Paracontact Frühling 2024

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Im Flow

Abschalten und loslassen

Das Magazin der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung I Frühling 2024

Der

Mit Luja ™ setzen wir einen neuen Standard für die Blasenentleerung:

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Geschätzte Leserinnen und Leser

Alle vier Jahre verschicken wir eine ausführliche Umfrage an unsere Aktivmitglieder. Vieles wollen wir wissen: Wie zufrieden sind Sie mit der SPV? Welche Angebote nutzen Sie? Wie engagiert sind Sie im Rollstuhlclub?

630 Personen beantworteten die über 30 Fragen. Damit helfen Sie uns, unsere Dienstleistungen an Ihre Bedürfnisse anzupassen. Ihre Rückmeldungen zeigen etwa: Sie schätzen dieses Magazin. Eine erste Auswertung der Umfrage lesen Sie auf Seite 12.

Die Umfrageergebnisse zeigen, wie wichtig die Angebote der SPV sind, aber auch die grosse Bedeutung der Rollstuhlclubs. Ein Rollstuhlclub ist nur dann attraktiv, wenn sich motivierte Menschen einbringen, anpacken und mitorganisieren. Jeder der 27 Rollstuhlclubs hat solche Menschen in seinen Reihen.

Um dieses ehrenamtliche Engagement zu feiern, luden wir sämtliche Vorstandsmitglieder nach Nottwil zu einem Galaabend. Im Verlaufe dieses Abends überreichten wir einen Benevol Award an sechs Personen. Alle sechs Preisträgerinnen und Preisträger setzen sich seit über

zehn Jahren für ihren Rollstuhlclub ein. Das Dankeschön für diese Arbeit war mehr als verdient.

«Sich einbringen, anpacken und mitorganisieren»

Ein Rollstuhlclub ist nur dann attraktiv, wenn sich motivierte Menschen einbringen, anpacken und mitorganisieren. Ich wiederhole mich. Doch was, wenn sich keine motivierten Menschen finden? Im Interview auf Seite 44 erzählt uns Clubpräsidentin Jeannette Schühle, wie sie ihr Amt gerne abgeben möchte. Doch niemand will. Das sind Herausforderungen, mit denen mehrere Rollstuhlclubs kämpfen.

Wir danken allen, die mit uns in Dialog treten, mitwirken und mitgestalten, und wünschen Ihnen eine bereichernde Lektüre.

Herzlichst

Paracontact I Frühling 2024 3 EDITORIAL

Invader Alltag.

Kompromisslos individuell.

Der Starrrahmen-Rollstuhl Invader zeichnet sich durch seine sportliche Rahmenform kombiniert mit sehr hoher Festigkeit und geringem Gewicht aus. Der Aktivrollstuhl wird nach Mass gefertigt, wodurch er komplett individuell ist und somit perfekt zum Nutzer passt.

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Herausgeberin

Schweizer Paraplegiker-Vereinigung

Kantonsstrasse 40, 6207 Nottwil

Telefon 041 939 54 00 E-Mail spv@spv.ch www.spv.ch

Chefredaktorin

Evelyn Schmid

Redaktion

Laurent Prince, Nadja Venetz, Felix Schärer, Michael Bütikofer, Daniela Vozza, Peter Läuppi, Peter Birrer, Tina Achermann

Koordination, Grafik, Inserate Tina Achermann

Fotos

SPV, SPS, Adobe Stock, Chris Casas, SRF/Gian Vaitl, Jonathan Liechti, Familie Roos, Pascal Boisset, Alessandro Negrini, Swiss Paralympic/Gabriel Monnet, Tobias Lackner, Cycling-WM Zürich 2024, Hans-Peter Hertig, Swiss Paralympic Night/Manuel Lopez

Druck

Brunner Medien AG, www.bag.ch

Redaktionsschluss

Ausgabe Sommer 2024: abgeschlossen

Ausgabe Herbst 2024: 15.5.2024

Auflage

8100 Exemplare deutsch

4 250 Exemplare französisch

Wir bemühen uns um gendergerechtes Schreiben, verwenden zur besseren Lesbarkeit manchmal die weibliche oder männliche Form stellvertretend für alle Geschlechter.

Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Fremdbeiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der SPV wieder. Ein Abdruck von unverlangt eingesendeten Manuskripten ist nicht gewährleistet.

Paracontact I Frühling 2024 5 IMPRESSUM INHALT
WIR BEWEGEN AKTUELL 6 DELEGIERTENVERSAMMLUNG Wer schafft es in den Zentralvorstand? 9 PARAPLEGIKER-GRUPPE Wer macht was? 10 MITGLIEDERUMFRAGE Zufriedene Mitglieder 12 NACHGEFRAGT Inklusions-Initiative 13 LEBENSBERATUNG SENSIBILISIERUNGSKURS Wachsen noch Haare an deinen Beinen? 14 ERGÄNZUNGSLEISTUNGEN Was steht Ihnen zu? 17 RECHTSBERATUNG UNFALLVERSICHERUNG Renteneintritt und ärztliche Behandlungen 18 MEDIZIN UND WISSENSCHAFT SOUNDING BOARD Innovationen vorantreiben 20 HINDERNISFREIES BAUEN UMBAU Ein Lichtblick dank perfektem Zusammenspiel 22 FREIZEIT FERIENPLANUNG Wir lassen uns nicht ärgern 24 IN KÜRZE 27 GIRO SUISSE 2024 Ab in den Süden 28 INKLUSIVES YOGA Für Körper, Geist und Seele 30 FREIWILLIGENARBEIT Nachtmensch mit sozialer Ader 31 ROLLSTUHLSPORT LANGLAUFKURS Plausch in der Loipe – und daneben 32 IN KÜRZE 34 BLICK INS TESSIN Sport für alle 37 PARATHLETICS 2024 Hauptprobe für die Paralympischen Spiele 38 PARALYMPICS 2024 Gemeinsames Ziel Paris 39 CYCLING-WM Together We Ride 41 FOKUS VERMISCHTES 42 IM GESPRÄCH Jeannette Schühle 44 EHRENAMT Sinnvoll und vielseitig 48 WELTTAG DER FREIWILLIGEN Benevol Awards 49 FÜR SIE DA Micha Wäfler 50 14 32

TK

Neue Websites

Neun Sportarten von Rollstuhlsport Schweiz sind als Technische Kommissionen mit eigener Website organisiert. Das sind Badminton, Basketball, Curling, Handbike, Leichtathletik, Powerchair Hockey, Sportschiessen, Tennis und Tischtennis.

Wir haben diese Websites komplett überarbeitet und dem Design der SPV-Website angepasst. Kurz vor Weihnachten gingen die neuen Webauftritte online.

Link zu den einzelnen Websites

WCMX

Weltmeisterin

Lorraine Truong

Mit einem starken Auftritt bestätigte Lorraine Truong ihre Dominanz bei den Damen im WCMX und verteidigte im La Quinta X Skate Park in Kalifornien im Dezember ihren WMTitel. In der Kategorie «Women Pro» erreichte sie mit 137,5 die höchste Punktzahl aller Teilnehmerinnen. In der gemischten Kategorie «WCMX Pro/Open» fuhr sie als beste Frau auf den vierten Platz.

AUS DEN CLUBS

OL-Event

«Wer sucht, der findet» – das ist das Motto am 15. Juni 2024. Der Club en Fauteuil Roulant du Nord Vaudois organisiert in der Region Grosde-Vaud bei Echallens einen Orientierungslauf für Kinder und Erwachsene.

Bilden Sie ein Team und erkunden Sie anhand einer Waldkarte asphaltierte, autofreie Strassen mit dem Ziel, Buchstaben-Posten zu finden und ein Rätsel zu lösen. Der Treffpunkt ist um 9.15 Uhr in Echallens; das Mittagessen findet in der Berghütte von Villars-le-Terroir statt. Am Nachmittag spielen wir Boule oder Bingo. Der Anlass findet bei jedem Wetter statt und ist für alle offen. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Melden Sie sich jetzt an und erleben Sie einen Tag voller Spass, Teamgeist und Abenteuer!

Informationen und Anmeldung

Myriam Vuillermet

myriamvuillermet68@outlook.com

Jubiläum

Der CFR Gruyère feiert 2024 sein 40-jähriges Bestehen. 1984 motivierten Jean-Louis Page und André Magnin eine Gruppe von Freunden und gründeten den Rollstuhlclub. Die SPV gratuliert herzlich zum runden Geburtstag.

SPV

Leiter Rollstuhlsport und Freizeit

Per 1. Februar 2024 übernahm Peter Läuppi die Leitung des Bereichs Rollstuhlsport und Freizeit. In dieser Funktion ist er zugleich Mitglied der Geschäftsleitung.

Peter Läuppi ist in den Reihen der SPV kein Unbekannter. Bereits von 1997 bis 2005 leitete er den Bereich Rollstuhlsport Schweiz. Seine gesamte berufliche Karriere hat sich der ehemalige Skirennfahrer und Zehnkämpfer im Sportmanagementbereich engagiert.

Peter Läuppi hat Delegationen an Olympischen wie auch Paralympischen Spielen geleitet. Vor und nach seiner Tätigkeit bei der SPV hat er sein Know-how bei Swiss-Ski eingebracht, zuerst als Techniktrainer und Chef Athletik, danach als Cheftrainer Nachwuchs und zuletzt als Chef Ausbildung und Forschung. Seit 2018 war der 59-jährige Aargauer bei OYM AG für den Bereich Business Development verantwortlich.

Mit seiner Rückkehr zur SPV wird Peter Läuppi zudem Stiftungsratsmitglied von Swiss Paralympic. Er wird als Chef de Mission die Schweizer Delegation an die Paralympics Paris 2024 begleiten.

RUBRIK 6 Paracontact I Frühling 2024 AKTUELL
DEN CLUBS
AUS

EUROKEY

Neue App

Pro Infirmis lancierte eine neu konzipierte Eurokey-App. Diese ist im App Store (Apple) und in Google Play (Android) erhältlich. Darin sind alle EurokeyAnlagen aufgeführt und können auf der interaktiven Karte oder über Suchkriterien lokalisiert werden. Zudem lassen sich direkt in der App nicht erfasste oder defekte Anlagen melden.

SPORTS AWARDS

Standing Ovations für Marcel Hug

NEUE MITARBEITERIN

Emmanuelle

Domon Beuret

Interessenvertreterin hindernisfreies Bauen

Emmanuelle Domon Beuret setzt sich in der Westschweiz in einem 30 % - Pensum als Selbstbetroffene für hindernisfreies Bauen ein. Sie studierte an der Universität Neuchâtel und an der Hochschule Arc Konservation und Restauration. Seit 2011 arbeitet sie als stellvertretende Leiterin des Labors für Konservierung und Restauration im Archäologiemuseum Laténium und wirkt seit 2016 in Forschungsprojekten der Hochschule Arc und der Uni Neuchâtel mit.

Bühnenreif

Die Jazzsängerin und -pianistin gibt regelmässig Konzerte. Sie liebt Kunst, Filme und Museen.

Bereits zum zehnten Mal wurde Marcel Hug bei den Sports Awards 2023 als «Paralympischer Sportler des Jahres» ausgezeichnet.

Unter tosendem Applaus begab sich der Athlet auf die Bühne, um die Trophäe in Empfang zu nehmen. Er setzte sich knapp gegen seine Konkurrentinnen Catherine Debrunner und Manuela Schär durch.

Im vergangenen Jahr überquerte Marcel Hug nicht nur bei jedem Bahnrennen die

Ziellinie als Erster, sondern entschied auch alle Marathons der «Abbott World Marathon Major Serie» für sich. Nach Manuela Schär im Jahr 2019 ist er erst der zweite Sportler überhaupt, dem dies gelang.

Mit den Paralympics in Paris steht das nächste Highlight bevor. Sollte Marcel Hug auch 2024 die Wahl zum Paralympischen Sportler für sich entscheiden, hat er gleich viele Auszeichnungen wie Heinz Frei, Roger Federer oder die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft der Herren.

FORSCHUNG

Umfrage Arbeitsleben

Die Work-Life-Studie: Haben Sie schon an der Online-Befragung teilgenommen?

Die Einladungen zur Befragung wurden kürzlich per Post verschickt. Wenn Sie eine Einladung bekommen haben und den Fragebogen bisher nicht ausfüllen konnten, möchten wir Ihnen ans Herz legen, dies noch zu tun.

Teilnehmen können sowohl Menschen mit, aber auch ohne Arbeitserfahrung seit Eintritt der Querschnittlähmung. Im Fragebogen werden Sie zu zentralen Etappen und Ereignissen in Ihrem Lebenslauf be-

fragt, in Bezug auf die Bereiche Arbeit, Ausbildung, ehrenamtliche Tätigkeiten sowie soziale Kontakte und Familienleben.

Die Studie will herausfinden, was dazu beiträgt, dass Personen mit einer Rückenmarksverletzung langfristig und zufrieden erwerbstätig sind. Mit Ihrer Teilnahme helfen Sie mit, die beruflichen Unterstützungsangebote für Sie und andere Menschen mit Rückenmarksverletzungen zu verbessern.

Paracontact I Frühling 2024 7 Weitere Informationen urban.schwegler@paraplegie.ch www.swisci.ch/de/work-life
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Switzerland / DE

Wer schafft es in den Zentralvorstand?

Für den frei werdenden Sitz im Zentralvorstand stellen sich Christian Rusterholz und Tobias Soder zur Wahl. Die Entscheidung fällt an der Delegiertenversammlung am 4. Mai.

Von Nadja Venetz

Fabien Bertschy entschied sich aus gesundheitlichen Gründen, sein Amt als Beisitzer im Zentralvorstand der SPV aufzugeben. Für seine Nachfolge empfehlen sich Christian Rusterholz und Tobias Soder.

Christian Rusterholz: erfahren und vernetzt

Der 57-Jährige bringt reichlich Führungserfahrung mit. Der Bau- und Wirtschaftsingenieur übernahm in den letzten 25 Jahren Leitungspositionen in verschiedenen Bereichen der KIBAG Management AG und trug die personelle wie finanzielle Verantwortung. In seiner bisherigen Laufbahn führte er über 100 Mitarbeitende und beteiligte sich an der Entwicklung und Umsetzung von Strategieprozessen. In all den Berufsjahren beim selben Baustoffunternehmen erlebte Christian Rusterholz so manche Veränderung innerhalb der Organisation und weiss, dass diese Herausforderungen wertvolle Chancen sind. Dank verschiedener Mandate beim Schweizer Nutzfahrzeugverband ASTAG, bei dem er Mitglied des Verwaltungsausschusses und des Zentralvorstands ist, reicht sein Netzwerk in Politik und Wirtschaft.

Engagiert ist der Wädenswiler aber nicht nur im Beruf. Im Verein Spocap fördert das Mitglied des RC Zürich Sportmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung und setzt sich im Vorstand des Vereins «Grenzen überschreiten» für Betroffene von Multipler Sklerose ein. Er selbst er-

hielt die Diagnose MS 2003 und ist seit 2017 auf den Rollstuhl angewiesen. «Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, dass Menschen mit Behinderung die richtige Unterstützung erhalten. Deshalb will ich mich im ZV einbringen», erklärt er. In den letzten Jahren entdeckte Christian Rusterholz eine neue Leidenschaft:

Rollstuhl-Badminton. Aber auch das Handbike gefällt ihm sehr. Am Giro Suisse 2024 ist er sicher wieder dabei. Energie hat er nicht nur für den Giro, sondern auch für den ZV: «Ich bin hochmotiviert und freue mich darauf, meine vielfältigen Erfahrungen und Fähigkeiten in den Dienst der SPV und ihrer Mitglieder zu stellen.»

Tobias Soder: digital und umtriebig Der Bieler hat viele Pfeile im Köcher. Der diplomierte Informatikingenieur ist ein IT-Fachmann. Sein Wissen brachte er nach

dem Studium an der Fachhochschule in verschiedenen namhaften Unternehmen ein (Swisscom, BLS, Puma, Axel Springer Schweiz), bevor er sich mit seiner eigenen Webagentur WebIT4You selbstständig machte. Seiner Kundschaft bietet er Weblösungen von A bis Z. Seit 2023 arbeitet Tobias Soder darüber hinaus als Webmaster und Verantwortlicher IT bei insieme Schweiz, der Dachorganisation der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Ebenfalls seit 2023 steht er dem Rollstuhlclub Biel-Bienne als Präsident vor. Die Sorgen und Herausforderungen der Rollstuhlclubs kennt Tobias Soder aus dem eigenen Vereinsalltag. «Ich bin ein Teamplayer, der die Fähigkeit hat, Menschen zusammenzubringen und für eine gemeinsame Sache zu motivieren», beschreibt sich der 41-Jährige. Mit seinem Vorstand realisiert er ein attraktives Angebot für die Clubmitglieder und stampft neue Projekte aus dem Boden wie das inklusive Segelprojekt «Ships n ’ Wheels» auf dem Bielersee in Zusammenarbeit mit dem Segelcenter. Im neugegründeten Verein amtet er zudem als Kassier.

Lobbyieren, diskutieren, Kompromisse finden, Lösungen ausarbeiten. Seit 2022 politisiert Tobias Soder im Stadtrat von Nidau. Ein besonderes Augenmerk legt er auf die Barrierefreiheit und Inklusion in seiner Wohngemeinde. Aufgewachsen in Biel, wechselt der Paraplegiker mühelos von Deutsch ins Französisch und zurück. Neben all den Engagements lebt Tobias Soder seine Kreativität in der Musik aus und hat an verschiedenen Musikprojekten mitgearbeitet (inklusive eigener Band).

Paracontact I Frühling 2024 9 WIR BEWEGEN DELEGIERTENVERSAMMLUNG
Christian Rusterholz Tobias Soder

Wer macht was?

Oftmals ist ganz salopp von Nottwil die Rede, wenn es um Unterstützung für Rückenmarksverletzte geht.

Doch längst ist nicht allen klar, welche Institution der Schweizer Paraplegiker-Gruppe welche Leistung erbringt.

Von Nadja Venetz

Die Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) mit Sitz in Nottwil ist weltweit ein einzigartiges Leistungsnetz für die ganzheitliche Rehabilitation und Begleitung von Menschen mit Querschnittlähmung; und das

ein Leben lang. Unterschiedliche Organisationen decken vier Leistungsfelder ab: «Solidarität», «Medizin», «Bildung, Forschung und Innovation» sowie «Integration und lebenslange Begleitung».

Schweizer Paraplegiker-Stiftung

Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) finanziert das Leistungsnetz und leistet Betriebsbeiträge an ihre Tochtergesellschaften und Partnerorganisationen wie die SPV. Zugleich unterstützt die Stiftung querschnittgelähmte Menschen in Härtefällen direkt mit Beiträgen an die Kosten von Hilfsmitteln, Apparaturen und Einrichtungen sowie an ungedeckte Pflegekosten. Die Mittel des Solidarwerks stammen aus Spenden, Erbschaften und Legaten sowie Gönnerbeiträgen. Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung bildet mit der Gönner-Vereinigung und dem Hotel & Conference Center Sempachersee das Leistungsfeld Solidarität.

Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung Über einen Jahresbeitrag oder eine Dauermitgliedschaft sind 1,9 Mio. Personen Mitglied der Gönner-Vereinigung. Ihre Mitgliedschaft ist ein Akt der Solidarität gegenüber Menschen mit einer Querschnittlähmung und sichert, dass das Leistungsnetz der SPG weiter besteht und sich entwickeln kann. Eine Mitgliedschaft in der Gönner-Vereinigung berechtigt nicht zum Bezug von Leistungen beispielsweise der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung. Umgekehrt ist die Mitgliedschaft in der Gönner-Vereinigung keine Voraussetzung, um im Schweizer Paraplegiker-Zentrum behandelt zu werden oder ein Finanzierungsgesuch an die SPS zu stellen.

Hotel & Conference Center Sempachersee

Mit über 40 Räumen und 150 Hotelzimmern bietet das Hotel Sempachersee Platz für Anlässe jeglicher Art und ermöglicht Patienten, Angehörigen, Privaten und Firmen die Chance, sich zu begegnen.

Schweizer Paraplegiker-Zentrum Querschnittlähmung, Rücken und Beatmung sind die Behandlungsschwerpunkte des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ). Durch diesen Fokus findet die private Klinik international Beachtung. Betroffene werden akut betreut und rehabilitiert. Für sie bleibt das SPZ lebenslang eine wichtige Anlaufstelle. Das SPZ ist eine von vier Rehakliniken in der Schweiz,

WIR BEWEGEN
10 Paracontact I Frühling 2024

die sich auf die Rehabilitation von Querschnittgelähmten spezialisiert haben. Das SPZ und die ParaHelp AG bilden das Leistungsfeld Medizin.

ParaHelp AG

Das Ziel von ParaHelp besteht darin, querschnittgelähmten Menschen jeden Alters ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. ParaHelp berät Menschen zu Hause und organisiert die Unterstützung, die sie in ihrem Daheim benötigen. Ebenso schult ParaHelp Pflegefachpersonen und medizinisches Personal im Umgang mit Querschnittgelähmten.

