Jahrbuch 2003

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JAHRBUCH 2003 ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR ALPIN- UND HÖHENMEDIZIN

THEMA

PROJEKT SILBERPYRAMIDE FREIE THEMEN

HERAUSGEBER: R . WA A N D E R S H. FRISCH W. S C H O B E R S B E R G E R F. B E R G H O L D


IMPRESSUM Herausgeber: WAANDERS Robb, Mag. rer. nat. Drs. rer. soc., Vorstandsmitglied der ÖGAHM, Landeskrankenhaus Rankweil, Praxisgemeinschaft Bahnhofstraße 16, A-6800 Feldkirch. E-Mail: robb.waanders@lkhr.at FRISCH Herwig, Univ.-Prof. Dr. med., Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, AKH Wien, Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien. E-Mail: herwig.frisch@akh-wien.ac.at SCHOBERSBERGER Wolfgang, Univ.-Doz. Dr. med., Vizepräsident der ÖGAHM, Private Universität für Medizinische Informatik und Technik Tirol, Forschungsbereich für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, Innrain 98, A-6020 Innsbruck. E-Mail: wolfgang.schobersberger@umit.at BERGHOLD Franz, Univ.-Prof. Dr. med., Präsident der ÖGAHM, Salzburger Platz 130, A-5710 Kaprun. E-Mail: bergi@eunet.at

Verleger: Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin Satz, Gestaltung und Druck: RAGGL digital graphic + print GmbH, Rossaugasse 1, 6020 Innsbruck ISBN-Nr.: 3-9501312-4-8 Alle Rechte vorbehalten

Umschlagbild U 1: Expeditionsarzt vor der Silberpyramide (Quelle: R. Ascher) Umschlagbild U 4: Trekkinggruppe am Anmarsch zum Dhaulagiri, Nepal (Quelle: G. Sumann)

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VORWORT JAHRBUCH 2003 Das schillernde 50-Jahr-Jubiläum seiner Erstbesteigung drängt den Jubilar Mount Everest derart in den Vordergrund, dass die anderen Achttausender-Erstbesteigungen zwischen 1950 und 1964 kaum Beachtung finden. Nun gut, zwischen den „niederen“ Achttausendern und dem Everest mögen auch höhenmedizinische Welten liegen. Aber jede einzelne dieser Erstbesteigungen war zweifellos etwas ganz Besonderes, ein historischer Markstein, dem meist eine jahrzehntelange Geschichte des bitteren Scheiterns und der Katastrophen vorangingen. Und damit komme ich zur besonderen Beziehung Österreichs zum Höhenbergsteigen und zur Höhenmedizin. Im Konzert der großen und finanzstarken höhenalpinistischen Akteure wurde und wird unser Land nach wie vor etwas gering geschätzt, und zwar, und dies in aller Bescheidenheit, aus ziemlich unerfindlichen Gründen – wir verfügen zwar über keine Viertausender, aber erstrecken uns immerhin auf zwei Drittel des gesamten Alpenbereiches (mehr als die doppelte Alpenfläche der Schweiz), des weltweit mit Abstand meistfrequentiertesten Gebirges. Kaum jemand denkt beispielsweise noch daran, dass fünf der 14 Achttausender von österreichischen Alpinisten erstbestiegen wurden. Keine andere Bergsteigernation war derart erfolgreich. Nur ein Beispiel, wie gesagt. Und wie steht es mit der österreichischen Höhenmedizin? Höhenmedizinische Forschung wird international ja erst seit rund 50 Jahren betrieben, und die dazu gehörige wissenschaftliche Szene wird, so scheint es zumindest auf den ersten Blick, seit den Anfängen von nichtösterreichischen Forscherteams vornehmlich aus dem angloamerikanischen Raum dominiert. Die Ursachen dieses ungerechtfertigten Zerrbildes liegen wohl vornehmlich in der in der westlichen Welt dominanten Publikationspraxis begründet. So hat es international den irrigen Anschein, dass die österreichische Höhenmedizin eine Art Trittbrettcharakter hat. Dazu ist allein im Hinblick auf die jüngste Vergangenheit, um in der Folge nur einige Beispiele zu nennen, doch einiges richtig zu stellen: AMAS 2000 – „Austrian Moderate Altitude Study“ – war weltweit das erste medizinisch-sportwissenschaftliche Projekt, das sich umfassend mit den gesundheitlichen Auswirkungen der mittleren Höhen auseinander setzt. Das Team von Egon Humpeler und Wolfgang Schobersberger hat hier weltweit einzigartige Maßstäbe für den Bergtourismus in mittleren Höhen gesetzt. Für ein Terrain, das schon allein von der Besucherfrequenz und der Bedeutung für gesundheitliche Prävention und Rehabilitation ungleich bedeutender ist als jedes Thema aus dem brillanten, spannenden, aber nur für vergleichsweise weni-

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ge (gesunde) Menschen relevanten Bereich der großen und extremen Höhen. Oder: Seit rund einem Jahrzehnt existiert eine in der höhenmedizinischen Forschung ungemein aktive Arbeitsgruppe an der Universität Graz unter der Führung von Wolfgang Domej und Günther Schwaberger. Wer die internationale Szene kennt weiß, dass diese bedeutende und äußerst produktive interndisziplinäre Institution weltweit einmalig ist. Am Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck ist seit vielen Jahren eine beispielhaft fleißige, höhenmedizinische Arbeitsgruppe um Martin Burtscher so aktiv, dass deren wissenschaftliche Resultate weltweit seinesgleichen suchen. Und schließlich das Großprojekt Silberpyramide 2002, um endlich den Bezug zu diesem Jahrbuch herzustellen: 12 engagierte Wissenschaftler haben unter der Leitung des Initiators Rob Waanders im Everestgebiet eine breite Palette von hochinteressanten, höhenmedizinischen Themen bearbeitet, deren faszinierenden Ergebnisse den Schwerpunkt dieses Jahrbuches darstellen. Alle diese hier erwähnten Projekte liefen bzw. laufen im Rahmen der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, der europaweit ersten und nach wie vor mitgliederstärksten höhenmedizinischen Fachgesellschaft. Apropos Jahrbuch: Elmar Jenny, der dieses Jahrbuch unserer Gesellschaft vor 14 Jahren mit großem Enthusiasmus begründete, bewies damit nämlich großen Weitblick: Niemand von uns ahnte damals, dass dieses mittlerweile weit über Österreich hinaus beachtete, weil hochwertige, wissenschaftliche Periodikum nach wie vor weltweit einmalig sein würde, auch wenn es trotz strenger Redaktionskriterien (aus sprachlichen Gründen) in keinem Index steht. Im Namen von uns allen darf ich daher allen Autoren dieses vorliegenden Jahrbuches für ihr großes Bemühen sehr herzlich danken, vor allem unserem unermüdlichen Chef-Herausgeber Wolfgang Schobersberger. Ja, auf unsere wissenschaftlichen Jahrbücher dürfen wir wirklich ebenso stolz sein wie auf unsere höhenmedizinische Forschung.

Univ.-Prof. Dr. Franz Berghold Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin

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Inhalt Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vorwort F. Berghold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Arbeiten im Rahmen des Projekts Silberpyramide R. Waanders Projekt Silberpyramide: Organisation eines höhenmedizinischen Großprojektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 R. Lazar Bioklimatische Aspekte beim Höhentrekking am Beispiel des Khumbutales/Nepal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Th. Küpper, A. V. Hemmerling, M. Caesar Kameradenrettungs-Kenntnisse bei Himalaja-Trekkern . . . . . . . . . . . . . . . 31 Th. Küpper, A. V. Hemmerling, M. Caesar Risikomanagement beim organisierten Trekking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 M. Glück, K. Beck, C. Vogel-Heinrich, G. Kramer Stressbewältigungstraining als hilfreiches Instrument zum Risikomanagement beim Höhentrekking und Höhenbergsteigen . . . . . . . . 53 R. Ascher, O. Blitzer, K. Ludl, W. Phlebs, S. T. Kaehler Dexibuprofen in der symptomatischen Behandlung des Höhenkopfschmerzes: Analgetische Wirkung im Himalaja? . . . . . . . . . . . 67 B. Feddersen, H. Ausserer, P. Neupane, S. Noachtar Veränderungen des Grundrhythmus im EG bei Aufenthalt in großen Höhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

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H. Ausserer, B. Feddersen, V. Sattelmayer, P. Neupane Zerebrale Durchblutung bei Aufenthalt in großen Höhen . . . . . . . . . . . . . . 85 I. Hadolt, G. Litscher, V. Sattelmeyer Transkranielle zerebrale Oxymetrie in großen Höhen – Untersuchungen der regionalen zerebralen Sauerstoffsättigung im Rahmen des Projekts Silberpyramide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 B. Haditsch, A. Rössler, H. G. Hinghofer-Szalkay Adrenomedullin und Höhendiurese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 H. Frisch, F. Waldhauser, Th. Waldhör, A. Müllner-Eidenböck, P. Neupane, K. Schweitzer Höhenexposition bewirkt eine erhöhte Ausscheidung von 6-OH-Melatonin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A. Müllner-Eidenböck, T. Hauffschild, J. Flammer, H. Frisch, P. Neupane, Th. Waldhör Höhenretinopathie und Endothelin-1: Störungen des retinalen Akklimatisationsprozesses in großen Höhen als Ursache von höhenbedingten Netzhautblutungen . . . . . . . . . . 127

J. Herfert, M. Moser, F. Muhry, H. Lackner, Ch. Puelacher, G. Schwaberger Herzfrequenzvariabilität und autonome Regulation in sehr großen Höhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 R. Waanders, M. Glück, K. Vogel-Heinrich Kognitive Leistungen und Befinden während High-Altitude-Trekking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

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Freie Themen E. Jenny Wandlungen von Sicherheit und Risiko beim Bergsteigen, Bergtourismus und bei der Hightech-Rettung im Gebirge . . . . . . . . . . . . .171 G. Sumann Trekking-Medizin: Der Arzt als Trekking-Begleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . .185 A. Prestini, L. Battaia Case Reports: Peptic ulcer at high altitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 L. Slotta-Bachmayr, P. Herbst Limitiert die Geruchsausbreitung unter dem Schnee den Einsatz von Lawinenhunden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 M. Burtscher Dauerleistungsfähigkeit im Bergsport: Wie viel ist notwendig? . . . . . . . . 213 S. Berei, C. Mika, Th. Küpper Ernährungs- und Trainingsplan bei extremen Langzeitausdauerbelastungen in mittlerer Höhe am Beispiel des Mountainbike-Marathons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 G. Hoffmann, S. Greie, E. Humpeler, D. Fries, M. Mittermayr, B. Schobersberger, W. Schobersberger Das metabolische Syndrom: Einflüsse des Immunsystems, der Höhe und der körperlichen Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

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Autorenliste ASCHER Reinhard, Dr. med., Dr.-Franz-Stumpf-Straße 5, A-6250 Kundl; E-Mail: dr.reinhard.ascher@aon.at AUSSERER Harald, Dr. med., Klinikum Großhadern, Universität München, Neurologische Klinik, Marchioninistraße 15, D-81377 München; E-Mail: ausserer@outdoorneurology.de BEREI Simone, Institut für Physiotherapie am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf, Spitzwegstraße 25, D-58840 Plettenberg; E-Mail: simmiberei @web.de BURTSCHER Martin, Univ.-Prof. DDr. Mag., Vizepräsident der ÖGAHM, Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck, Fürstenweg 185, A6020 Innsbruck; E-Mail: martin.burtscher@uibk.ac.at FEDDERSEN Berend, Dr. med., Klinikum Großhadern, Universität München, Neurologische Klinik, Marchioninistraße 15, D-81377 München; E-Mail: feddersen@outdoorneurology.de FRISCH Herwig, Univ.-Prof. Dr. med., Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, AKH Wien, Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien; E-Mail: herwig.frisch@akh-wien.ac.at GLÜCK Matthias, Dr. med., Rötelsteinweg 8, D-82441 Ohlstadt; E-Mail: Glueck-Ohlstadt@t-online.de HADITSCH Bernd, Dr. med., Institut für Adaptive und Raumfahrtphysiologie und Institut für Physiologie, KFU Graz, Harrachgasse 21, A-8010 Graz; E-Mail: bernd.haditsch@kfunigraz.ac.at HADOLT Irmgard, Dr. med., Abteilung für Biomedizintechnische Forschung in Anästhesie und Intensivmedizin, Universität Graz; E-Mail: i.hadolt@ utanet.at HERFERT Jürgen, cand. med., Physiologisches Institut der KFU Graz, Harrachgasse 21/5, A-8010 Graz; E-Mail: jherfert@gmx.at

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HOFFMANN Georg, PD Dr. rer. nat., Private Universität für Medizinische Informatik und Technologie Tirol (UMIT),Forschungsbereich für Urlaubs-, Reise- und Höhenmedizin, Innrain 98, A-6020 Innsbruck; E-Mail: georg.hoffmann@umit.at JENNY Elmar, Prof. Dr. med., Ehrenpräsident der ÖGAHM, Mitterhoferstraße 10a, A-6020 Innsbruck KÜPPER Thomas, Dr. med., Institut für Flugmedizin, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Kullenhofstraße 50, D-52074 Aachen, und Centrum für Reisemedizin, Hansaallee 321, 40549 Düsseldorf; E-Mail: kuepper@crm.de LAZAR Reinhard, Univ.-Prof. Dr., Institut für Geographie und Raumforschung, KF-Universität, A-80101 Graz; E-Mail: reinhold.lazar@kfunigraz.ac.at

MÜLLNER-EIDENBÖCK Andrea, Dr. med., Universitäts-Augenklinik, AKH Wien, Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien; E-Mail: andrea.mueller-eidenboeck@akh-wien.ac.at

PRESTINI Antonio, Dr. med., Via Presanella 16, I-38079 Tione di Trento; E-Mail: prestini@tio.apss.tn.it SLOTTA-BACHMAYR, Dr., Minnesheimstraße 8b, A-5020 Salzburg; E-Mail: leo@dogteam.at SUMANN Günther, Dr. med., OA, Univ.-Klinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin, Universitätsklinik Innsbruck, Anichstraße 35, A-6020 Innsbruck; E-Mail: guenther.sumann@uibk.ac.at WAANDERS Robb, Mag. rer. nat. Drs. rer. soc., Landeskrankenhaus Rankweil, Praxisgemeinschaft Bahnhofstraße 16, A-6800 Feldkirch; E-Mail: robb.waanders @lkhr.at

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R o b b Wa a n d e r s

Projekt Silberpyramide: Organisation eines höhenmedizinischen Großprojektes Project “Silberpyramide”: Organizational aspects of a medical and psychological high altitude project S U M M A RY Main objective of project “Silberpyramide” was an investigation of the process of acclimatization, conducted by 11 small groups of doctors, psychologists, psychotherapists and one bioclimatologist. All members originally came from Vienna, Graz, Western Austria and parts of Germany. In the course of the investigation the 33 participants were divided up into 2 independently operating groups (“Gokyo” and “Island Peak”). Both groups were then examined at three stages: at 200 m above sea level, at 3.400 m and finally at 5.050 m. The first of these examinations was conducted in Germany, the other two in Nepal (at Namche Bazaar and at the so-called “silver pyramid”). During the course, doctors on both teams twice a day quantified the participants’ Lake Louise AMS scores, Borg scales as well as their peripheral oximetric rates. The predominant part of the project was carried out at 5.050 m at the high altitude surveillance camp of the pyramid (jointly governed by Comitato Ev-K2-CNR and RONAST), situated in Upper Lobuche, 5 or 6 hours by foot south of Everest base camp. Keywords: acclimatization study, field study, multidisciplined design of study.

Z U S A M M E N FA S S U N G Im Rahmen von Projekt Silberpyramide wurde eine Akklimatisationsstudie durchgeführt, an der elf (kleine) Arbeitsgruppen, die sich aus Medizinerinnen/Medizinern und Psychologen/Psychotherapeuten sowie einem Bioklimatologen aus Wien, Graz, Westösterreich und diversen Bundesländern in Deutschland zusammenstellten, beteiligt waren. Es wurden 33 Testpersonen in zwei Gruppen an drei Messpunkten untersucht: in 200 m, 3.400 m und 5.050 m Höhe. Beide letzten Messpunkte waren in Nepal (Khumbu-Region) in Namche Bazaar und in der Silberpyramide gelegen, Messpunkt eins in Europa. Durch die Expeditionsärzte der beiden unabhängig operierenden Teams (Gokyo und Island-Peak) wurden täglich zweimal Bestimmungen auf die Lake-Louise-AMS-

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Score, die Borg-Skala sowie eine periphere Oximetrie durchgeführt. Die Hauptuntersuchungen fanden im von der Comitato Ev-K2-CNR und der RONAST gemeinsam verwalteten Höhenlabor „The Pyramid“ in 5.050 m Höhe in Upper Lobuche statt, 5 bis 6 Gehstunden südlich vom Everest-Basislager. Schlüsselwörter: Akklimatisationsstudie, Feldstudie, multidisziplinares Studiendesign.

EINFÜHRUNG Der Ankündigung im Januar-Rundbrief 2000 (Nr. 22) eines Forschungsprojektes in Nepal war ein „lautstarkes Echo“ gefolgt. Viele Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin zeigten reges Interesse, und auch aus den Reihen des Vorstandes konnte mit breiter Sympathie und Unterstützung gerechnet werden. Im Laufe von 2001 formierten sich nach mehreren Arbeitstreffen und „Personen-Rochaden“ schlussendlich elf (kleine) Arbeitsgruppen, die sich aus Medizinern, Psychologen, Psychotherapeuten und einem Bioklimatologen aus Wien, Graz, Westösterreich und diversen Bundesländern in Deutschland zusammenstellten. Das wissenschaftliche Ziel dieser Kolleginnen und Kollegen war

Abb. 1 Die Silberpyramide im ersten Licht eines neuen Tages (Foto: R. Waanders)

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<<Field Research on Psycho-Physical Burden and Acclimatization Profiles during High Altitude Trekking and Ascent of a Six Thousand Meters Peak in the Khumbu Himal in Nepal>> zu betreiben. Dieses Ziel galt es in drei Etappen zu erreichen. Im Februar 2002 wurden die Basisdaten von 33 Personen, die sich im Rahmen von Projekt Silberpyramide als „Probandin/Proband“ zur Verfügung gestellt hatten, in einem Reha-Zentrum im Gesundheitspark Herxheim (D) bestimmt. Während über die Pfalz ein wilder Wintersturm mit Nass-Schnee dahinfegte, liefen im Zentrum die Köpfe und Körper heiß. Nach diesem wichtigen Testlauf konnten wir der Feldphase in Nepal gefasst ins Auge sehen. Herxheim hatte uns den Untersuchungsplan durchexerzieren lassen und somit einen wichtigen Schritt näher an unser Hauptziel – die Silberpyramide – gebracht. Mit dem Namen <Silberpyramide> bzw. <Projekt Silberpyramide> soll in erster Instanz auf ein recht außergewöhnliches Gebäude, eine ca. 10 Meter hohe Pyramide aus silbrigem Metall und dunklem Glas, aufmerksam gemacht werden (Abb. 1). Dieses einzigartige Höhenlabor steht im nepalesisch-tibetischen Grenzgebiet, fünf bis sechs Gehstunden vom Everest-Basislager in der expeditions-historisch bedeutungsvollen Khumbu-Region, dem Herzland der Sherpa. Die Silberpyramide bietet dem Betrachter wahrhaft kühles Design in Form ihrer zeitlosen Hightechgestalt – und das inmitten einer archaisch anmutenden Urlandschaft aus Stein und ewigem Eis. Die Silberpyramide wirkt in dieser Umgebung fast wie ein Objekt aus der Zukunft, vielleicht sogar ein wenig „deplatziert“, mögen einige einwenden. Sie wurde 1987 von Ardito Desio entworfen und Anfang der 90er-Jahre von italienischen Ingenieuren in Upper Lobuche gebaut. Seit einigen Jahren wird sie von zwei Partnerkommissionen verwaltet: dem Ev-K2-Consiglio Nazionale delle Ricerche mit Sitz in Bergamo und der Royal Nepal Academy of Science and Technology (kurz RONAST, Kathmandu). Die Silberpyramide bietet dem Betrachter neben einem faszinierenden Anblick auch ein verborgenes Innenleben auf drei Ebenen. Es lohnt sich, hier kurz auf den Bauplan einzugehen. An der Basis misst die Silberpyramide ca. 13 Meter. Sie besteht aus einem großen Arbeitsraum rechts vom Eingang, in dem meistens die Ergometrie durchgeführt wird („Laboratorio 1“). Zusätzlich zum Energieraum links vom Eingang bietet die untere Ebene noch zwei Räume im östlichen Teil („Laboratorio 2 und 3“) mit dem Medikamentenlabor im linken Eck. In Sachen Energie ist die Silberpyramide selbstversorgend. Ihre Südseite wird von einer Batterie Solarpanels flankiert. Zusätzlich gibt es noch ein anderes Energiesystem, das z. T. aus Wasserkraft gespeist wird. Eine abenteuerliche Stiege führt in den 1. Stock, der aus 4 kleineren Räume (die „Laboratorio 4–6“ sowie die „Infermeria“) und einer Nasszelle mit WC aufge-

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baut ist. Mit einer Strickleiter lässt sich auch die „verborgene Kammer“ der Pyramide im 2. Stock erklimmen, in der sich die Funkanlage und der PC mit der Satellitenkommunikation befindet. Mit dem Namen Projekt Silberpyramide soll andererseits eine historische Brücke zu einer bedeutungsvollen Forschungsexpedition aus den 60er-Jahren gebildet werden (3): Im Winter 1960/61 befand sich unter der technischen Leitung von Ed Hillary eine internationale Mannschaft im Mingbo-Tal am Fuße der Ama Dablam. Sie brachten ihr eigenes Labor mit, das anno dazumal noch auf den Rücken von Trägern über Stock und Stein, Schnee und Eis vom fernen Kathmandu hinaufgetragen wurde. In einer Höhe von fast 6.000 m wurde es zusammengebaut und weltweit als „Silver Hut“ bekannt. Die „Silver Hut“ ist mit „Forschung auf hohem Niveau“ und Namen wie John West, Mike Ward und Jim Milledge verbunden (1, 4).

