
Rechtssicher im Retail & Consumer Sektor

Rechtssicher im Retail & Consumer Sektor
September ’25
»Der Anwaltsberuf verändert sich fundamental, aber er verschwindet nicht.«
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Jurastudium in Hamburg oder Berlin – Staatsexamen mit integriertem Bachelorabschluss
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Enge Betreuung
Erstklassige Lernumgebung
Stefan Rizor
Wen Gott strafen will, lässt er in interessanten Zeiten leben. Niemand bezweifelt, dass wir uns heute in »interessanten Zeiten« befinden. Der Wirtschafts- und Rechtsstandort Deutschland steht vor gravierenden Herausforderungen. Die Bundesregierung hat einen Herbst der Reformen versprochen. Das Zeitfenster für Reformen ist eng. Die Digitalisierungsmuffel dürfen nicht gewinnen.
Ob die rasanten Fortschritte in der Entwicklung künstlicher Intelligenz den Beruf des Rechtsberaters eliminieren werden? Unzweifelhaft verändert er ihn fundamental. Kanzleien und Rechtsabteilungen setzen verstärkt auf den Einsatz künstlicher Intelligenz. Deren Einsatz muss – wie im Journalismus – transparent gemacht werden. Solange die künstliche Intelligenz halluziniert, bleibt es ein gelegentlich fehlerhaftes Hilfsmittel. Es wird einen gut ausgebildeten und erfahrenen Juristen geben müssen, der ihre Ergebnisse prüft, ggf. korrigiert oder ergänzt.
Die Haftungsfrage für den Einsatz künstlicher Intelligenz ist noch ungeklärt. Die Unternehmen ahnen häufig die »richtige« Antwort, geben die Frage aber zur Sicherheit an den externen Rechtsberater, der sie dann verbindlich beantwortet. Ist die Antwort unrichtig, springt die Haftpflichtversicherung der Kanzlei ein und ersetzt den entstandenen Schaden. In diesem Dreieck zwischen Mandanten, Kanzleien und Versicherung wird die Verantwortung für den Einsatz künstlicher Intelligenz neu justiert werden. Die Anstrengungen der Kanzleien, ihren Mandanten eigene Software-Lösungen für ihre rechtlichen Probleme anzubieten, sind enorm. Erhebliche Investitionen fließen in die Entwicklung von Use-Cases, die die Bearbeitung rechtlicher Fragen erleichtern und beschleunigen sollen. Legal-Tech-Anbieter sind häufig der natürliche Partner für die Kanzleien. Die finanzielle Belastung der Partnerschaften ist erheblich. Ob diese Entwicklungskosten von den Kunden übernommen werden, ist fraglich. BestPractice-Lösungen müssen entwickelt werden.
Viele Kanzleimanager schauen deshalb mit Interesse auf den Einstieg internationaler Investoren in den deutschen Steuerberatungsmarkt.
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Die Bundesregierung kann sich auf die Wirtschaftskanzleien verlassen.
Die Digitalisierung der Arbeit, aber auch die Internationalisierung der häufig mittelständischen deutschen Steuerberatungsgesellschaften ist unterwegs. Dabei werden die Modelle des europäischen Gesellschaftsrechts, meist eine Luxemburger Konstruktion, gewählt, um den Investoren die rechtskonforme Beteiligung zu ermöglichen. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Dezember 2024 hat der nationale Gesetzgeber das letzte Wort. Wird der Fremdbesitz an einer Steuerberatungsgesellschaft (auch über europäische Konstruktionen) untersagt? Diese Diskussion wird im Rechtsmarkt sorgfältig verfolgt werden. Dies gilt insbesondere für die Softwarespezialisten, die im Auftrag der Wirtschaftskanzleien die Lösungen für die digitale Zukunft entwickeln helfen. Gibt es für sie mehr als einen Bonus, nämlich eine echte Partnerschaftsperspektive, wenn sie nicht auch Rechtsanwalt sind?
Ausländische Vertragspartner durften lange auf das Qualitätsversprechen von Law made in Germany vertrauen. Deutsche Gerichte werden den Fall (nach internationalen Maßstäben) schnell und kompetent entscheiden. Für diese Partner der deutschen Wirtschaft bestimmt und zu Recht stolz eröffnen die Bundesländer nun Commercial Courts und Commercial Chambers, in denen englischsprachige Richter verhandeln und entscheiden. Einziger Wermutstropfen: Wieder einmal ist es den Ländern nicht gelungen, sich auf ein bundesweit einheitliches System zu verständigen. Der Föderalismus im Justizbereich sollte den Wettbewerb der Länder beflügeln, nicht aber Insellösungen
fördern. Das EfA-Prinzip (Einer für alle) überzeugt erst dann, wenn tatsächlich alle Bundesländer dem Vorbild des gelungenen Prototyps folgen, statt eigenen Vorlieben zu frönen.
Auf die Trägheit der Justiz sollte kein Schuldner bauen dürfen. Der Richter soll (nach dem Vorbild der Schiedsgerichtsverfahren) aktiver Verfahrensmanager nicht nur Entscheider sein. Die Digitalisierung der Justiz, basierend auf einem einheitlichen Justizportal, wird dafür der Schlüssel sein. Damit wird auch der Zivilprozess noch stärker lösungsorientiert sein. Der Gesetzgeber ist aber auch gefordert, Internal Investigations sinnvoll zu regeln. Wenn die Unternehmen animiert werden sollen, bei (vermuteten) Missständen für Aufklärung (auf eigene Kosten) zu sorgen, muss etwa sichergestellt sein, dass die von den Anwälten ermittelten Aussagen und Ergebnisse nicht beschlagnahmt werden dürfen.
Ein zeitgemäßes Arbeitszeitgesetz ist ein Schlüssel. Die Zeitautonomie der angestellten Mitarbeitenden ist längst Realität in der Wissensgesellschaft. Die Vertrauensarbeitszeit ist gelebte Realität. Jetzt muss nur noch der Gesetzgeber nachziehen. Im Koalitionsvertrag befindet sich bereits eine Idee, wie die überfällige Novellierung umgesetzt werden kann.
Die Bundesregierung kann sich auf die Wirtschaftskanzleien verlassen. Sie werden ihr Know-how und ihre internationale Erfahrung bündeln und konstruktiv einbringen. Unterstützt von 43 General Counsels großer Unternehmen hat sich der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) seit 2022 als verlässliche Größe etabliert. Aus dem »einfach mal machen« sollte »einfach mal klappen« werden, damit die Zuversicht in den Rechtsund Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wächst. Die Anwältinnen und Anwälte in den Wirtschaftskanzleien sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. Die Zeiten bleiben interessant.
Text Stefan Rizor, Vorstandssprecher Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) e. V.
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04 KI in der Rechtsbranche
06 KI und Legal Tech
10 Interview:
Viktor von Essen
12 Gastartikel: DAV
14 Unternehmensrecht
16 Trade and Defence
18 Mediation
22 War for Talents
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In diesem Jahr feiert die deutsche Praxis das 25-jährige Jubiläum der Fusion mit White & Case. Als einer der ersten Zusammenschlüsse zwischen einer führenden deutschen Sozietät und einer global ausgerichteten New Yorker Kanzlei betraten die Partner auf beiden Seiten des Atlantiks ab dem 1. August 2000 Neuland. Heute ist die deutsche Praxis integraler Bestandteil eines globalen Netzwerkes. Aus der Vision von damals ist eine Erfolgsgeschichte geworden, die das deutsche White & Case Team jeden Tag mit exzellenter Rechtsberatung, grenzüberschreitendem Denken und persönlichem Engagement für unsere Mandanten fortschreibt.
Der EU AI Act schafft auf europäischer Ebene einen Rechtsrahmen nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für die Vermarktung und Anwendung künstlicher Intelligenz.
Dr. Nils Rauer und Clare Francis von der Kanzlei Pinsent Masons erläutern die regulatorischen Rahmenbedingungen, deren praktische Folgen und strategischen Möglichkeiten.
Dr. Nils Rauer
Partner, Global Co-Lead Artificial Intelligence
Clare Francis Partner, Head of Commercial
Herr Dr. Rauer, wie wirkt sich der AI Act auf Unternehmen aus?
Die Auswirkungen des EU AI Act nehmen stetig zu. Sukzessive gelangen mehr und mehr Abschnitte der Verordnung zur Anwendung. Im August 2026 werden schließlich die Regelungen zu Hochrisiko-KI-Systemen in Kraft treten. Es gilt daher, schon heute die entsprechenden Weichen zu stellen, um eine hinreichende Compliance zu gewährleisten. Denn Unternehmen müssen vorausplanen. Entwicklungs- und Produktionszyklen sind zumeist langfristig. Daher müssen die Ingenieure und Entwickler zukunftsorientiert arbeiten, dies gilt auch für die Einhaltung KI-spezifischer Regularien. Im Vordergrund steht die kontinuierliche Fortentwicklung des eigenen Produktportfolios wie auch der diesbezüglichen Prozesse – auch und gerade mittels KI. Dabei kann man nicht über KI sprechen, ohne im gleichen Atemzug das Thema Daten zu erwähnen. KI-basierte Anwendungen können nur dann ihr Potenzial entfalten, wenn hinreichend Informationen zur Verfügung stehen, welche die KI auswerten kann. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz sind zu beachten? Der EU AI Act betrifft die Entwicklung, Vermarktung und Nutzung von KI-Systemen. Es handelt sich dem Grunde nach also um ein Produktsicherheitsgesetz. Daher müssen Hochrisiko-KI-Systeme zu ihrer Marktfähigkeit ein CE-Zeichen tragen. Hinzu kommen regulatorische Vorgaben, welche an den Daten anknüpfen, die mittels KI-basierter Anwendungen verarbeitet werden. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen sind nicht neu, aber die Nutzung geschützter Daten mittels KI bringt eine neue Qualität mit sich. Die KI tangiert ein denkbar breites Spektrum an Rechten. Zu nennen sind etwa das Urheberrecht, das Datenschutzrecht, Geschäftsgeheimnisse oder Datenbankrechte. Schließlich gibt es eine Vielzahl an sektorspezifischen Regulierungen, etwa für die Pharma- oder Finanzbranche, aber auch in den Bereichen Verteidigung, kritische Infrastruktur und Daseinsvorsorge. In all diesen Sektoren hält KI Einzug. Der EU AI Act ergänzt die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen um eine zusätzliche Regelungsebene. Es wird mithin für die Unternehmen nicht gerade leichter, sich das
KI-basierte Anwendungen können nur dann ihr Potenzial entfalten, wenn hinreichend Informationen zur Verfügung stehen, welche die KI auswerten kann.
– Dr. Nils Rauer, Partner, Global Co-Lead Artificial Intelligence
Prädikat »Compliance by Design« respektive »Compliance By Default« zu verdienen.
Wie identifiziere ich im eigenen Unternehmen sinnvolle Anwendungsfelder für KI? Das ist eine der größten Herausforderungen. Denn die Einsatzfelder von KI sind denkbar weit gestreut. Es sind auch nicht zwingend die »großen« Probleme dieser Welt, die sich mit KI lösen lassen, auch und gerade im Kleinen kann KI hilfreich sein. Allerdings kostet die Entwicklung KI-basierter Lösungen auch einiges. Man muss also eine Kosten-NutzenRechnung anstellen. Wir als Berater rücken bei KI-Projekten tendenziell noch näher an die unternehmensinternen Prozesse heran. Nur wenn man die Datenströme versteht, kann man bei Implementierung von KI zielführend beraten. So gelingt es, beispielsweise die gesetzlich geforderte »Human Oversight« sachgerecht in den Ablauf einzubauen. Man muss vor allem im Blick haben, wo in hinreichender Menge, Qualität und Kontinuität Daten anfallen, welche mit KI effizienter und schneller ausgewertet werden können, um so das Leistungsangebot des Unternehmens zu verbessern. Unsere Aufgabe ist es, in diesem Kontext für die erforderliche Rechtssicherheit zu sorgen.
Welche Rolle spielt KI im Vertragsund Lieferantenmanagement?
Der Einsatz von KI beeinflusst jeden entlang der Wertschöpfungskette. Der EU AI Act enthält Verpflichtungen, die an der jeweiligen Rolle innerhalb dieser Kette anknüpfen. Dies variiert danach, ob man beispielsweise Anbieter, Importeur oder Anwender ist. Generell ist es von Vorteil, wenn man ein Unternehmen bereits über einen längeren Zeitraum beraten hat und dessen Prozesse und Arbeitsweisen kennt. Wie überall, je besser die Vorkenntnisse, desto zielgenauer der Ratschlag, den man erteilen kann. Das gilt gerade im Vertrags- und Lieferantenmanagement.
Wie sehr tangiert das Thema KI auch das Datenmanagement und die Cybersecurity?
Ganz klar: KI erhöht die Herausforderungen in den Bereichen Data Governance und Cybersecurity. Mehr Datenaustausch bedeutet mehr Schnittstellen. Diese bedeuten ein erhöhtes Risiko für Cyberangriffe. Man braucht als Unternehmen eine adäquate technische Absicherung. Oftmals werden auch personenbezogene Daten verarbeitet. Kommt KI ins Spiel, muss eine neuerliche Prüfung stattfinden. Das sogenannte »berechtigte Interesse« an einer Datenverarbeitung mag beispielsweise anders zu bewerten sein, wenn die Datenanalyse per KI erfolgt. Entscheidend ist, dass die Mitarbeitenden, die mit KI in Berührung kommen, hinreichend sensibilisiert und geschult werden. KI ist wie Medizin –richtig angewandt kann sie viel Gutes bewirken, falsch eingesetzt ist sie toxisch.
Was für technische Kompetenzen sind wichtig? Wie helfen Sie mit Ihrer Kanzlei dabei?
Die Einführung von KI-Anwendungen tangiert unterschiedliche Bereiche im Unternehmen. Den Anstoß gibt dabei zumeist die Geschäftsleitung unter Einbeziehung von Legal und Compliance. In der Umsetzung spielt die IT eine maßgebliche Rolle, aber auch die Fachabteilungen wie HR, R&D oder Procurement sind einzubinden. Mit unseren KI-Schulungen versuchen wir, Mandanten insgesamt abzuholen und ihnen bei der erfolgreichen Implementierung der nötigen Strukturen zu helfen. Die Nachfrage ist groß und Veranstaltungen mit mehreren hundert Teilnehmern keine Seltenheit. Dabei lassen wir unsere Erfahrungen aus eigenen KI-Projekten einfließen. Denn auch wir nutzen KI-gestützte Anwendungen, haben also die Implementierungsphasen selbst durchlaufen. Dies schätzen die Unternehmen sehr.
Frau Francis, Sie plädieren bei KI auch für eine strategische Vorgehensweise. Was sollte dabei im Vordergrund stehen? Eine strategische Vorgehensweise ist stets zu empfehlen. Es gilt, die Chancen, welche der Einsatz von KI bietet, wie auch die Risiken gleichermaßen im Blick zu haben. Nur so kann es gelingen, mit dem nötigen Selbstvertrauen, aber auch hinreichend Augenmaß an die Implementierung von KI zu gehen. Dem Grunde nach müssen drei Dinge zusammenkommen: (1) Der Einsatz von KI sollte stets zielorientiert sein, also einem identifizierten Bedarf dienen. Die KI muss sich in die übergeordnete Unternehmensstrategie einfügen. Man muss priorisieren und schauen, welcher konkrete »Return on Investment« mit KI zu erzielen ist. (2) Ein erfolgreiches KI-Projekt zeichnet sich ferner dadurch aus, dass die Interaktion zwischen Mensch und Maschine passt. Man spricht hier bisweilen vom »Human in the Loop«. Gemeint ist damit, dass die KI das menschliche Urteilsvermögen unterstützen, aber nicht ersetzen sollte. (3) Schließlich muss es das Ziel sein, Innovation und Sicherheit in Einklang zu bringen. Der Einsatz von KI kann nur in einem verantwortungsvollen Umfeld positive Effekte generieren.
Wie lässt sich eine gute Strategie finden, die auch rechtskonform umgesetzt werden kann?
Das Prinzip »one size fits all« gilt beim Einsatz von KI nicht. So unterschiedlich die Unternehmensstrategien sind, so divers ist auch das Feld möglicher KI-Nutzung. KI kann erfolgreiche Produkte stärken, aber auch helfen, bestehende Herausforderungen zu meistern. Wichtig ist, sich frühzeitig mit Compliance-Fragen zu befassen. Nur so können zielführende Lösungen entwickelt werden. Dann gelingen auch die spätere Skalierung und das flächendeckende Ausrollen KI-basierter Anwendungen.
Wie wichtig ist der Austausch über die Branchengrenzen hinweg?
Sehr wichtig! Ein solcher Austausch ist gerade im Bereich von KI essenziell. Wenn wir alle voneinander lernen und unsere Erfahrungen teilen, tragen wir dazu bei, dass KI sein volles Potenzial entfalten kann. Während der Coronapandemie haben wir bereits die Erfahrung gemacht, dass ein Erfahrungsaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg dabei hilft, mit neuen und unbekannten Situationen zurechtzukommen. Hier gibt es Parallelen. Wir sehen das generelle Interesse, an Erfahrungen anderer zu partizipieren – gerade in Konstellationen, wo alle nach Lösungen suchen. Ein transparenter Austausch stärkt letztlich auch den Wettbewerb um die besten Lösungen.
Weitere Informationen unter: pinsentmasons.com
Das
Prinzip »one size fits all« gilt beim Einsatz von KI nicht.
– Clare Francis, Partner, Head of Commercial
Der Einsatz von KI wirft auch in der Rechtsbranche Fragen auf. Mandantinnen und Mandanten erwarten, dass Kanzleien und Rechtsberatungen die neuesten Tools im Einsatz haben, um schneller und vielleicht auch kostengünstiger Akten und Verträge durchzusehen – oder via Chatbot erste Antworten auf einfache juristische Fragen zu bekommen. Was wird aus dem Rechtsbüro der Zukunft, wenn die KI mindestens im Vorzimmer sitzt?
Viele Anwältinnen und Anwälte sind sich einig, dass KI heute schon zu einer Arbeitserleichterung führt, wenn es um das bis dato zeitaufwendige Durchsehen von Akten geht – oder Verträge nur bei bestimmten Paragrafen angepasst werden müssen. Extra eingesetzte Legal Teams erproben, was geht – und wie die Mitarbeitenden die verschiedenen Tools einsetzen können, um in ihrem jeweiligen Bereich einfacher und effizienter arbeiten zu können.
Die Entwickler der entsprechenden KI-Tools und Plattformen nehmen die besonderen Anforderungen an rechtlich einwandfreie Antworten oder Datenrückgriffe dabei keineswegs auf die leichte Schulter. Antworten, so der Gründer und Geschäftsführer eines führenden deutschen Legal-Tech-Unternehmens, dürften nie »aus dem Bauch heraus« entstehen, sondern ausschließlich auf Basis geprüfter Gesetze, Urteile und validierter Datenbestände. Jede Auswertung müsse mit klaren Fundstellen belegt und revisionssicher protokolliert werden. Im besten Fall gebe es automatische Qualitätschecks, die Widersprüche oder Risiken erkennen und diese transparent machen. Auch die Übertragung oder das Format, in dem die Ergebnisse einer Suche oder Recherche präsentiert werden, sollten in vertrauten juristischen Formaten wie Gutachtenaufbau oder Schriftsatzstruktur erscheinen, sodass sie direkt weiterverwendet werden können.
Brandreport • QNC GmbH
Dort, wo heute noch klare Grenzen gezogen werden, wird es Übergänge geben.
Anfangen – mit Augenmaß Das Spiel mit den Möglichkeiten sollten Rechtsberatende lieber früher als später wagen. Es gehe schließlich nicht darum, sofort die gesamte Organisation umzukrempeln, sondern sich schrittweise an die Möglichkeiten des KI-Einsatzes heranzutasten – um dann selbst die besten Betätigungsfelder auszusuchen und miteinzubeziehen. Tatsächlich zeige sich in den zeitintensiven Routinearbeiten, etwa beim Erstellen von Schriftsatzentwürfen, der Analyse großer Dokumentenmengen oder der Beantwortung wiederkehrender Rechtsfragen das eigentliche Potenzial von KI. Wichtig sei dabei, dass die Technologie sich nahtlos in bestehende Systeme und Workflows integriert – denn nur so werde sie wirklich genutzt und nicht zum Nice-to-have.
Selbstbewusstsein ist gefragt, denn wer frühzeitig weiß, welche Tätigkeiten man der KI überlassen kann und welche ein menschliches
Ermessen erfordern, hat bereits den ersten Schritt getan – und kann mit einer neuen Effizienz nicht nur die Mitarbeitenden, sondern eben auch die Mandantinnen und Mandanten begeistern, die im digitalen Zeitalter erste Einschätzungen schneller denn je auf ihrem Tisch haben wollen.
Weniger Routine, mehr Strategie Dass Anwälte und Inhouse-Juristen einen Großteil ihrer Zeit immer noch mit der Informationsbeschaffung und Strukturierung verbringen, könnte bald der Vergangenheit angehören. Überhaupt sehen erste Anwältinnen und Anwälte den »Partner KI« als Befreiung an, der, weil er zuverlässig und schnell die Recherche und Aufbereitung von Informationen übernehme, mehr Zeit für das Finden von Strategien lässt, für die eigentliche juristische Argumentation, die Bewertung von Risiken und die Entwicklung von Verhandlungslinien. Dass der Blick
zwischendurch immer mal auf die KI gehen werde, um relevante Rechtsfragen, alternative Argumentationsstränge oder mögliche Gegenpositionen zu checken, könnte die menschliche Strategiefindung und Analyse der Erfolgsmöglichkeiten zusätzlich befruchten.
Auch auf das Jurastudium wird KI erheblichen Einfluss haben. Das klassische Auswendiglernen könnte durch generative KI immer unwichtiger werden. Dafür könnten die korrekte Einordnung von Ergebnissen, Strategiegeschick und Kommunikationsmethoden mehr in den Vordergrund rücken. Der Einsatz von KI kann womöglich auch das Prüfsystem verändern, wenn Hausarbeiten von mündlichen Prüfungen zum Wissen-und-System-Verständnis verdrängt werden. Dort, wo heute noch klare Grenzen gezogen werden, wird es Übergänge geben, ein Hin-und-Her zwischen automatisierten Datenchecks und individueller Interpretation und Lösungsfindung.
Was wird also aus dem Rechtsbüro der Zukunft, wenn KI mindestens im Vorzimmer sitzt? Eine umfassendere Strategieberatung, die den Menschen und dessen individuelles Leben und Arbeiten mit dem bestmöglichen Wissen in den Vordergrund rückt. Text Rüdiger Schmidt-Sodingen
»Wir sparen Kanzleien und Rechtsabteilungen bis zu 85 Prozent Zeit«
Michael Friedmann Gründer, Prime Legal AI
Das KI-Tool Prime Legal AI erhält in der Rechtsbranche derzeit viel Aufmerksamkeit. Ein Gespräch mit dem Gründer von Prime Legal AI, Michael Friedmann, über die Zukunft der Rechtsberatung.
Herr Friedmann, was macht Ihr Produkt so besonders?
Prime Legal AI ist der erste spezialisierte KI-Assistent für Anwälte und Rechtsabteilungen, der echte Effizienzsprünge bringt. Wir kombinieren modernste Sprachmodelle mit juristischem Fachwissen und maßgeschneiderten Workflows. Damit sparen unsere Nutzer in der
täglichen Arbeit bis zu 85 Prozent an Zeit – ohne Qualitätsverlust, bei voller rechtlicher Präzision.
Viele Anwälte stehen KI noch skeptisch gegenüber. Warum sollten gerade Juristen jetzt handeln? Juristische Arbeit wird zunehmend von Mandanten hinterfragt: Warum dauert es so lange? Warum kostet es so viel? KI ist hier keine Bedrohung, sondern eine Chance. Wer heute anfängt, schafft Wettbewerbsvorteile. Wer abwartet, wird morgen von Vorreitern überholt. Unsere Kunden berichten schon nach wenigen Wochen von spürbarer Entlastung und höherer Mandantenzufriedenheit.
Wie wird Prime Legal AI in der Praxis beispielsweise eingesetzt? Ein anschauliches Beispiel ist die Prozessführung. In komplexen Litigation-Verfahren müssen Schriftsätze vorbereitet, Akten ausgewertet und Argumentationslinien entwickelt werden. Mit Prime Legal AI können Anwälte in kürzester Zeit große Mengen an Schriftsätzen, Urteilen und Beweismaterial analysieren. Der
Assistent identifiziert relevante Präzedenzfälle, schlägt Argumentationsstränge vor und strukturiert Schriftsätze vor. Dadurch gewinnen Prozessanwälte wertvolle Zeit, um ihre Strategie zu schärfen – und erhöhen gleichzeitig die Erfolgswahrscheinlichkeit im Verfahren.
Datenschutz und Berufsrecht sind für Anwälte besonders sensibel. Wie gehen Sie damit um?
Das ist für uns ein zentrales Thema. Prime Legal AI ist so konzipiert, dass sämtliche Daten nach höchsten Standards geschützt werden – selbstverständlich DSGVO-konform und unter Einhaltung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflichten. Wir betreiben die Lösung auf sicheren Servern in Europa und bieten Kanzleien wie Unternehmen die Möglichkeit, die Anwendung vollständig in ihrer eigenen IT-Infrastruktur zu nutzen. Und als einziger Anbieter verfügen wir über eine integrierte Anonymisierungs- und Pseudonymisierungslösung, die personenbezogene Daten automatisiert schützt, bevor sie verarbeitet werden. Zudem arbeiten wir eng mit
Fachanwälten für Berufsrecht zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Technologie jederzeit mit anwaltlichen Berufspflichten vereinbar bleibt.
Was ist Ihre Vision für die nächsten Jahre?
Ich bin überzeugt, dass KI die juristische Arbeit grundlegend verändern wird – so wie E-Mail oder Legal Tech es zuvor getan haben. Mein Ziel ist, dass Prime Legal AI die führende Plattform für smarte Rechtsarbeit wird.
Weitere Informationen unter: primelegal.de
Boehmert & Boehmert Anwaltspartnerschaft mbB • Brandreport 5
Künstliche Intelligenz revolutioniert das geistige Eigentum – von der Entwicklung neuer Technologien über Patente bis hin zur Ausbildung junger Jurist:innen. Boehmert & Boehmert, eine der führenden Kanzleien im IP-Bereich, sieht in der Digitalisierung enorme Chancen, aber auch rechtliche Herausforderungen. Zwei Partner, Dr. Matthias Hofmann und Dr. Jakob Valvoda, geben Einblicke.
Dr. Matthias Hofmann Patentanwalt
Dr. Jakob Valvoda Patentanwalt
Künstliche Intelligenz verändert die Welt des geistigen Eigentums tiefgreifend. »KI bringt nicht nur neue Technologien hervor, sondern verändert auch Prozesse, wie wir geistiges Eigentum schaffen, nutzen und schützen«, erklärt Patentanwalt Dr. Matthias Hofmann von Boehmert & Boehmert , der selbst auf dem Gebiet maschinelles Lernen promoviert hat . Mit einer eigenen Software »PatentMaker« werden Patentanmeldungen effizienter bearbeitet – ein
Beispiel dafür, wie sich digitale Werkzeuge schon heute produktiv einsetzen lassen.
Doch die Transformation betrifft nicht nur die Arbeit für Mandant:innen, sondern auch die Ausbildung der nächsten Generation. »Junge Patentanwältinnen und -anwälte müssen künftig nicht nur rechtlich sattelfest sein, sondern auch den Umgang mit digitalen Tools beherrschen«, betont Patentanwalt und Informatiker Dr. Jakob Valvoda. Das erfordert eine Anpassung der Ausbildungsinhalte, weg von reinem Dogma, hin zu einer praxisnahen Auseinandersetzung mit KI.
Doch mit KI treten auch neue rechtliche Fragen auf. Besonders strittig: Kann eine KI selbst »erfinden«? Wer ist Urheber von KI-generierten Inhalten? »Wir sehen KI als hoch entwickeltes Werkzeug. Entscheidend ist, wie Menschen es einsetzen«, so Valvoda. Hier liegen Chancen und Risiken eng beieinander.
Die Digitalisierung verschärft die Anforderungen zusätzlich. Enorme Datenmengen, Plattformmodelle und algorithmische Geschäftsmodelle müssen geschützt werden. Für Unternehmen bedeutet das, neben klassischen Patenten und Marken auch Daten, Schnittstellen und Algorithmen in den Blick zu nehmen. Hofmann empfiehlt, Schutzrechte frühzeitig und international zu
planen, klare Prozesse zur Dokumentation von Know-how zu etablieren und Nutzungsrechte in Verträgen eindeutig zu regeln.
Wir sehen KI als hoch entwickeltes Werkzeug.
– Dr. Jakob Valvoda, Patentanwalt und Informatiker
Ein weiterer Aspekt ist die Gesetzgebung. Europa versucht mit Initiativen wie dem EU AI Act Schritt zu halten, doch die Regulierung schafft auch Unsicherheiten. »Unternehmen brauchen Klarheit, damit sie investieren und innovieren können«, so Hofmann. Gleichwohl bleibt der IP-Schutz eine Konstante. Valvoda betont: »Geistiges Eigentum ermutigt Innovatoren, Ideen zu veröffentlichen, und ermöglicht es der Gesellschaft, davon zu profitieren.«
Für Unternehmen bedeutet das: mutig nach vorne blicken, KI-Tools einsetzen und deren Chancen wie Gefahren realistisch
einschätzen. Denn KI und Digitalisierung durchdringen nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft.
Die Effizienzpotenziale sind enorm. »Mit Tools wie ›PatentMaker‹ können Patenterteilungsverfahren effizienter geführt werden«, erklärt Hofmann. Das steigert auch die Qualität im Anmeldeverfahren. Zugleich mahnt Valvoda: »IP-Strategie ist Chefsache. Gerade in Zeiten des Wandels bleibt IP ein zentrales Asset von Unternehmen.«
Ihr gemeinsames Fazit: KI und Digitalisierung werden den IP-Bereich dauerhaft prägen. Wer rechtzeitig in digitale Kompetenzen, klare Schutzstrategien und den klugen Einsatz neuer Technologien investiert, verschafft sich nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern gestaltet auch aktiv die Zukunft mit.
