlagen und Textiltechnologien ermöglichen innoFoto: © iStockphoto.com/Petmal/Akespyker vative Färbe- und Waschverfahren, ganz ohne den Einsatz belastender Chemikalien. Das Ergebnis sind hochwertigste, stilvolle Jeans und Baumwollhosen, die durch Langlebigkeit, Liebe zum Detail sowie absolute Schadstofffreiheit überzeugen. Dem von jeher ökologisch geprägten Leitbild entsprechend wird hierbei auf einen niedrigen Energieverbrauch geachtet – eine Angelegenheit, in der das Unternehmen auf Enerco Systems vertraut. Die Zusammenarbeit erlebt Geschäftsführer Thomas Golze rundum positiv: „Vor fünf Jahren wurden wir im Rahmen unserer Mitgliedschaft im Verband der Südwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie auf Enerco Systems aufmerksam und kaufen seitdem genossenschaftlich über den unabhängigen Dienstleister ein. Unsere persönliche Ansprechpartnerin klärt auftretende Fragestellungen dabei stets umgehend und wir fühlen uns zu jeder Zeit kompetent betreut. Ein weiterer wesentlicher Vorteil dieser Kooperation: Dank der zuverlässigen Enerco-Services, welche sämtliche administrativen und organisatorischen Aspekte unseres Energiebezugs abdecken, können wir uns mit voller Konzentration dem Tagesgeschäft widmen.“

Neue Faserbezeichnung „Polyacrylat“ Mit In-Kraft-treten der deligierten Verordnung (EU) 2018/122 ergeben sich einige Änderungen bei Etikettierung bzw. Kennzeichnung von Textilerzeugnissen auf dem Europäischen Markt. Besonders hervorzuheben ist dabei die nach Art. 6 der Textilkennzeichnungsverordnung erfolgte Aufnahme von „Polyacrylat“ als Eintrag 50 in die Liste der Bezeichnungen von Textilfasern des Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung (EU) 1007/2011. Zudem ist die globale Kennzeichnung von Näh-, Stopf- und Stickgarnen, die für den Einzelhandel aufgemacht sind, fortan unabhängig von deren Gewicht zulässig (bislang 1 Gramm). Weiterhin ergeben sich Änderungen bei den Methoden der Faseranaylse unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts. Die Änderungen sind am 16. Februrar in Kraft getreten.


18

SÜDWESTTEXT

Technik + Umwelt

FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

Mikroplastik in unseren Meeren Die EU plant Strafsteuern für Textilien Die Idee einer EU-Plastiksteuer, die kürzlich durch die Nachrichtenlandschaft wie ein Lauffeuer fegte, ist bei genauer Betrachtung nur die Spitze des Eisbergs eines ganzen Aktionsbündels aus Brüssel. Um dieses Thema Plastiksteuer ranken sich daher noch andere große Themenkomplexe wie Mikroplastik und Kunststoff-Recycling. Die Plastiksteuer, die bis Mai in Brüssel beraten werden wird, soll zum einen den Müll reduzieren, was grundsätzlich begrüßenswert ist, zum anderen aber auch dazu führen, dass die EU mehr Geld einnimmt und die Mitgliedstaaten weniger direkt an Europa zahlen müssen. Über 70 Prozent des Plastiks, das in unsere Weltmeere gelangt, kommt hauptsächlich aus den Flüssen Asiens, die als Mülltransportsystem und Müllkippen missbraucht werden. Europas Anteil liegt dagegen unter 5 Prozent – Tendenz weiter sinkend. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass medial auf allseits bekannten Umweltproblemen zu surfen, gerade als Masche für die weitere Finanzierung der EU besonders „en vogue“ ist. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, denn eine Strafsteuer bringt dann maximal viel für Brüssel, wenn maximal viel „Strafbares“ produziert wird. Die Zuwachsraten im Kunststoffsegment zeigen ungebrochen nach oben. Der Brexit schmerzt – müssen also nun die verbliebenen EU-Unternehmen und die EU-Verbraucher für diese „kunststoffverpackte“ Steuererhöhung herhalten? Damit nicht genug. Was Brüssel gerade weiter im Thema an- und vermischt, liest sich bezüglich der „europäischen Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft“ dann auf Seite 16 unter anderem so: „Im Rahmen einer branchenübergreifenden Vereinbarung zur Vermeidung der Freisetzung von Mikroplastik in das Wassermilieu während des Waschens synthetischer Textilien sollen im Jahr 2018 erste Vorschläge für Prüfverfahren ausgearbeitet werden. Die Kommission ihrerseits wird Maßnahmen prüfen wie die Kennzeich-