ORGANIGRAMM Im Rahmen von Projekt Silberpyramide (PSP-2002) ging es darum, zu untersuchen, wie sich unterschiedliche Körpersysteme, die psychische Leistung und das Befinden während einer graduellen Höhenanpassung verhalten, d. h. bei Personen, die ihre Schlafhöhe im Sinne der Akklimatisation möglichst täglich optimieren. Neben diversen täglichen Bestimmungen (Lake-Louise-Score, Borg-Skala, periphere Oximetrie) durch die Expeditionsärzte wurden im Rahmen von PSP2002 n = 33 Personen (in zwei unabhängigen Teams) an drei Messpunkten untersucht. Die Basismessungen (MP-1) fanden 53 Tage vor Abreise nach Nepal in einer Höhe von ca. 200 m statt. Die 1. Serie Höhenmessungen (MP-2) wurde an den Tagen 5 bis 7 in Nepal in ca. 3.400 m in Namche Bazaar, die Hauptmessungen (MP-3) an den Tagen 16 bis 18 in der Silberpyramide (5.050 m) in Upper Lobuche durchgeführt. Im Gokyo-Team (GT) wurden 17 Versuchspersonen, im Island-Peak-Team (IPT) 16 Probanden durch die diversen Arbeitsgruppen untersucht (siehe Organigramm, Abb. 2). Diese Arbeitsgruppen lassen sich thematisch folgendermaßen gliedern und zusammenstellen: 1 Generische Messungen 1.1 Lazar: Bioklimatische Faktoren 1.2 Ascher & Bitzer: tägliche Verfassung + AMS-Score 1.3 Küpper & Caesar: Erste-Hilfe-Kenntnisse + Risikomanagement

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PSP-ORGANIGRAMM AG

AG

SCHLAF-

C. PUELACHER

MEDIZIN

J. HERFERT

C. VOGEL-HEINRICH

NEURO-

R. WAANDERS

PSYCHOLOGIE

NEUROLOGIE & PHYSIOLOGIE

PSYCHO-THERAPIE

M. GLÜCK

I. HADOLT, B. FEDDERSEN

SHIATSU + BIOKLIMA

R. LAZAR

H. AUSSERER, V. SATTELM.

VEGETATIVE PHYSIOLOGIE

KARDIOLOGIE + PULMOLOGIE

M. MOSER J. HERFERT

B. HADITSCH

H. FRISCH K. SCHWEIZER P. NEUPANE

B. KRÜGER

A. MÜLLNER-EIDENBÖCK KETE

M. CAESAR T. KÜPPER

EXPEDITIONSARZT

R. ASCHER

O. BITZER

ADRENOMEDULLIN

HORMONE

HÖHENRETINOPATHIE

EXPEDITIONSARZT

Abb. 2 Mitarbeiter der verschiedenen Arbeitsgruppen inklusive des nepalesischen Gastarztes Pritam Neupane, Mitglied der Royal Nepal Academy of Science and Technology

2 Behandlungen 2.1 Glück: Training von Stressmanagement 2.2 Lazar: Akupressur + Shiatsubehandlung 2.3 Ascher & Bitzer: Kopfschmerz / Seractilstudie 3 Fachspezifische Messungen 3.1 Feddersen et al.: TCD, EEG, BNP 3.2 Haditsch: ADM 3.3 Hadolt et al.: tNIRS 3.4 Frisch et al.: Hormone 3.5 Krüger: Kardio + Pulmo 3.6 Müllner-Eidenböck: Augen 3.7 Puelacher & Herfert: Schlaf 3.8 Moser & Herfert: Chronobiologie 3.9 Waanders et al.: Psychometrie + Neuropsychologie

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IN DER SILBERPYRAMIDE „Es ist eine immense Arbeit, in großer Höhe Forschung zu organisieren. Gerade weil es so schwierig ist, im Hochgebirge gute Daten zu bekommen, ist auch die Herausforderung, professionell zu arbeiten, besonders groß“ (Peter Bärtsch in einem Interview in der NZZ)! Wir können dem Kollegen aus Heidelberg nur beipflichten und hatten zu diesem Zwecke Absprachen mit den Betreibern der „Pyramide“ in Bergamo getroffen. In der Erwartung, dass nach dem ausführlichen Schriftverkehr mit der wissenschaftlichen Kommission Ev-K2-CNR alle Weichen für die Durchführung unserer Untersuchung Nr. 3 (MP-3) gestellt sein würden, erreichten beide Teams am 27. April 2002 die Lodge, die der Silberpyramide vorgelagert ist. Groß war die Überraschung auf beiden Seiten. Die Italiener wollten von unserem Arbeitsbesuch gar nichts gewusst haben! Sie stellten die Vermutung auf, dass der Brief aus Bergamo irgendwo in Kathmandu „hängengeblieben“ war. Durch den Ausfall jeglicher Telekommunikation infolge eines terroristischen Attentates auf einen Telefonverteiler in der Solu-Region war es (ihnen) auch nicht möglich, mit der Hauptstadt oder mit Europa Kontakt aufzunehmen (2)! Was nun?

Abb. 3 Brain Mapping unter arktischen Bedingungen (Foto: H. Ausserer & B. Feddersen)

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Wir versuchten uns den Verhältnissen entsprechend untereinander zu arrangieren: Nach fast drei Stunden zähen Verhandelns wurden uns mehrere Räume in der Silberpyramide zur Verfügung gestellt. Wir konnten aufatmen und uns wieder auf den Untersuchungsplan konzentrieren. Die nächsten Tage gestalteten sich für die Probanden, Expeditionsärzte und Untersucher recht intensiv. Dichtes Schneetreiben ließ unser Zeltlager und die Pyramide unter den weißen Massen verschwinden (Abb. 3). Obwohl die Umstände nicht optimal waren, gelang es, den Großteil der geplanten Messungen abzuschließen. Am Ende des dritten Tages zeigte sich die Sonne wieder. Licht und Wärme kehrten zurück, die Arbeit war getan, sodass zum Abschluss noch ein Abstecher nach Gorak Shep und auf dem Kallar Patar drin war. Einige schafften es sogar ins Everest-Basislager. Auf dem Rückweg erinnern in Dughla Tschorten und Gedenksteine an die, die nicht mehr heimgekehrt sind. Ihre Zahl wächst von Jahr zu Jahr. Mit einem ganz frischen Memorial wird Peter Ganner aus Klosterneuburg gedacht. Fünfzig Meter weiter befindet sich der Gedenkstein für Scott Fisher. Der Ama Dablam erhebt sich in seiner zeitlos schönen Gestalt stumm im Hintergrund. Berge wie Ama Dablam, Mount Everest oder Pumori werden auch in Zukunft Ziel vieler Bergsteigerambitionen und Trekkerträume bleiben. Wir hoffen mit unserem Projekt Silberpyramide ein „Sicherheitssteinchen“ auf dem Weg zum Gipfel beitragen zu können und bedanken uns recht herzlich bei allen, die am Projekt Silberpyramide teilgenommen haben, die mit uns mitgefiebert, uns geholfen und finanziell unterstützt haben!

DANKSAGUNG/ACKNOWLEDGEMENT <Projekt Silberpyramide 2002> wurde in Absprache mit der Comitato Ev-K2CNR (Bergamo, Italien) und der RONAST (Kathmandu, Nepal) durchgeführt. Das Höhenlabor „The Pyramid“ wurde dem <Projekt Silberpyramide 2002> dankenswerterweise gratis zur Verfügung gestellt. <Projekt Silberpyramide 2002> has been carried out in accordance with the EvK2-CNR Committee (Bergamo, Italy) and RONAST (Kathmandu, Nepal). We express our gratitude to the Ev-K2-CNR Committee and RONAST for free use of the Pyramid Laboratory-Observatory.

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L I T E R AT U R (1)

Milledge J. S.: Hypoxia – Man at Altitude (eds. Sutton, Jones & Houston). 2nd Hypoxia Symposium, Banff (1981), Chapter 19.

(2)

National Geographic Magazine, National Geographic Society, Washington (Mai 2003).

(3)

Simons E., Oelz O.: Kopfwehberge, AS-Verlag, ZĂźrich (2001).

(4)

Ward M. P., Milledge J. S., West J. B.: High Altitude Medicine and Physiology, 3rd Edition (2001).

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Reinhold Lazar

Bioklimatische Aspekte beim Höhentrekking am Beispiel des Khumbutales/Nepal Bioclimatic aspects during high altitude trekking in the Solu Khumbu valley S U M M A RY In the frame of a research project (PSP-2002) in the Khumbu valley in Nepal bioclimatic observations were performed in order to evaluate the effects on human well being due to extreme hot and cold temperatures, but also due to frontal passages. While temperatures were recorded, wind speed and solar irradiation were estimated. The latter estimation was based on observed cloud cover. These parameters enabled the determination of the specific temperature felt by a person, according to simple model approaches. The changes in weather were observed by means of air pressure and typical weather phenomenons. The lowest specific temperature felt by a person, as a function of solar irradiation and wind speed, was obtained on the Silverpyramid at an altitude of 5.050 m above sea level on the 30th of April 2002, where in addition, the day before was characterized by an unfavorable weather situation (frontal passage with snow fall). Such observations are especially relevant when climbing to summits, where the specific temperatures, as felt by persons, and in addition the low partial pressure of oxygen can form a potential risk, which is confirmed by frequent frostbites at high altitudes. The results revealed also, that the specific temperatures felt by a person were significantly raised due to the intensive solar irradiation at altitudes between 5.000 m and 6.000 m, which were reached during the project. Periods of extreme low specific temperatures in the Khumbu valley occurred therefore mainly in the late afternoon, characterized by clouds and a strong valley wind. Keywords: bioclimatic observations, stress by coldness.

Z U S A M M E N FA S S U N G Im Zuge eines Forschungsprojektes (PSP-2002) im Khumbutal in Nepal wurden bioklimatische Messungen durchgeführt, um die Auswirkungen von Wärme- bzw. Kältestress auf den Menschen, aber auch die Folgen von Stress durch

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Frontdurchgänge zu überprüfen. Die Temperaturen wurden mittels eines Thermistorfühlers erfasst, die Strahlung mittels Bewölkungsgrad ebenso wie die Windgeschwindigkeit geschätzt. Damit war die Grundlage für die Bestimmung von gefühlten Temperaturen nach einfachen Modellansätzen möglich und somit auch die Beurteilung von Kältestress. Die Dynamik des Wetterablaufes wurde an Hand der Änderungen des Luftdruckes und der Wettererscheinungen beobachtet. Die tiefsten Temperaturen und damit verbundener Kältestress wurde mit gefühlten Werten (Berücksichtigung von Strahlung und Windgeschwindigkeit) am 30. 4. 2002 an der Silberpyramide in ca. 5.050 m Seehöhe gemessen, wobei am Vortag zusätzlich hinsichtlich der Wetterphase eine eher ungünstige Situation (Frontdurchgang mit Schneefall) gegeben war. Eine größere Relevanz haben derartige begleitende Beobachtungen speziell bei Gipfelbegehungen, wo dann die Belastungen durch Kältestress zusätzlich zum verringerten Sauerstoffpartialdruck problematisch werden können, was auch die Erfahrungen mit zunehmendem Risiko zu Erfrierungen in großen Höhen bestätigen. Die Ergebnisse haben aber auch gezeigt, dass die intensive Sonneneinstrahlung in den von uns erreichten Höhenlagen um 5.000 m (Gipfelbegehungen von 5.650 m bis ca. 6.000 m) das subjektiv wahrgenommene Temperaturniveau markant anhebt und die Zeitbereiche mit Kältestress im Khumbutal zumeist auf den späten Nachmittag mit Bewölkung und starkem Talwind eingeschränkt waren. Schlüsselworte: Bioklima, Kältestress.

EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG Im Rahmen des Forschungsvorhabens „Silberpyramide 2002 (PSP-2002)“, benannt nach einer Forschungsstation im hintersten Khumbutal in Nepalhimalaja in 5.020 m Seehöhe, wurden neben medizinischen Untersuchungen an Probanden auch Bioklimaerhebungen durchgeführt. Soweit Literaturrecherchen ergaben, dürfte es das erste Mal gewesen sein, dass bei einer höhenmedizinischen Expedition ein Geograph teilgenommen hat, um Bioklimamessungen durchzuführen. Dabei spielt das Bioklima mit seinen Komponenten Temperatur, Wind, Strahlung und Sauerstoffpartialdruck eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entstehung bzw. beim Verlauf von Höhenerkrankungen wie etwa AMS. Das Beispiel einer anderen höhenmedizinischen Expedition zum Broadpeak im Karakorum zeigt, wie ein ungünstiger Witterungsverlauf und damit verbundener Stress relativ niedrige SaO2-Werte und in weiterer Folge auch Erkrankungen auslösen bzw. begünstigen kann (4). Leider sind in diesem Beitrag keine Angaben über den Witterungsverlauf mit Temperatur- und Winddaten enthalten (4); die Lage des dortigen Basecamps liegt nämlich in einer mit unserer

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Forschungsstation durchaus vergleichbaren Seehöhe (4.850 m), wobei insgesamt bei einem Vergleich mit unserer Mannschaft mit immerhin doch 28 Probanden und begleitenden Forschern weitaus weniger Probleme auftraten als im Karakorum. Für die PSP-2002-Expedition galt das Ziel, auf der Basis der durchgeführten Bioklimamessungen Aussagen über Kälte- bzw. Wärmestress (in den unteren Etappen) machen zu können. Dies erscheint in Hinblick auf parallel erfolgte Erhebungen über die Schlaftiefe und Herzfrequenzanalysen sehr sinnvoll, zumal die nächtliche Regeneration den Akklimatisierungsfortschritt wesentlich beeinflusst. Zusätzlich wurde auch protokolliert, ob besondere Witterungserscheinungen Rückschlüsse über das Biowetter lieferten. Es ist bekannt, dass insbesondere die Phase 4 nach dem Tölzer Schema (5) eine Reihe von Krankheiten und Symptomen auslösen und begünstigen kann.

GRUNDLAGEN Für die Beurteilung von Wärme- und Kältestress wurde in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Formeln und Modellen entwickelt, die allerdings für die Anwendung im Höhenbergsteigen aus messtechnisch-logistischen Gründen scheitern. Zumeist bereitet die Strahlungsmessung, aber auch die Windmessung Probleme, teils wegen des Transportes, teils wegen der Stromversorgung entsprechender Geräte (was in Hinkunft mit mehr finanziellem Aufwand über Solarbetrieb sicher zu bewältigen sein wird). Andererseits genügen oft schon Temperaturmessungen und geschätzte Windwerte, um zu brauchbaren Grundlagen zu kommen. Benützt man beispielweise die einfachen Windchilltabellen, um den Kältestress zu quantifizieren, genügen die Schätzwerte bereits, da die Differenzen in der gefühlten Temperatur nicht so groß ausfallen (z. B. bei 0° etwa 1 K bei einem Fehler von 1m/s). Weiters erschien es wichtig, die Rolle der Bewölkung und damit des Strahlungseinflusses einzubeziehen. Schon bei F. Lauscher [zit. bei (2)] findet sich eine Formel, die die Bewölkungsverhältnisse berücksichtigt. Da nach weiteren Erfahrungen mit der Lauscherformel ein eher zu hoher Einfluss der Bewölkung vermutet wurde, scheint der Ansatz von Steadman (2) vernünftiger, auf dem letztlich auch die Auswertung unserer Expedition beruht. So zeigt sich beispielsweise, dass bei einer Temperatur von 0 °C und einer Windgeschwindigkeit von 6 m/s bei heiterem Himmel und entsprechend starker Einstrahlung ein Zuschlag von 5 K erfolgt. Demnach wird bei diesen Bedingungen der Windeinfluss durch die Strahlung weitgehend kompensiert. Bei Neuschnee und damit hoher Reflexstrahlung wird dieser Betrag noch höher ausfallen, was etwa am Tag der Besteigung des Kala Pattar (5.640 m) sehr auffällig war. Bei starkem Wind am Morgen und einer Temperatur von etwa

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–7 °C war der Kältestress deutlich erhöht (im Freien Windböen bis ca. 10 m/s, lokales Schneefegen, gefühlte Temperatur etwa –20 °C), während dann tagsüber bei heiterem Himmel und Neuschnee bald thermische Behaglichkeit erreicht wurde; beim Abstieg und weiter nachlassendem Wind war dann bei starker Einstrahlung infolge hoher Albedo über dem Neuschnee sogar ein subjektives Gefühl von Wärmeüberschuss spürbar, zumal die zusätzliche Tätigkeit des Bergsteigens auch einiges beitrug. Daran ersehen wir die komplexen Zusammenhänge einer Objektivierung des Bioklimas, denn gemäß (1) gehören in das gesamte Modell auch die Bekleidung, die Art der Bewegung und – meines Erachtens – auch die Frage der Ernährung, da hier wiederum der Blutzuckerspiegel markant beeinflusst wird. Im Folgenden wird aber nur auf die klimatologisch messbaren Größen näher eingegangen.

MESSMETHODIK Bei der Expedition wurde aus den oben angeführten logistischen Gründen der Messaufwand auf das erforderliche Mindestmaß reduziert. So wurden 2 Thermistoren – je 1 Gerät pro Gruppe, da die Routen nicht ident waren (an dieser Stelle sei Herrn R. Widerhofer für die genaue Datenaufzeichnung herzlich gedankt) – mitgeführt. Die Windgeschwindigkeit wurde geschätzt, zumeist auf der Basis der Rauchbeobachtungen für die geringeren Geschwindigkeiten, ebenso der Bewölkungsgrad. Als Zeitpunkte der Messung wurde ein Morgentermin vor Sonnenaufgang (häufig gegen 6.30 Uhr) und einer nach Sonnenuntergang gewählt, unterwegs wurde zusätzlich an neutralen windoffeneren Stellen gemessen und beobachtet. Besonderheiten im Wetterablauf wurden eigens dokumentiert, wie etwa Schauer und Gewitter bzw. Länge und Intensität von Schneefall bzw. Neuschneehöhen und markante Luftdruckänderungen, die über den täglichen Rhythmus hinausgingen (tagsüber Druckfall, abends bzw. nachts Druckanstieg).

K L I M AV E R H Ä LT N I S S E I M K H U M B U - H I M A L I M A P R I L / M A I Grundlagen für die Beurteilung der klimatischen Verhältnisse waren neben Stationsdaten (z. B. Lhasa) im Wesentlichen die Wetterkarten des Europäischen Wetterberichts mit Karten für alle relevanten Niveaus (insbesondere für das 500-hPa-Niveau, entsprechend etwa dem 5.000-m-Bereich). Im April bzw. Mai befindet sich das Untersuchungsgebiet in einer Übergangsphase zwischen der winterlichen Trockenzeit mit dem NE-Monsun und dem sommerlich-feuchten SW-Monsun. Für die Beurteilung der Strömungsverhältnisse sind die Daten im 500-hPa-Bereich entscheidend, wobei Komponenten

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aus dem Sektor SW bis NW vorherrschen. In dieser Strömung werden mitunter auch kleinere Wellenstörungen aus der Westwinddrift mitgeführt, die trogförmigen Charakter annehmen können und somit den ansonsten antizyklonalen Witterungsverlauf zu dieser Zeit im Himalaja empfindlich stören und unterbrechen können (bestes Beispiel der Trogdurchgang vom 28. bis zum 30. 4. 2002). Die Windgeschwindigkeiten im 500-hPa-Niveau liegen unter den Vergleichswerten der Alpen infolge der subtropischen Lage im Bereich 30° N. Trotz dieser Gunstfaktoren waren im April/Mai 2002 die Höhenwinde eher stärker als normal: Fast täglich war die Leewolkenfahne am Mt. Everest zu sehen und infolge der Stürme waren die Aktivitäten der Expeditionen zum höchsten Berg der Welt arg behindert. Für unsere Trekkingroute war die starke Abschirmung durch die Reliefenergie von etwa 3.000 m und mehr dafür verantwortlich, dass sich trotz der starken Höhenwinde an der Mehrzahl der Tage ein autochthones Tal-/Bergwindsystem entwickeln konnte. Der Taleinwind ist dabei der wesentliche stärkere Wind und erreichte sein Maximum nachmittags mit Werten zwischen 4 und 7 m/s, an exponierten Abschnitten auch darüber. Nachmittägliche Schauer und Gewitter bewirkten zumeist eine abrupte Unterbrechung. Diese Schauer und Gewitter treten als Folge der Labilisierung wegen der schon recht starken Einstrahlung in der Vormonsunzeit auf, stören aber den Schönwettercharakter kaum, da sie nur von kurzer Dauer sind und nur wenig Niederschlag bringen. Nachts lösen sich die Reste dieser Konvektionszellen rasch auf und es kühlt markant ab, begleitet vom Talauswind, der allerdings nur Geschwindigkeiten von 1–3 m/s erzielt und somit bioklimatisch wenig relevant wird. Dagegen kann der teilweise stürmisch entwickelte Taleinwind nachmittags bei stärkerer Bewölkung als durchaus störend infolge Kältereiz empfunden werden. Für die Beurteilung der thermischen Verhältnisse gemäß Daten eines Klimahandbuches (3) standen die Stationen Lhasa (3.685 m, allerdings wegen der abgeschirmten Lage noch günstiger als etwa Namche Bazar in 3.500 m) und Yatung in Butan in 2.967 m Seehöhe zur Verfügung. Die mittleren täglichen Maxima liegen in Lhasa im April bei 15,6° in Yatung bei 15,0°, im Mai bei 19,4° bzw. 17,2 °C, was im Wesentlichen recht gut mit den gemessenen Maxima in Namche Bazar übereinstimmt (Werte zwischen 13 und 16 °C, abhängig vom Bewölkungsgrad). Die nächtlichen Minima hängen stark von der orographischen Lage ab; sie waren in Namche Bazar mit 4 bis 6 °C auffallend mild, was aber auf die Hanglage in einer markant erhöhten Lage über der Talsohle zurückzuführen ist. Namche Bazar weist deshalb ein milderes Klima auf als etwa Lhasa, das wegen seiner Lage in Tibet bereits starke kontinentale Züge zeigt. Bezüglich der Verhältnisse in Gipfellagen dürfte in 6.000 m Seehöhe eine Temperatur von etwa –8 °C geherrscht haben, was allerdings angesichts der geringen Windgeschwindigkeiten und der starken Strahlungsenergie über ver-

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schneiten Flächen von den Teilnehmern der Island-Peak-Gruppe wesentlich wärmer empfunden wurde. Daraus lässt sich folgern, dass unter antizyklonalen Bedingungen im gegenständlichen Zeitbereich Besteigungen von Gipfeln im 6.000-m-Bereich im Himalaja noch kein Risiko von größerem Kältestress beinhaltet. Das Risiko für erhöhten Kältestress mit lokalen Erfrierungen dürfte tatsächlich erst ab ca. 7.000 m markant steigen, was mit der zunehmenden Exponiertheit und Windoffenheit der Kämme und Gipfel zu erklären ist. In diesen Höhen kommt dann erschwerend neben einer weiteren Verringerung des Sauerstoffpartialdrucks auf etwa 35 % gegen etwa 50 % im Basecamp des IslandPeak (5.100 m) noch eine Reduktion des Wasserdampfgehaltes der Luft hinzu.