Schweizer Paraplegiker-Vereinigung

Die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) ist der Verband der Querschnittgelähmten und das Dach der 27 Schweizer Rollstuhlclubs. Die Rollstuhlclubs organisieren Sporttrainings und Ausflüge und sind ein wichtiger Ort des Austauschs für Selbstbetroffene. Wer einem Rollstuhlclub angehört, ist automatisch Mitglied der SPV. Die Aktivmitglieder der SPV haben selbst eine Querschnittlähmung oder eine querschnittähnliche Diagnose. Ihnen steht die Rechts-, Bau- und Lebensberatung der SPV kostenlos zur Verfügung. Die SPV bietet ihren Mitgliedern ein attraktives Freizeit- und Reiseprogramm und fördert als nationaler Sportverband den Rollstuhlsport vom Nachwuchs bis an die Welt-

spitze. Darüber hinaus unterstützt die SPV die Rollstuhlclubs in ihrer wertvollen Vereinsarbeit. Die SPV steht zusammen mit Orthotec und Active Communication für das Leistungsfeld Integration und lebenslange Begleitung.

Orthotec AG

Orthotec fördert die Bewegungsfreiheit von Menschen mit Querschnittlähmung und ähnlichen Einschränkungen mit Hilfsmitteln und Dienstleistungen. Die Kompetenzbereiche der AG umfassen: Fahrzeugumbau, Reha- und Orthopädietechnik, Kontinenz- und Alltagshilfen sowie Rollstuhlsportgeräte.

Active Communication AG

Active Communication ist innerhalb der Schweizer Paraplegiker-Gruppe die Partnerin für digitale Assistenztechnologie. Davon profitieren Menschen mit einer motorischen oder kognitiven Beeinträchtigung oder mit einer neurologischen Erkrankung. Mit ihren technischen Hilfsmitteln unterstützt Active Communication ihre Kundschaft in den Feldern Kommunizieren, Lernen, Arbeiten und Wohnen.

Schweizer Paraplegiker-Forschung AG

Im Bereich der Funktionsfähigkeit und der Rehabilitation forscht die Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF) und zählt damit zu den weltweit grössten ausseruni-

versitären Forschungsinstitutionen, die in diesem Gebiet tätig sind. Sie vereint inhaltlich Disziplinen wie Medizin, Biologie, Epidemiologie, Kommunikationswissenschaft, Ökonomie, Psychologie, Pflegewissenschaft, Physiotherapie- und Bewegungswissenschaft, Soziologie, Rechtswissenschaften, Statistik und Politikwissenschaft unter einem Dach und fördert den direkten Austausch zwischen Forschung und Praxis. Die SPF und SIRMED decken das Leistungsfeld Bildung, Forschung und Innovation ab.

SIRMED Schweizer Institut für Rettungsmedizin AG

Das SIRMED Schweizer Institut für Rettungsmedizin befähigt Menschen zur bestmöglichen Versorgung von Notfallpatienten. Das Institut führt rettungs- und notfallmedizinische Aus-, Fort- und Weiterbildungen für Profis und Laien auf hohem Qualitätsniveau durch und beteiligt sich aktiv an der Ausgestaltung der Rettungs- und Notfallmedizin sowie der rettungsdienstlichen Bildung in der Schweiz. SIRMED wird zu je 50% von der Schweizer Paraplegiker-Stiftung und der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega getragen.

Mehr Informationen zur SPG www.paraplegie.ch

Stiftung und deren 100%ige Tochtergesellschaften Stiftung und deren 50%ige Tochtergesellschaft

Nahestehende Organisationen: Zusammenarbeitsverträge zur Erfüllung des Stiftungsauftrags

1 Leistungsfeld Solidarität

2 Leistungsfeld Medizin

3 Leistungsfeld Integration und lebenslange Begleitung

4 Leistungsfeld Bildung, Forschung, Innovation

Paracontact I Frühling 2024 11
DIE SCHWEIZER PARAPLEGIKER-GRUPPE
Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil AG 2 ParaHelp AG 2 Orthotec AG 3 Active Communication AG 3 Schweizer ParaplegikerForschung AG 4 SIRMED Schweizer Institut für Rettungsmedizin AG 4 Hotel Sempachersee AG 1
1
1
Schweizer Paraplegiker-Stiftung
Gönner-Vereinigung der Schweizer ParaplegikerStiftung (Verein)
Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (Dachverband als Verein) 3

Zufriedene Mitglieder

Unsere Dienstleistungen werden sehr geschätzt und erfüllen die Bedürfnisse. Das zeigt die Ende 2023 durchgeführte Mitgliederumfrage, die uns wertvolle Ideen für Verbesserungen gibt.

Von Evelyn Schmid

Die SPV führt alle vier Jahre eine grosse Mitgliederumfrage durch. Bei der aktuellen Onlinebefragung erhielten wir rekordmässige 630 Antworten, 2019 waren es 427 gewesen. Anders ausgedrückt haben 16% unserer angeschriebenen Aktivmitglieder die Umfrage ausgefüllt.

Grosses Lob

Die Zufriedenheit mit der SPV ist ausserordentlich hoch. Bei einer Skala von 1 bis 6 erhält die SPV die «Note» 5,1, was einer Zufriedenheit von 86% entspricht (2016 waren es 84%). Nur fünf Personen vergaben eine 1 und sechs eine 2. Wie schon 2019 wurde die Freundlichkeit der Mitarbeitenden als extrem hoch bewertet. Für persönliche Kontakte erhielt die SPV die Note 5,63 und für telefonische Auskünfte 5,56.

Unsere Mitglieder nutzen unsere Dienstleistungen gerne und sehr häufig. Für 41% der Befragten ist das Paracontact die wichtigste Dienstleistung, die sie nutzen. An

zweiter Stelle folgt der Rollstuhlsport, dann die Serviceleistungen wie Eurokey/Flottenrabatt und danach die beiden Newsletter. Nur rund 10% der Befragten geben an, dass sie keine Leistungen der SPV nutzen.

Wir wollten auch wissen, ob unsere Leistungen helfen, den Alltag zu meistern. 72% der Befragten finden, dass die SPV einen grossen oder sogar sehr grossen Einfluss auf die Steigerung ihrer Lebensqualität hat. 74% sind der Ansicht, dass die SPV einen wichtigen oder sehr wichtigen Beitrag zu hindernisfreier Mobilität leistet. Auch der Einfluss auf die Zugänglichkeit von Bauten, der Zugang zu Bildung und Beruf und die Chancengleichheit sind hoch. Einzig der Einfluss der SPV auf politische Entscheide wird etwas geringer eingestuft.

Freizeitverhalten Menschen mit Querschnittlähmung sollen sich regelmässig bewegen. Das tun sie auch. 67% der Befragten machen wöchent-

lich ein- oder mehrmals Sport, 6% tun dies immerhin monatlich einmal und 27% leider selten bis nie. Die Gründe für den sportlichen Lebensstil sind vor allem die Erhaltung der Gesundheit und Spass. Auch das Reisen ist eine wichtige Freizeitaktivität. 58% machen mehr als zweimal pro Jahr Ferien, 17% einmal und 25% verreisen nur alle paar Jahre. Leider buchen nur 11% Reisen bei der SPV, rund 60% buchen Reisen in der Regel individuell im Internet.

Information hilft im Alltag

Die wichtigsten Kommunikationsinstrumente sind die Zeitschrift Paracontact und die Website spv.ch. Das Paracontact wird intensiv gelesen. Nur gerade 5% schaut sich die Zeitschrift nicht an. 51% wenden zwischen einer halben und einer ganzen Stunde für die Lektüre auf, 13% sogar mehr als eine Stunde. Rechtliche und medizinische Berichte erachten unsere Leserinnen und Leser als besonders hilfreich für die Bewältigung des Alltags. Diese Themen wollen wir zukünftig noch aktiver behandeln.

Unsere Website wird insgesamt besser bewertet als bei der letzten Umfrage. Das hängt sicher damit zusammen, dass wir sie 2022 komplett überarbeitet und mit neuen Inhalten und einer viel einfacheren Struktur versehen haben.

In den letzten vier Jahren hat der Anteil derer, die unsere Social-Media-Kanäle nie nutzen, leicht abgenommen: von 48% auf 45%. Für sie werden wir weiterhin gedruckte Informationen und direkte E-Mails anbieten. Zudem sind wie 2019 nur etwa 13% täglich auf unseren Facebook-, X- oder Instagram-Kanälen anzutreffen. Aus diesem Grund versuchen wir die Bekanntheit unserer Kanäle laufend zu erhöhen und deren Attraktivität zu steigern.

Verbesserungspotenziale

Die Umfrage zeigt, dass unsere Angebote weitgehend den Bedürfnissen unserer Mitglieder entsprechen. Künftig werden wir zusätzlich zu dieser Umfrage auch Wirkungsmessungen durchführen. Erkenntnisse aus diesen Daten helfen der SPV, ihre Strategie und ihre Angebote noch besser auf die Bedürfnisse der Menschen mit Querschnittlähmung anzupassen.

WIR BEWEGEN MITGLIEDERUMFRAGE
12 Paracontact I Frühling 2024
Hindernisfreie Mobilität Zugänglichkeit von Bauten Chancengleichheit Einfluss auf politische Entscheide Steigerung der Lebensqualität Zugang zu Bildung und Beruf Die SPV leistet einen wichtigen Beitrag zu … 45 % 40 % 35 % 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % 1 = gar nicht 2 3 4 5 6 = sehr stark

Inklusions-Initiative

Der Verein für eine inklusive Schweiz koordiniert alle Massnahmen, damit die Inklusions-Initiative zustande kommt. Geschäftsleiterin Iris Hartmann berichtet, wie die Unterschriftensammlung läuft.

Von Nadja Venetz

Was ist die Aufgabe des Vereins für eine inklusive Schweiz?

Der Verein ist zuständig für die Kampagne hinter der Inklusions-Initiative.

Als Geschäftsleiterin pflege ich das Netzwerk unter den beteiligten Organisationen und sorge für ausreichend Kampagnenmaterial. Ich koordiniere Sammelaktionen und bin für die Kommunikation zuständig.

Wir unterhalten uns wenige Tage nach dem nationalen Sammeltag am 2. Dezember. Wie wars?

An vielen Orten in der ganzen Schweiz haben sich Menschen mit und ohne Behinderung getroffen, um gemeinsam Unterschriften zu sammeln; und das bei garstigem Winterwetter. Diesen Tatendrang und dieses Gemeinschaftsgefühl zu erleben, war sehr schön.

Wo stehen wir mit der Initiative?

Per Mitte Januar haben wir 86 900 Unterschriften gesammelt, eine gute Zwischenbilanz. Grundsätzlich gilt für Volksinitiativen, dass während 18 Monaten mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt werden müssen. Jede Unterschrift muss noch beglaubigt werden. Dabei gibt es eine Ungültigkeitsquote von zehn Prozent. Um sicher zu sein, bei der Einreichung genügend gültige Unterschriften zu haben, müssen wir rund 125 000 Unterschriften sammeln.

Wo sind die Herausforderungen?

Der Verein wird von vielen Organisationen unterstützt, die seit Jahrzehnten für Inklu-

sion kämpfen. Es muss uns gelingen, das Thema in die breite Gesellschaft zu tragen und auch diejenigen zu erreichen, die das Thema noch nicht kennen. Mit der Volksinitiative haben wir eine Chance, eine gesellschaftliche Veränderung zu bewirken, Inklusion zu leben und unsere Zukunft zu gestalten, und diese Chance sollten wir packen. Neue Menschen mit der richtigen Kommunikation zu erreichen und eine Behindertenrechtsbewegung in der Schweiz zu starten, bleiben eine Herausforderung.

Was plant ihr für die zweite Hälfte der Sammelfrist?

Am 9. März jährt sich die Ratifizierung der UNO-BRK zum zehnten Mal. Diesen Tag erklären wir zum nationalen Sammeltag. Viele Kantone führen zudem Anfang Mai anlässlich dieses 10-jährigen Jubilä-

ums Aktionstage zum Thema Inklusion durch. Dort wollen wir vor Ort sein, um die Menschen von unserem Anliegen zu überzeugen. Ich bin zuversichtlich, dass die Initiative zustande kommt.

Was kann jede und jeder beitragen?

Die Inklusions-Initiative geht uns alle an, egal ob mit oder ohne Behinderung. Wie will ich leben, jetzt und im Alter? Wir müssen uns alle als Botschafter der Initiative verstehen: selbst unterzeichnen und mit anderen Leuten darüber sprechen. So sind schnell ein paar Unterschriften gesammelt. Im persönlichen Umfeld fällt das leichter und es ist nicht nötig, fremde Menschen auf der Strasse anzusprechen. Die Karte für drei Unterschriften ist vorfrankiert und kann bei uns und den mittragenden Organisationen bestellt werden.

Was passiert, wenn wir die geforderte Anzahl gültiger Unterschriften erreichen? Dann feiern wir erst einmal ein grosses Fest! Nach der Einreichung beginnen die Prozesse auf der politischen Ebene. Diskussionen hinter verschlossenen Türen. Als Verein wird es unsere Aufgabe sein, über den Fortschritt zu berichten und das Thema präsent zu halten. Es kann bis zu fünf Jahre dauern, bis Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne über die Initiative entscheiden. Wir brauchen einen langen Atem!

Jetzt unterschreiben Unterschriftenbogen herunterladen www.spv.ch/inklusions-initiative

Paracontact I Frühling 2024 13 WIR BEWEGEN NACHGEFRAGT
Sammeltag Trotz Schneegestöber ein Erfolg

Wachsen noch Haare an deinen Beinen?

Die beiden Peerberater Angela Fallegger und Konrad Arnosti unterstützen für einmal nicht von Querschnittlähmung Betroffene, sondern geben Lernenden der Pflege und der Baubranche Einblick in ihren Alltag.

Von Juliette Meier

Ziel der Reise ist das «Bildungszentrum Gesundheit Zentralschweiz», welches in der Industriezone in Alpnach als grauer Koloss aus der Erde ragt. Für Kursleiterin Angela Fallegger sind die Sensibilisierungskurse am XUND ein Heimspiel. Solche Infoveranstaltungen, an denen Betroffene Wissen über das Thema Querschnittlähmung vermitteln und die Teilnehmenden selbst in Rollstühlen Platz nehmen, finden hier schon lange statt. Als ehemalige Pflegefachfrau kennt sie sich in der Branche bestens aus und kam mit 17 Jahren ebenfalls in den Genuss eines Sensibilisierungskurses.

Angela Fallegger beginnt den Kurs mit einem Block zu medizinischen Aspekten. Sie findet es grossartig, mal wieder mit Pflegethemen in Kontakt zu kommen. Die Klassen sind bereits mit Grundkenntnissen ausgestattet, sodass sie mit Anatomiebegriffen nicht sparen muss, was beispielsweise die vertiefte Diskussion von Querschnittskomplikationen vereinfacht. Weiter erklärt sie, dass sie als langjährige Patientin wisse, wie wichtig geschultes – oder eben sensibilisiertes – Personal sei.

Zuerst lässt sie die zukünftigen Gesundheitsfachfrauen im zweiten Lehrjahr von sich erzählen: Name, Arbeitsplatz, Kontakt zu und Vorwissen über Menschen mit Querschnittlähmung. Tatsächlich haben einige bereits Berührungspunkte zum Thema. Umso besser. Im nächsten Theorieblock betrachtet die Klasse verschiedene

Hilfsmittel. Angela Fallegger zeigt den Auszubildenden unterschiedliche Katheter und Handschuhe für Personen mit Tetraplegie.

Risiko Haushalt

Erstaunen zeigt sich auf den Gesichtern, als im Klassenzimmer das Thema Kleider angeschnitten wird. Während einigermassen bekannt ist, dass man Druckstellen durch regelmässiges manuelles Gewichts-

verlagern vermeidet, weiss niemand, dass Hosen weder Knöpfe noch Taschen aufweisen dürfen und nasse Kleider sowie Spitzenunterwäsche tabu sind. Dazu der immense Aufwand, exakt passende Schuhe zu finden. Augenzwinkernd sagt Angela Fallegger, dass man den Schuh immerhin lang behalten könne: Ausgelatscht werde er ja nicht. Die Teilnehmenden schmunzeln und hängen an den Lippen der Referentin.

Selbsterfahrung ist wichtig

14 Paracontact I Frühling 2024 LEBENSBERATUNG SENSIBILISIERUNGSKURS

Spannend wirds auch bei den häufigsten Unfallursachen. Die jungen Erwachsenen dürfen raten und zählen diverse Risikosportarten auf. Gross ist die Überraschung über die Zweitplatzierung der Haushaltsunfälle. Angela Fallegger erzählt von ihrer Kollegin, die im Schlafzimmer gestürzt ist und sich an der Bettkante den Rücken verletzt hat.

Danach schildert sie ihre eigene Geschichte: Sie berichtet von ihrem Unfall, der darauffolgenden Diagnose und von ihrem heutigen Alltag. Anschliessend bleibt Zeit für eine Fragerunde. Die Klasse druckst herum, ist zu Beginn etwas schüchtern. Zögerlich hebt sich eine Hand: «Angela, wachsen noch Haare an deinen Beinen?» Erfrischendes Lachen im Klassenzimmer, der Bann ist gebrochen. Wie kocht sie? Musste sie ihre adaptierte Küche selbst bezahlen? Natürlich stösst auch der medizinische Bereich auf grosses Interesse. Sind krankheitsbedingte Querschnittlähmungen vererbbar? Spürt man wirklich gar nichts mehr oder sind Phantomschmerzen ein Thema?

Angela Fallegger behandelt jede Frage mit einer wohltuenden Lockerheit. Bei einer solch angenehmen Atmosphäre ist die Theoriezeit ruckzuck um. Die Klasse begibt sich in die Tiefgarage, wo sie das umgebaute Auto unter die Lupe nimmt. Die Rollstuhlfahrerin führt vor, wie sie ins Auto transferiert.

Nun dürfen die jungen Frauen selbst in den Rollstuhl sitzen. Die Klasse wird aufgeteilt. Während die eine Gruppe frei herumfahren darf, zeigt Angela Fallegger den anderen, wie sie einen Absatz überwindet. In Zweierteams wird auch geübt, wie man eine Person im Rollstuhl über eine Kante befördert. Gar nicht so einfach. Der Kippwinkel darf sich nicht verändern, sonst fällt man kopfüber aus dem Stuhl, wie eine Gruppe am eigenen Leib erfährt. Angela Fallegger leitet an, teilt Tipps und Tricks. Die Botschaft ist angekommen, die Winkel stimmen bald.

Am Ende des Halbtages geben die Teilnehmenden Rückmeldungen. Sie haben es geschätzt, den Stoff nicht nur theoretisch vermittelt zu bekommen. Im Falle eines Querschnittpatienten oder einer Quer-

schnittpatientin wisse man in Zukunft genau, worauf zu achten sei, um einen Dekubitus oder Ähnliches zu verhindern.

«Bro, renn!»

Konrad Arnosti ist Kursleiter an der Einführungswoche der Verkehrswegbauer auf dem Campus Sursee. Den Lernenden aus der Baubranche scheint der Bezug zu ihrem künftigen Berufsfeld nicht ganz so greifbar wie der Pflegeklasse. Dennoch kommen interessierte Fragen aus dem Publikum. Peerberater Konrad Arnosti gewinnt als ehemaliger Bauleiter die jungen Männer schnell für sich. Auf dem Pausenplatz gibt es eine Runde Rollstuhlbasketball. Der Ball – oh Schreck – rollt vom Feld: «Bro, renn!», schreit jemand über den Platz. Der Angesprochene gibt trocken zurück: «Was renn! Wie denn?» Das, was Konrad Arnosti den angehenden Verkehrswegbauern aus seinem Alltag erzählt, und das, was sie selber im Rollstuhl erleben, bewirkt im Idealfall, dass sie auf ihre eigene Gesundheit achten und bei ihrer Arbeit im Hinterkopf behalten, wie viel Mühe ein klitzekleiner Absatz bereiten kann.

Beim Feedback sind sich die Teilnehmer einig: Selbst mit einem Rollstuhl zu fahren, sei am lehrreichsten gewesen, da man sonst nie zu einer solchen Erfahrung kommt.

