BIANCO Alpine Lifestyle Magazine

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DAS BERGGEDÄCHTNIS

062

Sommer 2010

BERGROMAN Bergroman

Graatzug

wässerwasser

URS

AUGSTBURGER

URS AUGSTBURGER

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8.2.2007

10:59 Uhr

Seite 1

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17.7.2009

14:36 Uhr

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Schattwand (2001, Hardcover, vergriffen), Graatzug (2007), Wässerwasser (2009) von Urs Augstburger, erschienen im Bilgerverlag www.bilgerverlag.ch

PORTRAIT

Alpengeschichten von Urs Augstburger

Urs Augstburgers Augen sind eine Mischung aus blau, grün und grau. Als würden sich in ihnen abwechselnd ein tiefgründiger Fluss, milchiges Gletscherwasser oder die Klarheit eines Bergbaches spiegeln. Ja, am Wasser, im aargauischen Brugg, sei er aufgewachsen, das hätte ihn wohl schon sehr geprägt. Und Wasser ist ein zentrales Motiv in seiner Bergtrilogie. Wir treffen uns an seinem Wohnort Ennetbaden. Für einen Tag nur ist Urs Augstburger ins Flachland zurückgekehrt, danach fährt er wieder hinauf nach Disentis, um an seinem neuen Roman zu schreiben. Die Treppe zum Dachatelier ist steil und glatt weiss lackiert. Vorsicht ist geboten, die Fallhöhe ist hier schon vorweggenommen, die sich in seinen drei Bergromanen immer wieder zeigt. Das warme Holz im Atelier wirkt da wie ein willkommener Kontrast. Über dem Arbeitstisch hängt ein Gemälde: die Schattwand, eingetaucht in das fluoreszierende Licht des Mondes. Die Schattwand in seinem gleichnamigen ersten Bergdrama ist kein bestimmter Berg, genauso wenig wie das Dorf Gspona, um das es hier geht, ein lokalisierbarer Ort ist. Das ist ganz bewusst so gewählt. Gspona ist die Parabel für ein Bergdorf und seine Bevölkerung, die sich dem Fortschritt verschliesst und damit ihren Untergang besiegelt, begleitet von Schneelawinen und Tod. Als die Idee für den Roman «Schattwand» reifte, ging es Urs Augstburger um die Schweiz und ihre Rolle in Europa. Sich abschotten oder öffnen? Eine politisch motivierte Parabel. Die Bergwelt, die hohen Wände und tiefen Abgründe, die Fallhöhen. Die Dramaturgie der Gegensätze liessen Urs Augstburger den Roman in die Berge verlegen. Weil sich in den Bergen Fortschritt und Technisierung schon viel früher und einschneidender bemerkbar machten als im Unterland. Und weil er sie liebt, die Berge, das natürlich auch. Drei bis vier Monate zieht sich Urs Augstburger nach Disentis zurück, um an seinen Büchern zu schreiben. Mit dabei hat er im Winter immer seinen Zaï, den Ski mit dem Kern aus Granit, ihr Erfinder ein guter Freund. Normalerweise stehen sie an der Wand im Atelier. Unübertrefflich in der Qualität und im Fahrgefühl, sollen sie den Autor stets daran mahnen, präzise und mit Geduld zu arbeiten. Im Sommer wechselt Urs Augstburger aufs Bike, fährt von Disentis auf den Lukmanier- oder Oberalppass und wieder zurück. Disentis, das von allen Seiten von Pässen umschlossen ist. Doch bei seinen Fahrten sucht er nicht gezielt Bilder für seine kraftvollen Naturbeschreibungen, wie man es vielleicht vermuten würde. Auch setzt er sich nicht den Gefahren aus, die seinen Figuren in den Bergen begegnen. Urs Augstburger ist kein waghalsiger Bergsteiger oder Eiskletterer. Für «Schattwand», aber auch «Graatzug», sein zweites Buch, waren es Bergromane aus der Blütezeit der 1930er- bis 1950er-Jahre, die ihm die Bilder und Geschichten lieferten. So ist er auf einen bergsteigenden Schriftsteller gestossen, dem es gelungen ist, die Bergwelt bis ins Detail anschaulich zu schildern. Die Berge, aber auch den Brauchtum der damaligen Zeit. «Schon fast thrillerartig», so Urs Augstburgers Kommentar. Auch alte Bergfilme lieferten Bilder und Geschichten, zu denen der Autor jeweils noch genauer recherchierte. Gspona in «Schattwand» ist überall. Die Figuren besitzen Bündnernamen, die Flurnamen sind aus dem Berner Oberland entlehnt. «Graatzug» hingegen spielt im Wallis, in Plon, und ist das Gegenstück zur «Schattwand». Hier trifft tiefste Walliser Bergtradition auf technischen und gesellschaftlichen Fortschritt. Hier mischt sich das Schlagen des Merkhammers, das den Bauern seit Jahrhunderten anzeigt, dass das Gletscherwasser durch die Suonen fliesst, mit den Sprengladungen des Staudammbaus, die Zukunft und Prosperität versprechen. Das Wallis, das Wasserreservoir der Schweiz. Das Wallis mit seinem eigenwilligen Dialekt. Es war Verleger Rico Bilger, selbst Walliser aus Leukerbad, der dem Autor beim sprachlichen Lokalkolorit zur Seite stand. Und Bilgers Kantonsschullehrer Alois Grichting. Dessen Wörterbuch «Wallisertitschi Weerter» war Augstburgers Bibel für die richtigen Wörter und Flüche im Buch. Und da


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