ERGEBNISSE DER MESSUNGEN UND CHRONOLOGISCHER WITTERUNGSVERLAUF Die Expedition begann am 15. 4. bei freundlichem Wetter in Lukla in einer Seehöhe von ca. 2.800 m. Nach maximalen Temperaturen um etwa 15 °C kühlte es in der ersten Nacht nur auf ca. 9 °C ab, zumal es nicht ganz wolkenfrei blieb. Dies hatte bei einigen Teilnehmern zur Folge, dass recht hohe Temperaturen im Zelt und in den Schlafsäcken herrschten (durchaus Anklänge von Wärmestress). Am 16. 4. gab es dann dank aufkommender Konvektionsbewölkung noch eine weitere Phase mit nur leichtem Wärmestress im Zuge des eher steilen Anstiegs nach Namche Bazar. In Namche Bazar (3.500 m) empfing uns Nebel und noch anhaltender Taleinwind bei etwa 6 °C. Die folgenden Tage bis zum 19. 4. zeigten einen schönen tagesperiodischen Rhythmus mit geringer Bewölkung am Vormittag und auflebendem Taleinwind und einem Temperaturanstieg bis maximal etwa 15 °C, was von den meisten Teilnehmern als sehr behaglich auch bei geringerer Bekleidung empfunden wurde. Am 18. 4. entlud sich das erste lokale Gewitter, das aber kaum Niederschlag brachte; die Nächte blieben relativ klar, aber nur mäßig kalt, da sich Namche Bazar in einer Hanglage befindet. Die weiteren Tage bis Chukung (4.700 m, 2 Tage bis zum 23. 4.) waren geprägt durch vergleichsweise tiefere Maxima (größere Seehöhe) bis etwa 6 °C, die zumeist schon zu Mittag eintraten, da die Konvektionsbewölkung immer früher einsetzte und nachmittags Schneeschauer und Nebel auftraten. Während der Vormittag noch durchaus im Behaglichkeitsbereich lag (z. B. Mittagspause im Freien), waren die geringe Sonnenscheindauer bei starkem Taleinwind (bei zeitweiligen Schneeschauern) mit leichtem Kältestress verbunden. Es folgte eine Periode mit überraschend trockenem Schönwetter bis zum 25. 4. – im übrigen glücklicherweise gerade die Tage im Basecamp (5.050 m), die für die Besteigung des Island-Peak vorgesehen waren. Es waren auch Tage, an denen wir verstärkter Strahlung ausgesetzt waren, da abschnittsweise noch Neuschnee

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lag; nur nachmittags bei Konvektionsbewölkung trat Kältestress in Verbindung mit dem lebhaften Taleinwind auf (um –5 bis –8 °C), obwohl noch bei heiterem Himmel Maxima bis 2 °C erzielt wurden. In der Nacht zum 26. 4. näherte eine erste schwache Störung mit starkem Wind und daher nur geringer nächtlicher Abkühlung (bis ca. –3 °C). Beim Abstieg nach Chukung und in weiterer Folge nach Deboche nahm die Bewölkung rasch zu und ein Gewitter mit Schneefall begleitete uns bis Deboche. Diesmal war es kein lokales Ereignis und die Neuschneehöhe erreichte immerhin etwa 5 cm. Die Nacht zum 27. 4. blieb klar und deshalb war es auch hier merklich kälter (–7 °C) als beim Aufstieg mit –1 bis –2 °C. Der Aufstiegstag zur Silberpyramide (27. 4.) war einer der sonnenscheinreichsten, da es kaum Konvektionsbewölkung gab – möglicherweise als Folge des Energieverlustes infolge der frischen Schneedecke, die tagsüber nur in den besonnten Hängen wieder abtaute. Insgesamt sollte sich jedoch bald zeigen, dass es sich um ein Zwischenhoch handelte, denn am 28. 4. setzte Luftdruckfall ein. Die Nacht zum 28. 4. war noch klar (Wetterleuchten, Absinken bis –8 °C), dann aber zog mit einer lebhaften Strömung aus dem Sektor S bis SW hohe und mittelhohe Bewölkung auf und am Nachmittag setzte Schneefall ein. Bei Temperaturen um –5 °C gab es bei eher nur mäßigem Wind Neuschnee bis ca. 15 cm und mäßigen Kältestress infolge des permanent bedeckten Himmels (29. 4.). Die Stimmung in der Mannschaft war ebenfalls etwas getrübt, wobei es verständlich wird, dass es bei längerem Anhalten einer derartigen Wetterlage zu einer Stressreaktion infolge Problemen mit dem Zeitplan kommen kann – bei kommerziellen Expeditionen klarerweise in einem beachtlichen Ausmaß. In der Nacht zum 30. 4. gelangte das Khumbutal in die Rückseite der abgezogenen Frontalzone und Kaltluftadvektion bewirkte ein Absinken der Temperatur bis auf –10 °C , später bei starkem Wind bis ca. –7 °C, was immerhin gefühlten Temperaturen von –16 °C bis –20 °C entsprach; es war somit der Tag mit dem stärksten Kältestress während der Expedition. Das Frühstück wurde im Mannschaftszelt bei etwa –5 °C eingenommen, was von den meisten als recht unangenehm wahrgenommen wurde. Tagsüber flaute der starke Wind merklich ab, und bei heiterem Himmel und zusätzlicher Albedo von der Schneedecke war ab Mittag eine wesentlich geringere Bekleidung erforderlich als am Vormittag. Am 1. 5. begann für die erste Gruppe der Abstieg nach Tengboche (3.700 m), für die 2. Gruppe war es der Gipfeltag, bei durchwegs antizyklonalen Bedingungen. Erst gegen Nachmittag gab es die übliche Eintrübung und einen leichten Schauer. Die Tage in Namche Bazar waren vom Witterungsverlauf jenen im April sehr ähnlich: Am Morgen heiter, mit auflebendem Taleinwind und Temperaturmaxima bis etwa 16 °C, Konvektionsbewölkung und einigen schwachen

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Schauern und Gewittern, nachts klar mit Minima bis 4 °C. Der letzte Tag bis Lukla (2.800 m) brachte wieder mehr Bewölkung, aber kaum Niederschlag. Im Diagramm (Abb. 1) sind alle wichtigen Parameter zur Beurteilung der bioklimatischen Bedingungen enthalten, ferner die zugehörigen Übernachtungshöhen (strichliert die Gipfeltage). Weiters wurden die Tage mit Schneedecke ausgewiesen, da sie einerseits eine zusätzliche UV-Belastung bescherten und andererseits den Kältereiz bei heiterem Himmel merklich reduzierten – ohne dass es dafür noch Formeln oder Tabellenwerte gibt. In einer eigenen Kurve wurden, so gut es das Diagramm zuließ, die korrigierten Werte mit der Berücksichtung der Bewölkung hinzugefügt. Schließlich scheinen in einer Zeile noch die „synthetisierten“ Bioklimatypen auf (A bis F), die in der Erläuterung zur Abb. 1 enthalten sind (siehe Anhang).

Abb. 1: Chronologischer Verlauf der wichtigsten bioklimatischen Elemente (Temperaturverlauf/strichliert gefühlte Temperatur (°C), Windgeschwindigkeit (m/s), Bewölkungsgrad in Zehntel und Tage mit Schneedecke; der zugehörige Bioklimatyp ist mit Großbuchstaben gekennzeichnet, die im Anhang erläutert sind)

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Z U S A M M E N FA S S U N G U N D A U S B L I C K Die bioklimatischen Erhebungen bei der Expedition PSP 2002 haben gezeigt, dass für Trekkingtouristen das Risiko für größeren Kältestress – entsprechende Bekleidung und ausreichend dimensionierte Schlafsäcke (Minimalwerte im 2-Mann-Zelt bei der PSP-Expedition bei etwa –3 °C am 30. 4.) vorausgesetzt – sehr gering bleibt und auf Situationen mit einem Kaltlufteinbruch und Neuschnee in Verbindung mit starkem Wind eingegrenzt werden kann. Diese sind jedoch in der Frühjahrssaison im Khumbutal selten. Typisch sind hingegen nachmittägliche Schauer und Gewitter, die aber kaum stören. Ab 4.500 m Seehöhe sind nachmittags der starke Taleinwind, Konvektionsbewölkung und einige Schneeschauer für mäßigen Kältestress verantwortlich, sofern sich die Mannschaft nicht ohnehin schon in der Lodge oder im Zelt aufhält. Kritisch im Sinne eines erhöhten Risikos für Erfrierungen wird es aber erst ab Seehöhen um 7.000 m, da die Windexponiertheit bei recht niedrigem Temperaturniveau für großen Kältestress sorgt; daraus wird verständlich, dass Gipfelaspiranten für den Mt. Everest eher windschwache Bedingungen benötigen, um den Kältestress noch begrenzen zu können (geschätzte Werte im Rahmen von –25 °C bei einer angenommenen Lufttemperatur von –20 °C, heiterem Himmel und einer Windgeschwindigkeit von 5 m/s ). Belastend wirken sich ferner Situationen mit einem Frostdurchgang aus, was im Sinne des Tölzer Schemas den ungünstigen Phasen 4 und 6 entspricht (5). Es lässt sich aber vermuten, dass bei längeren Niederschlagsperioden und erzwungenem Verharren im Basecamp und womöglich erhöhter Lawinengefahr die Stressaspekte in der Mannschaft einen größeren Stellenwert einnehmen als nur die Wetterlage; zusätzlich tritt noch Stress aus ökonomischer Sicht auf (relativ hohe Preise für Achttausender). Zusammenfassend können wir festhalten, dass die bioklimatischen Messungen einen interessanten Zusatzaspekt zu höhenmedizinischen Messungen darstellen und damit auch Erklärungsmöglichkeiten für bestimmte Symptome von Höhenkrankheiten leichter erklärbar sind (etwa bedingt durch einen massiven Kaltlufteinbruch).

L I T E R AT U R (1)

Hammer N.: Ein Energiebilanzmodell des Menschen. Wetter und Leben, Verlag österreichische Gesellschaft f. Meteorologie Wien, Jg. 37 1-12 (1985).

(2)

Harlfinger O.: Bioklimatologie, Schutzimpfungen und Reisemedizin, Spittaverlag, Wien, 1-35 (2000).

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(3)

Müller M<.: Handbuch ausgewählter Klimastationen der Erde. Forschungsstelle Bodenerosion der Universität Trier, Verlag Metzinger, Trier (1996).

(4)

Tannheimer M.: Eignung der Sauerstoffsättigung zur Objektivierung der Höhensymptomatik. Jahrbuch 2002 der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, Verlag Schreithofer, Innsbruck, 205-223 (2002).

(5)

Turowski E.: Handbuch für Bioklima und Lufthygiene , Verlag Ecomed, Landsberg/Lech (1998).

ANHANG Hinweise zu den in Abb. 1 verwendeten Bioklimatypen: Allgemeines: Die ausgeschiedenen Typen sind das Ergebnis der Auswertungen der Temperatur- und Windanalysen zu den 3 Terminen am Morgen, zu Mittag und am Abend mit Beurteilung der Nacht – sofern nötig. Sie stellen praktisch das Integral über einen ganzen Tag dar, darunter weiter zu differenzieren erschien aus bisheriger Sicht wenig sinnvoll. Für die Gesamtbeurteilung aus bioklimatischer Sicht ist der Einbezug der körperlichen Betätigung – als Maß für die Belastung für den Stoffwechsel und den damit verbundenen vermehrten Oxidantien (oxidativer Stress) – von entscheidender Bedeutung, wenngleich auch der Hormonhaushalt empfindlich durch verstärkte Endorphinausschüttung nach einem Gipfelerfolg auch noch zu berücksichtigen wäre. Letzteres betrifft mit Sicherheit die psychische Verfassung und damit Aspekte wie das Selbstwertgefühl (im Sinne einer geschafften alpinistischen Leistung).

C H A R A K T E R I S I E R U N G D E R B I O K L I M AT Y P E N TYP A Er ist typisch für die Verhältnisse in den unteren Talabschnitten unseres Trekkings im Khumbutal – etwa von 2.500 bis 3.500 m (Lukla bis Namche B.). Am Morgen herrschen bei Temperaturen zwischen 7 und 10 °C angenehme Verhältnisse, windschwach, überwiegend heiter, gegen Mittag zunehmend bewölkt und Zunahme der Windgeschwindigkeit auf 2–4 m/s, Temperaturniveau bei 15 bis 17 °C , unter Belastung, wie etwa der Anstieg auf Namche B., leichter Wär-

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mestress (schwitzen), nachmittags bewölkt mit erhöhter Schauerbereitschaft, zeitweise aufliegende Wolken (Nebel wie bei der Ankunft in Namche B., Temperaturabnahme bei weiterer Windgeschwindigkeitszunahme, abends kühl, aber generell ohne Kältestress, da nur wenig Wind.

TYP B Er ist typisch für die Höhenbereiche von 3.500 bis ca 4.500 m, demnach Hochtalniveau (im Khumbutal etwa bis Deboche). Am Morgen liegen die Minima bei –3° bis 2 °C bei leichtem Talauswind , 1–2 m/s, demnach leichter Kältestress beim Frühstück, mit Bewegung kommt allerdings rasch ein ausreichendes Wohlbefinden, zumal dieser Typ antizyklonal ist und deshalb vormittags heiter ist (schon merklich stärkere Einstrahlung als im unteren Talniveau). Zu Mittag folgt häufig die Phase mit rasch zunehmender Konvektionsbewölkung analog zu Typ A, die Maximaltemperaturen liegen bei etwa 7–13 °C (die höheren Werte gelten für den Abschnitt Namche B. bis Tengboche); nachmittags merkliche Steigerung der Windgeschwindigkeit bis auf 4–7 m/s im Sinne eines lebhaften Taleinwindes mit zunehmender Schauertätigkeit, ab 4.300 m als Schneeschauer, daher immer deutliche Abkühlung nach den Schauern und mäßiger Kältestress, nur unter Bewegung wird Behaglichkeit erzielt; abends nachlassender Wind , aber auch weiteres Absinken der Temperatur auf leichten Frost.

TYP C Dieser Typ repräsentiert die Bedingungen in den Talschlusslagen des Khumbutales ab ca. 4.500 m. Leichter Kältestress ist hier eine typische Erscheinung, wobei das Maximum generell am Nachmittag mit starkem bis stürmischem Taleinwind eintritt (häufig in Verbindung mit Schneeschauern) und Absinken der Temperaturen auf Werte von –3 bis 0 °C; abends dann Nachlassen des Windes und daher weniger Kältestress, dafür während der Nacht teils kräftige Fröste bis ca. –10 °C (generell bei –5 bis –8 °C); angenehmster Zeitbereich ist der Vormittag mit kräftiger Einstrahlung und Temperaturanstieg bis Werte deutlich über 0° (zumeist 3–6 °C).

TYP D Es handelt sich hierbei um einen Sonderfall der Typs C, er betrifft demnach ebenso die Talschlusslagen; der Unterschied besteht im zyklonalen Verlauf. Die Bewölkung ist dabei ganztägig erhöht oder überhaupt bedeckt und es treten verbreitet Niederschläge auf – wegen der Höhenlage in Form von Schnee. Zumeist ist die Heftigkeit der Schneefälle dabei so groß, dass Gewitter damit verbun-

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den sind (Beispiele: 29. 4., 26. 4.); das Temperaturniveau bleibt insgesamt deutlich unterdurchschnittlich, speziell tagsüber, sodass Kältestress nun ganztägig auftritt. Die Windgeschwindigkeiten übersteigen allerdings kaum die 5-m/sMarke, es gab insgesamt 3 solcher Tage, 2 davon an der Silberpyramide, wobei zu bedenken ist, dass allein schon die Tatsache von erheblichem Neuschnee und die fehlende Sonnenscheindauer die Wahrscheinlichkeit zu negativer Stimmungsneigung markant erhöht.

TYP E Dieser Typ stellt eine Variante des Typs C dar, wobei die wesentlichen Unterschiede darin bestehen, dass es die höchsten Tallagen im Khumbutal betrifft (5.000 m Seehöhe und darüber, also z. B. die Silberpyramide oder das Basecamp für den Island-Peak) und damit die Temperaturmaxima noch etwas tiefer liegen (um 0 °C oder knapp darüber), dafür aber der Kältestress tagsüber durch die Reflexionsstrahlung von der Schneedecke gemildert wird. Der oft bis in die Abendstunden anhaltende Taleinwind kann jedoch trotzdem gefühlte Temperaturen, je nach Windstärke und Position des Camps oder der Lodge, bis zu –8 °C hervorrufen.

TYP F Einen weiteren Sonderfall des Typs C in Hochlagen stellt der Typ F dar. Er beinhaltet einen starken Kontrast zwischen starkem Kältestress am Morgen und durchaus angenehmen Bedingungen tagsüber, verursacht durch stürmischen Wind am Morgen des 30. 4., wobei eine gefühlte Temperatur von etwa –16 °C registriert wurde (–7 °C bei einer Windgeschwindigkeit von 6–8 m/s; auch im Zelt Frost beim Frühstück von etwa –4 °C!!). Tagsüber aber dann bei abnehmender Windgeschwindigkeit und kräftiger Einstrahlung bei gleichzeitiger hoher Albedo (wegen des Neuschnees hohe Strahlungsbelastung) gute Bedingungen für die Besteigung des Kala Pattar; abends wieder mäßiger Kältestress, der psychisch nach dem schönen Tag kaum in der Form wahrgenommen wurde – außerdem dürfte wohl ein gewisser Gewöhnungseffekt an die Kälte eingetreten sein; es war immerhin der 3. Tag an der Pyramide.

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T h o m a s K ü p p e r, A r n i c a Ve r e n a H e m m e r l i n g , M a r l i s C a e s a r

Kameradenrettungs-Kenntnisse b e i H i m a l a j a - Tr e k k e r n First Aid knowledge of trekkers in the Himalayas S U M M A RY We investigated whether the knowledge of trekkers in the Himalayas (Solo Khumbu Region) is adaequate to manage alpine emergencies. Therefore we used a questionnaire that was evaluated and validated to investigate mountaineers in the Western Alps (1). In spite of the specific individual risk of trekkers they show no difference to the poor knowledge of alpine mountaineers. The paper describes the main focus of their knowledge as well as those points which show poorest knowledge, as to assist the choice which themes should be stressed during alpine First Aid training. We suggest main focuses as well as training strategies. The problem to motivate alpinists to join training courses in First Aid is discussed. Keywords: risk management, First Aid, camerade rescue, trekking.

Z U S A M M E N FA S S U N G Zur Klärung der Frage, ob Trekker ein risikoadäquates Wissen in Kameradenrettung und alpiner erster Hilfe aufweisen, wurde Im Solo-Khumbu-Tal/ Nepal eine Befragung mit einem zuvor an Westalpenbergsteigern validierten Fragebogen (1) durchgeführt. Insgesamt finden sich trotz des spezifischen Individualrisikos keine wesentlichen Abweichungen von dem rudimentären Wissen des zuvor untersuchten Kollektivs der Westalpenbergsteiger. Schwerpunkte des Know-hows der Trekker werden ebenso dargestellt wie Brennpunkte, um so die fachliche Schwerpunktbildung bei Ausbildungsmaßnahmen zu unterstützen. Ausbildungsvorschläge und -strategien werden ebenso diskutiert wie die Problematik, Trekker und Alpinisten zu einer Ausbildung in alpiner erster Hilfe zu motivieren. Schlüsselworte: Risikomanagement, erste Hilfe, Kameradenrettung, Trekking.

A U S G A N G S D AT E N Mehrere Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit hatten zum Ziel, das Risi-

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komanagement beim organisierten wie beim privaten Bergsteigen und Trekking zu durchleuchten. Sie erzeugten erhebliche Zweifel daran, dass im präventivmedizinischen Sinne irgendein adäquates Risikomanagement in der Praxis im Gelände realisiert wird, weder beim privaten noch beim organisierten (kommerziellen) Alpinismus. Trotz bekannt langer Rettungszeiten sind die Kenntnisse von Alpinisten, die „klassische“ Hochtouren in den Westalpen (Umgebung Margherita-Hütte/Monte Rosa, Walliser Alpen) unternehmen, minimal (1): Summarisch betrachtet waren von 283 Probanden 35,7 % nicht in der Lage, auch nur eine einzige (!) von 17 Fragen zu Basiswissen der Kameradenhilfe richtig zu beantworten – und das, obwohl bei immerhin 17,3 % der Studienteilnehmer berufliche Vorkenntnisse zu fordern wären (Bergführer, Ärzte, Medizinstudenten, Bergrettungsleute, Sanitäter …) (1). Im Mittel wurden nur 12 % der Fragen richtig beantwortet. Während die Kenntnisse bei Höhenerkrankungen, Volumenmangelschock und kardialen Notfällen relativ gut waren, wurden nur jeweils 5 % der Fragen zu Schmerzbekämpfung und Notfallmanagement richtig beantwortet und gerade 2 % der Fragen zum Themenkreis der Hypothermie (1). Letzteres erscheint vor allem gravierend vor dem Hintergrund der extremen Klimaexposition der Notfallopfer (2), die aufgrund theoretischer Berechnungen trotz der relativ kurzen Rettungszeiten der Region Zermatt mit bis zu 30 % hypothermer Patienten erwarten lassen (3). Im Mittel sind Notfallpatienten hier eine halbe Stunde auf die alleinige Hilfe ihrer Kameraden angewiesen (2) und dabei recht harten äußeren Bedingungen exponiert: So herrschen bei 67 % westalpiner Unfälle am Notfallort Chilltemperaturen unter –10 °C, solche unter –35 °C sind keine Seltenheit (2). Auffallend war auch, dass Grundlagenwissen wie die Lagerung von Patienten weitgehend fehlt. Als besondere Problemgruppen kristallisierten sich Männer über 40 Jahre heraus, insbesondere Ärzte, Bergführer oder solche aus dem romanischen Sprachraum (1). Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass im aktuellen Istzustand nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Gros der Alpinisten auch nur einigermaßen adäquate Kenntnisse in alpiner erster Hilfe und Kameradenrettung besitzt. Als Lichtblick konnte die Arbeitsgruppe in früheren Arbeiten dagegen detailliert darstellen, dass Laien sehr wohl und mit erstaunlich geringem Aufwand in der Lage sind, alpin relevante Notfälle richtig einzuschätzen und – soweit aufgrund der Umstände überhaupt möglich – richtig zu reagieren (4, 5, 6). Das ungelöste Problem liegt zweifellos darin, einen größeren Kreis Betroffener für derartige Ausbildungen zu motivieren. Um zu klären, ob in der Praxis des privaten Trekkings ein adäquates Risikomanagement stattfindet, wurde im Rahmen des Projektes „Silberpyramide“ die KETE-Studie durchgeführt („Knowledge and education in trekking emergen-

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cies“). Sie zielte darauf ab, das derzeitige Know-how der Trekker hinsichtlich erster Hilfe und Kameradenrettung zu ermitteln und mit dem eines in den Westalpen untersuchten Kollektivs (1) zu vergleichen.

M AT E R I A L U N D M E T H O D E Es wurde ein Fragebogen verwendet, der praktisch identisch zu dem der KEMEStudie war und dort bereits evaluiert wurde (1). Die Änderungen bestanden darin, dass Fragen zur Nahrungsmittel- und Trinkwasserhygiene (bzw. allgemeinen Infektionsprophylaxe auf Reisen) ergänzt wurden sowie Fragen zu Höhenkrankheiten um das Höhenhirnödem erweitert wurden, sodass der Fragebogen aus insgesamt 20 Fragen zzgl. Fragen zur Selbsteinschätzung der Kenntnisse bestand. Hinsichtlich der Auswertung wurde analog zur KEME-Studie vorgegangen (1). Die statistischen Verfahren waren ausnahmslos non-parametrisch (Chi-Quadrat-Test, Mann-Whitney-U-Test für unabhängige Stichproben).