Hemmungen abbauen

Die Peerberaterinnen und Peerberater der SPV erfüllen somit eine wichtige Aufgabe. Sie geben ihren eigenen Wissensschatz nicht nur an andere Betroffene weiter, sondern auch an künftige Berufsleute, damit

diese in ihrer täglichen Arbeit die Bedürfnisse von querschnittgelähmten Menschen berücksichtigen. Sie bauen Hemmungen ab und fördern eine inklusive Gesellschaft. Angela Fallegger liebt diese Arbeit. Ihrer Meinung nach sind die Sensibilisierungskurse und die Zusammenarbeit mit jungen Menschen eine wunderbare Abwechslung zur Beratungstätigkeit. Insbesondere ist ihr wichtig, dass ein Bewusstsein für die Prophylaxe geschaffen wird. Pflegende sollen präziser wissen, wie sie mit Querschnittgelähmten umgehen müssen, damit Spitalaufenthalte optimal verlaufen und keine oder wenige Komplikationen entstehen. Hingegen sollen Verkehrswegbauer bei ihrer Arbeit immer berücksichtigen, wie jemand im Rollstuhl eine Strasse oder ein Trottoir benutzt.

Am liebsten erzählt Angela Fallegger aber Geschichten aus dem Leben. Diese werden von den Klassen immer am aufmerksamsten verfolgt. Trockene Theorie über Pflege und Anatomie lässt sich hier wunderbar einbetten. Auch der Umgang mit dem Rollstuhl ist ihr wichtig. Je mehr Menschen wissen, wie sie im Bedarfsfall richtig helfen, umso weniger haben Betroffene Hemmungen, um Hilfe zu fragen, da sie keine Angst haben müssen, aus dem Rollstuhl zu fallen. Eindrücklich war, wie schon nach zehn Minuten die Hilfeleistungen sicherer wurden. Spass machen die Kurse nicht nur den Referierenden, sondern auch den Teilnehmenden. Ein Teilnehmer fasst zusammen: «Es war megacool! Die vier Stunden sind wie im Flug vergangen. Und das Gelernte wird meine Arbeit sicher beeinflussen.»

Paracontact I Frühling 2024 15
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Was steht Ihnen zu?

Ergänzungsleistungen sind staatliche finanzielle Zusatzleistungen, falls Renten oder Taggelder nicht ausreichen, um das Leben zu bestreiten.

Die Schweiz, bekannt für ihre hohe Lebensqualität und gut entwickelten Sozialsysteme, zeichnet sich durch ihre Bemühungen aus, die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger zu berücksichtigen. Eine wichtige Säule dieses Ansatzes sind die Ergänzungsleistungen, welche in gewissen Kantonen auch unter dem Begriff «Zusatzleistungen» bekannt sind.

In vielen Fällen reichen Renten oder Taggelder der AHV und IV zur Deckung der Lebenskosten nicht aus. Ergänzungsleistungen (EL) sind staatlich geregelte finanzielle Leistungen, welche die Differenz zwischen den verfügbaren Einkünften aus Sozialversicherungen und den tatsächlichen Lebenskosten ausgleichen. Unter «Lebenskosten» definiert der Bund Ausgaben, welche für Schweizer Verhältnisse ein gewisses Mass an sozialer Integration und Lebensqualität gewährleisten. Dabei ist zu unterscheiden, ob eine Person zu Hause oder in einer Institution lebt.

Ergänzungsleistungen sind keine Sozialhilfe (Fürsorgeleistungen), sondern eine Art sozialversicherungsrechtlicher Anspruch. Die Ergänzungsleistungen sind steuerfrei.

Ergänzungsleistungen sind «massgeschneidert»

Ihr Anspruch auf EL kann geprüft werden, wenn Ihr bewegliches Vermögen nicht über CHF 100 000.– (alleinstehende Person) oder CHF 200 000.– (Ehepaar) liegt. Die Kriterien für die Anspruchsberechtigung sind von persönlichen Faktoren wie Einkommen (Rente), Vermögen, Wohnkosten und Familienstand abhängig. Der Anspruch wird daher individuell berechnet und laufend auf Veränderungen Ihrer Situation angepasst, z. B. bei Zu- oder Abnahme Ihres Mietzinses oder Einkommens. Bei der Berechnung der EL besteht beim Vermögen ein sogenannter Freibetrag. Dieser Freibetrag fliesst nicht in die Berechnung mit ein. Dieser liegt bei einer Einzelperson bei CHF 30 000.– und bei einem Ehepaar bei CHF 50 000.–.

Wohneigentum und EL beziehen, geht das?

Auch wenn Sie Wohneigentum besitzen, können Sie durchaus Anspruch auf EL haben. Mit dem Einreichen der Unterlagen wird die finanzielle und persönliche Situation genau berechnet und bei einer alleinstehenden Person beispielsweise bei der Liegenschaft als Vermögen lediglich der Betrag angerechnet, welcher nach Abzug der Hypothekarschulden CHF 112 500.–übersteigt. Bei einem Ehepaar, bei dem die eine Person ins Heim eintritt, sind es CHF 300 000.–.

Der EL-Rechner auf der Website der AHV gibt Ihnen eine erste Einschätzung, ob Sie Anspruch auf diese Leistung haben. Auch wenn ein geringer Differenzbetrag nach oben oder unten resultiert, lohnt sich eine Anmeldung. Nebst dem monatlichen Ausgleich können so auch krankheits- oder invaliditätsbedingte Mehrkosten zurückgefordert werden. Dazu gehören beispielsweise Selbstbehalte der Krankenkasse, Zahnarztkosten, Transportkosten, ungedeckte Pflegekosten usw.

Für die Anmeldung bedarf es vieler detaillierter Unterlagen zu den Ausgaben sowie zur Einkommens- und Vermögenssituation. Seit 1. Januar 2021 gilt ausserdem, dass Ergänzungsleistungen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers bezogen wurden, von den Erben aus dem Nachlass zurückbezahlt werden müssen, sofern der Nachlass mehr als CHF 40 000.–beträgt. Bei Ehepaaren entsteht eine Rückerstattungspflicht erst aus dem Nachlass des Zweitverstorbenen, soweit die Voraussetzungen noch immer gegeben sind. Viele hält diese neue Regelung zurück, ihren Bedarf anzumelden. Ihre finanzielle Sicherheit und Ihr Wohlbefinden sind jedoch von grosser Bedeutung. Wir empfehlen deshalb, einen Anspruch geltend zu machen.

Gerne unterstützt Sie die Lebensberatung der SPV bei Fragen oder beim Zusammenstellen der Unterlagen für die Anmeldung.

HINWEISE

Erklärvideo Ergänzungsleistungen

EL- Rechner Merkblätter Ergänzungsleistungen

Paracontact I Frühling 2024 17 LEBENSBERATUNG
ERGÄNZUNGSLEISTUNGEN

Renteneintritt und ärztliche Behandlungen

Die Unfallversicherungen müssen medizinische Behandlungen der versicherten Personen auch nach deren Renteneintritt bezahlen. Die von den Versicherungen getroffene Unterscheidung zwischen Voll- oder Teilinvalidität ist nicht rechtens. Gute Nachrichten!

Agnès von Beust, Rechtsanwältin

Die Geschichte beginnt 2019, als sich der Sozialdienst eines Spitals mit einer berechtigten Frage an das Institut für Rechtsberatung (IRB) wendet: Warum hat die Unfallversicherung die Kostenübernahme für die ärztlichen Behandlungen von Herrn X. eingestellt, der gerade in Rente gegangen ist?

Problemstellung

Herr X. leidet an einer Rückenmarkverletzung infolge eines Unfalls, der sich vor Jahrzehnten ereignet hat. Zum Zeitpunkt des Renteneintritts von Herrn X. hat seine Unfallversicherung die Zahlung sämtlicher medizinischer Behandlungen eingestellt, obwohl diese Behandlungen weiterhin erforderlich und bis dahin immer übernommen worden waren. Überraschend, oder?

Begründet wurde die Ablehnung der Versicherung mit einer gesetzlichen Vorschrift, dem Artikel 21 UVG (Bundesgesetz über die Unfallversicherung). Diese Ablehnung war kein Einzelfall, sondern entsprach genau der Praxis in dem Bereich, die mit einer Handvoll Urteile der Kantonsgerichte begründet war. Nun hat sich jedoch gezeigt, dass die Auslegung dieses Gesetzesartikels und die daraus folgende Ablehnung nicht gesetzeskonform sind. Das Bundesgericht hat dies in seinem Urteil 8C_620/2022 vom 21. September 2023 erst kürzlich entschieden (Veröffentlichung geplant). Dieses Urteil beendet eine diskriminierende Praxis für versicherte Personen.

AUSZUG AUS DEM UVG

Art. 21 Heilbehandlung nach Festsetzung der Rente 1 Nach der Festsetzung der Rente werden dem Bezüger die Pflegeleistungen und Kostenvergütungen (Art. 10–13) gewährt, wenn er:

a. an einer Berufskrankheit leidet;

b. unter einem Rückfall oder an Spätfolgen leidet und die Erwerbsfähigkeit durch medizinische Vorkehren wesentlich verbessert oder vor wesentlicher Beeinträchtigung bewahrt werden kann;

c. zur Erhaltung seiner verbleibenden Erwerbsfähigkeit dauernd der Behandlung und Pflege bedarf;

d. erwerbsunfähig ist und sein Gesundheitszustand durch medizinische Vorkehren wesentlich verbessert oder vor wesentlicher Beeinträchtigung bewahrt werden kann. […]

In der bisherigen Praxis finanzierte die Unfallversicherung lediglich Behandlungen von Versicherten, die:

– an einer Berufskrankheit litten (Art. 21 Abs. 1 Buchst. a UVG);

– eine Vollinvalidität aufwiesen (Art. 21 Abs. 1 Buchst. d UVG);

– eine Teilinvalidität aufwiesen und einer Berufstätigkeit nachgingen (Art. 21 Abs. 1 Buchst. c UVG);

– an einem Rückfall oder Spätfolgen litten (Art. 21 Abs. 1 Buchst. b UVG).

18 Paracontact I Frühling 2024 RECHTSBERATUNG UNFALLVERSICHERUNG

Mit anderen Worten: Sobald eine Person mit einer unfallbedingten Teilinvalidität in Rente war, musste sie sich für die Finanzierung ihrer Behandlungen an ihre Krankenkasse wenden. Eine Ausnahme wurde Personen im AHV-Alter gewährt, die weiterarbeiteten. Es ist allgemein bekannt, dass das System der Grundversicherung Mehrkosten in Form einer Beteiligung an den Behandlungskosten (Selbstbeteiligung, Selbstbehalt) verursacht. Diese Beteiligung der versicherten Person existiert in der Unfallversicherung nicht.

Diskriminierende Praxis

Für das IRB war diese Situation rechtlich hochinteressant. Nachdem es auch die Rechtsliteratur zu Rate gezogen hatte, gab es folgende Stellungnahme ab:

Ein Entscheid verletzt den in Artikel 8 Abs. 1 der Bundesverfassung garantierten Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, die nicht durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt sind. Mit ihrer Praxis behandelt die Versicherung im vorliegenden Fall teilinvalide und vollinvalide Versicherte sowie Personen, die aufgrund eines Unfalls oder einer Berufskrankheit versichert sind, ohne objektiven Grund unterschiedlich.

Erstens ist es nicht so, dass diese Unterscheidung durch den Grundsatz gerechtfertigt ist, dass die Unfallversicherung ausschliesslich Leistungen an berufstätige Personen auszahlt. Denn die Versicherungsleistungen werden weiter an Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt; dies ist der Fall bei Personen, die an einer Berufskrankheit leiden oder von Vollinvalidität betroffen sind.

Zweitens stellt das Kriterium der Integration in den Arbeitsmarkt auch kein gültiges Unterscheidungskriterium dar. Dieses Kriterium ist nicht stichhaltig, da versicherte Personen aufgrund einer Berufskrankheit oder bei Vollinvalidität ungeachtet ihrer Integration in den Arbeitsmarkt Leistungen beziehen.

Zusammenfassend stützt sich die von der Unfallversicherung getroffene Unterschei-

dung nicht auf objektive Kriterien und ist daher diskriminierend. Das ist die Auffassung des IRB.

Parallel zu diesem vom IRB bearbeiteten Fall hatte das Bundesgericht erst kürzlich Gelegenheit, sich zu einer ähnlichen Sache zu äussern. Ende 2023 hat es eine Entscheidung getroffen, die wir sehr begrüssen, weil sie eine diskriminierende Praxis beendet (Urteil vorne erwähnt).

Das Bundesgericht hat die Gesetzesbestimmung des Artikels 21 UVG eingehend geprüft. Es hat zuerst den Text dieser Bestimmung analysiert, anschliessend den gesetzgeberischen Willen, den Platz dieser Bestimmung in der Logik des Gesetzes und schliesslich Sinn und Zweck dieser Bestimmung überprüft. Aufgrund dieser gründlichen Analyse hat das Bundesgericht geurteilt, dass eine altersmässige Befristung (AHV-Alter) der Leistungen für teilinvalide Rentenbeziehende nicht dem Gesetz entsprach. Nach seiner Auffassung «erschliesst sich somit der Sinn einer Abwälzung der vergüteten Kosten, die durch einen Unfall verursacht wurden, auf die Krankenversicherung bei teilinvaliden Rentenbeziehenden ab Eintritt ins AHV-Rentenalter nicht» (siehe Medienmitteilung des BGer vom 26. Oktober 2023).

Dank dieser neuen Rechtsprechung wird die Unfallversicherung die Behandlungen von Herrn X. übernehmen. Sie hat ihren Entscheid bereits zu seinen Gunsten geändert.

Und wenn die betroffene Person keine Rente bezieht?

Das IRB musste leider feststellen, dass diese Bestimmung des Art. 21 UVG weitere Probleme in sich barg. Denn dieser Artikel sieht die Übernahme der Behandlungskosten nur vor, wenn die Person eine Rente der Unfallversicherung bezieht.

Dies führt zu einem irritierenden Ergebnis, wie im Fall von Frau Y.: Frau Y. hat einen schweren Unfall erlitten, der eine inkomplette Rückenmarkverletzung zur Folge hatte. Sie ist Fussgängerin und voll berufstätig, aber sie benötigt Physiotherapie und jährliche Kontrollen (Urologie usw.),

um eine deutliche Verschlechterung ihrer Arbeitsfähigkeit zu verhindern. Sie bezieht keine Invalidenrente. Es ist unbestritten, dass die Physiotherapie und die jährlichen Kontrollen eine Folge der Rückenmarkverletzung sind, die wiederum in einem Kausalzusammenhang mit dem Unfall steht.

Dadurch erscheint es logisch, dass die Kosten dieser Behandlungen von der Unfallversicherung getragen werden, bei der die Folgen dieses Unfalls versichert sind. Dies ist derzeit aber in Anbetracht von Art. 21 UVG und der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil 8C_191/2011) nicht der Fall.

Man muss sich fragen, inwieweit die Rente ein relevantes Kriterium ist, um den Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten zu verneinen, wenn diese in einem Kausalzusammenhang mit dem versicherten Unfall stehen. Im Unterschied zum Fall von Herrn X. lässt der Text von Art. 21 UVG keinen anderen Interpretationsspielraum zu, zumindest angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichts. Um diese Ungleichbehandlung zu beseitigen, ist die Politik gefragt.

Zu beachten ist, dass die Unfallversicherung in einer Konstellation wie bei Frau Y. die Hilfsmittel übernehmen muss, die von dieser Einschränkung nicht betroffen sind (8C_126/2017).

Fazit

Der Entscheid des Bundesgerichts, der die weitere Übernahme der medizinischen Behandlungen im AHV-Alter bestätigt, ist erfreulich. Er hat positive finanzielle Auswirkungen auf die Versicherten im AHVAlter, die sich nicht durch Selbstbeteiligung und Selbstbehalt an den Kosten dieser Behandlungen beteiligen müssen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese gute Nachricht ist für den Start in das Jahr 2024 einen Artikel wert!

Paracontact I Frühling 2024 19
Informationen Bundesgericht www.bger.ch

Innovationen vorantreiben

Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung fördert innovative Vorhaben, damit Menschen mit Querschnittlähmung ein selbstbestimmtes Leben bei bestmöglicher Gesundheit führen können. Werden Sie Teil davon.

Von Florian Meister, SPS und Stefan Stalder, SPZ

Innovation – das kann ein Produkt sein, eine Dienstleistung, eine digitale Anwendung oder eine Weiterentwicklung aus dem Fussgänger-Bereich. Meist ist die Zielgruppe der Querschnittgelähmten zu klein, als dass der Markt von sich aus Adaptionen vornimmt. Wenn aber Fachleute der Schweizer Paraplegiker-Gruppe zusammen mit externen Partnern die Entwicklungsphase übernehmen, kann eine Innovation aus wirtschaftlicher Sicht durchaus attraktiv werden. Unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und mit einer kontrollierten Risikobereitschaft entstehen damit nachhaltige Lösungen, die den Alltag von Querschnittgelähmten erleichtern.

Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) hat in den letzten Monaten ihre Prozesse zur Förderung innovativer Vorhaben angepasst und einen «Innovation Hub» aufgebaut. Der Hub stärkt die Innovationskultur auf dem Campus der Schweizer Paraplegiker-Gruppe und vernetzt Fachpersonen über eine zentrale Anlaufstelle –für einen klaren und systematischen Umgang mit Ideen. Über die Website paraplegie.ch/innovation können Mitarbeitende, Angehörige, Betroffene, Hochschulen und Firmen ihre Ideen oder Problembeobachtungen eingeben – und der Innovation Hub koordiniert die weiteren Schritte. Der Innovation Hub soll vielversprechenden Ideen zum Durchbruch verhelfen; mit Coaching, Vernetzung oder Finanzierung. Er prüft, ob es bestehende Alternativen gibt und weshalb das Vorhaben besonders beachtenswert ist. Innerhalb der Schweizer

Paraplegiker-Gruppe ist ein sehr umfangreiches und breites Spektrum an Fachwissen zur Förderung und Begleitung der Projekte vorhanden.

UMGESETZTE INNOVATIONEN

Rollstuhl-Sitzkissen aus dem 3D-Drucker

Die Herausforderung: Standardkissen bieten oft nicht die nötige individuelle Anpassung, was mit der Zeit zu gesundheitlichen Problemen bei Personen im Rollstuhl führen kann. Massgeschneiderte Sitzbettungen, die auf herkömmlichem Weg produziert wurden, haben teilweise ebenfalls ihre Nachteile (z. B. in Bezug auf Waschbarkeit und Atmungsaktivität).

Die Lösung: Dank Fortschritten in der 3D-Scan- und Drucktechnologie können in Zukunft Sitzkissen zur Verfügung stehen, die nicht nur individuell angepasst, sondern auch atmungsaktiv und leicht zu reinigen sind. Die ersten Modelle, die flach oder leicht anatomisch geformt sind, sollen schon bald verfügbar sein. In der nächsten Entwicklungsphase werden Kissen mit variabler Weichheit in verschiedenen Bereichen erstellt (Stützund Schutzfunktionen), um noch besser auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.

Mehrwert schaffen

Der Innovation Hub prüft eingereichte Ideen oder Projektanträge und bezieht Betroffene in diesen Prozess mit ein. Damit

Beim Projekt sind Menschen mit Querschnittlähmung bei der Bedürfnisanalyse wie auch beim Prototyp-Testing miteinbezogen worden. Dabei wurden insbesondere Rückmeldungen zu Komfort und Funktionalität eingeholt. Für die weiteren Schritte ist dieses Feedback entscheidend.

Textilbasierte Kühlelemente

Die Herausforderung: Hohe Temperaturen sind insbesondere für Menschen mit Tetra- und Paraplegie eine Herausforderung. Auf dem Markt erhältliche Kühlkleidung ist teilweise unpraktisch, da diese Kleidungsstücke ins Wasser getaucht und ausgewrungen werden müssen.

Die Lösung: Das Projektziel ist die Entwicklung einer textilbasierten, komfortablen und praktischen Kühllösung, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Tetraund Paraplegie zugeschnitten ist. Die Kühlweste, welche in einigen Monaten auf dem Markt erhältlich sein wird, wird mit Leitungswasser befüllt, kann über einem TShirt getragen werden und kühlt mehrere

MEDIZIN UND WISSENSCHAFT SOUNDING BOARD
20 Paracontact I Frühling 2024

sollen geförderte Innovationsprojekte zielorientiert entwickelt werden und einen konkreten Mehrwert für Menschen mit Querschnittlähmung schaffen. Wird ein Projekt oder eine Idee als vielversprechend erachtet, unterstützt der Innovation Hub bei einem Antrag und der Präsentation an das sogenannte Innovation Board. Dieses begutachtet und beurteilt die vom Innovation Hub vorgeprüften und vorselektionierten Vorhaben und spricht Fördermittel direkt zu, wenn die Idee weiterverfolgt werden soll. Eine kleine Auswahl an umgesetzten Projekten finden Sie im untenstehenden grauen Kasten.

Sounding Board:

Ihre Unterstützung bei Innovationen Auch Sie können Teil dieses Prozesses werden und dabei sein, wenn innovative Ideen Realität werden. Werden Sie Teil des Soun-

ding Boards, einer exklusiven Gruppe von Menschen mit Querschnittlähmung, die eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung unserer Projekte spielen. Das Sounding Board ist ein Pool von Betroffenen, die bereit sind, von unserem Innovation Hub punktuell und unverbindlich kontaktiert zu werden. Der Innovation Hub kann damit auf unkomplizierte und direkte Weise die Stimmung fühlen und erfahren, ob die vorgeschlagene Idee tatsächlich spannend ist.

