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Omnibus täglich zwei mal

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Stammgäste

Stammgäste

Nicht zufällig heißt Tourismus mehr als hundert Jahre lang „Fremdenverkehr“.

Gerade im Stubaital lassen sich seine stärksten Impulse auf die Entwicklung der Mobilität zurückführen:

Brennerstraße 1845 und Brennerbahn 1867, Stubaitalbahn 1904, Europabrücke 1963. Erst Postkutschen, dann Stellwagen, später Omnibusse. Straßen und Wege. Vier verschiedene Routen empfiehlt ein Text noch im Jahr 1929 als Fußweg von Innsbruck nach Fulpmes, Gehzeit zwischen 3¾ und 5 Stunden …

Das Hin und Her der Hoferwirtgäste besorgt über lange Jahre ein pferdegezogener Stellwagen und ab 1925 dieser Omnibus der Firma Leo Bayr, Innsbruck. Der adrett uniformierte Hausbursch mit Dienstmütze begleitet die Fahrgäste und schleppt deren Gepäck.

Die Wirtinnen

Sieben Jahrzehnte lang wird der Hoferwirt von Frauen geführt. Sie tragen die wirtschaftliche Verantwortung, führen das Personal und umsorgen ihre Gäste. Ihre Männer Ferdl und Hans helfen zwar mit, Kriegsdienst und berufliche Verpflichtungen schränken das aber ziemlich ein. Schwerste wirtschaftliche und politische Turbulenzen, etwa die große Depression nach 1929, die 1.000-Mark-Sperre und der Zweite Weltkrieg bringen Krisen bis an den Rand der Existenz.

Die jährliche Todo-Liste der beiden Wirtinnen ist endlos lang, allein Vorratshaltung und Wareneinkauf: Besonders beliebt ist etwa das heimische Kalbfleisch, Nebensaison heißt Vorräte anlegen: Sauerkraut mit bloßen Füßen im Holzzuber einstampfen, Weißbrot backen, klein würfeln und als Knödelbrot auf weißen Leintüchern trocknen, Eier in Kalkwasser einlegen, Kartoffeln im kühlen, dunklen Stöcklgewölbe einlagern, als Getränkelager dient der uralte Keller gegenüber der Rezeption.

Alte Rezepte

Die gestochen saubere Schrift spiegelt die Haltung wider, mit der man an die Dinge herangeht. Nicht schnell das nächstbeste Rezept googeln, nein – man nimmt sich die Zeit zum Blättern und Suchen.

Und noch etwas ist so ganz anders als heute. Ein handgeschriebenes Rezeptbuch ist ein echtes Unikat, sein Inhalt wird zum gehüteten Geheimnis. In Verbindung mit Erfahrung und Können am Herd entsteht so eine kulinarische Adresse.

Bis heute gibt’s sonntags die „Saure“, eine köstliche Suppe aus Kutteln, fein geschnittenem Rindermagen, gekocht. Als archaisches Männerritual nach dem Kirchgang trifft man sich zum Kartenspiel und braucht eine ordentliche Stärkung. Denn vor der Heiligen Messe und Kommunion ist es nicht erlaubt, etwas zu essen. Trinken ist gestattet, für einen ersten Schluck vom Budele Schnaps biegt mancher schon am Weg zur Kirche kurz in die Schankstube ab.

Kostbare Familienzeit

Von einer Wintersaison kann man in Neustift erst seit Eröffnung des Elferlifts 1965 sprechen, den Ganzjahresbetrieb bringt schließlich die Gletscherbahn. Damit wird die Zeit fürs Familienleben in den Stubaier Tourismusbetrieben knapp.

Familienurlaube etwa in Alassio oder am Zettersfeld gibt es nur ganz selten. Oma Anna ist da eine willkommene Hilfe, für Ausflüge und Urlaube mit ihr finden sich immer wieder ein paar Stunden oder Tage. Man fährt wenigstens nach Fulpmes zum standesgemäßen Fachsimpeln ins Café Stubai oder zum Hotel Lutz, zu noch nobleren Branchenkollegen ins Hotel Maria Theresia nach Innsbruck oder auf Kur nach Meran.

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