ERGEBNISSE Allgemeine Beobachtungen Im Gegensatz zur KEME-Studie, die auf großen Anklang bei den Alpinisten traf, wurde die Zahl der Probanden bei der aktuellen Studie durch mehrere äußere Faktoren begrenzt. Hinsichtlich des Individualtourismus waren dies vor allem die akut instabilen politischen Verhältnisse in Nepal, die im Untersuchungszeitraum regional zu einem Rückgang um bis zu 95 % des Tourismus geführt haben. Unsystematische Untersuchungen (Gespräche) zeigten klar, dass die Teilnehmer eigenständiger Unternehmen ganz eindeutig ihre begrenzte Kompetenz hinsichtlich alpiner Notfälle realisieren, allerdings in den meisten Fällen keine Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen haben. Manche verlassen sich darauf, dass sie in dem relativ gut frequentierten Zielgebiet im Notfall irgendeinen kompetenten Ansprechpartner (Bergführer, Arzt …) auffinden werden, der ihnen weiterhelfen wird. Trotz der bewussten begrenzten Kenntnisse ist dieser Personenkreis eher abgeneigt, die fehlenden eigenen Kenntnisse an einen Partner (z. B. Reiseunternehmen im Rahmen einer organisierten Trekkingtour) zu „outsourcen“. Ergebnisse des Fragebogens Aufgrund der Probandenzahl ist die Aussagekraft der Ergebnisse nicht so gut abzusichern wie in der KEME-Studie. Hinsichtlich Alters- und Geschlechtsverteilung sowie alpiner Erfahrung ist das Kollektiv mit dem der KEME-Stu-

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die vergleichbar. Erwartungsgemäß weicht das Muster der beteiligten Nationalitäten erheblich von dem der KEME-Studie ab: Es dominierten deutsche, österreichische und amerikanische Alpinisten. Im Mittel wurden 22,5 % der Fragen komplett richtig beantwortet (Abbildung 1). Ähnlich wie auch bei KEME schwankt die Korrektheit der Antworten ganz erheblich, abhängig vom Themenkomplex (Abbildung 2). Wie bei der KEME-

Abbildung 1: Vollständig korrekt beantwortete Fragen zur ersten Hilfe und Kameradenrettung

Abbildung 2: Vollständig korrekt beantwortete Fragen nach Themen

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Studie dominieren hier die Themen „Herznotfälle“ , „Volumenmangelschock“, und „Höhe“. Besonders gut war das Wissen der Probanden hinsichtlich der folgenden Aspekte: • 97,4 % waren sicher in der Lage, eine Differenzierung zwischen Atemwegserkrankungen mit Brustschmerzen und Angina-pectoris-Schmerzen zu machen.

• 94,9 % wussten, dass eine Schmerzausstrahlung nicht zwingendes Symptom bei Angina pectoris ist.

• 97,4 % wussten, dass eine Reanimation unterkühlter Patienten auch nach längerer Stillstandszeit erfolgversprechend ist.

• 94,9 % erkennen die Symptome eines Volumenmangelschocks. • 92,3 % wissen, dass eine Schneeblindheit auch bei Nebelwetter eintreten kann. • 92,3 % wissen, dass ein Höhenlungenödem normalerweise keinerlei Tendenz zur Spontanheilung zeigt, sondern eine Notfallindikation zur Kameradenhilfe (Abstieg) ist.

• 92,3 % wissen, dass ein Sturz auf eine weiche Unterlage (Moospolster o. ä.) eine schwere Hirnverletzung auch bei fehlenden äußeren Verletzungszeichen nicht ausschließt.

• 92,3 % differenzieren richtig zwischen kardialem Kollaps und hitzebedingten Kollapszuständen. Umgekehrt gibt es zahlreiche Punkte, bei denen ein erhebliches Wissensdefizit besteht. Am dramatischsten ist dieses bei den folgenden Aspekten: • Die Gefahr des Afterdrops bei fortgeschrittener Unterkühlung ist weitgehend unbekannt (23,1 % richtige Antworten).

• Die Pupillenreaktion als Kontrollmöglichkeit der Sauerstoffversorgung des Gehirns (z. B. im Falle der Herz-Lungen-Wiederbelebung) ist kaum bekannt (30,8 % richtige Antworten).

• Dass bei Blitzschlag auch ohne Sturz des Opfers auf mögliche Knochenbrüche geachtet werden sollte, ist weitgehend unbekannt (23,1 % richtige Antworten).

• Die besondere Unterkühlungsgefahr bei Wirbelsäulenverletzungen/spinalem Trauma ist praktisch völlig unbekannt (auch bei den beteiligten Ärzten) (7,7 % richtige Antworten).

• Große Defizite bestehen beim Thema „Patientenlagerung“. So ist nur 30,8 % der Probanden bekannt, dass bei Brustkorbverletzungen auf die betroffene Seite gelagert werden sollte.

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• Große Defizite bestehen hinsichtlich des taktischen Vorgehens bei der Kameradenhilfe. So ist nur 17,9 % bekannt, dass ein Rückzug mit einem nicht gehfähigen Verletzten im flachen Gelände wesentlich kraftaufwendiger für die Helfer ist als im Steilgelände.

• Unerwartet große Defizite bestehen auch im Bereich Infektionsprophylaxe/ Trinkwasserhygiene (10,0 % richtige Antworten). Vergleicht man die Ergebnisse des um die Ärzte des Silberpyramidenprojektes bereinigten Kollektivs hinsichtlich Unterschiede zwischen Probanden ohne und mit beruflich zu erwartenden Vorkenntnissen (z. B. Bergführer, Ärzte …), so ergibt sich kein signifikanter Unterschied. Beim Vergleich der Ergebnisse der aktuellen Studie (unter Ausschluss der erwähnten ergänzten Themen) mit denen der KEME-Studie findet sich ebenfalls kein signifikanter Unterschied. Hinsichtlich beider Ergebnisse sei erneut auf die limitierte Probandenzahl in der aktuellen Studie hingewiesen. Die Selbsteinschätzung der Kenntnisse (Variationsbreite abhängig von Thema der Fragen in Klammern angegeben) insgesamt lautet bei 8,6 % der Probanden „sehr gut“ (–22,5), 27,7 % schätzen ihre Kenntnisse als „recht gut“ (15–45) und 26,6 % als mittelmäßig (15–37,5) ein. 16,4 % betrachten ihre Kenntnisse als „lückenhaft“ (5–27,5) und 10,1 % als „gering“ (0–20). 10,6 % nahmen keine Selbsteinschätzung vor. Hinsichtlich dieser Selbsteinschätzungen finden sich relativ geringe Schwankungen bei der Differenzierung nach Themenbereichen. Tendenziell werden jedoch die Bereiche „Kälteschäden“ und „Höhe/Akklimatisation/Höhenerkrankungen“ wesentlich besser eingeschätzt als „Kopfverletzungen“, „Frakturen“, „Strategie“ und „Verletztenuntersuchung“. Trägt man die Selbsteinschätzung gegen die im Fragebogen real erreichten richtigen Antworten auf, so ergibt sich eine massive Streuung der Werte, die in ihrer Abweichung von Null (entsprechend richtiger Selbsteinschätzung) nahezu ideal der Gauß’schen Normalverteilung folgt.

DISKUSSION Risikomanagement besteht prinzipiell aus 3 Ebenen bzw. Prinzipien: 1. Primärprävention. Hierunter fallen alle Maßnahmen inkl. Wissen um Notfälle und notwendige Maßnahmen, die darauf abzielen, dass ein Notfall gar nicht erst eintritt. Ein Beispiel wäre, ein adäquates Höhenprofil bereits bei der Routenplanung zu berücksichtigen. 2. Sekundärprävention. Hierunter fallen alle Maßnahmen inkl. Wissen um Notfälle und notwendige Maßnahmen, die darauf abzielen, dass ein eingetretener Notfall nach Möglichkeit beherrschbar bleibt (beispielsweise durch adäquate Erste-Hilfe-Kenntnisse). 3. Tertiärprävention.

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Hierunter fallen alle Maßnahmen inkl. Wissen um Notfälle und notwendige Maßnahmen, die darauf abzielen, dass Wiederholungsfälle vermieden werden, beispielsweise durch Erfassung und Auswertung von Zwischenfällen. Aus dem Gesagten geht klar hervor, dass in diese Ebenen unterschiedliche Personenkreise involviert sind: Zunächst einmal der Alpinist selbst, der auf allen 3 Ebenen dafür verantwortlich ist, dass er seinen Sport so sicher wie möglich ausführt. Auch öffentliche oder amtliche Stellen können involviert sein, beispielsweise im Falle der Verkehrssicherungspflicht auf Pisten und dem Vorhalten geeigneter Rettungsmittel und -infrastruktur. Im Falle geführter Touren oder organisierter Reisen kommt den Organisatoren hinsichtlich aller 3 Ebenen des Risikomanagements eine ganz besondere Verantwortung zu, und zwar sowohl aus traditioneller Sicht („Bergkameradschaft“) als auch aus juristischer Sicht, denn es ist in praktisch allen Fällen davon auszugehen, dass den Teilnehmern gegenüber eine Garantenstellung besteht. Bereits bei der optimalen Rettungsinfrastruktur der Region Zermatt dauert es im Mittel eine halbe Stunde, bis organisierte Rettung am Notfallort eintrifft, und das auch nur dann, wenn ein Mobiltelefon zur Alarmierung eingesetzt wird (2). Für Trekkingunfälle dürfte – ohne dass irgendwelche Daten vorliegen – in noch viel größerem Ausmaß als bei westalpinen Unfällen gelten, dass Betroffene über einen sehr langen Zeitraum auf die Hilfe ihrer Kameraden angewiesen sind. Aus präventivmedizinischer Sicht wären für Trekker also im Sinne eines guten Risikomanagements besonders fundierte Kenntnisse in der Kameradenhilfe zu fordern. In der Realität finden sich, abgesehen von wenigen Details, keine Unterschiede zu dem in den Westalpen untersuchten Kollektiv mit seinen Minimalkenntnissen. Ähnlich wie in der KEME-Studie erscheint es besonders bemerkenswert, dass Personen, von denen aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung eigentlich bessere Kenntnisse zu erwarten gewesen wären (Bergführer, Ärzte …), sich von Einzelfällen abgesehen nicht vom Kollektiv der Laien unterscheiden (1). Zu ähnlichen Ergebnissen ist bereits NEUREUTHER 1969 gekommen (6). Problematisch wird die Situation für die Betroffenen dadurch, dass Selbsteinschätzung der eigenen Kenntnisse offensichtlich kein valider Parameter ist, ein Ergebnis, das wir auch in einer früheren Studie erarbeitet haben (1). Bei der KEME-Studie war das Niveau der Notfallkenntnisse praktisch völlig unabhängig von der Art der individuellen Ausbildung der Alpinisten, sondern ganz offensichtlich im Wesentlichen von deren persönlicher Motivation geprägt. Viele hatten einen Großteil ihrer Kenntnisse im Selbststudium erworben und keinerlei systematische Ausbildung durchlaufen. Diverse psychologische Barrieren sind bei dem Versuch, Personen in erster Hilfe auszubilden, gut bekannt (7, 8, 9, 10). Auch findet sich keine erhöhte Bereitschaft zu derartiger Ausbil-

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dung bei Personenkollektiven, die ein erhöhtes Individualrisiko aufweisen [9], (11). Letztere Untersuchungen bezogen sich zwar auf kardiopulmonal gefährdete Patienten, aber die Verallgemeinerung auf „Risiko“ unabhängig von der Erkrankung erscheint plausibel. Im konkreten Falle wäre dies eine Erklärung für die fehlende Motivation der im Vergleich zur Stadtbevölkerung höher – oder zumindest spezifisch – gefährdeten Gruppe der Bergsteiger. Als positiver Motivator ist der Einfluss der Medien nicht zu unterschätzen (11). Im alpin-technischen, bislang nicht jedoch im alpin-medizinischen Bereich finden sich ähnliche Beispiele. So sind Seilschaftsstürze extrem selten geworden, nachdem das Thema in den 80er-Jahren seitens des DAV-Sicherheitskreises massiv publiziert wurde (Übersicht in (12)). In kleinen Kollektiven konnte auch im alpin-medizinischen Bereich gezeigt werden, dass diejenigen Laien, die aufgrund der äußeren Umstände (Motivation, Berufsausbildung, Gruppendruck u. v. a.) sachgerecht angeleitet werden, erstaunlich sicher im Umgang mit alpinen Notfallsituationen werden können (4, 5, 13, 11, 14). Grundsätzlich bestehen zwei ungelöste Probleme hinsichtlich der Ausbildung von Alpinisten zu Themen der Kameradenrettung: einerseits die bereits erwähnte Motivation und andererseits die inhaltliche Gestaltung entsprechender Ausbildungen. Die meisten Ausbildungen orientieren sich am Notfallspektrum der „Zivilisation“ (14, 15), welches natürlich von dem in alpiner Umgebung und erst recht in Trekkinggebieten ein völlig abweichendes Spektrum zeigt. Unglücklicherweise liegen aber trotz zahlreicher Studien, die über Alpinunfälle vorliegen, keine Daten vor, die für die Entwicklung einer zielgruppenorientierten Ausbildung verwendet werden können (siehe hierzu ausführliche Diskussion in (1)). Nach derzeitiger Datenlage kann jedoch festgestellt werden, dass der Vermittlung der Themen „Verletzungen/Frakturen“, „Kälte“ und „Höhe“ besondere Bedeutung zukommt (1). Im Gegensatz dazu kann für Trekker auf eine gesonderte Ausbildung in Herz-Lungen-Wiederbelebung verzichtet werden, weil einerseits derartige Notfälle beim Trekking extrem selten sind (16) und andererseits Betroffene unter den gegebenen äußeren Bedingungen keinerlei Überlebenschance haben (ausführliche Diskussion hierzu in [1]). Wesentlich mehr Erfahrung und Daten liegen dagegen über die Art der Ausbildung vor (13, 14, 17, 18, 19). Grundsätzlich muss ein Teilnehmer das Problem verstehen, eine Lösung erarbeiten oder bekommen und diese erklärt werden (18, 19). Begrenzte Ausbildungszeit erfordert einen Kompromiss zwischen der Betonung grundlegender Zusammenhänge und praktischer Ausbildung. Dabei sollte dem Vermitteln von Zusammenhängen und Verständnis der Schwerpunkt eingeräumt werden, denn Verständnis von Zusammenhängen und Prinzipien erhöht die Fähigkeit selbstständiger Problemlösung am Unfallort wesentlich mehr als die Vermittlung manueller Fähigkeiten allein (1, 14, 17). Die Ausbildungsdau-

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er sollte als Kompromiss aus der Stoffmenge und der Motivierbarkeit potenzieller Kandidaten 3 bis 4 Tage nicht überschreiten (1). Alternativ kann die notwendige Theorie an Abendseminaren vermittelt werden, um die Praxisausbildung an einem Wochenende durchzuführen. Umfangreiche Erfahrungen mit diesem Vorgehen liegen noch nicht vor, erste Erfahrungen sind jedoch positiv. Eine Wiederauffrischung des Wissens sollte spätestens alle drei Jahre erfolgen (1). Zusammengefasst bestehen massive Defizite bei Trekkern hinsichtlich ihrer Kenntnisse in alpiner erster Hilfe und Kameradenrettung. Während es möglich sein sollte, trotz minimaler Datenlage Ausbildungsinhalte zusammenzustellen, die der Zielgruppe recht gut gerecht werden, muss die fehlende Motivation des größten Teils des Kollektivs nach wie vor als ungelöstes Problem betrachtet werden. Im Falle, dass ein größerer Personenkreis motiviert werden sollte, bestünde dann als Sekundärproblem das derzeit noch minimale Lehrangebot.

L I T E R AT U R (1)

Küpper T., Wermelskirchen D., Beeker Th., Reisten O., Waanders R.: First aid knowledge of alpine mountaineers. Resuscitation, 58(2), 159-169 (2003).

(2)

Küpper T., Steffgen J., Jansing P.: Cold exposure during helicopter rescue operations in the Western Alps. Ann Occup Hyg, 47(1), 7-16 (2003).

(3)

Küpper T.: Unpublished Data.

(4)

Küpper T. et al.: Rescue by Ski Patrols in Swizerland – Safety for the Skier. Int J Sports Med, 23, 524-529 (2002).

(5)

Küpper T.: Notfalluntersuchung: Schema für den Ersthelfer am Unfallort, in Survival Alpin, T. Küpper, Editor, Pietsch-Verlag: Stuttgart, 169172 (1997).

(6)

Neureuther G.: Probleme bei der Erstversorgung beim Bergunfall. Münch Med Wochenschr, 7, 332-339 (1969).

(7)

Goniewicz M.: The ability of drivers to give first aid – testing by questionnaire. Wiad Lek, 51, 208-215 (1998).

(8)

Everson G. et al.: Ineffectiveness of a mass mailing campaign to improve poison center awareness in a rural population. Vet Hum Toxicol, 35 (2), 165-167 (1993).

(9)

Lejeune P. O., Delooz H. H.: Why did persons invited to train in cardiopulmonary resuscitation not do so? Eur Heart J, 8(3), 224-8 (1987).

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(10) Pearn J. et al.: Who accepts first aid training? Aust Fam Physician, 9 (9), 602-605 (1980). (11) Breivik H. et al.: Life-supporting first aid self-training. Crit Care Med, 8 (11), 654-658 (1980). (12) Schubert P.: Mitreißunfälle in Firn und Eis, in Sicherheit und Risiko in Fels und Eis, Band 2, P. Schubert, Editor. Bergverlag Rother: München, 210-213 (2002). (13) Küpper T., Wicht H., Reinartz H. D.: Verletztenuntersuchung durch den Ersthelfer – Erfahrungen in der Laienschulung mit einem schematischen Ablauf. ÖGAHM Rundbrief, 7, 34-38 (1992). (14) Rettig A.: Bergunfälle – Maßnahmen und Probleme bei der Erstversorgung. Österr Schwesternzeitung, 1, 174-177 (1973). (15) Proske J., Pommer A., David A.: Verletzungsspektrum häuslicher Unfälle. Notf Med, 26, 49-53 (2000). (16) N. N., Statistik über Erkrankungen beim Trekking. Mitteilung der Himalaya Rescue Organization, (1997). (17) Taubenhaus L. J.: What to do until the ambulance comes. Phase I of community emergency care program. N Y State J Med, 72(4), 500-2 (1972). (18) Donelan S.: Teaching emergency care skills. Wild Environ Med, 10, 125127 (1999). (19) Donelan S.: Teaching wilderness emergency care. Wild Environ Med, 10, 40-43 (1999).

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T h o m a s K ü p p e r, A r n i c a Ve r e n a H e m m e r l i n g , M a r l i s C a e s a r

Risikomanagement beim o r g a n i s i e r t e n Tr e k k i n g Risk management in organized trekking S U M M A RY Based on earlier studies in Germany (1) the real situation of safety management of trekking organizations was investigated in the Khumbu Valley (Nepal). Severe deficiencies were found regarding nearly all aspects. Any prevention mainly focuses on recommendations about vaccinations, travel insurance and altitude diseases. Our study describes the main other problems and possibilities to realize an integrative concept of safety management on organized trekking tours. Keywords: risk management, first Aid, organized Trekking.

Z U S A M M E N FA S S U N G Basierend auf theoretischen Untersuchungen in Deutschland (1) wird die Realsituation des Sicherheitsmanagements von Organisatoren von Trekkingtouren am Beispiel des Khumbu Valleys in Nepal untersucht. Es finden sich massive Defizite auf fast allen Ebenen und hinsichtlich fast aller Aspekte. Im Wesentlichen beschränkt sich die Prävention von Notfällen auf Empfehlungen zu Impfungen, Reiseversicherungen und zu Höhenerkrankungen. Die vorliegende Studie stellt die wichtigsten anderen Probleme dar und entwickelt dafür Lösungsmöglichkeiten im Sinne eines integrativen Gesamtkonzeptes des Sicherheitsmanagements auf organisierten Trekkingtouren. Schlüsselwörter: Risikomanagement, erste Hilfe, organisiertes Trekking.

A U S G A N G S D AT E N Mehrere Untersuchungen der jüngeren Vergangenheit hatten zum Ziel, das Risikomanagement beim organisierten wie beim privaten Bergsteigen und Trekking zu durchleuchten. Sie ergaben erhebliche Zweifel daran, dass im präventivmedizinischen Sinne irgendein adäquates Risikomanagement in der Praxis im Gelände realisiert wird. Bereits eine kleinere, zufällig gezogene Stichprobe aus den Trekkingangeboten der 3 größten deutschen Anbieter zeigt, dass die Tourenplanung hinsichtlich grundlegender Faktoren (untersucht wurden die Höhen-

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profile) regelmäßig höhenphysiologische Notwendigkeiten nicht berücksichtigen (2). Die Schlafhöhe wird viel zu schnell in große Höhen verschoben, bereits in der 2. oder 3. Nacht sind auf zahlreichen Touren Übernachtungen im Bereich der 4.000er-Marke (+/–500 hm) vorgesehen (Abbildung 1). Dies ist um so bedenklicher, als dass sich viele Alpinisten ganz offensichtlich auf eine sorgfältige Planung der Organisatoren verlassen müssen, denn die eigenen Kenntnisse zu alpinen Notfällen sind rudimentär (3).

Abbildung 1: Höhenprofile von 19 Touren der drei größten deutschen Anbieter von Trekkingtouren, nach dem Zufallsprinzip deren Katalogen entnommen (nach [2]) Bei organisierten Touren kommen insbesondere hinsichtlich präventiver Aspekte der Organisation und Planung zahlreiche weitere Faktoren hinzu. Es fällt beispielsweise auf, daß 77 % der Todesfälle durch Höhenerkrankungen in Nepal bei organisierten Trekkingtouren eintreten, obwohl sich nur 40 % der Trekker organisierten Gruppen anschließen (4). Das Individualrisiko steigt (!) also mit der Entscheidung, sich einer organisierten Reise anzuschließen, um den Faktor 2,4. Bei näherer Betrachtung der Höhenprofile (vgl. (2) und Abbildung 1) wundert das kaum. Am Kilimandscharo erreichen nur 22 % der Aspiranten den Kraterrand (Gilman’s Point, 5.685 m) und nur 5 % den eigentlichen Gipfel (Uhuru Peak, 5.895 m) (2) – bei einem alpinistisch derart einfachen Berg ohne jeden Zweifel ein höhentaktischer Fehler der Organisatoren. Bei angemessenem Höhenprofil sollte die Erfolgsrate am „Kili“ dagegen zumindest in der Trocken-

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zeit bei über 90 % liegen, jedenfalls wenn man die wenigen extremen Aufstiege wie beispielsweise die brüchige Breach Wall außer Acht lässt. Die Zahl der Toten am Kilimandscharo war auch durch massive Recherchen in Tansania nicht zu erfahren. EGGERT untersuchte das Sicherheitsmanagement der größten deutschen Trekkingunternehmen (n = 10) hinsichtlich der Faktoren, die laut eigener Aussage der Unternehmen Berücksichtigung finden (1). Dabei fokussierte sich die Autorin auf die Themen Kundeninformation, Tourengestaltung/Höhenprofile, Strategie und Versorgung im Notfall sowie die Datenaufarbeitung von Zwischenfällen. Zusammengefasst ergaben sich folgende Statements der Unternehmen: Detailinformationen zum Anforderungsprofil sind meist vorhanden, die persönliche Beratung jedoch eher die Ausnahme (3/10 Unternehmen) wie auch eine Vorbesprechung (2/10) oder Informationen zur Höhenproblematik (2/10). Trotzdem behaupten alle Unternehmen, dass das Höhenprofil ein wesentlicher Planungsparameter ist (vgl. dazu [2]!). Eine Überprüfung der Selbsteinschätzung der Kunden findet nur selten und wenn nur fernmündlich statt (4/10), 2/10 bieten einen (nicht verpflichtenden) Vorbereitungskurs und 1/10 eine sportmedizinische Untersuchung an. Im Falle eines notwendigen Tourabbruchs steigt der Kunde in Begleitung ab (10/10), 4/10 behaupten, dass im Notfall ein Helikopter zur Verfügung steht. Eine höhenmedizinische Schulung liegt bei 6/10 Unternehmen vor, bei 4/10 wird vom Personal eine Notfallapotheke und ebenfalls bei 4/10 ein Certec Bag mitgeführt. 3/10 Unternehmen führen Sauerstoff mit und 1/10 ein Satellitentelefon zur Notfallkommunikation. Keines der 10 Unternehmen erfasst stattgefundene Zwischenfälle, sodass sich sämtliche weiteren Fragen hinsichtlich Qualitätsmanagement erübrigt haben. Im Rahmen des Projektes „Silberpyramide“ wurde in Ergänzung bzw. Fortsetzung der Arbeit von EGGERT die RIMAT-Studie („Risk Management in Trekking“) durchgeführt. Sie sollte untersuchen, ob die aufgrund der Angaben der Unternehmen zu erwartenden Maßnahmen vor Ort [1] wirklich umgesetzt werden und ob die Maßnahmen der Organisatoren in der Lage sind, die Defizite der Teilnehmer hinsichtlich Notfallmaßnahmen zu kompensieren.