Sie entscheiden jedes Mal freiwillig, ob Sie an Umfragen, Diskussionen oder Produkttests teilnehmen möchten. Ihre gezielten Rückmeldungen und Erfahrungen sind für uns von unschätzbarem Wert. Sie helfen uns zu entscheiden, ob und in welche Richtung wir unsere Projekte weiterentwickeln, damit ein grösstmöglicher Nutzen entsteht.

Warum sollten Sie mitmachen?

– Ihre Meinung zählt: Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind einzigartig und können dazu beitragen, unsere Lösungen zu verbessern.

– Exklusive Einblicke: Als Mitglied des Sounding Boards erhalten Sie exklusive Einblicke in unsere neuesten Projekte und Entwicklungen.

– Netzwerken und Austausch: Das jährliche Treffen in Nottwil bietet die Gelegenheit, sich mit anderen Mitgliedern auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen.

Gemeinsam Zukunft gestalten Anmeldung

Sounding Board

Stunden lang, ohne dass die Haut nass wird. Die Kühlweste ist wiederverwendbar und waschbar. Die Membranen im Textil sind so angeordnet, dass das Wasser gut verteilt wird. Bei der Entwicklung und dem Design wirkten Betroffene aktiv mit. Ihre Erfahrungen und Bedürfnisse flossen direkt in die Gestaltung und Optimierung der Kühllösungen ein.

ParaVerse – per Augensteuerung digitale Welten erobern

Die Herausforderung: In den letzten Jahren sind im Bereich Extended Reality (XR) interessante Technologien entwickelt worden, welche für Menschen mit einer starken körperlichen Behinderung vielversprechende Ansätze bieten, um Therapien zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen. Menschen mit einer Querschnittlähmung, insbesondere mit einer Tetraplegie, haben bisher aufgrund der eingeschränkten Hand- und Fingerfunktionen kaum Möglichkeiten, mit der neuen digitalen Welt zu interagieren.

Die Lösung: Die Schweizer ParaplegikerStiftung entwickelt eine Plattform mit dem Namen ParaVerse, die einen barrierefreien Zugang zur digitalen Welt eröffnet. Auf der ParaVerse-Plattform steuern Betroffene dank der XR-Brille Aktionen ausschliesslich über die Augen. Sie lösen mit einer Augenbewegung einen Klick aus, scrollen auf Websites oder tippen auf der virtuellen Tastatur.

Die ParaVerse-Plattform soll der Therapie dienen, aber auch zur sozialen Interaktion, Unterhaltung und Ablenkung beitragen. Erste Prototypen mit Youtube und einem Webbrowser haben gezeigt, wie exakt und einfach die Augensteuerung mit den neuen XR-Brillen funktioniert. ParaVerse erhöht nicht nur die Selbständigkeit, sondern gibt den Betroffenen eine grosse Portion Privatsphäre zurück. Niemand sonst kann sehen, was sie auf der Brille mit ihren Augen tun. Die Testpersonen waren begeistert und haben viele neue Ideen für die Weiterentwicklung eingebracht.

Paracontact I Frühling 2024 21

Ein Lichtblick dank perfektem Zusammenspiel

Mitar Mitrovic kann mit dem Rollstuhl wieder in den eigenen vier Wänden leben. Den Umbau übernahm das Zentrum für hindernisfreies Bauen der SPV – und im ganzen Prozess spielte die Tochter des Bauherrn eine wichtige Rolle.

Mitar Mitrovic sitzt im Rollstuhl am Esstisch, rührt mit dem Löffel in einer Tasse Kaffee, schaut seine Tochter Sladjana an und sagt: «Ich bin sehr zufrieden.»

Der 73-jährige Pensionär ist zurück in seinem kleinen Reich, das er und seine Frau Vera ihr Eigentum nennen dürfen. Es ist für ihn ein grosser Lichtblick nach schwierigen Monaten, die er in verschiedenen Kliniken verbrachte, zuletzt im Schweizer

Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil. Und klar war: Wenn die Wohnung in Birr AG nicht auf seine Bedürfnisse angepasst wird, muss er umziehen, womöglich in ein Pflegeheim.

Die Geschichte von Mitar Mitrovic ist die eines Mannes aus Bosnien, der 1973 in die Schweiz kommt, als Maurer arbeitet, dreifacher Vater wird und ein Leben ohne grössere Beschwerden führt.

Vater und Tochter strahlen auch dank des gelungenen Umbaus Zuversicht aus

Plötzlich ist er Paraplegiker

Vor zwei Jahren erkrankt Mitar Mitrovic an Corona und hat relativ milde Symptome. Er geht davon aus, bald wieder auf den Beinen zu sein. Aber die Genesung schreitet nicht voran, im Gegenteil, sein Zustand erfordert einen ersten Spitalaufenthalt. Bei Untersuchungen wird ein Lungentumor festgestellt, zudem erleidet er einen Herzinfarkt. Die Diagnose, die bei ihm gestellt wird, schockiert ihn, schockiert die ganze Familie: Mitar Mitrovic ist Paraplegiker und auf einen Rollstuhl angewiesen.

Immer wieder stellt er sich die Frage: Was hat die Querschnittlähmung verursacht? Vielleicht die Impfung? Er weiss es nicht, eine schlüssige Antwort kann ihm niemand geben. Seine Welt steht komplett Kopf.

Als er in der Rehabilitation in Nottwil weilt, nimmt er sich zwar vor, dass er das SPZ als Fussgänger verlassen wird. Aber er muss sich damit abfinden, dass er ohne Rollstuhl nicht auskommt. Von einem anderen Patienten wird er darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sich eingehend mit der Wohnsituation zu befassen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bauliche Anpassungen notwendig seien.

Umbau in zwei Etappen

Mitar Mitrovic diskutiert das Thema mit seiner Ergotherapeutin – und kurz darauf folgen Taten. Das Zentrum für hinder-

22 Paracontact I Frühling 2024 HINDERNISFREIES BAUEN
UMBAU

nisfreies Bauen (ZHB), die Fachstelle der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung für barrierefreies Wohnen, kümmert sich um die Frage, welche Massnahmen ergriffen werden müssen, damit Mitar Mitrovic nach der Reha wieder in seiner Eigentumswohnung in Birr leben kann. Nach einer ersten Besichtigung im Mai 2023 übernimmt Architekt Felix Schärer die Leitung, der Bereichsleiter des ZHB hat in seiner Karriere schon unzählige Lösungen gefunden. Der vorliegende Fall bereitet ihm kein Kopfzerbrechen, das Projekt ist für ihn eine Routineangelegenheit, für die er zwei Etappen plant: In einem ersten Schritt soll das Badezimmer ab dem 18. Oktober komplett neu und barrierefrei gemacht werden. Es ist das Kernstück des Projekts und die grösste Baustelle. Der Zugang zum Badezimmer muss verbreitert werden, eine Schiebetür ersetzt die normale Tür. Das Waschbecken wird unterfahrbar und die Dusche für Mitar Mitrovic mit dem Rollstuhl problemlos erreichbar angepasst.

Grünes Licht für Türautomation

Ebenfalls wichtig ist die Türautomation am Haupteingang des Wohnblocks in Birr. Dieser Teil des Umbaus muss zuerst mit den anderen Stockwerkeigentümern und der Verwaltung abgesprochen werden –Felix Schärer führt die Gespräche und erhält schliesslich grünes Licht. Einige Zeit später wird die andere bedeutende Anpassung in der Wohnung vorgenommen: eine Verbreiterung der Tür zum Balkon und ein schwellenloser Zugang nach draussen.

Die Fachleute handeln zügig und nehmen so der Familie manche Sorgen, was die Zukunft und Bewegungsfreiheit von Mitar Mitrovic angeht. «Wir befanden uns in einer schwierigen Situation und wären völlig verloren gewesen, was den Umbau angeht», sagt Sladjana Mitrovic, die Tochter von Mitar, «die Unterstützung war sensationell.»

Die Tochter mit einer zentralen Rolle Sladjana Mitrovic spielt im ganzen Prozess eine zentrale Rolle als Koordinatorin. Sie vertritt als Angehörige die Interessen ihres Vaters und auch der Mutter – und sie ist für Felix Schärer eine verlässliche Ansprech-

person. «Das lief mustergültig ab», sagt er, «Sladjana Mitrovic war die Schnittstelle zwischen Architekt und Bauherrschaft, die klare Vorstellungen hatte und über jeden Schritt im Bild war. Sie hat das hervorragend gemacht.»

Die Bauherrschaft äussert neben den geplanten und zweckmässigen Anpassungen ein paar ästhetische Wünsche und finanziert kosmetische Anpassungen selber, etwa einen Teil der Wandbeläge im Badezimmer oder die schwarzen Badarmaturen. «Wir sagten uns: Wenn wir die Handwerker schon im Haus haben, wollen wir das ausnutzen und Verschönerungen vornehmen. Das hat sich zweifellos gelohnt», sagt Sladjana Mitrovic. Zu den zusätzlichen Arbeiten gehört auch, dass die ganze Wohnung frisch gestrichen wird. Sie wirkt nun wie neu und freundlich, so eben, wie sich die Mitrovics das vorgestellt haben.

Mitrovics Lob für den Architekten Mitar Mitrovic, der während einer kurzen Bauphase bei seinem Sohn Mile untergekommen ist, zieht am 14. Dezember wieder daheim ein. Das Endergebnis überzeugt ihn, aber eigentlich überrascht es ihn nicht. «Als ich Felix Schärer das erste Mal gesehen habe, wusste ich, das kommt gut», sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Während des Umbaus schaute Mitar Mitrovic zwei, drei Mal vorbei und mit kritischem Auge zu, wie die Handwerker vorgingen. «Als ehemaliger Maurer interessierte es mich, wie sie das machen», sagt er und kann sich nur wiederholen: «Ich bin wirklich zufrieden.»

Er, seine Frau Vera und die Kinder sind überaus dankbar für die breite und professionelle Unterstützung. «Schon im SPZ wurde mein Vater gut betreut», sagt Sladjana Mitrovic, «als wir uns mit dem Thema Umbau auseinandersetzen mussten, stellten wir schnell fest, dass wir bei der SPV sehr gut aufgehoben sind. Man hat nie das Gefühl, alleine gelassen zu werden.» Dazu kommt der finanzielle Support der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, den Sladjana her vorhebt: «Uns allen ist bewusst, wie viel getan wird, um meinem Vater ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.»

Neues Bad Praktisch, hell und freundlich

Regelmässiges Training daheim

Mitar Mitrovic tut sich schwer, die Situation zu akzeptieren und hinzunehmen, dass er im Rollstuhl sitzt. Die Hoffnung, eines Tages wieder gehen zu können, gebe er niemals auf, sagt er. Seit seiner Rückkehr in die eigenen vier Wände macht er laufend kleine Fortschritte, dank Ergo- und Physiotherapie, dank seiner Bereitschaft auch, sich regelmässig zu bewegen.

Im Wohnzimmer steht ein Gerät, mit dem Mitar Mitrovic passives Beintraining absolvieren kann. «Ich muss immer dranbleiben», sagt er zum Abschied lächelnd, schaut nochmals zu seiner Tochter und erhält als Antwort ein anerkennendes Nicken.

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Baustelle Bad Kernstück des Umbaus Schiebetüre statt konventioneller Türe

Wir lassen uns nicht ärgern

Peti Roos ist als Tetraplegiker oft unterwegs. Mit seiner Frau und den vier Töchtern verbringt er gerne Ferien an der Wärme. Was erfordert das an Vorbereitung und Organisation für die Familie?

Von Peter Birrer

Endlich Ferien! Endlich Zeit, um auszuspannen, Energie zu tanken und in eine andere Umgebung einzutauchen. Koffer raus, Kleider rein und los gehts.

Nicht immer funktioniert es nach so einfachem Muster. Wenn Peti Roos mit seiner Familie verreist, erfordert das eine minutiöse Planung. Da sind zum einen die vier Mädchen im Alter von zwei bis sieben Jahren. Und da ist zum anderen ihr Papa, der seit einem Badeunfall 2009 Tetraplegiker ist.

Eines betonen Peti und seine Frau Jeannine gleich am Anfang: Nie würden sie sich vom Rollstuhl von einem Tapetenwechsel abhalten lassen. Sie zieht es in die Fremde, und wenn sie Hürden überwinden müssen,

tun sie das auf ihre Weise. «Wir sind unkompliziert», sagen beide, und Peti unterstreicht das mit einer Episode. Einmal verbrachten sie in Südfrankreich zwei Wochen in einem Haus, in dem das Badezimmer und das WC nicht gerade mit Rollstuhlfreundlichkeit glänzten.

Improvisieren statt klagen

Was machte Peti? Er klagte nicht, sondern improvisierte und duschte behelfsmässig im Garten. Und durch die schmale Tür zum WC kam er, wenn er jeweils ein Rad des Rollstuhls abmontierte. «Es bringt nichts, wenn man sich aufregt», sagt er, «man muss sich darauf einstellen, dass unterwegs Unvorhergesehenes eintreten kann. Dem begegnet man am besten mit Gelassenheit. Wir lassen uns nicht ärgern.»

2022 und 2023 gönnte sich das Roos-Sextett zweimal im Jahr Ferien: Im Sommer geht es nach Vieste in Süditalien, im Herbst nach Mallorca – nach Vieste mit dem VWBus, auf die spanische Insel mit dem Flugzeug.

Bevor sie das erste Mal nach Vieste in Apulien fahren, erstellt Jeannine eine detaillierte Packliste. Sie kümmert sich um ihr eigenes Gepäck und jenes der vier Töchter, Peti trägt die Verantwortung für seine Ware. Kleider benötigt er nicht besonders viele, «und wenn etwas fehlt, zum Beispiel ein T-Shirt, ist das schnell besorgt», sagt der 40-Jährige. Weniger gut wäre es allerdings, wenn er die Medikamente vergisst, auf die er täglich angewiesen ist. Er rechnet grosszügig und nimmt Reserve für fünf zusätzliche Tage mit.

Ebenso wichtig ist es, ausreichend Pflegematerial dabei zu haben, vor allem Katheter und davon gleich eine Monatspackung für drei Wochen. «Sicher ist sicher», sagt Peti, «es wäre mühsam, zu wenig davon dabei zu haben.» Und nicht zu vergessen ist das Zuggerät, dank dem Peti in den Ferien den einen oder anderen Ausflug unternehmen kann.

Freie Fahrt an der Mautstelle

Auf ihrer ersten Reise verstauen Jeannine und Peti fast alles Notwendige in mehreren Taschen und Säcke. Beim zweiten Mal gehen sie strukturierter vor und füllen pro

24 Paracontact I Frühling 2024 FREIZEIT FERIENPLANUNG
Rollend unterwegs am Wasser, das macht auch den Kindern Spass

Person einen Koffer. Das hält sie an, nur das zu berücksichtigen, was sie auch wirklich brauchen. Mit den Töchtern einigen sie sich darauf, dass jede ein Plüschtier bei sich haben darf. Und sie verzichten auf unzählige Spielsachen. «Vor Ort gibt es sowieso vor allem eins: planschen im Wasser, spielen am Strand», sagt Jeannine.

Bei der Italien-Premiere wurde es auf den Autobahnen mühsam, wenn Familie Roos eine Mautstation passieren musste. Sass Peti am Steuer, konnte er das Ticket nicht aus dem Automaten ziehen – also musste Jeannine aussteigen. Inzwischen ist das elegant gelöst. Als TCS-Mitglied haben sie sich eine sogenannte Mautbox angeschafft, ein elektronisches Gerät, das anhalten überflüssig macht. Inhaber einer solchen Box passieren die Mautstellen auf einer separaten Spur und werden jeweils registriert. Die Bezahlung wird über die Kreditkarte abgewickelt.

13 Stunden dauert die Fahrt für eine Strecke. Jeannine und Peti wechseln sich beim Fahren ab, und wenn sie sich einmal in ihrem Bungalow eingerichtet haben, unterscheiden sich die Tage am Strand und an der Sonne nicht von denen anderer Familien: «Wir haben unseren Spass.»

Früh am Flughafen

Eine Spur aufwendiger wird es bei der Destination Mallorca. Wenn der Abflug für 10 Uhr vorgesehen ist, bedeutet das: drei Stunden vorher in Kloten sein. Dazu rechnen sie anderthalb Stunden Anreise mit dem VW-Bus. «Wir würden sehr gern den Zug nehmen, aber das ist viel zu umständlich», sagt Jeannine. Die meisten der mindestens sieben Koffer müsste die 37-Jährige schleppen und mithelfen, die kleinen Kinder unter Kontrolle zu haben: «Mit dem Auto fällt wenigstens das weg.» Sie fahren ins Parkhaus, stapeln die Koffer auf einem Gepäcktrolley und geben sie am Checkin auf. Die Kosten für das Parking halten sich in Grenzen. Sie haben in Kloten einen günstigen Anbieter gefunden.

Peti hat bis zum Check-in bereits einiges an administrativem Aufwand erledigt. Vor einem Flug muss er sich als Rollstuhlfahrer anmelden, Grösse und Gewicht des Roll-

stuhls angeben und mitteilen, ob er beim Boarding Unterstützung benötigt. Deklarationspflicht besteht zudem beim Zuggerät, konkret: Um was für eine Batterie handelt es sich? «Bis alles erledigt ist, bin ich bestimmt eine Stunde mit der Fluggesellschaft am Telefon», sagt er. Wobei es auch da Unterschiede gibt. Mittlerweile weiss er, dass er bei Swiss gut aufgehoben ist. Also zieht er sie beim Buchen von Flügen vor.

Abklärungen im Vorfeld

Von grösster Bedeutung ist das, was nach der Ankunft am Ferienort folgt: die Wahl der Unterkunft. Und auch das bedarf einer detaillierten Abklärung. Ist das Hotel rollstuhlgängig? Wie sieht es in den Essräumen mit Hindernissen aus? Peti holt die nötigen Informationen per E-Mail ein, erkundigt sich nach der Grösse des Badezimmers und die Breite der Türen, bittet um Fotos und entscheidet sich dann, ob es sich um eine geeignete Adresse handelt.

«Nicht ganz einfach ist es, wenn man mehr als drei Kinder hat», fügt Jeannine an und erzählt von Hotels, in denen mehr als fünf Personen in einem Zimmer nicht erst er-

laubt sind. Das heisst, dass die Familie in einem solchen Fall zwei Zimmer mieten muss, was wiederum Auswirkung auf ihr Budget hat.

Finden sie eine passende Option, kommt es vor, dass Jeannine den Raum umstellt und das Bett von Peti z. B. an eine Wand schiebt. Das erleichtert ihm das Transferieren vom Rollstuhl. Abklärungen müssen auch getroffen werden, was den Swimmingpool angeht: Wie kommt ein Tetraplegiker aus dem Rollstuhl ins Wasser? Wie meistert er den Weg zurück? Peti ist auf die Unterstützung von zwei Personen angewiesen, wobei es nie ein Problem ist, zupackende Hände zu finden: «Wo immer ich bislang war: Die Hilfsbereitschaft ist gross.»

Alles inklusive

Am liebsten buchen Peti und Jeannine Allinclusive-Ferien. Das erspart ihnen die Suche von Restaurants, in denen sich auch Gäste im Rollstuhl problemlos bewegen können. Und die vier Kinder müssen nicht den ganzen Abend am Tisch verbringen, sondern dürfen nach dem Essen auf der Hotelanlage spielen.

Paracontact I Frühling 2024 25
Sonne tanken am liebsten im All-inclusive-Arrangement

FÜR ALLE MITGLIEDER

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Mächtige Gitarrenriffs, dröhnende Bässe und treibende Schlagzeugrhythmen unter freiem Himmel – und Sie mittendrin.

Die SPV ermöglicht Ihnen ein exklusives Festivalerlebnis mit SPV-eigenem Rollstuhlpodest, komfortabler Übernachtung in der Jugendherberge, Shuttleservice und einer Führung durch den Backstagebereich.

Informationen und Anmeldung

Tel. 041 939 54 22, reisen@spv.ch, www.spv.ch/eventkalender

REISEDATEN

Datum 13.–16.6.2024

Anmelden bis 1.3.2024

Gruppe max. 10 Rollstuhlfahrer*innen

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– An- und Rückreise mit adaptierten Minibussen

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Preis

CHF 650.– Aktivmitglied mit Behinderung

CHF 750.– übrige Teilnehmende Termin- und Preisänderungen vorbehalten.

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Tanzen

Folgen Sie der Musik in einen schwungvollen Frühling!

Taktfreudige Rollstuhlfahrerinnen und tanzbegeisterte Fussgänger können ab Dienstag, 27. Februar 2024 in der Turnhalle Nottwil über das Parkett schwingen und sich von den rhythmischen Klängen mitreissen lassen.