Weitere Informationen unter: boehmert.de
Arnecke Sibeth Dabelstein • Brandreport
KI ist längst mehr als ein Buzzword in der Rechtsbranche. In Massenverfahren wie dem Lkw-Kartellfall hilft sie, Zehntausende Seiten an Schriftsätzen zu strukturieren, zu analysieren und sogar vorzubereiten. Dr. Sebastian Jungermann, Partner bei Arnecke Sibeth Dabelstein, erklärt im Gespräch, was heute schon möglich ist, wo er Grenzen sieht – und warum er sich um die Ausbildung des juristischen Nachwuchses sorgt.
Dr. Sebastian Jungermann Partner
Herr Dr. Jungermann, wie nutzen Sie KI konkret in der juristischen Praxis? In Massenverfahren wie dem Lkw-Kartellfall analysiert KI riesige Datenmengen: Fahrzeuginformationen, Verträge, Zahlungsbelege. Sie strukturiert Dokumente, liest Identifikationsnummern aus, sortiert sie in Listen – und bereitet Schriftsätze vor. Die finale Verantwortung liegt aber weiter beim Menschen: Die Schriftsätze werden von Anwälten erstellt und unterschrieben.
Wie viel Zeit spart das? Enorm viel. Früher saßen 20 Juristen wochenlang in Datenräumen. Heute scannt eine KI binnen Minuten Tausende Verträge. Besonders bei standardisierten Dokumenten wie Miet- oder Kreditverträgen ist die Effizienzsteigerung gravierend. Allerdings: Die Datenmengen wachsen mit und damit auch der Prüfaufwand. Trotzdem ist die Arbeit heute deutlich schneller und strukturierter als früher. KI ersetzt also nicht die juristische Prüfung – sie beschleunigt und ergänzt sie.
Entscheidend ist, wer bereit ist, sich mit den Technologien weiterzuentwickeln.
– Dr. Sebastian Jungermann, Partner
nehmen rasant zu. Regulierung ist wichtig –aber mit Augenmaß. Wer sensible Daten in offene Systeme lädt, riskiert, sie nie wieder vollständig kontrollieren zu können. Hier braucht es deutlich mehr Sensibilisierung.
Wird KI viele Juristen überflüssig machen?
Geht durch KI nicht auch wertvolles juristisches Training verloren? Ja, das sehe ich kritisch. Früher haben Nachwuchsjuristen durch die manuelle Prüfung Hunderter Verträge Problembewusstsein entwickelt. Heute übernimmt das die Technologie. Dadurch fehlt vielen die Erfahrung, Fehler zu erkennen oder Besonderheiten einzuordnen. Und wer eine KI nicht hinterfragen kann, riskiert, falsche Ergebnisse ungeprüft zu übernehmen. Für die Ausbildung ist das eine echte Herausforderung – auch weil die Zeit erfahrener Partner für Mentoring oft fehlt.
Welche Legal-Tech-Anwendungen haben sich bewährt?
Automatisierte Vertragserstellung, Dokumentenanalysen, Red-Flag-Reports oder Plattformen wie »justclaims« zur Flugrechtsabwicklung. Viele Kanzleien oder
Legal Techs spezialisieren sich auf Nischen. Wenn Standardfälle schnell und sauber bearbeitet werden, sparen Mandanten Geld – und Kanzleien bleiben wettbewerbsfähig. Auch im Mittelstand steigt das Interesse, wenn es um einfache, skalierbare Lösungen geht. Besonders wirtschaftlich sind Tools, die Routineaufgaben übernehmen – wie das Prüfen Tausender gleichartiger Verträge bei Transaktionen.
Welche Rolle spielt der Datenschutz für Sie?
Datenschutz ist essenziell, aber oft auch innovationshemmend. In den USA oder China werden KI-Lösungen schneller entwickelt, weil dort ethische und regulatorische Hürden geringer sind. In Europa genießen wir zwar hohe Schutzstandards, aber sie machen es Kriminellen auch leichter. KI-gestützte Identitätsdiebstähle und Betrugsmaschen
Bestimmte Tätigkeiten – etwa in der Vertragsprüfung oder bei Übersetzungen – werden sicher wegfallen. Aber gleichzeitig entstehen neue Anforderungen: mehr Regulierung, mehr Kontrolle, neue Tools. Hoch qualifizierte Juristen werden gebraucht. Entscheidend ist, wer bereit ist, sich mit den Technologien weiterzuentwickeln. Wer sich stur verweigert, könnte vom Markt verschwinden. Die große Mehrheit aber wird ihren Platz behalten – nur anders arbeiten als bisher. Denn kompetente Juristen sind unersetzlich.
Weitere Informationen unter: asd-law.com
Patrick Prior KI-Experte, Keynote Speaker, Jurist, Buchautor und Verleger des Legal Tech Verzeichnis Magazins
Wird es in zehn Jahren noch Anwältinnen und Anwälte geben? Viele Jahre lang wäre diese Frage völlig absurd gewesen. Eine erste Erschütterung des Glaubens an die Unersetzbarkeit der Anwaltschaft kam aber um das Jahr 2016 auf, als der Begriff »Legal Tech« aus den USA herüberschwappte. Mit Legal Tech bezeichnete man moderne Software für Juristinnen und Juristen, die ihre Arbeit, zumindest in Teilen, automatisieren konnte und damit der bisher erhältlichen Software weit voraus erschien. Die Begriffe Low-Code und No-Code wurden einer breiten Masse von Juristen bekannt und viele Legal-Tech-Konferenzen schossen aus dem Boden und brachten den Rechtsmarkt in einen Technologiehype. Zum ersten Mal waren Juristen mit Hoodies und Tablets unter dem Arm angesehener als ihre Kolleg:innen in Business-Kostümen und Anzügen. Auf diesen Branchentreffen wurde damals erstmalig die Frage diskutiert, ob Software in den nächsten Jahren Anwälte ersetzen könnte.
Die Meinungen darüber waren sehr unterschiedlich. Manche sahen einen echten Ersatz des Berufs durch Software kommen, andere meinten, ihre Arbeit sei niemals durch eine Software zu ersetzen, da viel zu speziell. Die Mehrheit war sich einig darüber, dass zumindest Teile der Arbeit automatisiert werden, und daher besorgt um einen kommenden Verfall des Stundensatzes, da kein Mandant 400 Euro pro Stunde bezahlen würde, wenn dieselbe Arbeit von einem Computer in Sekundenschnelle erledigt werden kann. Gemäß Gartner Hype Cycle folgt auf jeden Höhepunkt der überhöhten Erwartungen ein Tiefpunkt der Desillusionierung und genau so traf es auch ein. In den Jahren 2018 bis 2022 gab es zwar weiter Fortschritte im Bereich Legal-Tech-Software,
Brandreport • Eltemate
Die KI wird den Anwalt also nicht so schnell ersetzen, den Beruf allerdings völlig verändern.
allerdings nicht annähernd in eine Richtung, die einen Anwalt jemals ersetzen könnte.
Dies änderte sich Ende 2022 mit der Veröffentlichung von ChatGPT. Erstmals konnte man einer Software juristische Fragen stellen und diese gab tatsächlich ausführliche und halbwegs sinnvolle Antworten. Natürlich waren diese alles andere als perfekt und vor allem das Problem der Halluzinationen, also des Erfindens von z. B. Gerichtsurteilen oder Literaturverweisen, war ein großes Problem. Trotzdem war der Effekt auf die Branche immens! So schlecht waren die Antworten oftmals nicht und wer sich mit besseren Eingaben, also dem professionellen Prompten, beschäftigte, konnte auch deutlich bessere Ergebnisse erzielen.
Manche Jurist:innen waren nun tatsächlich davon überzeugt, nur noch wenige Jahre Arbeit vor sich zu haben, bis die KI vollständig übernimmt. Sarkastisch wurde diskutiert, ob man in Zukunft nicht mehr den Stundensatz des Anwalts abrechnen wird, sondern die Leistung des KI-Prozessors in Teraflops, also der Maßeinheit für die Rechenzeit eines Computers. Und auch Anbieter von juristischen Datenbanken und juristische Verlage sahen sich erstmalig in Konkurrenz zu US-amerikanischen KI-Konzernen.
Aber ist es wirklich realistisch, dass es in zehn Jahren keine Anwältinnen und Anwälte mehr geben wird? Höchstwahrscheinlich nicht. Denn zunächst müsste die KI deutlich besser werden, um den Beruf des Juristen wirklich ersetzen zu können. Dies könnte der Fall sein, wenn wir AGI, also Artificial General Intelligence, erreichen. Diese KI wäre dann so gut wie der beste Anwalt der Welt, nur unbeschreiblich viel schneller. Wann wir AGI erreichen, ist stark umstritten. Die Mehrheitsmeinung der Experten geht davon aus, dass dies in den Jahren 2040 bis 2050 passieren könnte. Die KI in zehn Jahren wird daher wohl noch nicht die kognitive Fähigkeit haben, einen Anwalt vollständig zu ersetzen.
Aber selbst wenn AGI existiert, ist immer noch fraglich, ob ein Mandant seinen Fall überhaupt einem großen KI-Konzern anvertrauen möchte, der dann auch Zugriff auf juristische Datenbanken bräuchte, wie gut die KI strategisch berät und wie weit der menschliche Vertrauensfaktor in echte Beratung und der psychologische und empathische Beistand einer Anwältin oder eines Anwalts durch eine Software ersetzt werden kann.
Ein weiterer Punkt, der gegen die Ersetzung spricht, sind regulatorische Fragen. Aktuell
wäre es einer KI gar nicht erlaubt, einen Mandanten vor Gericht jenseits der Höhe der Instanz des Amtsgerichts zu vertreten, und die KI könnte auch keine Akteneinsicht erhalten. Auch die Demografie – viele Anwälte gehen bald in den Ruhestand und es kommen deutlich weniger nach – spricht für die Berufsausübung eines Anwalts in zehn Jahren.
Die KI wird den Anwalt also nicht so schnell ersetzen, den Beruf allerdings völlig verändern. Der Anwalt in zehn Jahren wird täglich mithilfe von künstlicher Intelligenz arbeiten und wer sich dieser Hilfe versagt, wird kaum mehr am Rechtsmarkt bestehen. Er wird dabei immer mehr zum »Human in the Loop«, also zur Kontrollinstanz der KI, die immer mehr Aufgaben übernehmen wird, wie z. B. Vertragserstellung, Dokumentenanalyse, Recherche und die Erstellung von Schriftsätzen. Die Anwältin oder der Anwalt überprüft, korrigiert, entscheidet und trägt somit weiterhin die volle Verantwortung.
Da sich auch Rechtsabteilungen der KI bedienen und damit deutlich fähiger werden als heute in ihrer Tiefe und Breite der juristischen Aufgaben, müssen sich auch die Wirtschaftskanzleien anpassen in ihrer Beratung gegenüber Unternehmen. Hier steht vor allem die persönliche Beratung und die möglicherweise eigenen und überlegenen Kanzlei-KI-Systeme, trainiert durch die gesammelte Erfahrung der Kanzleianwälte, im Vordergrund.
Für kleinere Kanzleien könnte es allerdings deutlich schwieriger werden. Simple Verträge aufsetzen und einfach gelagerte Rechtsfragen beantworten wird die KI in zehn Jahren können. Und wenn die Höhe des Streitwertes im Rahmen des Amtsgerichts liegt, wird es genug Fälle geben, bei denen sich der potenzielle Mandant mithilfe von KI einigermaßen gut vor Gericht selbst verteidigen kann. Überall, wo aber echte persönliche und erfahrene Beratung im Vordergrund steht und nicht nur das schnelle Aufsetzen eines Schreibens mit dazugehöriger Kostennote, wird der Anwalt gebraucht und durch KI sogar deutlich fähiger, günstiger und effektiver werden.
Text Patrick Prior
Dr. Sebastian Lach Co-CEO, Eltemate
Die juristische Arbeitswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Generative KI-Systeme verändern die juristische Arbeit. Dies hat auch gesellschaftliche Folgen.
Wandel in der juristischen Arbeitswelt Durch die Einführung von KI-Systemen hat in der juristischen Arbeitswelt – wie auch in anderen Bereichen – der Wandel bereits begonnen. Der Markt entwickelt sich von ersten punktuellen Experimenten in den vergangenen Jahren hin zu einer skalierbaren Nutzung. Doch trotz aller Fortschritte bleibt juristische
Kompetenz unverzichtbar. Ein Ersatz menschlicher Fähigkeiten hat sich nur bei einfachen, repetitiven Tätigkeiten eingestellt. Generative KI kann zwar plausible Texte erstellen, doch die Gefahr von Halluzinationen bleibt. Außer bei einfachsten Aufgaben können KI-Ergebnisse nicht ungeprüft übernommen werden.
Neue Geschäftsmodelle
Auch die Geschäftsmodelle der Branche verändern sich. Routineaufgaben werden durch KI effizienter, wodurch sich der Wertbeitrag juristischer Arbeit stärker auf strategische Beratung, Aufgaben der zwischenmenschlichen Kommunikation, Verhandlungsführung und Ähnliches verlagern wird. Festpreise und Abonnements für standardisierte Services gewinnen an Bedeutung, während Stundenhonorare zwar relevant bleiben, aber künftig eine geringere Rolle spielen werden. Rechtsabteilungen erwarten von ihren Kanzleien bei der Verwendung von KI Transparenz. Sie wollen wissen, wann KI zum Einsatz kommt, wie Qualität sichergestellt wird und
wie Effizienzgewinne an sie weitergegeben werden können. Durch die Steigerung der Effizienz wird der Zugang zu hochqualitativer Rechtsberatung einfacher, schneller und kosteneffektiver. Dies ist ein rechts- und auch gesellschaftspolitischer Fortschritt. Mehr Menschen werden Zugang zu hochqualitativer Rechtsberatung haben und Verfahren werden beschleunigt. Dies kann die Akzeptanz für rechtliche Abläufe in der Gesellschaft weiter erhöhen, was auch den Rechtsstaat stärkt.
Geeignete Anwendungsfälle und Veränderungsmanagement
Eine erfolgreiche KI-Integration hängt dabei wesentlich von zwei Aspekten ab: der Auswahl geeigneter Anwendungsfälle und einem wirksamen Veränderungsmanagement. Gute Einsatzfelder sind etwa die Verdichtung umfangreicher Dokumente oder die Ideenfindung zu juristischen Argumentationslinien. Komplexe Rechtsgutachten eignen sich hingegen weniger. Gleichzeitig können selbst die besten Anwendungsfälle scheitern, etwa an
überhöhten Erwartungen. Nutzer müssen frühzeitig eingebunden und kontinuierlich begleitet werden. Neue Technologien müssen in bestehende Prozesse integriert werden, dabei sind kontinuierliches Feedback und die Vorbildfunktion der Führungsebene mitentscheidend.
Ausblick
Der Weg in die Zukunft ist klar. NiedrigrisikoAnwendungen sollten priorisiert und durch ein kontinuierliches Veränderungsmanagement begleitet werden. Sicherheit und Qualität müssen dabei stets im Mittelpunkt stehen. Generative KI wird die juristische Arbeit nicht ersetzen, aber schneller und zugänglicher machen.
Weitere Informationen unter: eltemate.com
Künstliche Intelligenz gilt als Hebel für die digitale Verwaltung. Doch die öffentliche Hand steht vor rechtlichen Hürden: von unklaren Leistungsbeschreibungen über Datenschutzauflagen bis hin zur Gefahr monopolartiger Abhängigkeiten. Zwei Partner von Lutz | Abel, Dr. Christian Kokew (Vergaberecht) und Dr. André Schmidt (IT-Recht), erklären, wie der Staat KI-Systeme rechtssicher und gleichzeitig innovationsfreundlich beschaffen kann.
Dr. Christian Kokew Partner, Vergaberecht
Dr. André Schmidt Partner, IT-Recht
Herr Dr. Kokew, warum ist der Einkauf von KI-Systemen für die öffentliche Hand eine besondere Herausforderung? Die Digitalisierung ist für Verwaltungen zwingend, und KI kann dabei ein zentraler Hebel sein. Aber die Beschaffung ist vergaberechtlich komplex. KI-Lösungen sind technisch innovativ, oft schwer zu definieren und ihre Entscheidungslogik ist nicht immer nachvollziehbar. Letzteres kollidiert mit rechtsstaatlichen Prinzipien. Hinzu kommt die Dynamik: KI entwickelt sich weiter, während klassische IT-Leistungen statischer sind. Auftraggeber müssen also kreativ mit den bestehenden Regeln umgehen und zugleich insbesondere Datenschutz, IT-Sicherheit und europäische Vorgaben berücksichtigen. Sonst droht der Einkauf von Lösungen, die später nicht oder nicht rechtskonform betrieben werden können.
Herr Dr. Schmidt, welche Chancen und rechtlichen Risiken sehen Sie beim Einsatz von KI in der Verwaltungspraxis? Das Potenzial ist enorm: schnellere Bearbeitung von Bürgeranfragen, Entlastung bei Routinetätigkeiten, bessere Stadt- oder Infrastrukturplanung durch Datenanalyse. Risiken bestehen aber ebenfalls reichlich. Ein zentrales Problem ist der »Bias«, also verzerrte Ergebnisse durch unzureichende Trainingsdaten. Dazu kommt das Blackbox-Problem: Entscheidungen müssen nachvollziehbar bleiben. Rechtlich relevant ist auch Artikel 22 DSGVO, der automatisierte Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung grundsätzlich untersagt. Zudem erlaubt das Verwaltungsverfahrensrecht automatisierte Verwaltungsakte nur bei gebundenen Entscheidungen. In vielen Bereichen bleibt KI daher auf unterstützende Funktionen beschränkt. Schließlich stellt sich die Frage der Haftung, die bislang weder national noch auf EU-Ebene abschließend geklärt ist.
Das Vergaberecht verlangt eindeutige Leistungsbeschreibungen. Wie lässt sich das mit lernenden Systemen vereinbaren?
Kokew: Ein Schlüssel ist die funktionale Leistungsbeschreibung. Der Auftraggeber definiert das gewünschte Ziel, nicht jedes technische Detail und überlässt es
KI-Lösungen sind technisch innovativ, oft schwer zu definieren und ihre Entscheidungslogik ist nicht immer nachvollziehbar. Letzteres kollidiert mit rechtsstaatlichen Prinzipien.
– Dr. Christian Kokew, Partner, Vergaberecht
Transparenz und menschlicher Aufsicht. Beides gilt parallel, DSGVO und KI-Verordnung müssen also gleichermaßen eingehalten werden.
Wie sollten Verträge gestaltet sein, um Haftung und Weiterentwicklung zu regeln?
Schmidt: Klar ist nur: Die KI selbst haftet nicht. Verantwortung tragen Anbieter und Auftraggeber als Betreiber – aber der Rechtsrahmen ist unübersichtlich. Deshalb müssen Verträge klare Regelungen enthalten: Anbieter müssen für Produktmängel einstehen, Auftraggeber haften allenfalls für Fehlbedienung. Vertragsstrafen können sinnvoll sein, sollten aber flexibel verhandelt werden, um Bieter nicht abzuschrecken. Wichtig ist, Verantwortung nicht allein auf den öffentlichen Auftraggeber abzuwälzen.
den Bietern, die beste Lösungsmethode zu entwickeln. Beispiel: Statt »KI-System X mit Schnittstellen Y« heißt es »System zur Verwaltung von Bürgeranfragen mit Trefferquote von 95 Prozent«. So bleibt Raum für Innovation.
Schmidt: In der Privatwirtschaft arbeiten wir längst so – oft mit agilen Projekten in Sprints. Der Ansatz passt auch für die öffentliche Hand: Schrittweise Ergebnisse, die sich anpassen lassen. Wichtig bleibt die Rechtskonformität, insbesondere in Bezug auf Datenschutz.
Wie können Auftraggeber die Qualität von KI-Lösungen prüfen?
Kokew: Eine Möglichkeit sind Teststellungen. Bieter müssen anhand vorgegebener Datensätze nachweisen, dass ihre Systeme die Anforderungen erfüllen. So lässt sich prüfen, ob Vorgaben tatsächlich eingehalten werden. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots kann eine wertende Teststellung als zielführendes Zuschlagskriterium dienen.
Schmidt: Hinzu kommen Methoden wie »Explainable AI«, also erklärbare KI, sowie umfassende Dokumentation, wie sie die neue KI-Verordnung für Hochrisikosysteme vorschreibt. Dennoch ist
das kein Allheilmittel, da Ergebnisse manipulierbar bleiben können. Deshalb ist menschliche Kontrolle unverzichtbar.
Welche Vergabeverfahren sind für KI-Beschaffungen geeignet?
Kokew: Das offene und das nicht offene Verfahren stoßen hier an Grenzen, weil mit den Bietern nicht verhandelt werden darf. Bei KI ist das realitätsfern. Besser sind Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder der wettbewerbliche Dialog. Auch die Innovationspartnerschaft kann sinnvoll sein, wenn es keine marktfertigen Lösungen gibt. Dort entwickeln Auftraggeber und Anbieter gemeinsam einen Prototyp und führen diesen in die Praxis.
Welche Rolle spielen europäische Vorgaben wie DSGVO und KI-Verordnung schon heute?
Schmidt: Eine zentrale. Die DSGVO gilt seit 2018 technologieneutral auch für KI. Besonders heikel ist die Nutzung personenbezogener Daten zu Trainingszwecken, da diese meist nicht zu diesem Zweck erhoben wurden. Die KI-Verordnung gilt seit Februar 2025 schrittweise und verfolgt einen risikobasierten Ansatz. Bestimmte Systeme wie Social Scoring sind verboten. Hochrisiko-KI, dazu zählen viele Verwaltungsanwendungen, unterliegt strengen Anforderungen an Dokumentation,
Klar ist nur: Die KI selbst haftet nicht. Verantwortung tragen Anbieter und Auftraggeber als Betreiber – aber der Rechtsrahmen ist unübersichtlich. Deshalb müssen Verträge klare Regelungen enthalten.
– Dr. André Schmidt, Partner, IT-Recht
Droht durch KI-Beschaffungen ein Vendor-Lock-in, also die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern?
Kokew: Ja, diese Gefahr ist real. Wenn ein Anbieter mit den Daten der Verwaltung sein System fortlaufend verbessert, entsteht ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil. So könnte ein faktisches Monopol entstehen. Das widerspricht auch dem Wettbewerbsprinzip des Vergaberechts.
Schmidt: Daher müssen Auftraggeber Nutzungsrechte früh regeln. Entweder sichern sie sich sämtliche Rechte oder zumindest das Recht, Systeme nach Vertragsende weiterzuverwenden. Zudem sollten Exit-Management-Klauseln greifen, etwa Übergangslizenzen oder offene Schnittstellen nach dem Vorbild des Data Act. Auch der Einsatz von Open-Source-Lösungen kann helfen, Abhängigkeiten zu vermeiden.
Welche Weichen muss die öffentliche Hand jetzt stellen, um KI rechtssicher und innovationsfreundlich einzukaufen?
Kokew: Erstens: Frühzeitige Markterkundung, um Bedarf und Lösungen realistisch einschätzen zu können. Zweitens: Kompetenzaufbau –sowohl intern als auch durch externe Expertise. Drittens: Wahl der richtigen Vergabestrategie, also weg vom starren offenen Verfahren hin zu agilen Modellen wie Verhandlungsverfahren oder Innovationspartnerschaft. Viertens: Den Wettbewerb sichern und Monopole vermeiden. Und schließlich sollte auch der Rechtsrahmen selbst weiterentwickelt werden.
Schmidt: Ergänzen möchte ich: einfach anfangen. Pilotprojekte im kleinen Maßstab helfen, Erfahrungen zu sammeln und Unsicherheiten abzubauen. So kann die Verwaltung lernen, mit KI umzugehen, ohne gleich riesige Mammutprojekte zu riskieren.
Weitere Informationen unter: lutzabel.com
Prof. Dr. iur. LL.M. Patrick Krauskopf Chairman Agon Partners Group
Wenn in modernen ComplianceManagement-Systemen klare Richtlinien, wirksame Kontrollen und regelmäßige Schulungen mit KI-gestützten Risikoanalysen verbunden werden, entsteht eine Win-win-Situation für Unternehmen und Beschäftigte, in der Technik und menschliches Urteilsvermögen zusammenwirken. Digitale Hinweisgebersysteme, intelligente Risk-Tracker und sichere Kommunikationsplattformen sind dabei zentrale Bausteine einer zukunftsorientierten Compliance- und Legal-Strategie, die Unternehmen ein souveränes Risikomanagement ermöglicht.
Prof. Dr. Patrick L. Krauskopf, Verwaltungsratspräsident mehrerer (börsennotierter) Gesellschaften, spricht darüber, welche Vorteile das Zusammenführen von Legal Tech und KI in seiner Agon-Gruppe für die Klienten hat.
Herr Prof. Dr. Krauskopf, wie genau können digitale Tools Unternehmen dabei helfen, kartellrechtliche Risiken frühzeitig zu identifizieren? Frühwarnung ist zentral! Zur Illustration: Unsere KI-gestützte DCD-Software
Brandreport • Omnilex
(»Digital Cartel Detection«) analysiert beim Einkauf oder bei Vergabeverfahren Offerten auf verdächtige Muster und erkennt Submissionsabsprachen, bevor Verträge vergeben werden. Statistische Marker ermöglichen frühes Eingreifen, sichern Wettbewerb, rechtskonforme Vergaben. Der Einkauf kann kaum noch über den Tisch gezogen werden.
Inwiefern kann Legal Tech auch zu sinkenden Compliance-Kosten und effizienteren Prozessen führen?
Legal Tech steigert Effizienz und senkt Kosten, indem es Routinearbeiten automatisiert. Compliance-Aufwände entstehen oft durch personalintensive Standardprozesse wie Vertragsprüfungen, Rechtsmonitoring oder Sanktionslisten-Checks, alles Aufgaben, die KI in einem Bruchteil der Zeit besser erledigt. Compliance-Teams können sich auf wesentliche Risiken konzentrieren: Unser Global Risk Tracker ermittelt mit wenigen Klicks unlautere Personen, unsere Supple Catenae warnt rechtzeitig vor haftungsauslösenden Verhaltensweisen in der Lieferkette.
Wie verändert der Einsatz solcher Tools die Zusammenarbeit zwischen Kanzlei, Unternehmen und Aufsichtsbehörden?
Digitale Compliance-Tools ermöglichen eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Kanzleien, Unternehmen und Behörden. Unsere Communicatio Securitatis 360 ermöglicht nahtlose Einbindung,
End-to-End-verschlüsselte Kommunikation und digitale Souveränität durch Hosting in der Schweiz. Dashboards und sichere Datenräume erleichtern zudem die transparente Darstellung komplexer Sachverhalte. Unser integriertes Hinweisgebersystem, welches in der EU und in der Schweiz im Einsatz ist, umfasst eine externe Ombudsstelle mit anonymer Hotline. Meldungen unterliegen dem Schweizer Anwaltsgeheimnis und werden ausschließlich auf Servern in der Schweiz verarbeitet. Diese Technik ersetzt nicht die juristische Beurteilung. Algorithmen übernehmen Routine, Verantwortung und rechtliche Bewertung bleiben beim Menschen.
Welche Kompetenzen müssen
Anwält:innen künftig mitbringen, um Legal Tech und Compliance-Tools sinnvoll einzusetzen – und warum ist die Agon-Gruppe hierbei führend?
Jurist:innen brauchen künftig ein größeres technisches Verständnis, ständige Weiterbildung und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit IT- und Compliance-Experten. Kreatives Denken und der analytische Umgang mit großen Datenmengen werden Kernkompetenzen, soziale Fähigkeiten im Umgang mit Klientinnen bleiben jedoch weiterhin zentral. Die Agon-Gruppe hat diese Mischung früh gefördert: Jurist:innen arbeiten eng mit Technikspezialisten zusammen, entwickeln eigene Compliance-Tools und setzen auf »Swiss made Software« für maximale Datensicherheit. Unser Verwaltungsrat, bestehend aus
Mitgliedern aus der Versicherungswirtschaft und der Gesetzgebung, verlangt, dass alle unsere KI-Lösungen das Gütesiegel »Agon AI« enthalten: Unsere KI-Lösungen werden in der Schweiz entwickelt und gehostet und erfüllen höchste Ansprüche an Performance, Sicherheit und Datenschutz – 100 Prozent Swiss Data-Integrity. Persönlich verbinde ich internationale Ausbildung (Harvard Law School) mit langjähriger Praxis bei Behörden, Gerichten und auch als Vorsitzender oder CEO von zahlreichen Unternehmen im Bereich Retail, Immobilien und Nuklearindustrie. Ich pushe alle Agon-Gesellschaften zu Vorreiter-KI-Know-how, pragmatischer Herangehensweise, juristischer Exzellenz und technologischem Pioniergeist.
Weitere Informationen unter: agon-innovation.ch
KI kommt in die Kanzleien und Rechtsabteilungen. Bestes Beispiel: Omnilex, entwickelt von einem jungen Gründerteam mit ETH-Zürich-Hintergrund. Mitgründer Ismael Seck erläutert die Erfolgsgeschichte hinter der KI-Lösung, die derzeit Kanzleien und Rechtsdienste im gesamten DACH-Raum erobert.