M AT E R I A L U N D M E T H O D E Die Datenerfassung erfolgte an freiwilligen Teilnehmern mittels eines Fragebogens. Die insgesamt 26 Fragen erfassten Daten zur Information durch den Veranstalter, zur Überprüfung der geforderten Voraussetzungen der Teilnehmer sowie zum Vorgehen während der Tour (Gesundheitsüberwachung der Teilnehmer, Notfälle, Vorgehen bei Notfällen …). Die Daten zu Person und Berg-

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erfahrung waren aus der parallel durchgeführten KETE-Studie (siehe unseren anderen Beitrag in diesem Jahrbuch) bereits bekannt. Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die Daten des um die Ärzte der Silberpyramiden-Expedition bereinigten Kollektivs. Dies erfolgt deshalb, weil diese Expedition bei nachträglicher Analyse unter dem Aspekt des Sicherheitsmanagements nahezu perfekt durchgeführt wurde und durch Kooperation mit höhen- und reisemedizinisch erfahrenen Ärzten alle wünschenswerten Aspekte Berücksichtigung fanden. Wenn in Einzelfällen Teilnehmer sich nicht ausreichend informiert fühlten, beruhte dies meist entweder darauf, dass zur Verfügung gestellte Information nicht gelesen oder – selten – nicht verstanden wurde. Aufgrund der limitierten Anzahl von Datensätzen beschränken wir uns bei der Darstellung der Ergebnisse auf ein rein deskriptives Vorgehen.

ERGEBNISSE Allgemeine Beobachtungen Die Zahl der Probanden der aktuellen Studie wurde durch mehrere äußere Faktoren begrenzt. Neben den akut instabilen politischen Verhältnissen in Nepal, die im Untersuchungszeitraum regional zu einem Rückgang um bis zu 95 % des Tourismus geführt haben, ist hier vor allem die Tatsache von Bedeutung, dass zahlreiche potenzielle Probanden organisierter Touren von der jeweiligen Tourenleitung aktiv und massiv daran gehindert wurden, an der Studie teilzunehmen, obwohl Anonymität sowohl des veranstaltenden Unternehmens als auch der Probanden gewährleistet war. Unsystematische Untersuchungen (Gespräche) zeigten klar, dass die Teilnehmer geführter Unternehmen ganz eindeutig fehlende alpinistische Kompetenz an den Veranstalter bzw. die Tourenleitung „outsourcen“ und sich darauf verlassen, dass die Reise gemäß State-of-the-art geplant wurde und durchgeführt wird. Bei diesen Gesprächen wurde darüber hinaus festgestellt, dass im Gegensatz zu den Feststellungen der Unternehmen in Deutschland (1) die Transportlogistik für Verletzte sowie die Kommunikationsmittel rudimentär bis nicht vorhanden sind. Die vorgefundenen gutwillig, allenfalls noch als „abenteuerlich“ zu bezeichnenden Höhenprofile entsprachen im Wesentlichen den Ergebnissen einer früheren Stichprobe (2). Im Gegensatz zu der Eigendarstellung der Unternehmen (1) ist eine Änderung von Route oder Terminplan meist nicht oder nur extrem limitiert möglich. Beim Personal geführter Touren sind die Kenntnisse in der Anwendung des Überdrucksackes regelmäßig nicht ausreichend. So fehlt u. a. die Kenntnis, dass zur Vermeidung von CO2-Narkose oder gar Tod regelmäßig ein Mindestvolumen 44


Frischluft nachgepumpt werden muss, auch dann, wenn der Sack noch ausreichenden Innendruck aufweist. Besonders bedrückend war die Tatsache, dass festgestellt werden musste, dass der Abstieg erkrankter oder gar vital gefährdeter Alpinisten in Begleitung nicht gewährleistet ist. So fand unsere Expedition einen völlig verwirrten HACEPatienten alleine und hilflos. Zahlreiche weitere ähnliche Fälle sind allein schon aus Beobachtungen des unmittelbaren Freundeskreises bekannt. So wurde in der Vormonsunzeit ein Höhenkranker am Cho Oyo aus etwa 7.000 m Höhe alleine hinuntergeschickt und später von anderen erfroren aufgefunden (5, 6). Er hatte sich, anstatt weiter abzusteigen, irgendwann einfach in den Schnee gesetzt. Einem anderen Alpinisten mit schwersten Erfrierungen an Händen und Füßen wurde vom Leiter der Tour, gleichzeitig Leiter und Inhaber des Trekkingunternehmens, dessen Kunde der Bergsteiger war, gesagt, dass er sich selbst um das weitere, also auch um seine Rückkehr nach Deutschland, kümmern müsse (5), [6]. Letzterer saß schließlich medizinisch unversorgt in einer Linienmaschine, die noch einen stundenlangen Zwischenstopp in Dubai einlegen musste (5, 6).

ERGEBNISSE Aufgrund der begrenzten Probandenzahl ist die Aussagekraft der Ergebnisse methodisch bedingt limitiert. Insgesamt konnten 40 Probanden befragt werden, was nur etwa 1/6 der Kollektivgröße der Westalpenstudie entspricht (3). Nach subjektiver Einschätzung der Betroffenen wurden ausreichende Vorinformationen von 41,5 % der Organisatoren vor Reisebeginn zur Verfügung gestellt (Abbildung 2). In den meisten Fällen wurden Lücken moniert, die sich in den folgenden Ergebnissen weitgehend spiegeln (Abbildung 2): • Als ausreichend eingeschätzte Informationen über den Ablauf der Reise standen 32,6 % der Probanden zur Verfügung.

• Informationen über das Höhenprofil der Tour hatten 28,7 % der Befragten. • Ein Vortreffen fand nur in 12,5 % statt. Bemerkenswert ist, daß dies auch solche Touren betraf, die aus alpinistischer Sicht durchaus als ernsthaft eingestuft werden müssen.

• Über die trekkingspezifischen Anforderungen der Tour waren 39,4 % der Teilnehmer vorab informiert worden. Eine wie auch immer geartete Überprüfung, ob die Kandidaten diese Anforderungen auch erfüllen, fand nur in 6,2 % der Fälle statt, und das zumeist in Form eines Telefongesprächs.

• Über Höhenerkrankungen wird offensichtlich recht umfangreich informiert. Hier gaben 86,0 % der Befragten an, nach subjektiver Einschätzung ausreichend informiert worden zu sein.

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Abbildung 2: Vorabinformationen, die vor allem für die Planungsphase und Entscheidung der Aspiranten über eine mögliche Teilnahme relevant sind (Angaben in %)

• Im Gegensatz zu dem Komplex der Höhenerkrankungen findet eine Information über die reisespezifischen Risiken kaum statt. Die diesbezüglichen Fragen wurden nur von 26,5 % der Reisenden bejaht. Mit näheren Informationen, wie von Seiten des Veranstalters das Risikomanagement geplant ist und wie im Falle eines Notfalles grundsätzlich vorgegangen wird, sind die Organisatoren offensichtlich extrem zurückhaltend (Abbildung 3): • Irgendwelche Informationen darüber, wie sich die Reisegruppe in möglichen oder zu erwartenden Risikosituationen grundsätzlich verhalten sollte bzw. wie im Falle akuter Ereignisse grundsätzlich taktisch verfahren wird, werden von keinem einzigen Unternehmen gemacht. Informationen, wie sich die Teilnehmer in konkret eingetretenen Notfällen verhalten sollten, werden zumindest ansatzweise gemacht, jedenfalls wird dies von 26,1 % der Befragten angegeben.

• Beratung oder Information zur Infektionsprophylaxe auf Reisen in unterentwickelte Länder, zu Trinkwasserhygiene und anderen Themen allgemeiner Gesundheitsprävention unterwegs werden in nur 31,1 % der Fälle gegeben. Dabei sind alle Reisenden bereits eingeschlossen, die derartige Kenntnisse auf früheren Reisen vermittelt bekommen haben. Dagegen werden spezielle Impfempfehlungen in 89,3 % der Fälle gegeben.

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Abbildung 3: Informationen und Empfehlungen der Veranstalter zum Risikomanagement (Angaben in %)

• In 100 % der Fälle wird eine Reisekranken- und Repatriierungsversicherung angeraten.

• Immerhin 38,9 % der Befragten gab an, dass ihnen Medikamente zur Akklimatisationshilfe (!) empfohlen worden waren. In den meisten Fällen waren dies Acetazolamid oder Dexametason (in Einzelfällen Kokablätter!).

• In nur 29,1 % ist den Verantwortlichen bekannt, wenn seitens der Teilnehmer individuelle Gesundheitsrisiken für die Reise bestehen oder Teilnehmer irgendeine Dauermedikation einnehmen. Einmal unterwegs, ist für viele Teilnehmer und die Organisatoren dann der Tag der Wahrheit gekommen. Hier findet offensichtlich häufig eine intensive Kommunikation zwischen den Teilnehmern und den Verantwortlichen statt (Abbildung 4): • 87,2 % der Befragten gaben an, dass sich die Verantwortlichen regelmäßig über den Gesundheitszustand der Teilnehmer informieren.

• In gleicher Häufigkeit wird angegeben, dass die Verantwortlichen sich über möglicherweise bestehende Höhenbeschwerden der Teilnehmer informieren.

• Ebenfalls 87,2 % gaben an, dass im Falle eines Notfalles eine Änderung des Reiseplans möglich sei.

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Abbildung 4: Subjektive Einschätzung des Sicherheitsmanagements während der Tour durch die Teilnehmer (Angaben in %)

• Immerhin 29,1 % gaben an, dass es während des aktuellen Unternehmens zu Unfällen oder sonstigen akuten medizinischen Notfällen gekommen sei. Über Art und Schwere der Notfälle liegen aus systematischen Gründen (Fragebogen) keine detaillierten Informationen vor.

• Die Frage, ob im Falle eines Notfalles ein Abbruch der Tour möglich sei, wurde von nur 67,2 % der Teilnehmer bejaht.

• Die Frage nach Regelungen zum Rücktransport in die Heimat im Falle schwerwiegender medizinischer Notfälle war nach Angaben der Beteiligten nur in 51,2 % geklärt.

DISKUSSION Wie in unserem anderen Beitrag in diesem Jahrbuch erläutert, besteht Risikomanagement prinzipiell aus 3 Ebenen bzw. Prinzipien. Im Falle geführter Touren oder organisierter Reisen kommt den Verantwortlichen hinsichtlich aller 3 Ebenen des Risikomanagements eine ganz besondere Verantwortung zu, und zwar sowohl aus traditioneller Sicht („Bergkameradschaft“) als auch aus juristischer Sicht, denn es ist in praktisch allen Fällen davon auszugehen, dass den Teilnehmern gegenüber eine Garantenstellung besteht. Hinsichtlich ausgeschriebener und damit öffentlicher alpinistischer Veranstaltungen werden bezüglich des Sicherheitsmanagements zunehmend hohe Anforderungen ge-

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stellt [7], [8] und erste Urteile – meist zugunsten der Teilnehmer und auf Kosten der Organisatoren bzw. der Bergführer – sind in allen Alpenländern bereits rechtskräftig. Darüber hinaus besteht zumindest in Deutschland seit mehreren Jahren die rechtliche Verpflichtung für die Anbieter von Pauschalreisen, die Reisenden über reisespezifische Risiken zu informieren. Was unter „reisespezifischen Risiken“ zu verstehen ist, lässt der Gesetzgeber leider undefiniert. Jedoch kann sich ein Anbieter nicht darauf berufen, dass er nicht unter diese Regelung fällt, nur weil er beispielsweise die Tour erst ab Kathmandu anbietet und die Reisenden sich selbstständig zu diesem Startort begeben müssen: Jeder, der 2 oder mehr Angebote zu einer Reise aus einer Hand macht, gilt als Pauschalanbieter. Diese Regelung ist im Übrigen auch für den ehrenamtlichen Bereich der Sektionen der alpinen Verbände durchaus ein Problem von erheblicher potenzieller Bedeutung, wird doch oft zu Kurs und Hüttenunterkunft (schon ausreichend für den Tatbestand der Pauschalreise!) noch die Organisation von Fahrgemeinschaften angeboten. Nach weitgehend einheitlicher Meinung der Befragten – die in den meisten Fällen nichts von der gesetzlichen Verpflichtung des Veranstalters zu derartigen Informationen wissen – sind die vor der Reise über die sicherheitsrelevanten Aspekte der Tour zur Verfügung gestellten Informationen unzureichend. Differenzen ergeben sich höchstens inhaltlicher Art. Bewusst pauschalisiert könnte man die Ergebnisse dahin gehend zusammenfassen, dass sich die Überlegungen zum Risikomanagement darauf beschränken, Impfungen und Reiseversicherungen zu empfehlen, Informationen über Höhenerkrankungen zu geben und sich vor Ort gelegentlich über den Zustand der Betroffenen zu informieren. Einige Punkte erscheinen uns jedoch besonders bedenklich: Zunächst einmal ist es für die Betroffenen oft schwer möglich, zumindest Grundsätzliches, wie beispielsweise Höhenprofile, vor der Reise oder möglichst noch vor der Buchung zu überprüfen. Dabei erscheint eine derartige Überprüfung durch kundige Verbraucher aufgrund der Planungsmängel der Veranstalter zwingend erforderlich (Abbildung 1 und [2]). Besonders wichtig ist ein bekanntes Höhenprofil in der präventiven alpinsportmedizinischen Beratung von Reisenden mit individuellen Gesundheitsrisiken. Dann ist es dem Reisenden weitgehend selbst überlassen einzuschätzen, ob er den Anforderungen der Reise körperlich und ggf. auch technisch gewachsen ist. Da irgendeine Überprüfung im Vorfeld nicht stattfindet, stellt sich dann schlimmstenfalls im abgelegenen Gelände heraus, dass Teilnehmer überfordert sind. Damit wird durch eine organisatorische Lücke im Vorfeld nicht nur eine mögliche Gefährdung einzelner Teilnehmer in Kauf genommen, sondern auch, dass der Gesamtablauf der Reise und damit der Urlaub aller Gruppenmitglieder erheblich beeinträchtigt wird. Dass dabei nicht von exotischen Einzelfällen

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geredet wird, belegt u. a. auch die Angabe der Teilnehmer mit 29,1 % medizinischen Notfällen während des aktuellen Unternehmens. Tritt ein solcher Notfall tatsächlich ein, ist kaum ein Teilnehmer jemals über dann (nach Möglichkeit) zu ergreifende Maßnahmen und Prinzipien der Taktik des Notfallmanagements informiert. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Gruppe meist nur von einem einzigen europäisch ausgebildeten Führer begleitet wird (wenn überhaupt) und ansonsten einheimisches Hilfspersonal zugegen ist, und der Tatsache, dass zumindest bei anspruchsvollen Touren die Teilnehmer nicht immer am gleichen Ort wie der Führer sein können, als nicht akzeptabel. Integraler Bestandteil des Notfallmanagements insbesondere in abgelegenen Gebieten ist, dass die Gruppe als Team funktioniert. Das setzt voraus, dass jeder zumindest grundlegend über das allgemeine Vorgehen und konkret seine möglichen Aufgaben informiert ist. Natürlich unterliegen diese Informationen in Art und Umfang einer erheblichen Variationsbreite, abhängig von der Ernsthaftigkeit des Reiseziels. Dies schließt aber zwangsläufig Regelungen für den Rücktransport ins Heimatland im Falle schwerer Zwischenfälle zwingend mit ein. Vor Ort wird den Teilnehmern auch schnell klar, dass ein Hubschrauber allenfalls örtlich und nur gelegentlich zur Verfügung steht und man mitnichten sicher und regelmäßig auf ihn zurückgreifen kann, wie von 40 % der von EGGERT befragten Unternehmen angegeben (1). Dass nur gut 2/3 der Trekker einen Abbruch des Unternehmens für möglich halten, ist schwer zu interpretieren, denn im Falle eines schweren Zwischenfalls bleibt überhaupt keine Alternative. Am ehesten sehen wir darin einen Ausdruck des subjektiv empfundenen Informationsdefizits, sozusagen ein Gefühl des der Situation Ausgeliefertseins. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass 50–80 % der Trekker in Nepal an Reisedurchfall leiden (9), was zweifellos im o. g. juristischen Sinne als „typisches“ und damit informationspflichtiges Reiserisiko zu sehen ist, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Nepal auch hinsichtlich etlicher weiterer Gesundheitsrisiken typisches Endemiegebiet ist, beispielsweise für die Tuberkulose, ist es inakzeptabel, dass sich nur 31,1 % der Reisenden über die Impfempfehlungen hinaus zu allgemeinen Gesundheitsrisiken ausreichend und kompetent beraten fühlen. Immerhin kann davon ausgegangen werden, dass nahezu alle Reisenden mit Empfehlungen zu sinnvollen Schutzimpfungen erreicht werden. Gleiches gilt für Informationen zur Höhenerkrankung. Geradezu als Kunstfehler muss bezeichnet werden, dass fast 40 % der Befragten Medikamente zur Akklimatisationshilfe angeraten werden. Es könnte die provokative Schlussfolgerung gezogen werden, dass dadurch die Beschwerden kaschiert werden sollen, mit denen bei den üblicherweise krassen Höhenprofilen (Abbildung 1) zwangsläufig zu rechnen ist. Dies widerspricht diametral

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höhenmedizinischen Empfehlungen, die eine angemessene Akklimatisationszeit und schrittweises Höhersteigen als State-of-the-art der Akklimatisation betrachten und Medikamente nur für einige wenige (ärztlich indizierte) Spezialfälle in Betracht ziehen. Die Beobachtung, dass es uns Höhenmedizinern regelmäßig verwehrt wurde, überhaupt mit Teilnehmern diese Themen zu eruieren, passt gut ins Bild der provozierenden Schlussfolgerung. Fast können einem die Führer vor Ort in ihrem sichtlichen Bemühen, dass alle gesund die Reise überstehen, Leid tun, denn ihnen fehlt nach den vorliegenden Ergebnissen in vielen Fällen nicht nur die organisatorische, taktische und materielle Rückendeckung zur Bewältigung von Notfällen, sondern in Ermangelung der Eignungsüberprüfung der Teilnehmer und des Informationsdefizits über individuelle Gesundheitsrisiken fehlt ihnen auch ein guter Teil der wesentlichen Grundlage eines belastbaren Sicherheitsmanagements. Als Fazit, das sich aus den Daten trotz ihrer limitierten Aussagefähigkeit ableiten lässt, ergibt sich die Forderung, dass aus Sicht der Trekkingunternehmen ein massives Umdenken im Hinblick auf die Etablierung eines systematischen und belastbaren Sicherheitsmanagements vor allem bereits im Vorfeld der Reisen stattfinden muss und zumindest die wichtigsten von uns aufgeführten Brennpunkte behoben werden. Da uns in keinem Fall die Originalunterlagen der Veranstalter vorgelegen haben, kann nicht beurteilt werden, ob es sich um prinzipielle Defizite handelt oder ob die Informationen die Reisenden nicht in geeigneter Form erreicht haben. Hinsichtlich der Konsequenzen vor Ort ist dies jedoch unerheblich. Da kein einziges Unternehmen eine Dokumentation und Auswertung von Zwischenfällen durchführt und damit jegliche Grundlage eines systematischen Qualitätsmanagements fehlt, gehen wir davon aus, dass es sich bei den aufgeführten Sachverhalten um prinzipielle Defizite handelt. Das häufig angeführte Preisargument ist als Gegenargument nicht stichhaltig, sondern allenfalls Eingeständnis einer Schwäche des Marketings, denn Sicherheit kann durchaus verkaufsfördernd werbewirksam umgesetzt werden. Dazu kommt, dass ein Großteil der notwendigen Änderungen mit geringem finanziellem Aufwand umsetzbar sind. Natürlich entheben Maßnahmen der Organisatoren die Teilnehmer nicht von der ihnen zumutbaren Eigenverantwortung hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte ihres Reisetraums.

L I T E R AT U R (1)

Eggert J.: Sicherheitsaspekte bei kommerziell geführten Trekkingtouren unter besonderer Berücksichtigung der Höhenproblematik, in Inst. f. Sportwissenschaften, Sportmedizin und Sportphysiologie, Universität Bayreuth: Bayreuth, 177 (1999).

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M a t t h i a s G l ü c k , K a r i n B e c k , C e n t a Vo g e l - H e i n r i c h , G u u s K r a m e r

Stressbewältigungstraining als hilfreiches Instrument zum Risikomanagement beim Höhentrekking und Höhenbergsteigen Stress management as an instrument for risk management in hiking and climbing at high altitude S U M M A RY In the course of the project “Silberpyramide 2002”, during a high altitude trekking the effects of systematic stress management training on subjective feelings were analysed. During a preparatory weekend in Europe, nine subjects had been shown long term and short term strategies to pull down stress. Social competence training and being in agreement regarding communication rules for the time during the trekking tour in Nepal were also of central importance in the course of the seminar. The results show that with the help of systematic arrangements to pull down stress and especially with interventions for social competence it is possible to avoid significant stress reactions during high altitude trekking. A correlation between subjective feelings in the psychological tests on the one side and the AMS-Score or the oxygen concentration in the blood on the other side was not noticeable. The significance of the Lake Louise-AMS-Score and the peripheral oxygen saturation as an instrument of risk management at high altitude will be reflected. Keywords: stress management, risk management, high altitude trekking, Lake Louise-AMS-score.

