20 Jahre Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin

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2017/18

JAHRE



MITGLIEDER DER ORCHESTERAKADEMIE 1997/98 – 2017/18




Diese Publikation wurde mit freundlicher Unterstützung des Vereins der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden e. V. ermöglicht.


I N H A LT

GRU S S WORT E Alice Ströver, Daniel Barenboim und Matthias Schulz. . . . . . . . . . . . . . . . . 8 GRÜ N DU NG U N D A N FÄ NGE Wie die Orchesterakademie ins Leben und ins Laufen kam. . . . . . . . . . . . . 12 »… DI E E X SP E C TA N Z E I N E R A N S T E L LU NG BE I DE R KÖN IGL . K A P E L L E« Orchesterakzessisten in Berlin um 1850. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 A L LTAG I N OP E R , KON Z E RT U N D AU F T OU R N E E Die Akademisten inmitten der Staatskapelle Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 »M U S I K I S T E I N FAC H L E BE N DIG !« Ein Gespräch mit zwei Mentoren und zwei Akademistinnen. . . . . . . . . . . . 48 K A MMER M USIK In der Staatsoper und darüber hinaus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 M U S I K V E R M I T T LU NG Junge Musiker spielen für junge Hörer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 H I N T E R DE N K U L I S S E N , A BE R I M M E R M I T DA BE I Ein Gespräch mit den Organisatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 M E N TA L E S TÄ R K E M AC H T DE N U N T E R S C H I E D Musikerpsychologie bei der Orchesterakademie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 K A R R I E R E W E GE U N D P E R SP E K T I V E N Der Weg in die Staatskapelle und anderswohin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Danksagung 104 Impressum 108


GRUSSWORTE 8

Es ist immer schön, ein Grußwort anlässlich eines Ereignisses zu schreiben, das als erfolgreich bezeichnet werden kann. Die Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin ist eine solche Erfolgsgeschichte, die wie so viele Ideen der Musikvermittlung auf Daniel Barenboim persönlich zurückgeht. Der Maestro selbst war es, der vor 20 Jahren die Idee zu dieser Initiative hatte. Damals wie heute gab und gibt es eine gewisse Kritik aus den großen Orchestern, dass die Ausbildung an den Musikhochschulen dieser Welt sehr stark auf eine solistische Ausbildung orientiert ist. Das liegt vielleicht auch in der Natur der Sache, weil nicht jede Hochschule parallel eigene große Klangkörper unterhalten kann. Umso wichtiger ist es, sobald die jungen Absolventen fertig sind, sie auf das Orchesterspiel vorzubereiten und fit zu machen für das Leben der meisten Berufsmusiker. Welches Orchester ist dafür besser geeignet als die Staatskapelle? Hier ist das Repertoire so breit wie vermutlich nirgends sonst auf der Welt, von großer Sinfonik über Opern bis zur Ballett- und Kammermusik. Angeleitet werden die jungen Musikerinnen und Musiker von Mentorinnen und Mentoren aus der Staatskapelle, die in aller Regel den Ehrgeiz haben, ihre Schützlinge perfekt auf Konzerte oder Opernabende vorzubereiten und auch für Probespiele bei anderen Orchestern zu trainieren. Wir als Trägerverein agieren bei all dem fast immer im Hintergrund. Viele Akademisten wissen vermutlich gar nicht, dass es uns gibt. Wir schauen, dass die Stellen rechtzeitig nachbesetzt werden, und wir freuen uns, dass immer mehr junge Frauen den Weg in die Akademie finden.


Als Vorstand greifen wir nur dann ein, wenn es Probleme gibt, und wenn es manchmal kleinere Konflikte gibt, ist es doch gut, wenn eine Person mit dem Blick von außen die Geschicke des Vereins lenkt. Hin und wieder ist ein mahnender Einwurf notwendig, dass die Akademistinnen und Akademisten sich in Ausbildung befinden, sie in ihren Orchesterdiensten das Repertoire lernen und spielen lernen sollen und nicht als Lückenbüßer fungieren dürfen. Aber zum Glück gibt es auch die vielen eigenen Programme, bei denen die Akademisten in kleineren Formationen Konzerte in Berlin und Umgebung geben und Auftrittspraxis üben können. Auf jeden Fall sehen wir, dass nach zwei Jahren fast alle Absolventinnen und Absolventen in renommierten Orchestern dieser Welt ihren Platz finden. Einen besseren Beweis dafür, dass die Orchesterakademie eine ausgesprochen sinnvolle Institution ist, gibt es nicht. Deswegen gilt: Auf viele weitere produktive Jahre! Alice Ströver, Staatssekretärin a. D. Vorsitzende des Vereins der Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin e. V.

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Tradition verpflichtet, das ist ein alter Lehrsatz – zumal bei einem Orchester wie der Staatskapelle Berlin, die auf eine Geschichte von nahezu 450 Jahren zurückblicken kann. Zwei Jahrzehnte immerhin besteht schon die Orchesterakademie, die wir 1997 mit vereinten Kräften von künstlerischer wie administrativer Seite ins Leben gerufen haben. Seither hat sich diese Einrichtung glänzend entwickelt, sie ist fest im Alltag der Staatsoper und der Staatskapelle verankert. Ob im Orchestergraben, auf dem Konzertpodium oder bei eigenen Veranstaltungen – die jungen Akademisten arbeiten hochengagiert, um immer besser zu werden und neue Erfahrungen zu gewinnen. Durch ihr beständig wachsendes Wissen und Können sind sie eine große Bereicherung für das Opern- und Konzertleben. Besonders freue ich mich natürlich darüber, dass inzwischen 30 junge Musikerinnen und Musiker den Weg in die Staatskapelle gefunden haben, nicht selten sogar auf Solo-Positionen mit großer künstlerischer Verantwortung. Das Klangideal, das ihnen von ihren Mentoren vermittelt worden ist, konnten sie verinnerlichen und weitertragen. Die Akademie ist zu einem Teil ihres Lebens, ihrer musikalischen Prägung und ihrer Erinnerung geworden. Mein Dank gilt allen, die sich lehrend und lernend, organisatorisch und unterstützend der Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin eingebracht haben und tagtäglich einbringen. Ohne sie könnte dieser Organismus nicht existieren. Auf die nächsten 20, hoffentlich ebenso erfüllten und erfolgreichen Jahre! Daniel Barenboim Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden


Als die Staatsoper Unter den Linden, initiiert durch Daniel Barenboim und Mitglieder der Staatskapelle Berlin, vor 20 Jahren damit begonnen hat, eine Orchesterakademie einzurichten, war das eine echte Pionierleistung. Kern dieser Einrichtung ist ein »Mentorensystem«, bei dem Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle eine junge Akademistin/einen jungen Akademisten im besten Sinne »an die Hand nehmen«, ihre/seine Entwicklung konzentriert beobachten und entscheidend beeinflussen. Dabei spielen sie gemeinsam sowohl im Orchester als auch in Kammermusikensembles. Diese Praxis hat sich als überaus effizient und nachhaltig erwiesen und die Nachwuchsförderung über unsere Institution hinaus geprägt. Durch echte Teilhabe an der künstlerischen Arbeit findet eine Vorbereitung auf das Berufsleben statt, wie es sich junge Musikerinnen und Musiker nach ihrem Studium nur wünschen können. Über die Jahre ist eine internationale Familie entstanden – Mitglieder der Orchesterakademie haben entweder in der Staatskapelle oder in anderen Orchestern in Deutschland, Europa und der Welt ihren Platz gefunden, und doch haben sie alle engen Kontakt zur Staatsoper behalten. Auch für die Zukunft gilt es, die jungen Musikerinnen und Musiker in das Programm unseres Hauses einzubinden, sie hinsichtlich des Repertoires herauszufordern, neugierig zu machen und – das ist das Besondere an unserer Orchesterakademie – nicht nur die Liebe zum Konzert, sondern vor allem auch zur Oper zu wecken bzw. weiter auszubauen. Wir freuen uns sehr auf die nächsten 20 Jahre! Matthias Schulz Intendant der Staatsoper Unter den Linden

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GRÜNDUNG UND ANFANGE W I E DI E ORC H E S T E R A K A DE M I E I N S L E BE N U N D I N S L AU F E N K A M 12 T E X T VON