Ismael Seck Mitgründer, Omnilex
Herr Seck, ist es schwer, gestandene Partner einer renommierten Kanzlei von Legal Tech zu überzeugen? Es ist weniger schwer, als man vermuten würde. Ich erinnere mich an eine Szene in einer renommierten Schweizer Kanzlei, in der wir Omnilex vorstellten. Zehn Partner saßen gemeinsam im Raum, und einer von ihnen wollte das Tool auf die Probe stellen. Er nahm die schwierigste Rechtsfrage, die er erst am Vortag lange bearbeitet hatte, und ließ sie von Omnilex beantworten, um zu zeigen, dass es nicht funktionieren könne. Die Antwort von Omnilex hat die Rechtsfrage perfekt beantwortet und verwies genau auf den Bundesgerichtsentscheid, den der Partner nach langer Suche selbst gefunden hatte. Für einen Moment herrschte Stille, dann sahen sich die Partner an und mussten schmunzeln. Solche Aha-Momente erleben wir inzwischen beinahe täglich in Kanzleien. Der Unterschied zu allgemeinen Tools wie ChatGPT ist dabei entscheidend. Omnilex wurde genau auf hoch spezialisierte Rechtsfragen zugeschnitten und besitzt die dafür notwendigen Daten.
Heute ist Kommunikation in der Rechtswelt noch stark textbasiert und von vielen Übersetzungsschritten geprägt.
– Ismael Seck
Legal Tech verspricht, rechtliche Aufgaben schneller zu erledigen – was bedeutet das für die Billable Hour? Mit der Billable Hour haben wir eine spannende Erfahrung gemacht. Nehmen wir als Beispiel eine juristische Abklärung zu einem bestimmten Rechtsfall. Ob diese von Kanzlei A oder Kanzlei B durchgeführt wurde, spielte für die Mandanten früher keine Rolle – du erhältst im Grunde denselben Deal. Dadurch entstand ein Preisgleichgewicht. Sobald jedoch ein Akteur dieses Gleichgewicht durchbricht, sind Mandanten durchaus bereit, zu wechseln. Dann ist die Einführung neuer Technologien unausweichlich. Das ist letztlich nichts anderes als der Schritt vom Gang in die Bibliothek hin zu »Ctrl+F« – auch wenn immer noch nach Stunden abgerechnet wird. Entscheidend ist: Wer sich schnell auf diese Umwälzungen
einstellt, kann als Kanzlei Marktanteile gewinnen. Deswegen haben wir fast nie das Argument gehört, Omnilex sei nicht sinnvoll, weil weiterhin nach Stunden abgerechnet werde.
Wenn Sie nach vorne blicken: Welche Rolle wird ein System wie Omnilex in fünf Jahren im Alltag von Juristinnen und Juristen spielen? Fünf Jahre vorauszublicken, ist fast unmöglich. Was sich jedoch klar abzeichnet, ist das langfristige Potenzial von Omnilex im Zusammenspiel zwischen Rechtsteams und deren Mandanten. Heute ist Kommunikation in der Rechtswelt noch stark textbasiert und von vielen Übersetzungsschritten geprägt: von der Recherche in juristischen Quellen über die Aufbereitung in allgemein verständlicher Sprache bis hin zu einer Darstellung,
die Mandanten in ihre Realität übertragen können. Hier sehen wir enormes Potenzial. In Zukunft könnte sich ein Kundensachverhalt viel direkter in eine visuelle Lösung oder ein konkretes Arbeitsergebnis übersetzen lassen. Ein weiteres Szenario, das wir sehen, ist, dass Juristinnen und Juristen statt jede Recherche und jeden Entwurf manuell durchzuführen, morgens an den Arbeitsplatz kommen und in Omnilex bereits die Vorarbeit zu sämtlichen Tasks vorzufinden – sodass es im Wesentlichen darum geht, zu prüfen, abzusegnen und zu koordinieren. KI würde sich damit weg vom Werkzeug und hin zu einer Art Teammitglied bewegen. Ein weiteres Beispiel ist unser Omnilex Grid: eine Anwendung, mit der sich große Mengen von Dokumenten gleichzeitig anhand bestimmter Kriterien analysieren lassen. Damit entstehen völlig neue Möglichkeiten, komplexe Sachverhalte schnell und strukturiert auszuwerten. Dazu kommt unser Word-Add-in, das es ermöglicht, Omnilex direkt in der gewohnten Textverarbeitungsumgebung einzusetzen – ohne Medienbrüche, mitten im juristischen Arbeitsprozess.
Interview Rüdiger Schmidt-Sodingen
Weitere Informationen unter: omnilex.ai
Esche Schümann Commichau
»Mandantinnen
Wie sehr helfen KI und automatisierte Vorgänge Sozietäten und ihren Mandantinnen und Mandanten? Dr. Andreas von Criegern gibt einen praxisnahen Einblick, wie seine Sozietät Esche Schümann Commichau mit KI und Digitalisierung umgeht.
Dr. Andreas von Criegern Rechtsanwalt
Herr Dr. von Criegern, Sie wurden nach einer Umfrage von Best Lawyers erneut zu einem der »besten Anwälte Deutschlands« gewählt. Wie verändern KI und Digitalisierung denn Ihre tägliche Arbeit? Da gibt es zwei Antworten. Als Geschäftsführer unserer Sozietät schaue ich mir die vorhandenen KI-Tools an und frage: Was können wir einsetzen? Welche Tools lohnen sich? Wir lassen die vorhandenen Agenten auf Herz und Nieren prüfen, lassen interne KI-Richtlinien erstellen und achten auf entsprechende geschlossene Systeme. Wir spielen da ein bisschen Trial-and-Error. Als Anwalt für Immobilien- und Handelsrecht hält sich der Einsatz von KI für mich noch in Grenzen. Sicher, wenn ich große Schriftsätze bekomme, kann ich womöglich schnell eine Zusammenfassung erstellen lassen. Insgesamt sehe ich
KI jedoch noch nicht als Gamechanger. Die Frage ist und bleibt: Inwieweit bringt mir KI wirklich einen Vorteil für die Einschätzung und Bearbeitung des konkreten Falles?
Sachverhalte können dank KI zügiger aufgearbeitet werden.
– Dr. Andreas von Criegern, Rechtsanwalt
Können KI-Anwendungen das Aktenstudium und erste Beratungsansätze mittelfristig beschleunigen? Mit Sicherheit. Sachverhalte können dank KI zügiger aufgearbeitet werden. Die Welt ist sehr schnelllebig – und Mandantinnen und Mandanten schicken manchmal 50-Seiten-Verträge, um binnen zwei Stunden eine erste Einschätzung zu bekommen. KI hat den Vorteil, dass sie aus
umfangreichen Dokumenten die wichtigsten Punkte herausziehen kann. Trotzdem müssen wir alles noch in Ruhe ansehen. Denn eine Treffgenauigkeit von 95 Prozent reicht nicht immer aus. Manchmal kommt es genau auf die restlichen fünf Prozent an. Aber wo früher z. B. drei Anwälte im Rahmen einer Due Diligence nach Change-ofControl-Klauseln in Hunderten von Verträgen suchen mussten, brauchen Sie heute nur einen. Und wo ich als junger Anwalt bei Transaktionen vor Ort bei Unternehmen in dunklen Räumen Unterlagen prüfen musste, ist das heute gar nicht mehr nötig. Was auch zu der Frage führt: Wie bilden wir zukünftig unseren Nachwuchs aus?
Wird KI auch die Vergütung beeinflussen?
Mandantinnen und Mandanten erwarten, dass unsere Arbeit günstiger und besser kalkulierbar wird. Dennoch möchten sie, dass Fachleute ihre Anliegen individuell prüfen. Aufgrund des Kostendrucks nutzen Rechtsabteilungen verstärkt KI. Wenn sie dann zu uns kommen, denken sie, dass wir eine bessere KI haben. Gleichzeitig erhoffen sie sich andere Vergütungsmodelle jenseits der üblichen Stundensätze, beispielsweise Pauschalangebote. Dann heißt es: Ihr habt KI, dann müsstet ihr das, was früher drei Anwaltsstunden gedauert hat, doch in einer Stunde schaffen. Allerdings wird dabei übersehen, dass
auch die Kosten für die KI umgelegt werden müssen. Stundenbasierte Abrechnungen wird es – wenn auch im geringeren Umfang als bisher – weiter geben. Über die Höhe der Stundensätze wird der Markt entscheiden.
Sinkt durch die Digitalisierung und entsprechende Services tatsächlich die Hemmschwelle, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen? Kleine Sozietäten, die vor allem Verbraucher vertreten, werden sicher leiden. Denn die Deutschen gehen ja selten zum Anwalt, wenn sie nicht rechtsschutzversichert sind. Unternehmen mit großen Rechtsabteilungen werden weiterhin versuchen, möglichst viel selbst abzuarbeiten. Sie kommen nur dann zu uns, wenn sie ein spezielles Problem haben oder eine Zweitmeinung einholen wollen. Die Hemmschwelle für Anfragen wird sich verschieben, es wird mehr Sonderanfragen geben. Der Markt könnte folglich härter werden.
Weitere Informationen unter: esche.de
Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer • Brandreport
Die digitale Transformation ist eine zentrale Herausforderung für den Mittelstand und für den Beratungsmarkt. Die Wirtschaftskanzlei Menold Bezler mit Sitz in Stuttgart reagiert darauf mit ihrem ambitionierten Transformationsprozess »MB Digital 2030«. Das Ziel: Mandanten bei Digitalisierungsinitiativen umfassend und bedarfsgerecht zu beraten und gleichzeitig interne Strukturen so umzubauen, dass Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung nahtlos mit technischer Innovation Hand in Hand gehen.
Dr. Christoph Bastian
Chief Digital Officer und Partner
Seit Anfang September verantwortet mit Dr. Christoph Bastian erstmals ein Chief Digital Officer (CDO) den Digitalbereich bei Menold Bezler. Der Jurist war zuvor Abteilungsleiter Recht bei der Landesbank Baden-Württemberg und verantwortete auch dort im Bereich das Digitalisierungsteam. Bei Menold Bezler übernimmt Bastian eine Doppelrolle: Als CDO leitet er den neu geschaffenen Digitalbereich und treibt so die interne Transformation voran, als Partner berät er zusammen mit Experten anderer Fachgebiete Mandanten aus dem Mittelstand wie auch dem öffentlichen Sektor bei deren Digitalisierungsvorhaben. Digitalisierung will der 45-Jährige nicht als reinen Technikfortschritt verstanden wissen, sondern als Veränderung von Abläufen und Kultur: »Entscheidend ist, dass man Prozesse und Zusammenarbeitsmodelle – intern wie extern – neu denkt, um die Vorteile von technischer Innovation nutzbringend einzusetzen.« Die langjährige Digitalerfahrung spielt dabei eine wesentliche Rolle: Man versteht aus
Statt nur auf einzelne Tools zu setzen, verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, mit dem die Digitalisierung in allen Bereichen unserer Kanzlei greift und nachhaltig Mehrwert schafft.
eigener Anschauung, wo Stolpersteine liegen und wie Recht, Regulierung und Technik zu einem effizienten Prozess verzahnt werden.
Bei Menold Bezler stößt Christoph Bastian auf ein Kernteam von mehr als 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus unterschiedlichen Bereichen der Kanzlei, die seit Juni 2023 einen Fahrplan erarbeitet haben, nach dem der Digitalbereich nicht nur ein Add-on ist, sondern das Rückgrat für sämtliche Modernisierungsaktivitäten bildet. »Statt nur auf einzelne Tools zu setzen, verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, mit dem die Digitalisierung in allen Bereichen unserer Kanzlei greift und nachhaltig Mehrwert schafft«, sagt Dr. Carsten Ulbricht, Partner im Bereich IT-Recht/Digitalisierung und Mit-Initiator der Digitalisierungsstrategie.
Die ersten Ergebnisse sind bereits sichtbar. Der »MBot Datenschutz« beantwortet Mandanten rund um die Uhr datenschutzrechtliche Fragen. Eine automatisierte Vertragsprüfung analysiert Auftragsverarbeitungsverträge binnen Minuten und liefert konkrete Handlungsempfehlungen. Intern hat die Prozessautomatisierung im Rechnungswesen klare Zeitgewinne gebracht. Als Plattform für Innovation dient die interne Ideenschmiede »MB Hub«. Hier werden Vorschläge gesammelt und neue Anwendungsfelder ausprobiert. »Digitale Innovation ist keine Management-Ansage«, betont Co-Managing Partner Vladimir Cutura. »Dass alle Teammitglieder sich einbringen, ist ausdrücklich erwünscht. Gleichzeitig möchten wir kanzleiseitig Impulse und Ideen für Digitalisierung liefern.«
Jeder sechste Beschäftigte der Kanzlei war in den vergangenen zwölf Monaten an einem der Digitalprojekte – von KI über Kundenzentrierung bis hin zu digitalen Services – beteiligt. »Bis Ende des Jahres wollen wir unser Ziel erreichen, dass alle Kolleginnen und Kollegen ein einheitliches Verständnis von den Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation haben und was dies für uns und unsere Mandanten bedeutet«, so Christoph Bastian.
»MB Digital 2030« ist ambitioniert und zugleich folgerichtig für eine Kanzlei, die sich als Vorreiter in der multidisziplinären Mittelstandsberatung versteht. »Wir positionieren uns klar als verlässlicher Partner für den Mittelstand und die öffentliche Hand, die bei der digitalen Transformation nicht nur rechtlich sicher beraten werden wollen, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen in einem sich ständig ändernden Umfeld erwarten«, sagt Christoph Bastian. Der strategisch angegangene digitale Umbau ist nach Überzeugung der Stuttgarter zwingende Voraussetzung für eine marktgerechte Beratung. »Wer Mandanten heute exzellent beraten will, muss auch selbst digital exzellent aufgestellt sein«, bringt Vladimir Cutura es auf den Punkt.
Viktor von Essen
Viktor von Essen studierte Jura an der Bucerius Law School in Hamburg und an der University of Oxford, wo er einen Master of Jurisprudence (M.Jur.) erwarb. Er war etwa zehn Jahre lang als Prozessanwalt für internationale Schiedsgerichtsbarkeit tätig, unter anderem bei der renommierten Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer LLP. Dort wurde er in die Juve »Top 40 unter 40«-Liste aufgenommen. Vor knapp zwei Jahren, im November 2023, gründete er das Start-up Libra, das sich auf die Automatisierung juristischer Routinetätigkeiten mithilfe künstlicher Intelligenz spezialisiert hat. Hier spricht er darüber, wie KI den Anwaltsalltag schon heute verändert und welche Auswirkungen das auf den Anwaltsberuf generell haben wird.
Herr von Essen, was hat Sie ursprünglich an Jura fasziniert und geprägt? Mich faszinierte früh die Verbindung von Sprache und Mathematik, wie Recht, Gerechtigkeit ermöglicht und wie Anwälte für andere einstehen. Besonders geprägt hat mich später die Bucerius Law School, wo ich als Mitglied einer der ersten Studienjahrgänge Teil einer inspirierenden Gemeinschaft sein durfte.
Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit als Prozessanwalt – etwa bei Freshfields – helfen Ihnen heute am meisten als Gründer?
In meiner Zeit in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – zunächst am International Court of Arbitration in Paris, später bei Freshfields – war ich mit mühsamer Detailarbeit konfrontiert. Fallakten füllten damals buchstäblich Lastwagen. Im Freshfields Lab begegnete ich 2015 ersten Legal-Tech-Ansätzen: deterministischen Modellen, die Massenverfahren effizienter machten. Doch mir stellte sich bald die größere Frage: Wie lässt sich Streitlösung intelligenter, zugänglicher und visuell nachvollziehbarer gestalten? Diese Frage begleitete mich auch in meiner Zeit als Deputy Secretary General der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit.
Das Buch von Richard Susskind Online Courts and the Future of Justice bestärkte mich dann darin, dass der Rechtsmarkt vor einer grundlegenden Transformation steht. Parallel dazu experimentierte ich mit Blockchain-Lösungen, gründete erste Projekte und suchte nach Wegen, ein inklusiveres, effizienteres Gerichtssystem zu gestalten.
Die eigentliche Wende kam jedoch mit generativer KI. Sie ist mächtig, aber auch ungestüm. Der KI juristisches Denken beizubringen und die Technik nahtlos in den Alltag von Jurist:innen zu integrieren – mit dem Mensch im Vordergrund und in verantwortungsvoller Art und Weise – ist eine der spannendsten Herausforderungen unserer Zeit.
Was war der Auslöser zur Gründung einer KI-Plattform für Juristen?
Mein Ziel war von Anfang an nicht bloß Produktivitätssteigerung, sondern ein Werkzeug, das Anwälte in jedem ihrer Workflows unterstützt und sich nahtlos einfügt – selbst dann, wenn es um ganze Lastwagenladungen von Text geht. Denn Anwälte brauchen KI, die wirklich praxisnah ist. Gemeinsam mit meinem Mitgründer Dr. Bo Tranberg – er ist promovierter Physiker – habe ich deshalb Libra entwickelt: eine End-to-End-Plattform für die Automatisierung juristischer Arbeitsabläufe.
Welche Lücke oder welches Problem im Rechtsmarkt wollten Sie mit Libra unbedingt schließen?
Wir sehen uns nicht nur als Tech-Entwickler, sondern eher als Architekten einer Brücke. Auf der einen Seite steht die traditionelle Rechtswirklichkeit mit all ihrer Komplexität, auf der anderen die Möglichkeiten moderner KI. Libra ist der Bauplan, der beide Seiten
Mein Ziel war von Anfang an nicht bloß Produktivitätssteigerung, sondern ein Werkzeug, das Anwälte in jedem ihrer Workflows unterstützt und sich nahtlos einfügt.
– Viktor von Essen
zu verlassen. Für uns zählt nicht die Technologie an sich, sondern dass sie sich nahtlos in den Alltag der Juristen einfügt: präzise, verlässlich, benutzerfreundlich.
Über 9000 Anwälte und 650 Kanzleien nutzen Libra bereits. Was waren die wichtigsten Hebel, um dieses Wachstum zu erreichen? Und wie konnten Sie die skeptischen Juristen überzeugen?
Seit unserem Markteintritt im Herbst 2024 hat sich Libra in rasantem Tempo entwickelt – heute sind wir wahrscheinlich das am schnellsten wachsende Legal-Tech-Start-up Europas. Mit einem Team von zunächst zehn Personen haben wir die Marke von zwei Millionen Euro ARR in weniger als einem Jahr seit Markteintritt überschritten.
Unser Erfolg beruhte auf drei Faktoren: persönliche Glaubwürdigkeit, absolute Sicherheit und eine starke Community. Unsere Erfahrung aus der Praxis schuf von Anfang an Vertrauen, mit hundertprozentiger Compliance nach § 203 StGB konnten wir alle Bedenken beim Umgang mit sensiblen Daten ausräumen. Und mit der Libra Academy haben wir bereits mehreren hundert Jurist:innen pro Woche einen geschützten Raum geboten, in dem sie KI ausprobieren und verstehen konnten.
Was ist für Sie das Schönste an der Arbeit im Legal-Tech-Start-up-Umfeld?
Wir erleben gerade eine Dynamik, die es im Rechtsmarkt so noch nie gab. Und mitten in diesem Umbruch zu stehen, zu lernen, zu wachsen und gemeinsam mit einem starken Team die Zukunft des Rechts mitzugestalten, ist ein Privileg.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Anwaltsberuf innerhalb der kommenden Jahre verändern?
Ich sehe drei große Entwicklungslinien für den Anwaltsberuf in den kommenden Jahren. Erstens: Strukturell wird es normal werden, dass jede Person, die Rechtsrat sucht, zunächst eine KI-Antwort erhält – wie etwa Fluggastrechten, unbezahlten Rechnungen oder dergleichen.
Zweitens: Wir werden hybride Modelle sehen, bei denen KI und Anwalt Hand in Hand arbeiten. KI übernimmt die erste Ebene der Analyse, Anwälte die strategische Beratung, die Verhandlungen und das menschliche Urteilsvermögen.
verbindet – damit das Recht nicht in der Vergangenheit verharrt und die Innovation nicht im luftleeren Raum bleibt, sondern gemeinsam eine neue Rechtskultur entstehen kann.
Welche großen Vorteile bietet Libra? Der Vorteil liegt in der Verbindung von juristischer Praxis und technologischer Exzellenz. Aus dieser Kombination ist ein KI-Workspace entstanden, der Recherche,
Dokumentenanalyse, Vertragsprüfung und individuelle Assistants in einer Plattform bündelt – bis hin zur direkten Integration in Tools wie Word. Darüber hinaus lassen sich auch führende Rechtsdatenbanken wie jene vom Verlag Dr. Otto Schmidt direkt einbinden. Anwälte können damit komplexe Fragen stellen, Hunderte Dokumente durchdringen oder Workflows automatisieren, ohne ihre gewohnten Abläufe
Drittens: Am Horizont entstehen aktuell native KI-Kanzleien, in denen der Mandant nur noch mit einer KI interagiert, die im Hintergrund von Anwälten flankiert wird. Das klingt futuristisch, aber genau jetzt gehen die ersten Player in diesem Feld an den Start.
Kurz gesagt: Der Beruf verändert sich fundamental, aber er verschwindet nicht. Er wandelt sich von einer reinen Wissensquelle hin zu einer Rolle, in der menschliche Urteilskraft, Strategie und Vertrauen noch wertvoller werden.
Libra zählt zu den dynamischsten Legal-Tech-Unternehmen Europas. Die von Viktor von Essen und Dr. Bo Tranberg gegründete Plattform steht für den professionellen und verlässlichen Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Rechtsarbeit. Partnerschaften mit renommierten Institutionen wie dem juristischen Fachverlag Dr. Otto Schmidt unterstreichen diesen Qualitätsanspruch.
Der Wachstumskurs von Libra zeigt, dass KI in der Rechtsbranche längst keine Zukunftsvision mehr ist, sondern eine sich etablierende Arbeitsweise, die Kanzleien und Rechtsabteilungen echten Mehrwert im Alltag bietet – inmitten eines sich neu ordnenden Rechtsmarkts. Ein Einblick in die Dynamik, die Libra an die Spitze des europäischen Legal-Tech-Marktes trägt:
Rechtsabteilungen und Kanzleien planen KI-Investitionen Etwa drei Viertel der Rechtsabteilungen in Deutschland nutzen bereits generative künstliche Intelligenz (GenAI) in ihrem Arbeitsalltag und planen bereits, ihre Investitionen in diese Technologie in den kommenden drei Jahren deutlich zu erhöhen. Zu dem Ergebnis kommt die Future Ready Lawyer Studie 2024 von Wolters Kluwer. Bei Kanzleien sieht das Bild ähnlich aus: 68 Prozent nutzen GenAI mindestens einmal pro Woche und 58 Prozent planen erhebliche Investitionen.
Der Markt blickt positiv auf die KI-Transformation »Es ist ein Privileg, mit einem so großartigen Team Teil dieses historischen Wandels im Rechtswesen zu sein«, sagt Libra-Gründer Viktor von Essen. Sein Ziel reicht weit über die bloße Produktivitätssteigerung im juristischen
Alltag hinaus. Libra gibt Werkzeuge an die Hand, durch die Jurist:innen Routinen schneller, konsistenter und dokumentierbar erledigen können – und dadurch Freiraum für die Mandatsarbeit auf höherer Ebene gewinnen.
Laut einer aktuellen Untersuchung des Thomson Reuters Institute (2025 Generative AI in Professional Services Report) teilen viele Jurist:innen diese positive Grundstimmung. Über die Hälfte der Befragten blicken »hoffnungsvoll«, gar »aufgeregt«, auf die Zusammenarbeit mit der KI. Zugleich zeigen andere Erhebungen, dass der Wandel nicht ohne Anstrengung verläuft – 51 Prozent der Professionals empfinden das Erlernen von KI-Fähigkeiten als zusätzlichen »Zweitjob« (LinkedIn Report).
Genau hier setzt die Libra-Community an: ein Netzwerk von Jurist:innen, die sich zum praktischen Einsatz von KI austauschen, Feedback geben und neue Features gemeinsam erproben – unabhängig von Unternehmensgröße, Fachbereich oder Vorerfahrung. Wer hier dabei ist, beobachtet die Transformation nicht nur passiv – sondern gestaltet aktiv mit, wie sich die Rechtsarbeit mit KI verändert.
KI im Einsatz für Jurist:innen Libra vereint KI-gestützte Anwendungen
für Recherche, Analyse und Erstellung juristischer Texte mit teamfähigen Workflows für die gemeinsame Mandats- und Dokumentenbearbeitung. Die Plattform lässt sich bereits heute nahtlos in bestehende Dokumentenmanagementsysteme, Kanzleisoftware sowie Microsoft-Tools wie SharePoint, Outlook und Word einbinden.
Als Research-Assistant beantwortet Libra Rechtsfragen direkt im Chat – fundiert, in Sekunden. Dafür greift Libra unter anderem auf Datenbanken des renommierten Dr. Otto Schmidt Verlags zurück. Die Antworten stützen sich daher auf führende Fachzeitschriften wie MDR, Der Betrieb, ZIP oder VersR sowie auf Standardwerke wie den ZPO-Kommentar von Zöller, den BGB-Kommentar von Erman oder das Prozessformularbuch von Vorwerk.
Darüber hinaus erstellt die KI Prozessübersichten, verfasst E-Mail-Entwürfe und vereinfacht Due-Diligence-Prüfungen, indem sie Hunderte Dokumente entlang definierter Compliance-Kriterien analysiert. Heute arbeiten bereits mehr als 9000 Jurist:innen in über 650 Kanzleien und Rechtsabteilungen mit Libra – vom Einzelanwalt bis zum internationalen Legal-Team. Damit ist KI in der Rechtsarbeit längst kein Nice-to-have
mehr, sondern ein fester Bestandteil des Kanzlei- und Unternehmensalltags.
Hinter all dem steht ein zentrales Versprechen: Sicherheit. Libra verpflichtet sich zu höchsten Sicherheitsstandards – von der vollständigen Einhaltung von § 203 StGB über die Berufsordnung der Rechtsanwält:innen (BRAO) bis zur DSGVO. Zudem ist Libra ISO-27001-zertifiziert und hostet alle Daten ausschließlich in der europäischen Wirtschaftszone.
Das Start-up zeigt, wie schnell aus einer Vision Rechtswirklichkeit werden kann – und wie Libra diesen Wandel im Rechtsmarkt aktiv vorantreibt.
Weitere Informationen unter: libratech.ai
Loschelder Rechtsanwälte • Brandreport
»Die Arbeit wird sich verändern –und darauf freue ich mich«
Dr. Kristina Schreiber ist Partnerin und CIPP/E-zertifizierte Fachanwältin für Verwaltungsrecht bei Loschelder Rechtsanwälte Köln. Sie plädiert für umsichtige KI-Einsätze in Unternehmen und der Rechtsberatung. Im Oktober erscheint ihr neues Buch »KI und Recht für Dummies«, das sie zusammen mit ihrer Berliner Rechtsanwaltskollegin Marlene Schreiber von Härting Rechtsanwälte verfasst hat.
Dr. Kristina Schreiber Partnerin und CIPP/E-zertifizierte Fachanwältin
Frau Dr. Schreiber, wie sehr greifen die KI-Verordnung, die Datenschutzgrundverordnung und weitere EU-Vorgaben, etwa der EU Data Act, in die Digitalisierung von Unternehmen und ihren Projekten ein? Unternehmen müssen sich durch einen Dschungel von Regelungen kämpfen. Die EU hat Vorgaben am Fließband produziert, die einen unglaublichen Aufwand verursachen. Es ist fast unmöglich, alles gleichzeitig und gleichberechtigt auf dem Schirm zu haben. Während die riesigen Player wie Google und Meta eigene Regulierungsabteilungen haben, die mit den Vorgaben relativ gut umgehen können, sind andere Unternehmen schlichtweg überfordert.
Was bedeutet das für den Einsatz von KI? Ohne Priorisierung geht es nicht. Und das geht auch gut, wenn Unternehmen das
KI wird
viele
repetitive Mandatsaufgaben erleichtern oder ersetzen.
– Dr. Kristina Schreiber, Partnerin und CIPP/Ezertifizierte Fachanwältin
strukturiert angehen. Alle Vorgaben auf einmal können kaum erfüllt werden, mit klarer Priorisierung gelingt aber auch ein gutes Compliance-Level. Zwei Reaktionen, die wir im Markt sehen, sind dagegen schwierig: Die einen nutzen die Vogel-Strauß-Taktik und stecken den Kopf in den Sand. Sie warten ab, was schade ist. Die anderen preschen dagegen unkontrolliert los. Die Rechtsabteilungen müssen dann sehen, wie sie mit Datenschutz, KI-Verordnung,
Urheberrecht und Geschäftsgeheimnissen umgehen, wenn Projekte eigentlich schon realisiert sind, bevor sie eingebunden werden.
Wie schaffen Unternehmen ein Umfeld, in dem KI rechtskonform eingesetzt werden kann? Am wichtigsten ist es, dass die Zuständigkeiten verteilt werden. Es muss klar sein, wer sich um den KI-Einsatz kümmert. Wenn eine oder einer den Hut aufhat, funktioniert es auch und KI-Projekte werden auch rechtskonform durchgezogen. In einigen Unternehmen waren diese Mitarbeitenden bisher Datenschutzbeauftragte oder IT-Manager, also Leute, die sich zumindest mit ähnlichen Themen beschäftigt haben. Das passt dann meistens. Es muss nicht immer eine komplett neue Stelle geschaffen werden.
Wie bewerten Sie diesbezüglich eine Rechtsberatung durch KI? Wir nutzen KI in sehr begrenzten Teilbereichen. Unser hauseigenes Legal-Tech-Team organisiert dazu Schulungen. Die verschiedenen Tools, die wir im Einsatz haben, funktionieren (noch) nicht für die Rechtsberatung, sondern für Sachverhaltsanalysen. Wenn Sie Verträge für bestimmte Branchen durchsehen müssen, können Sie dank KI schneller die entscheidenden Passagen und Paragrafen finden. Bei der
Strukturierung oder zum Vergleichen von Daten ist KI also heute schon eine erhebliche Hilfe.
Wie werden Anwältinnen und Anwälte in Zukunft arbeiten, in Rechtsanwaltskanzleien, aber auch in den Rechtsabteilungen der Unternehmen? KI wird viele repetitive Mandatsaufgaben erleichtern oder ersetzen. Die Arbeit wird sich folglich verändern – und darauf freue ich mich. Wir arbeiten zwar jetzt schon größtenteils strategisch, aber das wird noch mehr werden. Was die Rechtsabteilungen angeht, kenne ich kaum eine, die über zu wenig Arbeit klagt. Dort wird KI extrem helfen, um beispielsweise Playbooks für Verträge zu schreiben. Auch der Nachwuchs wird lernen müssen, mit KI umzugehen. Hier wird es auf eine möglichst gute Strategieschulung ankommen.