Z U S A M M E N FA S S U N G Im Rahmen des Projekts Silberpyramide 2002 wurden die Auswirkungen eines Stressbewältigungstrainings auf das subjektive Befinden während eines Höhentrekkings untersucht. Neun Probanden erhielten ein Vorbereitungsseminar, bei dem kurzfristige und langfristige Strategien zum Stressabbau vermittelt wurden. Zentrale Bedeutung hatten im Rahmen dieses Seminars ferner ein Sozial-

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kompetenztraining sowie die Erstellung von Kommunikationsregeln für die Zeit des Höhentrekkings in Nepal. Die Ergebnisse zeigen, dass sich durch gezielte Maßnahmen zum Stressabbau und insbesondere durch Interventionen zur Sozialkompetenz signifikante Stressreaktionen während des Höhentrekkings vermeiden lassen. Ein Zusammenhang zwischen dem subjektiven Befinden in den angewendeten psychologischen Tests und dem AMS-Score bzw. der Sauerstoffsättigung zeigte sich nicht. Die Bedeutung des Lake-Louise-AMS-Scores und der peripheren Sättigung als Instrumente des Risikomanagements ist zu überdenken. Schlüsselwörter: Stressbewältigung, Sozialkompetenz, Befinden, Höhentrekking, Risikomanagement.

EINFÜHRUNG Nicht erst seit der Katastrophe im Mai 1996 am Everest ist deutlich geworden, dass Probleme bei Expeditionen und im Höhenbergsteigen nicht selten ihre Ursache im Umgang mit sozialen Konflikten bzw. in der Qualität der sozialen Beziehungen haben. Ehrgeizige Gipfelziele und rücksichtsloses Konkurrenzdenken werden trotzdem als wesentliche Gefahrenquelle für das Bergsteigen in Gruppen nur unzureichend diskutiert. Im Rahmen der Vorbereitung von Expeditionen hat ein Sozialkompetenztraining selten Bedeutung. Längst ist andererseits bekannt, dass besonders großer Stress für Menschen aus sozialen Konflikten entsteht. Beim Risikomanagement hat man sich in den letzten Jahren vermehrt psychologischen Aspekten zugewandt. In der Praxis stehen aber die physiologischen Parameter nach wie vor im Vordergrund. Insbesondere beim Höhentrekking sind die üblichen Instrumente zum Risikomanagement im medizinischen Bereich, der AMS-Score und die Bestimmung der peripheren Sauerstoffsättigung die Grundlage der expeditionsärztlichen Betreuung. Im Rahmen der höhenmedizinischen Expedition PSP 2002 haben wir mit verschiedenen psychologischen Testinstrumenten untersucht, wie sich das seelische Befinden der Teilnehmer des Trekkings während des Aufenthalts in großen Höhen verändert. Unser Interesse galt dabei zum einen der Frage, inwiefern die psychische Verfassung bzw. das Auftreten von seelischen Belastungsreaktionen einen Zusammenhang zeigt mit der Schlafhöhe, der Sauerstoffsättigung und dem AMS-Score. Eine spezielle Fragestellung war darüber hinaus, ob ein gezieltes Training zur Stressbewältigung vor dem Aufenthalt und während des Trekkings einen Einfluss auf das Befinden und das Verhalten in der Höhe hat.

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Bild 1: Beim Outdoortraining im Rahmen des Stressbewältigungsseminars wurde vor allem auf Sozialkompetenz- und Kommunikationstraining Wert gelegt.

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Bild 2: Teambildungstraining im Hochseilgarten fĂźhrt zu gemeinsamen Grenzerfahrungen und gibt gleichzeitig Selbstsicherheit.

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PROBANDEN UND METHODIK Die 33 Teilnehmer, die sich im Rahmen der Expedition als Probanden zur Verfügung stellten, wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe, das IslandPeak-Team, war sich selbst überlassen. Es hatte keinen europäischen Bergführer. Ziel des Aufenthaltes in Nepal war primär die erfolgreiche Besteigung eines Sechstausenders. In der anderen Gruppe, im Gokyo-Team, stand dagegen der Erholungs- und Urlaubsanspruch an oberster Stelle. Auch in dieser Gruppe waren Gokyo Ri und Kala-Pattar natürlich bergsteigerische Ziele. Das Erreichen der Gipfel war jedoch nicht entscheidend. Die Gokyo-Gruppe hatte drüber hinaus einen erfahrenen Trekkingführer. Die 17 Probanden der Gokyo-Gruppe wurden außerdem nochmals in 2 Untergruppen unterteilt. Die Gruppenzuteilung erfolgte hier über matched pairs. 9 Probanden aus dem Gokyo-Team waren dann in der Vorbereitungsphase zu einem verhaltenstherapeutischen Trainingsseminar zur Stressbewältigung eingeladen (Testgruppe). Im Rahmen dieses Seminars wurden den Teilnehmern kurzfristige und langfristige Strategien zum Stressabbau vermittelt (nach A. Wagner-Link). Bei einem Outdoortraining im Hochseilgarten wurde vor allen Dingen auf die Entwicklung und Vertiefung von Sozialkompetenzen Wert gelegt (Bild 1). Insofern war das Seminar auch als Teambildungsmaßnahme zu verstehen. Die Seminarteilnehmer erarbeiteten ferner Kommunikationsregeln (Bild 2), die für die Gruppe während des Aufenthalts in Nepal als verbindlich angenommen wurden. In Nepal erhielten die Probanden der Stresstrainingsgruppe regelmäßige Anleitungen zur Tiefenentspannung. Parallel zu den zahlreichen körperlichen Untersuchungen an verschiedenen Messpunkten im Verlauf des Trekkings wurden die Teilnehmer verschiedenen psychologischen Tests (Fragebögen) unterzogen. Zur Dokumentation des Befindens bzw. von eventuell auftretenden Stressreaktionen kamen die Befindlichkeitsskala nach von Zerssen (BfS/BfS’), das State-Trait-Angstinventar (STAI) und der Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers (FBeK) zur Anwendung.

ERGEBNISSE In den beiden Untergruppen des Gokyo-Teams kam es während des gesamten Aufenthalts in Nepal zu keiner signifikanten Stressreaktion. Beim BfS bzw. BfS’ zeigen sich jedoch bei der Betrachtung der Einzelergebnisse tendenzielle Unterschiede zwischen den beiden Untergruppen. Insgesamt sind vor allen Din-

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gen beim Aufenthalt über 5.000 m Höhe die Werte in der Gruppe, die nicht am Stressbewältigungstraining teilnahm, schlechter, bei den Probanden, die das Stressbewältigungsseminar absolviert hatten und regelmäßig die Tiefenentspannung durchführten, fallen die Werte im Einzelnen und insgesamt niedriger und damit besser aus. Tendenziell scheinen also die Probanden der Testgruppe im Gokyo-Team besser mit den Belastungen in der Höhe zurechtzukommen als

Abbildung 1: Die Abbildung zeigt den Verlauf des Befindens in den drei untersuchten Gruppen, erhoben mit dem BfS und BfS’ (hier BfS’) bei der Voruntersuchung und während des Aufenthalts in Nepal. Die Ordinate zeigt die Höhe der Werte im BfS’(+20 zur Anschaulichkeit im Vergleich). Auf der Abszisse ist die Höhe der Messpunkte aufgetragen. Ein Anstieg der Werte im BfS’ bedeutet eine Zunahme der inneren Anspannung bzw. eine Verschlechterung des subjektiven Befindens. Die erste Messung in Nepal fand in Namche in 3.400 m Höhe statt. Die dritte Messung fand im Gokyo-Team in 4.750 m Höhe und zeitgleich am 23. 4. 2002 im IP-Team in 5.100 m Höhe statt. Hier zeigt sich ein signifikanter Anstieg der Werte im IP-Team. Die sechste Messung fand im Gokyo-Team in 2.940 m Höhe und im IP-Team zeitgleich in 2.610 m Höhe statt.

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die Teilnehmer in der Vergleichsgruppe. Der Vergleich der Gruppen spiegelt den Trend der Einzelergebnisse wider. Ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Untergruppen im GokyoTeam besteht nicht. Beim Fragebogen zur Beurteilung des eigenen Körpers fällt insbesondere hinsichtlich der Skala Selbstvertrauen auf, dass die Teilnehmer des Stressbewältigungsseminars insgesamt besser abschneiden. Auch hier besteht kein signifikanter Unterschied. Im Island-Peak-Team dagegen kommt es beim Messpunkt in 5.100 m Höhe am 23. 4. 2002 zu einer signifikanten Stressreaktion mit einem deutlichen Anstieg der Werte im BfS bzw. BfS’ als Ausdruck einer starken Verschlechterung des subjektiven Befindens (Abbildung 1). Der Zeitpunkt des Tests liegt vor dem Gipfelanstieg auf den Island-Peak. Vor dem Gipfelanstieg am Gokyo Ri lässt sich eine solche Reaktion bei den beiden Untergruppen im Gokyo-Team jedoch nicht beobachten.

Abbildung 2: Die Abbildung zeigt sechs Probanden, die bei der Messung auf der Silberpyramide nahezu gleiche Werte bezüglich der peripheren O2-Sättigung hatten (links in Prozenten aufgetragen), die aber völlig verschiedene Werte im BfS und somit hinsichtlich des subjektiven Befindens zeigten (unten aufgetragen).

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Bezüglich der Testergebnisse im STAI bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Island-Peak-Team und dem Gokyo-Team. Auch findet sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Probanden der Testgruppe im Gokyo-Team und der Vergleichsgruppe im Gokyo-Team. Die Ergebnisse der psychologischen Testung zeigen keine Korrelation mit der Schlafhöhe, der peripheren Sauerstoffsättigung und dem AMS-Score. Ein hohes Maß an innerer Ausgeglichenheit lässt sich bei schlechter Sättigung ebenso beobachten wie bei guten peripheren O2-Werten (Abbildung 2).

Abbildung 3: Die Abbildung zeigt die prozentuale Häufigkeit (Ordinate), mit der in den drei untersuchten Gruppen an den verschiedenen Messpunkten in der Zeit vom 18. 4. 2002 bis 6. 5. 2002 im Rahmen des AMS-Scores AMS-Symptome dokumentiert werden konnten. So zeigen am 23. 4. 2002 beispielsweise im IP (IslandPeak-Team) nur 25 % der Probanden AMS-Symptome.

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Bei der Testgruppe im Gokyo-Team werden die Werte im BfS/BfS’ mit zunehmender Schlafhöhe tendenziell besser, in der Vergleichsgruppe tendenziell schlechter (vergl. Abbildung 1). Trotz deutlicher Verschlechterung des Befindens mit signifikantem Anstieg der BfS-Werte zeigen die Probanden im Island-Peak-Team kaum AMS-Symptome im AMS-Score. Umgekehrt gehen in der Gokyo-Testgruppe niedrige BfS-Werte mit hohen Skalenwerten im AMS-Score einher (Abbildung 3).

DISKUSSION Was die Ergebnisse im Gokyo-Team anbelangt, so muss hier von einem Durchmischungseffekt ausgegangen werden. Die neun Probanden der Testgruppe, die am Stressbewältigungstraining teilgenommen haben, verbrachten die Zeit stets gemeinsam mit den Probanden, die das Seminar nicht besucht hatten und die als Vergleichsgruppe dienten. Teilweise teilten sich Probanden der Testgruppe mit Probanden der Vergleichsgruppe das Zelt. Zwischen allen Probanden der Gokyo-Gruppe bestand stets ein reger Austausch. Die Übungen zur Sozialkompetenz und die Kommunikationsregeln, so wie sie von der Testgruppe aufgestellt wurden, hatten somit Bedeutung für das ganze Gokyo-Team. Auch die Einstellung, dass die Gesundheit und die gesunde Rückkehr aller Teilnehmer das oberste Ziel seien, galt für das gesamte Gokyo-Team. Das soziale Klima war geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme. Dies drückte sich auch darin aus, dass das höhentaktische Vorgehen flexibel gestaltet wurde und die Route geändert wurde, nachdem einige Teilnehmer des Gokyo-Teams nicht so belastbar schienen. Es wurde der leichtere Weg und der für alle gangbare Weg gewählt. Vier Probanden aus dem Gokyo-Team mussten zwar absteigen, auf das subjektive Befinden wirkte sich dies aber eher positiv aus. Eine Probandin konnte nach vorübergehendem Aufenthalt in niedriger Höhe wieder aufsteigen und so auch den Kala-Pattar erreichen. Hinzu kommt, dass sich im Gokyo-Team auch ein Versuchsleitereffekt bemerkbar macht, da der psychologische Trainer auch fast durchgehend mit dem gesamten Team zusammen war. Die Interventionen zum Stressabbau wirkten sich also auch auf die gesamte Gruppe aus. Insofern lässt sich das Gokyo-Team hinsichtlich der Auswertung der Ergebnisse nur bedingt in zwei Gruppen teilen. Daher ist es unseres Erachtens auch nicht verwunderlich, dass in beiden Untergruppen eine signifikante Stressreaktion ausbleibt. Auf Grund der Probandenzahl bzw. der Stichprobengröße ist bei den durchge-

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führten psychologischen Tests ein signifikantes Ergebnis primär auch gar nicht zu erwarten. Ein tendenzieller Unterschied zwischen den beiden Untergruppen hinsichtlich des Befindens während des Aufenthalts in großer Höhe zeigt sich jedoch deutlich. Von einem Einfluss der Maßnahmen zur Stressbewältigung ist unseres Erachtens dabei auszugehen. Auch im Island-Peak-Team wäre auf Grund der Stichprobengröße bei den durchgeführten psychologischen Tests nicht unbedingt ein signifikantes Ergebnis zu erwarten. Umso bedeutsamer ist der signifikante Anstieg der Werte vor dem Gipfeltag. Diese deutliche Verschlechterung des Befindens ist als Ausdruck einer seelischen Stressreaktion zu werten. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass im Island-Peak-Team zwei Gipfelgruppen gebildet wurden. Die allermeisten Probanden waren sehr bestrebt, in das erste Gipfelteam zu gelangen, weil sie sich damit zwei Gipfelchancen ausrechneten und auf eine zweite Chance beispielsweise bei Wetterumschwung hofften. Dieses Konkurrenzverhalten verschlechterte am Tag vor dem Gipfelanstieg das soziale Klima in der Gruppe extrem. Hinzu kam, dass die Gruppe keinen Bergführer hatte und mit den Anforderungen sozusagen auf sich selbst gestellt war. Das Island-PeakTeam dient u. E. deshalb als gutes Stressmodell. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass die Schlafhöhe und die Sauerstoffsättigung nicht mit dem seelischen Befinden korrelieren. Die Ursachen für die signifikante Verschlechterung der seelischen Verfassung sind deshalb in den sozialen Spannungen und in der Kommunikation der von Leistung und Konkurrenz geprägten Gruppe zu sehen. Ferner bedeutsam ist damit zusammenhängend die Tatsache, dass aus dem Island-Peak-Team nur 50 % der Probanden den Gipfelgrat erreichten. Die Hälfte der Teilnehmer der Gruppe musste aufgrund zunehmender AMS-Symptomatik auf dem Weg zum Gipfelgrat des Island-Peaks umdrehen. Einige der Probanden konnten, weil sie sich selbst zu schwach fühlten, den Aufstieg erst gar nicht antreten. Trotz dieser Tatsache waren am selben Tag, an dem die deutliche Verschlechterung der seelischen Verfassung registriert werden konnte, bei nur 25 % der Probanden AMS-Symptome im AMS-Score protokollierbar. Die Daten des AMSScores würden nicht vermuten lassen, dass nur die Hälfte der Teilnehmer den Gipfelgrat erreicht hat. Auch die Höhe der peripheren Sauerstoffsättigung würde hier keinen Hinweis liefern. Eine Korrelation zwischen AMS-Score und subjektivem Befinden sowie zwischen Sauerstoffsättigung und subjektivem Befinden lässt sich wie gesagt nicht feststellen.

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Diese Beobachtung wird ferner gestützt durch die Tatsache, dass im GokyoTeam teilweise 75 % der Probanden AMS-Symptome zeigen, aber insgesamt bei diesen Probanden keine signifikante Verschlechterung des subjektiven Befindens vorliegt. Daher ist es unseres Erachtens sehr fraglich, ob der AMS-Score und die Sauerstoffsättigung tatsächlich hilfreiche Instrumente zum Risikomanagement beim Höhentrekking und Höhenbergsteigen sind. Wir denken, dass die Unterschiede hinsichtlich der Daten im AMS-Score zwischen Gokyo-Team und Island-Peak-Team auch darauf beruhen, dass zwei unterschiedliche Expeditionsärzte im Einsatz waren. Das heißt, der AMS-Score ist ein recht subjektives Instrument. Ferner vermuten wir, dass die Teilnehmer des Island-Peak-Teams bei den persönlichen Angaben im AMS-Score vielleicht nicht immer ehrlich waren, um das Gipfelziel nicht zu gefährden. Auch darin drückt sich die Subjektivität dieser Skala aus. Bei den psychologischen Tests wussten die Teilnehmer ja, dass sie nach dem Ausfüllen ohne Auswertung oder Betrachtung sofort wieder in die Kisten verpackt und erst zu Hause gelesen wurden. Was sie also bei den psychologischen Tests ankreuzten, hatte für die Beurteilung vor Ort keine Bedeutung. Ganz anders verhielt es sich natürlich mit den Angaben im AMS-Score. Betrachtet man, welche Probanden den Gipfelgrat erreicht haben und welche nicht, so zeigt sich, dass auch die periphere Sauerstoffsättigung hier keine Aussage im prognostischen Sinne zulässt. Wir denken deshalb, dass weder der AMS-Score noch die periphere Sauerstoffsättigung verlässliche Instrumente des Risikomanagements beim Höhentrekking und Höhenbergsteigen sind. Natürlich können wir keine Alternativen anbieten. Die Ergebnisse unserer Untersuchung deuten jedoch darauf hin, dass die Vermeidung von Gefahren nach wie vor an erster Stelle steht. Maßnahmen zur Stressbewältigung, verhaltenstherapeutische Anleitungen zum gezielten Stressabbau bei spezifischen Belastungen des Höhenbergsteigens und des Höhentrekkings und insbesondere ein Sozialkompetenztraining scheinen hier, was die Vermeidung von Gefahren anbelangt, insbesondere in der Vorbereitung von Expeditionen durchaus sinnvoll zu sein. Auch während des Aufenthalts in großen Höhen können solche Interventionen Stress aus sozialen Konflikten vermeiden helfen. Weitere Untersuchungen zu dieser Thematik sind natürlich notwendig und wünschenswert. Vielleicht finden die von uns eingesetzten psychotherapeutischen Strategien auch Eingang in die expeditionsärztliche Ausbildung oder in die Bergführerschulung.

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R e i n h a r d A s c h e r, O r t w i n B i t z e r, K a r i n L u d l , Wa l t e r P h l e p s , S t e f a n K a e h l e r

Dexibuprofen in der Symptomatischen Behandlung des Höhenkopfschmerzes: Analgetische Wirkung im Himalaja? Dexibuprofen in the Symptomatic Treatment of high-altitude headache: Analgetic effect in the Himalayas? S U M M A RY Approximately 20 % to 90 % of those who are not adopted to altitudes will experience High Altitude Headache (HAH) (4). It is well known that HAH is the predominant symptom of Acute Mountain Sickness (AMS). Over 95 % of AMS sufferers have HAH, usually frontal, developing within 6–8 h of arrival at altitude and lasting for up to 5 days (2, 3). There is evidence that dual cyclooxygenase inhibitors are effective in treatment of HAH (2, 3). Patients suffered from severe or extreme headache according to the LakeLouise AMS score and received up to 1.200 mg dexibuprofen during the 24 h observation period. Intensity of headache improved from 65.7 mm at baseline to 5 mm after 12 h and to 2 mm after 24 h on the Visual Analog Scale (VAS) (P < 0.001). The mean subjective time to total pain relieve was 48 minutes. After 12 h 93 % of patients were without pain, and therefore no patient had to descend. The majority of physicians and patients rated the global subjective assessment of efficacy and tolerability as excellent or very good. A self-limiting effect can be almost completely excluded, since HAH is lasting up to 5 days and it is suggested to be related to hypoxia. A progression of the disease to the high altitude cerebral edema is possible. The efficacy of dexibuprofen could be explained if a prostaglandin-mediated increase in cerebral microvascular permeability is part of the pathophysiology of AMS. The results suggest that dexibuprofen in this special crystal form is a safe and effective treatment for HAH. Keywords: Dexibuprofen, high altitude headache, pain relieve, effective treatment.

Z U S A M M E N FA S S U N G Etwa 20 % bis 90 % von nicht höhenadaptierten Personen leiden unter Höhen-

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kopfschmerzen (High Altitude Headache = HAH) (4). Es ist bekannt, dass HAH das Hauptsymptom der akuten Bergkrankheit (Acute Mountain Sickness = AMS) darstellt. Mehr als 95 % der Personen, die unter AMS leiden, haben nach 6–8 h Aufenthalt in ungewohnten Höhen und über eine Dauer von bis zu 5 Tagen Kopfschmerzen, die gewöhnlich frontal lokalisiert sind (2, 3). Es gibt wissenschaftliche Hinweise dafür, dass duale Cyclooxigenase-Inhibitoren eine effektive Behandlung von HAH darstellen (2, 3). Die Patienten dieser Studie litten unter schweren bis extremen Kopfschmerzen (laut Einteilung nach Lake-Louise-AMS-Skala) und erhielten bis zu 1.200 mg Dexibuprofen während der 24-stündigen Beobachtungszeit. Im Therapieverlauf verbesserte sich die Intensität der Kopfschmerzen anhand der Visual Analog Scale (VAS) von 65.7 mm (Ausgangswert) auf 5 mm nach 12 h und auf 2 mm nach 24 h (P < 0.001). Schmerzfreiheit war im Durchschnitt nach 48 Minuten erreicht. Nach 12 h waren nahezu 93 % der Patienten schmerzfrei und keiner der Patienten musste absteigen. Die Expeditionsärzte und Patienten beurteilten mehrheitlich die globale Wirksamkeit und Verträglichkeit als ausgezeichnet oder sehr gut. Ein selbst limitierender Effekt kann fast gänzlich ausgeschlossen werden, da HAH bis zu 5 Tagen dauert und ein Zusammenhang mit Hypoxie vermutet wird. Eine Progression zum Höhenhirnödem ist möglich. Die Wirkung von Dexibuprofen könnte mit einer Hemmung der Prostaglandin vermittelten Erhöhung der cerebralen mikrovaskulären Permeabilität, die einen Bestandteil der Pathophysiologie bei AMS darstellt, erklärt werden. Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Dexibuprofen in dieser speziellen Kristallform eine gut verträgliche und effektive Behandlung für HAH ist. Schlüsselwörter: Dexibuprofen, Höhenkopfschmerz, Schmerzreduktion, effektive Behandlung.

