KOMPASS Stadtmagazin Ausgabe 10 | 15

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W arum V ersagen ni c ht z um V ersager ma c ht Text: Jutta Müller

Schöner Scheitern

Menschen werden meist nur an ihren Erfolgen gemessen, scheitern ist nicht vorgesehen. Doch Fehlschläge sind eine Chance zur Weiterentwicklung und sogar notwendig – im Ausland ist die Kultur des Scheiterns eine andere als bei uns: Krise heißt im Chinesischen „weiji” und enthält die Schriftzeichen „wei” (Gefahr) und „ji“ (Gelegenheit oder Wendepunkt). Eine Krise bedeutet dort also „Moment einer Gefahr“ aber auch „Moment einer Chance“. Auch im Griechischen bezeichnet das Wort „krisis“ keine hoffnungslose Situation, sondern den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Lage.

Mal ganz ehrlich: Scheitern ist unschön „An Niederlagen wächst man", heißt es im Volksmund. In den Selbsthilfe-Ecken der Buchläden stapeln sich Ratgeber wie: „Lust am Scheitern", „Vom Glück des Scheiterns", „Die Kunst des Scheiterns" oder „Scheitern als Chance". Die Hamburger Kunsthalle hat den persönlichen Niederlagen sogar eine ganze Ausstellung mit dem Titel „Besser Scheitern“ gewidmet. Fast könnte man meinen: Niederlagen sind hip. Die Wahrheit aber ist: Scheitern zieht runter, macht traurig und verunsichert. Bisweilen ist Scheitern sogar richtig schmerzvoll, oft peinlich und manchmal demoralisierend. Aber warum nur? Fehler zu machen, ist ganz normal im Leben eines Menschen. Bevor man laufen kann, fällt man unzählige Male hin – und versucht es wieder. Selbstzweifel und Versagensängste tauchen erst später im Leben auf. Doch nur, wer Fehler macht, entwickelt sich weiter, denn: Aus Fehlern lernt man. Doch allzu oft wird in unserer Gesellschaft das Fehlermachen mit Versagen gleichgesetzt. Sozialpsychologen sind überzeugt, dass Scheitern nicht mit einem angeborenen Siegeswillen des Menschen zu tun hat, sondern ein Ergebnis der Erfolgsgesellschaft ist. Haben wir also dem Siegeszug des Kapitalismus die Einteilung in Gewinner und Verlierer zu verdanken?

„Uns gefällt Ihr Sound nicht, und Gitarrenmusik ist ohnehin nicht gefragt.“ (Begründung der Plattenfirma, die 1962 die Beatles ablehnte)

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