Weitere Informationen unter: loschelder.de
Die Welt des Rechts kann sich manchmal anfühlen wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Besonders die Justiz hat den Ruf, weit hinter modernen Standards zurückzubleiben – ein Zustand, den der Deutsche Anwaltverein (DAV) ändern will.
Viele Anwältinnen und Anwälte stellen sich schnell auf neue Entwicklungen und technischen Fortschritt ein. Schließlich müssen Kanzleien auch wirtschaftlich denken – Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung sind deshalb für Anwältinnen und Anwälte von großer Bedeutung.
Gerade auf diese zwei Anliegen zahlen die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz ein. Das Thema ist omnipräsent.
Der Berufsstand arbeitet schon seit Jahren mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) digital (und ist dazu auch verpflichtet).
Gleichzeitig kämpft die Justiz weiter mit der flächendeckenden Einführung der elektronischen Akte. Jüngst wurde bekannt, dass die elektronische Gerichtsakte, die eigentlich ab Januar 2026 überall vorgeschrieben wäre, nun doch noch ein weiteres Jahr herausgeschoben werden soll. Dabei würden auch in der Justiz viele gern schneller und moderner arbeiten. Es bleibt zu hoffen, dass der nun beschlossene Pakt für den Rechtsstaat, der auch Investitionen in die Digitalisierung enthält, und die von Bund und Ländern beschlossene gemeinsame KI-Strategie zu einer Beschleunigung der Digitalisierung der Justiz führen. Es soll eine KI-Plattform eingeführt werden, auf der alle bisher in den einzelnen Ländern entwickelten KI-Applikationen für die Justizmitarbeitenden aller Länder zur Verfügung stehen, um Doppelarbeit zu vermeiden und Tools zu teilen. Das ist der richtige Weg. Andererseits besteht Zurückhaltung bei der Einführung dringend nötiger Modernisierungen, hinsichtlich der Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung sogar eine Blockadehaltung. Bis heute gibt es von Strafprozessen in der Regel weder ein Wortprotokoll noch eine Audiooder Videoaufzeichnung, die Verfahrensbeteiligten müssen sich also auf die eigenen Mitschriften
Die Rechtsbranche, das muss uns klar sein, kommt nicht an KI vorbei.
stützen. Dabei wäre es technisch längst möglich, die Verhandlungen aufzuzeichnen und automatisch von einer Software transkribieren zu lassen. Dies würde auch zu einer Arbeitserleichterung für die Richterinnen und Richter führen. Alle diese Entwicklungen werden bereits überholt: KI-Sprachmodelle werden stetig weiterentwickelt und sind zu immer neuen Leistungen fähig.
Ist das eine Gefahr für die Rechtsbranche? Nein, es ist ein Gewinn. Den Anwalt oder die Anwältin kann eine KI nicht ersetzen und wird es auch nicht. Aber KI kann die Arbeit der Anwältinnen und Anwälte unterstützen und erheblich erleichtern sowie effizienter machen.
KI wird in Zukunft sogar noch von wachsender Bedeutung sein. Das Anwaltsblatt hat ihr in diesem Jahr ein ganzes Heft gewidmet und greift das Thema immer wieder auf. Der
Deutsche Anwaltverein hat im Juli ermittelt, welche konkreten Anwendungsfälle es schon heute für KI-Tools gibt. Es sind häufig zeitfressende Fleißarbeiten, bei denen die KI besonders hilfreich ist, jene Dinge also, die keine juristische Ausbildung erfordern, aber trotzdem gemacht werden müssen. Textrecherchen, Dokumentenanalyse in DueDiligence-Prozessen, die Zusammenfassung komplexer Inhalte oder die Transkription und Protokollierung von Gesprächen sind nur einige der Use-Cases. Hinzu kommen Einsatzmöglichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit oder für Übersetzungsarbeiten.
Für Juristinnen und Juristen bringt das einen besonderen Mehrwert. Der Workload, der auf Standardtätigkeiten, Verwaltungs- und Büroarbeit entfällt, lässt sich mit KI-Unterstützung deutlich reduzieren. Nicht nur bei Anwältinnen und
Anwälten, sondern auch beim übrigen Kanzleipersonal werden so dringend benötigte Kapazitäten frei. Wir dürfen nicht vergessen, dass den juristischen Berufen eine gewaltige Pensionierungswelle bevorsteht. Wenn diese den Arbeitsmarkt trifft, wird es sich auszahlen, dass Juristinnen und Juristen ihre Arbeitszeit verstärkt ihren Kerntätigkeiten widmen können und weniger mit administrativen Aufgaben beschäftigt sind.
Der DAV hat in seiner Stellungnahme Nr. 32/2025 aufgezeigt, dass und wie sich KI-Tools nutzen lassen, ohne gegen anwaltliches Berufsrecht, AI Act, Datenschutz- und Urheberrecht zu verstoßen. Dass dabei sorgfältig gearbeitet werden muss und Berufspflichten wie die Verschwiegenheitspflicht beachtet werden müssen, ist selbstverständlich.
Wichtig ist die Auswahl der richtigen Programme. Viele Sprachmodelle werden in der Cloud angeboten – die Arbeit mit ihnen ist berufsrechtlich erlaubt, sofern sich der Dienstleister zur Verschwiegenheit gemäß § 43 e BRAO verpflichtet hat. Dies bieten zwar noch nicht alle Cloud-Anbieter an, der Vorstand des DAV hat jedoch bereits beschlossen, mit Anbietern dazu in Gespräche zu gehen. Die Rechtsbranche, das muss uns klar sein, kommt nicht an KI vorbei. Wir dürfen sie aber auch nicht sorglos überall einsetzen, wo es im ersten Moment opportun scheint. Stattdessen gilt es, sich die neuen Möglichkeiten überlegt und zielgerichtet zunutze zu machen, um die Qualität von Rechtsdienstleistungen zu steigern. Hier ist ein konstruktiver Austausch wichtig. Die Möglichkeit dazu schafft der DAV im Rahmen von Fachveranstaltungen wie seinen KI- und Datenschutz-Foren.
Text Dr. Sylvia Ruge, DAV-Hauptgeschäftsführerin
Wir denken wie unsere Mandanten: unternehmerisch. In enger Partnerschaft gestalten wir mit ihnen Lösungen für komplexe Transaktionen, Rechtsstreitigkeiten und neue Geschäftsmodelle. Greenberg Traurig entwickelt mit globaler Perspektive und lokaler Expertise maßgeschneiderte Strategien für Ihr Unternehmen. Weltweit stehen Ihnen 2.850 Anwältinnen und Anwälte an 49 Standorten zur Seite.
Traurig
Stefan Schicker Innovationsexperte
Ein Gespräch mit Innovationsexperte Stefan Schicker über Tool-Überforderung, überlastete Teams – und warum der digitale Wandel oft bei einer Frist beginnt.
Herr Schicker, viele Kanzleien testen KI-Tools – und merken: Es verändert sich kaum etwas. Warum?
Weil die meisten Projekte zu technisch starten – ohne strategischen Rahmen. Es wird ein KI-Tool angeschafft, ein Workshop gemacht, wie anfänglich bei der Digitalisierung. Und dann wartet man auf die Wirkung. Doch die bleibt oft aus, weil niemand wirklich weiß, was konkret besser werden soll.
Ich erlebe das fast täglich: großer Zeitaufwand für Routinearbeiten, überlastete Teams kämpfen mit Fristen, Dokumentenflut, Recherchearbeit – während gleichzeitig neue Tools als Zusatzbelastung empfunden werden.
Die Lösung liegt nicht im nächsten Softwareversuch, sondern in den Fragen: Wo
»Dem
liegen unsere größten Probleme? Wie kann Technologie konkret helfen? Welche bestehenden Prozesse müssen angepasst werden?
Und wie sieht ein sinnvoller Einstieg aus – auch für Kanzleien mit wenig Zeit?
Nicht der große Umbau, sondern ein gezielter Einstieg. Dies beginnt oft mit einer Statusquo-Erhebung oder einem Strategieworkshop. Wir schauen auf die Realität im Alltag: schräge Abläufe bei der Mandatsannahme, papierlastige Kommunikation, manuelle Schriftsatzbearbeitung etc. Dann prüfen wir, wo Digitalisierung Struktur schafft und KI gezielt entlastet.
Oft ist der erste Schritt kleiner als gedacht: ein digitaler Fristenworkflow, ein KI-gestützter Rechercheassistent, ein smarter Entwurfsgenerator. Entscheidend ist, dass die Lösung nicht abstrakt bleibt, sondern spürbar im Alltag wirkt.
Viele Kanzleien fürchten, ihr Team mit neuen Tools zu überfordern. Was sagen Sie dazu?
Zurecht, da Tools keine Strukturprobleme lösen. Ich sehe oft: Sobald Mitarbeitende erleben, dass Digitalisierung nicht mehr Aufwand bedeutet, sondern sie von Routinelast befreit, ändert sich die Haltung.
Ob Assistenz, Associate oder Partner: Wer versteht, wie KI die Alltagsarbeit vereinfacht, erkennt den Mehrwert. Der
Kulturwandel beginnt genau dort – im Moment echter Entlastung.
Viele Kanzleien und Rechtsabteilungen haben Hemmungen, KI im Alltag einzusetzen.
Im Voraus gibt es berechtigte Bedenken zu klären. Unsicherheit bei der Tool-Auswahl, Fragen zur Qualität, Integration, technischen Kompatibilität, Datenschutz, zu Haftung und Berufsrecht. Auch die Unsicherheit beim Umgang mit KI und deren Stärken, Schwächen und Grenzen hemmt den Einsatz.
Was verändert sich, wenn Kanzleien diesen Weg gehen? Effizienzsteigerung und somit Wettbewerbsfähigkeit! Sie gewinnen Schnelligkeit, Kompetenz und Attraktivität. Prozesse werden verbindlicher, der Mandatsdurchlauf effizienter und der Außenauftritt moderner. Mandanten spüren: Diese Kanzlei ist strukturiert und zukunftsfähig – Bewerber:innen ebenso.
Vor allem aber: Die Teams arbeiten nicht gegen die Zeit, sondern mit der Technik.
Ihr Rat an Kanzleien, die noch zögern? Fangen Sie nicht mit der Software an, sondern suchen Sie echte Probleme. Fragen Sie: Welche Arbeit nervt und wiederholt sich oft, welche Strukturen blockieren den Fortschritt?
Digitalisierung löst strukturelle Probleme und KI
greift dort ein, wo Inhalte und Daten intelligent verarbeitet werden müssen. Gleichzeitig steigert sie die Qualität und trägt zur Risikominimierung bei.
Ich begleite Kanzleien und Rechtsabteilungen dabei, diesen Wandel strukturiert anzugehen –mit einem klaren Zielbild und realistischen Schritten. Denn wer jetzt beginnt, gewinnt nicht nur Tempo – sondern auch Vorsprung.
Zum Autor
Stefan Schicker ist Rechtsanwalt, Innovationsberater, Legal-Tech-Pionier und Vorstandsvorsitzender des Legal Tech Verbandes Deutschland. Er begleitet als Ex-CEO einer Top-50-Kanzlei bei der praktischen und strategischen Transformation, Digitalisierung und Einführung von KI – als Sparringspartner, Umsetzungsbegleiter oder Impulsgeber. schicker.legal
Greenberg Traurig • Brandreport
wenig Aufmerksamkeit geschenkt«
Die EU greift mit ihrem Data Act tief in das Unternehmens- und Vertragsrecht ein. Was sind die Folgen? Vier Fragen an Dr. Viola Bensinger, bei Greenberg Traurig Leiterin des deutschen Technologie-Teams und Co-Chair der globalen Praxisgruppe IP & Technology.
Dr. Viola Bensinger
Leiterin des deutschen TechnologieTeam und Co-Chair globale Praxisgruppe IP & Technology
Frau Dr. Bensinger, welche Folgen hat der EU Data Act für Unternehmen und ihre Partner? Sehr weitreichende, leider. Dem Data Act wurde in der Entstehungsphase zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und so ist ein sehr user- oder kundenfreundliches Gesetz entstanden. Es werden im Wesentlichen zwei Bereiche geregelt: einmal »Connected Devices«, auch oft IoT-Devices genannt –also alle physischen Produkte, die Daten generieren, die abgerufen werden können. Das Spektrum ist riesig – von Autos über Medizingeräte und Smartwatches bis zu elektrischen Zahnbürsten. Hier müssen zum einen die Hersteller – oder wer auch immer die Daten von dem Connected Device bekommt – eine »Datenlizenz« vom Nutzer bekommen, wenn sie die vom Gerät generierten Daten (weiter) nutzen möchten.
Zum anderen sind sie verpflichtet, auch den Nutzern und sogar von den Nutzern bestimmten Dritten die Daten zur Verfügung zu stellen. Der Data Act fordert Nutzer geradezu dazu auf, sich die Daten abkaufen zu lassen, von Drittunternehmen, die etwas mit ihnen anfangen können. Die IP- und Wettbewerbsproblematik liegt auf der Hand. Der zweite neu geregelte Bereich betrifft Cloud-Services. Hier sind die Regelungen besonders wirr geraten. Im Kern geht es darum, dass Kunden von Cloud-Services ein Recht bekommen sollen, von einem Service zu einem anderen zu »switchen« und dabei ihre Daten zu migrieren. Vieles ist da aber strittig – z. B. wird der Gesetzestext vielfach so gelesen, dass Kunden über dieses Switching-Right ein jederzeitiges Kündigungsrecht haben, ganz gleich, ob ihr Vertrag eine feste oder eine unbegrenzte Laufzeit hat. Es geht gar nicht so sehr darum, dass Anbieter Angst vor einer vorzeitigen Kündigung haben – so etwas wirft einfach jede Kalkulation der Nutzungsgebühren und die Bilanzierung über den Haufen.
Was werden die mittelfristigen Folgen des EU Data Acts sein?
Im Bereich Connected Devices scheinen in Deutschland die großen Player der Meinung zu sein, dass sie bei aller Kritik eine Compliance hinbekommen und
damit gegebenenfalls einen Marktvorteil gegenüber nicht europäischen Herstellern haben, für die das schwieriger ist oder auch einfach länger dauert. Im Bereich Cloud-Services glaube ich nicht, dass hier schon das letzte Wort gesprochen ist. Ich halte es für absolut möglich –und ausgesprochen wünschenswert –, dass das noch mal aufgemacht wird.
Sie kümmern sich auf der anderen Seite auch um Lizenzierungen und Urheberrecht, die durch KI zunehmend attackiert werden. Das heißt, Sie kennen und verteidigen auch die »andere Seite« der Digitalisierung? Natürlich. Zu unseren Mandanten zählen auch viele Medienunternehmen, denen die unerlaubte und unbezahlte Nutzung ihrer Inhalte für KI-Systeme ein Dorn im Auge ist. Hier gibt es in Europa im Bereich des Data-Mining Vorschriften und Möglichkeiten, sich zu schützen. Das Problem liegt aber zum einen auf der faktischen Seite, weil der vorgesehene Mechanismus über robots. txt zwar rechtlichen Schutz bietet, aber faktisch aggressive KI-Anbieter nicht davon abhält, Inhalte zu »scrapen«. Meist kann auch gar nicht nachgewiesen werden, mit welchen Inhalten genau eine KI trainiert wurde. Es wird derzeit an technischen Lösungen gearbeitet, die ein Scraping »physisch«
verhindern beziehungsweise erst nach Lizenzierung zulassen. Aber es ist ja nicht nur ärgerlich, wenn KI an Texten trainiert wird, ohne dass dafür gezahlt wird. KI ist bereits dabei, einen Paradigmenwechsel für internetbasierte Content-Modelle einzuläuten. Es verändert sich gerade der Konsum von Informationen erheblich. Früher suchte man bei Google und ging dann tatsächlich auf die Seiten mit dem Content. So konnten Content-Creator Werbeeinnahmen generieren. Heute ist Google Search so ausgestaltet, dass man die Seiten gar nicht mehr besuchen muss, weil KI alles ausgelesen hat und eine Zusammenfassung liefert. Dadurch geht der Traffic – und damit die Refinanzierung – wohl kontinuierlich zurück.
Weitere Informationen unter: gtlaw.com
Der deutsche Mittelstand gilt als Rückgrat der Wirtschaft –innovationsstark, international wettbewerbsfähig und gleichzeitig tief in regionalen Strukturen verankert. Doch gerade dieser Mittelstand sieht sich in den letzten Jahren mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen konfrontiert: steigende Energiekosten, wachsende Sozialabgaben, unübersichtliche Steuerbelastungen und eine immer komplexer werdende Bürokratie. Viele Unternehmer:innen sprechen bereits von einer »Misstrauensbürokratie«, die nicht auf Vertrauen, sondern umfassende Dokumentations- und Kontrollpflichten setzt.
Staatliche Belastungen: Steuerrecht, Bürokratie und neue Pflichten Ein zentrales Problem sind die stetig wachsenden Dokumentationspflichten im Steuerrecht. Unternehmen werden zunehmend in die Rolle staatlicher Erfüllungsgehilfen gedrängt – von der Lohnsteuer über Umsatzsteuer bis hin zu internationalen Meldepflichten. Parallel dazu setzt der Staat verstärkt auf den Einsatz von KI-Systemen in der Steuerkontrolle, während Betriebsprüfungen und Steuerverfahren verschärft werden.
Viele mittelständische Betriebe ziehen daraus die Konsequenz, über Verkauf oder Wegzug nachzudenken. Gerade die Wegzugsteuer sorgt in einer globalisierten Welt für hohe Risiken in Unternehmerfamilien. Erfolgreiche Jungunternehmer:innen und Influencer:innen verlegen ihren Sitz zunehmend nach Dubai oder andere finanziell atraktivere Standorte, oft ohne die damit verbundenen steuerlichen Risiken ausreichend zu erkennen.
Unternehmensnachfolge und Erbschaftsteuer: Komplexität statt Klarheit Ein weiteres Dauerthema ist die Unternehmensnachfolge. Die Suche nach geeigneten Nachfolger:innen innerhalb der
Brandreport • CMS
Die größte Herausforderung liegt darin, eine Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen zu schaffen.
Familie gestaltet sich zunehmend schwierig. Hinzu kommt die komplizierte Erbschaftsteuer, die ohne professionelle Beratung kaum steueroptimiert zu bewältigen ist.
Aktuelle Rechtsprechungen wie die des BFH zur Güterstandsschaukel verdeutlichen, dass fundierte steuerrechtliche Beratung unerlässlich ist. Ohne vorausschauende Gestaltung drohen Unternehmenserben hohe Risiken bei der Nachlassverteilung.
Compliance als strategische Notwendigkeit Neben steuerlichen Belastungen rücken Compliance-Strukturen zunehmend in den Mittelpunkt unternehmerischer Verantwortung. Die Anforderungen wachsen sowohl durch nationale Gesetze als auch durch europäische Vorgaben. Beispiele sind:
– CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive): Pflicht Nachhaltigkeitsberichterstattung
– EU-Whistleblower-Richtlinie: Einrichtung sicherer Hinweisgebersysteme
– Lieferkettengesetz: Dokumentationspflichten zu menschenrechtlichen und ökologischen Standards
– ESG-Vorgaben: Verknüpfung von Unternehmensführung, Nachhaltigkeit und Finanzierung
Diese Entwicklungen zeigen, dass Compliance längst nicht mehr als »notwendiges Übel« verstanden werden darf, sondern zu einem strategischen Instrument der Unternehmensführung geworden ist.
Haftungsrisiken für Geschäftsführung und Aufsichtsrat Für Geschäftsführung und Aufsichtsrat steigen die Haftungsrisiken erheblich. Fehlende Compliance-Systeme können nicht nur zu Geldbußen und Strafverfahren führen, sondern auch zu persönlicher Haftung der Verantwortlichen. Gerade im Mittelstand, wo Strukturen oft schlanker sind als in Konzernen, fehlt es nicht selten an klar definierten Prozessen und ausreichender Dokumentation.
Ein wirksames Tax-Compliance-ManagementSystem wird damit zum Schutzschild gegen steuerstrafrechtliche Risiken. Doch die Einführung solcher Systeme erfordert Know-how, Investitionen und vor allem eine Unternehmenskultur, die rechtmäßiges Verhalten fördert.
Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen
Die größte Herausforderung liegt darin, eine Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen zu schaffen. Unternehmen müssen interne Richtlinien und Prüfprozesse implementieren, ohne die Mitarbeiter:innen in ein Klima ständiger Überwachung zu drängen. Schulung, Awareness und Kommunikation werden deshalb zu Schlüsselfaktoren erfolgreicher Compliance-Organisationen.
Ausblick: Die ComplianceOrganisation der Zukunft Die Zukunft der Unternehmens-Compliance ist von drei Entwicklungen geprägt:
– Digitalisierung und KI: Automatisierte Systeme werden Routineprüfungen übernehmen, Datenströme analysieren und Risiken frühzeitig sichtbar machen.
– Verzahnung mit ESG: Nachhaltigkeit, Klimaschutz und soziale Verantwortung werden fester Bestandteil der Unternehmensberichterstattung – nicht nur als Pflicht, sondern auch als Wettbewerbsfaktor.
– Neue Kompetenzen in der Unternehmensführung: Neben juristischem Wissen braucht es Managementskills in den Bereichen IT-Sicherheit, Nachhaltigkeit und Change-Management.
Die Rolle der Rechtsabteilungen wandelt sich damit von der reinen Rechtskontrolle hin zum strategischen Sparringspartner der Geschäftsführung.
Zwischen steigenden steuerlichen Belastungen, wachsenden Bürokratieanforderungen und komplexen Compliance-Pflichten drohen viele Betriebe in eine Überlastungsspirale zu geraten. Unternehmensrecht und Compliance sind dabei keine isolierten Themen, sondern berühren direkt Fragen der Nachfolge, Standortwahl und strategischen Unternehmensführung.
Wer als Unternehmer:in langfristig erfolgreich sein will, muss rechtliche Rahmenbedingungen aktiv gestalten, Risiken vorausschauend managen und moderne Compliance-Strukturen als Wettbewerbsvorteil verstehen. Andernfalls drohen nicht nur steigende Kosten und Haftungsrisiken – sondern auch der Verlust an Innovationskraft, der das Erfolgsmodell Mittelstand bislang ausgezeichnet hat.
Text Aaliyah Daidi
»Wer Dokumentationen vernachlässigt, riskiert erhebliche Nachteile«
Der deutsche Mittelstand steht zunehmend unter Druck: verschärfte Dokumentationspflichten, strengere Betriebsprüfungen und eine sich stetig ausweitende Compliance-Bürokratie belasten Unternehmer:innen massiv. Prof. hc. Dr. Björn Demuth, Partner bei CMS, kennt diese Herausforderungen aus der Praxis – und zeigt auf, wie die Kanzlei Unternehmen dabei unterstützt, Risiken frühzeitig zu erkennen und rechtssicher zu steuern.
In Deutschland herrscht seit Jahren ein Klima latenter Verdächtigung gegenüber erfolgreichen Unternehmer:innen. Jede Lücke in der Dokumentation kann steuerliche oder sogar strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Zugleich verlagert der Staat immer mehr Prüfund Kontrollpflichten auf Unternehmen. Für Björn Demuth ist klar: »Wer Dokumentationen vernachlässigt, riskiert erhebliche Nachteile.« CMS begleitet Unternehmen dabei, diese Pflichten effizient und fehlerfrei umzusetzen –und dadurch kostspielige Risiken zu vermeiden.
Betriebsprüfung als Stresstest
Die Erfahrung zeigt: Nicht die Unternehmen sind risikofreudiger geworden, sondern die Prüfungsmaßstäbe strenger. Besonders heikel sind Vorgänge im Verhältnis zwischen Anteilseignern und ihrer Gesellschaft sowie internationale Strukturen. Fehlerquellen entstehen oft aus Routine oder Nachlässigkeit. CMS unterstützt Mandant:innen mit präziser Analyse, strukturierter Dokumentation und proaktiven Maßnahmen, um Angriffspunkte in der Betriebsprüfung zu minimieren, und führt die Verhandlungen mit den Prüfern, auch und insbesondere bei Strafrechtsvorwürfen.
Internationale Strukturen und Wegzug Immer mehr Unternehmerfamilien ziehen internationale Optionen in Betracht. Doch die Wegzugsbesteuerung kann enorme Steuerlasten auslösen – oft ohne Liquiditätszufluss (»dry income«). CMS entwickelt maßgeschneiderte Lösungen, von Rechtsformwechseln bis hin zu Stiftungsmodellen, um Risiken zu reduzieren. »Standardisierte KILösungen greifen hier zu kurz – jede Gestaltung muss individuell geprüft werden«, betont Demuth.
Digitale Geschäftsmodelle und Kryptowährungen Besonders dynamisch ist das Feld digitaler Geschäftsmodelle und Kryptowährungen. Komplexe Regeln, fehlende Standardisierungen und strenge Meldepflichten machen dieses Terrain riskant. CMS empfiehlt Unternehmen, steuerrechtliche Beratung vor jeder Handlung einzubeziehen und Prozesse so zu digitalisieren, dass Dokumentationspflichten lückenlos erfüllt werden.
Technologie und KI als Werkzeuge – nicht als Ersatz KI-gestützte Systeme können Unternehmen bei Standardvorgängen deutlich entlasten. Doch sie ersetzen keine interne Revision. »Eine Exkulpation allein durch KI ist nicht möglich. Compliance bleibt Chefsache«, so Demuth. CMS setzt daher auf eine Kombination aus technologischer Effizienz und juristischer Expertise, um Mandant:innen praktikable Lösungen an die Hand zu geben.
Der Mittelstand zwischen Regulierung und Chancen
Für die nächsten fünf bis zehn Jahre erwartet Demuth eine weitere Zunahme regulatorischer Anforderungen. Umso wichtiger wird es, dass Unternehmen mit starken Partnern zusammenarbeiten. Der Mittelstand bleibt das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – doch ohne professionelle Unterstützung droht er unter der wachsenden Last von Bürokratie und Compliance zu leiden. CMS positioniert sich als Partner auf Augenhöhe, der Unternehmer:innen Sicherheit gibt und ihnen den Freiraum schafft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den unternehmerischen Erfolg.
Weitere Informationen unter: cms.law
Die Welt verändert sich: Wandel von Geschäftsmodellen, steigende Kosten, geopolitische Spannungen und regulatorische Hürden sorgen für Unsicherheiten im Mittelstand. Dr. Philipp Wüllrich und Ferdinand von Wrede, beide Rechtsanwälte und Partner in der Serviceline Law bei Forvis Mazars – von Juve jüngst als «Kanzlei des Jahres für den Mittelstand» nominiert – sprechen im Interview über Chancen, Herausforderungen und den Einsatz von KI in Unternehmenstransaktionen.
Dr. Philipp Wüllrich Rechtsanwalt, LL.M.
Ferdinand von Wrede Rechtsanwalt
Forvis Mazars ist international tätig. Welche Vorteile bringt Ihnen diese Präsenz, gerade bei grenzüberschreitenden
M&A-Transaktionen?
Von Wrede: Unsere globale Präsenz bietet unseren Mandanten ein eng verzahntes Netzwerk von hoch spezialisierten Rechtsanwälten und Beratern in den Bereichen
Financial und Tax in über 120 Jurisdiktionen. Damit können wir alles »aus einer Hand« anbieten. Dies ist für Mandanten ein großer Vorteil, da wir die Steuerung der gesamten Transaktion übernehmen können.
Wie beeinflussen die derzeitigen Unsicherheiten die Transaktionspraxis?
Wüllrich: Wir beobachten aktuell zwei Phänomene: Mandanten sind vorsichtiger und die Transaktionen werden komplexer und dauern länger. Es gibt vermehrt Änderungen in regulatorischen Bereichen wie dem Kartellrecht und dem Außenwirtschaftsrecht, von denen die Zulässigkeit einer Transaktion abhängt. Zudem hängt der Erfolg einer internationalen Transaktion nicht nur von Regulatorik und Qualität der Verträge ab, sondern oft ist die Steuerung der Kommunikation unter Berücksichtigung kultureller Unterschiede mitentscheidend. Das alles lässt sich aber mit der notwendigen Erfahrung in den Griff bekommen.
Welche Fallstricke gilt es zu antizipieren?
Von Wrede: Jedes Land hat Sonderregelungen, die oft unterschätzt werden. Mittelständler neigen manchmal dazu, selbst in den Prozess zu starten und erst später Berater hinzuzuziehen.
Das ist zwar wirtschaftlich verständlich. Aber sowohl auf der Buy-Side als auch auf der Sell-Side ist es wichtig, gut vorbereitet zu sein. Denn was viele unterschätzen: Eine schlechte Vorbereitung hat am Ende oft Auswirkungen auf den Kaufpreis oder die Transaktionskosten. Und wenn eine Einigung erst einmal in einer Vorvereinbarung verschriftlich ist, kommt man hiervon – selbst wenn rechtlich unverbindlich – oft nicht mehr so einfach wieder weg.
Welche Rolle spielen KI und Digitalisierung im M&A-Bereich?
Von Wrede: Digitalisierung und KI sind wichtige Themen, nicht nur in der Due Diligence, sondern im ganzen Prozess, in die wir schon länger proaktiv investieren. Es reicht dabei nicht aus, bestimmte Tools zu integrieren. Die Arbeitsweise der Mitarbeiter muss sich verändern, um die Transaktion schneller und effizienter zu gestalten. Die Entwicklung steht noch am Anfang, wird sich aber exponentiell beschleunigen.
Welche ersten Schritte empfehlen Sie, wenn man in eine M&ATransaktion eintreten möchte?