INTRODUCTION Thirty to fifty percent of all mountaineers who ascend rapidly (> 300 m/day) to mountain altitudes of over 3.000 m may experience symptoms of altitude sickness, and of these approximately 95 % may suffer from high-altitude headache (HAH) within a few hours (2). Altitude sickness is a generic term for different psychical and physical symptoms which occurs at a height of at least 2.500 m above sea level. The mechanisms leading to acute mountain sickness are not very well understood. The loss of cerebral autoregulation and a vasogenic type of cerebral edema are being discussed (11). Especially the lack of oxygen causes mild to moderate HAH, erethism, nausea, emesis, insomnia, dyspnoea and depression of alertness.

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HAH is the most frequent symptom of those mentioned above. The suggested reasons for arising from this kind of headache are 1st the decreased cerebral blood flow and 2nd the mechanical or chemical impairment of the cerebral vascular system (7). Treatment of HAH is very difficult and it is necessary to prove the efficacy of potential medicinal products in trials under realistic circumstances, where HAH occurs. The efficacy of ibuprofen in patients suffering from HAH was already tested in members of mountaineering expeditions in the Bolivian Andes and the Himalayas in Nepal (2). For this symptom of altitude sickness, this non-steroidal anti-inflammatory drug (NSAID) is the most popular medicinal product in practice of high-alpine expeditions, nowadays (3). Non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) take up place in analgesia that lies between non-acid anal-gesics (paracetamol) and opoids (14). The subjective threshold of pain, specially concerning headache is very low and people are very sensitive relating to this form of pain. Seractil(r) contains dexibuprofen as active substance, which is the S(+) part of the racemic drug Ibuprofen. Since Ibuprofen has one chiral carbon atom located on its proprionic side chain, it exists in two stereoisomeric forms: the dextrorotatory S(+)-ibuprofen (or so called dexibuprofen) and the levorotatory R(–)-ibuprofen. The therapeutic effect of ibuprofen is nearly completely due to the S(+) part (1, 6, 14). Dexibuprofen, contained in a special crystal form in Seractil(r), and racemic ibuprofen differ in their physico-chemical properties, due to their different crystal binding energy: they have different melting points and values for the heat of fusion. Furthermore, dexibuprofen has a solubility twice as high as that of the racemate (10). Therefore, it is concluded that dexibuprofen and ibuprofen are two inherently different solid-state materials. Furthermore, compared with racemic ibuprofen the usage of dexibuprofen possesses some advantages. Application of dexibuprofen means that only the therapeutically active compound is administered, since R(-)-ibuprofen is inactive as a COX inhibitor. Patients taking racemic ibuprofen receive variabale quantities of the S(+)-ibuprofen because of a time-dependent unidirectional chiral inversion of R(–)- to S(+)-ibuprofen (15). Moreover, chiral inversion is not instantaneous, the extent is variable, depends on dosing situation and is e. g. reduced in patients experiencing acute pain (9). Patients taking ibuprofen, containing R(–)-ibuprofen, are unnecessarily exposed to what the body considers to be a “second drug” which has different pharmacological and pharmacokinetic properties and becomes involved in unusual metabolic pathways, such as triglycerides and accumulation in adipose tissue (16). Indeed, dexibuprofen forms about one third of the metabolites from ibuprofen (5).

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The scientific expedition to the Himalayas in the Mount Everest-National Park in Nepal during 2002 provided the opportunity to investigate the efficacy of dexibuprofen in patients suffering from HAH and tolerability under extreme physical strain and mountainous conditions (Figure 1).

Figure 1: Area of the conduct of the PMS trial (source: private foto of R. Ascher)

METHODS This post-marketing surveillance (PMS) trial assessed the efficacy and tolerability of dexibuprofen in 43 patients suffering from HAH. Patients were treated with up to 3 tablets of 400 mg dexibuprofen during the 24 h observation period. Twelve hours after ingestion of the first tablet, patients assessed their pain relieve and were asked to indicate their need for further medication by the response to a question of the expedition physicians. After 24 h the final examination was performed. This medical treatment took place in mountain altitudes of at least 2.500 m and at mountain conditions in an maximum altitude of 5.100 m. Dexibuprofen should be administered according to the expedition physician therapy scheme and according to the SmPC. The maximum daily dose of 1.200 mg should not be exceeded during the trial period. The Lake-Loiuse AMS score for the assessment of intensity of headache consisted of a 4-point score scale (1 = no, 2 = moderate, 3 = severe and 4 = extreme headache). Pain severity was assessed by a 100 mm visual analog scale (VAS). The main criterion was “pain relief ” assessed by the VAS. Secondary criteria were “time to total

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pain relieve” and “improvement of pain intensity”, “subjective global assessment of efficacy and tolerability”. Supplementary “examination altitude above sea level” (in meters) and the “experienced strain” (BORG-scale) were documented. The BORG-scale consisted of the following scores: 6–7 = extremely easy, 8–9 = very easy strain, 10–11 = easy strain, 12–13 = not easy strain, 14–15 = strenuous, 15–17 = very strenuous, 18–20 = extremely strenuous. Suitability criteria were pain of at least 5 cm on the VAS-scale, HAH of at least moderate at the Lake-Louise AMS score, no known hypersensitivity to one component of the trial medicinal product, no evidence of hemorrhagic diathesis and no existing gastrointestinal ulcers.

R E S U LT S The 43 included patients consisted of the ethnic groups caucasian (55.81 %) and asian (44.19 %). Patients had a mean age of 35 years (Table 1). In total 2 patients were pretreated with an Aspirin 500 mg american preparation, because of lack of efficacy those patients stopped the treatement and switched to the trial medication dexibuprofen. Prior to enrollment, all patients (86 % male, 14 % female) suffered from severe (86 %) or extreme (14 %) headache according to the classification of the Lake-Louise AMS score. The administered amount of tablets was on average 1.66, with the minimum of 0.5 tablets and the maximum of 3 tablets during the 24h observation period. There was no premature ending or withdrawal of the trial. All patients (100 %) were examined at the end of the observation period (24 h). Caucasian (n= 24)

Asian (n= 19)

Combined (n= 43)

38 19–65

30 17–57

35 17–65

6 (25 %) 18 (75 %)

0 (0 %) 19 (100 %)

6 (14 %) 37 (86 %)

Dose (mg) – mean (range) 0–12 h – median 0–12 h

440 (400–800) 400

480 (400–800) 400

480 (400–800) 400

– mean (range) 12–24 h median 12–24 h

160 (0–400) 0

240 (0–800) 400

200 (0–800) 0

Age Mean (years) Range (years Gender female male

Table1: Patient demographics and administered tablet amount

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The intensity of headache improved from 65.7 mm at baseline to 5 mm after 12 h and to 2 mm after 24 h (P < 0.001) on the VAS (Figure 2). Intensity of headache assessed by the Lake Louise AMS score showed after the treatment of dexibuprofen a total pain relieve in 77 % of patients, 23 % of patients suffered from moderate headache (Figure 3). The mean subjective time to total pain relief was 48 minutes. After 12 h 60 % of patients had a pain improvement of 100 % (healing) and therefore no patient had to descend to lower altitudes and after 24 h 83 % of patients had a pain improvement of 100 % (Figure 4). Additionally, 98 % of the expedition physicians and 93 % of patients rated the subjective global judgement of efficacy as excellent or very good. Evaluation of the subjective global judgement of tolerability showed that 98 % of expedition physicians and patients rated tolerability of Dexibuprofen as excellent (Figure 5).

Figure 2: Course of the mean pain intensity difference assessed by VAS. Data are presented as mean of patients.

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Figure 3: Course of the Lake Louise AMS headache score at baseline and after treatement with dexibuprofen (24 h). Data are presented as percent of patients. Only 1 moderate adverse event with a possible causality occurred in a male 57 years old asian patient. After 3 hours the symptoms sickness and vomiting disappeared after renunciation of food and a tea break. These symtpoms can also be due to AMS.

CONCLUSION There is a great demand for an effective and safe treatment for HAH. Many drugs have been employed in the treatment of this symptom of AMS, but the results have often been unsatisfactory. For example, the 5-HT1 agonist sumatriptan is only weak effective in the treatement of HAH. On the other hand, ibu-

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Figure 4: Pain relieve of headache in percent after 24 hours according to VAS. impr. = improvement of pain intensity of headache. profen was already successfully tested versus placebo in members of mountaineering expeditions, who were suffering from HAH2. Dexibuprofen, the active substance of Seractil(r), is the S(+) part of the racemic drug ibuprofen. Since ibuprofen is an effective treatment for HAH, in the present PMS trial efficacy of dexibuprofen should be assessed in the same indication under extreme, high altitude conditions. In general HAH pain is located in the frontal region, occasionally temporal or parietal and rarely occipital. At the moment, it is unavoidable to make such trials during an mountaineering expedition, because only there the daily conditions in which HAH occurs exist. The pathophysiology of AMS is incompletely understood, but there may be an exaggerated vascular response to mild hypoxia. Changes in intracranial fluid volume have been implicated but, although cerebral blood flow increases at altitude, this has not been shown to be the direct cause of the headache of AMS (12). Other pathophysiological mechanims such as increased cerebral microvascular permeability, perhaps mediated by the enhanced effects of leucotrienes in the presence of prostaglandins, may be important (2). Furthermore, acute hypoxia and physical activity increases prostaglandin synthesis and it is suggested that these prostaglandins sensitize intracranial receptors involved in pain transmission and mechanoreceptors (4). The effectiveness of dual cyclooxygenase inhibitors for the treatment and prevention of HAH support these hypotheses and suggests that especially prostaglandins may be the important mediator for HAH. The biometric analysis showed statistically significant and clinically relevant improvements during the observation period. Every patient experienced a clear

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Figure 5: Global subjective judgement of efficacy (yellow) and tolerability (red) of dexibuprofen treatment by patients. Data are presented as percent of patients. improvement in HAH already after the 1st drug intake. Normally such patients, who are suffering from HAH, are not able to continue their mountain tour and they have to leave their expedition group and finally descend. It was demonstrated that all patients in the third examination (after 24 hours) reached higher mountain altitudes compared to the first examination (after 12 hours). It is noteworthy, that all patients of either gender and either ethnic group, who were treated with dexibuprofen could continue mountaineering without problems. They were able to bear the strain of the expedition, although they were suffering from HAH before. A self-limiting effect during the observation period can be almost completely

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excluded, since HAH is lasting up to 5 days and it is suggested to be related to hypoxia. Patients experienced after administration of dexibuprofen 400 mg tablets a very good pain reduction and more than 80 % had a complete relieve from headache. The results suggest that dexibuprofen in this special crystal form is a safe and effective treatment for high altitude headache (HAH).

ACKNOWLEDGEMENT <Projekt Silberpyramide> has been carried out in accordance with Ev-K2-CNR Committee (Bergamo, Italy) and RONAST (Kathmandu, Nepal). We express our gratitude to the Ev-K2-CNR Committee and RONAST for free use of the Pyramid Laboratory-Observatory. Further we are indebted to the project manager Robb Waanders for his cooperation.

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B e r e n d F e d d e r s e n , H a r a l d A u s s e r e r, P r i t a m N e u p a n e , S o h e y l N o a c h t a r

Veränderungen des Grundrhythmus im EEG bei Aufenthalt in großen Höhen Changes in EEG background activity during sojourns at high altitudes S U M M A RY During the “Project Silver Pyramid 2002” we investigated whether sojourns at high altitudes up to 5.050 m cause changes in the electroencephalograms (EEG) of trekkers and climbers which may be predictive of the development of symptoms of acute mountain sickness (AMS). Thirty-two healthy volunteers underwent examinations with 24 electrodes according to the international 10–20 system during a Himalayan expedition to the Khumbu Himal in Nepal. Recordings were made at sea level, 3.440 m, and 5.050 m, and the data were processed by fast Fourier transformation. The right occipital alpha frequency band (8–13 Hz) showed an initial spectral power increase at 3.440 m. At 5.050 m participants exhibited a significant decrease below baseline (p=0.009). In 18 volunteers who developed symptoms of AMS there was a continuous decrease of brain activity toward baseline measured at electrode O2 between 8 and 13 Hz. In contrast, healthy volunteers exhibited an initial increase of brain activity at 3.440 m followed by a decrease at 5.050 m. Cerebral mechanisms that compensate for the effects of hypobaric hypoxia, causing the initial changes of occipital background rhythm, may be disturbed in AMS patients. Keywords: high altitude, EEG, acute mountain sickness, prediction, hypoxia.

Z U S A M M E N FA S S U N G Im Rahmen von „Projekt Silberpyramide 2002“ untersuchten wir, inwieweit sich das Elektroenzephalogramm (EEG) in großer Höhe bis auf 5.050 m bei Trekkern und Bergsteigern verändert. Insbesondere galt es zu prüfen, ob sich das EEG als prädiktiver Marker für das Auftreten von Symptomen der akuten Höhenkrankheit (AMS) eignet, was bisher nicht geklärt war. Während einer Himalaja-Expedition im Khumbu Himal, Nepal, untersuchten wir 32 gesunde Probanden mit jeweils insgesamt 24 Elektroden, angeordnet nach dem internationalen 10–20-System. Messungen wurden auf Meereshöhe, 3.440 m und 5.050 m durchgeführt. Die Auswertung erfolgte mittels Fast-Fourier-Transformation. 18

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Probanden entwickelten im Verlauf Symptome der AMS. Insgesamt kam es in der Gesamtgruppe im Alpha-Band (8–13 Hz) rechts occipital zu einem initialen Anstieg des Leistungsspektrums auf 3.440 m mit nachfolgendem signifikanten Abfall auf 5.050 m unter Baselineniveau (p = 0,009). Probanden, die im Verlauf höhenkrank wurden, zeigten im Leistungsspektrum des occipitalen (8–13 Hz) Grundrhythmus einen kontinuierlichen Abfall der Hirnaktivität. Bei Gesunden kam es zu einem initialen Anstieg der Hirnaktivität auf 3.440 m und dann nachfolgendem Abfall auf 5.050 m. Die Veränderungen des occipitalen Grundrhythmus könnten zerebralen Kompensationsmechanismen der hypobaren Hypoxie entsprechen, die im Verlauf der Höhenanpassung bei an AMS erkrankten Personen ausbleiben. Schlüsselwörter: große Höhe, EEG, akute Höhenkrankheit, Prädiktion, Hypoxie.

EINFÜHRUNG Die Höhenkrankheit (acute mountain sickness AMS) ist durch nicht spezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Erbrechen, Übelkeit, Erschöpfung, Schwindel und Schlafstörungen gekennzeichnet (1). Sie kann in ein tödlich verlaufendes Höhenhirnödem (high altitude cerebral edema HACE) oder Höhenlungenödem (high altitude pulmonary edema HAPE) übergehen (2). Im Rahmen des „Projekts Silberpyramide 2002“ (PSP-2002) versuchten wir prädiktive Faktoren der akuten Höhenkrankheit herauszuarbeiten. Dabei interessierten uns vor allem neurologische, neurophysiologische und neuropsychologische Marker. Arbeiten zu höhenabhängigen Veränderungen im Elektroenzephalogramm (EEG) differieren stark in Ergebnissen und Methodik. In einer Studie von Ozaki 1995 (3) in einer hypobaren Sauerstoffkammer und simuliertem Aufstieg auf 3.000 m, 4.000 m, 5.000 m und 6.000 m konnten Amplitudenabnahmen im 10–11-Hz-Bereich auf 3.000 m und bei zunehmender Höhe auch im weiteren Alpha-Bereich festgestellt werden. Auf 5.000 m und 6.000 m kam es zusätzlich zu einer Zunahme der Theta-Amplitude frontal. Auf die Entwicklung von Symptomen der AMS wurde nicht eingegangen (3). Im Gegensatz dazu wurde in einer Feldstudie nach Transport von Meereshöhe auf 3.500 m eine initiale Zunahme der Alpha-Amplitude mit nachfolgendem Abfall und nachfolgendem Wiederanstieg im Verlauf von 4 Wochen registriert. Dabei nahm in der Höhe der Anteil der occipitalen Alpha-Aktivität initial zu, im Verlauf auf gleicher Höhe jedoch wieder ab (4). Bereits 1975 wurde gezeigt, dass es auf 4.300 m nach dem 5. Tag zu einer Amplitudenabnahme im EEG kommt (5). Kaufman beobachtete 1992 nach schnellem Aufstieg bis auf 4.300 m an 9 Probanden eine generelle Amplitudenzunahme (6). Sand und Nygaard stellten 1998

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EEG-Veränderungen bei 6 Probanden, welche im Verlauf Symptome der AMS entwickelten (7), fest. Dabei korrelierte eine Zunahme der Alpha-Amplitude auf 4.500 m mit einem geringeren Risiko Symptome der AMS auf erreichter Maximalhöhe 6.800–7.546 m zu entwickeln. Akute Hypoxie, wie z. B. bei Testbedingungen in einer hypobaren Kammer, und eher chronische Hypoxie bei Aufenthalt in großen Höhen scheint einen unterschiedlichen Effekt auf die EEGVeränderungen zu haben (8).

PROBANDEN UND METHODIK Wir untersuchten eine Gruppe von 32 Bergsteigern und Trekkern aus Österreich und Deutschland während einer dreiwöchigen Expedition in das Khumbu Himal, Nepal. Dabei nahmen 17 an einem Trekking zu den Gokyo-Seen 5.300 m (Gokyo-Gruppe) und 15 an der Besteigung des 6.200 m hohen Island Peak (Island-Peak-Gruppe) teil. Der Lake-Louise-Score zur Erfassung von Symptomen der AMS wurde täglich von den Expeditionsärzten erhoben. Dieser gliedert sich in einen subjektiven und einen objektiven Teilabschnitt. Dabei werden folgende Symptome eingeschätzt: Kopfschmerz, gastrointestinale Symptome, Müdigkeit/Schwäche, Schwindel, Schlafstörung, Änderung des Bewusstseins, Ataxie und periphere Ödeme. Es kann eine Punktzahl von 0–29 erreicht werden. Als höhenkrank wurden Probanden mit einem Lake-Louise-Score größer gleich 3 eingestuft. Die EEG-Untersuchungen erfolgten auf Meereshöhe, auf 3.440 m und auf 5.050 m nach den Kriterien der Internationalen EEG-Gesellschaft (10–20-System). Dabei wurden 24 Kanäle über einen Zeitraum von 10 Minuten abgeleitet. Die Probanden wurden in unregelmäßigen Abständen aufgefordert, die Augen zu öffnen und zu schließen, um ein einheitliches waches Vigilanzniveau zu gewährleisten. Verwendet wurde ein portables digitales EEG-Gerät (SIGMA-Medizintechnik). Von jedem Probanden wurden 3-mal 4 Sekunden artefaktfreie EEGAbschnitte ausgewählt und mittels Fast-Fourier-Analyse bearbeitet. Das Frequenzspektrum wurde in ein Delta-Band (1,5 bis 3 Hz), Theta-Band (3 bis 8 Hz), Alpha-Band (8 bis 13 Hz) und Beta-Band (13 bis 30 Hz) unterteilt. Für die statistische Bearbeitung wurde der Wilcoxon-Test für nicht parametrische Stichproben herangezogen.

ERGEBNISSE Von den 32 Probanden wurden 18 im Verlauf ihres Aufenthaltes höhenkrank

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(11 aus der Gokyo-Gruppe und 7 aus der Island-Peak-Gruppe; AMS-Score ≥3). Insgesamt konnten bei 5 Probanden keine Messwerte auf 5.050 m erhoben werden, da sie nicht bis auf die Silberpyramide aufgestiegen waren. Es zeigten sich zwischen dem Gokyo-Team (Maximalhöhe 5.300 m) und dem Island-PeakTeam (Maximalhöhe 6.200 m) im EEG keine signifikanten Unterschiede. In der Gesamtgruppe kam es auf 3.440 m zu einem initialen Anstieg der occipitalen Alpha-Aktivität. Auf 5.050 m zeigte sich ein signifikanter Abfall unter Baselineniveau (p = 0.009). Probanden, die im Verlauf ihres Höhenaufenthaltes Zeichen der akuten Höhenkrankheit entwickelten, zeigten einen kontinuierlichen Abfall der Alpha-Aktivität occipital, schon bevor es zum Auftreten von Symptomen auf der AMSSkala gekommen war. Bei den beschwerdefreien Teilnehmern an PSP-2002 kam es zu einem initialen Anstieg in 3.440 m und erst in 5.050 m zu einem Abfall der Alpha-Amplitude.

DISKUSSION Die Veränderungen des occipitalen Grundrhythmus auf 3.440 m bei den höhengesunden Probanden sind möglicherweise Ausdruck eines Kompensationsmechanismus im Rahmen der Akklimatisation, der im Verlauf auf über 5.000 m nicht aufrecht erhalten werden kann. Bei Probanden, die im Verlauf höhenkrank werden, scheint dieser Mechanismus von Anfang an nicht vorhanden zu sein. Dies stände in Einklang mit den Ergebnissen von Sand und Nygaard (7). Ob dies als Korrelat der möglicherweise geringeren Hyperventilation gewertet werden kann, bleibt zur Zeit noch spekulativ. Der Kontext zu anderen Studien (3, 4, 5, 6, 8) ist schwierig, da auf das Auftreten von Symptomen der akuten Höhenkrankheit nicht eingegangen wurde. So kam es bei Untersuchungen in einer hypobaren Kammer auf simulierten 3.000 m zu einer Amplitudenabnahme im Alpha-Frequenzbereich (3), bei einer anderen Kammeruntersuchung auf 4.300 m zu eine Amplitudenzunahme (6). Bei einem Vergleich zwischen chronischer Hypoxie in einer Feldstudie und akuter Hypoxie in einer hypobaren Kammer zeigten sich deutliche Unterschiede der EEG-Veränderungen (8). Studien in hypobaren Kammern und Feldstudie sind unserer Ansicht jedoch nicht nur durch die unterschiedlichen Aufstiegszeiten, sondern auch durch fehlende Kofaktoren wie Kälte, Angst und psychologischer Druck nur schwer zu vergleichen. Eine weitere Analyse verschiedener Hirnregionen mit den unterschiedlichen Frequenzspektren und deren Beziehung zu Veränderungen der Sauerstoffsättigung und des endexpiratorischen CO2 wird zur Zeit durchgeführt. 82


DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT Wir danken Mrs. Judy Benson für Copyediting des Abstracts. Für die Unterstützung bedanken wir uns bei SIGMA-Medizintechnik, dem Münchner Zeitungsverlag und der bayrischen Sparkassenstiftung. Für die Verleihung des Wissenschaftspreises 2002 danken wir der Österreichischen Gesellschaft für Alpinund Höhenmedizin. Für die Zusammenarbeit vor Ort sind wir der Ronast (Nepal), dem Comitato EV-K2-CNR (Bergamo), High-Country-Trekking (Nepal) und natürlich allen Probanden zu tiefem Dank verpflichtet.