Detlef Giese

Am Anfang stand, wie so häufig, eine Idee. Daniel Barenboim selbst war es, der vor mittlerweile zwei Jahrzehnten anregte, bei der traditionsreichen Staatskapelle Berlin eine Orchesterakademie einzurichten. Das Vorbild der KarajanAkademie der Berliner Philharmoniker stand ihm dabei vor Augen, einer Einrichtung, die bereits seit 1972 existierte und aus der bereits zahlreiche hervorragende Musikerinnen und Musiker hervorgegangen waren. Die Staatskapelle sollte hier nachziehen, zumal sie in ihrer Doppelfunktion als Opern- und Sinfonieorchester über einen noch breiteren Radius an Aktivitäten verfügte. Ein Orchester ist ein diffiziler Organismus, der sich immer weiter entwickeln und neu beleben muss, durch äußere Impulse wie aus dem Inneren heraus. Eine Akademie, in der durch tägliches »learning by doing« die spielpraktischen und klangästhetischen Eigenschaften vermittelt und weitergetragen werden, war dazu angetan, gute Dienste zu leisten. Der Erfolg spricht für sich, 20 Jahre nach dieser Initiative. Einen eigentlichen »Gründungsakt« gab es dabei nicht, wie Gregor Witt, Solo-Oboist der Staatskapelle und einer der Unterstützer von Beginn an, zu berichten weiß. Dass es vom Herbst 1997 an eine »Orchesterakademie bei der Staatskapelle« gibt, wurde zwar in einschlägigen Musikzeitschriften


vermerkt, jedoch ohne ein formelles Procedere. Zusammen mit seinen beiden Kollegen des damaligen Orchestervorstands, dem Solo-Klarinettisten Matthias Glander und dem Cellisten Egbert Schimmelpfennig, nahm Gregor Witt in enger Abstimmung mit der Intendanz und Geschäftsführung der Staatsoper (in Person von Georg Quander und Georg Vierthaler), dem ideengebenden Generalmusikdirektor und dem Orchesterbüro die Sache in die Hand. Ein Verein wurde gegründet, eine Satzung geschrieben, ein Wirtschaftsplan erstellt und die Finanzierung gesichert – Grundvoraussetzungen für das Entstehen und die Arbeitsaufnahme der Akademie. Beflügelt von einer »Aufbruchsstimmung«, wie sich Georg Vierthaler erinnert, wurden die Kräfte gebündelt, um eine Einrichtung ins Leben zu rufen, die auf Dauer etabliert werden und sich ausgesprochen positiv auf die künstlerische Qualität der Staatskapelle auswirken sollte. Das bestehende Substituten-System, das jungen Musikerinnen und Musikern Gelegenheit gab, im Orchester zu spielen und sich als Nachwuchskraft zu beweisen, wurde durch die Akademie abgelöst. Wurden die Substituten nach geleisteten Diensten entlohnt, wurde es jetzt möglich, reguläre Stipendien zu zahlen, über zwei Jahre hinweg, in denen die Akademisten wertvolle Erfahrungen sammeln und sich auf die für angehende Orchestermusiker so entscheidenden Probespiele vorbereiten konnten. Der Ausbildungsaspekt rückte in den Vordergrund, durchaus auch mit der Intention – wie Matthias Glander betont –, für die Staatskapelle selbst den musikalischen Nachwuchs heranzubilden und das organisch gewachsene individuelle Klangbild des Orchesters zu erhalten – eine Aufgabe für die Gegenwart und eine Investition in die Zukunft. Der Übergang von der Substitutenregelung zur regulären Akademiearbeit war keineswegs abrupt, sondern fließend. Stärker als bislang wurden die Akademisten in die alltäglichen Vorgänge integriert, sei es durch das Spielen bei

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Opern-, Ballett- und Konzertaufführungen oder durch das kollegiale Miteinander mit den Mitgliedern des »großen« Orchesters, von denen sich nicht wenige von Anfang an als Mentoren engagiert haben. Thomas Jordans, der im Herbst 1997 zu den ersten Akademisten überhaupt gehörte, hat diesen Prozess unmittelbar erlebt: »Spiel da vor, da lernst du alles von der Pike auf!«, wurde ihm geraten und nach dem gewonnenen Probespiel nahm die Karriere seinen Lauf: Bereits nach einem Jahr wurde der Hornist fest in der Staatskapelle angestellt, seit einigen Jahren ist er sogar Orchestervorstand. Der Cellistin Isa von Wedemeyer, die 1999 Akademistin wurde, ist es auch sofort gelungen, in der Staatskapelle Fuß zu fassen. Die Erfahrungen in dem »geschützten Raum« der Akademie waren Gold wert: »In meinem Probejahr musste ich acht Wagner-Opern spielen, zum Teil gleich in Aufführungen – ohne Akademie wäre das undenkbar gewesen.« Ein »richtiger Studiengang« sind laut Matthias Glander jene zwei Jahre, die in der Orchesterakademie für gewöhnlich durchlaufen werden. Das Gelernte, Erworbene und Erfahrene kann unmittelbar angewendet werden, ohne Verzug und unter realen praktischen Bedingungen. Darin liegt – und da sind sich Mentoren wie Akademisten einig – die eigentliche Qualität dieser Einrichtung, die sich als segensreich für die Staatsoper und die Staatskapelle erwiesen hat. Eine Institution zu gründen ist das Eine, sie am Leben und am Laufen zu halten, das Andere. Die Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle haben die Orchesterakademie von Anfang an als ihr genuines Projekt begriffen, nimmermüde und tatkräftig unterstützt von den Kollegen aus dem Orchesterbüro. Thomas Küchler, Renate Kändler und Uwe Timptner haben die Akademie zunächst parallel zu ihrer »normalen« Arbeit mit betreut, immer nach dem Motto »Wir sind für alle da!« Viele Kontakte, die sich über Zeit hinweg entwickelt haben, bestehen bis heute – zum Teil seit 20 Jahren. Sicher kein schlechtes Zeichen.


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Der erste Jahrgang 1997/98 im Apollosaal der Staatsoper


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Alice Strรถver (Mitte), Georg Vierthaler und Matthias Glander (links) im Kreis der Orchesterakademie, 2007


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Orchestermanager Thomas KĂźchler mit Akademisten, 2005


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» DIE JUNGEN MUSIKERINNEN UND MUSIKER DER ORCHESTERAKADEMIE SIND EIN QUELL STETER FREUDE FÜR MICH! SIE BRINGEN NEUE ENERGIE INS ORCHESTER UND BEKOMMEN IHRERSEITS DIE CHANCE, AN DER SEITE DER ERFAHRENEN MITGLIEDER DER STAATSKAPELLE BERLIN WERTVOLLES WISSEN FÜR IHREN WEITEREN LEBENSWEG ZU ERWERBEN. IHRE ERFOLGE ERFÜLLEN MICH MIT STOLZ UND GLÜCK. « Daniel Barenboim Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden


» DIE GRÜNDUNG DER ORCHESTERAKADEMIE WAR ENDE DER 90ER JAHRE NEBEN DEM ABSCHLUSS EINES HAUSTARIFVERTRAGES EIN WICHTIGER SCHRITT, UM DIE POSITION DER STAATSKAPELLE BERLIN ALS INTERNATIONALES SPITZENORCHESTER ABZUSICHERN. ICH FREUE MICH, DASS UNSERE DAMALIGE INITIATIVE SO REICHE FRÜCHTE GETRAGEN HAT. « Georg Quander Intendant der Staatsoper Unter den Linden, 1991–2002

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» DIE ARBEIT FÜR DIE ORCHESTERAKADEMIE WAR IMMER EINE WILLKOMMENE ABWECHSLUNG UND BEREICHERUNG: NEUES AUSZUPROBIEREN, MITZUGESTALTEN – AUS DIESEM GRUND HABE ICH IN DEM VEREIN IMMER SEHR GERNE MITGEWIRKT. «

Georg Vierthaler Geschäftsführender Direktor der Staatsoper Unter den Linden, 1994–2008 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins der Orchesterakademie, 1997–2013



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»… DIE EXSPECTANZ EINER ANSTELLUNG BEI DER KONIGL. KAPELLE« ORC H E S T E R A K Z E S S I S T E N I N BE R L I N U M 1 8 5 0 T E X T VON

Ulrich Konrad

Die Frage, wie Orchester frei gewordene Positionen in ihren Reihen wiederbesetzen, lässt sich auf verschiedene Weise beantworten. Heutzutage ist es üblich, Stellen öffentlich auszuschreiben, ein Probespiel durchzuführen und dann die nach Ansicht der Jury bestgeeignete Musikerpersönlichkeit zu berufen. Alternativ zu diesem etablierten Modus herrschte in früheren Zeiten, vor allem in den Jahrhunderten höfischer Musikpflege, die Gepflogenheit, Musiker möglichst in ihren Jugendjahren in den Kreis von Orchestern zu ziehen, sie an ihren jeweiligen Instrumenten durch erfahrene Orchestermitglieder ausbilden zu lassen und sie, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot, gut geschult und mit den örtlichen Verhältnissen vertraut in die Reihen des Ensembles aufzunehmen. Namentlich die renommierten Kapellen größerer Höfe bedienten sich dieses probaten Ins-


truments der Nachwuchsakquisition. Probat darf es heißen, weil beide Seiten Vorteile daraus zogen. Der Hof gewann begabte und ehrgeizige Musiker, die bereit waren, oftmals über Jahre hinweg kostenlos in den Kapellen Dienst zu tun allein für die Aussicht, einstmals in eine Stellung eintreten zu können, die den Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern versprach. Eben diese Aussicht machte es für Musiker attraktiv, den langen und oft genug entbehrungsreichen Weg eines Akzessisten (oder Eleven) zu gehen, weil an dessen Ende eine soziale Absicherung stand, wie es sie sonst nirgends für Musiker gab. Auch in Berlin betrieb man diese Art der Nachwuchspflege. Zwar sind die dabei herrschenden Bedingungen und Vorgänge noch kaum erforscht, doch lassen sich für die Königliche Kapelle wenigstens Schlaglichter auf die gängige Praxis werfen. Als im Jahr 1848 die revolutionären Umtriebe im Land Berlin erfassten, versuchten der König und seine Minister die erregten Gemüter durch das Angebot von Teilhabe an möglichen Reformen zu beruhigen. So wurde auch die Musikerschaft dazu ermuntert, Gedanken zur Verbesserung des Musikwesens zu äußern. Eine Reihe von Publikationen bezeugt den glühenden Eifer einiger Musikschriftsteller und Führungspersönlichkeiten, die Chance auf Erneuerung zu nutzen. Besonders tat sich eine Gruppe hervor, der unter anderen der neuberufene Hofkapellmeister Otto Nicolai angehörte. Im September 1848 publizierte das Autorenkollektiv eine »Denkschrift des Tonkünstler-Vereines in Berlin über die Reorganisation des Musikwesens«. Sie bietet tiefe Einblicke in die Verhältnisse der großen Musikinstitutionen der Stadt, so auch der Königlichen Kapelle im allgemeinen, deren Nachwuchsgewinnung im besonderen. Es lohnt sich, den Ausführungen etwas länger zu folgen: »Das einzige grössere Lehrinstitut dieses Faches ist die Königl. Theater-Musikschule (Classe), vor etwa 23

