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Ein Thriller von

Johanna Svanborg


Svanborg, Klintehamn © Johanna Svanborg 2017 Umschlagsfoto: © Annelie Milton Autorenfoto: The Studio Logo: Tobbe Stuhre, Buythehour Übersetzung von Janine Graff Druck & Bindung: Erzeugt durch Grissla.se, gedruckt in Stettin ISBN: 978-91-984202-0-3


Prolog Du bist das SchĂśnste, das mir je passiert ist, mit dir schwanger zu werden war ein Geschenk. Ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt, aber ich fĂźhle, dass das Ende nahe ist. Das Blut pulsiert aus mir, aber ich will nicht sterben, ich will nicht sterben, ich bin hier noch nicht fertig. Ich liebe dich!

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Kapitel 1 6 Wochen zuvor 21. August „Im Fernglas kommt sie immer näher, es ist als ob ich sie berühren könnte, es fühlt sich an wie eine Mischung aus süß und salzig. Süß mit dem engelsgleichen Haar, salzig mit der hässlichen Brille“, murmelte die Gestalt. Genauestens wurde jede ihrer Bewegungen protokolliert, Routinen und Uhrzeiten wurden aufgeschrieben. Ein schwacher Wind ging durch das Blattwerk, die Gestalt zog vorsichtig den Jackenkragen tiefer in den Nacken. In einiger Entfernung hörte man jemanden sprechen, der Mann vom Nachbarhaus näherte sich. Der starke Hund zog den Mann mit sich zum Garten der Frau, er schrie das zottelige Tier an, während es vom Busch her knackte und der Köter schnüffelnd in Richtung der Äste sprang. Die Gestalt spannte alle Muskeln im Körper an, fühlte einen kalten Atem längs des Rückgrates. Sie hielt den Atem an um ihre Existenz nicht hinauszuposaunen. Der Mann streckte den Hals, spähte in die Dunkelheit hinein, dann in das Haus der Frau, nur um zum Schluss wieder den Hund mit sich zum Weg zu zerren. Die Gestalt ließ langsam die Luft aus den Lungen, lehnte sich vorsichtig vor und beugte sich unter einen Ast hindurch. Der 5


Sternenhimmel öffnete sich, die Feuchtigkeit des Augustabends machte die Äste glatt. Die Gestalt näherte sich fast lautlos dem Garten des Nachbarn. Der große Hund war, genau wie nach jedem Abendspaziergang, noch eine Weile im Garten gelassen worden. Ein Stück Leberwurst wurde über den Zaun geworfen und Schwups, der Hund reagierte. Mit gesträubtem Fell und einem dumpfen Knurren kam er näher, bekam aber plötzlich den herrlichen Duft in die Nase, schnüffelte sich vorwärts und schlang den Leckerbissen herunter. „Hunde, so verdammt dämliche Tiere.“ „Du glaubst, dass du was bist, ne?“ wisperte die Gestalt, „aber dieses Mal gewinne ich“. Im Dunkeln des Hauses des Herrchens hörte man den Hund winseln. Er legte die Tatze über die Schnauze, die bald darauf erbebte. Die Tatzen zitterten und Geifer floss aus dem Maul, ein kläglich piepsendes Geräusch erklang, dann ein langer Seufzer vor der Stille. „Als ob eine Kerze ausgeblasen wird, ein langer Atemzug, dann ist es schwarz.“ Als der Hund so still dalag, sprang der Dunkelgekleidete schnell in den Garten. Mit einem ordentlichen Griff um den leblosen Körper des Hundes hob er ihn an und platzierte ihn über dem Zaun. Der Kopf hing auf der einen Seite und die Hinterbeine auf der anderen herab. Er warf einen kurzen Blick auf das Haus, wo er den Mann durchs Wohnzimmer huschend flüchtig wahrnahm, dann wendete er den Hund, sodass der Bauch Richtung Himmel zeigte. Das große Messer glänzte, als er es aus der Scheide nahm. Mit einem festen Griff um den weichen Kopf führte er das Messer in den Hals ein und zog es bis zum Schwanz durch. Der Dunkelgekleidete lächelte über sein vollbrachtes Werk, dann ließ er den leblosen Hundekopf los, im Schein des Hauses leuchteten die zwei leeren Augen. 6