Wüllrich: Der erste Schritt ist die nachhaltige Entscheidung, die Transaktion umzusetzen. Darauf folgt die notwendige Vorbereitung: Wie
bin ich ressourcenseitig intern und extern aufgestellt, welche Aufgaben sind vor Beginn noch zu erledigen? Die Berater sollten als erfahrenes Team zusammengestellt werden. Dazu sind ein starker Wille, Durchhaltevermögen und eine gesunde Erwartungshaltung hilfreich.
Von Wrede: Mittelständler dürfen ruhig mutig sein. Denn trotz steigender Komplexität und dem aktuellen Marktumfeld gibt es spannende Opportunitäten, die aus unserer Beobachtung gute Wachstumschancen bieten. Mit strukturierter Vorbereitung und dem richtigen Partner sind auch internationale Transaktionen beherrschbar.
Weitere Informationen unter: forvismazars.com
Koch Rechtsanwaltsgesellschaft • Brandreport
»Smart« sprach mit Rechtsanwalt Dipl.-Kfm. Dr. iur. Maximilian Koch über Kreativität in der Rechtsbranche – und seine Rolle als Sparringspartner für die Mandanten.
Dipl.-Kfm. Dr. iur. Maximilian Koch Rechtsanwalt
Herr Koch, Sie sind Anwalt und Gründer Ihrer eigenen Kanzlei. Ihre beruflichen Anfänge liegen jedoch in einem anderen Feld. Das ist richtig, meine Karriere habe ich als Kunststofftechniker und Betriebswirt begonnen. Ich stamme aus einer mittelständischen Unternehmerfamilie und war vor meiner juristischen Tätigkeit in der Industrie aktiv, zuletzt als Betriebsleiter. Später habe ich Jura als Zweitstudium absolviert. Inzwischen kann ich auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung als Wirtschaftsanwalt zurückblicken: Ich war Partner in mittelständischen deutschen sowie in großen internationalen Rechtsanwaltskanzleien. Zuletzt war ich über neun Jahre als Equity Partner bei Ernst & Young tätig, in den Bereichen Gesellschaftsrecht, M&A (Mergers and Acquisitions) sowie Kapitalmarktrecht.
Was veranlasste Sie 2022 dazu, die Welt der Großkanzleien zu verlassen und Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?
Die juristische Arbeit bereitet mir enormen Spaß, insbesondere komplexe rechtliche Fragestellungen. Bei großen Kanzleien binden aber häufig interne Politik und Abstimmungsprozesse viel Zeit und Ressourcen, was weniger vergnüglich ist. Mit der Gründung meiner Kanzlei, der Koch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, habe ich das Beste aus beiden Welten. Dank meines großen Netzwerks, das ich über die Jahrzehnte aufgebaut habe, bot es sich an, ein Boutique-Konzept zu realisieren.
In welchen Bereichen sind Sie tätig?
Die juristische Corporate- und Finance-Beratung sind unser Steckenpferd. Meine Expertise im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht ist hier Gold wert. Eine weitere Stärke liegt in der innovativen juristischen Gestaltung: Wir können Projekte ohne Blaupause umsetzen, die auf der »grünen Wiese« beginnen. Da wir diverse Fachleute und ihr Know-how bedarfsgerecht heranziehen können, sind wir in der Lage, komplexe Projekte holistisch anzugehen. Und obwohl viele unserer Mandanten aus dem Mittelstand und dem öffentlichen Sektor kommen, haben wir die kapitalmarktrechtliche Expertise und Erfahrung, auch für börsennotierte Unternehmen anspruchsvolle Vorhaben zu realisieren.
Sie haben in einem früheren Gespräch Ihre Rolle als »Sparringspartner« erwähnt. Was bedeutet das?
Gerade im Umgang mit mittelständischen Betrieben sind die persönliche Beziehung und Vertrauen neben der fachlichen Kompetenz essenziell. Man ist schnell mehr als ein reiner Rechtsberater; oft werde ich um eine persönliche Einschätzung gebeten oder gar um Mitgestaltung. Hier muss – und darf – man als Anwalt auch über die klassischen Mandatsgrenzen hinausdenken.
Gerade im Mittelstand ist die Nachfolgeregelung sicherlich ein Schlüsselthema?
Das stimmt. Dabei lohnt es sich, das Thema zunächst aus der Vogelperspektive zu betrachten, denn die Nachfolgeregelung ist ihrerseits ein Teil des M&A-Geschäfts. Für Unternehmer ist es sinnvoll, sich alle Optionen klarzumachen und auch Möglichkeiten außerhalb der Familie auszuloten. Fremdmanagement, MBI/MBO oder der Verkauf an strategische oder Finanzinvestoren können hochinteressant sein. Wichtig ist in jedem Fall eine sorgfältige Vorbereitung der Unternehmensnachfolge. Ein wichtiges Problemfeld sind auch Reputationsund Rechtsrisiken bei fehlender Compliance, also wenn geltendes Recht nicht eingehalten wurde. Häufig benötigt das Unternehmen dann erst einmal ein geeignetes Compliance-System.
Welche Maßnahmen sind hier entscheidend?
Der erste Schritt besteht immer darin, zu analysieren, was für das Unternehmen relevant ist, inklusive anschließender Gewichtung. Dann muss überlegt werden, wie man die Maßnahmen implementiert und strukturiert, damit Compliance nicht zum Papiertiger verkommt, das Unternehmen und dessen Mitarbeiter aber möglichst wenig belastet. Richtig angewandt, kann Compliance gar zum Wettbewerbsvorteil erwachsen: Wer etwa die ESG-Vorgaben nicht nur erfüllt und abhakt, sondern echte Nachhaltigkeit fördert und dies auch belegen kann, kann damit z. B. bei Banken punkten und nicht selten auch Kapital zu attraktiveren Konditionen bekommen. Solche Potenziale zeigen wir immer wieder auf.
Weitere Informationen unter: koch-rag.com
Insgesamt ist das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) angesichts der aktuellen Bedrohungslage nachvollziehbar und notwendig. Das BwBBG und der Entwurf zum BwPBBG-E bieten privaten Investor:innen, Start-ups und der europäischen Verteidigungsindustrie Chancen für eine schnellere Modernisierung der Bundeswehr, bergen aber auch Risiken.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 wurde die Modernisierung der Bundeswehr zur zentralen sicherheitspolitischen Priorität Deutschlands und Europas. Das BwBBG erleichtert zeitweise Vergabeverfahren, Umweltprüfungen und Genehmigungen, um militärische Beschaffungen zu beschleunigen. Mit dem im Juli 2025 beschlossenen BwPBBG-E soll dieser Ansatz bis 2030 weitergeführt werden, um eine glaubwürdige und schlagkräftige Verteidigungsbereitschaft aufzubauen.
Neue Finanzierungsperspektiven Die Beschaffung und Modernisierung so ziemlich aller militärischen Bereiche erfordert den Einsatz enormer öffentlicher Mittel, die jedoch nicht zur alleinigen Finanzierung ausreichen dürften. Deshalb soll nun mehr privates Kapital in die Verteidigung fließen. Für Banken, institutionelle Anleger und Private-Equity-Gesellschaften ergeben sich damit neue Renditechancen. Durch den Abbau regulatorischer Barrieren steigt die Attraktivität von Investitionen in Rüstungsunternehmen, Reformen wie die geplanten BuyEuropean-Klauseln könnten zudem Investitionen innerhalb der EU bevorzugen und somit die europäische Souveränität stärken. Für Private Equity ergeben sich damit neue Einstiegs- und
Exit-Optionen, die noch vor Kurzem in dieser Form nicht denkbar gewesen wären.
Chancen für Start-ups und Technologieunternehmen Neben den großen, etablierten Rüstungskonzernen treten zunehmend Tech-Start-ups mit DualUse-Technologien auf den Plan. Innovationen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und Drohnentechnik eröffnen ganz neue operative Möglichkeiten für Streitkräfte. Anders als klassische Rüstungsunternehmen, die oft Jahre für die Entwicklung neuer Systeme benötigen, bringen Start-ups Agilität und kurze Innovationszyklen mit. Doch das Eis für Start-ups ist dünn, denn im Verteidigungsbereich unterscheiden sich die Regeln deutlich vom »normalen« Markt. So ist vielen Gründer:innen gar nicht bewusst, dass ihre Produkte exportkontrollpflichtig sein könnten – und Verstöße gegen die Exportkontrollregeln ziehen hohe Strafen nach sich. Sie müssen also frühzeitig eine belastbare Trade-Compliance-Struktur aufbauen. Auch die sogenannte Investitionskontrolle ist eine Besonderheit, denn Beteiligungen ausländischer Investoren an Defence- oder Tech-Start-ups lösen häufig Meldepflichten und Vollzugsverbote aus.
Internationale Exportkontrollen und europäische Zusammenarbeit Ein weiterer Stolperstein sind internationale Exportkontrollen. Viele europäische Projekte werden inzwischen bewusst als »ITAR-free« aufgesetzt, um nicht unter die strengen US-Regularien (International Traffic in Arms Regulations) zu fallen. Damit soll die Abhängigkeit von US-Genehmigungen reduziert
Brandreport • Pinsent Masons Rechtsanwälte
werden. Allerdings hat Deutschland nicht nur besonders strenge Datenschutzregeln, sondern auch verschiedene Sonderregeln bei Einfuhr und Einbau militärischer Komponenten. Manche Länder verzichten deshalb lieber auf deutsche Komponenten (»Germanfree«), um deutsche Vetos zu vermeiden.
Direktvergaben nach Art. 346 AEUV Das BwPBBG-E präzisiert außerdem die Bedingungen für Direktvergaben. Nach Art. 346 AEUV dürfen Mitgliedstaaten Aufträge ohne reguläres Vergabeverfahren erteilen, wenn wesentliche Sicherheitsinteressen betroffen sind. Deshalb rechnet Deutschland Beschaffungen für die europäische Verteidigungsbereitschaft oder die Nato nun pauschal zu diesen »wesentlichen Sicherheitsinteressen«. Das schafft Rechtsklarheit, birgt aber auch Konfliktpotenzial gegenüber Brüssel, da die EU-Kommission auf eine enge Auslegung dieser Ausnahme besteht. Besonders kritisch ist der Umgang mit Dual-Use-Gütern, die militärisch und zivil genutzt werden können: Hier neigt die EU zu restriktiveren Positionen als die Mitgliedstaaten. Aus staatlicher Perspektive sind die Vorteile des neuen Gesetzes offenkundig: Beschaffungen erfolgen schneller, sodass die Truppe zeitnah modern ausgestattet ist und Deutschland seine Bündnisverpflichtungen zuverlässiger erfüllt. Für die Industrie entstehen mehr Planungssicherheit und bessere Investitionschancen, während Buy-European-Regeln die europäische Rüstungsindustrie stärken. Die Einbindung von Start-ups und Tech-Unternehmen steigert zusätzlich Innovationskraft und Modernisierung.
Geopolitische Spannungen und Risiken Neben den Chancen bestehen allerdings auch erhebliche Risiken. Geopolitische Spannungen wie chinesische Exportrestriktionen für seltene Erden gefährden die Lieferketten. Diese Rohstoffe sind unverzichtbar für Hightech-Waffensysteme und könnten für Europa ähnliche Abhängigkeiten schaffen wie zuvor das russische Gas.
Kritiker wie Transparency International warnen, dass mit dem Abbau von Vergaberegeln Transparenz, Wettbewerb und Korruptionsschutz leiden. Wenn Ausschreibungen reduziert oder umgangen werden, können Preise steigen. Der Bundesrechnungshof kritisiert regelmäßig überhöhte Kosten und unzureichendes Projektmanagement bei Eilbeschaffungen. Auch die parlamentarische Kontrolle wird geschwächt, da Einspruchsmöglichkeiten und Prüfungen verkürzt werden.
Darüber hinaus drohen Qualitäts- und Sicherheitsrisiken durch verkürzte Zertifizierungen, umgangene Umweltprüfungen sowie ein Demokratiedefizit durch geschwächten Bundestag. Temporäre Ausnahmegesetze könnten sich als dauerhafte »Notrecht«-Strukturen etablieren.
Einerseits ist das neue Gesetz mit dem sperrigen Namen zweifelsohne notwendig und sinnvoll, andererseits darf die schnelle Handlungsfähigkeit nicht ohne unsere rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien entstehen. Nur dann kann das Gesetz nachhaltig zur Stärkung von Bundeswehr und europäischer Verteidigungsfähigkeit beitragen, ohne neue strukturelle Schwächen zu schaffen.
SMA
Um die die Verteidigungsfähigkeit Europas zu stärken, wurde das Bundeswehr-Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) verabschiedet – laut Verteidigungsminister Boris Pistorius ein »Quantensprung«. Möchten Unternehmen davon profitieren, müssen sie sich strategisch auf diese geänderten Vergabeverfahren vorbereiten. Andreas Haak, Leiter der globalen Praxisgruppe Competition, EU & Trade bei der Rechtsanwaltskanzlei Pinsent Masons in Düsseldorf, kennt die Fallstricke.
Andreas
Haak Leiter globale Praxisgruppe Competition, EU & Trade
Herr Haak, Sie beraten seit vielen Jahren in Vergabefragen im Verteidigungs- und Infrastrukturbereich. Wie verändert das neue Beschleunigungsgesetz aus Ihrer Sicht die Spielregeln für die Bundeswehr-Beschaffung?
Die sicherheitspolitische Lage Europas hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Die Reaktion darauf ist ein tiefgreifender Umbau der Verteidigungsarchitektur, bei dem das Bundeswehr-Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwBBG) und EU-Initiativen wie das »Defence Readiness Omnibus« die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschaffung neu ordnen.
Der Paradigmenwechsel i.S.v. Art. 346 AEUV, die Einführung höherer Schwellenwerte, der Verzicht auf die Losvergabe oder die Stärkung innovationsfreundlicher Verfahren ebnen den Weg in Richtung einer modernen, agilen Beschaffung. Dafür brauchen wir professionelle Beschaffung, Marktverständnis
und Mut zu neuen Wegen – nur so wird Europas Verteidigungsfähigkeit gestärkt.
Innovationspartnerschaften und funktionale Leistungsbeschreibungen werden stärker genutzt. Wie sollten sich Unternehmen darauf vorbereiten, damit sie rechtssicher teilnehmen können?
Beides sind zentrale Instrumente der Beschaffungspraxis der Zukunft. Unternehmen müssen sich strategisch auf diese Verfahren vorbereiten: zum Beispiel durch den Aufbau interdisziplinärer Teams, gezielte Marktbeobachtung, smarte Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie durch gezielte Kooperationen mit etablierten
Rüstungsunternehmen, KMUs und Start-ups. Besonders gefragt sind systemische Lösungen mit Weitblick, um langfristige, wirtschaftliche und kreative Ansätze zu entwickeln. Gleichzeitig müssen Unternehmen juristisches und vergaberechtliches Know-how aufbauen.
Welche vergaberechtlichen Stolpersteine sehen Sie bei Europäischen Rüstungsprojekten wie FCAS oder MGCS?
Die zwei großen Leuchtturmprojekte FCAS (Future Combat Air System) und MGCS (Main Ground Combat System) demonstrieren, wie komplex europäische Rüstungskooperationen sind.
Technologische Hürden, nationale Interessen, industrielle Wertschöpfung und geistiges Eigentum stellen rechtliche und politische Herausforderungen dar. Zentrale Punkte sind klare Workshare-Definitionen, die Einhaltung von Zeit- und Budgetvorgaben sowie der rechtssichere Umgang mit Vertragsänderungen.
Welchen konkreten Mehrwert bietet der EU Defence Readiness Omnibus für Unternehmen in der Praxis?
Er enthält u. a. den Vorschlag zur Änderung der Verteidigungsvergaberichtlinie und damit zahlreiche Vereinfachungen, um »Defence Readiness« zu erreichen. Hierzu gehören u. a. höhere Schwellenwerte, die bevorzugte Behandlung europäischer Anbieter oder die Stärkung von Ausnahmetatbeständen und innovativer Verfahren. All dies bietet Unternehmen, insbesondere dem Mittelstand und technologiegetriebenen, agilen Start-ups, neue Chancen.
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Dr. Anne-Kathrin Bertke ist Gründerin der auf Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei Newhaven. Im Interview kommentiert sie die aktuellen Fragestellungen bei Arbeitsverträgen – und deren oftmals zweifelhafte Länge.
Dr. Anne-Kathrin Bertke Rechtsanwältin
Frau Dr. Bertke, welche Rechtsentwicklungen sind in Ihrer Beratungspraxis gerade besonders relevant?
Im Bereich der variablen Vergütung hat das BAG klargestellt, dass eine Vereinbarung, wonach Arbeitgeber und Arbeitnehmer Bonusziele gemeinsam festlegen, nicht ohne Weiteres durch ein einseitiges Bestimmungsrecht des Arbeitgebers unterlaufen werden darf. Solche ersatzweisen Bestimmungsrechte entsprechen jedoch bislang der gängigen Praxis. Ist aber – in Abgrenzung zur vorgenannten Zielvereinbarung – von vornherein eine einseitige Zielvorgabe des Unternehmens vereinbart, sind diese Ziele frühzeitig festzulegen. Andernfalls riskiert der Arbeitgeber einen Schadenersatzanspruch in Höhe des Zielbonus.
Für virtuelle Aktienoptionen hat das BAG entgegen seiner bisherigen Linie entschieden, dass bereits »gevestete« Optionen bei Eigenkündigungen nicht stets verfallen dürfen, wenn sie Gegenleistung für erbrachte Arbeit sind. Das Urteil ist mit Bedacht formuliert und es bleibt
Kurze Verträge zeugen von Souveränität und einer guten, von Vertrauen geprägten Unternehmenskultur.
– Dr. Anne-Kathrin Bertke
Geschäftsführern/Vorständen einerseits und Arbeitnehmern andererseits wichtig, denn es gelten jeweils unterschiedliche Maßstäbe. Im Übrigen gilt, dass der Vertragstext nicht besonders lang, sondern vor allem präzise sein muss. Müssen wir davon ausgehen, dass speziell im Arbeitsrecht die Verträge immer umfangreicher werden?
abzuwarten, welchen Einfluss die Rechtsprechung auf andere Konstellationen haben wird. So stellt sich die Frage, ob das in der Praxis übliche jährliche Vesting fortbestehen kann oder Rechte künftig ratierlich monatlich erdient werden. Denn regelmäßig dürfen variable Vergütungsansprüche nicht an den Verbleib im Unternehmen zu einem bestimmten Stichtag geknüpft werden. Wenn virtuelle Aktienoptionen bereits vor Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vesten, sind sie nach neuer Rechtsprechung auch bei der Berechnung von Karenzentschädigungen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote zu berücksichtigen.
Beschäftigen sich Unternehmen allgemein zu wenig mit der genauen Ausgestaltung von Aufhebungsund Abwicklungsverträgen? Für den Fall einer Kündigung durch den
Arbeitnehmer übersehen Arbeitgeber häufig die Möglichkeit, streitanfällige Themen vertraglich zu regeln. Bei Arbeitgeberkündigungen wiederum muss es zur Vermeidung von Prozessrisiken oft schnell gehen, sodass auf wünschenswerte Klarstellungen, z. B. in Bezug auf variable Vergütung oder Karenzentschädigungen, verzichtet wird.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sollen Unternehmenswerte schützen. Was muss dabei beachtet werden?
Das nachvollziehbare Unternehmensinteresse kollidiert mit dem Interesse von Mitarbeitern, erworbenes Wissen beim nächsten Arbeitgeber einzusetzen. Deshalb dürfen Unternehmen die Berufsausübung von Mitarbeitern nur beschränken, soweit daran ein berechtigtes Interesse besteht. Bei der Vertragsgestaltung ist die Unterscheidung zwischen
Arbeitsverträge spiegeln die Unternehmenskultur wider. Mir kommen mitunter Zweifel an den Recruitingprozessen, wenn die Verträge länger und länger werden und Unternehmen versuchen, jedes Risiko zu adressieren. Kurze Verträge zeugen von Souveränität und einer guten, von Vertrauen geprägten Unternehmenskultur. Für spezielle Verhaltensanforderungen wiederum ist es sinnvoller, regelmäßige Workshops abzuhalten oder Videotrainings durchzuführen.
Weitere Informationen unter: newhaven.legal
Dr. Katharina Kolb, Partnerin von Lieff Cabraser Heimann & Bernstein, über die Rolle starker Klägerkanzleien und warum Investoren den Zugang zum Recht erleichtern.
Dr. Katharina Kolb Partnerin
Frau Dr. Kolb, warum bedarf es starker Kanzleien auf Klägerseite? Nur wenn Kläger auf ebenso starke und spezialisierte Kanzleien zurückgreifen können wie die Gegenseite, ist echte Chancengleichheit gewährleistet. Anspruchsdurchsetzung lebt vom »Level Playing Field«: juristische Exzellenz, Durchsetzungskraft, Struktur und ökonomisches Verständnis müssen auf Augenhöhe mit den großen Wirtschaftskanzleien der Beklagtenseite stehen. In komplexen Schadensersatzverfahren kommen oft internationale Aspekte hinzu – hier sind Vernetzung und Expertise über verschiedene Rechtsordnungen hinweg unverzichtbar. Was unterscheidet die Arbeit auf Anspruchsinhaberseite von der Anspruchsabwehr großer Wirtschaftskanzleien?
Kurz gesagt: Es ist schwerer, etwas Neues zu gestalten, als etwas Bestehendes zu zerlegen. Anspruchsinhaber müssen ihre Fälle akribisch aufbauen. Die Vorbereitung großer Verfahren mit Hunderten oder Tausenden Geschädigten kann Jahre dauern – jedes Detail zählt, gerade wenn Hunderttausende oder Millionen Produkte
Ohne Prozessfinanzierung bliebe vielen Betroffenen der Zugang zu Gerichten verwehrt.
von dem schadensstiftenden Ereignis betroffen sind. Bei grenzüberschreitenden Ereignissen oder bei der Vertretung ausländischer Geschädigter werden zusätzlich andere Rechtsordnungen relevant, die wir bei der Gestaltung der Gesamtstrategie berücksichtigen müssen. Dies erfordert ein hohes Maß an Organisation und Struktur sowie ein breites internationales Netzwerk.
Welche Rolle spielen Investoren, um Klägern Zugang zum Recht zu verschaffen?
Investoren sind Schlüsselfiguren beim Zugang zum Recht. Ohne Prozessfinanzierung bliebe vielen Betroffenen der Zugang zu Gerichten verwehrt – allein die Kosten für ökonomische Gutachten und das Risiko gegnerischer Kosten sind ohne mindestens sechs- oder siebenstellige Schadensbeträge oft nicht allein zu stemmen. Andere Investoren bieten den Ankauf der Ansprüche. Der Geschädigte erhält sofortige Liquidität und muss nicht den ungewissen Ausgang
– Dr. Katharina Kolb, Partnerin
langjähriger Gerichtsverfahren abwarten. Gerade für Geschädigte mit vergleichsweise geringen Anspruchswerten kann dies eine attraktive Alternative sein. Solche Möglichkeiten schaffen Erleichterung in EU-Mitgliedstaaten, die wie Deutschland keine Opt-out-Modelle kennen. Was verändert die Abhilfeklage nach dem VDuG?
Auf dem Papier vereinfacht die Abhilfeklage nach dem VDuG die Anspruchsdurchsetzung für Verbraucher. Praktisch zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Nur wenige Verfahren wurden bislang angestoßen und viele relevante Schadensereignisse bleiben unberücksichtigt. Zudem sind Unternehmen ab zwei Millionen Euro Umsatz beziehungsweise ab zehn Beschäftigten von diesem Weg der Abhilfeklage ausgeschlossen. Die alternativen Bündelungsmodelle, insbesondere die verschiedenen Abtretungsmodelle und das Vorgehen in Streitgenossenschaft, bleiben daher auch in Zukunft essenziell.
Wo sehen Sie die größten Hürden bei grenzüberschreitender komplexer Prozessführung?
Die Hürden liegen in überlasteten Gerichten und unzureichender Investition in die Justizinfrastruktur. Hinzu kommt die fehlende Zentralisierung von gerichtlicher Expertise, was zu einer Vielzahl von abweichenden Einzelentscheidungen führen kann.
Wie prägt Ihre Rolle als Managing Partnerin Ihre Sicht auf die Führungskultur in einer traditionell männlich dominierten Litigation-Welt? Für mich bedeutet Leadership auch, Grenzen zu verschieben, die lange unsichtbar waren. Die Litigation-Welt ist nach wie vor stark männlich geprägt. Umso wichtiger ist es mir, Strukturen zu schaffen, die Vielfalt fördern und klare Signale senden: Jede und jeder gehört hierher und hat eine echte Karriereperspektive.
Weitere Informationen unter: lieffcabraser.com
In deutschen Familienunternehmen steht eine Welle von Generationswechseln an. Doch oft sind es weniger steuerliche oder finanzielle Hürden, die eine Firmenübergabe scheitern lassen, sondern unausgesprochene Konflikte innerhalb der Familie. Hier kommen Mediatoren ins Spiel: Als neutrale Vermittler sorgen sie für klärende Gespräche und tragfähige Lösungen.
Deutschland steht vor einer massiven Übergabewelle: In den kommenden Jahren wollen so viele Unternehmer wie nie zuvor ihren Betrieb in neue Hände legen. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn stehen pro Jahr 38 000 Familienbetriebe vor der Übergabe – an diesen Entscheidungen hängen über 440 000 Arbeitsplätze in Deutschland. Für unsere Wirtschaft ist die erfolgreiche Firmenübergabe daher von großer Bedeutung.
Nachfolger dringend gesucht Passende Nachfolger zu finden, wird jedoch immer schwieriger. Viele Unternehmerkinder schlagen andere Karrierewege ein. Der Anteil familieninterner Übernahmen ist laut Erhebungen bis 2025 auf unter 42 Prozent gesunken – 2018 lag er noch bei 57 Prozent. Laut KfW-Bankengruppe (2025) haben rund 36 Prozent der übergabereifen Firmen keinen geeigneten Nachfolger in Sicht. So entsteht ein echtes Nachfolgeproblem. Mancher Seniorchef würde im Zweifel lieber schließen, als sein Lebenswerk ohne passenden Erben weiterzuführen.
Warum Übergaben scheitern Studien zeigen, dass Firmenübergaben selten an Steuern oder Bilanzen, sondern meistens an zwischenmenschlichen Faktoren scheitern. Das Witten Institute for Family Business fand 2024 heraus, dass in 73 Prozent der gescheiterten Übergabeprozesse psychologische oder kommunikative Probleme ausschlaggebend
Wird die Nachfolge konstruktiv gelöst, bleiben Arbeitsplätze und Know-how erhalten – und der Familienfrieden intakt.
waren. Häufig werden Sorgen, Wünsche und Erwartungen von Übergebenden und Übernehmenden nicht frühzeitig geklärt. Die Folge: Missverständnisse und Enttäuschungen bauen sich auf. Manche scheitern schon in der Planungsphase. Geht der Generationswechsel komplett schief, hat das drastische Folgen: Das ifo-Institut schätzt den jährlichen wirtschaftlichen Schaden durch missglückte Nachfolgen auf rund 3,7 Milliarden Euro. Und in fast 20 Prozent der Fälle endet eine zerstrittene Übergabe sogar mit der Schließung des Betriebs.
Alte Konflikte, neue Fronten
Zum einen prallen die Generationen aufeinander: Der Senior will sein Lebenswerk bewahren, die Nachfolger drängen auf Veränderung. Zum anderen können ungelöste Altlasten in der Familie plötzlich hochkochen. Geschwister, die lange harmonisch zusammengearbeitet haben, rivalisieren plötzlich um Einfluss. Auch die unklare Rolle des scheidenden Chefs führt zu Spannungen. Ohne
Brandreport • Mediationskanzlei Plassmann
klare Absprachen ist Streit vorprogrammiert, wenn der Altinhaber sich weiterhin einmischt.
Mediator als Brückenbauer Hier kann eine Mediation den Unterschied machen. Eine Mediatorin oder ein Mediator ist ein neutraler Vermittler. Sie oder er sorgt dafür, dass alle Beteiligten ihre Sichtweisen in einem geschützten Rahmen schildern können – ohne Unterbrechung und ohne Gesichtsverlust. Das Ziel: Die Parteien erarbeiten mit seiner Moderation eigenverantwortlich eine Lösung, der alle zustimmen können. Das hat gleich mehrere Vorteile: Es wird nach kreativen Winwin-Lösungen gesucht, bei denen niemand als Verlierer vom Platz geht, und zugleich bleibt die Beziehungsebene intakt – wichtig, da die Familie auch nach der Übergabe weiter zusammenarbeiten muss. »Nachfolge ist primär ein psychologischer, erst sekundär ein betriebswirtschaftlicher Prozess«, betont Sabine Rau, Expertin für Familienunternehmen. Diese allparteiliche Vermittlung sorgt dafür, dass die
Generationen einander wirklich zuhören – und am Ende eine gemeinsame Basis finden.
Beispiel: Vater und Sohn
In einem Familienbetrieb geriet die Übergabe zwischen Vater und Sohn in einen ernsten Konflikt. Der Senior tat sich schwer mit dem Loslassen, der Junior wollte eigene Ideen durchsetzen. Die Fronten verhärteten sich und die Stimmung litt. Erst mithilfe einer Mediatorin fanden beide zurück ins Gespräch. Sie einigten sich auf einen Übergangsplan: Der Vater blieb als Mentor an Bord, der Sohn übernahm schrittweise das Steuer. Firma und Familie waren am Ende zufrieden – der Konflikt war beigelegt.
Familienfrieden als Erfolgsfaktor Am Ende profitieren bei einer gelungenen Nachfolge Familie und Firma. Wird die Nachfolge konstruktiv gelöst, bleiben Arbeitsplätze und Know-how erhalten –und der Familienfrieden intakt. Immer mehr Seniorchefs erkennen den Wert einer professionellen Begleitung – etwa durch Mediatoren oder Coaches – im Nachfolgeprozess. Eine offen und fair geregelte Übergabe hat die besten Aussichten – geschäftlich und menschlich. Ist der Staffelstab erfolgreich übergeben, geht das Unternehmen gestärkt in die Zukunft. Die Familie kann beim nächsten Sonntagsessen wieder unbeschwert zusammen am Tisch sitzen.