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Jahren gestiftet, um die K. Kapelle zu ergänzen. Anfänglich nur für Violinspieler bestimmt, wurde sie später den Ausübenden sämmtlicher Orchesterinstrumente geöffnet zur Uebung für das Ensemblespiel, indem den Mitgliedern zugleich Berücksichtigung für eintretende Vacanzen in die Königl. Kapelle in Aussicht gestellt wurde. Wenn viele Mitglieder der Königl. Kapelle aus diesem Institute hervorgegangen sind, wenn die Kapelle einen durchaus begründeten, weitverbreiteten Ruf besitzt, so liesse sich daraus vielleicht auf die Vortrefflichkeit dieser Vorschule schliessen. Wer indess Gelegenheit gehabt hat, diese, die Königl. Musikschule, in ihrer Berufsthätigkeit zu beobachten, d. h. bei den Uebungsversammlungen, wird zu der Ueberzeugung gelangt sein, dass aus denselben, wie sie bestehen, kein Segen für die Kunst erwachsen kann. – Wenn man die einzelnen Mitglieder auf ’s Gewissen fragte, ob sie aus der Ueberzeugung, sich auszubilden, in die Königl. Musikschule eingetreten sind, sie würden um die Antwort verlegen sein. Der einzige Grund, der Jemand bewegen konnte, sich aufnehmen zu lassen, war die Exspectanz einer Anstellung bei der Königl. Kapelle. Nun sind die Mitglieder (die Accessisten) aber verpflichtet, sich zweimal wöchentlich zu versammeln, um gemeinschaftlich Instrumentalwerke auszuführen. Wenn man bedenkt, was bei der Anzahl der Accessisten während solcher zweistündiger Uebungszeit geleistet werden könnte, wenn man damit vergleicht, was geleistet wird – jeder Unbefangene wird durchaus unangenehm berührt werden von diesem Treiben, das, statt die Kunst zu fördern, sie den Kunstjüngern nur gleichgültig, wo nicht zuwider machen muss. Gewiss befinden und befanden sich unter den Accessisten bedeutende Kräfte, die aber entweder ihre Tüchtigkeit bei ihrem Eintritte schon mitbrachten, oder die durch Privatunterricht bei dem Vorsteher zu ihrer Ausbildung etwas thun konnten. Die sämmtlichen Instrumente können angemessen besetzt werden, jede einzelne Uebung könnte eine Aufführung sein zu Ehren der


Kunst und eine Erbauung der Mitwirkenden, die die Kunst nur übten um ihrer selbst willen, abgesehn davon, welche Gelegenheit jüngern Componisten dargeboten werden könnte, ihre Werke zu hören!« In revolutionärer Stimmung verfassten Schriften ist es eigen, dass sie auf Schattenseiten mit größerem Nachdruck hinweisen als auf helle Flächen. Man muss nicht leugnen, dass die von dem Geiger Carl Moeser 1825 ins Leben gerufene Nachwuchsschule der Hofkapelle nicht alle der auf sie gerichteten hochfliegenden Erwartungen zu erfüllen vermochte, um doch anerkennen zu können, dass sie als erste Einrichtung ihrer Art überhaupt in Berlin wichtige Anstöße für die Ausbildung junger Orchestermusiker gegeben hat und in die Zukunft wirkte. Bei den Überlegungen Felix Mendelssohn Bartholdys 1841 zur Einrichtung eines Konservatoriums spielte sie eine Rolle, und Joseph Joachim profitierte 1869 bei der Gründung der »Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst« davon. Wenn in der Denkschrift angemerkt wird, mit den Akzessisten könnte ein auf allen Positionen angemessen besetztes Orchester zusammentreten, dann sollte dies aufmerken lassen. Wie vieler solcher Orchesterschüler mag es gegeben haben? Auf diese Frage gibt ein bislang unpubliziertes Verzeichnis aller Kräfte der Kapelle willkommene Antwort, das der schon erwähnte Otto Nicolai wohl bei seinem Dienstantritt Ende 1847 angelegt hat. Daraus geht überraschenderweise hervor, dass den 52 ordentlichen Kapellmitgliedern nicht weniger als 54 Akzessisten gegenüberstanden. Zu den insgesamt 16 hauptamtlichen Violinspielern beispielsweise kamen 16 aus der Musikschule hinzu; die Gruppe der fünf regulären Flötisten (inklusive Piccolo) wurde durch drei Nachwuchsspieler ergänzt. Mehr noch: Für bestimmte Dienste rechnete Nicolai fest mit Akzessionisten, so bei der Schauspielmusik im Französischen Theater, wo sich unter den nur

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» BLU M E N- GA RT EN P O T SDA M ER

zehn Musikern des kleinen Ensembles fünf von ihnen beCONC ERT U N T ER L EI T U NG fanden, mithin die Hälfte ausDE S KÖN IGL IC H E N ACC E S SI S T EN machten. Einzelne der jungen H E R R N GL A S . I M 2 T EN T H EI L Künstler traten auch schon C-DU R-SI N F ON I E VON während ihrer Lehrzeit in der L .V. BE E T HOV E N. A N FA NG 5 U H R . Öffentlichkeit hervor. So verE I N T R I T T SPR EI S 5 S GR . anstaltete der Akzessionist A BON N E M E N T S-BI L L E T S 6 À Glas (2. Violine) von Mai bis 1 5 S GR . SI N D Z U J E DER TAGE SJuli 1848 elf OrchesterkonzerZ E I T I M HO T EL Z U H A BEN. te im Möves’schen Blumengar« ten an der Potsdamerstraße, Vossische Zeitung auf deren Programmen unter 9. Mai 1848, Nr. 107 anderem Symphonien Beethovens standen. Die Geschichte des Akzessistenwesens der Königlichen Hofkapelle bleibt noch zu schreiben. Schon ein erster Blick auf ein paar wenige Gegebenheiten und Ereignisse zeigt, welch aufschlussreiches Phänomen hier noch seiner Erhellung harrt. Dass diese Historie zugleich zur Vorgeschichte der heutigen Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin gehört, dürfte sehr wohl anzunehmen sein. S T R A S SE 1 31 . M I T T WO C H

DE N 10 T EN M A I 1T E S GRO S SE S


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Carl Moeser (1774–1851) Konzertmeister der Königlichen Kapelle und Gründer der »Akzessistenschule«


ALLTAG IN OPER, KONZERT UND AUF TOURNEE 28

DI E A K A DE M I S T E N I N M I T T E N DE R S TA AT S K A P E L L E BE R L I N

AU F DE N F OL GE N DE N S E I T E N Z U S E H E N vor dem Konzert Linden, 2017

Daniel Barenboim beim Konzert

einer Probenpause

Gemeinsames Einspielen

Große Chorsinfonik im neuen Konzertzimmer Unter den Mentor und Akademistin in

Acht Kontrabässe für Anton Bruckner

Carnegie Hall New York, 2017 tin vor der Vorstellung

Backstage in der

Der letzte Feinschliff: Mentor und Akademis-

Bühnenmusik im Schiller Theater, 2016

















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» I’D NEVER HAVE IMAGINED THAT 50+ STRING PLAYERS PLAYING IN UNISON COULD BE SO SHOCKINGLY QUIET. THERE WAS ALMOST NO SOUND AT ALL BUT THE MELODY SEEMED TO EMERGE MAGICALLY FROM THE ETHER. I REMEMBER BEING SHOCKED AND LOOKING AROUND AND REALIZING IT WAS JUST NORMAL FOR THE STAATSKAPELLE. «

Dashiel Nesbitt Viola, Akademist 2014–2016


» DIE AKADEMIE IST EINE GROSSE HERAUSFORDERUNG UND GLEICHZEITIG ERFRISCHEND FÜR DIE STAATSKAPELLE. UNSER GEFÜHL DER VERANTWORTUNG IN BEZUG AUF KÜNSTLERISCHE ANSPRÜCHE IST STÄNDIG PRÄSENT, ABER EBENSO WOLLEN WIR ALS VORBILD FÜR ORCHESTERGEIST UND KOLLEGIALE ATMOSPHÄRE FUNGIEREN. « Susanne Schergaut Violine, Staatskapelle Berlin