„Ihr winselt wie eine schlecht gestimmte Geige, so werde ich euch in Erinnerung behalten, dich und deine Freunde, wie ein verdammt schlechtes Instrument.“ Nachdem das Blut auf dem Rasen getrocknet war, strich ein Daumen vorsichtig über die Schneide. „Wird stumpf, muss ich wieder schärfen.“ Die Gestalt sah auf in einen klaren, sternbesetzten Himmel. Der Mond hing wie ein gelblicher Lampion über den Baumwipfeln. Eine knappe Stunde danach wurden einige Computer gestartet und das Klappern der Tastaturen mischte sich mit dem Geräusch der surrenden Fliegen. Auf dem Schirm erschien die Frau, als sie ganz unwissend dastand und Wasser trank. Sie strich über ihren Babybauch und verließ die Küche. Die Gestalt verscheuchte einige Fliegen, die das Licht der Computerschirme gesucht hatten. Die Frau verschwand von dem einen Computer, aber kam schnell wieder ins Bild auf einem anderen, als sie durch ein hell erleuchtetes Wohnzimmer ging. Sie streifte eine Fotografie auf ihrem Weg quer durch den Raum. Gleichzeitig wie sie das Licht auf der Toilette anknipste, tauchte sie auf einem dritten Bildschirm auf. Ihr Beobachter sah zu, wie sie jetzt ihre Hose runterzog und sich setzte. „Warum gehst du nicht in das große Badezimmer?“, flüsterte die Gestalt. Nach einigen schnellen Tastenkombinationen startete das Bild auf dem vierten Computer. Das Bild was sich offenbarte zeigte einen in Embryonalhaltung auf einem Badezimmerboden liegenden Mann. Der Bildschirm war schlecht, das Bild flackerte, aber die Fliegen fanden auch dort hin. Der Beobachter sackte in sich zusammen, umarmte sich selbst und wiegte seinen Körper wie das Pendel einer Uhr hin und zurück. Man hörte einen lau7


ten Plumps vom Zimmer nebenan, der Beobachter erwachte und schreckte auf. „Halts Maul“, hörst du das, du elender Schwächling. Zwei zum Tode erschreckte, weitaufgerissene Augen starrten gegen das Licht, bevor die Tür mit einem lauten Knall zugeworfen wurde. Der Stuhl klagte knirschend, als das Körpergewicht wieder darauf platziert wurde, Finger strichen über den Bildschirm mit der einsamen Frau, die jetzt auf dem Sofa saß. „Bald werde ich bei dir sein. Dicht bei dir, bis dass der Tod uns scheidet.“

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Kapitel 2 Torsten öffnete die Tür zu dem kleinen Thai- Restaurant am Lummelundsväg. Die lächelnde Kanjana erhob ein Bierglas in die Luft, er antwortete mit einem freundlichen Nicken. Das Restaurant war wie immer fast voll besetzt. Kriminalkommissar Bengt Widén saß mit dem Rücken zum großen Aquarium des Restaurants und las eine Zeitung. „Ach ne, meine Lieblingspolizisten haben frei?“ hörte man Kanjanas Stimme, während sie ein Bier auf den Tisch stellte. „Japp“, antwortete Bengt fröhlich und stopfte seine Zeitung liebevoll in die Jackentasche. „Tut mir leid, ich bin etwas neugierig“, sagte Kanjana und strich eine Strähne aus ihrem Gesicht, während sie die beiden Männer ansah. „Wie läuft’s mit den Katzen und Hunden?“ „Leider keine Fortschritte, aber viele Hinweise wurden abgegeben, sodass wir den oder die, die das getan haben wohl fassen können“, sagte Bengt und wischte diskret einige Krümel vom Tisch. „Was ein Glück!“ Sie lächelte und wandte sich um, um den Tisch nebenan abzudecken. „Tja, was soll man dazu sagen?“ sagte Bengt fragend, während sein Blick Kanjana folgte. Torsten trank einen großen Schluck Bier und erhob dann das Glas, um die aufsteigenden Blasen genauer unter die Lupe zu nehmen. 9


