SO LÄUFT’S
B e s s e r m ac h e n – Ta k t u n g
FLUCH ODER SEGEN?
Kurzfristige Programme, Seasonless-Konzepte, Pronto- und Flash-Kollektionen – generiert der Handel damit wirklich mehr Umsatz und hält seinen Kunden über ständig neue Ware bei der Stange? Oder frisst die ganzjährige Order nur hemmungslos Ressourcen, erhöht das Problem von zu viel Ware auf der Fläche und dient in erster Linie den Lieferanten, um Ordervolumen künstlich zu erhöhen? Ein Streitthema. Text: Isabel Faiss. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler
TOTAL UNINTERESSANT
Michael Munz, Store Manager The Listener „Wir arbeiten mit Lieferanten, die durch eine künstliche Verknappung, Direktion oder Steuerung der Nische die Lieferfenster und auch die Erneuerung auf der Fläche von sich aus einplanen, so dass Flash-Programme für uns total uninteressant sind. Wir planen mit über 100 Lieferanten das ganze Jahr durch und haben in der Regel keinen Bedarf für etwas, das kurzfristig produziert und ausgeliefert werden kann. Ganz im Gegenteil, wir setzen auf Kollektionen und Produkte, die weltweit so stark limitiert sind, dass man sie nur bei uns kaufen kann. Der Markt braucht nicht noch mehr Ware. Ich sehe das nicht als Zusatzservice für den Handel, schon gar nicht für Multibrandstores. Eher für Stores, die in ihrer Kollektionsplanung unschlüssig sind. Es dient ausschließlich dem Lieferanten, der seine Lieferkapazitäten auslasten kann und zusätzlichen Umsatz generiert, indem er die geplanten Budgets seiner Kunden nachträglich erhöht. Dadurch bestimmt der Lieferant über Geschwindigkeit, Ressourcen, Lagerbestände und die Sortimentsgestaltung. Der Händler, der seine Kunden kennt und gut plant, braucht keine kurzfristige Flexibilität. Wir ordern Produkte mit hohen Lagerumschlägen, die sofort ausverkauft sind und auch nicht nachgeliefert werden. Der Markt muss es sich erhalten, Produkte anzubieten, die nicht überall zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung stehen.“
LÄNGST GELEBTE PRAXIS
Torsten Stiewe, Head of Buying Fashion The KaDeWe Group „Grundsätzlich ist es für uns sehr wichtig, auf kurzfristige Programme zurückzugreifen. Wir entscheiden situativ, ob ein Flash-Programm ins Sortiment passt und ob die Notwendigkeit überhaupt da ist. In der Regel ist das ein Thema für das mittlere bis günstigere Preissegment. Wir sprechen aber natürlich mit unseren Partnern über ein Entgegenkommen hinsichtlich Rücknahme oder Umtausch. In den kurzfristigen Programmen braucht es Flexibilität von allen Seiten, denn auch wir gehen hier ins Risiko. Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren stark mit Pre-Collections, die sehr frühe Liefertermine haben und wo wir die Möglichkeit haben, als großer Kunde diese nochmal früher zu kaufen. Das ist für uns ein starkes Drehmoment. Über unsere Erfahrungswerte mit den einzelnen Marken allokieren wir gewisse Anteile des Gesamtbudgets bereits bei der Jahresplanung. Wenn ich ein Flash-Programm integrieren kann und dadurch etwas kompensiere, das sich bisher nicht so gut bewegt hat, dann kann ich zum einen neue Spannung auf der Fläche produzieren und den Umsatzausfall, den ich in anderen Sortimentsbereichen eventuell habe, ausgleichen. Andererseits kann man solche Programme auch in Pop-up-Konzepte integrieren. Die schnelle Reaktionsmöglichkeit ist nicht nur aufgrund von E-Commerce extrem wichtig, sondern auch, weil wir in gewissen Segmenten analog der vertikalen Rhythmen gemessen werden, die wir nicht abbilden können und wollen.“ 106
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