Informationen

Weitere Daten unter spv.ch (Eventkalender)

TAUCHEN

HSA-Switzerland

Der Verein HSA-Switzerland ermöglicht Menschen mit einer Körperbehinderung das Tauchen.

Erleben Sie die vielfältige Unterwasserwelt – egal ob Sie zum ersten Mal tauchen oder bereits zahleiche Tauchgänge absolviert haben.

Einen Einblick in die Tauchferienwoche sowie Daten der nächsten Kurse und Events finden Sie auf der Website von HSA-Switzerland.

Informationen

www.hsa-switzerland.ch

REISEN

Mallorca

Die Aktivferien vom 21. bis 28. September 2024 bieten die perfekte Möglichkeit, die sonnige Baleareninsel sportlich zu entdecken.

Die Woche ist vollgepackt. Sie fahren mit dem Kajak die Küste entlang, schwimmen mit Stachelrochen, düsen mit dem Blokart über den Strand und feilen an Ihrem Golfhandicap.

Die Aktivferien auf Mallorca bedeuten jedoch nicht nur sportliche Betätigung, sondern auch ein Eintauchen in die Vielfalt der Insel. Eine Mischung aus Naturerlebnissen, Wassersport, kulinarischen Genüssen und kulturellen Entdeckungen macht Mallorca zu einem attraktiven Reiseziel für alle, die einen aktiven und abwechslungsreichen Urlaub suchen.

Haben wir Ihr Interesse geweckt?

Mehr Informationen dazu unter www.spv.ch (Eventkalender)

REISEN Mittelrhein

Tauchen Sie vom 18. bis 25. August 2024 in die natürliche Schönheit der Region Mittelrhein ein.

Die Reise für Mitglieder mit Tetraplegie bietet einiges. Der Mittelrhein erstreckt sich entlang des Rheins zwischen Bingen und Bonn und zeichnet sich durch malerische Dörfer, Weinberge, Burgen und Schlösser aus. Eine unvergessliche Zeit wartet auf Sie – sichern Sie sich jetzt Ihren Platz!

REISEN Wochenende in München

Zum ersten Mal führen wir dieses Jahr Wochenendreisen durch. Vom 29. August bis 1. September 2024 erkunden wir München.

Gute Stimmung, viel Spass und tolle Preise versprachen der Jodlerklub Nottwil und die SPV am gemeinsam organisierten Jodler-Lotto zum Jahresende.

An den Abenden vom 28. und 29. Dezember wurde gelacht, gezittert und gejubelt. Rund 18 Gänge wurden pro Abend gespielt. Attraktive Preise wie zwei Nächte im Ferienhotel Bodensee, diverse Gutscheine und Geschenkkörbe lockten viele begeisterte Lottospielerinnen und -spieler in die Aula des SPZ.

Auf der Reise für Mitglieder mit Tetraplegie lernen Sie die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten kennen und besuchen die «Allianz Arena», die Heimat des berühmten FC Bayern München.

Der gemütliche Teil darf nicht fehlen und wir lassen uns in einem der zahlreichen Biergärten nieder.

Paracontact I Frühling 2024 27
FREIZEIT
ANLASS Lotto!
FREIZEIT

Ab in den Süden

Nach einem Jahr Pause rollt die inklusive Handbike-Tour «Giro Suisse» vom 27. August bis 1. September 2024 erneut durchs Land und macht Abstecher in die Kantone Graubünden, Tessin, Waadt und Wallis.

Das Warten hat ein Ende. Die vierte Austragung des Giro Suisse findet wie angekündigt im Jahr 2024 statt. Nach dem Jubiläums-Giro 2020 mit 13 Etappen durch die ganze Schweiz folgten die sechstägigen Rundfahrten durch die Nordostschweiz (2021) und die Westschweiz (2022). Mit jeder Austragung konnte der Anlass mehr Mitglieder der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung begeistern. Ob Liege- oder Vorspannbike oder einem Go-Tryke; alle mit Muskelkraft angetriebenen, angepassten Velos inklusive Elektrounterstützung sind

mit von der Partie. Wie bei den letzten Giros können Teilnehmende einzelne, mehrere oder sogar alle Etappen fahren. Wie jedes Jahr sind die Plätze begrenzt.

Die Planung des Giro Suisse 2024 ist bereits weit fortgeschritten. Wiederum wird das Organisationskomitee vor Ort von den Rollstuhlclubs der Regionen unterstützt, was sehr wichtig ist und eine Verankerung in den Austragungsorten ermöglicht. Geplant sind je zwei Etappen in den Kantonen Graubünden, Tessin, Wallis sowie ein kur-

zer Abschnitt im Kanton Waadt. Die drei Bergkantone bieten den Teilnehmenden eine wunderschöne Kulisse und einige herausfordernde Etappen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Giro Suisse fährt das Peloton in die Alpen und als Höhepunkt werden wir drei Pässe überqueren.

Start im Bünderland

Die Tour startet am Dienstag, 27. August 2024. Wer alle Etappen mitfahren möchte, reist bereits am Montag, 26. August in Ilanz GR an. In Zusammenarbeit mit dem Roll-

FREIZEIT 28 Paracontact I Frühling 2024
SUISSE 2024
GIRO

stuhlclub Graubünden haben wir die Unterkunft, Zwischenverpflegung und die Etappen vorbereitet. Die Begeisterung der Clubverantwortlichen kennt keine Grenzen und ist für die Durchführung unglaublich wertvoll. Die erste Etappe beginnt auf dem Splügenpass und führt vorbei am Sufnersee, dem Hinterrhein entlang und über Thusis nach Ilanz. Insgesamt sind an diesem Tag rund 75 Kilometer und etwa 960 Meter Höhendifferenz zurückzulegen. Am nächsten Tag führt die Etappe vom höchsten Punkt des Giro 2024, dem Oberalppass, durch die Surselva, über Disentis zurück nach Ilanz. Im Ziel werden die Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer 54 Kilometer und 1722 Höhenmeter Abfahrt zurückgelegt haben, was im Gegensatz zur ersten Strecke deutlich einfacher zu bewältigen ist. Die aufmerksame Leserin wird bemerkt haben, dass in Ilanz dreimal übernachtet wird. Schlafen werden wir im Haus der Begegnung des Klosters Ilanz.

Alpenüberquerung ins Tessin

Für den Übergang ins Tessin lassen wir uns für einmal nicht vom Bus chauffieren, sondern erklimmen den Passo Lucomagno mit eigener Muskelkraft. Die Teilstrecke des dritten Tages mit Start im Klosterdorf Disentis führt den Tourtross über 80 Kilometer und 1080 Höhenmeter über die Passhöhe des Lukmaniers nach Campra TI, wo die Mittagsverpflegung auf die Tourteilnehmerinnen und -teilnehmer wartet. Anschliessend rollt der Tross die alte Lukmanierpassstrasse hinunter bis Castione. Hier nächtigen wir im Smart-Hotel. Am vierten Tag des Giro 2024 fahren die Handbikerinnen und Handbiker mit ihren Begleitpersonen dem Ticino entlang nach Locarno und von dort in einer Schleife ins Maggiatal und zurück nach Losone. Mit 450 Höhenmetern ist diese Etappe nicht sehr anspruchsvoll, aber zwischen Start und Ziel liegen immerhin 75 Kilometer. Die Vorfreude auf die Sonnenstube der Schweiz ist gross. Von Losone steht dann ein längerer Bustransfer über Domodossola nach Visp im Wallis auf dem Programm.

Vom Ober- ins Unterwallis

Die fünfte Etappe folgt der Route von 2020, die damals aus Witterungsgründen verkürzt geführt wurde. Aus logistischen

Gründen starten wir in Visp bei der Unterkunft St. Jodern und fahren über Steg und Siders nach Sion, wo wir wiederum in der Clinique romande de réadaption (CRR) empfangen werden. Wir hoffen dabei sehr auf Wetterglück und einen der 360 Walliser Sonnentage. Die letzte Etappe startet im Kanton Waadt am Sitz der UCI (Union Cycliste Internationale) in Aigle und führt die Tourfahrenden entlang der Rhone über Martigny zurück zur finalen Zieleinfahrt nach Sion zur CRR. Bis nach Sion wird der ganze Tourtross insgesamt rund 400 Kilo-

Unverändert bleiben auch die Teilnahmebedingungen. Alle Handbikerinnen und Handbiker, Vorspannbikerinnen sowie GoTryker sind herzlich eingeladen, an einer oder mehreren Etappen teilzunehmen. Die Teilnehmerzahl ist auf zwölf Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer beschränkt. Weitere zwölf Plätze sind für Fussgänger vorgesehen, die als Begleitpersonen der Rollstuhlfahrerinnen den Giro mitfahren. Teilnehmende, die alle Etappen mitfahren möchten, müssen in den dafür vorgesehenen Unterkünften übernachten, um den lo-

Gemeinsam unterwegs – mit Vollgas und viel Spass

meter und 3600 Höhenmeter zurückgelegt haben. Damit ist der Giro Suisse 2024 die wohl anspruchsvollste Rundfahrt seit Bestehen der Handbike-Tour. Allfällige kurzfristige Anpassungen aufgrund von Radwegsperrungen oder anderen Unwägbarkeiten behält sich das OK vor.

Bewährtes Konzept mit bewährten Kräften Wie jedes Jahr ist die Durchführung einer solchen Grossveranstaltung nur mit der Hilfe vieler Helferinnen und Helfer möglich. So dürfen wir wieder auf die bewährte Unterstützung des Transportteams, der erfahrenen Tourguides und der kompetenten medizinischen Betreuung zählen. Einmal mehr sind Orthotec (Tourservice), Go by yourself (GBY) und die Sportmedizin Nottwil (Medical Backup) unverzichtbare Pfeiler für die erfolgreiche Durchführung dieser Handbike-Tour.

gistischen Aufwand zu minimieren. Entsprechende Unterkunftskontingente für die Teilnehmenden werden nach Start der Anmeldung buchbar sein.

Ab 27. April 2024 können sich Interessierte für den Giro Suisse 2024 anmelden. Damit bleibt allen genügend Vorbereitungs- und Trainingszeit, um sich auf die gewünschten (Teil-)Strecken der inklusiven Handbike-Tour und deren Herausforderungen vorzubereiten. Aufgrund der anspruchsvollen Etappen ist ein regelmässiges (wöchentliches) Handbike-Training unerlässlich. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.

Giro Suisse 2024

Paracontact I Frühling 2024 29
Anmeldung und Informationen

Für Körper, Geist und Seele

Achtsamkeit üben und die eigene Stärke wahrnehmen, sich selbst erleben und Ruhe sowie Zufriedenheit finden – all das kann mit Yoga gelingen.

Von Simone von Rotz

Karin Roth ist ausgebildete Yogalehrerin und bietet auch Kurse für Personen im Rollstuhl an. Vor dieser Ausbildung hat sie 20 Jahre im Schweizer Paraplegiker-Zentrum SPZ als Pflegefachfrau und Pflegeexpertin gearbeitet.

Wie bist du zum Yoga gekommen?

Ich bin leidenschaftliche Surferin und habe in Camps auf der ganzen Welt häufig Yoga als Ergänzung zum Surfen praktiziert. Um die Muskeln nach dem Wellenreiten zu entspannen und zu dehnen, ist Yoga der optimale Ausgleich. Zurück in der Schweiz habe ich dann diverse Yogakurse besucht und verschiedene Stile ausprobiert.

Nun bietest du auch Yoga für Personen im Rollstuhl an. Wie kam es dazu?

Nachdem ich 2019 im SPZ aufhörte zu arbeiten, begann ich mit der Ausbildung zur Yogalehrerin. Ich überlegte, welche Zielgruppe ich mit meinem Angebot ansprechen möchte. Im Vordergrund stand der Gedanke, was mich auszeichnet und welche innere Haltung und Werte ich weitergeben will. Was ist mir besonders wichtig? Schnell war aufgrund meines beruflichen Hintergrundes klar, dass ich Menschen unterrichten möchte, die aufgrund ihrer körperlichen Konstitution vielleicht nicht eine reguläre Yogastunde besuchen (Personen im Rollstuhl, Senioren). Mich reizte es, eine Nische zu suchen. So entwickelte sich mein eigener Yogastil, das heisst meine Wortwahl, die Musik, die Flows sowie die einzelnen Asanas (Haltungen).

Weshalb sollte man Yoga machen?

Mein grösster Benefit und weshalb ich es so gerne mache, ist, dass ich sehe, wie es

den Leuten Spass macht, wie gerne sie wieder kommen und wie gut es ihnen tut, den eigenen Körper wahrzunehmen. Das ist das Schönste! Der Gewinn für die Teilnehmenden ist sicherlich, dass sie so richtig abschalten und loslassen können. Yoga fördert die Körperwahrnehmung und man lernt bewusst und tief zu atmen. Das hilft Energie wie auch Ruhe zu finden.

Worin unterscheidet sich Yoga für Teilnehmende im Rollstuhl?

Der offensichtlichste Unterschied ist, dass wir die Übungen im Rollstuhl sitzend und nicht auf dem Boden machen. Ich habe das Gefühl, dass die fliessenden Bewegungen einfacher und natürlicher sind, wenn die Personen im Rollstuhl sitzen bleiben. Am Boden ist man viel mit der Balance beschäftigt, so dass es schwierig ist, sich auf die Atmung zu konzentrieren und sich zu entspannen. Es gefällt mir, die Yogaübungen den einzelnen Bedürfnissen der Teilnehmenden anzupassen und Variationen

für eine Übung auszudenken, damit diese für alle möglich ist. Meine Arbeitserfahrung aus dem SPZ hilft mir dabei.

Wie sind deine Lektionen aufgebaut?

Da gibt es einen gewissen Ablauf, den man grundsätzlich immer einzuhalten versucht. Als Erstes gibt es eine Einstimmung, um im Moment anzukommen. Anschliessend machen wir oft Atemübungen, die den Körper zur Ruhe bringen. Danach kommt ein Schwerpunkthema, welches ich mit Abfolgen von Bewegungen (Flows) ansprechen möchte. Zum Schluss folgt die Entspannung. Dafür nehmen die Teilnehmenden häufig «Shavasana», eine Entspannungshaltung, ein.

UNSERE KURSE

Die SPV plant aufgrund der guten Resonanz auch 2024 wieder Yogakurse. Der erste startet am 26. Februar. Es können der ganze Kurs oder einzelne Kurstage vor Ort oder online besucht werden.

Informationen und Anmeldung

FREIZEIT INKLUSIVES YOGA
30 Paracontact I Frühling 2024

Nachtmensch mit sozialer Ader

Patrick Oberlin arbeitet im SPZ, wenn andere Feierabend haben – und engagiert sich bei der SPV: Er steht als Volunteer auf Reisen zur Verfügung.

Den Aufruf entdeckt er im Intranet und denkt: Das wäre etwas für mich. Die SPV sucht Laienpflegende, die Reisefreudige mit Tetraplegie betreuen. Patrick Oberlin meldet sich, weil er Lust auf Neues hat und darauf, Gutes zu tun. Er habe «eine soziale Ader», sagt er und findet: «Wenn ich jemandem helfen oder eine Freude machen kann, tue ich das gerne.»

Der 36-Jährige hat eine spannende Biografie. Nach einer Lehre als Bodenleger nimmt der Krienser diverse Temporärjobs an, er absolviert auch ein Praktikum als Kindererzieher. Der nächste Schritt in diesem Bereich wäre die Höhere Fachschule, aber unerwartet eröffnet sich eine attraktive Chance in der Sicherheitsbranche. Er entscheidet sich für diesen Zweig.

Als Abwechslung dient ihm jeweils der Mittwochnachmittag, an dem er sich als Animator für den Verein «Spieltraum» engagiert. Der Verein ermöglicht Kindern verschiedene Aktivitäten, die für sie kostenlos sind. Patrick Oberlin veranstaltet Papierflugzeugmeisterschaften oder Schnitzeljagden, ihm macht es Spass, den Kindern kurzweilige Stunden zu bieten.

2022 hat er das Bedürfnis, sich beruflich neu zu orientieren. Auf der Suche stösst er auf ein interessantes Inserat. Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) sucht jemanden für den Nachtdienst. Das heisst: Er ist

dann im Einsatz, wenn viele den Feierabend geniessen oder bereits schlafen. Für Patrick Oberlin steht ausser Frage: «Man muss der Typ dafür sein.»

Betriebsfeuerwehr und Besuchsdienst

Er bekommt den Zuschlag und ist seither in einer Institution tätig, über die er sagt: «Damit kann ich mich total identifizieren.» Im Nachtdienst schaut er zu Beginn auf einem Rundgang übers Campus-Gelände, dass alles in Ordnung ist, bevor er am Empfang des SPZ sitzt. Inzwischen ist er auch Teil der Betriebsfeuerwehr, gehört zum Team des Besuchsdienstes, und nun ist er auch noch leidenschaftlicher Volunteer bei der SPV.

Beim Sommerplausch 2023 erlebte er seine einwöchige Premiere in Basel, bei der es mit den Teilnehmenden unter anderem in den Europa-Park nach Rust ging und ein Graffiti-Workshop veranstaltet wurde. Weil der nächste Kurs für Laienpflegende erst nach dem Sommerplausch stattfand, machte er während seiner Arbeit im SPZ einen halbtägigen Seitenwechsel, bei dem ihm Pflegende verschiedene Ratschläge gaben und beispielsweise beibrachten, wie er beim Transferieren beistehen kann.

Für den 36-Jährigen fühlten sich die Tage in Basel nicht wie Arbeit an, es war ein Vergnügen. Zumal er einen jungen Mann betreute, der vieles selbstständig erledigte.

«Ich fühlte mich weniger als Pfleger, sondern mehr als Unterstützer», sagt Patrick Oberlin, «für mich war das insgesamt ein idealer Einstieg.»

Dankbar für den SPV-Rückhalt

Er ist ein Mensch, der zuhören kann, Interesse am Gegenüber zeigt, mit seiner kommunikativen Art rasch mit anderen ins Gespräch kommt und oft Freundschaften schliesst. Er hinterlässt Eindruck, und die positiven Feedbacks verhallen nicht. Für die Verantwortlichen der SPV bringt er ideale Voraussetzungen mit, um den Gruppenleiterkurs zu absolvieren, der ihn befähigt, einmal den Lead bei einer Reise zu übernehmen.

Er ist dankbar für den grossen Rückhalt bei der SPV und hat Lust, sein Engagement zu vertiefen. «Das ist eine Herzensangelegenheit», sagt er, «ich leiste Freiwilligenarbeit, profitiere aber auch, weil ich die Tage an schönen Orten auch geniessen kann. Es hat sich eine Win-win-Situation ergeben.» Und: «Falls ich einmal nicht mehr im SPZ arbeite, möchte ich der SPV treu bleiben, weil ich die ganze Sache cool finde.»

Sommerplausch Erster Einsatz

Wenn Patrick Oberlin eine Reise mitmacht, scheut er keinen Aufwand. Er stellt hohe Ansprüche an sich, weil es ihm ein Anliegen ist, niemanden zu enttäuschen: «Ich will meine Arbeit einfach gut machen.»

Begleiten Sie unsere Reisen spv.ch/freiwilligenarbeit

FREIZEIT Paracontact I Frühling 2024 31
FREIWILLIGENARBEIT

Plausch auf der Loipe –und daneben

Eine Gruppe verbrachte ein Wochenende in Lenk im Simmental beim Langlaufen und machte einen Abstecher in die Welt des Biathlonsports. Ein zentraler Faktor neben der sportlichen Anstrengung: der Spass.

Das Wochenende beginnt mit guter Laune. Pascal Boisset lacht gern und herzhaft, und so empfängt er an einem kalten Samstag die Teilnehmenden des Langlaufkurses der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) in Lenk im Simmental. «Der Spass steht über allem», sagt der Leiter, «wir wollen zusammen ein paar unbeschwerte Stunden verbringen.»

Boisset ist 51, gelernter Koch aus Orsières im Wallis, Skilehrer – und mittlerweile angestellt bei Handiconcept, einem Verein, der Menschen mit eingeschränkter Mobilität sportlich fördert. Menschen wie etwa Pierre-Henri Vulliens, für den der Sport schon immer eine bedeutende Rolle spielte.

Ein Talent im Schnee

Der 54-jährige Lausanner stürzte sich einst im Skeleton bäuchlings und kopfüber den Eiskanal hinunter. Er war auch Mitglied der Paragliding-Nationalmannschaft (C-Kader), mit der er im Februar 2023 in Südafrika trainierte. Dort verletzte er sich bei einem Unfall, wodurch er eine unvollständige Querschnittslähmung erlitt. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, sich einige Monate später über neue sportliche Optionen zu informieren. Ihm schwebte vor, bald wieder mit seiner Familie Ski fahren zu können.

