MEDIZIN/PHARMA
Schnelle Messung und Übermittlung von Blutwerten an den Arzt
Ein kleines Labor unter der Haut
Der menschliche Organismus ist eine chemische Grossfabrik: Tausende von Substanzen werden produziert und über das Blut durch den Körper transportiert. Einige dieser Substanzen können als Indikatoren Informationen über unseren Gesundheitszustand preisgeben. Ein Forscherteam der EPFL (École polytechnique fédérale de Lausanne) hat jetzt ein technisches Implantat entwickelt, das die Konzentrationen von solchen Indikatoren im Blut misst. Direkt unter der Haut eingesetzt, kann es bis zu fünf Proteine und organische Säuren gleichzeitig messen und die Werte dem Arzt auf seinen Computer übermitteln. Das Implantat setzt somit neue Massstäbe im Bereich der personalisierten Medizin und hilft medizinischen Fachkräften, kranke Menschen in Zukunft besser zu überwachen. So könnte es beispielsweise für die Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen oder unter Chemotherapie von grossem Nutzen sein.
Einige Kubikmillimeter Technologie Die Vorrichtung wurde vom Team um Giovanni de Micheli und Sandro Carrara an der EPFL entwickelt, und der Prototyp, welcher sich noch in experimentellen Tests befindet, hat gezeigt, dass er verschiedene Standardparameter zuverlässig messen kann. Bei dem nur wenige Kubikmillimeter grossen
Über diesen QR-Code gelangt man zu einem Video, in dem das «Minilabor unter der Haut» beschrieben wird. Quelle: EPFL
6/2013
Implantat kommt allerhand Technik zum Einsatz: Es umfasst fünf Sensoren, einen Sender und eine Vorrichtung zur Energieversorgung. Die nötige Energie wird von einem Batterie-Patch mit 0,1 Watt durch die Haut des Patienten geliefert. Ein mühsamer operativer Batteriewechsel erübrigt sich sowohl für den Patienten als auch für den Arzt. Die Informationen werden über mehrere Etappen vom Körperinnern bis auf den Bildschirm des ärztlichen Computers geleitet: Das Implantat sendet Radiowellen in unschädlicher Frequenz aus, die vom Patch auf der Haut gesammelt und über Bluetooth an ein Mobiltelefon gesendet werden. Von diesem wiederum werden sie via Mobilfunknetz an den Computer übermittelt. Die Reichweite des implantierten Gerätes zum Batterie-Patch ist jedoch beschränkt: Die magnetische Induktion, welche zur Energieversorgung benötigt wird, ist auf eine Distanz von maximal zwei Zentimeter limitiert. Die Signale jedoch, die vom Patch via Bluetooth, beispielsweise auf Smartphones, gesendet werden, kann man weltweit empfangen. Schon heute kann das System die erhobenen Daten bereits alle zehn Minuten versenden. In der medizinischen Diagnostik wird dies «kontinuierliche Überwachung» genannt, da die biologischen Prozesse langsam ablaufen und selten in kürzeren Intervallen ändern. Die Überschreitung von festgelegten Grenzwerten könnte krankheits- oder patientenspezifisch zur Auslösung eines Alarms führen.
Detektion zahlreicher Substanzen Grosse Sorgfalt war bei der Entwicklung des Sensors erforderlich. Je nachdem, mit welchen Proben-Molekülen der Sensor be-
Bilder: Alain Herzog / EPFL
Forscher der EPFL haben ein kleines, unter der Haut tragbares Blutanalyse-Labor entwickelt, das chemische Substanzen sofort analysiert und die gemessenen Werte sogar über ein Mobilfunknetz an einen Arzt weitervermitteln kann. Dieses technische Meisterwerk bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten, wie beispielsweise die Überwachung von Chemotherapie-Patienten, deren Laborwerte engmaschig kontrolliert werden müssen.
Geballte Technologie: Der Prototyp des Implantats
stückt wird, können mehrere Metaboliten gemessen werden. Unter anderem wurden bisher neben Glukose, Adenosintriphosphat (ATP), Laktat, Glutamat, Dopamin, Arachidonsäure, Harnsäure und Bilirubin auch Krebsmedikamente und Entzündungshemmer nachgewiesen. Um die Zielsubstanzen wie Laktat, Glukose oder ATP gezielt zu erfassen, wurde die Oberfläche jedes Sensors mit einem Enzym bedeckt. «Eigentlich könnten wir so ziemlich alles messen», erklärt de Micheli. «Aber die Enzyme haben eine beschränkte Lebensdauer, und wir müssen sie so einsetzen, dass diese maximal verlängert wird.» Die Enzyme, welche aktuell getestet werden, haben eine Haltbarkeit von anderthalb Monaten, was für viele Anwendungen schon ausreichend ist. Darüber hinaus sei, so de Micheli, das Ersetzen oder Entfernen aufgrund der Winzigkeit des Implantats sehr einfach. Laut Sandro Carrara müssen die Sensoren des Implantats kalibriert werden, wobei die zeitlichen Abstände von den jeweiligen immobilisierten molekularen Proben abhängig sind. Im Falle einer kardiovaskulären Erkran35