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» INNERHALB KÜRZESTER ZEIT INMITTEN EINES DER FÜHRENDEN ORCHESTER DER WELT DEM SINFONISCHEN SCHAFFEN BRUCKNERS VON ANFANG BIS ENDE NACHSPÜREN ZU DÜRFEN – EINFACH EINMALIG! «

Carolin Krüger Viola, Akademistin 2015–2017



»MUSIK IST EINFACH LEBENDIG!« 48 E I N GE SP R ÄC H M I T Z W E I M E N T OR E N U N D Z W E I A K A DE M I S T I N N E N


Krzysztof, noch vor sieben Jahren warst du selbst Akademist, jetzt bist du seit fünf Jahren festes Mitglied in der Staatskapelle und zum ersten Mal Mentor. Wie kam es dazu? K R Z Y S Z T O F S P E C JA L Eigentlich habe ich das spontan beim Probespiel entschieden: Ich habe Magdalena gehört und dachte, das kann passen, ich wollte es einfach ausprobieren. Nach eineinhalb Jahren kann ich sagen, dass es eine super Idee war – zumindest für mich … (lacht) M AGDA L E NA H E I N Z Für mich aber auch! Es war ein phantastisches Gefühl, das Probespiel gewonnen zu haben; als Krzysztof auf mich zugekommen ist, war ich noch überraschter, weil er mich auf Polnisch angesprochen hat. Im Unterricht sprechen wir auch oft Polnisch, das ist Luxus, es gibt keine sprachliche Barriere.

Stimmt, es ist toll, in seiner Muttersprache miteinander sprechen zu können. Manchmal drücke ich mich musikalisch aber auch gerne auf Deutsch aus, weil ich ja hier ausgebildet wurde. Im Unterricht wechseln wir oft zwischen Deutsch und Polnisch. K R Z Y S Z T OF SP E C JA L

Wie bist du an die neue Aufgabe als Mentor herangegangen? K R Z Y S Z T OF SP E C JA L Ich habe versucht, viel von meinem Mentor zu übernehmen. Das war damals mein heutiger Kollege Mathis Fischer, der sehr viel Erfahrung mit der Ausbildung der Akademisten hat. Die Art der Vorbereitung, gerade mit Leuten, die noch nicht so viel Erfahrung haben – diese spezielle Herangehensweise habe ich von ihm gelernt. Und so bin ich mit Magdalena auch an die Sache herangegangen.

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M AGDA L E NA H E I N Z Ja, ich hatte nie vorher Oper gespielt, so dass mir diese Vorbereitung mit Krzysztof viel Sicherheit gegeben hat.

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K R Z YSZ T OF SPE C JA L Zu Beginn sind wir vor allem das Repertoire durchgegangen; jetzt arbeiten wir sehr intensiv an dem Probespielprogramm, damit es nach der Akademie weitergeht.

Was war denn dein erster Dienst in der Staatskapelle, Magdalena? M AGDA L E NA H E I NZ Meine erste Oper war »Tosca«, das war für mich komplett neu. Man muss sehr fokussiert zuhören, darauf achten, was der Dirigent und was die Sänger machen. Das ist eine große Herausforderung.

… und deiner, Isabelle? I S A BE L L E M Ü L L E R Mein erster Dienst war das Brahms-Requiem mit Daniel Barenboim – die Klanggewalt des Orchesters und des Chors hat mich einfach nur umgehauen. Darüber hinaus dann noch in der frisch renovierten Oper zu spielen war schon ein absolutes Highlight. Mein zweiter Dienst war das Ballett »Giselle« mit einer Probe vormittags und dann abends direkt die Vorstellung – da war ich schon sehr nervös, weil nur eine Harfe besetzt ist. Aber je aufgeregter ich vorher bin, desto besser läuft es oft, weil ich dann auf einem anderen Konzentrationslevel bin.

Stephen, zu entscheiden, wann der Akademist so einen Dienst alleine bewältigen kann, ist bestimmt auch nicht leicht, oder?


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Akademie-Tandem: Magdalena Heinz und Krzysztof Specjal, 2018


S T E P H E N F I T Z PAT R IC K Ja, das hat etwas mit Vertrauen und Verantwortung zu tun. Manchmal ist das aufregender als selbst zu spielen. Aber es nützt nichts, als Harfe muss man solistisch spielen. Daher ist es besser, die Akademisten auch schon in der Probe diese Erfahrung machen zu lassen und nicht daneben zu sitzen. 52

Isabelle, als Harfenistin hast du gleich zwei Mentoren, du arbeitest mit Stephen und dessen Kollegin Alexandra Clemenz. Wie genau sieht eure Zusammenarbeit aus? I S A B E L L E M Ü L L E R Teilweise erarbeite ich die Stücke mit beiden, teilweise nur mit einem von beiden. Grundsätzlich ist es sehr bereichernd, von beiden zu lernen; jeder hat seine eigene Art zu spielen. Besonders profitiere ich aber auch, wenn ich im Orchester neben den beiden sitze und höre, wie sie spielen. Dadurch lerne ich die Art, im Orchester zu reagieren, flexibel zu sein und bekomme immer wieder neue klangliche und musikalische Ideen.

Wie ist es für dich, Stephen, mit den jungen Musikern zusammenzuarbeiten? S T E P H E N F I T Z PAT R IC K Ich finde es sehr schön, dass alle Akademisten so unterschiedlich sind und ich mit ihnen individuell arbeiten kann. Auch, wenn es nachher darum geht, Stellen zu bekommen.

Was ja gerade für Harfen schwierig ist, da die Zahl an Orchesterpositionen so begrenzt ist.


S T E P H E N F I T Z PAT R IC K Klar, für uns ist das sehr schwierig, aber unsere ehemaligen Akademisten sind gut im Geschäft. Mit den Erfahrungen, die sie aus der Akademiezeit mitnehmen, haben sie gute Chancen!

Magdalena, deine Zeit in der Akademie endet im Sommer. Wo würdest du in Zukunft gerne spielen? Sehr gerne würde ich eine Stelle in einem Orchester wie der Staatskapelle bekommen, um weiterhin beides zu spielen, Opern und Konzerte. Beides ist so unterschiedlich: Eine Oper dauert manchmal furchtbar lange (lacht) und die Musik ist ein Bestandteil von vielen – Bühne, Sänger, Schauspiel, Choreographie, Kostüme – da passiert so viel auf der Bühne und wir Musiker spielen im Orchestergraben. Dadurch schaffen wir ein Ganzes. Bei Sinfoniekonzerten hingegen steht die Musik im Mittelpunkt, das ist auch toll! Wenn ich weiterhin beides machen könnte, und dann noch auf diesem Niveau, das wäre phantastisch! M AGDA L E N A H E I N Z

Auf welche bevorstehenden Programme freut ihr euch am meisten? M AGDA L E NA H E I N Z Mein nächstes Highlight ist auf jeden Fall das Gastspiel in Argentinien, noch dazu mit »Tristan und Isolde«, darauf freue ich mich besonders! I SA BE L L E M Ü L L E R Ich freue mich vor allem auf das Prokofjew-Ballett »Romeo und Julia« und natürlich auf das Gastspiel nach Wien. Was ich aber auch sehr spannend finde, ist die nächste kammermusikalische Zusammenarbeit mit der Sängerin Sarah Aristidou aus dem Opernstudio und das Jubiläumskonzert mit Daniel Barenboim.

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Akademistin und Mentor: Isabelle MĂźller und Stephen Fitzpatrick, 2018


Und wie geht es euch nach euren fünf bzw. 20 Dienstjahren? Wird es da manchmal langweilig? K R Z YSZ T OF SPE C JA L Auch nach fünf Jahren wird es nie langweilig. Man fühlt sich im Repertoire zwar langsam wie Zuhause, aber es gibt immer wieder neue Erfahrungen! S T E PH E N F I T Z PAT R IC K Und nach 20 Jahren wird man auch immer wieder überrascht, jetzt z. B. mit Debussys »Le Martyre de Saint Sébastien«, das ich vorher noch nie gespielt hatte. M AGDA L E NA H E I N Z Auch wenn ich da noch nicht mitreden kann, glaube ich auch, dass es in der Musik keine Routine gibt. Jede Aufführung, jedes Konzert ist einmalig. Wenn ich ein Stück zum ersten Mal spiele, bin ich aufgeregt oder vielleicht auch angespannt. Jede Wiederholung bringt mir das Stück näher, aber es wird nie langweilig, man lernt es nur immer besser kennen und findet immer wieder neue musikalische Gedanken. Musik ist einfach lebendig!

Ich glaube, da können wir alle zustimmen! Vielen Dank für eure Zeit und eure Antworten! Das Gespräch führte Katharina Wichate.

