MANAGEMENT
Zu viele Tierversuche und nutzlose Tests
Das Versagen der neuen EU-Chemikalienstrategie Am 14.âOktober 2020 veröffentlichte die EuropĂ€ische Kommission ihre Chemikalienstrategie fĂŒr Nachhaltigkeit (im Folgenden: «Strategie») und unterzeichnete damit das Todesurteil fĂŒr Millionen von Tieren in Versuchslaboratorien. Ziel dieser im Kontext des European Green Deal entwickelten Strategie ist die GewĂ€hrleistung einer sicheren und nachhaltigen Chemikalienproduktion und damit einhergehend eine giftfreie Umwelt.
Samantha Saunders, PhDâ1 Ein rĂŒhmliches Ziel. Weniger rĂŒhmlich sind hingegen die Mittel zur Erreichung des Ziels. Denn ohne Umstellung auf vorrangig tierfreie Methoden zur Identifikation giftiger Chemikalien hat die Strategie Leid und Tod unzĂ€hliger Tiere durch nutzlose Tests zur Folge.
Grundpfeiler der Strategie ist der Ansatz: «eine Substanz, eine Bewertung» [1]. Im Gegensatz zum derzeitigen fragmentierten System soll kĂŒnftig auf Basis eines ToxizitĂ€tsdatensatzes jede Chemikalie nur noch einmal bewertet werden. Zwar könnte dieser Ansatz Transparenz fördern und doppelte Tests vermeiden, doch wĂŒrde er in seiner aktuellen Version deutlich mehr Tierversuche als bisher fordern â und das, obwohl die stark eingeschrĂ€nkte Ăbertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen in der Wissenschaft hinreichend bekannt ist. Das Versprechen der Strategie, Substanzen mit neurotoxischen, immuntoxischen, endokrinschĂ€digenden oder karzinogenen Eigenschaften zu identifizieren, lĂ€uft ins Leere, da es noch keine geeigneten Testmethoden gibt, um dieses Ziel zu erreichen.
Wiederholungstests mit dĂŒrftigem Ergebnis Ein besonderer Fokus der Strategie liegt in der Identifizierung und Regulierung endokriner Disruptoren. Diese Chemikalien, Tierrechtsorganisation Peta UK, Bristol
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Bild: Peta US, Quelle: FSAP
Neue Strategie und altbekanntes Problem
Die Strategie verfehlt das Ziel, Tierversuche nur als letztes Mittel einzusetzen und tierfreie Methoden zu fördern: Hier ein Kaninchen im Versuchslabor.
greifen in das Hormonsystem ein und können schwere negative Auswirkungen nach sich ziehen [2]. Der vorgesehene Ansatz der Strategie, die Anforderungen an ToxizitĂ€tsdaten zu erhöhen, kann nur scheitern. Denn es gibt schlichtweg keine validierten Methoden, um einige Wirkungsweisen endokriner Disruptoren zu identifizieren. Viele bestehende Methoden, z.B. der Hershberger-Test, der in nur 72â% der Wiederholungstests das gleiche Ergebnis liefert [3], sind von Grund auf unzuverlĂ€ssig. Der Vorschlag, «alle in der EU hergestellten oder importierten krebserregenden Sub stanzen unabhĂ€ngig von der Menge» [4] zu identifizieren, ist gerechtfertigt und wird auch weithin unterstĂŒtzt, werden dazu jedoch Nagetiere verwendet, ist das Vorhaben nutzlos. Denn der sogenannte Rodent-Cancer-Bioassay ist bereits ein halbes Jahrhundert alt und gehört zu den am
wenigsten zuverlĂ€ssigen Tierversuchen, die aktuell von Regulierungsbehörden gefordert werden. In Wiederholungstests mit derselben Chemikalie liefert er in nur 57â% der FĂ€lle gleiche Ergebnisse [5]. Wegen der Unterschiede zwischen Nager und Mensch sind zudem die Ergebnisse aus diesem Bioassay fĂŒr den Menschen hĂ€ufig irrelevant [6]. Ferner muss pro Test ĂŒber 400 Tieren ein Leben lang, tĂ€glich und ĂŒber Jahre hinweg eine Chemikalie zwangsverabreicht werden [7]. Die mangelnde ZuverlĂ€ssigkeit von Tierversuchen ist nicht nur bei Karzinogenen und endokrinen Disruptoren ein Problem. Insgesamt lĂ€sst sich eine im Tierversuch festgestellte ToxizitĂ€t nur in 70â% der FĂ€lle reproduzieren [8]. InhĂ€rente Unterschiede zwischen den Spezies in Kombination mit unnatĂŒrlichen Bedingungen und der Gefangenschaft der Tiere im Labor [9] sorgen 1â 2 / 2 0 2 1