Anfang November fuhr er zum ersten Mal mit einem Monoskibob und erwies sich als

Talent. Als er von diesem Langlaufkurs in Lenk hörte, meldete er sich an: «Ich suche immer nach neuen Herausforderungen und probiere Dinge aus, die ich noch nie gemacht habe.» Der Sport sei für ihn ein willkommener Ausgleich, erklärt der Geschäftsführer einer Sanitärfirma, der sich auf seine ersten Erfahrungen auf den Langlaufloipen freut: «Ich werde danach wahrscheinlich ziemlich müde sein.»

Hugo Müller, der Biathlon-Experte Die Gruppe bricht am Samstag bei Traumwetter zu einer ersten Runde auf. Es geht nicht darum, einen Wettkampf zu bestreiten, sondern ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Langlaufen funktioniert, was

32 Paracontact I Frühling 2024 ROLLSTUHLSPORT LANGLAUFKURS
Traumwetter in Lenk Teilnehmende und Leiter fanden ideale Bedingungen vor

zu beachten ist, um das Gleichgewicht zu behalten, wie die Stöcke einzusetzen sind, um optimal vorwärtszukommen.

Hugo Müller gehört in dieser Disziplin zu den Fortgeschrittenen, der Präsident des Rollstuhlclubs Zentralschweiz bestritt einst Biathlon-Wettkämpfe. Inzwischen ist er zwar nur noch hobbymässig aktiv, aber dank seiner Routine und der ausgefeilten Technik ist er mit bemerkenswertem Tempo unterwegs. «Es ist wunderbar!», ruft der 60-Jährige.

«Sport stärkt die Lebensfreude»

Und während er sich mit kräftigen Stössen davonmacht, gönnt sich Anne OtheninGirard im Schnee eine Pause. Die 62-Jährige aus Lausanne, die im Jahr 2000 als Seglerin an den Paralympics in Sydney teilnahm, sieht am Himmel mehrere Gleitschirme und jubelt ihnen spontan zu. «Sport ist gut für den Körper, aber auch gut für die Seele und die Moral», sagt sie, «Sport stärkt die Lebensfreude. Und man kann sich richtig verausgaben.»

Anne Othenin-Girard fühlt sich überaus wohl in der Gruppe, mit der sie das Wochenende im Berner Oberland verbringt. «Jeder kann sein, wie er ist», sagt sie, «die Beeinträchtigungen sind für niemanden ein Thema.» Vor einigen Jahren hat sie das Langlaufen entdeckt, besitzt einen eigenen Schlitten und möchte auch im kommenden Winter wieder Tage auf der Loipe erleben. Aber sie kann sich auch vorstellen,

Spass im Schnee und Konzentration am Schiessstand

sich in neuen Sportarten zu versuchen und so vielleicht auch neue Orte kennenzulernen: «Ich bin und bleibe ein neugieriger Mensch.»

Das kann auch Marc Glaisen von sich behaupten. In diesem Fall bezieht sich seine Neugier auf den Ort, an dem die zwei Langlauftage anstehen. «Seit 30 Jahren fahre ich regelmässig ins Obergoms, aber ich war noch nie in der Lenk», sagt der 55-Jährige aus Fribourg, «deshalb meldete ich mich an.» Und was hat er angetroffen? «Eine sehr schöne Umgebung. Was das Langlaufen angeht, kam mir die Lenk vor wie das Obergoms im Kleinformat.» Er kehrt begeistert nach Hause zurück – und gestärkt: «Die zwei Tage waren ein grosses Vergnügen und haben mir viel Energie gegeben.»

Der Genuss des Jüngsten

Und schliesslich ist da noch Dario Studer, ein Vertreter der jungen Generation. 20 ist der kaufmännische Angestellte aus Hauenstein SO und ein passionierter Sportler, der vor allem als Rollstuhl-Leichtathlet Ambitionen hat. Nun ist er zum zweiten

Mal an einem Kurs auf der Loipe dabei, als mit Abstand Jüngster, aber das spielt überhaupt keine Rolle. Dario Studer geniesst die körperliche Aktivität, aber auch den Austausch mit den anderen: «Das gemütliche Zusammensein ist ein wichtiger Teil solcher Wochenenden.» Darum kann er sich gut vorstellen, im kommenden Winter ein drittes Mal dabei zu sein: «Es war zwar anstrengend und gab Muskelkater, aber für mich war es ein perfektes Training.»

Wie stark der Zusammenhalt ist, zeigt sich auch im Schnee: Wenn jemand stürzt, braucht er oder sie nicht lange auf Hilfe zu warten. Entweder ist Pascal Boisset rasch zur Stelle oder aber Christian Indermühle und George Logie, seine zwei Helfer von Handiconcept. Und die sprachlichen Hürden, die zuweilen bei Teilnehmenden aus der Romandie und der Deutschschweiz auftreten können, werden mühelos überwunden. «Wir fanden immer einen Weg, um uns zu verstehen», sagt Hugo Müller.

Ein Apéro als Abrundung

Am Sonntagmorgen üben sich die Teilnehmenden im Biathlon – unter Anleitung von Hugo Müller. Er erklärt der Kollegin und den Kollegen den Ablauf, wie man also mit dem Schlitten auf die Matte vor dem Schiessstand fährt, zur Seite kippt und mit dem Luftgewehr auf die zehn Meter entfernte Scheibe zielt. Der Abstecher in die Welt des Biathlonsports lohnt sich, jedenfalls schwärmen alle in der Gruppe davon.

Als der Kurs am Sonntagnachmittag endet, geht es in der Unterkunft des Kurs- und Sportzentrums Lenk noch in die Verlängerung – das Wochenende runden die Beteiligten mit einem Apéro ab. «Es war grossartig», meldet Pascal Boisset, «das Wetter war top, die Gruppe cool – was will man mehr?»

Paracontact I Frühling 2024 33

CURLING

WM Mixed Doubles

Zum dritten Mal findet eine WM in der noch jungen Disziplin «Mixed Doubles» statt.

Das Duo Melanie Villars und Pierre-Alain Tercier vertritt die Schweizer Farben vom 10. bis 16. März an der World Wheelchair Mixed Doubles Curling Championship 2024 in Gangneung (KOR). Wir drücken die Daumen und wünschen «Gut Stein».

Informationen

Spielplan und Resultate

Kids Camp

Mit Professor Bummbastic experimentieren, hoch zu Ross über das SPZ-Gelände reiten und eine grossartige Zeit mit Freunden und Familie verbringen. Das alles kann man vom 15. bis 16. Juni am Kids Camp erleben.

Nebst viel Abwechslung und jeder Menge Spass in Nottwil findet in Zusammenarbeit mit den Bergbahnen Sörenberg ein inklusives Kinderfest auf der Rossweid statt.

SPORTSCHIESSEN

Informationen und Anmeldung

EM 2024 in Spanien

Die südspanische Stadt Granada ist vom 30. Mai bis 7. Juni zum ersten Mal Austragungsort der EM Sportschiessen.

Die Titel der besten Europäer*innen werden in allen Disziplinen mit den Sportgeräten Luftgewehr und Luftpistole vergeben. Zusätzlich erfolgt die Vergabe der letzten Quotenplätze für Paris 2024.

In den gleichen Anlass integriert der Veranstalter die WM der aufstrebenden Disziplin Tontaubenschiessen. Diese ist noch nicht Bestandteil des paralympischen Sportprogramms. Die Selektion der Schweizer Delegation für die EM wird durch Swiss Paralympic im Frühling vorgenommen, diejenige der WM erfolgt durch Rollstuhlsport Schweiz.

NLR-EXPERTENGRUPPE

Ernährungsexpertin Wilma Schmid

Geballtes Wissen an einem Ort. Die Experten des Nationalen Leistungszentrums für Rollstuhlsport (NLR) begleiten unsere Athlet*innen auf dem Weg an die Spitze. Expertin Wilma Schmid hilft in Sachen Sporternährung.

Bei der Sportmedizin Nottwil seit?

Bereits einmal von 2012 bis 2015 und seit 2021 wieder.

Deine Aufgabe im NLR?

Ich bin Ansprechperson für alle Fragen, Probleme oder Anliegen im Bereich Sporternährung.

Deine Lieblingstätigkeit im Job?

Die individuelle Beratung von Athlet*innen unter Einbezug von medizinischen, athletischen sowie persönlichen Faktoren wie Essbiografie, Geschmacksvorlieben oder Alltag.

Was ist deine Superpower? B + B: Biberli und Berge.

Deine Lieblings-App?

SLF Lawinen-App White Risk und Meteo Schweiz.

ROLLSTUHLSPORT 34 Paracontact I Frühling 2024
BREITENSPORT

TENNIS

World Team Cup

Wie im vergangenen Jahr nimmt die Schweiz an den europäischen Qualifikationen zum Tennis World Team Cup teil.

Die Qualifikation findet vom 13. bis 17. März in Jurmala (LVA) statt. Das Frauen-Team, das im letzten Jahr den Sieg nach Hause genommen hat, wird bestrebt sein, die Leistung zu wiederholen und sich für die Finals in der Türkei (7. bis 12. Mai) zu qualifizieren. Das Männer-Team verfolgt das Ziel, das Ergebnis von 2023 (10. Platz) zu verbessern.

RUDERN

Regatta in Szeged (HUN)

Die Schweizer Para-Ruderin Claire Ghiringhelli kämpft an der EM in Ungarn um einen der sieben Quotenplätze für Paris 2024.

Claire Ghiringhelli musste im August 2023 aus gesundheitlichen Gründen auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft verzichten. Nun hat sie vom 25. bis 28. April an der EM in Ungarn die nächste grosse Chance, einen Quotenplatz für die Paralympischen Spiele zu holen.

Die in Paris wohnhafte A-KaderAthletin bereitet sich aktuell mit Indoor-Rowing-Wettkämpfen auf die im März beginnende Outdoorsaison vor und wird am 2. März als Standortbestimmung die Schweizer Meisterschaften bestreiten.

LEICHTATHLETIK

WM in Japan

Kobe ist zum ersten Mal Gastgeber einer Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Vom 17. bis 25. Mai 2024 misst sich die Weltelite in Japan.

Neben zahlreichen internationalen Wettkämpfen bietet die WM in Japan den Leichtathlet*innen eine weitere Möglichkeit, auf höchstem Niveau Wettkämpfe zu bestreiten. Gerade im Hinblick auf die Paralympics in Paris ist dies ein guter Formtest. Am Start werden rund 1300 Athletinnen und Athleten aus 100 Ländern sein. Zudem werden viele Teilnehmende aus Asien und Ozeanien erwartet, die oft den

weiten Weg an Titelwettkämpfe in Europa oder Events wie die ParAthletics nicht auf sich nehmen. Unsere Schweizer Leichtathletik-Cracks erhalten die Möglichkeit, sich mit der asiatischen Konkurrenz zu messen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

Die Schweiz erhofft sich im Idealfall einen weiteren Quotenplatz und möglichst viele «High Performance Standards», sprich schnelle Zeiten. Mitte April entscheidet die Selektionskommission von Swiss Paralympic, wer die Schweiz an den Para Athletics World Championships 2024 in Kobe vertreten wird.

BOGENSCHIESSEN

Letzte Chance

Vor 24 Jahren nahm das Schweizer Rugbyteam das letzte Mal an den Paralympics teil.

Mit einem dritten Rang am WWR Paralympics Qualification Tournament im neuseeländischen Wellington (20. bis 24. März) könnte sich das Team einen der letzten drei begehrten Plätze für Paris 2024 sichern. Bereits qualifiziert sind Frankreich, Grossbritannien, Dänemark, Japan und die USA. Neben der Schweiz kämpfen sieben weitere Nationen um den Platz.

EM in Rom

Nach 2022 ist Rom zum zweiten Mal Austragungsort der EM Bogenschiessen.

Es geht um viel! Neben den Europameistertiteln werden in der italienischen Hauptstadt zehn Quotenplätze für die Paralympischen Spiele Paris 2024 vergeben. Das OK rechnet mit rund 100 Teilnehmenden, die am Titelwettkampf vom 20. bis 26. Mai starten. Die Selektion der Schweizer Delegation erfolgt Anfang April.

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RUGBY
#Bewegungsfreiheit bedeutet für mich Unabhängigkeit! Mich trotz Handicap möglichst selbständig fortbewegen zu können.
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Sport für alle

Drei Ebenen zur Förderung verschiedener Sportarten während allen vier Jahreszeiten. Das Beispiel Tessin zeigt auf, wie es geht.

Von Davide Bogiani

Winter, Frühling, Sommer und Herbst. Im Tessin wie auch in anderen Sprachregionen der Schweiz finden Angebote für verschiedene Sportarten während allen vier Jahreszeiten statt. Die Angebote von Rollstuhlsport Schweiz (RSS) lassen sich in drei grosse Bereiche gliedern.

Ebene 1: Angebote von RSS

Die erste Ebene umfasst Aktivitäten, die von RSS direkt organisiert und durchgeführt werden. Im Tessin gibt es zwei polysportive Angebote: das Sport- und Freizeitcamp «move on» und der Kids Day. Beide Angebote finden im Sportzentrum Tenero statt. Im «move on» können die Teilnehmenden neue Sportarten näher kennenlernen und sich untereinander austauschen. Diese Plattform wird jedoch nicht nur von den Teilnehmenden selbst, sondern auch von deren Begleitpersonen genutzt.

ANGEBOT

Nächstes «move on»

7. bis 9. Juni 2024 im Sportzentrum Tenero

Der Kids Day wird ebenfalls von RSS organisiert und zielt darauf ab, Kinder spielerisch an den Sport heranzuführen. Indirekt hat sich über die Jahre hinweg ein Netzwerk unter den Eltern entwickelt, das zu neuen Angeboten für Kinder geführt hat, wie beispielsweise die Gründung eines Powerchair-Hockey-Teams.

Auch in der Wintersaison wird im Tessin Sport betrieben. In Airolo bietet RSS zweitägige Monoski- und Dualski-Kurse an. Die Teilnehmenden können entweder ein Wochenende im Dualskibob geniessen oder im Monoski die Grundlagen für das eigenständige Skifahren erlernen. Vor Ort sind Lehrpersonen der Swiss Ski School Lugano, welche sich im Laufe der Jahre auf den Unterricht für Rollstuhlfahrer spezialisiert haben. Das Material wird teilweise von der Tessiner Skischule selbst organisiert oder durch das Zentrum Sörenberg zur Verfügung gestellt. Der letzte Kurs in Airolo fand am 3. und 4. Februar 2024 statt.

Ebene 2: Angebote von Partnern

Die Active Motion Days (AMD) sind einzelne Sporttage, welche von regionalen Partnern aus der ganzen Schweiz durchgeführt werden. Während RSS die Finanzierung trägt, läuft die Organisation über unsere Partner. Der aktuelle Partner im Tessin ist der Verein Ti-Rex, der einen Mountainbike-Tag in Airolo anbietet.

ANGEBOT

Mountainbike-Tag Samstag, 6. Juli 2024 in Airolo

Um AMD-Partner zu werden, müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Sie sind interessiert, Active Motion Days anzubieten? Gerne schauen wir mit Ihnen die Möglichkeiten an (rsf@spv.ch).

Ebene 3: Angebote von Clubs

Unsere 27 Rollstuhlclubs gehen mit ihren sportlichen Aktivitäten auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder auf lokaler und regionaler Ebene ein. Damit bieten die Rollstuhlclubs ein umfangreiches wöchentliches Programm in verschiedenen Disziplinen und über das ganze Jahr hinweg. Für den Sportverantwortlichen von GP Ticino, Damiano Zemp, bedeutet Sporttreiben nicht nur sich gesundheitlich und mental zu stärken, sondern auch die sozialen Aspekte zu fördern.

Letztendlich funktionieren unsere Sportangebote nur dank gut ausgebildeten Leiter*innen. Falls Sie interessiert sind, einen Kurs im Tessin zu besuchen, geben wir Ihnen gerne Auskunft (education@spv.ch).

ROLLSTUHLSPORT Paracontact I Frühling 2024 37 BLICK INS TESSIN
Dualski auf den Pisten in Airolo

Hauptprobe für die Paralympischen Spiele

Die Weltelite der Para-Leichtathleten kommt vom 6. bis 9. Juni 2024 nach Nottwil, um sich zu messen. Für Marcel Hug, Catherine Debrunner und Manuela Schär ist es eine wichtige Standortbestimmung für die anstehenden Paralympics in Paris.

Rund 350 Topathletinnen und Topathleten aus der ganzen Welt treten bei den ParAthletics an. Sie alle wollen mit dem Erreichen der sogenannten «High Performances Standards» letzte Quotenplätze für die Spiele in Frankreich sichern. Gleichzeitig wollen sie sich mit guten Ergebnissen für die nationale Selektion empfehlen. Für die Aushängeschilder der Schweiz ist es der letzte grössere Wettkampf vor den Paralympics. Umso erfreulicher ist es, dass die relevante Konkurrenz mit von der Partie ist.

Spannung bei den Schweizer Frauen Catherine Debrunner war die Überfliegerin der letzten ParAthletics mit einer beeindruckenden Bilanz: fünf Starts, fünf Siege, davon zwei mit neuem Weltrekord! Und das innert drei Tagen. Wo die Klassen T54 und T53 zusammengelegt wurden, lieferte sie sich harte Duelle mit Manuela

Schär, konnte diese aber jeweils für sich entscheiden. Manuela Schär, die 2022 und Anfang 2023 eine längere verletzungsbedingte Pause einlegen musste, zeigte sich dennoch zufrieden. Ein Sieg über 400 Meter, je ein zweiter Platz über 800 und 1500 Meter sowie ein dritter Platz über 5000 Meter waren unter diesen Umständen eine hervorragende Leistung.

Die WM in Paris im letzten Juli bestätigte die spannende Ausgangslage. Catherine Debrunner kehrte mit vier goldenen und einer silbernen Medaille und Manuela Schär mit zwei goldenen und zwei silbernen Medaillen zurück. Die Zeichen stehen also gut, dass wir beim Heimwettkampf erneut hochspannende Rennen sehen werden.

Einsame Spitze bei den Männern

Der als «Silver Bullet» bekannte Marcel Hug übertraf 2023 die Erwartungen. Wie Catherine Debrunner blieb auch der Nottwiler am Heimmeeting ungeschlagen und durfte zwei neue Weltrekorde feiern. Oft liess er die Konkurrenz schon zu Beginn der Rennen stehen und blieb bis zur Ziellinie unangefochten. Und auch er bestätigte im Juli sein Formhoch mit drei Goldmedaillen an der WM in Paris. Es wird sich zeigen, ob die Konkurrenz inzwischen ihre Hausaufgaben gemacht hat und im Hinblick auf die Paralympics näher an den Topathleten heranrückt.

Die Schweiz hat noch andere Podestanwärter. In der Klasse T52 liegt das Augen-

RAHMENPROGRAMM

Die Wettkämpfe können wie immer kostenlos besucht werden. Es ist eine gute Gelegenheit, die Stars des Parasports von nächster Nähe zu erleben. Die Gastwirtschaft sorgt dafür, dass niemand hungrig oder durstig bleibt. Für Familien mit Kindern gibt es am Samstag und Sonntag eine Hüpfburg und eine Kletterwand.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Mehr unter www.parathletics.ch.

merk auf Fabian Blum, der in Paris eine Silbermedaille und einen Quotenplatz für die Schweiz holte, und dem Routinier Beat Bösch. Auch Patricia Eachus sicherte einen Quotenplatz und muss nun ihre Leistung bestätigen. Weiter ist Alexandra Helbling oder Licia Mussinelli ein Exploit zuzutrauen. Andreas Heiniger, Leiter Leistungssport der SPV, ist gespannt auf die Ergebnisse des gesamten Kaders: «Das Niveau der Schweizerinnen und Schweizer ist mehr als beeindruckend. Ich habe ein gutes Gefühl für das paralympische Jahr 2024 und insbesondere die ParAthletics. Nach den Wettkämpfen in Nottwil wissen wir nicht nur, wie viele Quotenplätze wir für die Schweiz erhalten, sondern auch, wo die Einzelnen im Vergleich zu ihren Rivalen stehen.»

38 Paracontact I Frühling 2024 PARATHLETICS 2024
ROLLSTUHLSPORT
Fünf Siege für Catherine Debrunner

Gemeinsames Ziel Paris

Paris ist die Stadt der Liebe – 2024 steht für Ilaria Renggli und Fabian Blum die Liebe für den Sport im Vordergrund mit dem grossen Traum: die Paralympics.

Die Aargauerin Ilaria Renggli ist momentan die Nummer vier der Welt, im Doppel zusammen mit Cynthia Mathez sogar die Nummer zwei. Eine Top-Ausgangslage, um ins Paralympics-Jahr zu starten. Der Luzerner Fabian Blum konnte an der Leichtathletik-WM 2023 in Paris mit einem Podestplatz ein Ausrufezeichen setzen. Somit ist das Ziel der Paralympics-Selektion auch für ihn in unmittelbarer Sichtweite. Für beide heisst es gleich zum Jahresstart: Vollgas geben.