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K A M M ER M USI K I N DE R S TA AT S OP E R U N D DA RÜ BE R H I NAU S

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AU F DE N F OL GE N DE N S E I T E N Z U S E H E N

Vor dem Auftritt im

Apollosaal: Akademisten im Foyer der Staatsoper die Orchesterakademie im Schiller Theater, 2015 Gläsernen Foyer des Schiller Theaters, 2016 Bode-Museum, 2011

Zubin Mehta dirigiert Rachmaninow-Sonate im

Trompete und Streicher im

Auftritt im Roten Rathaus, 2013

in der Staatsoper, 2018

Mendelssohn-Oktett

Im Sauriersaal des Museums für Naturkunde, 2015

Mecklenburgische Bläserakademie, Kooperationsprojekt mit der hmt Rostock im Kammermusiksaal der Elbphilharmonie, 2017 Kirche in Eberswalde, 2014 Apollosaal, 2018

In der Peter-und-Paul-

Beim Jubiläumskonzert des Opernstudios im



















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» WORKING WITH THE YOUNG MUSICIANS OF THE AKADEMIE WAS A VERY MEMORABLE AND IMPORTANT MOMENT IN MY MUSICAL LIFE. THIS CONCERT WAS MY FIRST STEP IN ESTABLISHING A RELATIONSHIP WITH THE STAATSKAPELLE BERLIN AND I WILL ALWAYS BE GRATEFUL FOR THE ENERGY AND DEVOTION OF THE MUSICIANS WHICH MADE THIS PERFORMANCE UNFORGETTABLE FOR ME. « Lahav Shani Gastdirigent der Staatskapelle Berlin



MUSIKVERMITTLUNG J U NGE M U S I K E R SP I E L E N F Ü R J U NGE HÖR E R 76

AU F DE N F OL GE N DE N S E I T E N Z U S E H E N Instrumentenvorstellung in der Werkstatt des Schiller Theaters, 2017 Zur Eröffnung der Musiktheaterakademie für Kinder mit Daniel Barenboim, 2010 saal für die Drei- bis Fünfjährigen, 2017

Kinderkonzert im Apollo-







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HINTER DEN KULISSEN, ABER IMMER MIT DABEI E I N GE SP R ÄC H M I T DE N ORG A N I SAT OR E N A L E X A N DR A U H L IG , K AT H A R I NA W IC H AT E UND U WE TIMPTNER


Was bedeutet euch/Ihnen die Orchesterakademie? Zunächst einmal: viel Arbeit. Nachdem es in den ersten Jahren verhältnismäßig ruhig zuging, sind die Aufgaben beständig größer und anspruchsvoller geworden. Quantitativ wie qualitativ hat sich durch die Aufstockung von ursprünglich 17 auf 29 Stellen und durch die Ausweitung der Konzerttätigkeit viel getan. Mehr als zehn Jahre immerhin haben wir vom Orchesterbüro und -management die Akademie organisatorisch betreut, quasi »nebenbei«. U WE TIMPTNER

A L E X A N DR A U H L IG Als ich 2008 die Organisation übernommen habe, war das für mich der Einstieg in den Opern- und Kulturbetrieb. Viele Erfahrungen, fast nur gute, habe ich durch diese Arbeit gewinnen können. Und durch die parallele Tätigkeit im Orchesterbüro und bei der Orchesterakademie gab es bald eine positive Routine in den Abläufen, wobei der Umgang mit den Akademisten dann doch häufig etwas anders gelagert ist. K AT H A R I N A W IC H AT E Für mich als Musikerin war die Übernahme der organisatorischen Leitung 2016 eine Chance, meine Fähigkeiten im Bereich Kulturmanagement weiterzuentwickeln und in dem Komplex Oper mitwirken zu können. Die Orchesterakademie ist eine kleine Welt für sich, die Arbeitsbereiche sind dadurch unglaublich vielseitig und gleichzeitig lernt man die Staatsoper und ihre Abläufe kennen, alles ist eng miteinander verknüpft – das ist immer wieder eine Herausforderung und jeden Tag aufs Neue sehr spannend.

Worin bestehen denn die konkreten Aufgaben im organisatorischen Bereich? U W E T I M P T N E R Am Anfang waren das elementare Dinge wie Buchhaltung und Diensteinteilungen, aber

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auch das Bereitstellen von Stühlen und Notenpulten gehörte dazu. Dann aber wurde es immer professioneller, vor allem im Blick auf die Kommunikation nach innen wie nach außen.

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A L E X A N DR A U H L IG Ja, das ist richtig. Viel Koordinationsarbeit war und ist da zu leisten. Probespiele müssen organisiert werden, immerhin kommen zwischen 50 und 150 Bewerbungen pro Stelle bei uns an. Datenpflege muss betrieben werden – und im täglichen Umgang mit den Akademisten gilt es auch die eine oder andere Hürde zu meistern. K AT H A R I NA W IC H AT E Dankenswerterweise konnte ich schon auf Vieles zurückgreifen, was meine Vorgänger an Strukturen geschaffen haben. Die Verwaltungsarbeit ist ja zum Glück weitgehend digitalisiert, was in den ersten Jahren der Akademie noch überhaupt nicht der Fall war. Viele Vorgänge laufen beinahe automatisch, so dass ich mich verstärkt auf die inhaltlich-programmatische Arbeit konzentrieren kann.

Welche Herausforderungen gibt es bei den eigenständigen Projekten der Orchesterakademie? A L E X A N DR A U H L IG Als ich anfing, wurde mir rasch klar, dass die Orchesterakademie ein eigenes »Gesicht« braucht, um sie nicht nur als Anhängsel der Staatskapelle, sondern auch als eigenständige Institution zu begreifen. Deshalb haben wir unsere Konzerttätigkeit ausgeweitet und neue Spielorte erschlossen. Organisatorisch war das natürlich nicht so ganz einfach. Auch da galt es, immer und immer wieder im Gespräch zu sein. K AT H A R I NA W IC H AT E Im Grunde sind wir ständig dabei, die Ausbildungsinhalte und die Konzertveranstaltungen, die wir selbst in der Hand haben, zu überdenken. Wo


und was wollen wir spielen? Welche Akademisten können welche Projekte übernehmen, was haben sie für Wünsche? Wie können die für den Berufsweg der jungen Musikerinnen und Musiker wichtigen Dinge wie Probespielvorbereitung, Mentaltraining und »Selbstvermarktung« über die Neuen Medien gewinnbringend integriert werden? All das sind Fragen, die uns täglich beschäftigen. Wie gestaltet sich denn das Verhältnis zu den Akademisten? U W E T I M P T N E R Für die Akademisten waren und sind wir ja die direkten Ansprechpartner. Damit alles bestens funktioniert, ist natürlich ein hohes Maß an Disziplin vonnöten. Da keine strikte Trennung zwischen der Akademie und dem »großen Orchester« besteht, haben wir eigentlich auch nie einen Unterschied gemacht: Die Akademisten behandele ich jedenfalls genauso wie die Staatskapellenmusiker, auch im Sinne solcher Werte wie Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Respekt und Höflichkeit, die zu einem guten Miteinander gehören.

Wichtig ist, dass die jungen Musikerinnen und Musiker eine positive Einstellung zum Leistungsdenken entwickeln, das innerhalb der Orchesterakademie herrscht. Die Akademisten wachsen durch ihr gemeinsames Spiel zusammen, ein Gemeinschaftsgefühl kann entstehen. Das spüren wir natürlich auch, auch wenn wir ein professionelles Verhältnis zu den Einzelnen pflegen. A L E X A N DR A U H L IG

Was sind die Wünsche für die nächsten 20 Jahre der Orchesterakademie? K AT H A R I N A W IC H AT E Dass es uns gelingt, die Ausbildungsfunktion, die den Kern ausmacht, weiter zu

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stärken. Auch hinter den Kulissen, von der organisatorischen Ebene aus, können wir da unseren Beitrag leisten.

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U W E T I M P T N E R Mir ist es wichtig, dass die Fundamente, die wir vor 20 Jahren gelegt haben, sich als dauerhaft erweisen. Innerhalb dieser Zeit ist ja sehr viel passiert: Eine eigene Organisationsstelle ist eingerichtet worden, die Finanzausstattung hat sich verbessert, die Auftrittsmöglichkeiten ebenfalls. Die Akademie als »Orchester im Orchester« soll sich weiter entwickeln können. A L E X A N DR A U H L IG In der Orchesterakademie repräsentiert sich ja die Staatskapelle im Grunde selbst. Dadurch, dass die Akademisten intensiv und selbstverständlich in den Alltag des Orchesters mit Proben, Vorstellungen und Gastspielreisen eingebunden sind, ist die Akademie unmittelbarer Bestandteil der Staatsoper und der Staatskapelle. Und das soll in Zukunft auch so bleiben, über alle eigenständigen Projekte hinaus. K AT H A R I NA W IC H AT E Und ich hoffe natürlich auf viele weitere erfolgreiche Konzerte mit begeisterten Besuchern und auch darauf, dass der Orchesterakademie weiterhin viel Interesse entgegengebracht wird.

Das Gespräch führte Detlef Giese.


