ChemieXtra 11/2013

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A R B E I T S W E LT

Labyrinth gleicht. Denn nicht jeder Weg führt weiter. So brauche es oft mehrere Anläufe, bis er ein potentes, duftendes Molekül finde. Doch mit der Erfahrung stiegen auch die Erfolgschancen: «Ich rieche sehr früh, ob ein Molekül Potenzial hat», erklärt Bachmann. Und hat er einmal eine innovative Grundstruktur gefunden, kann er durch Variation der funktionellen Gruppe den Geruch weiter verbessern. Den sauberen Ablauf einer Reaktion überprüft der Chemiker mit Dünnschicht- oder Gaschromatografie – und mit seiner Nase. Das so synthetisierte Rohprodukt wird dann durch Destillation, Kristallisation oder Chromatografie gereinigt, bis schliesslich das Endprodukt vorliegt: Ein Riechmolekül in olfaktorisch reiner Form. Und genau das ist die Kunst an der Riechstoffforschung. Denn: «Für die olfaktorische Reinheit müssen wir uns ganz auf unsere Nase verlassen», betont Bachmann, «da gewisse unerwünschte Duftnoten am Molekül mit Messgeräten gar nicht mehr detektierbar sind.» Während dem Entwicklungsprozess hält Bachmann jeden Schritt akribisch genau in einem Laborjournal auf seinem Computer fest. «Durch das Führen der elektronischen Laborjournale verbringen wir heute mehr

Zeit vor dem Bildschirm als früher», sagt Flachsmann nicht ohne Bedauern. Doch diese Dokumentation sei für den weiteren Verlauf der Forschung äusserst wichtig. Denn so können alle Duftchemiker der Givaudan die ausgeführten Syntheseschritte nachvollziehen und auf eigene Projekte anwenden.

Verschiedenen Anforderungen genügen Neben der Geruchsqualität eines neuen Riechstoffes sei Flachsmann zufolge auch dessen Geruchsschwellenwert äusserst wichtig. Denn nur, wenn das Molekül bereits in Nanogrammmengen pro Liter Luft wahrgenommen wird, kann es später auch in einer Duftkomposition zum Tragen kommen. Und leicht muss das Molekül sein, denn nur flüchtige Moleküle steigen uns in die Nase. Weiter muss auch funktionales Wissen um die organische Interaktion, beispielsweise mit der Cellulose in Textilfasern oder dem Keratin im Haar, miteinbezogen werden. Denn das duftende Teilchen im Waschmittel oder Shampoo soll beim Gebrauch nicht ausgewaschen werden, sondern am Objekt hängen bleiben. Die letzte Hürde nimmt ein neuer Riechstoff mit der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen. Äusserst wichtig sei hierbei, so Flachsmann, die Hautverträglichkeit, also dass der Stoff auf der Haut keine allergischen Reaktionen auslöst. Weiter sind verschiedene umweltökologische Aspekte, wie etwa die Bioabbaubarkeit, Voraussetzung für die Zulassung. Riechstoffe, die am Ende allen Anforderungen entsprechen, haben schliesslich Aussicht auf einen Platz in der Palette der neuen Parfümingredienzien.

Auf seine Nase muss er sich verlassen können: Jean-Pierre Bachmann riecht an einer Probe.

mann. «Für die Kommunikation muss ich einen Geruch intuitiv einer Struktur zuordnen können – damit wir dieselbe Sprache sprechen.» So ist die Arbeit als Chemiker bei Givaudan eine Reise in die abstrakte Welt der Düfte, die nicht nur den Kopf, sondern vielmehr auch eine feine Nase erfordert. Eine Passion für Gerüche ist den beiden Duftforschern Flachsmann und Bachmann deshalb gemein. «Wir sind das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Sinnlichkeit», sagt Bachmann. «Und genau das ist es, was mich an meiner Arbeit fasziniert.»

Bilder: Simone Nägeli

Sinnlichkeit der Chemie

Felix Flachsmann vor einer Sammlung mit Riechsubstanzen, die der Parfümeur bei der Beurteilung eines neu entwickelten Duftstoffes als Referenz nennt. Sie dienen dem Chemiker dann bei der Orientierung zur Verbesserung des Duftstoffes.

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Trotz der verschiedenen Ansprüche, denen ein neues Riechmolekül genügen muss, bleibt das Hauptaugenmerk in erster Linie beim Duft: «Wir wollen hier Moleküle mit einem hervorragenden Geruch kreieren», betont Flachsmann. «Sie müssen schliesslich die Nasen unserer Parfümeure begeistern.» Eine fruchtbare Zusammenarbeit ist deswegen unerlässlich. Doch wie verstehen sich Chemiker und Parfümeur? «Wir haben uns viel zu sagen», lacht Flachs-

Kontakt Felix Flachsmann Fragrance Research Givaudan CH-8600 Dübendorf Telefon +41 (0)44 824 2265 felix.flachsmann@givaudan.com www.givaudan.com

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