Text Thomas Soltau
Michael Plassmann
Rechtsanwalt und Zertifizierter Mediator
Ein Mediator hilft, Erwartungen früh zu klären und die Nachfolge im Familienunternehmen erfolgreich zu gestalten.
Herr Plassmann, in Familienunternehmen scheitert die Nachfolge oft an unausgesprochenen Gefühlen: Wo sehen Sie als Jurist und Mediator die größten emotionalen Stolpersteine? Einige Übergeber haben das »Go« zur Übergabe noch nicht vollzogen, ihnen fehlt das ausreichende Zutrauen zur Nachfolgegeneration. Den Übernehmenden wiederum fehlt häufig der Respekt vor
der Lebensleistung des Übergebers – oder sie würdigen sie nicht angemessen.
Welche Erwartungen begegnen Ihnen im Nachfolgeprozess immer wieder?
Auf Übergeberseite besteht häufig die nachvollziehbare Sorge, dass das Lebenswerk durch falsche unternehmerische Entscheidungen der Nachfolgegeneration gefährdet werden könnte. Dahinter steckt häufig der Wunsch, bei schwierigen Entscheidungen noch um Rat gefragt zu werden. Wenn ein Ratschlag von den Übernehmenden nicht als »Hineinregieren« verstanden wird, kann daraus ein sehr reizvoller Know-how-Transfer zwischen zwei Generationen entstehen.
Was kann ein Mediator leisten, was Anwälte oder Steuerberater allein nicht können?
Ein professioneller Mediator weiß die fachliche Expertise der Steuerberater und Anwälte zu schätzen. Er sieht seine Aufgabe vielmehr darin, alle relevanten
Themen und Interessen, die Übernehmer und Übergeber umtreiben, frühzeitig zu identifizieren und im Dialog zu klären.
Sein Ziel ist es, den Generationswechsel zu einer Erfolgsgeschichte zu machen, betriebswirtschaftlich und familiär.
Wann sollte ein Mediator eingeschaltet werden?
Idealerweise bereits, wenn der Generationswechsel erstmals auf die Agenda des Übergebers kommt. So finden alle Beteiligten mit ihren Sorgen und Interessen von Beginn an Gehör und kommunikative und psychologische Fallstricke werden vermieden.
Wie funktioniert ein Mediationsverfahren konkret?
Als Mediator ist es mir wichtig, dem Übergeber die Sicherheit zu geben, dass sein Lebenswerk auch nach seinem Ausscheiden eine Erfolgsgeschichte bleibt. Es geht darum, unter den Beteiligten wechselseitiges Vertrauen aufzubauen und unausgesprochenen Sorgen Raum
zu geben. So lassen sich alle relevanten Themen identifizieren, die individuellen Interessen klären und alles in ein rechtlich und steuerlich abgestimmtes Lösungspaket überführen.
Welche Vorteile bringt eine moderierte Nachfolgeregelung für das Unternehmen?
Ohne Mediator besteht die Gefahr, dass Unausgesprochenes den Unternehmenserfolg und Familienfrieden nachhaltig gefährdet. Wenn sich Mediatoren, Steuerberater und Rechtsanwälte hingegen als Partner und Experten mit unterschiedlichen Aufgaben und Rollen verstehen, sind am Ende die Unternehmer und Familien die wahren Gewinner.
Weitere Informationen unter: mediationskanzlei-plassmann.de
»Unternehmensnachfolge
Dr. Claudius Werwigk Rechtsanwalt & Partner, Werwigk Henne Partnerschaft mbB
Dr. Alexander Henne Rechtsanwalt & Partner, Werwigk Henne Partnerschaft mbB
Die Anwälte Dr. Claudius Werwigk und Dr. Alexander Henne von der auf Gesellschaftsrecht und Erbrecht spezialisierten Kanzlei Werwigk Henne in Stuttgart beraten seit vielen Jahren Unternehmerfamilien und Gesellschafter bei komplexen Nachfolgelösungen. Im Gespräch erklären sie, warum Nachfolge weit mehr ist als ein juristischer Vorgang – und wie sich Familie, Vermögen und Unternehmensinteresse in Einklang bringen lassen.
Herr Dr. Werwigk, woran scheitert eine familieninterne Übergabe am häufigsten?
Werwigk: Der größte Fallstrick liegt darin, dass die Nachfolge nicht ganzheitlich gedacht wird – weder rechtlich, steuerlich noch emotional. Es fehlt an Klarheit über Rollen und Ziele, sowohl in der Familie als auch auf Gesellschafterebene. Die Übergabe wird oft zu lange aufgeschoben. Ein plötzlicher Todesfall führt häufig nicht nur zu einem Vakuum und rechtlichen Problemen, sondern zu echtem Schaden für das Unternehmen.
Welche Risiken gibt es in dieser Phase?
Werwigk: Ansprüche auf Abfindung, Pflichtteil oder Zugewinnausgleich können dem Unternehmen finanziell erheblich schaden, wenn dem vorher nicht gut begegnet wird. Mit Pflichtteilsverzichten, Eheverträgen und maßgeschneiderten Regelungen kann man dem vorbeugen, vorausgesetzt, man spricht offen darüber.
Henne: Wir erleben immer wieder Fälle, in denen genau das versäumt wurde. Gesellschafter, die die Nachfolge nicht mittragen, kündigen ihre Anteile und fordern hohe Abfindungen. In großen Familienunternehmen kann das schnell existenzbedrohend werden.
Wie können solche Konflikte vermieden werden?
Werwigk: Gesellschaftsverträge und
Testamente müssen aufeinander abgestimmt sein. Eine Holdingstruktur kann helfen, die Übergabe klar zu regeln. Eine Familiencharta hilft, Erwartungen und Werte transparent zu machen – als Soft Law ohne juristischen Zwang, aber mit Wirkung.
Was aber, wenn kein geeigneter Nachfolger vorhanden ist?
Henne: In solchen Fällen begleiten wir häufig Management-Buy-outs oder -Buy-ins – also den Verkauf an ein internes oder externes Managementteam, häufig unter Beteiligung von Co-Investoren. Dabei ist besondere Sorgfalt gefragt, denn der Geschäftsführer ist dann potenziell auch Käufer. Das ist ein Interessenkonflikt, der professionell gelöst werden muss.
Wenn externe Manager übernehmen, die Familie aber Eigentümerin bleibt, entsteht ein Spannungsfeld. Wie lässt sich die Kontrolle klug regeln?
Henne: Mit gut durchdachten Gesellschaftsverträgen, die klare Entscheidungskompetenzen und Berichtspflichten enthalten. In vielen Fällen hilft ein Beirat, um Kontrolle auszuüben, ohne operativ einzugreifen. Wichtig ist, dass dieser nicht zur Bühne für Familienpolitik wird.
Die Stiftung gilt als Königsweg der Vermögenssicherung –ist sie das auch?
Werwigk : Wenn großes Vermögen vorhanden ist und der Wunsch besteht, es
langfristig zu sichern – etwa um dem Unternehmen generationenübergreifend Stabilität zu geben – dann ja. Wichtig ist: Das Vermögen gehört einem dann nicht mehr selbst, sondern der Stiftung. Das muss man wirklich wollen.
Und wenn es trotz aller Maßnahmen zu Konflikten kommt?
Henne : Dann ist eine einvernehmliche Lösung das Ziel – immer. Selbst die beste juristische Regelung schützt nicht vor eskalierenden Konflikten. Schlichtungsklauseln, Familienchartas oder Beiratsstrukturen können helfen. Aber was am Ende zählt, ist das gemeinsame Verständnis.
Werwigk: Familie bedeutet Zusammenhalt, Unternehmen verlangen Effizienz. Beides zu vereinen, das ist die eigentliche Kunst.
Weitere Infos unter: werwigkhenne.de
ponschab & partner • Brandreport
»Wir fragen nicht, wer recht hat, sondern wie man ein Problem gemeinsam lösen kann«
Der Gang vor Gericht ist oft teuer und kennt klare Sieger und Verlierer. Mittlerweile hat sich die Mediation als Alternative etabliert. Dr. Reiner Ponschab, Gründer der Kanzlei ponschab & partner, erklärt, wie Mediation zu pragmatischen Lösungen führt – und was sie mit den Spice Girls zu tun hat.
Dr. Reiner Ponschab Gründer
Herr Ponschab, was verbirgt sich hinter dem Begriff »Mediation«? Eine Mediation ist ein strukturierter Prozess, bei dem eine neutrale Vermittlungsperson die Parteien dabei unterstützt, eine einvernehmliche Lösung für ihren Konflikt zu finden. Im Gegensatz zum Gerichtsverfahren, das sich auf die Frage »Wer hat recht?« konzentriert, lautet die zentrale Frage der Mediation: »Wie können wir das Problem gemeinsam lösen, ohne Verlierer zu schaffen?« Und während Gerichte nur juristische Lösungen anwenden können (etwa Preisminderung oder Vertragsrücktritt), ermöglicht die Mediation auch kreative Vereinbarungen wie einen Warentausch. Der Spielraum für pragmatische Lösungen ist deutlich größer.
Wie also unterscheiden sich Mediatoren von Anwältinnen und Anwälten?
Prozessanwälte leben davon, sich vor ihre Mandanten zu stellen und für sie zu kämpfen.
Als Mediatorin oder Mediator hingegen tritt man in den Hintergrund, im Idealfall macht man sich im Laufe des Prozesses sogar überflüssig, weil die Parteien selbst die Konsenssuche übernommen haben. Es ist kein Beruf für Selbstdarsteller, sondern erfordert die Fähigkeit, das, was die Beteiligten wirklich bewegt, zu ergründen. Wir fordern, ganz wie im bekannten Spice-Girls-Song: »Tell me what you want, what you really, really want.« So kommen wir zum Kern des Problems – und zu einer tragfähigen Lösung.
Wie sind Sie zur Mediation gekommen?
In den 90er-Jahren war mein Campus-Nachbar an der Harvard Law School in diesem Metier tätig. Damals war Mediation in Deutschland noch weitgehend unbekannt, in den USA aber bereits etabliert. Ich ging davon aus, dass dieses Prinzip auch hierzulande erfolgreich sein würde, doch es brauchte Zeit, bis sich die Idee in der deutschen Anwaltschaft und Unternehmen durchsetzte.
Vor genau zehn Jahren haben Sie dann Ihre Mediationskanzlei ponschab & partner gegründet. Richtig, nachdem ich mich zuvor freundschaftlich von meiner Anwaltskanzlei getrennt hatte, um mich voll und ganz der Mediation zu widmen. Heute besteht unsere Kanzlei aus 90 Partnern und Mitgliedern.
Unsere Erfolgsquote liegt bei rund 80 Prozent.
– Dr. Reiner Ponschab, Gründer
Wie finden Klienten den Weg zu Ihnen? Wir profitieren sehr von positiver Mund-zuMund-Propaganda. Zudem arbeiten wir eng mit Rechtsschutzversicherungen zusammen, über die jährlich 6000 bis 7000 Fälle an uns herangetragen werden. Unsere Erfolgsquote liegt bei rund 80 Prozent, was bedeutet, dass diese Fälle nicht vor Gericht enden.
Mediation gibt es für alle Lebensbereiche. Auf welche Mediationen sind Sie spezialisiert? Wir sind eine Kanzlei für Wirtschaftsmediation. Dabei unterscheiden wir zwischen Konflikten, die zwischen verschiedenen Unternehmen entstehen, und solchen, die sich innerhalb eines Betriebs abspielen. Bei Erstgenannten geht es oft um sachliche Fragen wie mangelhafte
Produkte oder Leistungen. In innerbetrieblichen Konflikten hingegen kochen die Emotionen eher hoch: Hier haben wir es häufig mit jahrelangen Verletzungen in Teams oder arbeitsrechtlichen Kündigungsgeschichten zu tun.
Wo setzen Sie in solchen Fällen konkret an?
Ich führe zunächst Einzelgespräche, um mir die Perspektive jeder Person anzuhören. Empathie ist dabei ebenso entscheidend wie Neutralität. Mit den gewonnenen Erkenntnissen gehe ich dann in die gemeinsame Mediationsrunde und helfe den Beteiligten, die Perspektive des jeweils anderen zu verstehen. Wenn die Mediation erfolgreich ist, wird eine verbindliche Vereinbarung geschlossen. Und glücklicherweise habe ich noch nie erlebt, dass eine solche Vereinbarung im Nachhinein nicht eingehalten wurde.
Weitere Informationen unter: ponschab-partner.com
»Gläubiger
Zwischen Struktur- und Stakeholder-Krisen: Thomas Austmann und Dr. Norman Kulpa, Partner der Düsseldorfer Kanzlei Austmann & Partner, über die Beratung von Unternehmen und deren Gläubigern und Gesellschaftern in Krisensituationen.
Thomas Austmann Partner
Partner
Herr Austmann, Herr Dr. Kulpa, die Zahl der Insolvenzen steigt weiter. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Thomas Austmann: Tatsächlich sind die Auswirkungen auf unsere Arbeit nicht erheblich, da wir keine Insolvenzverwaltertätigkeit ausüben, sondern Unternehmen eher bei allgemeinen wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen und insbesondere strategisch bei gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Gestaltungen sowie bei Nachfolgethemen und Unternehmenskäufen beraten. Wir möchten eher dazu beitragen, dass unsere Mandanten durch eine geeignete
und vorausschauende Aufstellung erst gar nicht in eine insolvenznahe Situation geraten.
Dr. Norman Kulpa: Was sich allerdings bemerkbar macht, ist die zunehmende Zahl von Insolvenzen und insolvenznahen Situationen auch bedeutender Kunden und anderer Vertragspartner unserer Mandanten. Sie brauchen sich nur vor Augen führen, wie die vom Gesetzgeber geschaffenen Sanierungsinstrumente in Insolvenzverfahren und auch schon davor in der Praxis überwiegend dazu genutzt werden, um die Gläubiger bestmöglich zur Kasse zu bitten. Es ist manchmal schon frappierend zu erleben, wie das eigentliche Ziel, die Schäden für Dritte möglichst klein zu halten, angeblichen Sanierungsaussichten wirtschaftlich nicht überlebensfähiger Unternehmen geopfert wird. Auf solche Situationen sind viele Gläubiger, und dabei selbst auch Banken, vielfach nicht ausreichend vorbereitet und laufen Gefahr, über den Tisch gezogen zu werden. In solchen Situationen beraten wir intensiv, um die Folgeschäden bei Banken, Geschäftspartnern und auch Gesellschaftern insolventer oder insolvenznaher Unternehmen möglichst einzudämmen.
TA: Stakeholder eines kriselnden Unternehmens werden oft erst sehr spät über die Lage informiert und dann, wenn gesetzlich formal verfügbare Restrukturierungsinstrumente eingesetzt werden sollen, unter Druck gesetzt, vorbereiteten Sanierungskonzepten
zuzustimmen, deren Folgen in erster Linie zu ihren Lasten gehen. Hier bedarf es Erfahrung und einer ruhigen Hand, um solche Situationen, die ja von anderer Seite bewusst herbeigeführt wurden, zu entschärfen.
Lässt sich sagen, wie viele Insolvenzen durch gravierende Struktur- oder Nachfolgeprobleme entstehen?
NK: Ich glaube nicht, dass hierzu statistisch gesicherte Aussagen möglich sind.
TA: Aber es ist sicherlich richtig zu sagen, dass viele der Insolvenzen, die wir gegenwärtig sehen, auf Strukturprobleme zurückzuführen sind. Es gab und gibt noch immer einfach zu viele Unternehmen mit nicht mehr wettbewerbsfähigen Geschäftsmodellen, die viele Jahre lang nur wegen eines atypisch niedrigen Zinsniveaus überleben konnten. Die Zinswende hat diesen Unternehmen sozusagen den Stecker gezogen.
NK: Auch Nachfolgeprobleme haben ein enorm hohes Schadenspotenzial in dieser Hinsicht. Denn dann, wenn notwendige Anpassungs- und Veränderungsprozesse in der Eigentümerstruktur ausbleiben, geraten irgendwann auch gesunde Unternehmen in eine fatale Spirale. Sogenannte Stakeholderkrisen sind ein starkes Indiz für einen drohenden wirtschaftlichen Niedergang.
Sind Unternehmensnachfolgen heute schwieriger zu planen und umzusetzen?
NK: Ja und nein. Ja, es ist schwieriger, weil die steuerlichen Rahmenbedingungen gerade für inhabergeführte Unternehmen trotz aller Verschonungsregeln nicht besser geworden sind und diese Verschonungsregeln auch durchaus dazu führen können, dass wirtschaftlich notwendige Maßnahmen nicht rechtzeitig getroffen werden. Nein, weil mittlerweile bei den meisten Eigentümern der Unternehmen die Botschaft angekommen ist, die Gestaltung der Nachfolge rechtzeitig in Angriff zu nehmen.
TA: Und das ist nicht zu unterschätzen, denn die mit einer Nachfolgeregelung verbundenen Probleme sind oftmals ganz vorrangig psychologischer und kommunikativer Natur, selbst wenn die rechtliche und steuerliche Lösung auf der Hand liegt. Gott sei Dank gilt es heute nicht mehr als Zeichen von Schwäche, sondern eher von vorausschauender Weisheit, an einem bestimmten Punkt ein Unternehmen aus der Hand zu geben und an die nächste Generation zu übertragen, in eine Stiftung einzubringen oder schlicht zu veräußern.
Interview Rüdiger Schmidt-Sodingen
Vom kompakten
Zertifikatslehrgang …
Compliance
Datenschutzrecht & KI
Financial Lines /VH
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Die Digitalisierung eröffnet enorme Potenziale, wirft aber auch viele Fragen auf. Gerade Unternehmen aus dem Mittelstand tun sich auf ihrer Digitalisierungsreise oft schwer. »Fokus« sprach mit Laurent Meister, Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner bei RSM Ebner Stolz, darüber, wie Anwältinnen und Anwälte Unternehmen helfen können, den korrekten Pfad einzuschlagen.
Herr Meister, die Digitalisierung transformiert traditionelle Geschäftsmodelle, insbesondere im mittelständischen Sektor. Wo liegen aus Ihrer juristischen Sicht die größten Herausforderungen für Unternehmen?
Viele mittelständische Unternehmen durchleben aktuell Wachstumsschmerzen: Sie stammen oft aus dem produzierenden Gewerbe und kennen ihre Kunden, Prozesse sowie Lieferketten in- und auswendig. Doch nun möchten (oder müssen) sie ihre Produktion, Produkte und Geräte »intelligent« machen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei stoßen sie schnell auf die Themen Datenschutz und DSGVO – aber damit ist es bei Weitem nicht getan, denn viele Betriebe unterschätzen die schiere Dichte und Komplexität der Vorgaben, welche die EU hierzu in jüngster Zeit auf den Weg gebracht hat, sowie die starken Auswirkungen, die diese auf ihr Geschäft haben.
Wie sehen demnach Ihre ersten Schritte in einer neuen Zusammenarbeit mit einem solchen Unternehmen aus?
Zunächst eruieren wir den Ist-Zustand des Unternehmens: Manche sind auf ihrem Weg zur Digitalisierung schon relativ weit, andere stehen hingegen ganz am Anfang und benötigen eine umfassende Begleitung. Gerade zu Beginn ist es zudem essenziell, zwischen Hype und echtem Potenzial zu unterscheiden: Vor einigen Jahren war die Blockchain-Technologie in aller Munde, sie ist allerdings nur für spezielle Anwendungen relevant. Im Gegensatz dazu hat sich die KI schnell von einem Hype-Thema zu einem zentralen Werkzeug entwickelt. Wir helfen dabei, diese Themen korrekt einzuordnen und agieren quasi als »Embedded Lawyer«: Als juristische Fachperson begleiten wir den Prozess von der ersten Idee über die Produktentwicklung bis zum Launch und beraten unsere Kunden zu allen rechtlichen Themen, die auf diesem Weg aufkommen.
Welche rechtlichen Disziplinen werden denn im Laufe einer Digitalisierungsreise tangiert? Fast alle (lacht). Die Bandbreite ist enorm. In der Frühphase geht es darum, auf rechtliche Chancen und Risiken hinzuweisen. Wir informieren die Mandanten beispielsweise darüber, welche juristischen Aspekte sie hinsichtlich Datenschutz und Cybersicherheit beachten müssen oder wenn sie KI einsetzen. Bei der Projektumsetzung stehen dann unter anderem Vertragsverhandlungen mit Zulieferern und Partnern im Vordergrund; hier geht es also um Zivil- und Vertragsrecht. Gegen Ende einer Produktentwicklung kommt dann die Kundensicht ins Spiel, wofür nebst anderen Aspekten das Formulieren von Nutzungsbedingungen im Vordergrund steht. Auch die Vertriebsketten verändern sich: Mittelständische Unternehmen bewegen sich heute vermehrt auf internationalen Märkten, was vertriebs- und steuerrechtliche sowie Compliance- und Haftungsfragen aufwerfen kann. All dies macht deutlich, dass wir
Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Digitalisierung ist uns der menschliche Faktor sehr wichtig. Wir pflegen einen engen und offenen Austausch, um die Painpoints und Ziele unserer Mandanten zu verstehen und sie richtig beraten zu können.
– Laurent Meister, Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner
heute nicht mehr in isolierten Rechtsgebieten denken können, sondern ganzheitlich agieren müssen, um die Vielfalt der Themen abzudecken. Hier kommt unseren Mandanten die Größe von RSM Ebner Stolz zugute: Wir bieten nicht nur ein umfassendes Legalteam, das sämtliche Rechtsdisziplinen abdeckt, sondern können auch Fachleute aus der Steuer-, Unternehmens- und Technologieberatung hinzuziehen.
Mit der zunehmenden Vernetzung von Geräten gewinnen Cybersecurity und der Schutz sensibler Daten an Bedeutung. Welche Entwicklungen beobachten Sie hier?
Dieser Bereich entwickelt sich enorm. In den Anfangsphasen des »Internets der Dinge« wurden Maschinenparks oftmals einfach vernetzt, ohne der Cybersicherheit umfassend Rechnung zu tragen. Darauf hat die EU mit Nachschärfungen reagiert. Bestimmte Branchen, die als besonders kritisch oder lebenswichtig gelten – etwa die Betreiber von Kraftwerken – müssen bei der Vernetzung ganz besonders auf Sicherheit achten. Wir beraten unsere Mandanten dementsprechend dabei, was sie wann umsetzen müssen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Digitalisierung erhöht auch das Tempo des Wandels. Wie bleiben Sie und Ihr Team für Ihre Mandanten am Puls der Zeit?
Das stellt in der Tat eine große Herausforderung und eine zentrale Aufgabe dar.
Wir haben immer ein Auge darauf, was die EU rechtlich auf den Weg bringt und welche technischen Entwicklungen unsere Mandanten bewegen. Zudem prüfen wir laufend, wie wir selbst die Tools der Digitalisierung für uns nutzen können. Die Informationsgewinnung lässt sich beispielsweise mithilfe von KI optimieren. Gleichzeitig stellen wir natürlich immer sicher, dass sämtliche Ergebnisse korrekt sind; als Juristen haben wir hier enorm hohe Ansprüche.
Welchen Wert legen Sie bei Ihrer Beratung auf den menschlichen Faktor?
Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Digitalisierung ist uns der menschliche Faktor sehr wichtig. Wir pflegen einen engen und offenen Austausch, um die Painpoints und Ziele unserer Mandanten zu verstehen und sie richtig beraten zu können. Zudem setzen wir auf gesunden Pragmatismus: Der Mittelstand wünscht keine endlosen Abwägungen, sondern konkrete Ratschläge, die es ihm ermöglichen, schnell eine Entscheidung zu treffen. Genau das bieten wir.
Welche Themen werden in Zukunft für Ihr Fachgebiet relevant sein?
Gerade im Technologie-Umfeld ist es schwierig, exakte Voraussagen zu treffen, da es so breit gefächert ist und sich ständig wandelt. Die technische Entwicklung zählt aber zu den zentralen Treibern, denn sie führt zu
Disruption – und Disruption ist letztlich unser Geschäftsfeld. Wir unterstützen unsere Mandanten, die Disruption zu meistern und für sich zu nutzen. Was wir zudem sehen, ist eine zunehmende »Verzahnung« von Themen, Expertisen und Fachbereichen. Nehmen wir die Produkthaftung als Beispiel: Bislang galt die strenge Produkthaftung im Wesentlichen für Produktionsfehler von Maschinen, die zu Verletzungen und Schäden geführt haben. Der Gesetzgeber arbeitet nun daran, dass auch Software und IT unter eine vergleichbare Produkthaftung fallen. Eine fehlerhafte Software kann also für Unternehmen gänzlich neue Haftungsrisiken nach sich ziehen. Es ist daher davon auszugehen, dass Unternehmen aufgrund der Digitalisierung zunehmend mit Fällen konfrontiert sind, die eine breite rechtliche und wirtschaftliche Expertise verlangen.
Weitere Informationen unter: ebnerstolz.de
Zur Kanzlei RSM Ebner Stolz ist eine der größten unabhängigen mittelständischen Prüfungs- und Beratungsgesellschaften in Deutschland. Das Unternehmen gehört zu den Top-Ten der Branche und verfügt über eine breite Expertise in Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatung. Mit diesem multidisziplinären Beratungsansatz und über 2700 Mitarbeitenden an 15 Standorten betreut RSM Ebner Stolz als einer der Marktführer im Mittelstand nationale und internationale Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen aller Branchen.
Während sich Unternehmen in nahezu allen Sektoren um die besten Köpfe bemühen, stehen Kanzleien vor einer besonderen Herausforderung:
Sie müssen nicht nur hoch qualifizierte Juristinnen und Juristen gewinnen, sondern diese auch langfristig binden. Ein entscheidender Faktor dabei ist die Frage, wie attraktiv Kanzleien für weibliche Talente sind und wie viele Frauen den Sprung in die Partnerschaft schaffen.
Frauen stellen seit Jahren mehr als die Hälfte der Absolvent:innen juristischer Fakultäten in Deutschland. Doch je höher die Karrierestufe, desto deutlicher klafft eine Lücke: Nur ein Bruchteil der Absolventinnen erreicht in ihrer Laufbahn auch die Partnerebene. Für Kanzleien ist das nicht nur ein Gleichstellungsthema, sondern ein strategischer Wettbewerbsnachteil. Zahlreiche Studien1,2,3 belegen, dass Teams mit geschlechtergemischter Führung innovativer arbeiten, ausgewogenere Entscheidungen treffen und resilienter in Krisenzeiten sind. Damit ist Female Empowerment längst kein bloßes Schlagwort mehr, sondern ein handfester Business-Case.
Ernüchternde Realität auf Partnerebene
Eine aktuelle Untersuchung der AllBright Stiftung4 hat die 20 umsatzstärksten Großkanzleien Deutschlands zum Stichtag 1. April 2025 analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur 16 Prozent der Equity-Partner sind Frauen. Zum Vergleich: Auf Associate-Ebene liegt der Frauenanteil bei fast 50 Prozent, auf Salary-Partner-Ebene immerhin noch bei etwa 37 Prozent. Der drastische Rückgang erfolgt also genau beim entscheidenden Karriereschritt in die Vollpartnerschaft.
Ursachen und Mechanismen
Die AllBright-Studie und weitere Untersuchungen machen deutlich, dass hinter dieser Unterrepräsentanz nicht fehlende Qualifikation, sondern strukturelle Barrieren stehen. Oft ist von einer »gläsernen Decke« die Rede, die von unbewussten Vorurteilen, sogenannten »Unconscious Bias«, gestützt wird. Erwartet wird nach wie vor ein Karrieremodell, das sich an männlichen Rollenbildern orientiert: ständige Verfügbarkeit, hohe Präsenzzeiten und informelles Netzwerken außerhalb
Brandreport • Norton Rose Fulbright
Die klassische Partnerschaftsstruktur ist vielerorts noch stark auf Hierarchien und Umsatzorientierung fokussiert.
regulärer Arbeitszeiten. Solche Monokulturen erschweren es, familiäre Verpflichtungen oder Teilzeitmodelle zu integrieren.
Hinzu kommt, dass die »Rush Hour des Lebens« für Juristinnen besonders hart ausfällt. Die Phase, in welcher der Sprung zur Partnerschaft ansteht, fällt häufig mit der Familiengründung zusammen. Viele berichten, dass die strukturellen Erwartungen an Leistung und Präsenz kaum mit Betreuungszeiten oder familiären Verpflichtungen vereinbar sind.
Ein weiterer Faktor ist das Thema Mentoring und Sichtbarkeit. Die Initiative Women into Leadership5,6 verdeutlicht, dass formelle Mentoring-Programme Frauen helfen, Karrierewege transparenter zu gestalten und ihnen Zugänge zu Schlüsselmandaten zu eröffnen. Auch die Sichtbarkeit bei Mandant:innen und innerhalb der eigenen Kanzlei steigt dadurch messbar.
Schließlich spielt auch die Wahrnehmung des Unternehmensklimas eine Rolle. Eine Befragung von Spencer Stuart7 unter Frauen in Führungspositionen ergab, dass weniger als die Hälfte das Klima im eigenen Unternehmen als ausdrücklich frauenförderlich einschätzt.
Gerade für Kanzleien bedeutet das: Es reicht nicht aus, Diversität als Wert zu deklarieren.
Sie muss auch im täglichen Arbeitsumfeld gelebt werden und spürbar sein. Und dafür braucht es auch männliche Mentoren.
Modernes Kanzleimanagement: mehr als Umsatz und Akquise
Die klassische Partnerschaftsstruktur ist vielerorts noch stark auf Hierarchien und Umsatzorientierung fokussiert. Doch modernes Kanzleimanagement verlangt mehr. Flexible Arbeitsmodelle, transparente Karrierewege und eine nachhaltige Personalentwicklung gehören längst zu den Erwartungen der nachrückenden Generation. Kanzleien, die Frauen gezielt fördern und auf gleichberechtigte Teilhabe setzen, positionieren sich als attraktive Arbeitgeber und sichern sich damit den Zugang zu einem größeren Talentpool.