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Die Organisatoren von einst und heute: Uwe Timptner, Alexandra Uhlig, Renate Kändler, Katharina Wichate, Thomas Kßchler (von links nach rechts), 2018


MENTALE STÄRKE MACHT DEN UNTERSCHIED 88

M U S I K E R P S YC HOL O GI E BE I DE R ORC H E S T E R A K A DE M I E T E X T VON

Magdalena Zabanoff

Professionelle Musiker sind mit einer Vielzahl von Anforderungen konfrontiert, die ein breites Spektrum an Fähigkeiten verlangen. Interessanterweise existiert jedoch bis heute keine anwendungsorientierte Fachdisziplin, die den Künstler in der Bewältigung dieser vielschichtigen Aufgaben unterstützt und ein entsprechendes Beratungs- und Betreuungsangebot bereithält. Ganz anders verhält es sich im Sport: Dort ist die Rolle und Bedeutung von Sportpsychologen und Mentaltrainern seit vielen Jahren anerkannt und akzeptiert, die Sportpsychologie eine sich rege entwickelnde Fachdisziplin. Im Bereich der Musik entsteht erst seit kurzem ein Bewusstsein darüber, dass auch professionelle Musiker besonderen psychischen und mentalen Anforderungen ausgesetzt sind. Sportler und Musiker stehen in vielerlei Hinsicht ähnlichen Herausforderungen gegenüber: Ihr Berufsfeld ist öffentlich und verlangt regelmäßig Höchstleistungen. Zum Beispiel sollen feinste motorische Bewegungsabläufe auf den Punkt zur Verfügung stehen und in Situationen mit erhöhtem Stresspotential optimal ablaufen. Neben diesen Gemeinsamkeiten existieren jedoch auch wesentliche Unterschiede, die es sinnvoll und notwen-


dig erscheinen lassen, eine spezifisch auf Musiker und Künstler zugeschnittene, anwendungsorientierte Fachdisziplin zu entwickeln. Was aber ist Musikerpsychologie? Die Musikerpsychologie stellt den ausübenden Musiker, Musikpädagogen oder in der Musikwelt Tätigen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Sie versteht sich als eine anwendungsorientierte wissenschaftliche Disziplin, deren Aufgabe es ist, menschliches Verhalten, Handeln und Erleben im Praxisfeld 89 Musik zu erfassen und hat die psychischen Funktionen und Eigenschaften des musizierenden Menschen – d. h. nicht nur äußerlich beobachtbares Verhalten, sondern auch inneres Erleben – zum Gegenstand. Im Fokus stehen sowohl ausübende Interpreten wie Vokal- und Instrumentalsolisten, Dirigenten, Orchestermusiker und Chorsänger als auch Komponisten, Musikpädagogen und musikalisch Tätige mit den spezifischen Herausforderungen ihres jeweiligen Berufsfeldes. Die Musikerpsychologie bietet eine für Musiker geeignete, die Besonderheiten des Musikerberufs berücksichtigende, psychologische Betreuung und Beratung an. » Musikerpsychologie hat nichts M USI K I S T HO C H L E I S T U NG Smit einem »psychischen De- SP ORT, W I R BE F I N DE N U NS S TÄ N DIG fekt« zu tun, sondern unterI M T R A I N I NG, M ÜS SE N I M M E R stützt und erleichtert die BeBE S T L E I S T U NG A BL I EF ER N U N D wältigung der Anforderungen, SI N D KÖR PE R L IC H U N D die ein »Hochleistungsberuf« M EN TA L ÄUS SER S T GEF OR DERT. stellt. Bei dem Umgang mit DI E A R BE I T M I T M AGDA L E NA diesen Anforderungen macht Z A BA NOF F H I L F T M I R SE H R , mentale Stärke jedoch oft den U N BE W US S T E DE N K M US T E R U N D Unterschied! GL AU BE NS SÄT Z E , DI E M I R Dennoch geht es I M W E G S T E H EN, Z U E R K EN N E N, nicht um die Verstärkung eines DA M I T U M Z UGE H E N U N D – in dieser Zeit im Unmaß vorSI E Z U L Ö SE N. SI E BE R E I T E T M IC H handenen – Leistungsdenkens, GA NZ GEZ I E LT AU F PROBE SPI E L E Erfolgsdruckes und OptimieU N D A N DE R E S T R E S SSI T UAT ION E N U N D DE N R IC H T IGE N U MGA NG DA M I T VOR .

«


» E I N PROBL EM Z UZ UGEBEN, Z U

rungswahnes. Vielmehr soll dem künstlerischen Schaffen I S T F Ü R U NS M USI K ER DER wieder der Raum gegeben werE R S T E SC H R I T T. W E N N M A N I N den, den es dringend braucht, SE I N EN GEDA N K EN U N D um die ihm innewohnende – M US T E R N EI N S T ÜC K W EI T gesellschaftlich hochrelevante GE FA NGEN I S T, S O K A N N DI E – emotionale TransformationsM USI K E R P S YC HOL O GI E M I T T EI L S fähigkeit und visionäre Kraft V E R BLÜ F F EN D EI N FAC H EN zu entfalten. Es mag paradox M I T T E L N H EL F EN, Ä NG S T E U N D klingen: Gerade weil es um Z W E I F EL AU F Z U L Ö SEN. Höchstleistung geht, ist die « Musikerpsychologie nicht einseitig auf den reinen Leistungsaspekt ausgerichtet. »Meisterschaft« wird daher nicht im Sinne eines »Höher, Schneller, Weiter« verstanden, sondern als vollkommener Ausdruck eines zutiefst selbstverbundenen Wollens, ja Müssens, als Ausdruck des ganz eigenen künstlerischen Kosmos einer jeden Musikerin, eines jeden Musikers. »Leistung« stellt sich hier selbstorganisierend ein durch im wahrsten Sinne des Wortes »eigensinniges« Wahrnehmen, Erkunden, Verarbeiten und Transformieren äußerer und innerer Erlebniswelten. Diese können sich schließlich im beseelten künstlerischen Ausdruck offenbaren. An der Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin wird die musikalisch-künstlerische Ausbildung durch eine musikerpsychologische Betreuung harmonisch ergänzt und damit dem erstklassigen Niveau der Ausbildung auch in diesem Bereich gerecht. BE N EN N EN U N D N IC H T

EI N FAC H BEI SEI T E Z U S C H I EBEN

Wie wird die musikerpsychologische Betreuung nun konkret umgesetzt? Derzeit stehen zwei voneinander unabhängige Formate zur Verfügung: Zum Einen erhalten die Akademisten regelmäßig Einzelstunden, die auch zeitlich flexibel und nach Bedarf in Anspruch genommen werden können. Zum Anderen wird Probespieltraining in sehr klei-


nen Gruppen angeboten. Hier haben die Akademisten die Möglichkeit, sich ohne Druck auf Vor- oder Probespielsituationen vorzubereiten, ihre Fragen und Anliegen zu klären und ein gutes Bühnengefühl mit einer für sie stimmigen Bühnenpräsenz zu entwickeln. Die Einzelstunden setzen sich inhaltlich aus Psychologischem Training und Psychologischem Coaching zusammen. Das Psychologische Training beschäf» tigt sich mit konkreten musiDU RC H DA S M E N TA LT R A I N I NG kalisch-technischen FragestelH A BE IC H GE L E R N T, M IC H lungen und auch künstlerischen I N S T R E S S SI T UAT ION E N W I E Z U M Gesichtspunkten. BeispielsBE I SPI E L PROBE SPI E L E weise könnte hier die psychoH I N EI NZ U V E R SE T Z EN, motorische Vorbereitung eines MÖ GL IC H E SZ E NA R I E N DU RC H Z Ubestimmten Bewegungsablaufs GE H E N U N D M I R E I N E A RT in einer technisch anspruchsSIC H E R E N AU F T R I T T SR AU M Z U vollen Passage, die Entwicklung K R E I E R E N. DA DU RC H W I R D eines »inneren Films« zur KonM I R DI E A NG S T VOR MÖ GL IC H E N zert- oder ProbespielvorbereiÜ BER R A SC H U NGEN GENOM M EN, tung oder der Aufbau eines U N D IC H K A N N M IC H GA NZ authentischen Bühnen-Ichs AU F M E I N SPI EL KONZ EN T R I E R EN. Thema einer Stunde sein. GE R A DE WÄ H R E N D DE R Beim Psychologischen Coaching dagegen stehen eher persönliche Fragestellungen und eine Entwicklung der künstlerischen Gesamtpersönlichkeit im Vordergrund. Hier kann Klärungsbedarf auch in persönlichen Bereichen angemeldet werden. Es zeigt sich immer wieder, dass Ungelöstes in eher privaten, vom Berufsalltag scheinbar so fern liegen-

A K A DE M I EZ E I T S T E L LT M A N SIC H V I E L E F R AGE N. WA S I S T M I R W IC H T IG, WA S MÖ C H T E IC H ER R EIC H E N, WA S SI N D M E I N E Z I EL E US W. GA NZ W IC H T IG F Ü R M IC H PE R S ÖN L IC H WA R E S Z U L ER N E N, M I T DE M E IGEN EN PER F E K T ION I SM US U M Z UGEH EN. AUC H AUS GE F Ü H LT N E GAT I V E N AU F T R I T T E N L A S SE N SIC H P O SI T I V E S C H LÜS SE Z I E H E N. I N E TA PPE N Z U A R BEI T E N, A NS TAT T GL E IC H DA S E N DZ I E L A NZ US T EU E R N I S T N U R E I N BEI SPI EL DA F Ü R .