„Nun ja, gut gelagert und kalt, genauso wie es sein soll.“ Bengt schenkte seinem Kollegen und guten Freund einen müden Blick. „Ist wohl so ein armer Teufel, der als Kind nicht genug Liebe bekommen hat“, sagte er und unterdrückte halb ein Rülpsen. „Oder es ist genau umgekehrt, zu viel Liebe.“ „Geht das?“ fragte Torsten und steckte einen Zahnstocher in den Mund. „Ich meine im Sinne von Misshandlungen“. Bengt faltete die Hände über dem Bauch und studierte die auf- und abwandernden Schirme, die an der Decke hingen. „Mmm stimmt, das hinterlässt wohl seine Spuren, aber anzufangen, Hunde und Katzen umzubringen, ist schon, ja ich weiß nicht, aber das klingt komisch“, antwortete Torsten. „Wir sollten mit der Psychiatrie abklären ob jemand entlassen wurde“, fuhr er fort und leckte sich den Bierschaum von den Lippen. „Die Psychiatrie mit ihrer Schweigepflicht“, murmelte Bengt und stieß auf. „Aber weißt du, ich hab da so meine Kontakte“ antwortete Torsten und zog eine Augenbraue hoch. „Nee hattest du da was mit einer Krankenschwester?“ „Nur eine schöne, wohlgeformte Blondine“, sagte Torsten und zwinkerte, „obwohl es jetzt schon einige Zeit her ist, aber weißt du, sie erinnert sich an so einen Hengst wie mich.“ „Du alter Bock“, lachte Bengt und nahm noch einen Schluck. Gegen seinen Willen musste er zugeben, dass Torsten schon in der Schule ein richtiger casanova gewesen war. Er bekam fast jedes Mädchen das er wollte, während Bengt nur daneben gestanden hatte mit zerzausten Haaren und dem Gesicht voller Pickel. Bengt musste viel lernen, um gute Noten zu bekommen, während Torsten schwänzte, in der Raucherecke rumhing und 10


Mädchen aufriss. Trotz dessen hatte er fast genauso gute Noten wie Bengt. „Ungerecht“, dachte er. „Kommst du noch mit ein Bier trinken nach dem Essen?“, fragte er seinen alten Freund und Kollegen stattdessen und versuchte die alten Geschichten zu vergessen. „Nein, ich muss nach Hause und lernen“, sagte Torsten und kaute frenetisch auf seinem Zahnstocher. „Wie heißt sie?“ fragte Bengt und streckte sich. „Sie heißt kriminaltechnische Ausbildung“, sagte er und lächelte breit. „Übrigens habe ich gestern Blut in der DNA- Bank abgegeben.“ „Ach komm schon Torsten, wie heißt sie?“ „Das ist so, man muss als Techniker in die DNA- Bank.“ „Wie heißt sie?“ „Was? Nee also ich…“, sagte Torsten und zog etwas an seinem Ohrläppchen. „Du kannst mir nichts vormachen Totte“, wir kennen uns seit unserer Geburt. Torsten sah Bengt lange an, bevor er den Mund öffnete und ihn wieder schloss. „Nur, weil wir Cousins sind und du zufälligerweise mein Chef bist, brauche ich dir nicht alles zu erzählen. Aber okay, ich gebe es zu, ich habe jemanden getroffen, sie ist verdammt hübsch“. Bengt zog die Augenbrauen hoch und sagte: „Wann darf ich sie treffen?“ Torsten strich mit der Zunge über seine Zähne. „Gestern, Heute, Morgen, wer weiß, nicht du, nicht ich“, antwortete er und faltete die Hände hinter seinem Kopf. „Du wirst es wohl nie sagen“, sagte Bengt und leerte sein Bierglas.

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„Aber heute Abend kommst du mir nicht davon. Wir können doch Dimitris und die Mädels anrufen und fragen ob sie auch kommen wollen?“ „Mm, naja gut“, antwortete Torsten und spuckte seinen Zahnstocher aus. Zwei Stunden später saßen die fünf Kollegen im Munkkällaren. „Wie liefs heute?“ fragte Bengt. „Das war ganz schön was zu Beißen mit all den Hinweisen zu den Hunden“, antwortete Kyllikki mit ihrem finnländisch-schwedischen Dialekt. Zur Ehre des Abends trug sie das lange Haar offen, die dunklen Locken landeten über ihren Brüsten. „Ah, ein Hundebiss“, lachte Torsten und sah zu seiner Kollegin. „Nüsse“, antwortete sie und schenkte ihm nur einen müden Blick. „Natürlich“, antwortete er und reichte ihr die Schale mit den Erdnüssen, dann wandte er den Kopf und schielte zu Sonja. Seine Hand landete unter dem Tisch auf ihrem Schenkel, ihre Hand suchte die seine und ihre Finger flochten sich ineinander. Torsten und Sonja hatten schon eine lange Zeit hinter dem Rücken ihrer Kollegen eine Beziehung. Als Torsten mit seiner Hand zwischen ihren Beinen hinauffuhr, antwortete sie, indem sie ihre Augenbrauen minimal senkte. Als sie wieder aufsah richtete sich ihr Blick auf die Bar. „Nein, schau wer da ist“, sie erhob sich und ging zur Bar. Die Kollegen sahen neugierig zu, wie sie sich setzte und das lange, blonde Haar über die Schulter warf. Der Mann neben ihr war schnell auf den Füßen und die anderen konnten sehen, wie er etwas in ihr Ohr flüsterte. „Was macht sie denn da? Das Schwein ist doch sturzbesoffen“, nuschelte Torsten aufgebracht. 12