Wie seid ihr ins Paralympics-Jahr gestartet?

Ilaria: Die Weihnachtspause hat gutgetan und war erfrischend. Nun bin ich gut in eine erste intensive Zeit gestartet mit der Vorbereitung auf die WM in Thailand im Februar. Diese ist das letzte Qualifikationsturnier für die Paralympics. Es geht darum, einen der begehrten zwei Plätze auf der Setzliste zu ergattern, um so beim paralympischen Turnier möglichst lange den TopSpielerinnen aus Peru, Asien und der Türkei aus dem Weg gehen zu können.

Fabian: Nach einem kurzen Urlaub konnte ich gleich auf meinem soliden Training vom Herbst aufbauen und mit dem Trainingslager in Teneriffa erste Reize setzen. Aussentrainings sind für mich auch im Winter wichtig, da ich nicht der IndoorTyp bin.

Wie sieht euer Masterplan fürs 2024 aus, wenn ihr frei wünschen könntet?

Ilaria: Natürlich ist das grosse Ziel, für die Spiele in Paris selektioniert zu werden. Da-

zu wollen wir unsere super Ausgangslage im Doppel nutzen (Weltrangliste Nr. 2). Weiter will ich ein gutes erstes Halbjahr spielen, in dem ich auch die Gegnerinnen bezwingen kann, gegen die ich bislang knapp verloren habe.

Fabian: Ich will an der WM im japanischen Kobe im Mai bereits gute Leistungen zeigen und diese als Sprungbrett für die Paralympics nutzen. Für die Paralympics habe ich mir nicht viel vorgenommen, aber vielleicht gelingt mir eine Überraschung.

Wo seht ihr das grösste Verbesserungspotenzial in der Vorbereitung?

Ilaria: Ich arbeite daran, flexibler zu werden in meinem Spiel und öfters selbst das Spiel zu diktieren. In der aggressiveren und offensiveren Spielweise sehe ich daher das grösste Potenzial, mich auf der Zielgeraden nach Paris zu steigern.

Fabian: Auf der zweiten Hälfte des 100Meter-Sprints liegt noch grosses Potenzial brach. Den Start habe ich bereits im Griff. Über 400 Meter bin ich noch ein Frischling und kann mich stark verbessern, was dann auch mein Stehvermögen im Hunderter positiv beeinflusst.

Wie sieht euer Umfeld aus, das euch auf eurem Weg unterstützt?

Ilaria: Marc Lutz ist als Trainer eine meiner wichtigsten Bezugspersonen, aber natürlich auch mein Trainingspartner Luca Olgiati, Cynthia Mathez als meine Doppelpartnerin sowie der weitere Staff von Athletiktrainer bis zu den Sparringpartnerinnen. Finanziell ist die Unterstützung

von RSS, der Spitzensportförderung der Armee sowie der Schweizer Sporthilfe unerlässlich, um professionell trainieren zu können.

Fabian: Meine Partnerin unterstützt mich extrem. Sie ist mein Ruhepol, ausserdem zieht meine ganze Familie mit – Bruder, Eltern, Götti – einfach alle.

SCHNELLFEUER

Angriff total oder taktieren?

Ilaria: Im Moment noch taktieren. (lacht)

Fabian: All-in, ist doch klar als Sprinter!

Jubel, Trubel oder lieber chillen auf dem Sofa?

Ilaria: Chillen auf dem Sofa. Es ist sonst schon viel los mit den ganzen Trainings.

Fabian: Chillen auf dem Sofa als Gegenpol zum Sprint.

Movie versus Musik

Ilaria: Musik, alles querbeet oder dann selber Musik machen (Ilaria spielt Klarinette bei der Musikgesellschaft Suhr).

Fabian: Definitiv Musik!

ROLLSTUHLSPORT Paracontact I Frühling 2024 39 PARALYMPICS 2024
Voller Fokus Ilaria spielt geduldig Exploit geschafft WM-Silber für Fabian

Together We Ride

2024 ist Zürich Schauplatz einer sporthistorischen Premiere. Die UCI-Rad- und Para-Cycling-Strassen-WM wird ein inklusiver Grossanlass – auf und neben der Strasse.

Von Andreas Herren, Kommunikationsverantwortlicher Zürich 2024

Mit der erstmaligen vollumfänglichen Integration der Para-Cycling-Strassen-Weltmeisterschaften in die Rad-WM «befahren» Stadt und Kanton Zürich zusammen mit Swiss Cycling Neuland. Para-Cycling-Strassenrennen erfordern zwar eine ähnliche Planung wie Strassenrennen für nicht behinderte Athletinnen und Athleten. Länge, Höhenprofile und Marschtabellen bedingen indes ein umfassendes Spezialwissen. Mit dem ehemaligen Spitzensportler und mehrfachen Paralympics-Medaillengewinner Tobias Fankhauser hat das Lokale Organisationskomitee (LOK) Zürich 2024 für diesen Bereich einen ausgewiesenen Fachmann als Senior Manager Para-Cycling in seinen Reihen.

Nachhaltigkeitsstelle sorgt auch für Inklusion Kongeniale Partnerin von Tobias Fankhauser ist Fabienne Dirksen-Reuteler. Als Nachhaltigkeitsverantwortliche ist sie unter anderem dafür verantwortlich, ein möglichst barrierefreies Eventerlebnis für Athletinnen und Athleten sowie Zuschauende zu schaffen. Dazu führte sie zahlreiche Gespräche mit Menschen mit Behinderung, mit der Inklusionsstelle der Stadt Zürich und des Kantons, um deren Vorstellungen, Anregungen, Ideen und Wünsche ins Konzept einfliessen zu lassen. Zudem arbeitet das LOK mit dem Verein Sitios zusammen, der mit ginto eine App betreibt,

Lust an der WM dabei zu sein?

Jetzt als Volunteer anmelden

auf der Informationen über die Zugänglichkeit von Gebäuden und Mobilitätsangeboten ausgetauscht werden können.

Hosted Areas mit modularen Sitzbereichen

Weitere Innovation: Zürich 2024 wird mit sogenannten «Hosted Areas» aufwarten. Dank einem einfachen modularen System mit Sitzblöcken sollen für Menschen mit

ZÜRICH 2024

Die «Nabe» der Radwelt

Die UCI-Rad- und Para-CyclingStrassen-Weltmeisterschaften Zürich 2024 werden vom 21. bis 29. September 2024 im Kanton und in der Stadt Zürich ausgetragen. An der neuntägigen Sportgrossveranstaltung mit globaler Ausstrahlung werden inklusive der Para-Cyclists die besten 1300 Fahrerinnen und Fahrer aus mehr als 75 Ländern teilnehmen.

Die UCI-Strassen-Weltmeisterschaften und die UCI-ParaCycling-Strassen-Weltmeisterschaften finden jährlich, aber üblicherweise getrennt statt. 66-mal werden Siegerinnen und Sieger in unterschiedlichsten Disziplinen das begehrte Regenbogentrikot überstreifen dürfen.

Weitere Informationen zurich2024.com

Behinderung Plätze nach ihren Bedürfnissen zusammengestellt werden. Wenn beispielsweise eine Person im Rollstuhl die Siegerehrung verfolgen möchte, kann sie mit ihrem Begleiter oder ihrer Begleiterin in einen frei zugänglichen Bereich fahren. Die Begleitperson erhält eine zusätzliche Sitzgelegenheit in Form eines Sitzwürfels, der je nach Bedürfnis flexibel von einem Ort zum anderen verschoben werden kann.

Volunteering mit neuem System

Neben dem Ziel, ein barrierefreies Eventerlebnis sicherzustellen, rangiert die Integration von Volunteers mit Behinderung ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste. Dazu wurde ein neues System in Zusammenarbeit mit Swiss Volunteers geschaffen. Dies ermöglicht es Menschen mit und ohne Behinderung, sich für die Freiwilligenarbeit an der UCI-Rad- und ParaCycling-WM anzumelden und Teil des Eventteams zu werden.

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ROLLSTUHLSPORT CYCLING-WM
Sitzmodule im Zuschauerbereich Radelite auf Zürichs Strassen

Übers Ohr direkt ins Herz

Die Schweizer ParaplegikerGruppe hat seit Mitte Januar ihren eigenen UnternehmensPodcast namens «Querschnitt», intern produziert von drei Podcasterinnen der Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

In der ersten Staffel erzählen Betroffene in 15- bis 20-minütigen Folgen ihre Geschichten und beleuchten das Thema Querschnittlähmung von allen Seiten. Ehrlich. Authentisch. Emotional. Und informativ. Stets mit dem Ziel, noch mehr Menschen über die Thematik aufzuklären und so zu einer noch inklusiveren Gesellschaft beizutragen.

Es sind Geschichten, die schon einmal in Form von Videoreportagen veröffentlicht worden sind – und nun im neuen Format Podcast einem noch grösseren Publikum zugänglich gemacht werden.

Der Podcast «Querschnitt» ist auf allen gängigen AudioStreaming-Plattformen verfügbar. Wir wünschen viel Spass beim Hören!

Weitere Informationen www.paraplegie.ch/ podcast

Skilager

Alljährlich veranstaltet Swiss Ski vom 2. bis 8. Januar ein Schneesportlager für Jugendliche im Alter von 13 bis 14 Jahren.

600 Skibegeisterte reisen dafür aus der ganzen Schweiz in die Lenk. Unter ihnen sind stets auch zwei Jugendliche mit dem Monoskibob. 2024 fuhren Viola und Noemi ins JUSKILA und erlebten eine ereignisreiche Lagerwoche voller rasanter Pistenabfahrten und vielen neuen Bekanntschaften. Rollstuhlsport Schweiz stellte die entsprechenden Skilehrer, damit die beiden optimal begleitet wurden.

POLITIK

Kein nationaler Tag für Angehörige

Mit einer Motion forderte Pierre-Yves Maillard (SP) einen «nationalen Tag der betreuenden Angehörigen». Damit sollte das grosse Engagement von betreuenden Angehörigen gewürdigt werden. Nachdem das Anliegen im Nationalrat noch erfolgreich war, entschied der Ständerat in der Wintersession mit 24 zu 15 Stimmen dagegen (4 Enthaltungen). Betreuende Angehörige leisten unschätzbare Unterstützungsarbeit für ihr Umfeld. In den Westschweizer Kantonen sowie bald auch im Tessin, in Graubünden und Bern wird der Tag wenigstens auf kantonaler Ebene gefeiert.

BEHINDERTENRECHTE Nationale Aktionstage

Tabellenlöhne

Bei Versicherten, deren Invalideneinkommen (Einkommen mit Behinderung) gestützt auf statistische Löhne der Lohnstrukturerhebung (LSE) bestimmt wird, wird neu auf dem Tabelleneinkommen ein pauschaler Abzug von 10 % berücksichtigt. Der Bundesrat hat eine entsprechende Änderung per 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt. Die Erhöhung des Pauschalabzugs kann dazu führen, dass sich der Invaliditätsgrad und damit der Rentenanspruch erhöhen. Aus diesem Grund sind laufende Renten, die vor dem 1. Januar 2024 entstanden sind, von Amtes wegen einer Revision zu unterziehen.

Vom 15. Mai bis 15. Juni 2024 finden in der ganzen Schweiz Aktionen statt, die einen Beitrag zur Umsetzung der UNOBehindertenrechtskonvention leisten. Der Start markiert das 10-jährige Jubiläum der UNOBRK, die am 15. Mai 2014 in der Schweiz in Kraft trat. Der Auftakt findet im Kanton Zürich statt, die Abschlussfeier am 15. Juni im Kanton Genf. Das Projekt wird vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren unterstützt.

Weitere Informationen zukunft-inklusion.ch

42 Paracontact I Frühling 2024 VERMISCHTES
PODCAST
IV

ROLLSTUHLSPORT

Swiss Paralympic Night

Swiss Paralympic ehrte am 9. Dezember die 19 erfolgreichsten Para-Sportler*innen des Jahres.

Unter den Geehrten fanden sich auch zahlreiche Athletinnen und Athleten von Rollstuhlsport Schweiz. So wurden Catherine Debrunner, Manuela Schär, Marcel Hug und Fabian Blum für ihre Podestplätze an

der Leichtathletik-WM in Paris gewürdigt. Geehrt wurde auch das Rollstuhl-Badminton-Team um Cynthia Mathez, Ilaria Renggli, Luca Olgiati, Marc Elmer und Lars Porrenga für die Medaillen an den European Para Championships. Darüber hinaus wurden stehende Athletinnen und Athleten ausgezeichnet, die 2023 mit ihren Leistungen beeindruckten.

GESELLSCHAFT

Armutsgefährdung

Menschen mit Behinderung waren 2021 stärker armutsgefährdet als die übrige Bevölkerung und nahmen häufiger externe finanzielle Unterstützung in Anspruch.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichte Ende November Gleichstellungsindikatoren basierend auf Daten des Jahres 2021. 2021 waren 16- bis 64-jährige Personen mit Behinderung stärker armutsgefährdet als die übrige Bevölkerung. 16 % von ihnen lebten in einem Haushalt, dessen verfügbares Einkommen unter 60 %

des Schweizer Medianeinkommens lag. In der übrigen Bevölkerung belief sich dieser Anteil auf 10 %. Dabei waren nahezu drei Viertel der Menschen mit Behinderung (73 %) im Jahr 2021 erwerbstätig. Die Armutsgefährdung steigt mit zunehmendem Grad der Behinderung.

Medienmitteilung des BFS

«Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2021» www.bfs.admin.ch

RECHT

Behindertenrechtegesetz Baselland

Das Baselbieter Behindertenrechtegesetz definiert seit Anfang 2024 die für den Kanton massgeblichen Grundsätze der Behindertenrechte. Neu wird sich eine kantonale Anlaufstelle für die koordinierte und kontinuierliche Umsetzung der Behindertenrechte im Kanton einsetzen. Sie berät bei Bedarf auch die Gemeinden zu Fragen der Behindertenrechte.

Jede berechtigte Person mit eingeschränkter Mobilität kann pro Jahr eine Beteiligung an bis zu 240 Fahrten in Anspruch nehmen. Zudem wird der Selbstbehalt per 1. Februar 2024 reduziert. Verschiedene Massnahmen sollen den Zugang von Menschen mit einer Behinderung zu öffentlichen Bauten, zu Kultur, Bildung, Arbeit oder politischen Rechten verbessern oder ermöglichen.

JUBILÄUM

Kultur inklusiv

Am 4. Dezember 2023 feierte Kultur inklusiv, die Fachstelle für inklusive Kultur, im Zentrum Paul Klee in Bern ihr achtjähriges Bestehen.

Die über 120 Gäste aus der Schweiz, darunter Labelpartner und Kulturinstitutionen, tauschten sich über nachhaltige Inklusionsmassnahmen aus.

Zur Fachstelle kulturinklusiv.ch

Paracontact I Frühling 2024 43

Merken die Leute das überhaupt?

Jeannette Schühle trägt als Präsidentin des RC Zürich seit 2010 die Verantwortung.

Nun möchte sie ihr Amt abgeben. Die 57-Jährige spricht über die mangelnde Bereitschaft der Mitglieder, sich im Vorstand zu engagieren, und ihre Deadline.

Die Leidenschaft dringt im Gespräch immer wieder durch. Jeannette Schühle redet über eine Rolle, die ihr viel bedeutet, aber auch viel abverlangt – und die sie nun abgeben möchte: Sie ist seit 2010 Präsidentin des Rollstuhlclubs Zürich.

Helfen, unterstützen, eine Lücke schliessen: Für die 57-Jährige war das immer eine Selbstverständlichkeit. Aber das Feuer lodert nicht mehr wie früher. Nach unzähligen Extrameilen, die sie bewältigt hat und die Kraft gekostet haben, hält sie die Zeit für mehr als reif, den Posten zu räumen. Im Stich lassen will sie zwar niemanden, darum stellt sie sich für zwei weitere Jahre zur Verfügung. Allerdings ist sie inzwischen so weit, dass sie sagt: «2026 ist Schluss. Definitiv.»

«Ich stelle mich ein letztes Mal für zwei Jahre zur Verfügung.»

Jeannette Schühle, die ohne Beine zur Welt kam und seit 1992 mit RCZ-Gründungsmitglied Daniel Schühle verheiratet ist, rüttelt mit sachlichen Voten auf und versucht zu animieren: «Ich kann niemanden verknurren, aber ermuntern, doch einmal bei uns vorbeizuschauen und sich ein Bild zu machen, was wir im Vorstand tun.»

Jeannette, fällt es dir schwer, Nein zu sagen?

Es kommt darauf an, worum es geht. Bei sozialen Geschichten, bei Themen wie Hilfe anbieten, sage ich Ja, da kann ich fast nicht Nein sagen. Wenn mir mein Bauchgefühl aber signalisiert, dass ich es lieber sein lasse, bin ich schon auch konsequent.

Was verstehst du unter sozialen Geschichten?

In diesen Bereich fällt einiges: Mitgefühl, Nöte von Mitmenschen, Anliegen, die auch mich betreffen können, um nur ein paar Dinge zu nennen.

Hast du immer ein offenes Ohr für Menschen, die sich mit irgendeiner Sorge bei dir melden?

Gelegentlich sieht das ganz danach aus. Ich glaube, dass man sich auf mich verlassen kann, und man weiss, dass ich versuche, Unterstützung zu leisten, so gut ich das kann.

Woher kommt diese soziale Einstellung und auch die Lust, anderen zu helfen?

Ich kam mit vier Jahren in ein Kinderheim und wuchs vornehmlich in solchen Institutionen auf. Mit dieser Zeit verbinde ich unter anderem die Erinnerung an einen Buben, der ohne Beine und Arme geboren worden ist und mich mit seiner Art sehr beeindruckte. Vermutlich wuchs dadurch

in mir das Bedürfnis, Schwächeren beizustehen. Ich hatte früh den Drang, für Gerechtigkeit zu sorgen, wenn ich den Eindruck hatte, dass jemand benachteiligt wird.

Du bist ohne Beine zur Welt gekommen. Dachtest du nie: Wer kümmert sich eigentlich um mich?

Ich entwickelte früh das Bewusstsein: Gemessen an allen Umständen geht es mir gut. Ich fand immer einen Weg, das Positive zu erkennen und mich daran zu orientieren. Ich hadere zwischendurch sicher auch mit den Grenzen, die sich nicht verschieben lassen, aber grundsätzlich bin ich dankbar und zufrieden.

Hattest du nie den Traum, laufen zu können?

Doch. Ich stellte mir oft die Frage: Wie fühlt sich wohl das Laufen an? Wie ist es, intakte Beine zu haben? Ich träumte auch immer wieder davon, Ballett zu tanzen und mich mit dem Körper auszudrücken. Ich bin total fasziniert und berührt von Artisten, die genau das tun, und stelle mir das als etwas sehr Schönes vor. Auch heute noch. Aber es sind keine Gedanken, die in Selbstmitleid münden. Mich nähme es einfach wunder, wie es ist. Und wenn ich zum Beispiel in einer Vorstellung des Cirque du Soleil sitze, tauche ich ein Stück weit in dieses Traumland ein.

44 Paracontact I Frühling 2024 IM GESPRÄCH
FOKUS

Du bist Präsidentin des Rollstuhlclubs Zürich, langsam amtsmüde und möchtest dich zurückziehen. Warum tust du das nicht einfach?

Weil es mir eben gar nicht so leichtfällt (schmunzelt). Ich habe Mühe zu sagen: He Leute, jetzt bin ich an erster Stelle, schaut selber, wie es weitergeht, ich lasse euch vom Vorstand im Stich. Für mich ist klar: Ich will das Amt sauber abgeben. Und sauber heisst, dass die Person, die übernimmt, es auch ernst meint. Es ist mir wichtig, dass jemand sagt: Jawohl, ich will das machen. Darum würde ich es jetzt nicht schaffen, mich per sofort zu verabschieden. Ich bin irgendwie unverbesserlich. Und gutmütig. Etwas anderes passt nicht zu mir. Wenn ich mich in dieser Hinsicht auf einmal anders verhalte, ist das nicht mehr Jeannette.

Du steckst nun aber in einem ziemlichen Dilemma …

in einem persönlichen, ja. Gleichwohl mache ich einen Prozess durch.

Was bedeutet das?

In diesem Jahr stehen Wahlen an, und ich werde an der Generalversammlung erklären: Ich stelle mich ein letztes Mal für zwei Jahre zur Verfügung, dann ist Schluss. Definitiv. Ich spiele euch jetzt den Ball zu, jetzt müsst ihr dafür sorgen, dass jemand die Lücke schliesst. Es ist für mich die einzige Möglichkeit, mit diesem Limit klarzumachen, dass ab 2026 jemand anders den Club präsidieren muss. Ich muss mit mir richtig streng sein. Aber ich habe keine Wahl, weil ich spüre, wie sehr mir das Ganze an die Substanz geht und für mich sowohl physisch als auch psychisch eine Belastung darstellt. Verschiedene Faktoren haben Einfluss auf meine Zufriedenheit. Ich bin kein Übermensch, nicht alles prallt an mir ab.