«


» NAC H DE M IC H EI N EN A K A DEM I S T EN L Ä NGER N IC H T GE SEH EN U N D GE HÖRT H AT T E , SPI ELT E ER NAC H DE N F ER I EN SO BE F R E I T AU F, DA S S M EI N E ER S T E F R AGE WA R: WA S H A S T DU GE M AC H T ? E R A N T WORT E T E , DA S S E R I M PER SÖN L IC H EN U N D I NS T RU M EN T EN BEZ O GEN EN BE R E IC H M USI K ER P S YC HOL O GI S C H

den Lebensbereichen immense Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit hat. Privates und Berufliches sind keine voneinander unabhängigen Größen, sondern beeinflussen sich natürlicherweise gegenseitig.

Generell dient die musikerpsychologische BetreuAU F T R E T EN H ÄT T E ICH N ICH T F Ü R ung also einer Unterstützung MÖ GL IC H GEH A LT EN. der Weiterentwicklung sowohl « konkreter musikalisch-technischer Fähigkeiten, als auch einer künstlerischen (und privaten) Gesamtpersönlichkeit, sodass die jungen Musikerinnen und Musiker bestmöglich für die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben ihres Berufslebens ausgestattet sind. BE T R EU T W U R DE . SEI N E

WA N DLU NG I M SPI EL U N D


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Magdalena Zabanoff zusammen mit einer Akademistin beim Probespieltraining im Orchesterprobesaal, 2018



KARRIEREWEGE


KARRIEREWEGE UND PERSPEKTIVEN 96

DE R W E G I N DI E S TA AT S K A P E L L E U N D A N DE R S WOH I N T E X T VON

Katharina Wichate

20 Jahre Orchesterakademie, 268 Absolventinnen und Absolventen, davon 189 mit Festanstellung in Orchestern weltweit, davon 30 in der Staatskapelle Berlin – Zahlen, die für sich sprechen. Das Ausbildungsformat der Orchesterakademie hat bisher dazu beigetragen, dass für viele junge Musikerinnen und Musiker der Traum einer Festanstellung im Orchester in Erfüllung gegangen ist. Um eine solche Stelle zu gewinnen, bedarf es viel Überzeugungskraft innerhalb weniger kurzer Momente in einem Probespiel: technische Souveränität, musikalische Versiertheit, individuelle Klanggebung und nicht zuletzt künstlerische Persönlichkeit. All diese Eigenschaften müssen nach erfolgreichem Probespiel üblicherweise ein Jahr lang, im sogenannten Probejahr, unter Beweis gestellt werden. Um sich in ein Orchester einzufügen, bedarf es aber nicht nur genialer Talente, sondern auch des Gespürs, sich in dem sozialen Gefüge einzufinden. Auch die Akademisten, am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn, müssen diese Erfahrung machen. Nicht selten kreisen die Gedanken eines jungen Musikers in den ersten Wochen in einem professionellen Orchester wie der Staatskapelle Berlin um zu-


nächst banal erscheinende Fragen, ums Siezen und Duzen und darum, den richtigen Umgangston zu finden. Dazu kommen viele organisatorische Fragestellungen im Alltag – wie ist ein Dienstplan, die Diensteinteilung zu verstehen? Manchmal muss sogar die deutsche Sprache neu erlernt werden. Kurzum, die Ausbildung in der Orchesterakademie umfasst nicht nur Unterricht, Probespieltraining und das Kennenlernen von unterschiedlicher Orchesterliteratur, sondern auch das Erlernen der Spielregeln in der Welt der Profiorchester. Darüber hinaus geben diese zwei Jahre Selbstbewusstsein; die erste Hürde ist genommen und auch von außen werden die Absolventen als interessante Kandidaten wahrgenommen. Der gute Ruf der Staatskapelle lässt andere Orchester aufhorchen und verhilft nicht selten zu Einladungen zu Probespielen, manchmal direkt ins Hauptprobespiel – auch dies bereits eine Auszeichnung. An allererster Stelle steht aber natürlich der musikalische Aspekt: zu erfahren, wie hochprofessionell ein Orchestermusiker agiert, wie jeder Einzelne, egal an welchem Pult oder welchen Alters, engagiert und fokussiert sein Instrument spielt. Mit welcher 268 EH EM A L IGE Hingabe musiziert wird, das prägt jeden Akademisten und 75 Violinen wird immer im Bewusstsein 27 Bratschen bleiben. 28 Violoncelli Für einige Absol22 Kontrabässe venten führt der Weg gerad14 Flöten linig in die Staatskapelle, für 13 Oboen viele in andere Opernorchester, 11 Klarinetten natürlich aber auch in Sinfonie11 Fagotte oder Rundfunkorchester. 16 Hörner Manch einer wird sich sogar 14 Trompeten bewusst für eine Stelle in einem 9 Posaunen 4

Tuben

13

Schlagzeug

11

Harfen

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Festanstellung 71 %

Zeitvertrag 6 % Freiberuflich  11 % Anderes 1 %

Keine Angabe 11 %

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30 ehemalige Akademistinnen und Akademisten sind heute Mitglieder der Staatskapelle Berlin

Verbleibstudie


Sinfonieorchester entschieden haben. Dienstpläne, Repertoire und Alltag sind hier anders – und auch das ist ein Aspekt der Orchesterakademie: zu erkennen, welcher Berufsalltag den eigenen Vorstellungen entsprechen kann. Sich zu fragen: Möchte ich auf der Bühne statt im Graben spielen? Bevorzuge ich die größere Planbarkeit eines Sinfonieorchesters? Will ich doch lieber die Spontaneität in der Oper, die im Zusammenspiel mit Sängern und Bühne viel Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen erfordert? Für die jungen Musikerinnen und Musiker ist es wichtig herauszufinden, was für sie persönlich entscheidend ist und wohin sie wollen. Es geht schließlich nicht nur um eine Festanstellung, sondern darum, ein Orchester zu finden, das zu ihnen passt oder um die Entscheidung für eine freiberufliche Laufbahn, das Unterrichten oder etwas anderes. Ziel der Orchesterakademie ist es, die Persönlichkeit der jungen Musiker weiterzuentwickeln und sie herausfinden zu lassen, worum es ihnen in der Musik tatsächlich geht. Auch Daniel Barenboim und die Musikerinnen und Musiker der Staatskapelle Berlin begeben sich in all ihren Proben, Konzerten und Vorstellungen immer wieder auf diese Suche – mit einer Intensität und einem Sog, dem sich niemand entziehen kann. Genau hierin bemisst sich der Erfolg der Orchesterakademie: nicht etwa in Zahlen oder gewonnenen Stellen, sondern in der Leidenschaft für die Musik, die die Akademisten, wohin auch immer ihr Weg sie führt, weiterhin begleiten wird.

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» DIE AKADEMIE WAR FÜR MICH GENAU DAS, WAS SIE SEIN SOLL: EIN SPRUNGBRETT ZU EINER FESTEN STELLE ALS ORCHESTERMUSIKER. ICH KONNTE REICHLICH ERFAHRUNGEN SAMMELN, WURDE IMMER ZUR RICHTIGEN ZEIT BERATEN, GEFÖRDERT UND GEFORDERT. «

Ulrich Zeller Kontrabass, Akademist 2011–2013


» A LOT OF WHAT I LEARNED IN THE ACADEMY HAS HELPED ME MUSICALLY. I AM FAMILIAR WITH STANDARD OPERA LITERATURE AND I FEEL COMFORTABLE SITTING IN DIFFERENT ORCHESTRAS – PARAMOUNT AS A FREELANCE TUBA PLAYER. AS A TEACHER I FEEL I HAVE MUCH MORE TO OFFER MY STUDENTS, HAVING LEARNED FROM OBSERVING SOME OF THE BEST ORCHESTRAL PLAYERS. « Elliot Dushman Tuba, Akademist 2012–2014

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» DIE POSITIVEN ERGEBNISSE, DIE DIE ORCHESTERAKADEMIE UNTER DER LEITUNG VON DANIEL BARENBOIM VORWEISEN KANN, VERDIENT HÖCHSTEN RESPEKT. ICH ZIEHE MEINEN HUT VOR ALL DEN ENGAGIERTEN KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN, DIE SO VIELE JUNGE MUSIKER AUF IHRE BERUFLICHE ZUKUNFT VORBEREITEN. ICH WÜNSCHE ALLEN ABSOLVENTEN, DASS SIE AUF DIESER WUNDERBAREN BASIS AUFBAUEN KÖNNEN. « Zubin Mehta

Ehrendirigent der Staatskapelle Berlin



DANKSAGUNG 104

Wir danken sehr herzlich folgenden Personen und Institutionen, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, die vergangenen 20 Jahre Orchesterakademie und die vorliegende Publikation zu gestalten. Ein besonderer Dank gilt dabei unseren langjährigen Unterstützern, der Britta Lohan Gedächtnisstiftung (Magda und Helmuth Lohan) sowie dem Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden, mit deren Hilfe das Festkonzert am 1. Juli 2018 stattfindet und diese Jubiläumsschrift realisiert werden konnte. Vielen Dank allen denjenigen, die zum Inhalt und zur Gestaltung der vorliegenden Publikation beigetragen haben. Insbesondere Magdalena Zabanoff und Prof. Dr. Ulrich Konrad für ihre Gastbeiträge, Robert Seidel für die künstlerische Gestaltung des Titels und der Folgebilder, unseren Fotografinnen und Fotografen sowie allen Gesprächspartnerinnen und -partnern. In erster Linie bedanken wir uns desgleichen bei den Initiatoren der Orchesterakademie, die 1997 die Institution ins Leben gerufen haben: dem Generalmusikdirektor Daniel Barenboim, dem damaligen Intendanten Georg Quander und dem damaligen Geschäftsführenden Direktor Georg Vierthaler sowie den Mitgliedern des Orchester- und Akademievorstandes.