70 Prozent des Plastikmülls im Meer stammt aus Asien. Nur 5 Prozent aus Europa. Foto: iStock.com/FooTToo

nung von Reifen und die Festlegung spezifischer Reifenanforderungen, bessere Informationen über die Freisetzung von Mikrofasern aus Textilien und entsprechende Mindestanforderungen sowie Maßnahmen zur Verringerung der Verluste von Kunststoffgranulat. Gegebenenfalls können auch Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung in Betracht gezogen werden, um die Kosten von Abhilfemaßnahmen zu decken.“

Textilien sind ein Teil der Lösung Abgesehen davon, dass alleine in diesen wenigen Zeilen schon alles, von Reifenabrieb, Kunststoffgranulat bis hin zu Mikrofasern, undifferenziert zusammengeworfen wird, stellt sich weiter die Frage, ob wir bei Textilien in Deutschland wirklich ein Problem haben, das erweiterte Herstellerverantwortung und spezifische Strafsteuern auf Textilien rechtfertigt. Textile EUFaserproduktion, EU-Faserimporte und viele der 25 000 000 000 textilen Einzelteile, die pro Jahr in der EU verkauft werden, wären dann von der Strafsteuer betroffen. Viele Textilien bestehen aus gut abbaubaren, natürlichen Fasern und Synthesefasern und auch nicht jedes Textil aus schwerer abbaubaren Synthesefasern setzt überhaupt Fasern frei, die nach-

gehend zu Mikroplastik abbauen könnten. In Textilien eingesetzte sogenannten Mono- oder Multifilamente aus schwerer abbaubaren Kunststoffen, können in der Regel gar keine Fasern freisetzen, die zu Mikroplastik abbauen. Im Gegenteil – Textilien sind auch hier ein Teil der Lösung. Ein Beispiel sind textile Faser-Rückhalte-Systeme in der Haushaltswäsche (http://guppyfriend.langbrett.com). Darüber hinaus werden die Stapelfasern aus schwer abbaubaren Kunststoffen, die sich aus dem Garnverbund/Textil beim Waschen herauslösen können, in deutschen Klärwerken effizient bereits in der ersten Klärstufe entfernt. Weiterhin sind auch hier spezielle Filtertextilien wieder Teil der Lösung, wie z.B. spezielle Flortextilien, die gerade in einem Pilotprojekt im größten Berliner Klärwerk als 4. Reinigungsstufe für Mikroplastik aus anderen Quellen (Reifenabrieb etc.) als Filter getestet werden. Bekommen diese Textilien, die helfen das Mikroplastikproblem zu lösen, dann auch die avisierte Strafsteuer aufgebrummt? Wir als Verbände bleiben auch bei dieser „Brüsseler-Spitze“ auf Tuchfühlung und haben dies auch weiterführend schon hinsichtlich des Recyclings beleuchtet bzw. den Behörden kommentiert. Insbesondere haben wir dabei auf Brüsseler Bestrebungen, die omnipräsente europäische Chemikalienregulierung REACH mit diesem Thema zu

verknüpfen, aufmerksam gemacht. Hier stehen insbesondere unter anderem multiple Schadstoffgrenzwerte im Fokus, die das Recycling von Kunststoffen und Nachfolgeprodukten in der EU per se verbieten können. Die Erfahrung zeigt, dass die EU-Gesetzgebung gerne in diese Sackgasse unbedacht hineinsteuert – weitere Kollateralschäden nicht ausgeschlossen. Zu diesem Thema veranstaltet die AFBW in Kooperation mit Südwesttextil am 10. April beim DITF Denkendorf den Workshop „Faser und Filtration“. Bitte merken Sie sich diesen Termin jetzt schon vor. Die entsprechende Mitteilung zur EU-Initiative für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft können Sie unter www.suedwesttextil.de/ nachrichten/mikroplastik-eu herunterladen. Fragen an: Dipl.-Ing.(FH) Stefan Thumm Tel.: +49 151 281 090 45 umwelt@suedwesttextil.de