Sie kaufte einen Whiskey, schrieb etwas auf einen Zettel, gab den dem Mann und ging. „Was sollte das jetzt?“, fragte Torsten sauer. „Dieser Lippenschwitzer wird sich sonst immer um mich schlängeln, letztes Mal hat er mich gefragt wie ich morgen früh meine Eier haben will“. „Was hast du da geantwortet?“, fragte Dimitris und warf einen kurzen Blick auf den Mann an der Bar. Sonja sah zu ihrem griechischen Polizeikollegen und antwortete: „Hartgekocht, aber dass es nicht sein Problem sei, wisst ihr was er da für eine Antwort parat hatte?“ „Nein“, sagten die anderen und warteten gespannt. „Ach so und ich dachte, du würdest sie befruchtet haben wollen.“ Ein schallendes Lachen donnerte durchs Lokal und die anderen Gäste richteten ihre Blicke kurz auf die Gruppe. „Aber was hast du ihm eben gegeben?“ „Er hat die ganze Zeit mit der Telefonnummer genervt, jetzt hat er eine bekommen.“ „Hast du ihm etwa deine Nummer gegeben?“ murrte Torsten und sah Sonja verärgert an. „Nee, glaubst du echt, dass ich so blöd bin, ich habe die Nummer von Nomor hingeschrieben, vom der Schädlingsbekämpfungsfirma.“ Nochmals brachen alle in enormes Gelächter aus und die lächelnde Sonja erhob das Glas um anzustoßen. Der große Raum war von irritierten Blicken gefüllt, die alle in Richtung des Tisches sahen, der ihre Konversationen störte. „Könnt ihr euch das vorstellen, wenn er bei der Nummer anruft und eine Stimme antwortet: Hallo und Willkommen bei Nomor, hast du Probleme mit Ungeziefer, wir helfen dir es zu bekämpfen.“ 13


Carina Silvén, gerade Witwe geworden, wohnt in der Stadt Vibble, südlich von Visby auf Gotland. In der Nachbarschaft werden seit einiger Zeit brutal Hunde umgebracht und auch sie verli ert ihren Weggefährten. Carina IST nicht mehr einsam. Jemand versteckt sich in ihrem Haus, verabreicht ihr Drogen und spielt mit ihrer Psyche. Einige Wochen später wird Carina als verschwunden gemeldet und der Fall landet auf dem Schreibtisch von Kommissar Bengt Widén. Anfangs ist es noch ein „normales Verschwinden“, aber schon bald taucht ein Film auf, der die Polizisten erschüttert. Nun ist die ganze Kompetenz der Polizei in Visby gefragt, Nachbar für Nachbar wird verhört. Der eine verbirgt mehr als der andere. So auch zwei der Polizisten, die hinter dem Rücken der Kollegen eine Beziehung führen. Aber die Zeit vergeht, die Uhr tickt… Tick tack, tick tack… Auch wenn du glaubst, dass du alleine bist, kann die Gefahr dich einholen, sie überfällt dich, sie ist so nahe… Genau hinter dir! „Wer Mari Jungstedt mag, wird hier nicht zu kurz kommen. Mehr Gotland, mehr Sex, mehr bizarre Morde und mehr vergossene Tränen beim Leser. Ich habe die letzte Träne erst getrocknet, als ich das Buch zugeschlagen habe und warte gespannt auf die Fortsetzung.“ Pigge Werkelin Johanna Svanborg ist 1973 auf Gotland geboren und lebt dort mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern. Ihr Debütbuch „Der blutrote Riss” ist das erste Buch in einer geplanten Serie von vier Büchern. SVANBORG FÖRLAG ISBN 978-91-984202-0-3

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