Für ihren unermüdlichen ehrenamtlichen Einsatz im Verein der Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin danken wir allen voran Alice Ströver und Ronny Unganz, der Vorstandsvorsitzenden und dem Geschäftsführer des Vereins, sowie Matthias Glander, Egbert Schimmelpfennig, Gregor Witt, Susanne Schergaut und Kaspar Loyal. Ebenso bedanken wir uns bei Christian Batzdorf, Markus Bruggaier, Wolfgang Hinzpeter, Thomas Jordans, Thomas Küchler, Friedemann Mittenentzwei, Christian Trompler, Georg Vierthaler und Felix Wilde. Ohne das großartige Engagement der Mentorinnen und Mentoren wäre die Ausbildung in der Orchesterakademie undenkbar – ein herzlicher Dank geht deswegen an Filipe Alves, Christoph Anacker, Martin Angerer, Rainer Auerbach, Mathias Baier, Boris Bardenhagen, Christian Batzdorf, WolfDieter Batzdorf, Thomas Beyer, Markus Bruggaier, Alexandra Clemenz, David Delgado, Yulia Deyneka, Robert Dräger, Joachim Elser, Mathis Fischer, Stephen Fitzpatrick, Ignacio García, Matthias Glander, Cristina Gómez Godoy, Andreas Greger, Andreas Haase, Nikolaus Hanjohr-Popa, Paul Harris, Jürgen Heinel †, Frank Heintze, Willi Hilgers, Andreas Jentzsch, Thomas Keller, Gerd Kleinfeld, Joachim Klier, HansJürgen Krumstroh, Sennu Laine, Curt Lommatzsch, Mathias Müller, Dominic Oelze, Manfred Pernutz, Klaus Peters, Sebastian Posch, Martin Reinhardt, Tibor Reman, Ingo Reuter, Fabian Schäfer, Axel Scherka, Heiner Schindler, Sylvia Schmückle-Wagner, Torsten Schönfeld, Peter Schubert, Hartmut Schuldt, Stefan Schulz, Felix Schwartz, Krzysztof Specjal, Volker Sprenger, Claudia Stein, Holger Straube, Lothar Strauß, Claudius Popp, Otto Tolonen, Christian Trompler, Simone van der Velde, Isa von Wedemeyer, Přemysl Vojta, Unolf Wäntig, Felix Wilde, Tatjana Winkler, Christian Wagner, Csaba Wagner, Matthias Wilke, Matthias Winkler, Axel Wilczok †, Gregor Witt und Knut Zimmermann.

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Pianistisch unterstützten uns mit großer Einsatzbereitschaft bei Konzerten, Probespielen und Probespieltrainings Markus Appelt, Marilyn Barnett, Rupert Dussmann, Helmut Freitag, Bettina Hanke, Adrian Heger, Thomas Hoppe, Klaus Kirbach, Friedemann Mewes, Alkistis Milioni, Akiko Nikami, Gisela Renner, Maria Rumyantseva, Gajane Saakjana, Karim Said, Matthias Samuil und Dana Sturm. 106

Ein herzlicher Dank geht an unsere Dirigenten Daniel Barenboim, Zubin Mehta, Lahav Shani, Michael Wendeberg, Domingo Hindoyan, Julien Salemkour, Christoph Ulrich Meier, Leo Siberski, Thomas Guggeis, Adrian Heger und David Robert Coleman. Vielen Dank für die langjährige hervorragende Zusammenarbeit mit unseren Konzertpartnern: Berliner Kulturveranstaltungs-GmbH, Freundeskreis Alte Feuerwache e. V. mit Christiane Rudledge-Matzner und Burkhard Fritz, Immanuel-Kirche Groß Schönebeck/Schorfheide, Kulturforum »Historisches U« Pasewalk mit Fred Lüpke, Kulturgut Sarnow mit Bernd Mehlitz †, Ehepaar Sievers und Pfarrer Flade, Kulturhaus Centre Bagatelle mit Julia Haußner, Kulturkreis Wiehl e. V. mit Hans-Joachim Klein, Kulturverein Kulturbunt Birkenwerder, Museum für Naturkunde mit Stephanie Fyrin und Juliane Röhner, Musikförderung e. V. mit Mathias Meyer, Ökowerk mit Hartwig Berger, Spielstätten Peter-und-Paul-Kirche Eberswalde, Prenzlau und Chorin mit Michael Otto, Staatliche Museen zu Berlin und Stadt Oranienburg/Orangerie im Schlosspark mit Kathrin Günther-Kalsow und Gerhard Suppus. Last but not least – Vielen Dank den Orchesterwarten und Jörg Freyer, danke für die zahllosen Stun­den des Organisierens: Renate Kändler, Thomas Küchler, Uwe Timptner, Alexandra Uhlig und Ka­t harina Wichate.


IHR ENGAGEMENT Die verstärkte Förderung des künstlerischen Nachwuchses ist den Freunden und Förderern der Staatsoper ein besonderes Anliegen. Die von Daniel Barenboim ins Leben gerufene Orchesterakademie bei der Staatskapelle Berlin ist hierbei eine der tragenden Säulen. 29 junge Akademistinnen und Akademisten musizieren während ihrer Ausbildung gemeinsam mit der Staatskapelle Berlin unter namhaften Dirigentinnen und Dirigenten und begeistern das Publikum bei zahlreichen Opern- und Konzertvorstellungen. Das zweijährige Studienprogramm verhilft den Stipendiaten zu begehrten Positionen in Spitzenorchestern weltweit – allen voran in der Staatskapelle Berlin. Auch Sie können die jungen Nachwuchskünstler unterstützen, sei es durch eine Patenschaft für eine Instrumentenstelle oder mittels einer einmaligen Spende. Jedes Engagement fließt in die Unterstützung der jungen Musikerinnen und Musiker, die dadurch ihrem Traum von einem Leben für und von der Musik ein Stückchen näher kommen. Helfen Sie mit, es lohnt sich! F R E U N DE U N D F ÖR DE R E R DE R S TA AT S OP E R U N T E R DE N L I N DE N E . V. Unter den Linden 7  T  +49 (0)30 – 20 35 47 00

10117 Berlin

F  +49 (0)30 – 20 35 47 01

E-M A I L freunde@staatsoper-berlin.de www.staatsoper-berlin.de/freunde I BA N  DE 13 100 500 00 66 100 10 500

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IMPR ESSU M Herausgeber

Staatsoper Unter den Linden

Intendant

Matthias Schulz

Generalmusikdirektor

Daniel Barenboim

Geschäftsführender Direktor

Ronny Unganz

Redaktion

Katharina Wichate, Detlef Giese, Benjamin Wäntig

Projektkoordination

Carolin Wolfart

Mit Beiträgen von

Daniel Barenboim, Detlef Giese, Ulrich Konrad, Matthias Schulz, Alice Ströver, Katharina Wichate, Magdalena Zabanoff

Titel

vellum (blue), Robert Seidel, SK/D 2009/2018

Bildnachweise

S. 4 Stephanie von Becker, S. 15 Ostkreuz/Michael Trippel, S. 16 Christian Trompler, S. 17, 29, 32, 34, 36, 38 Monika Rittershaus, S. 21, 47, 75, 103 Robert Seidel, S. 27 commons. wikimedia.org, S. 30, 42, 62, 63, 78, 80 Thomas Bartilla, S. 40, 51, 54, 93 Katharina Wichate, S. 57, 72 Peter Adamik, S. 58, 60, 66 Andreas Labes, S. 64 ROLEX/Reto Albertalli, S. 68 Günther Weidlich, S. 70 Sören Tetzlaff, S. 77 Eike Walkenhorst, S. 87 Benjamin Wäntig

Corporate Design Gestaltung Druck Papier

H E R B U RG W E I L A N D, München Vivien Anders bud, brandenburgische universitätsdruckerei und verlagsgesellschaft potsdam mbh Sporset Premium, Umschlag : 250 g/m 2 , Innenteil: 100 g/m 2

Redaktionsschluss

6. Juni 2018

Wir haben uns bemüht, alle Urheberrechte zu ermitteln. Sollten darüber hinaus noch Ansprüche bestehen, bitten wir, uns dies mitzuteilen.



STAATS OPER UNTER DEN LINDEN


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