Nachhaltigkeit bei Textilien Die OEKO-TEX® Gemeinschaft hat weitere Ergebnisse ihrer Studie „The Key To Confidence: Verbraucher und textile Nachhaltigkeit – Denkweisen, neue Verhaltensweisen und Ausblicke“ veröffentlicht, die sich auf die Zielgruppen Millennials (zwischen 1981 und 2000 Geborene) und Eltern konzentrieren. Die Studie stützt sich auf Daten von mehr als 11 000 Verbrauchern von Bekleidung und Heimtextilien. Der jüngste Bericht beschreibt diese zwei mächtigsten Verbrauchergruppen auf dem weltweiten Textilmarkt, die diesen noch auf Jahrzehnte hinaus beeinflussen werden. OEKO-TEX® stellt die Ergebnisse in den nächsten Monaten im Rahmen mehrerer Webinare und Präsentationen vor. Ein bereits aufgezeichnetes Webinar finden Sie unter https://www.oeko-tex. com/de/business/business_home/ business_home.xhtml


FEBRUAR / MÄRZ 2018 | NR. 113

SÜDWESTTEXT

Technik + Umwelt

19

Die neuen Kandidaten der ECHA Es ist wieder soweit: Im Januar hat die European Chemicals Agency (ECHA) die Erweiterung der Liste mit besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHC) um sieben weitere Substanzen bekannt gegeben. Auch dieses Mal stellt sich die Frage nach der textilen Relevanz dieser Stoffe.

Foto: iStock.com/VVCephei

Hier die Stoffe im Einzelnen:

auch in Rohstoffen für Dispergier- und Stellmittel für Textilfarbstoffe enthalten sein. / Benzo(a)anthracen (CAS# 56-

55-3) Gehört zu der Gruppe der Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und ist bereits in Anhang XVII der REACH-Verordnung 1907/2006 geregelt bzw. mit Grenzwerten belegt (Bestandteile aus Gummi oder Kunststoff mit Hautkontakt). PAK’s können als Verunreinigungen in Schwarzpigmenten (Flammruß) bzw. als Verschleppung aus dem Steinkohleteer auch in Rohstoffen für Dispergier- und Stellmittel für TextilFarbstoffe enthalten sein.

/ Chrysene (CAS# 218-01-9)

Gehört zu der Gruppe der Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und ist bereits in Anhang XVII der REACH-Verordnung 1907/2006 geregelt bzw. mit Grenzwerten belegt (Bestandteile aus Gummi oder Kunststoff mit Hautkontakt). PAK’s können als Verunreinigungen in Schwarzpigmenten (Flammruß) bzw. als Verschleppung aus dem Steinkohleteer

zweigt und linear (mit ≥ 0,1 % w/w 4-Heptylphenol, verzweigt und linear (keine CAS#) Das Produkt wird als Gleit- und Schmiermittel auch bei Textilmaschinen eingesetzt, aber nicht bestimmungsgemäß für die Herstellung von Textilien. / Cadmiumnitrat (CAS# 10325-

94-7) Wird zur Produktion von Textilien nicht bestimmungsgemäß eingesetzt. / Cadmiumhydroxid (CAS#

21041-95-2) Wird zur Produktion von Textilien nicht bestimmungsgemäß eingesetzt. / Cadmiumcarbonat (CAS# 513-