Was konkret macht dir zu schaffen? Es soll überhaupt nicht anklagend rüberkommen. Fakt ist: Der Vorstand eines Rollstuhlclubs leistet sehr viel, doch das bleibt oft unbemerkt von Mitgliedern, die vielleicht die Sporttrainings besuchen, aber nie einen kulturellen Anlass oder eine GV. Viele sind nur auf dem Papier Mitglieder, beteiligen sich aber nicht aktiv am Club-

leben. Dabei würde ich mir so sehr ein stärkeres Miteinander wünschen. Der Club kommt mir vor wie ein eingerostetes Uhrwerk. Ich tue mich schwer mit Passivität und fehlender Bereitschaft. Wir wünschen uns zum Beispiel, dass Berichte aus den verschiedenen Sportarten auf unserer Website veröffentlicht werden. Aber die Resonanz ist praktisch gleich null. Es ist kaum jemand bereit, ein paar Zeilen zu liefern. Da kommt man sich am Ende schon etwas doof vor. Das untermauert das mangelnde Interesse.

Du könntest als Präsidentin dazu aufrufen, dass diese Mitglieder endlich ihre Passivität ablegen sollen. Wir hatten die Idee, dass im Jahresrhythmus jeweils ein Mitglied einer Sportgruppe

ein Amt im Vorstand übernehmen muss. Aber wäre es der richtige Weg, jemanden quasi zu zwingen? Da sträubt sich alles in mir. Die Arbeit würde nicht mit Leidenschaft erledigt, und die Zusammenarbeit wäre nicht lustig. Wir haben wirklich schon vieles versucht, mündlich, schriftlich, die Botschaft, dass wir dringend neues Personal für den Vorstand suchen, haben wir unzählige Male platziert.

Mit dem Ergebnis, dass die Reaktionen ausblieben. Es gab keine. Und wenn man direkt auf Personen zugeht, denen man ein Amt zutrauen würde, erhält man als Antwort meistens: Nein, ich habe so viel anderes, ich kann nicht. Ich denke immer mehr: Ich mache und engagiere mich, fülle hier rasch

Paracontact I Frühling 2024 45
Clubpräsidentin Niemand will das Amt übernehmen

Punktgenaue Pflege –

speziell, wenn’s drauf ankommt

Wer kümmert sich nach einer Operation um die komplexe Pflege von querschnittgelähmten Menschen? Wer entlastet die pflegenden Angehörigen? Wer ist in Pflegenotfällen da und verhindert Komplikationen? Wir von Rückenwind plus schliessen diese Versorgungslücke mit unserem einzigartigen Angebot in Bad Zurzach und vermeiden hiermit unnötiges Leiden.

Hier erfahren Sie mehr über Tertraplegiker Fritz Eichholzer und seine Frau Aurelia. Und Tetraplegikerin Heidy Anneler erzählt uns ihre Geschichte.

Wir geben jeden Tag unser Bestes, um die Menschen auf unserer Station in Bad Zurzach zu unterstützen. Wie können wir Ihnen helfen? Bitte kontaktieren Sie uns für eine Anmeldung, bei Fragen oder für eine Besichtigung:

Rückenwind plus Quellenstrasse 5 5330 Bad Zurzach

Telefon +41 56 265 01 76 info@rueckenwindplus.ch www.rueckenwindplus.ch

ein Formular aus, weil die Zeit drängt, erledige da etwas auf die Schnelle, weil das sonst niemand tut. Manchmal frage ich mich: Merken die Leute überhaupt, wie viel Aufwand hinter den Kulissen betrieben wird?

Löst das Wut in dir aus?

Wut nicht, aber gelegentlich Frust, Enttäuschung und ein bisschen Resignation.

Auch Verbitterung?

Nein, auf keinen Fall! Es ist generell schwierig geworden, Menschen für Freiwilligenarbeit zu motivieren. Ich finde, dass man das Modell der Rollstuhlclubs und ihrer

Vorstände gesamthaft überdenken müsste. Man könnte die Regionalität der Angebote beibehalten, aber mehrere Clubs zusammenlegen und von einem Vorstand führen lassen. Vielleicht müssten zur Entlastung Bereiche ausgelagert und zum Beispiel in die Hände der SPV gelegt werden. Ich glaube, dass viele Leute in den einzelnen Clubs Mühe haben, den Überblick zu behalten. Der administrative Aufwand insgesamt hat kontinuierlich zugenommen. Wie viele Stunden hocke ich in meinem Kämmerlein vor dem PC!

Du bist mehr eine Macherin als eine Verwalterin, nicht wahr?

Ja, das kann man so formulieren. Ich will raus und aktiv sein, ich will etwas bewirken und Veränderungen sehen. Ich liebe Öffentlichkeitsarbeit, ich nehme jede Gelegenheit wahr, um für unsere Anliegen einzustehen und zu sensibilisieren, etwa in Schulen. Und ich bin jemand, der zielorientiert ist und dabei versucht, alle Seiten oder Befindlichkeiten bei der Lösungsfindung einfliessen zu lassen.

Wie steht es um deine Geduld?

Oh, ich bin überhaupt nicht geduldig. Wenn es harzt und sich Dinge bestenfalls schleppend entwickeln, nagt das an meiner Energie. Ich wäre aus diesem Grund für die Politik ungeeignet. Wobei mir sehr wohl bewusst ist, dass es nicht für alles sofort eine Lösung gibt und ich selber keinen Ansatz finde.

Gab es schon einmal das Szenario, dass der ganze Vorstand geschlossen zurücktritt?

Wir haben darüber schon einmal gesprochen. Wenn alle zum Entschluss kämen, dass das der einzige Ausweg ist, würde ich den Entscheid mittragen. Aber ich gehe schon davon aus, dass wir noch bis 2026 weitermachen. Es ist ja auch so, dass das Klima im Vorstand extrem gut ist. Wenn ich nur schon an die Zusammenarbeit mit Susi Blöchlinger denke – super! Ohne sie wäre ich nicht mehr im Vorstand.

Also gibt es auch coole Seiten bei deinen Aufgaben.

Natürlich! Bevor ich anfing, gingen mir zeitweise auch Gedanken durch den Kopf

wie: Für die Betroffenen wird zu wenig getan, es passiert nichts, es geht nicht voran. Seit ich Präsidentin bin, sehe ich in so viele Bereiche hinein und merke: Es wird wahnsinnig viel gemacht. Es kann zuweilen harzig sein, ja, aber ich sehe, wie viel investiert wird – und das von ganz verschiedenen Organisationen. Bei uns im Club mache ich oft die Erfahrung, dass die Leute nicht wissen, wer die SPV ist, was sie unter der Schweizer Paraplegiker-Stiftung zu verstehen haben, und wie die Zusammenhänge wirklich sind. Ich betreibe regelmässig Aufklärungsarbeit.

Und welche drei Highlights deiner bisherigen 13 Präsidialjahre würdest du hervorheben?

Die Konstellation im Vorstand war stets ausgezeichnet, wir haben als Team einfach gut funktioniert und verschiedene Aufgaben gemeistert. Wir kamen nie an einen Punkt, an dem wir fanden, dass der Weg nicht weitergeht, oder dass wir uns zerstritten hätten. Erwähnenswert ist auch das Zentralfest 2010 zu Beginn meiner Amtszeit. Und es mag komisch klingen, aber ein Highlight war auch die Art und Weise, wie wir die Coronazeit bewältigt haben. Wir bemühten uns enorm darum, Nähe zu den Mitgliedern zu schaffen und den Kontakt zu pflegen.

Deine Leidenschaft für die Sache ist unverändert. Der Rollstuhlclub Zürich ohne Jeannette Schühle – wie klingt das für dich?

Das bedeutet: mehr Zeit für mich (lacht) Und es gäbe sicher mehr Raum für Neues.

Also droht 2026 nicht die Gefahr, dass es dir langweilig wird … Diese Gefahr droht definitiv nicht! Meine Pendenzenliste ist unendlich lang. Ich würde wieder gerne häufiger malen und kreativ sein, vielleicht mich auch intensiver mit Tieren beschäftigen. Es kann auch sein, dass ich mein Know-how anbieten würde, wenn es gewünscht wäre, jemanden für Öffentlichkeitsarbeit einzuspannen. Ich habe so viele andere Projekte und Interessen, ich weiss sehr wohl etwas mit der frei werdenden Zeit anzufangen.

Paracontact I Frühling 2024 47 FOKUS
Der Vorstand arbeitet viel … … damit die Mitglieder … ein attraktives Programm haben

Sinnvoll und vielseitig

Etwa 1700 freiwillige Helferinnen und Helfer packen bei der SPV jedes Jahr mit an. Die Möglichkeiten, sich zu engagieren, sind vielfältig.

Über 300 Anlässe veranstaltet die SPV jährlich. Dazu gehören Reisen, Ausflüge, Kurse, aber auch Breitensportcamps und Sportwettkämpfe. Damit all diese über-

haupt stattfinden können, sind wir auf helfende Hände angewiesen. Nachfolgend finden Sie die Bereiche, in denen wir Hilfe gut gebrauchen können.

Reisen

Gruppenleitung

20 Reisen in nahe und ferne Destinationen bietet die SPV ihren Mitgliedern jährlich an. Ehrenamtliche machen dieses Angebot erst möglich. Sind Sie ein Organisationstalent und reisen selbst gern? Dann übernehmen Sie doch die Gruppenleitung auf einer unserer Reisen. Als Gruppenleiterin sorgen Sie unterwegs für reibungslose Abläufe. In einem anderthalbtägigen Kurs bereiten wir Sie auf diese verantwortungsvolle Tätigkeit vor.

Pflegebegleitung

Auf unseren Reisen für Mitglieder mit Tetraplegie werden unsere Gäste pflegerisch eins zu eins betreut. Diese Aufgabe übernehmen Freiwillige. Vorkenntnisse in der Pflege sind dabei keine notwendig. Das nötige Wissen und alle Handgriffe lernen Sie in unserem Kurs. Und keine Sorge: Pflegeprofis sind mit auf der Reise, tragen die Verantwortung und sind bei Fragen stets für Sie da.

Sport und Freizeit Events

Kein Kids Camp findet statt, ohne dass Freiwillige im Vorfeld und vor Ort mithelfen. Kein Wettkampf, ohne dass Ehrenamtliche beim Aufbau mitanpacken, Fahr-

dienste übernehmen, den Einlass regeln oder die Athletinnen und Athleten betreuen. Kein Ausflug, ohne dass motivierte Helferinnen und Helfer mitmachen und für die Teilnehmenden da sind. Die Möglichkeiten, wie Sie sich mit Ihren Fähigkeiten einbringen können, sind fast unendlich. Blicken Sie hinter die Kulissen unserer Events – vom Leichtathletik-Meeting ParaAthletics bis hin zum Lottoabend. Ein unvergessliches Erlebnis und unser Dank sind Ihnen sicher.

Mitarbeit in einem OK

Damit am Tag X alles reibungslos über die Bühne geht, wird bereits Wochen und Monate im Voraus geplant und organisiert. Sie haben ein Faible für eine gewisse Sportart? Bringen Sie sich im Organisationskomitee eines Sportanlasses ein. Ihre Kontakte und Ihr Know-how sind ein grosser Gewinn.

Technische Kommission

Gewisse Sportarten von Rollstuhlsport Schweiz sind in Technischen Kommissionen organisiert. Sie möchten sich längerfristig engagieren und dazu beitragen, eine bestimmte Sportart voranzubringen? Die Technische Kommission sichert den Trainings- und Wettkampfbetrieb und fördert den Nachwuchs.

Rollstuhlclubs

Kein Rollstuhlclub kann bestehen, ohne dass engagierte Menschen im Vorstand mitarbeiten. Sie kümmern sich um die Mitglieder oder die Finanzen, organisieren gesellige Anlässe und bieten regelmässige Trainings an. Das nötige Rüstzeug, um Sportlektionen zu erteilen, erhalten sie in den Kursen von Rollstuhlsport Schweiz. Oftmals gibt es noch weitere Möglichkeiten, sich im Rollstuhlclub ehrenamtlich zu betätigen. Erkundigen Sie sich bei Ihrem Rollstuhlclub, wie Sie mitwirken können.

Allen, die ihre wertvolle Zeit dafür aufwenden, Menschen mit Querschnittlähmung zu unterstützen, danken wir herzlich.

Melden Sie sich für einen Einsatz

www.spv.ch/freiwilligenarbeit

48 Paracontact I Frühling 2024
EHRENAMT
FOKUS
Ehrenamtlich engagiert auf Reisen … auf unseren Ausflügen
an Sportwettkämpfen

Benevol Awards

Am Welttag der Freiwilligen ehrte die SPV mit den Benevol Awards Personen, die in den Rollstuhlclubs ehrenamtlich Grosses geleistet haben.

Von Evelyn Schmid

Die Awards sind Zeichen der Wertschätzung. Überreicht wurden die Auszeichnungen am 5. Dezember 2023 in Nottwil im Rahmen einer Gala mit Vorstandsmitgliedern aus fast allen Clubs. Für einen Award kam in Frage, wer während mindestens zehn Jahren in einem Club mitgewirkt und mindestens 100 Arbeitsstunden geleistet hat. Olga Manfredi und Laurent Prince durften sechs Ehrenamtliche würdigen, die mit viel Engagement dafür sorgen, dass das Vereinsleben funktioniert.

Richard Emery

Seit 2010 ist der 59-jährige Richard Emery im Club en fauteuil roulant Valais Romand. Aufgrund seiner breiten Erfahrung im Bereich Kampfkunst entwickelte er eine Version des Kyusho, die auch von Menschen im Rollstuhl ausgeübt werden kann. In drei Stufen erlernen Mitglieder des Clubs komplexe Techniken der Selbstverteidigung. Seit 13 Jahren führt er mit seinem Team diese Kurse durch, stärkt damit das Selbstwertgefühl der Teilnehmenden und bereitet sie darauf vor, dass sie sich im Notfall verteidigen können.

Andrea Emmenegger

Die leidenschaftliche Tänzerin Andrea Emmenegger kam 2002 in den Vorstand des Rollstuhlclubs Zentralschweiz. Nach einem Jahr als Aktuarin wurde sie zur Vizepräsidentin gewählt. Von 2008 bis 2016 amtete sie als Präsidentin des Clubs. Daneben bringt sie ihre Erfahrung im Stiftungsrat der Stiftung Contenti Luzern und im Altpfadiverein ein. Sie blickt auch auf eine erfolgreiche Sportkarriere als Leichtathletin zurück. Höhepunkt war die Bronzemedaille an der WM 1994 in Berlin.

Olivier Dufour

Von 2013 bis 2021 war der ehemalige Krankenpfleger und pflegende Angehörige Olivier Dufour Präsident des Club en fauteuil roulant Genève. Er modernisierte die Strukturen des Clubs und führte diesen zusammen mit der Direktorin. Auch heute ist er im Vorstand tätig und prägt die Geschicke des Clubs weiterhin mit. Auf politischer Ebene setzt er sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung auf allen Ebenen ein.

Chantal Guillaume

Die 67-Jährige aus Lausanne ist eine Macherin. Nicht nur ist Chantal Guillaume seit 2014 Sekretärin des Club en fauteuil roulant de la Côte, sondern sie packt auch dort an, wo tatkräftige Hilfe nötig ist. So repariert sie beispielsweise die Rollstühle der Powerchair-Hockey-Mannschaft. Zum Rollstuhlclub kam sie durch ihren Sohn Mathieu Favre, der mit einer Behinderung lebt und Sportchef des Clubs ist. Als Aus-

gleich macht Chantal Guillaume Langlauf, geniesst die Blumen in ihrem Garten oder geht Pilze sammeln.

Barbara Rogers

Seit 20 Jahren trainiert die gebürtige Engländerin Barbara Rogers jeden Dienstag in der Schwimmhalle die Mitglieder des Rollstuhlclubs Winterthur/Schaffhausen. Auch die jährlich stattfindende Hofolympiade gehört in ihren Aufgabenbereich. Dabei verwöhnt sie die Clubmitglieder mit einem riesigen Buffet an selbstgemachten Köstlichkeiten. Sie ist auch da, wenn freiwillige Hilfe benötigt wird, sei es beim Samariterkurs oder dem Besuch einer Schulklasse.

Rolf Zbinden

Der 65-jährige Rolf Zbinden war nicht nur 15 Jahre lang Präsident des Rollstuhlclubs Züri Oberland, sondern prägte auch dessen sportlichen Belange. Dabei wollte er nach seiner Rehabilitation 1978 nichts mit anderen Rollstuhlfahrern zu tun haben. Sein Chef nach der Reha war selbst querschnittgelähmt und überredete ihn zu einem ersten Basketballtraining. Er blieb dem Sport 40 Jahre lang treu. Zum Präsidium kam er durch seinen Vater, der damals Kassier war. Seit seinem Rücktritt stellt er sein Knowhow als Revisor zur Verfügung.

Award-Übergabe

Olivier Dufour, Chantal Guillaume, Barbara Rogers, Richard Emery, Andrea Emmenegger, Rolf Zbinden, Olga Manfredi, Laurent Prince (v. l. n. r.)

Paracontact I Frühling 2024 49
FREIWILLIGEN
WELTTAG DER
FOKUS

FÜR SIE DA

Faszination Bau

Micha Wäfler arbeitet seit Sommer 2018 beim Zentrum für hindernisfreies Bauen. Der 29-jährige Bauzeichner liebt es, produktiv zu sein.

In seiner Jugend konnte sich Micha Wäfler nicht vorstellen, einmal in einem Büro zu arbeiten. Er war ein leidenschaftlicher Handwerker, der eine Lehre als Zimmermann begann und auch in der Freizeit anpackte. Stundenlang konnte er auch in der Freizeit «chlütterle», so nennt er das im Berner Dialekt, zu Deutsch: werkeln.

Aber der junge Mann aus Reconvilier im Berner Jura musste umdenken. 2012, am Ende des zweiten Ausbildungsjahres, brach ein Dach ein. Micha Wäfler stürzte sechseinhalb Meter in die Tiefe. Der Unfall machte ihn zum Paraplegiker. Ungewiss war vieles, klar nur eines: Eine Umschulung liess sich nicht umgehen. Wobei er eine ebenso klare Vorstellung hatte: Der neue Beruf sollte eine Verbindung zum Bau haben. Als Lösung bot sich eine Bauzeichnerlehre an, die Micha absolvierte und 2017 erfolgreich abschloss.

Seit Sommer 2018 in Muhen

Nun stellte sich die Frage: Wo sollte er seine Kompetenzen anwenden können? Der junge Mann, der mit Skifahren begonnen hatte, bekam von Ruedi Spitzli einen Ratschlag. Der damalige Leiter von Rollstuhlsport Schweiz empfahl ihm, sich beim Zentrum für hindernisfreies Bauen (ZHB) zu erkundigen. Das machte Micha und erhielt die Chance: Am 1. Juni 2018 hatte er seinen ersten Arbeitstag in Muhen.

In den bald sechs Jahren hat sich Micha in seinem 60-Prozent-Pensum zu einem Routinier entwickelt, der in erster Linie das zu Papier bringt, was die Architektinnen und Architekten im Kopf haben. Aber er zeichnet nicht nur, sondern bringt auch die Sichtweise des Rollstuhlfahrers ein. «Bei baulichen Anpassungen hat die Barrierefreiheit immer Priorität», sagt er, «manchmal bitten mich die Architektinnen und

Architekten um Inputs.» Mit dem Team pflegt er eine enge Zusammenarbeit. «Den Austausch nehme ich als sehr konstruktiv wahr», sagt der 29-Jährige.

Micha schätzt das angenehme Klima beim ZHB, er ist dankbar für die Chance, die er erhalten hat. Stolz ist er ausserdem darauf, dass er die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung in der Revisionskommission des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins vertreten darf und regelmässig die Bedürfnisse von Menschen im Rollstuhl einbringen kann.

Mehrere Stunden Handbike-Training Im beruflichen Alltag schätzt er es, wenn es zügig vorangeht. Ohne Sitzungen geht es nicht, das ist ihm klar, aber noch lieber ist ihm, wenn er handeln kann. Und er mag es direkt: «Um den heissen Brei herumreden, das ist nicht so meine Sache.»

Behalten hat er den Drang, mit den Händen etwas machen zu wollen. Zum Beispiel schraubt er an seinem Handbike, das für ihn nicht irgendein Fortbewegungsmittel ist, sondern ein Gerät, mit dem er sportliche Ambitionen verfolgt. Woche für Woche investiert er einige Stunden ins Training, und er hat den Drang, immer besser zu werden. Engagiert ist er auch daheim in der Küche. Er liebt es, zusammen mit seiner Frau zu kochen und Gäste mit mehreren Gängen zu verwöhnen.

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