E i n e T h e m e n z e i t u n g v o n S m a r t Me d i a
Recycling
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Insp ira tio n
Recycling gegen die Rohstoffverknappung In Sachen Recycling ist die Schweiz an der Weltspitze. Trotzdem landen immer noch zwei Drittel der Metallabfälle im Hauskehricht – von der Alufolie über die Gürtelschnalle, den Kugelschreiber bis hin zum noch funktionsfähigen Handy. text Gerold Brütsch-Prévôt
Recycling ist zwar ein Anglizismus, aber fest im deutschen Sprachgebrauch verankert und steht für Wiederverwertung oder Wiederaufbereitung. Damit ist – einfach beschrieben – der Vorgang gemeint, bei dem gebrauchte, defekte oder nicht mehr benötigte Produkte rezykliert werden. Das Recycling von Aluminium oder PET-Flaschen ist allgegenwärtig, weil dafür an jeder Ecke Sammelcontainer stehen. PETFlaschen kann man zum Beispiel an über 30 000 Sammelstellen entsorgen. Innovation ist aber gefragt, wenn Abfälle einfach in den Hauskehricht geworfen werden. Die Schweiz mag Weltmeister sein im Recycling, aber der hohe Lebensstandard führt auch zur Wegwerfgesellschaft. So landen immer noch zwei Drittel der Metallabfälle in den Kehrichtsäcken und schlussendlich in den Verbrennungsanlagen. Es sind kleine Artikel, aber so zahlreich, dass sie einen Altmetall-Wert von vielen Millionen Franken pro Jahr erreichen. «Die Rückstände der Schweizer Kehrichtverbrennungen enthalten Kupfer, Aluminium und Messing im Wert von total 80 Millionen Franken, dazu Eisen und Gold im Wert von je 10 Millionen», sagte Rainer Bunge, Professor an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) in einer Sendung des Schweizer Radios. Dieses Geld wollen sich die Betreiber von Kehrichtverbrennungs-Anlagen und Deponien in Zukunft nicht mehr entgehen lassen: Aus den Rückständen der Kehrichtverbrennung, der Schlacke, werden mit immer raffinierteren Methoden Metalle herausgeholt. Bei diesem «Urban Mining» wird die Schlacke zum Rohstofflager. Durch sogenannte Senor-Sortierer werden die Brocken der Schlacke auf einem Förderband transportiert und dabei durch Metalldetektoren überprüft. Tauchen Metallstücke auf, werden diese durch Druckluftdüsen in einen separaten Behälter geschossen und so von den anderen Rückständen getrennt.
Urban Mining – ein neuer Begriff
Unter Urban Mining versteht man die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Mülldeponien oder aus den Rückständen bei der Verbrennung von Kehricht. Das Geniale dabei ist, dass man den rücksichtlosen Konsumenten, die zum Beispiel Elektrogeräte in den Haushaltsabfall entsorgen, ein Schnippchen schlagen und daraus sozusagen ein Millionengeschäft machen kann. Die Rohstoffe werden einfach nach der Verbrennung aus der Schlacke zurückgewonnen. Aber auch die Wiederverwertung von Baustoffen und Metallen aus alten Gebäuden und Infrastrukturen gehört unter diesen Begriff. So können zum Beispiel aus Autoschrott Stahlträger für ein neues Fussballstadion werden. Recycling gegen Rohstoffknappheit
Auch der Bundesrat hat die bedrohlichen Zeichen der Zeit erkannt und sich mit der Verknappung der Ressourcen und Rohstoffe
beschäftigt. «Bei den Metallen und mineralischen Rohstoffen sind in allen Wirtschaftssektoren die primären Gebote eine effiziente Nutzung und eine effiziente Abfallwirt-
» Innovative
Rückgewinnungskonzepte sind gefragt. schaft, die eine möglichst hohe Rückgewinnung und Rückführung in den Stoffkreislauf sicherstellt», ist eine der Kernaussagen der Beurteilung dazu. Dazu gehöre, dass mit allen Ressourcen und Rohstoffen umsichtig umzugehen sei. Bei den Metallen (Kupfer, seltene Metalle wie Indium, Platinmetalle)