Vorbilder schaffen Strahlkraft Für junge Juristinnen ist es zudem ein starkes Signal, Partnerinnen in Führungsrollen zu sehen. Role-Models verdeutlichen, dass Spitzenkarrieren möglich sind – auch in einem traditionell männlich dominierten Umfeld. Sind in einer Kanzlei bereits Frauen in Entscheidungspositionen, stärkt das nicht nur die interne Glaubwürdigkeit, sondern verbessert auch das externe Image. Nicht nur Bewerber:innen, sondern auch Mandant:innen achten zunehmend
auf Diversität; insbesondere internationale Unternehmen erwarten gendergerechte Führungsteams auch in ihrer Rechtsberatung.
Mentoring und Retention: Der Schlüssel zur Bindung
Viele Kanzleien setzen inzwischen auf strukturierte Mentoring-Programme, um weibliche Talente gezielt zu begleiten. Diese Programme können dazu beitragen, Karrieren planbarer zu machen und individuelle Hürden frühzeitig zu adressieren. Ebenso wichtig ist die Frage der Retention: Juristinnen verlassen Kanzleien oft in der entscheidenden Phase, wenn Partnerschaft und Familienplanung gleichzeitig anstehen. Flexible Arbeitszeitmodelle, Job-Sharing oder eine partnerschaftliche Elternzeitgestaltung sind Hebel, um diese Abwanderung zu verhindern.
Quellen
1 EU Fact Check, 2022
«Mostly true: diverse teams work better in times of crisis» https://eufactcheck.eu/factcheck/mostly-truediverse-teams-work-better-in-times-of-crisis /
2 Emerald, 2022 «Boosting innovation through gender and ethnic diversity in management teams» https://www.emerald.com/jocm/article/35/8/54/253260/ Boosting-innovation-through-gender-and-ethnic
3 ScienceDirect, 2022 «Women in top management teams and their impact on innovation» https://www.sciencedirect.com/science/ article/abs/pii/S0040162522004061
4 Untersuchung der AllBright Stiftung, Juni 2025 https://static1.squarespace.com/static/5c7e8528f4755a 0bedc3f8f1/t/68628c1b35e85842486be374/ 1751288861267/Fr%C3%BChjahrsbericht2025.pdf
5 https://www.dup-magazin.de/management/ new-work/fuer-mehr-frauen-in-fuehrungsetagen
6 https://www.iwil.eu/konzept-1
7 https://www.spencerstuart.com/locations/germany/ umfrage-unter-weiblichen-fuhrungskraften
Claudia Posluschny Partnerin & Leiterin, Norton Rose Fulbright München
Der Fachkräftemangel ist ein allgegenwärtiges Thema, das auch vor der deutschen Rechtsbranche nicht haltmacht. Anwältin Claudia Posluschny, Partnerin und Leiterin des Münchner Standorts der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright, verweist auf eine alarmierende Zahl: Laut Umfragen klagen 72 Prozent der deutschen Kanzleien über Personalengpässe.
Woran liegt das? Für Claudia Posluschny kommt nicht nur eine einzige Ursache infrage. »Ich weigere mich entschieden, ins Narrativ
einzustimmen, dass es der Generation Z an Ehrgeiz fehlt«, betont sie. Denn es gebe auch heute viele junge Menschen, die eine ambitionierte Karriere anstreben. Der Fachkräftemangel sei vielmehr die Folge eines Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Einer davon ist der demografische Wandel: Es gehen schlicht mehr erfahrene Berufsleute in den Ruhestand, als junge Talente nachrücken. Hinzu kommt die fortschreitende Digitalisierung. Die wachsende Bedeutung von KI-Lösungen in der Rechtsberatung könne bei Berufsanfängern die Frage aufwerfen, ob ein Job in einer Kanzlei angesichts möglicher Automatisierung langfristig sicher ist. »Verschärft wird die Situation noch durch den Umstand, dass sich die hiesigen Großkanzleien auf die Regionen München und Frankfurt konzentrieren.« Wer nicht willens oder in der Lage ist, in diese Zentren zu ziehen, fällt rasch aus dem Bewerberpool. Strategien zur Talentgewinnung und -bindung Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzt
Norton Rose Fulbright auf eine umfassende Ausbildung und attraktive Vergütung. Bereits vom Karrierestart weg werden junge Talente erstklassig bezahlt und in den »International Academies« gezielt gefördert. In diesen Akademien, von denen sich eine in London befindet, werden junge Anwältinnen und Anwälte in wichtigen Kompetenzen geschult. Dieses Investment in die Mitarbeitenden sei ein wesentlicher Anreiz. Darüber hinaus profitiert Norton Rose Fulbright von seiner globalen Präsenz: Mit über 50 Standorten weltweit bietet die Kanzlei die Möglichkeit, in internationalen Teams an spannenden, grenzüberschreitenden Mandaten zu arbeiten.
Ein weiteres wichtiges Anliegen der Kanzlei ist die Förderung von Frauen. Claudia Posluschny räumt ein, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach wie vor eine Herausforderung darstellt, betont aber, dass Frauen bei Norton Rose Fulbright besonders umfassend gefördert würden. So gibt es spezielle »Senior Development Programs« für Anwältinnen, die eine Partnerkarriere anstreben, sowie Mentoring-Programme. Als besonders inspirierend empfindet Posluschny stets die Rolle von weiblichen Vorbildern: Sie selbst fand ihren Antrieb für eine Führungsrolle, als bei Norton Rose Fulbright eine Anwältin während ihrer Elternzeit zur Partnerin ernannt wurde – ein starkes Statement für die gelebte Wertschätzung der Kanzlei. Heute ist es für Claudia Posluschny ein Anliegen, selbst eine Vorbildfunktion für junge Anwältinnen einzunehmen. Weitere Informationen unter nortonrosefulbright.com
Britta Grauke ist Co-Managing Partnerin der Kanzlei Weil, Gotshal & Manges LLP in Deutschland und Mitglied im internationalen Management Committee der Kanzlei. Im Handelsblatt spricht sie über Kanzleimanagement, Mentoring, Netzwerke und die Vereinbarkeit von Beruf und Leben.
Britta Grauke
Co-Managing Partnerin
Was bedeutet modernes Kanzleimanagement für Sie im Alltag? Management auf Augenhöhe. Dabei zählen vor allem der Teamgedanke und die Förderung von Eigenverantwortung. Eine Kollegin hat mir zur Wahl ins internationale Management Committee ein Bild mit einem Leitsatz geschenkt, den ich sehr passend finde: Erfolg einer erfolgreichen Führungsperson misst sich nicht daran, wie viele Personen sie führt, sondern wie viele weitere Führungspersonen sie hervorbringt. Ich finde es wichtig, Entscheidungen gemeinsam mit denjenigen zu treffen, die sie unmittelbar betreffen. Daher bemühe ich mich, Associates und Counsel früh einzubinden. Bei uns stehen alle Türen offen und ich versuche transparent zu erklären, warum man Dinge macht oder nicht macht. So entsteht Gestaltungsfreiheit, früh Verantwortung zu übernehmen und Karrierechancen wahrzunehmen.
Rechtsanwältin & Partnerin, Deloitte Legal Kanzlei Weil, Gotshal & Manges
Wir
verkaufen juristische
Dienstleistungen
und dafür
sind
Netzwerke extrem wichtig.
– Britta Grauke, Co-Managing Partnerin
muss wie andere, sondern erfolgreich bin, wenn ich authentisch bleibe. Dieses Verständnis prägt mein Führungshandeln. Auch das Teamgefühl innerhalb unseres gelebten One-Firm-Approachs bei Weil ist wichtig für mich. Persönlich hat mich sicherlich meine Familie geprägt –und die Möglichkeit, Kanzleiführung und Familie mit zwei Kindern zu verbinden. Dabei folge ich dem Motto: Just do it. Meine Erfahrung ist, dass anspruchsvolle Mandatsarbeit und privates Leben gut zusammenpassen.
Welche Ratschläge geben
Welche Rolle spielt Mentoring für die Bindung von Talenten?
Mentoring ist für beide Seiten wahnsinnig wichtig. Ich verstehe es als offenen Austausch, von dem beide Seiten profitieren. Daher ist es wichtig, dass wir solche Angebote schaffen. Neben offiziellen Programmen mit Buddy- und Mentoring-Circles finde ich aber auch eine Sache wichtig, juristisch würde man sagen: Mentoring ist nicht nur eine Bringschuld, es ist auch eine Holschuld. Junge Kolleginnen und Kollegen sollten aktiv potenzielle Mentoren ansprechen. Es ist erstaunlich, auf wie viel Hilfsbereitschaft und Unterstützung man dabei trifft. So habe ich auch meine wichtigen Mentoren gefunden, lange bevor es offizielle Mentoring-Programme gab.
Wie wichtig sind Netzwerke und Austauschformate in Ihrer Branche? Wir verkaufen juristische Dienstleistungen und dafür sind Netzwerke extrem wichtig. In internationalen Organisationen sind sie entscheidend für Karriereschritte. Mir hat z. B. ein starkes Frauennetzwerk bei Weil geholfen, als es in Deutschland außer mir noch keine Partnerin gab. Ich persönlich engagiere mich deshalb seit der Gründung z. B. bei den Distressed Ladies (Women in Restructuring). Mein Rat: Fangt früh an – eure Peers wachsen mit euch gemeinsam und werden später selbst Entscheider.
Welcher persönliche Moment hat Sie in Ihrer Rolle am stärksten geprägt?
In meinem beruflichen Werdegang prägte mich vor allem die Erkenntnis, dass ich nicht so sein
Sie jungen Kolleginnen und Kollegen, die eine Karriere in einer Großkanzlei anstreben?
Mir macht meine Arbeit immer noch wahnsinnig Spaß. Sie ist international, anspruchsvoll und nie langweilig. Wichtiger als die Frage nach der Karriere ist meines Erachtens daher die nach dem eigenen Antrieb. Wenn du das machst, was dir Spaß macht, dann bist du gut darin. Wir machen tolle Arbeit, es macht super Spaß – wer Verantwortung sucht, findet sie dann auch!
Weitere Informationen unter: weil.com
Deloitte AG • Brandreport
»Die junge Generation möchte, dass versprochene Werte gelebt und ernst genommen werden«
Dr. Katja Schwenzfeier ist promovierte Rechtsanwältin, Partnerin bei Deloitte Legal im Bereich Immobilienrecht und Mutter – und spricht im Interview über den Umgang mit dem Fachkräftemangel und die Karrierechancen von Frauen in der Beratungsbranche.
Dr. Katja Schwenzfeier
Frau Dr. Schwenzfeier, wie hat sich die rechtliche Beratung in den letzten Jahren verändert? Die Digitalisierung und strategische Ansätze spielen auch im Immobilienbereich eine immer größere Rolle. Sicher kann auch die Due Diligence mittlerweile anders bespielt werden. Die Immobilieninvestments sind vor allem aufgrund der Kostenexplosion schwieriger geworden. Die klassische Immobilienfinanzierung können sich insbesondere Verbraucher kaum noch leisten. Wir erleben weniger Prozessbereitschaft und mehr Bemühen um außergerichtliche Lösungen. Der Markt ist derzeit kleiner, das gute Miteinander umso wichtiger.
Ihr Spezialgebiet sind nationale wie internationale Immobilientransaktionen. Welche Themen oder Probleme stehen dort momentan im Fokus?
Die größte Herausforderung sind die hohen
Baukosten, die dafür sorgen, dass der Markt für Immobilien begrenzter ist. Licht und Schatten zugleich bleibt das Thema ESG, also Environmental, Social and Governance. Sämtliche Finanzierungen hängen davon ab. Wobei ich mir wünschen würde, dass neben dem E auch der Bereich S eine größere Rolle spielen würde. Und schließlich haben wir es mit einer Überregulierung zu tun, der man nur schwer gerecht werden kann. Von der angekündigten Bürokratieentlastung spüren wir jedenfalls erst sehr wenig. Erfreulicherweise stellen wir eine leichte Erholung des Marktes fest, die sich durch den angekündigten Baubooster hoffentlich fortsetzt.
Inwieweit spüren Sie den Fachkräftemangel?
Natürlich spüren wir ihn, aber sowohl im Anwalt- als auch im Supportbereich gibt es augenblicklich ein bisschen Entlastung. Auch bei den Unternehmen sind personelle Engpässe spürbar, was sich mitunter auf das Voranbringen einzelner Projekte auswirken kann.
Beratung ist ja ein spannendes Feld. Was müssen Unternehmen tun, um Talente finden oder entwickeln und halten zu können? Wie wichtig ist dabei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Man muss mit der Zeit gehen. Die alteingesessene, eher konservative Kanzlei wird es in Zukunft
Je mehr Frauen es in Führungspositionen gibt, umso mehr wird auch für junge Frauen sichtbar, wie individuell der Weg sein kann.
– Dr. Katja Schwenzfeier, Rechtsanwältin & Partnerin, Deloitte Legal
sicher schwerer haben, wenn sie sich Neuem verschließt. Das große Eckbüro ist nicht mehr das Maß aller Dinge. Wir sind als Beratungsunternehmen modern und attraktiv aufgestellt, arbeiten selbstverständlich mit Social Media, bieten Homeoffice an und verabschieden uns von alten Rollenbildern. Echte Flexibilität ist gefragt. Die junge Generation möchte, dass Werte, die versprochen werden, gelebt und ernst genommen werden.
Wie können mehr Frauen in Führungspositionen und weiter bis auf die Partnerebene kommen? Da gibt es sicherlich mehrere Aspekte. Der wichtigste ist Sichtbarkeit. Deswegen befürworte ich auch die Quote – zumindest für eine gewisse Zeit. Männer müssen die Bereicherung durch einen weiblichen Führungsstil erleben. Empathie schafft Mehrwert. Wichtig ist, dass sich Frauen fragen: Was möchte ich? Es gibt nicht den einen Weg. Es gibt eine breite Auswahl an Wegen, wie Erfolg gelingen kann. Je mehr Frauen es in Führungspositionen gibt, umso mehr wird auch für junge Frauen sichtbar, wie individuell der Weg sein kann. Was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht, habe ich eine klare Überzeugung: Frauen müssen sich nicht entscheiden, sie können – mit dem richtigen Umfeld – beides haben. Beides bildet die Basis für Zufriedenheit und Erfolg. Man sollte sich auch nicht zu viele Gedanken im Vorfeld machen. Am besten ist es, die Situation so, wie sie ist, anzugehen und sich eine Lösung zuzutrauen. Alles beginnt mit dem ersten Schritt. Dafür müssen wir Frauen uns auch gegenseitig unterstützen, uns mehr empfehlen und uns ins rechte Licht rücken.
Interview Rüdiger Schmidt-Sodingen
Marlene Schreiber ist Fachanwältin für IT-Recht und Partnerin bei Härting Rechtsanwälte. Sie berät Unternehmen zu IT-Recht, Digitalisierung und neuen Technologien und wurde u. a. vom F.A.Z. Institut als »Top-Anwältin im IT-Recht« ausgezeichnet. Im Oktober erscheint ihr Buch »KI und Recht« im Wiley-VCH Verlag, das sie gemeinsam mit der Kollegin Dr. Kristina Schreiber von Loschelder Rechtsanwälte verfasst hat.
Marlene Schreiber Fachanwältin für IT-Recht und Partnerin
Frau Schreiber, wie sehr beschäftigen IT- und Datenschutzthemen derzeit die Unternehmen?
Sehr. Der Bedarf an Digitalisierung ist ungebrochen und hat durch die Massentauglichkeit von KI erneut Aufschwung bekommen. Unternehmen digitalisieren ihre Arbeitsprozesse und entwickeln digitale und KI-basierte Produkte und Geschäftsmodelle. Wie bei jeder Technologie entstehen auch mit dem Einsatz von KI neue rechtliche Fragen. Zum einen müssen wir das bestehende Recht, z. B. das Datenschutzrecht oder das BGB, auf Sachverhalte anwenden, die bei Entwurf dieser Gesetze noch nicht absehbar waren und daher auch nicht »mitgedacht« wurden. Zum anderen hat die EU-Kommission in den letzten Jahren eine Reihe neuer Regulationen erlassen, die Unternehmen beachten müssen, zum Beispiel die KI-Verordnung, den Data Act oder den Digital Services Act.
Brandreport • GSK Stockmann
Wie können Unternehmen sichergehen, dass sie rechtskonform handeln?
Vor allem: nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern risikobasiert, pragmatisch und strukturiert an Projekte herangehen: Wer frühzeitig IT-Rechtsexpertise einbindet, spart später Zeit, Kosten und Nerven. Dazu braucht es ein System von Regeln, Maßnahmen, Strukturen, Praktiken und Prozessen, die die Implementierung von KI-basierten Systemen im Unternehmen unter Einhaltung der rechtlichen Anforderungen, aber auch der strategischen und unternehmerischen Ziele sicherstellt. Mein Appell an die Unternehmen: Verstehen Sie rechtliche Vorgaben nicht (nur) als lästige Pflichten, sondern machen Sie aus der Not eine Tugend! Compliance kann ein zentraler Faktor für Vertrauen, Skalierbarkeit und Marktzugang sein.
Greift KI auch in die Vertragsgestaltung ein? Was lässt sich leichter regeln, was schwieriger? KI ist definitiv auch bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Leichter zu gestalten sind Standardthemen wie Nutzungsrechte oder Geheimhaltung. Schwieriger kann es sein, Fragen der Haftung zu regeln oder Vorgaben aus der
KI-Regulierung vertraglich umzusetzen, die noch gar nicht abschließend geklärt sind.
KI wird zudem auch vermehrt bei der Vertragsgestaltung selbst eingesetzt, indem sie erste Vertragsentwürfe erstellt oder Klauseln überarbeitet – das kann zwar Zeit sparen, entbindet uns Juristinnen und Juristen aber nicht von der sorgfältigen Prüfung und rechtssicheren Umsetzung komplexer Sachverhalte.
Wie schnell müssen Unternehmen auf die zunehmenden regulatorischen Anforderungen reagieren? Ist es ratsam, eigene Mitarbeitende damit zu betrauen? Unternehmen sollten nicht in Panik verfallen, sich aber zügig und zielgerichtet mit den regulatorischen Anforderungen auseinandersetzen. Unternehmen, die früh starten, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil und können die Umsetzung von neuen Vorgaben noch aktiv mitgestalten –diesen Gestaltungsspielraum sollten sie nutzen. In welchem Umfang Unternehmen eigene Mitarbeitende mit der Umsetzung von ComplianceAnforderungen betrauen oder sich externe Unterstützung holen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. davon, wie erheblich der KI-Einsatz für das Geschäftsmodell ist und in welchem Umfang Kapazitäten und Budget zur Verfügung stehen.
Sie leiten bei Härting das Team Digital. Was ist dort derzeit das Hauptthema? Zwar beschäftigen uns nach wie vor »klassische« IT-Rechtsthemen im Zusammenhang mit Softwareprojekten, E-Commerce, Plattformen und Datennutzung – das Thema KI nimmt aber inzwischen einen großen Teil der Beratung ein. Wir unterstützen Unternehmen bei der Entwicklung und Einführung von KI-Systemen, dem Entwurf von KI-Richtlinien und Checklisten und dem Aufbau der gesetzlich geforderten KI-Kompetenz, indem wir z. B. AI-Officer ausbilden. Darüber hinaus setzen wir uns intensiv damit auseinander, wie wir KI eigentlich für unsere eigene Arbeit einsetzen können und wollen.
Weitere Informationen unter: haerting.de
Veraltete Rollenbilder bremsen den Wandel in vielen Kanzleien aus. Dr. Katy Ritzmann möchte das ändern. Als Partnerin und Mitglied im Strategy- und Marketboard von GSK Stockmann treibt sie Digitalisierung und Diversität voran. Im Interview spricht sie über neue Erwartungen an Führung, den Einfluss von KI und erklärt, warum Partnerschaft neu gedacht werden muss.
Dr. Katy Ritzmann Partnerin & Mitglied, Strategy- und Marketboard, GSK Stockmann
Frau Dr. Ritzmann, was muss sich in ändern, damit mehr Vielfalt in der Partnerschaft möglich wird? Die Anwaltschaft wird zunehmend weiblicher, gleichzeitig sind in den Partnerschaften vielerorts immer noch überwiegend Männer vertreten. Dieses Missverhältnis muss sich wandeln, denn unterschiedliche Perspektiven und Lebensrealitäten bereichern unsere Arbeit. Diversität und moderne Führung sind längst auch ein wirtschaftlicher Faktor. In Ausschreibungen und Pitch-Aufforderungen wird zunehmend gezielt gefragt, wie viele Frauen in der Kanzlei Führungsverantwortung tragen. Was bedeutet das für Karrierewege in Kanzleien? Sie werden maßgeschneiderter. Wir bei GSK bieten flexible Modelle, um Familie und beruflichen Erfolg auf allen Karrierestufen zu vereinbaren – für Frauen und Männer. Wir verstehen den Begriff »Karriere« als persönliche Entwicklung. Sichtbarkeit, unternehmerisches Denken und echte Mandantenorientierung sind heute zentrale Faktoren.
Als Bereichsleiterin für Corporate sehe ich, wie wichtig es ist, Veränderung aktiv zu gestalten – im Team gemeinsam mit Juristen, Legal-TechSpezialisten und Betriebswirten.
– Dr. Katy Ritzmann, Partnerin & Mitglied, Strategy- und Marketboard, GSK Stockmann
Betriebswirten. Wir wollen wachsen, breiter beraten, neue Branchen erschließen und ständig Wissen aufbauen. Transformation bedeutet nicht, Werte über Bord zu werfen, sondern ihnen treu zu bleiben und sie agil bei veränderten Rahmenbedingungen als Stärke einzusetzen.
Wie sieht Ihre Vision für die Kanzlei im Jahr 2035 aus?
Auch die Arbeitsweise wandelt sich, nicht zuletzt durch den Einsatz von KI … Wir nutzen KI, um repetitive Tätigkeiten zu automatisieren, die Qualität zu sichern und Mandatsergebnisse schneller zu liefern. Aber auch, um ganz neue Beratungsprodukte anzubieten, die mit menschlichen Ressourcen bisher nicht möglich waren. Dadurch haben unsere Teams mehr Freiraum für strategische, kreative und rechtlich komplexe Arbeit. Extern merken wir, dass Mandanten gezielt nach Kanzleien suchen, die KI und Legal Tech einsetzen. Sie erwarten nicht nur eine höhere Effizienz, sondern auch, dass wir auf Augenhöhe mit ihren eigenen Technologien arbeiten.
Haben Sie keine Sorge, dass sich Kanzleien durch den Einsatz von KI langfristig selbst abschaffen könnten?
Nein, denn die Arbeit verändert sich und wir werden als Trusted Advisor wichtiger denn je. Unsere Mandanten wollen keine Maschinen, sondern kluge Köpfe, die komplexe Zusammenhänge verstehen und einordnen können und sie individuell beraten.
Was braucht es, um Kanzleien durch diese Transformation zu führen – ohne die juristischen Werte zu verlieren? Klarheit und Dialog. Als Bereichsleiterin für Corporate sehe ich, wie wichtig es ist, Veränderung aktiv zu gestalten – im Team gemeinsam mit Juristen, Legal-Tech-Spezialisten und
Ich glaube, dass Legal Tech vor allem viele Routinetätigkeiten übernehmen wird. Das erhöht die Geschwindigkeit und erlaubt es, sich als Trusted Advisor darauf zu konzentrieren, den Mandanten als individueller juristischer Sparringspartner zur Seite zu stehen. Gleichzeitig wird der Bedarf an juristischer Strategie, Empathie und starken Führungsqualitäten steigen. Kanzleien müssen sich kulturell öffnen: für neue Berufsbilder, flexible Karrieren, aber auch für Kollaborationsmodelle. Dann wird die Partnerschaft nicht nur diverser, sondern auch zukunftsfähiger.
Weitere Informationen unter: gsk.de
Pontes Rechtsanwälte Steuerberater
»Talente
Fachkräftemangel, flexible Arbeitsmodelle und die Frage, wie Frauen in Führungspositionen sichtbar und wirksam werden können – auch die Steuer- und Rechtsberatungsbranche muss sich diesen Themen stellen. Während viele Kanzleien um qualifizierte Nachwuchskräfte ringen, zeigt Pontes: Wer Talente langfristig binden will, braucht mehr als ein gutes Gehalt.
Dr. Claudia Klümpen-Neusel Rechtsanwältin und Steuerberaterin, Gründungspartnerin
Frau Dr. Klümpen-Neusel, der Fachkräftemangel beschäftigt derzeit den Arbeitsmarkt; auch die Beratungsbranche ist betroffen. Wie gelingt es Ihnen, Talente zu gewinnen und langfristig zu binden? Wir versuchen, ein Arbeitsumfeld bei Pontes zu schaffen, in dem sich unsere Mitarbeitenden entfalten können. Dafür setzen wir nicht nur auf gute berufliche Rahmenbedingungen und Flexibilität, sondern auch auf persönliche Nähe. Wir sind an drei Standorten vertreten, Düsseldorf, München und Frankfurt, und treffen uns mehrmals im Jahr mit allen Kolleginnen und Kollegen; dabei achten wir darauf, dass wir auch abseits des Arbeitsalltags ins Gespräch kommen. Den persönlichen Austausch pflegen wir auch digital: Wir rufen uns an, schalten bei Video-Calls die Kamera ein und sprechen auch schon mal über Ereignisse abseits der Mandatsarbeit. Das Zwischenmenschliche ist entscheidend, um eine langfristige Bindung innerhalb der Teams herzustellen. Sie sprechen von Flexibilität. Welche Rolle spielt sie in Zeiten von hybriden Arbeitsmodellen und verschiedenen Lebensphasen? Eine zentrale. Wir hätten einige unserer besten Leute nicht gewinnen beziehungsweise halten können, wenn wir auf eine starre Präsenzpflicht bestehen würden. Spätestens in der Coronazeit haben wir gesehen, dass flexibles Arbeiten funktioniert – das kann man hinterher nicht einfach wieder zurücknehmen. Wer Kinder hat oder Angehörige betreut, braucht Spielräume. Und auch bei unseren Mandanten sind Videokonferenzen mittlerweile längst Standard. Flexibilität ist für mich keine Kür, sondern Voraussetzung, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
Flexibilität ist für mich keine Kür, sondern Voraussetzung, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
– Dr. Claudia Klümpen-Neusel, Rechtsanwältin und Steuerberaterin, Gründungspartnerin
Flexibilität allein reicht aber vermutlich nicht aus. Was begeistert junge Menschen für die Arbeit in einer Kanzlei?
Die jüngere Generation stellt ganz selbstverständlich die Frage nach hybriden Modellen und flexiblen Zeiten. Wir ermöglichen es unseren Mitarbeitenden, ihre Arbeitszeit individuell zu gestalten und sich entsprechend ihrer Lebenssituation einzubringen. Außerdem beteiligen wir sie am von ihnen erarbeiteten Umsatz. So können sie selbst entscheiden, wie stark sie sich in bestimmten Phasen engagieren wollen. Das schafft Motivation und Leistungsbereitschaft. Ohne die geht es allerdings nicht – es ist wichtig, sich zu begeistern und engagiert einzubringen. Eigenverantwortung ist essenziell.
Sie selbst haben Familie und sind zugleich Partnerin in der Kanzlei. Wie wichtig sind Vorbilder gerade für Frauen in Führungspositionen?
Enorm wichtig. Wenn Frauen immer nur hören: »Das geht nicht«, dann glauben sie es
irgendwann auch. Aber wenn man jemanden sieht, der es schafft, dann denkt man: »Warum sollte ich das nicht auch können?«
Ich selbst sehe mich gar nicht unbedingt als Vorbild, weil mein Alltag für mich normal ist. Aber wenn meine Rolle anderen Mut macht, dann freut mich das sehr.
Sie haben den Begriff Verantwortung betont, sowohl für Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende, für Lehrende und für Lernende. Was meinen Sie damit?
Ich habe als Arbeitgeberin die Pflicht, Nachwuchskräften Chancen zu geben: Sie brauchen Aufgaben, an denen sie wachsen können, und ehrliches Feedback. »Learning on the Job« funktioniert nur, wenn man nicht bloß Zuarbeiten erledigen darf. Gleichzeitig liegt es auch in der Verantwortung der Mitarbeitenden, selbst aktiv zu werden: sich einzulesen, weiterzubilden, auch mal außerhalb der Arbeitszeit. Wer einfach nur abwartet, kommt nicht weiter. Verantwortung heißt: Beide Seiten müssen ihren Teil beitragen.
Verantwortung heißt: Beide Seiten müssen ihren Teil beitragen.
– Dr. Claudia Klümpen-Neusel, Rechtsanwältin und Steuerberaterin, Gründungspartnerin
Wie erkennen Sie individuelle Talente und setzen sie so ein, dass alle profitieren?
Ganz einfach: indem wir fragen. Manche blühen auf, wenn sie Gutachten schreiben dürfen, andere lieben die Arbeit mit Zahlen. Wir sehen genau hin, wer sich wo sieht, und bauen darauf auf. Wichtig ist, dass wir niemanden in eine Rolle drängen, die überhaupt nicht zu ihm oder ihr passt. Aber wir ermutigen jede und jeden, das eigene Spektrum Schritt für Schritt zu erweitern. So entsteht echte Entwicklung, im Sinne des Einzelnen und des Teams.
Die Beratungsbranche gilt nach wie vor als hierarchisch strukturiert. Wie leben Sie Kommunikation auf Augenhöhe?
Durch Respekt und Wertschätzung. Ich weiß, dass viele meiner Mitarbeitenden Dinge können, die andere nicht können. Diese Fähigkeiten sollen sie einbringen dürfen. Auch ein konstruktiver Umgang mit Fehlern ist wichtig. Fehler passieren jedem; entscheidend ist, dass man sachlich darüber spricht und Lösungen sucht, statt jemanden bloßzustellen oder zu versuchen, etwas zu vertuschen. Das schafft eine Vertrauensbasis; dieses Vertrauen spüren die Mitarbeitenden. Und auch im Mandatsverhältnis geht es um Augenhöhe: Wir treten selbstbewusst auf, aber nie arrogant. Wir erklären, statt uns zu profilieren.