/ Dechlorane Plus™ (CAS#

13560-89-9) Für Bekleidungstextilien hat dieses Flammschutzmittel für Polyamid keine Relevanz. Bezüglich des Flammschutzes für PA-Composite ist sein Einsatz nicht auszuschließen. / Reaktionsprodukt von 1,3,4-Thi-

adiazolidine-2,5-dithion, Formaldehyd und 4-Heptylphenol, ver-

78-0) Wird zur Produktion von Textilien nicht bestimmungsgemäß eingesetzt. SVHC-Stoffe und Pflichten Wird eine Substanz auf der SVHCListe geführt, hat dies zunächst keinen Einfluss auf ihre Verwendung. Der Stoff ist damit lediglich für die Aufnahme in den Anhang XIV der REACH-Verordnung vorgemerkt,

was ggf. zu einem Verwendungsverbot bzw. einer Zulassungspflicht für die jeweilige weitere Verwendung in der EU führen kann. Mit der Einstufung als SVHC ist jedoch die Informations- bzw. Auskunftspflicht gemäß Artikel 33 der REACH-Verordnung verbunden. So muss der Abnehmer in der Lieferkette (B2B) darüber informiert werden, wenn ein SVHC mit mehr als 0,1 Gew.-% in einem Erzeugnis vorhanden ist und ihm müssen Informationen zur sicheren Verwendung zur Verfügung gestellt werden. Gegenüber dem Verbraucher (B2C) besteht auf Nachfrage die Auskunftspflicht (kostenfrei, innerhalb von 45 Tagen) über das Vorhandensein von SVHC mit mehr als 0,1 Gew.-% in Verbraucherprodukten. Bei weiteren Fragen zu REACH, der SVHC-Liste oder damit verbundenen Pflichten helfen wir Ihnen gerne weiter.

Fragen an: Dipl.-Ing.(FH) Stefan Thumm Tel.: +49 151 281 090 45 umwelt@suedwesttextil.de

Neues von REACH zu Diisocyanaten

Die weitere Verwendung von Diisocyanaten ist in der EU unter Arbeitsschutzauflagen möglich. Foto: iStock.com/Garsya

Bei der ECHA (European CHemical Agency ) haben sich das RAC (Risk-Assessment Comittee) und der Ausschuss für Sozioökonomische Analyse (SEAC) auf Basis des ursprünglichen Vorschlags

Deutschlands (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit – BAuA) nun auf einen gemeinsamen Beschränkungsentwurf für die Verwendung von Diisocyanaten am Arbeitsplatz geeinigt.

Für die EU-Produktion ist es maßgebend, dass im Restriktionsentwurf generelle Ausnahmen von der Restriktion unter Arbeitsschutzschulungsauflagen definiert wurden. Zwingend vorgeschriebene Schulungen werden daher Kern dieser kommenden Verwendungsbeschränkung nach REACH Annex XVII. Dazu können u. a. regelmäßige Schulungen der Belegschaft, die Pflicht zur Dokumentation bzw. Zertifizierung gehören. Dies wird daher auch Textiler betreffen, die mit den entsprechenden Diisocyanaten direkt umgehen. Der Vorschlag erlaubt u. a. die Verwendung und das Inverkehrbringen von Produkten, die > 0,1 Gew.% freies Diisocyanat enthalten, wenn die Verwender erfolgreich ein Sicherheitstrainingsprogramm abgeschlossen haben. Zu solchen

Diisocyanaten können TDI, MDI, H12MDI, HDI, IPDI, NDI, TODI und m-TMXDI gehören. Die Behörden beabsichtigen, einen „Arbeitsschutz-Führerschein“ für Personen einzuführen, die mit Produkten umgehen, die Diisocyanate enthalten. Im Appendix 13 zur Restriktion werden diese Schulungsauflagen festgelegt. Unterlagenmaterial für Schulungen der Mitarbeiter sollen u. a. von Herstellern und Importeuren von Diisocyanten zur Verfügung gestellt bzw. erstellt werden. Wir werden über die weitere Entwicklung, Übergangsfristen etc. des Restriktionsverfahrens berichten. Fragen an: Dipl.-Ing.(FH) Stefan Thumm Tel.: +49 151 281 090 45 umwelt@suedwesttextil.de