und Mineralien (Phosphor) müsse das Recycling konsequent gefördert werden. In der Zwischenzeit wächst aber der Gold- und Silberschatz in elektronischen Altgeräten ungehindert weiter: Jedes Jahr werden weltweit 310 Tonnen Gold sowie 7500 Tonnen Silber mit einem Gegenwert von 21 Milliarden Dollar in Hightech-Geräte wie Laptops, Smartphones oder Tablets verbaut. Der überwiegende Teil dieser Edelmetalle – 85 Prozent – verpufft jedoch nach Lebensende des Gerätes und nur 15 Prozent werden zurückgewonnen. Hier sind innovative Rückgewinnungskonzepte gefragt. Allerdings müsste der Kreislauf bereits bei der Produktion beeinflusst und die Hersteller dazu verpflichtet werden, dass sie auch rezyklierbare Geräte bauen. Auch die EU ist sich der Dringlichkeit bewusst und hat bereits vor vier Jahren Richtlinien erlassen. Bis 2015 muss die getrennte Sammlung von Papier, Metall, Kunststoffen und Glas in allen Mitgliedsstaaten eingeführt werden, bis Ende 2020 müssen sie bestimmte Recyclingquoten (zum Beispiel 50 Prozent für Papier, Metall, Kunststoffe, Glas und 70 Prozent für Bau- und Abbruchabfälle) erreichen. Schweizer beim Glas-Recycling bereits Europameister
Gemessen an der EU ist die Schweiz bei der Wiederverwertung mit grossem Abstand führend – allerdings noch mit Verbesserungspotenzial. Obwohl zum Beispiel beim Glas eine Sammelquote von 94 Prozent erreicht wird, landet immer noch zu viel Glas im Kehrrichtsack und dadurch in den Kehrichtverbrennungsanlagen. Durch die Verbrennung wird es zur Schlacke und kann nicht mehr verwendet werden. Auch die richtige Trennung nach Farben ist wichtig. Und im Altglas sind immer noch bis zu 10 Prozent Abfälle enthalten, die mühsam von Hand aussortiert werden müssen (PET-Flaschen, Porzellan, Verschlüsse und so weiter). Die Vision wäre eine ZeroWaste-Gesellschaft
Innovative Rückgewinnungskonzepte für Metalle sind gefragt.
Zero Waste – also «Null Abfall» – würde bedeuten, dass alle Materialien, die als Abfälle deklariert sind, entweder recycelt, wiederverwendet, kompostiert, rückgewonnen oder wieder in den Produktionskreislauf gebracht werden. Ziel ist es, den Verbrauch so minimal wie möglich zu halten, und die Wiederverwendung und Recycling zu betreiben. Innovative Konzepte können das umsetzen – sie nützen aber nicht viel ohne die Unterstützung und das Bewusstsein der Konsumenten. Und damit dem Bekenntnis dazu, «abfallfrei» zu leben und zu arbeiten.
3 Fragen an Rainer Bunge Da mittlerweile die Metalle aus der Asche der Kehrichtverbrennung herausgefischt werden, könnte man ja auf die Idee kommen, Handys und Elektrogeräte einfach im Haushaltskehricht zu entsorgen… In der Tat wäre das eine interessante Alternative. Dagegen sprechen vor allem politische und psychologische Argumente. Die jahrelange Erziehung zur Separatsammlung hat so prima geklappt, dass diese nun vielen Bürgern geradezu ein inneres Anliegen geworden ist. Folglich wäre die Parole «alles wieder in einen Sack» sehr schwierig zu vermitteln, ohne politische Kollateralschäden zu riskieren.
Das Trennen von Kleinmetallen ist also ökologisch zwar sinnvoll, aber zu teuer? Genau – das Problem ist die Kosten-Nutzen-Effizienz. Rein ökologisch betrachtet ist die Separatsammlung eine hervorragende Sache. Aber die Kosten einiger Separatsammlungen sind so hoch, dass der ökologische Nutzen zu teuer erkauft wird. Dieses Geld könnte, an anderen Stellen eingesetzt, einen noch grösseren ökologischen Nutzen stiften.
Statt immer nur von «Abfallwirtschaft» zu reden – besser wäre doch, Abfall zu vermeiden. Wie sehen Sie die Chancen einer Null-Abfall-Gesellschaft? Hübsche Idee, aber letztendlich Utopie. Abfälle sind nicht an sich etwas Schlechtes – es kommt darauf an, was man damit anstellt. Und niemals vergessen: Die Abfälle von heute sind die Rohstoffe von morgen! Rainer Bunge, Professor für Umwelttechnik an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR)
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Altglas ist kein Abfall w w w. v e t r o s w i s s . c h
Darum gehören Glasflaschen nicht in den Kehrichtsack sondern in eine Glas-Sammelstelle. Nur so kann der wertvolle Rohstoff Glas energiesparend für die Herstellung von Neuglas verwendet werden.