Was wünschen Sie sich von Bewerberinnen und Bewerbern?
Visionen. Mir ist wichtig, dass jemand weiß, wohin er will. Wer eine eigene Vorstellung von seinem beruflichen Weg hat, bringt automatisch Begeisterungsfähigkeit und Motivation mit. Und das ist das Entscheidende: Flexibilität, ja – aber immer gepaart mit dem eigenen Antrieb, etwas erreichen zu wollen. Das ist ein gutes Rezept für Erfolg.
Weitere Informationen unter: pontes-partner.de
Myriam Baars-Schilling, Managing Partnerin bei Oppenhoff, spricht im Interview über die Herausforderungen der globalen Transformation, ihre Folgen für den Rechtsmarkt – und darüber, warum diverse Führungsstrukturen ein Erfolgsfaktor sind.
Myriam Baars-Schilling
Managing Partnerin
Frau Baars-Schilling, Transformation, Digitalisierung und KI verändern Wirtschaft und Gesellschaft. Welche Entwicklungen spüren Sie im Rechtsmarkt – und wie prägen sie Ihren Arbeitsalltag?
Unruhige Zeiten in der Weltpolitik und Wirtschaft bedeuten grundsätzlich für uns Juristen in Wirtschaftskanzleien erst einmal mehr Arbeit. Unsere Mandanten stehen in vielerlei Hinsicht großen Herausforderungen gegenüber. Regulatorische Anforderungen steigen stetig, vielerorts kämpft man mit der Transformation von Geschäftsmodellen und zu allem Überfluss stehen zusätzlich auch noch die Themen Digitalisierung und die durch den Einsatz von KI bedingten Veränderungen in Strukturen und Prozessen auf der Agenda. Die Veränderungen geschehen aktuell mit einer Geschwindigkeit, die es unseren Mandanten zum Teil schwer macht, Schritt zu halten – oftmals mangels ausreichender personeller Ressourcen und der eher weiten Arbeitsfelder und großen Arbeitsbelastung der Rechtsabteilungen. Hier kommen wir dann mit unseren Experten aus den verschiedenen Bereichen ins Spiel und können dabei unterstützen, komplexe Herausforderungen für die Gegenwart zu meistern und proaktiv für die Zukunft zu antizipieren und zu gestalten. Dabei spielt der Einsatz von KI sowohl bei unseren Mandanten als auch bei uns selbst eine immer größere Rolle. Auf dem Markt gibt es bereits viele KI-Tools, die den Arbeitsalltag von Juristen, sowohl inhouse als auch in Kanzleien, erleichtern und die Effizienz steigern. Der passgenaue Einsatz dieser Tools in der Mandatsarbeit ist dabei der Schlüssel zur erfolgreichen Zusammenarbeit. Wir gehen mit unseren Mandanten hierzu aktiv ins Gespräch, evaluieren und schneiden den Einsatz von KI auf die individuellen Bedürfnisse der Mandanten zu. Hinzu kommt, dass man die komplexen Herausforderungen und den Wandel, dem viele unserer Mandanten gegenüberstehen, nur verstehen kann, wenn man die besonderen Gegebenheiten und Entwicklungen in der Branche kennt. Wir haben uns daher bereits vor langer Zeit entschieden, nicht nur in Fachbereichen, sondern in Sektorgruppen im Sinne einer Matrixorganisation zu arbeiten.
Ist der juristische Nachwuchs auf diese erweiterten Kompetenzanforderungen, sprich bessere Branchenkenntnis und technologische Fähigkeiten, vorbereitet – oder droht ein Fachkräftemangel?
Die Anforderungen an Juristen in Wirtschaftskanzleien steigen tatsächlich in jeder Hinsicht. Allerdings auch die Opportunitäten und Chancen! Es gibt Raum und Bedarf für neue Rollen und Kompetenzen. Dazu gehört die Fähigkeit, mit KI umzugehen,
Wichtig ist, in den Unternehmen und Kanzleien Offenheit für neue Blickwinkel zu etablieren, verkrustete Denkweisen abzulegen und einander zuzuhören.
– Myriam Baars-Schilling, Managing Partnerin
Warum verlieren insbesondere Wirtschaftskanzleien noch immer so viele Juristinnen auf dem Weg in die Partnerschaft?
Das liegt aus meiner Sicht oft an den Frauen selbst. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass weibliche Kolleginnen den kaum erfüllbaren Anspruch an sich selbst haben, in jeder Hinsicht überperfekt sein zu müssen. Dies führt dazu, dass viele an einem entscheidenden Punkt ihres Lebens, nämlich dann, wenn der nächste Karriereschritt mit der Familienplanung kollidiert, meinen, ihrem eigenen Anspruch nicht mehr gerecht werden zu können, und den erfolgversprechenden Karriereweg in der Kanzlei aufgeben. Machen wir uns nichts vor – Karriere zu machen, ob in Kanzleien oder im Unternehmen, ist herausfordernd und mitunter anstrengend. Es gilt, Durststrecken zu überwinden, und das erfordert, gerade für Familien, einen hohen Koordinationsaufwand. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass, wenn man bereit ist, auch mal Kompromisse zu machen und den Anspruch an sich selbst herunterzufahren, alle Türen offenstehen. Gläserne Decken existieren in den meisten Fällen, anders als viele denken, nicht.
Was verändert sich, wenn mehr Frauen Führungspositionen übernehmen?
Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?
auszuwerten und auch zu erkennen, wann sie an ihre Grenzen stößt. Was der Markt, was unsere Mandanten heute schon brauchen und in Zukunft noch mehr brauchen werden, ist der wirtschaftlich und strategisch denkende und handelnde Berater, der Verantwortung übernimmt und bereit und in der Lage ist, gemeinsam mit seinem Counterpart im Unternehmen, Weichen zu stellen. Wir werden mehr und mehr zum Sparringspartner. Das bedeutet bei der Ausbildung junger Juristen ein Umdenken. Um den Erwartungen der Mandanten zu entsprechen, müssen die Kolleginnen und Kollegen in Zukunft wahrscheinlich eine noch steilere Lernkurve weg vom durch das Studium geprägten Analystentum hin zur fachlich exzellenten Beraterpersönlichkeit mit dem erforderlichen technischen Know-how hinlegen. Die Ausbildung an den Universitäten bewegt sich leider nur sehr langsam in Richtung der neuen Bedürfnisse in der Praxis. Wir arbeiten bereits sehr stark an der Umstellung der Personalprofile, an unseren Ausbildungsangeboten und der Unternehmenskultur. Ob die neuen Herausforderungen das Recruitment schwerer oder einfacher machen, hängt von uns selbst ab. Ich betrachte sie als Chance, die Diversität zu steigern und damit auch den Horizont des gesamten Teams zu erweitern, da neue Rollen und Kollegen mit unterschiedlichem Ausbildungsfokus dazu führen, dass unterschiedliche Blickwinkel eingebracht werden
können, was absolut gewinnbringend ist. Das Leben in Wirtschaftskanzleien wird für den juristischen Nachwuchs noch interessanter und spannender werden. Nirgendwo anders ist man so nah an den Bewegungen und Neuentwicklungen des Rechtsmarktes dabei.
Haben sich die Erwartungen der jungen Generation geändert – und wie gelingt es, Talente langfristig zu binden?
Dass Flexibilität und Work-Life-Balance an Bedeutung gewonnen haben, ist nichts Neues. Das ist auch kein Spezifikum unserer Branche, sondern stellt auch unsere Mandanten immer wieder vor Herausforderungen. Als Anwälte in Wirtschaftskanzleien sind wir zuallererst Dienstleister unserer Mandanten und haben die Aufgabe, deren Anforderungen an fachliche Exzellenz und zeitlichen Einsatz zu erfüllen. Das bedeutet aber nicht, dass Flexibilität für uns ein Fremdwort ist und bleibt. Wir bei Oppenhoff gehen seit jeher neue Wege und lassen unsere Kreativität spielen, wie man die verschiedenen Bedürfnisse übereinbringen kann. So haben wir über Jahre hinweg zum Beispiel ein sehr erfolgreiches JobsharingModell etabliert, in dem sich zwei Kolleginnen in einem Bereich, in dem es niemand für möglich hielt, nämlich im M&A-Team, einen Job geteilt haben. Das geht natürlich nicht ohne Flexibilität bei den Beteiligten, aber alle, auch die Mandanten, haben sich damit gut gefühlt und die beiden Kolleginnen haben beide den Weg in die Partnerschaft gefunden.
So komisch es klingt, in den Führungsgremien verändert sich viel. Bei Oppenhoff war ich seit der Neugründung die erste weibliche EquityPartnerin und auch die erste Frau im Management. Themen wie Talentförderung, Nachwuchs, Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder flexible Arbeitsmodelle gelangen nun häufiger auf die Agenda. Markt- und Mandantenperspektiven erweitern sich, da heterogenere Führungsgremien tendenziell besser Kundengruppen mit diverseren Bedürfnissen verstehen. Unterschiedliche Gesprächsstile und mehr Diversität fördern bekanntermaßen die Produktivität und den Erfolg. Die Rahmenbedingungen, die erforderlich sind, sind aus meiner Sicht in den meisten Wirtschaftsbereichen schon gegeben. Wichtig ist, in den Unternehmen und Kanzleien Offenheit für neue Blickwinkel zu etablieren, verkrustete Denkweisen abzulegen und einander zuzuhören. Der Schlüssel für diverse Führungsgremien und Partnerschaften ist nämlich die offene und klare Kommunikation unter- und das Vertrauen ineinander.
Welchen Rat geben Sie jungen Juristinnen, die Verantwortung übernehmen und Karriere machen wollen?
Einfach machen, sich nicht beirren lassen und vor allen Dingen sichtbar sein und an sich glauben.
Weitere Informationen unter: oppenhoff.eu
Die Wirtschaftskrise erfasst fast sämtliche Branchen – und verlangt nach wirksamen Lösungen. Prof. Dr. Gerrit Hölzle und Dr. Christian Bärenz, Partner der Wirtschaftskanzlei Görg, über neue und alte Geschäftsmodelle, die beliebte »Insolvenz in Eigenverwaltung« und Zweifel bei der Managerhaftpflicht.
Prof. Dr. Gerrit Hölzle Partner
Dr. Christian Bärenz Partner
Herr Prof. Hölzle, Herr Dr. Bärenz, hat mit der steigenden Zahl der Insolvenzen auch deren Komplexität zugenommen?
Prof. Dr. Gerrit Hölzle: Die Fälle an sich sind nicht unbedingt komplexer geworden, die Verfahren aber mitunter herausfordernder. Früher hat sich für insolvente Unternehmen mit 100 oder 150 Mitarbeitenden eigentlich immer ein Käufer gefunden. Diese Zeiten sind vorbei. Potenzielle Käufer selektieren derzeit sehr genau, wo sie einsteigen wollen. Dazu kommen zahlreiche Fälle aus der Coronazeit, denen jetzt endgültig die Mittel ausgehen, nachdem sie mit staatlichen Mitteln zunächst künstlich am Leben gehalten wurden. Rund 25 000 Unternehmen mit zahlreichen nicht effizient eingesetzten Mitarbeitenden gingen nicht in die Insolvenz. Die dort ökonomisch ineffizient allokierten Fachkräfte fehlen dem Arbeitsmarkt. Weil Restrukturierungen damals verschleppt wurden, ist es heute umso schwieriger, Lösungen zu finden. Wie erleben Sie aktuell die Rolle der Banken?
Dr. Christian Bärenz: Es sind immer mehr Player im Markt. Einerseits gibt es Banken, die sehr loyal zu ihren Kunden stehen. Andererseits gibt es vermehrt zersplitterte Kapitalstrukturen. Wo es bei kleineren Unternehmen eine Hausbank gibt, haben mittelgroße Unternehmen bereits drei oder vier Banken – und bei den großen haben Sie es mit Anleihen und noch mehr Banken zu tun. Zudem suchen die Banken ihrerseits nach einer neuen Rolle oder auch neuen Strategien.
GH: Auch haben sich Banken zum Teil dazu entschlossen, bestimmte Branchen nicht mehr zu finanzieren. Unternehmen, die nicht mehr in die Geschäftspolitik passen, können nicht auf eine Beteiligung am Sanierungskonzept hoffen. Es gibt da also unterschiedliche Interessen, die nicht mehr regelhaft zueinander finden.
Welche Bedeutung spielt die Anpassung von Geschäftsmodellen?
CB: Die Unternehmen stehen vielfach unter einem enormen Transformationsdruck. Dazu kommt der Druck durch KI, die erst am Anfang steht und ganze Berufsfelder wegfallen lassen oder verändern wird. Auf der anderen Seite können Unternehmen Produktivitätsgewinne erzielen. Aber dazu müssen sie sich anpassen. Unternehmen, die diesem gewaltigen Anpassungsdruck nicht gewachsen sind, sind die drohenden Verlierer – und bei uns in der Beratung.
Wir beobachten in Deutschland zuletzt zunehmend eine Art Vollkasko-Mentalität.
– Prof. Dr. Gerrit Hölzle, Partner
unausweichlich ist. Leider ist diese Beobachtungs- und daraus resultierende Sanierungspflicht oft unbekannt. Auch eine Liquiditätsplanung, die 24 Monate nach vorne blickt, gibt es viel zu selten. Viele Geschäftsführer wissen gar nicht, wo ihr Unternehmen steht und sagen dann beim ersten Gespräch: »Das festzustellen, ist der erste Teil Ihrer Aufgabe!«
GH: Wir beobachten in Deutschland zuletzt zunehmend eine Art Vollkasko-Mentalität. Wenn etwas nicht mehr funktioniert wie früher, soll der Staat es richten. Wir sind in den letzten 10 bis 15 Jahren so erzogen worden – und die Unternehmensmentalität, die Neuerungen anpackt und ins Risiko geht, scheint dabei mitunter verloren gegangen. Das Resultat: ein Tod auf Raten bei zahllosen Unternehmen.
Rechnen Sie mit einer Verschärfung der wirtschaftlichen Krise in Deutschland?
GH: Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen sehe ich vor dem Hintergrund auch der geopolitischen Lage kritisch. Die Zahl der Neugründungen geht zurück, es fehlt an Innovationen. Zudem merken wir in unserer täglichen Praxis: Wir müssen viel breiter beraten. Häufig erkennen Unternehmen und die handelnden Unternehmer den Grund ihres Scheiterns nicht. Auch waren Krisen früher branchenbezogener, dauerten eine gewisse Zeit und waren in ihren Wirkungen begrenzbar. Jetzt allerdings sehen wir die viel beschworene multiple Krise, die sich auf beinahe alle Branchen erstreckt.
CB: Unternehmen müssen ihr Geschäftsmodell immer wieder nachschärfen. Das ist für viele Unternehmen eine enorme Herausforderung. Sie brauchen einerseits neue Geschäftsmodelle, auf der anderen Seite aber werden die Zyklen, in denen etwas neu entwickelt oder angepasst werden muss, immer kürzer.
Welche Erfolgsfaktoren gibt es für die Insolvenz in Eigenverwaltung?
GH: Der wichtigste Faktor ist sicher: Zeit und gute Vorbereitung! Starten Sie die Insolvenz in Eigenverwaltung »as soon as possible«. Immerhin erfolgen gut 60 Prozent aller großen Insolvenzen in Eigenverwaltung. Hauptproblem auch hier: In Deutschland wird die Insolvenz häufig zu spät angemeldet. Sie gilt als Eingeständnis des Scheiterns und nicht als strategische Option. In den USA gehört das »Chapter 11« wie selbstverständlich dazu, Geschäftsführer listen es stolz in ihrem Lebenslauf. Eine solche »Kultur des Scheiterns« fehlt bei uns leider in weiten Teilen.
CB: Auch wenn viele Unternehmen weiterhin schlecht vorbereitet sind, meist aus Zeitgründen, hat sich die Sanierungskultur speziell bei der Eigenverwaltung doch immerhin verbessert. Allerdings muss auch diese Form des Insolvenzverfahrens gut durchdacht und vorbereitet sein.
Wie beurteilen Sie das StaRUGVerfahren, das ein Insolvenzverfahren ja gerade vermeiden soll?
GH: Am Anfang hieß es ketzerisch, dass es mehr Kommentare als Fälle gebe. Das ist natürlich Unsinn! Mittlerweile hat das StaRUG seinen Platz in der Praxis etabliert. Es funktioniert sehr gut. Von zehn Verfahren werden dabei vielleicht zwei öffentlich. Die häufig mit der glaubhaften Alternative des StaRUG erreichte gütliche Einigung ermöglicht es Unternehmen tatsächlich, sich frühzeitig neu aufzustellen. Es ist sicher ein hochkomplexes und auch teures Verfahren, das wir jedoch als enorme Bereicherung unseres Werkzeugkastens sehen. Das StaRUG ist zugleich ein positives Beispiel, wie schnell der Gesetzgeber ein Gesetz verabschieden kann. Sicherlich bedarf es noch an einigen Stellen des Feintunings, aber ansonsten sind die Möglichkeiten hier enorm.
CB: Es ist zudem ein großer Vorteil, dass die mit StaRUG durchgeführten Restrukturierungen auch in anderen EU-Ländern anerkannt werden. Das Gesetz ist auch im Übrigen international wettbewerbsfähig.
Wann sollten Unternehmen, die sich in Schwierigkeiten wähnen, eine Beratung in Anspruch nehmen?
CB: Das hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Es gibt den klassischen Mittelständler, der sein Unternehmen selbst führt und sich typischerweise zu spät mit einer Insolvenz auseinandersetzt. Dann gibt es die großen Unternehmen mit Fremd-Geschäftsführern, die sich zeitlich eher kümmern und frühzeitiger Beratung suchen.
GH: Je früher, desto besser. Geschäftsführer sollten eigentlich die Geschäftszahlen durchgehend im Blick haben, um zu wissen, wann es nicht mehr weiter geht und eine Insolvenz
Eine gesunde Marktwirtschaft produziert nicht nur Gewinner, sondern zwangsläufig auch Verlierer.
– Dr. Christian Bärenz, Partner
CB: Insgesamt wird es allgemein schwieriger, zu planen. Einigen Geschäftsführern sind allerdings selbst Pläne, die die nächsten 13 Wochen umfassen, fremd. Ein derartiger Blindflug wird schnell brandgefährlich.
Das OLG Frankfurt hat bei Insolvenzen die Managerhaftpflicht, sprich den D&O-Versicherungsschutz, angezweifelt. Was bedeutet das für Geschäftsführer und auch Insolvenzverwalter?
GH: Es wurde Zeit, die Insolvenzverschleppung als Kardinalpflichtverletzung zu qualifizieren. Immer noch werden Insolvenzen in Deutschland häufig zu lange verschleppt. Und wenn Sie die Insolvenz- und die Kriminalstatistik mal nebeneinanderlegen, sehen Sie, dass in einzelnen Jahren beispielhaft 12 000 Unternehmensinsolvenzverfahren rund 4000 eingeleitete Verfahren wegen Insolvenzverschleppung gegenüberstehen. Das ist natürlich nur ein grober Indikator, aber die Zahl ist zu hoch. Geschäftsführer sollten erkennen, dass sie frühzeitiger einen Plan brauchen.
Welche Themen bei Unternehmenskrisen sind in den letzten Jahren wichtiger geworden, welche unwichtiger?
GH: Früher ging es bei Insolvenzverfahren häufig auch um eine Änderung oder Anpassung der Arbeitnehmerstruktur. Das gibt es nun deutlich weniger. Heute geht es um plötzlich wegbrechende Märkte und nicht mehr funktionierende Geschäftsmodelle. Schauen Sie nur auf die Solarbranche: Erst riesige Steigerungsraten, dann seit zwei Jahren Einbruch des Marktes. Oder sehen Sie sich die Logistikbranche an, die von der Geopolitik hin und her geschaukelt wird. Es kommt zu Marktverwerfungen, die man niemandem vorwerfen kann.
CB: Wenn ein Posting des amerikanischen Präsidenten zu Zollfragen bei Autozulieferern kurzfristig Planungsschwankungen im dreistelligen Millionenbereich verursacht, wissen Sie, wie sehr die Unternehmen zum Spielball geworden sind. Dennoch gilt für uns als Krisenberater: Eine gesunde Marktwirtschaft produziert nicht nur Gewinner, sondern zwangsläufig auch Verlierer.
Weitere Informationen unter: goerg.de
»Der Markt ist komplexer, fragmentierter und risikobehafteter geworden«
Schwierige Finanzierungen, mehr Regulierungen, weniger Fachkräfte: Dr. Marina Schäuble, Partnerin der Wirtschaftskanzlei
Rittershaus, kommentiert die aktuellen Themen und Trends im Immobilienwirtschaftsrecht.
Dr. Marina Schäuble Partnerin
Frau Dr. Schäuble, Sie beraten deutsche und internationale Unternehmen bei Immobilientransaktionen. Wie hat sich der Markt für Immobilientransaktionen in den letzten Jahren verändert? In den letzten Jahren hat sich der Immobilienmarkt erheblich gewandelt – sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich. Wir sehen einerseits einen deutlichen Rückgang der Transaktionszahlen, was unter anderem auf gestiegene Finanzierungskosten infolge der Zinswende zurückzuführen ist. Zudem beobachten wir eine zunehmende Regulierung, etwa im Mietrecht, bei energetischen Anforderungen an Gebäuden oder im Bereich ESG. Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Vertragsgestaltung und die rechtliche Due Diligence. Ein weiterer Aspekt ist der Wandel im Nutzungsverhalten – etwa durch das veränderte Arbeiten im Homeoffice. Das hat insbesondere den Markt für Büroimmobilien unter Druck gesetzt und zu einem Umdenken in der Flächenplanung geführt. Der Markt ist komplexer, fragmentierter und risikobehafteter geworden – was rechtliche Beratung umso wichtiger macht.
Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Transaktionsanwältin?
Transaktionen sind durch die wirtschaftlichen Unsicherheiten und regulatorischen Anforderungen komplexer geworden. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel, dass die rechtliche Due Diligence umfangreicher geworden ist. Themen wie ESG-Compliance, Energieeffizienz oder mietrechtliche Restriktionen nehmen heute viel mehr Raum ein. Käufer und Investoren wollen ganz genau wissen, welche rechtlichen Risiken mit einer Immobilie verbunden sind – gerade, wenn es um Bestandsobjekte mit Modernisierungsbedarf geht. Außerdem ist die Vertragsgestaltung anspruchsvoller. Finanzierungsbedingungen haben sich verändert, Risikoverteilungen in Kaufverträgen werden intensiver verhandelt und es braucht oft individuelle Lösungen –gerade in gemischten Portfolios oder bei Projektentwicklungen. Es reicht nicht mehr, nur juristisch korrekt zu arbeiten – man muss auch die wirtschaftlichen Hintergründe, regulatorischen Entwicklungen und die Interessen aller Beteiligten im Blick haben.
Gibt es spezifisch deutsche oder europäische Probleme? Auf europäischer Ebene ist vor allem das Thema ESG-Regulierung zentral geworden und die geplante EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Diese Regelwerke beeinflussen, welche Immobilien künftig noch als »nachhaltige Investments« gelten und welche Berichtspflichten auf Unternehmen zukommen. In Deutschland beschäftigen uns besonders das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und die Diskussion um die Dekarbonisierung des Gebäudebestands. Für Transaktionen heißt
Die Zinswende hat die Finanzierungslandschaft grundlegend verändert. Rechenmodelle, die vor zwei Jahren noch funktioniert haben, sind heute wirtschaftlich nicht mehr tragfähig.
– Dr. Marina Schäuble, Partnerin
und Neupositionierung. Viele Marktteilnehmer warten auf Klarheit: bei den Zinsen, bei der Konjunkturentwicklung, aber auch bei politischen Rahmenbedingungen wie Förderprogrammen oder ESG-Vorgaben. Was wir allerdings sehen, ist, dass einzelne Segmente und Lagen bereits wieder an Dynamik gewinnen, z. B. Wohnimmobilien zu günstigen Einstiegspreisen oder Objekte mit hoher ESG-Qualität. Auch Investoren mit hohem Eigenkapitalanteil nutzen die aktuelle Marktlage gezielt für Opportunitäten. So konnten wir u. a. im letzten Jahr zwei größere Transaktionen im Wohnbereich für den Ankauf von ca. 11 000 Wohneinheiten begleiten. Sobald sich die Zinsen stabilisieren oder gar sinken, kann das ein starker Impuls für den Transaktionsmarkt sein.
das: Käufer müssen prüfen, ob ein Objekt energetisch zukunftsfähig ist oder ob hohe Investitionen bevorstehen – das hat direkte Auswirkungen auf Kaufpreise, Finanzierung und Vertragsstruktur. Ein weiteres Thema ist das Mietrecht, das in Deutschland stark reguliert ist – gerade bei Wohnimmobilien. Mietpreisbremsen, Kappungsgrenzen, Indexmieten oder Modernisierungsumlagen spielen eine große Rolle in der rechtlichen Due Diligence und der Bewertung von Bestandsrisiken. Diese spezifischen Rahmenbedingungen machen es umso wichtiger, rechtliche Beratung eng mit strategischer Planung zu verknüpfen – denn was heute noch möglich ist, kann sich morgen schon durch eine neue Verordnung oder ein Urteil ändern.
Wo liegen im Bereich der Finanzierung aktuell die größten Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen liegen in den gestiegenen Finanzierungskosten und der deutlich restriktiveren Kreditvergabe durch Banken. Die Zinswende hat die Finanzierungslandschaft grundlegend verändert. Rechenmodelle, die vor zwei Jahren noch funktioniert haben, sind heute wirtschaftlich nicht mehr tragfähig. Das führt dazu, dass viele Deals scheitern oder neu strukturiert werden müssen – sei es durch höhere Eigenkapitalquoten, alternative Finanzierungsformen oder durch Anpassungen beim Kaufpreis. Ein weiterer Punkt ist die stärkere Risikoprüfung durch Kreditgeber. Banken schauen heute sehr genau hin – insbesondere bei der energetischen Qualität von Gebäuden, bei Leerstandsquoten, ESG-Risiken oder im Bereich gewerblicher Mietverhältnisse. Das beeinflusst nicht nur die Kreditkonditionen, sondern auch die zeitlichen Abläufe von Transaktionen. Zudem beobachten wir, dass alternative Finanzierungsformen – etwa
Mezzanine-Kapital, Debt-Funds oder Joint Ventures – stärker in den Fokus rücken. Das bringt auch juristisch neue Herausforderungen mit sich, etwa bei der Strukturierung von Beteiligungen oder bei Sicherheiten.
Wie stark leidet das AssetManagement unter den zunehmenden Regulierungen? Das Asset-Management von Bestandsimmobilien ist deutlich anspruchsvoller geworden, die zunehmende Regulierung ist dabei ein ganz zentraler Faktor. Die technischen Anforderungen wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG), die EU-Taxonomie oder perspektivisch die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) sind hier entscheidend. Viele Bestandsobjekte müssen in den kommenden Jahren energetisch aufgerüstet werden, um weiterhin finanzierungs- und verkaufsfähig zu bleiben. Das verursacht nicht nur hohe Kosten, sondern auch organisatorischen Aufwand – vor allem in heterogenen Portfolios. Gleichzeitig steigt der Dokumentations- und BerichtspflichtenAufwand erheblich. Asset-Manager müssen heute nicht nur wirtschaftliche Kennzahlen im Blick behalten, sondern auch Nachhaltigkeitsdaten sammeln, aufbereiten und regelmäßig veröffentlichen. Auch im Mietrecht gibt es immer wieder regulatorische Neuerungen, die ins Asset-Management hineinwirken – etwa bei Indexmieten, bei Modernisierungsumlagen oder im Umgang mit Gewerbemietverhältnissen. Hinzu kommt, dass die Mieterwartungen steigen: ESG wird zunehmend auch aus Nutzerperspektive ein Thema.
Wird der Markt aus Ihrer Sicht wieder anziehen? Grundsätzlich ja – aber nicht in der Breite und nicht kurzfristig. Wir befinden uns aktuell in einer Phase der Marktbereinigung
Sobald sich die Zinsen stabilisieren oder gar sinken, kann das ein starker Impuls für den Transaktionsmarkt sein.
– Dr. Marina Schäuble, Partnerin
Spüren Sie den Fachkräftemangel?
Der Mangel an qualifiziertem Personal betrifft inzwischen nicht nur Bauunternehmen oder Projektentwickler, sondern die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft – also auch Investoren, Verwalter, Banken und Behörden. Für uns als beratende Kanzlei bedeutet das: Verzögerungen in Projekten und längere Abstimmungsprozesse. Der Markt wächst an Komplexität – aber nicht im gleichen Tempo an Fachkräften.
Welche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf Immobilientransaktionen und Projektentwicklungen?
Wir erleben häufiger als früher, dass Deals sich unnötig in die Länge ziehen – nicht aus juristischen Gründen, sondern weil die Kapazitäten fehlen, notwendige Unterlagen zu liefern oder auf Rückfragen zeitnah zu reagieren. Im Bau- und Planungsbereich verzögern sich Projekte, weil keine Fachplaner verfügbar sind oder Behörden überlastet sind. Das betrifft uns als Anwältinnen und Anwälte insofern, als wir plötzlich Aufgaben übernehmen müssen, die früher intern oder extern längst erledigt gewesen wären.
Wird der Fachkräftemangel zum rechtlichen Risiko?
Wenn Fristen wegen Personalengpässen versäumt werden oder wesentliche Unterlagen fehlen, kann das zu rechtlichen Problemen führen – etwa bei der Einhaltung von Finanzierungskonditionen, behördlichen Auflagen oder im Rahmen von Mietverträgen. Auch Gewährleistungsansprüche lassen sich schwerer durchsetzen, wenn Handwerksunternehmen völlig überlastet oder schlicht nicht mehr verfügbar sind. Weitere Informationen unter: rittershaus.net