speakUP Ausgabe 9

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Nr. 9 „Nackten Wahnsinn“ hingegen gehörte ich schon fast zum alten Kaliber… Melzer: Ja, das ist das große Rätsel! Wir wundern uns und wundern uns! „Der Nackte Wahnsinn“ ist ja für ein älteres Publikum gemacht – doch stattdessen rennen uns die Schulklassen die Türen ein. Auch mit den Musicals wollen wir eigentlich mehr diejenigen abdecken, die sonst von „zu viel Blut“ auf der Bühne verschreckt werden, stattdessen kommen die jungen Leute. Bei Schiller hingegen zeigt sich schon jetzt im Vorkauf, dass die Schulen da viel weniger Interesse haben, obwohl „Don Carlos“ auf dem Lehrplan steht. An anderen Theatern ist es wieder völlig anders… : Ihr scheint euch da eine Menge Gedanken zu machen. Melzer: Na klar. Zum Glück ist es ja im Vergleich zum ersten Jahr viel besser geworden. Unser Intendant muss sich ja ständig rechtfertigen, wenn die Zahlen nicht stimmen. Es geht uns darum, Kunst zu machen, die Diskussionen anregt und

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33 die Lebensumstände von heute reflektiert, und die Menschen zu unterhalten. Es geht nur beides in Kombination. Wenn ich da aber an Sprüche im Gästebuch wie „My Fair Lady, das war klasse – mehr davon, dann stimmt die Kasse!“ denke, stößt es mir ganz übel auf. Diese Frage nach dem Nutzen und der Nützlichkeit von Kunst ist einfach so kurzgegriffen, so kapitalistisch durchdrungen! Oh weh! Derjenige, der das so flott ins Buch geschrieben hat, ist sich wahrscheinlich gar nicht im Klaren darüber, wie tief das ist – was das über ihn aussagt. : Was würdest du selbst gern mal auf die Bühne bringen? Melzer: „Orlando“ von Virgina Woolf, das wäre die ultimative Rolle für mich! Es ist einfach das schönste Buch, sehr poetisch, voller Geheimnisse und – Herausforderungen. Das würde mich sehr reizen. : Uns auch. Danke für das interessante Gespräch!


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