20  Zu guter Letzt

SÜDWESTTEXT

Februar / März 2018 | Nr. 113

Textil- und Modedialog 2018 Zum siebten Mal fand Ende Januar der Textil- und Modedialog im Rahmen der Munich Fabric Start statt. Uber 100 Gaste waren der Einladung der Textilverbände in Bayern und Baden-Württemberg in den Fabric Club gefolgt, um sich dem Motto „Textil und Nachhaltigkeit“ zu widmen. Nach der Begrüßung durch VTB-Präsidiumsmitglied und Moderator Christian Dierig und den Veranstalter der Munich Fabric Start, Sebastian Klinder, ergriff Stefan Thumm, der Umweltexperte der Verbände VTB und Südwesttextil, das Wort. Er stellte dar, warum das Thema Nachhaltigkeit für die Textilindustrie, auch in Bezug auf die neue Chemikalienregelung REACH, besonders wichtig ist. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit dem Thema „Nachhaltigkeit – Ein Feigenblatt?“ wurde von Moderator Christian Dierig sowie den Gästen Dr. Bernhard Felmberg, Florian Mey, Dr. Matthias Konrad und Marcus Adam die Schwierigkeit erörtert, dem Verbraucher Nachhaltigkeit nahezubringen. Ministerialdirigent Dr. Felmberg aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hob die positive Entwicklung der letzten Jahre hervor. Im Bewusstsein der Unternehmen und Verbraucher habe sich bereits viel getan, meinte er. Dass dennoch einige Luft nach oben sei erklärte Florian Mey von der Mey GmbH & Co. KG. Die Verbraucher kaufen gerne nachhaltig – solange es nicht mehr kostet als zuvor. Schon bei nicht einmal 10 Prozent Kaufpreiserhöhung, in diesem Falle zwei Euro mehr, entschieden sich die Kunden lieber für die herkömmlichen Produkte.

Christian Dierig (Mitte) moderierte den Dialog mit den Gästen Florian Mey, Dr. Bernhard Felmberg, Dr. Matthias Konrad und Marcus Adam (v.l.n.r.).

Interessante Vorträge, gute Gespräche, ein fürstliches Essen und ein kreatives Schmankerl nach Messeschluss: Mit einer floralen Modenschau begeisterte die Deutsche Meisterschule für Mode, Designschule München, die Gäste. Fotos: VTB

Auch bei den technischen Textilien konnte Herr Dr. Matthias Konrad von Bayern Innovativ berichten, dass Nachhaltigkeit zwar von vielen Geschäftspartnern gefordert wird, die Bereitschaft dafür auch mehr zu bezahlen jedoch gering ist. Herr Marcus Adam, der seine Doktorarbeit zum Thema „Nachhaltigkeit“ verfasst, konnte mehr Aufschluss darüber geben, was Unternehmen zu nachhaltiger Pro-

»Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen, deshalb helfen höhere Löhne hier nur sehr bedingt. Außerdem gilt: Wenn die einen für Fachkräfte mehr zahlen, fehlen die guten Leute an anderer Stelle. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich angesichts einer historisch und international hohen Erwerbstätigenquote von 78 Prozent aktuell stark in Richtung Mangelverwaltung.« Michael Hüther, IW-Direktor in iwd #1 / 2018

duktion motiviert. Er stellte heraus, dass Nachhaltigkeit in familienbeziehungsweise inhabergeführten Unternehmen weiter verbreitet sei, da diese eher auf langfristige Ziele abzielen. Herr Dierig fasste zusammen: Es ist schon viel passiert, es gibt aber auch noch viel zu tun. Wie man Nachhaltigkeit umsetzen kann zeigte danach Sabina Brägger aus der Schweiz. Sie präsentierte ihr nachhaltiges Startup.

Ihre Mission: Sie verarbeitet hochwertige Materialien, die sonst weggeworfen würden. Der „grüne Faden“ zog sich auch durch die Modenschau der Meisterschule für Mode, Designschule München. Die Models präsentierten neben der Kollektion auch die Ergebnisse einer Kooperation mit der Staatlichen Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan. www.textil-mode-dialog.de

Impressum © Alle Rechte vorbehalten. Keine Vervielfältigung ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers. Verband der Südwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie Südwesttextil e. V. Kernerstraße 59 70182 Stuttgart

Präsident Bodo Th. Bölzle

Telefon +49 711 21050-0 Telefax +49 711 233718 Internet www.suedwesttextil.de

Verantwortlich für Inhalt und Layout Simone Diebold

Hauptgeschäftsführer Peter Haas

Der Bezug der Südwesttext ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.

Druck DCC Kästl e.K. Ostfildern-Kemnat Auflage 1 350 Exemplare Erscheinungsweise zweimonatlich


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.