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H a r a l d A u s s e r e r, B e r e n d F e d d e r s e n , Ve r a S a t t e l m a y e r, P r i t a m N e u p a n e

Zerebrale Durchblutung bei Aufenthalt in großen Höhen Cerebral Circulation at High Altitude S U M M A RY Increased cerebral blood flow (CBF) most likely plays an important role in the pathophysiology of high altitude cerebral edema (HACE). One of the main factors of vasogenic brain edema is thought to be elevated cerebral capillary pressure, which results in a mechanical vascular leak. Existing studies could show that the rise in CBF at high altitude is due to a hypoxic vasodilatation. In a study performed by Jansen et al (17). Mountaineers with acute mountain sickness (AMS) showed significantly higher mean flow velocities of the middle cerebral artery (ACM) than healthy controls. On the other hand, according to existing studies and to the preliminary evaluation of our own data, changes in CBF during sojourns at high altitudes are not predictive of the development of symptoms of AMS. Increased CBF after ascents to high altitude may not only play a role as a cofactor in the pathogenesis of HACE, in presence of increased intracranial pressure it also could be a compensation mechanism to guarantee sufficient perfusion of the brain. Keywords: acute mountain sickness, high altitude cerebral edema, hypoxia, mountaineering, transcranial doppler sonography.

Z U S A M M E N FA S S U N G Dem Anstieg des zerebralen Blutflusses (CBF) wird bei der Entstehung des Höhenhirnödems (HACE) eine wichtige Rolle eingeräumt. Man geht davon aus, dass es durch gesteigerten kapillären Druck in den Hirngefäßen zu mechanischen Lecks der Blut-Hirn-Schranke und dadurch zu einer vasogenen Hirnschwellung kommt (1, 2). Bisherige Studien haben gezeigt, dass der CBF in großer Höhe im Rahmen einer hypoxiebedingten Vasodilatation ansteigt. Außerdem konnte gezeigt werden, dass höhenkranke Bergsteiger höhere Flusswerte haben als gesunde (1, 7). Zum prädiktiven Wert der CBF-Änderung liegen nicht eindeutige Studienergebnisse vor. Den bisherigen Arbeiten nach und

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gemäß den vorläufigen Auswertungen unserer eigenen, im Rahmen des „Projekts Silberpyramide 2002“ erhobenen Daten eignet sich die Änderung der dopplersonographisch gemessenen Flusswerte der A. cerebri media nicht zur Vorhersage für das spätere Auftreten von Höhenkrankheit. Der zerebrale Flussanstieg bei Höhenexposition scheint einerseits sowohl Kofaktor in der Pathogenese des Hirnödems zu sein, andererseits könnte die Durchblutungssteigerung bei AMS-Kranken auch als Kompensationsmechanismus zur Aufrechterhaltung der Hirnperfusion trotz erhöhtem intrakraniellem Druck gesehen werden. Schlüsselwörter: akute Höhenkrankheit, Höhenhirnödem, Hypoxie, Bergsteigen, transkranielle Dopplersonographie.

EINLEITUNG Eine gefürchtete Komplikation beim Höhenbergsteigen ist die intrakranielle Drucksteigerung durch Hirnschwellung. Die Übergänge zwischen den meist milden Symptomen der akuten Höhenkrankheit (AMS) und dem Höhenhirnödem (HACE) sind fließend. Der pathophysiologische Hintergrund der Hirnschwellung ist noch nicht eindeutig geklärt. Kernspintomographische Studien (3), Erkrankungsverlauf (4) und das Ansprechen auf Dexamethason (5) deuten auf eine vasogene Genese des Hirnödems hin. Als mögliche Entstehungsmechanismen dafür werden eine Ausschüttung hypoxieinduzierter Mediatoren (6, 7), die gestörte Autoregulation der Hirnarterien (8) und mechanische Lecks der Blut-Hirn-Schranke durch erhöhten Kapillardruck (9) diskutiert. Vor allem bei gestörter Autoregulation kommt dem zerebralen Blutfluss (CBF) eine wesentliche Bedeutung in Bezug auf den Kapillardruck in den Hirngefäßen zu. Man geht davon aus, dass die Hirndurchblutung bei Aufstieg in große Höhen um bis zu 60 % zunimmt (10). Die komplexen Regelkreise der Hirndurchblutung in großer Höhe sind noch nicht gänzlich verstanden. Wesentlich scheint eine hypoxiebedingte zerebrale Vasodilatation und eine hypokapniebedingte zerebrale Vasokonstriktion zu sein. Im Rahmen der Höhenanpassung kommt es als Reaktion auf die Hypoxie an peripheren Chemorezeptoren (Carotis-Körperchen) zur Hyperventilation. Daraus resultiert ein Absinken auch der Kohlendioxidkonzentration im Blut (hypoxische Hypokapnie) (10). Änderungen des CBF sind auf Meeresniveau in erster Linie abhängig von der CO2-Konzentration in Blut und Liquor. Durch Studien an Tieren konnte gezeigt werden, dass der CBF-Anstieg in der Höhe maßgeblich durch die Sauerstoffkonzentration und nicht durch die Kohlendioxidkonzentration im Blut beeinflusst wird (11). Jensen dokumentierte an 6 Bergsteigern während eines Beobachtungsraums von 5 Tagen in 3.810 m ähnliche Zusammenhänge auch beim Menschen (12). In

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Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass NO- und adenosinvermittelte Reaktionen mögliche Ursachen für die hypoxiebedingten Gefäßerweiterungen sind (13, 14). Ist die Steigerung des CBF nun Ursache oder Folge des Höhenhirnödems? Eignet sich die Änderung der Flussgeschwindigkeit der Hirnarterien als prädiktiver Marker für das Auftreten von Höhenkrankheit?

D AT E N L A G E Jensen konnte nach einem Aufstieg von 3.200 m auf 4.785 m keine Korrelation zwischen CBF und AMS nachweisen (12). Baumgartner stellte bei einer Untersuchung an 23 Bergsteigern nach raschem Aufstieg bis auf 4.559 m fest, dass bei Probanden, die innerhalb 72 Stunden Symptome der akuten Höhenkrankheit entwickelten, der CBF bereits in den ersten beiden Tagen vor Erkrankung stärker anstieg als bei gesunden (15). In einer Studie an 10 Probanden über 6 Stunden in einer Unterdruckkammer konnte Baumgartner 1999 den postulierten prädiktiven Wert der ACM-Flusswerte nicht bestätigen (16). Bergsteiger, bei denen schon Symptome der Höhenkrankheit eingetreten waren, hatten gemäß einer Arbeit von Jansen und seinen Mitarbeitern signifikant höhere Flusswerte als zu diesem Zeitpunkt gesunde (17).

METHODIK Probanden und AMS-Score. Während einer dreiwöchigen Expedition in den Khumbu Himal, Nepal, wurden insgesamt 33 gesunde – normalerweise unterhalb von 500 m lebende – Bergsteiger aus Österreich, Deutschland und Italien untersucht. Davon nahmen jeweils 16 Probanden an einem Trekking zu den Gokyo-Seen („Gokyo-Gruppe“; maximal erreichte Höhe 5.300 m) und 16 Probanden an der Besteigung des Island Peak („Island-Peak-Gruppe“; maximal erreichte Höhe ca. 6.000 m) teil. Die Symptome der Höhenkrankheit wurden durch eine tägliche Erhebung des Lake-Louise-AMS-Scores durch zwei Expeditionsärzte bestimmt. Als höhenkrank wurden Probanden mit einem Gesamtscore von größer gleich drei eingestuft (AMS-Gruppe). Eine Gesamtsumme von null bis zwei wurde nicht als AMS gewertet (Nicht-AMS-Gruppe). TCD-Messungen. Mittels transkranieller Dopplersonographie wurde an jedem Abend der Expedition die Flussgeschwindigkeit (systolisch, diastolisch und Mean-Wert) der Arteria cerebri media (ACM) erhoben. Hierzu fanden zwei portable Dopplergeräte der Firma DWL (Smart Dop) Verwendung. Die Messungen wurden mit einer 2-MHz-Sonde durch die Temporalschuppe hindurch in 55 mm Tiefe durchgeführt. Jeder Proband wurde nach einer Ruhepause jeweils

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auf derselben Seite und durch denselben Untersucher untersucht. Die Flusswerte wurden auf dem Dopplergerät gespeichert und zusätzlich handschriftlich protokolliert. Die Messungen der Ausgangswerte vor Höhenexposition wurden auf annähernd Meereshöhe in Herxheim (Deutschland) durchgeführt. Aufgrund von technischen Schwierigkeiten bei der Aufbereitung und Auswertung der diversen Parameter können zum gegebenen Zeitpunkt (noch) keine zuverlässigen bzw. genauen Aussagen über die im Rahmen von „Projekt Silberpyramide 2002“ erhobenen Flusswerte gemacht werden. Die Präsentation des Datenmaterials soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden!

DISKUSSION Die Tatsache, dass höhenkranke Bergsteiger höhere Dopplerflusswerte haben als gesunde (17) ist wohl als Folge des bei Höhenkranken gleichzeitig schon bestehenden Hirnödems zu sehen. Wie bei intrakraniellem Druckanstieg anderer Ätiologie (z. B. Hirnblutung) könnte der zerebrale Fluss also kompensatorisch ansteigen, um eine Aufrechterhaltung der Sauerstoffversorgung des Gehirns trotz hohen Widerstands durch den gesteigerten Hirndruck zu ermöglichen. Andererseits steigt der CBF bei allen Bergsteigern im Laufe des Aufstiegs schon bevor Höhenkrankheit auftritt. Dies erfolgt wohl vor allem infolge einer Vasodilatation der Hirngefäße durch die Hypoxie in großer Höhe (10). Zu einer möglichen prädiktiven Aussagekraft der individuellen CBF-Änderungen beim Aufstieg gibt es bisher nur widersprüchliche Studienergebnisse. Die Vergleichbarkeit der Studien ist durch unterschiedliche Untersuchungsbedingungen, Probandenzahlen, Beobachtungszeitpunkte und -dauer eingeschränkt. Unter simulierten Bedingungen fehlen zudem andere, möglicherweise bedeutsame Faktoren wie Kälte und Anstrengung. Die vorliegenden Studien (12,16) und die bisherigen Auswertungen unserer eigenen im Rahmen des „Projekts Silberpyramide 2002“ erhobenen Daten sprechen jedoch nicht dafür, dass sich die Änderung der ACM-Flusswerte als prädiktiver Marker für die Entstehung der Höhenkrankheit eignet. In der Anfangsphase der Höhenkrankheit scheinen zusätzliche Faktoren (1) für die Entstehung des Hirnödems eine größere Rolle zu spielen. Der hypoxievermittelte CBF-Anstieg in großer Höhe ist wohl als Teil der Anpassungsreaktion zu sehen und hat in der Pathogenese des HACE möglicherweise nur als Kofaktor eine Bedeutung. Diese Vermutung steht auch im Einklang zu tierexperimentellen Untersuchungen von Yang und Krasney (18). Unter hyperkapnischen normoxischen Bedingungen ließ sich bei Schafen eine Verdoppelung des CBF provozieren. Dabei traten jedoch keine Symptome von AMS oder HACE auf. Die Autoren schlussfolgerten, dass ein hoher CBF allein nicht zu einem Hirnödem führt.

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Ist der gesteigerte CBF nun Ursache oder Folge der Höhenkrankheit? Nach der aktuellen Datenlage wäre beides denkbar. Der bei allen Bergsteigern in Höhenexposition messbare Anstieg des CBF scheint mit der Anpassung an die Hypoxie zusammenzuhängen und trägt, sofern zusätzliche Faktoren wie hypoxieinduzierte Mediatoren und gestörte Blut-Hirn-Schranke vorliegen, zur Entstehung des HACE bei. Andererseits stellt die CBF-Zunahme bei AMS-Kranken mit erhöhtem intrakraniellem Druck eine Kompensationsmöglichkeit zur Aufrechterhaltung der Hirnperfusion dar.

DANKSAGUNG An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei allen Probanden für die Mitarbeit trotz nicht immer angenehmer Bedingungen bedanken. Für die Unterstützung bedanken wir uns bei DWL Elektronische Systeme GmbH (Deutschland), der Firma TYCO Healthcare, dem Münchner Zeitungsverlag und der bayrischen Sparkassenstiftung. Der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin danken wir für die Verleihung des Wissenschaftspreises 2002. Für die Zusammenarbeit vor Ort sind wir der Ronast (Nepal), dem Comitato EV-K2CNR (Bergamo) und High Country-Trekking (Nepal) zu Dank verpflichtet. Unser Dank gilt außerdem Mrs. Judy Benson für Copyediting des Abstracts.

L I T E R AT U R (1)

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I r m g a r d H a d o l t , G e r h a r d L i t s c h e r, Ve r a S a t t e l m e y e r

Tr a n s k r a n i e l l e z e r e b r a l e O x y m e t r i e i n großen Höhen – Untersuchungen der regionalen zerebralen Sauerstoffsättigung im Rahmen des Projekts Silberpyramide Transcranial Cerebral Oximetry – investigations of regional cerebral oxygenation within the framework of the project Silverpyramid S U M M A RY Mountain trekking is significantly increasing in popularity. Hypoxia seems to play a key role in the pathogenesis of acute mountain sickness. One purpose of the investigations within the project silverpyramid 2002 was to quantify and to objectify cerebral oxygen supply by measuring regional cerebral oxygen saturation (rSO2) using noninvasive transcranial near infrared spectroscopy and peripheral oxygen saturation (SaO2) using pulse oximetry during a 22-day high altitude trekking tour in the Nepal Himalayas (2.850–5.050 m). In addition we investigated the reproducibility of data after acclimatisation by measuring two different groups under similar conditions with regard to ascent routes, duration of ascent, temperature, geographical parameters and technical equipment. RSO2 and SaO2 values were significantly (p < 0.001, ANOVA, Tukey test) reduced at high altitudes (4.450, 4.750 and 5.050 m). The decrease in cerebral oxygen saturation was more pronounced than the decrease in the periphery at higher altitudes. Reproducible data after acclimatisation at 5.050 m were found. Keywords: Cerebral oxygen saturation, near infrared spectroscopy, high altitude, acute mountain sickness.

Z U S A M M E N FA S S U N G Die Popularität des Höhenbergsteigens hat bis dato maßgeblich an Bedeutung zugenommen. Die hypobare Hypoxie scheint in der Pathogenese der akuten Höhenkrankheit eine Schlüsselrolle zu spielen. Ein Ziel der Untersuchungen im Rahmen des Projekts Silberpyramide 2002 war die Objektivierung und Quantifizierung der zerebralen Sauerstoffsättigung (rSO2) mittels transkranieller Nahinfrarot-Spek91


troskopie und Gegenüberstellung von Messungen der peripheren Sauerstoffsättigung (SaO2) mittels Pulsoxymetrie während einer 22-tägigen Höhentrekkingtour im Himalaja, Nepal (2.850–5.050 m). In weiterer Folge wurde die Reproduzierbarkeit der Daten an zwei eigenständigen Probandenguppen unter ähnlichen Messbedingungen im Hinblick auf Aufstiegsroute, Dauer des Aufstiegs, geographische Bedingungen, Temperatur und technisches Equipment untersucht. RSO2 und SaO2 zeigten einen signifikanten (p < 0,001, ANOVA, Tukey-Test) Abfall in großer Höhe (4.450, 4.750 und 5.050 m). Die Reduktion der zerebralen Sauerstoffsättigung war wesentlich ausgeprägter als der periphere Sättigungsabfall. Nach erfolgter Akklimatisation in einer Höhe von 5.050 m konnten die Messwerte der zerebralen Sauerstoffsättigung erstmalig reproduziert werden. Schlüsselwörter: Zerebrale Sauerstoffsättigung, Nahinfrarot-Spektroskopie, große Höhen, akute Höhenkrankheit.

EINFÜHRUNG Eine Höhe von 5.000 Meter reduziert den Sauerstoffpartialdruck im Blut auf nahezu die Hälfte im Vergleich zur Meereshöhe und die periphere Sauerstoffsättigung fällt bei Gesunden auf Werte um 75 % ab (1). Es ist naheliegend, dass dieser Abfall auch die zerebrale Sauerstoffsättigung beeinflusst und möglicherweise eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der akuten Höhenkrankheit bzw. des Höhenhirnödems spielt. Nach Richalet et al. (1) wird die Reaktion des menschlichen Organismus auf die hypobare Hypoxie in eine Akutphase (innerhalb der ersten 6 Stunden nach Ankunft auf neuer Höhe) und in eine Anpassungsphase (ab 6 Stunden bis 7 Tage nach Ankunft auf neuer Höhe) unterteilt, in welcher sämtliche Akklimatisierungsvorgänge ablaufen. Derzeit existieren nur wenige wissenschaftliche Publikationen, die sich mit der Untersuchung der regionalen zerebralen Sauerstoffsättigung (rSO2) in großen Höhen beschäftigen (2–7). Insgesamt wurde dabei wie erwartet ein Abfall von rSO2 und der peripheren Sauerstoffsättigung (SaO2) festgestellt. Die Reduktion von rSO2 zeigte sich jedoch nicht in dem Ausmaß wie die Verminderung der SaO2. Aufgrund der unterschiedlichen Methodik in Messtechnik, Aufstiegsrate, geographische Bedingungen und Temperatur müssen die vorliegenden Ergebnisse jedoch mit Vorsicht interpretiert werden. Ziel der Untersuchungen im Rahmen des Projekts Silberpyramide 2002 war es, die zerebralen Sauerstoffsättigungswerte mittels transkranieller NahinfrarotSpektroskopie während eines Aufstiegs auf große Höhen zu quantifizieren und zu objektivieren, um erstmalig Daten sowohl in der Akut- als auch in der Anpas-

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sungsphase der hypobaren Hypoxie zu erhalten. In diesem Zusammenhang wurde auch die Reproduzierbarkeit der Daten untersucht.

METHODIK Die Nahinfrarot-Spektroskopie ist eine nichtinvasive Methode zur Messung der zerebralen Sauerstoffsättigung. Dabei wird die Tatsache genutzt, dass biologisches Gewebe für Nahinfrarotlicht durchlässig ist und sich die Lichtabsorption mit dem Oxygenierungszustand des Hämoglobins ändert. Aus dem Verhältnis von oxygeniertem und nichtoxygeniertem Hämoglobin kann die regionale zerebrale Sauerstoffsättigung in Prozent ermittelt werden. Die Werte von Gesunden liegen dabei zwischen 60 und 80 Prozent (8, 9). In der vorliegenden Studie wurde ein INVOS 5100 Oximeter (Firma Somanetics Corp, Troy, MI, USA) ver-

Abb. 1: Simultane Messung der zerebralen und peripheren Sauerstoffsättigung

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wendet. Nach Reinigung der Haut mit Alkoholtupfern wurden die Sensoren frontal beidseits an definierten Punkten über den Augenbrauen appliziert. Zur Messung der peripheren Sauerstoffsättigung wurde ein Oxycount 6206 mini Pulsoximeter (Weinmann GmbH & Co., Hamburg, Deutschland) verwendet (Abb. 1). Bei den Probanden handelte es sich um zwei Gruppen von Hobby-Bergsteigern/Bergsteigerinnen, die unter Benutzung entsprechender Aufstiegsrouten – wie im Himalajagebiet von Bergsteiger-Touristen vielfach verwendet – und nach zeitversetztem Start einen Höhenaufenthalt auf über 5.000 m innerhalb von 22 Tagen bewältigten (Abb. 2).

Abb. 2: Probandengruppen und Aufstiegsrouten (modifiziert aus: The Internet Journal of Neuromonitoring, 2003, [6]) Gruppe A: Island Peak, n = 15; 4 weiblich, 11 männlich, mittleres Alter + SD: 39,5 + 11,2 Jahre. Gruppe B: Gokyo, n = 17; 8 weiblich, 9 männlich; mittleres Alter + SD: 46,1 + 13,1 Jahre. Während der Expedition wurden die Probanden zweimal täglich vom begleitenden Expeditionsarzt untersucht. 53 Tage vor Beginn des Aufstiegs in große Höhen erfolgte eine medizinische und wissenschaftliche Untersuchung der Testpersonen, um Basiswerte für die Messungen in großen Höhen zu ermitteln und um die psychophysische Gesundheit der Probanden zu garantieren. Zur Ermittlung der Akut- und Anpassungswerte wurde die Gokyo-Gruppe her-

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angezogen. Nach einem Aufstieg auf 5.357 m in einem Zeitrahmen von 8 Tagen zeigten 2 Personen Symptome einer akuten Höhenkrankheit, woraufhin die gesamte Gruppe auf 3.800 m zurückkehrte. Diese Probanden wurden zusammen mit drei weiteren Personen, die mit ihnen auf dieser Höhe verblieben, in die Gesamtauswertung der Messergebnisse nicht miteinbezogen. Der Rest der Gruppe setzte den Aufstieg auf die maximal erreichte Höhe von 5.600 m fort. Jeder Proband wurde lediglich mit einem Tagesrucksack zusätzlich belastet – das restliche Gepäck sowie Küche und Ernährung wurden von einem begleitenden Sherpa-Team bewerkstelligt. Um Daten über die Akutphase in neuer Höhe zu erhalten, erfolgten rSO2- und SaO2-Messungen innerhalb der ersten 6 Stunden in Aufstiegshöhen von 3.450, 4.450, 4.750, 5.050 und schließlich beim Abstieg auf 2.800 m. Zur Ermittlung von Daten der Akklimatisationsphase wurden täglich wiederholte Messungen in 3.450 und 5.050 m durchgeführt. Die statistischen Auswertungen erfolgten mittels Varianzanalyse (ANOVA) unter Verwendung der Software SigmaStat (Jandel Scientific Corp., Erkrath, Deutschland). Als Post-hoc-Analyse wurde der Tukey-Test verwendet. Das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 festgelegt.

ERGEBNISSE Wie in Abbildung 3 ersichtlich, kam es bereits in 3.450 m zu einem Abfall der rSO2 (–7 %) frontal beidseits, der jedoch im Vergleich zu den Ausgangswerten keine Signifikanz aufwies. Am Tag 6 wurde eine Höhe von 4.450 m erreicht. Hier zeigte sich ein signifikanter Abfall der rSO2 um minus 15 % (p < 0,001), verglichen zur Kontrolluntersuchung. Die Werte blieben während der übrigen Messungen auf 4.470 und 5.050 m mit nicht relevanten Schwankungen auf diesem niedrigen Niveau (p < 0,001). Die Abschlussmessung am Tag 22 nach Rückkehr auf die Ausgangshöhe von 2.850 m zeigte einen signifikanten Anstieg der rSO2-Werte auf nahezu Basiswerte (–5 % Reduktion im Vergleich zum Kontrollwert). Der Trend der SaO2-Messungen zeigte erwartungsgemäß folgenden Verlauf: In 3.450 m wurde der mittlere Sättigungswert auf 88 % (entspricht einem Abfall um –11 %, p < 0,001) und in 4.450 m auf 86 % reduziert (–13 %; p < 0,001). Der niedrigste Wert wurde in einer Höhe von 4.750 m gemessen (–15 %). Während des weiteren Aufenthalts blieben die Messergebnisse in diesem niedrigen Bereich, wobei sich im Rahmen der Akklimatisation ein ansteigender Trend auf bis zu 90 % bemerkbar machte. Bei der Abschlussuntersuchung in 2.800 m betrugen die SaO2-Werte über 90 %. 95


Abb. 3: Messergebnisse der regionalen Sauerstoffsättigung frontal links und rechts in verschiedenen Höhen (modifiziert aus: Neurol Res, 25, 183-188, 2003, [7]) Vergleicht man den Trend von rSO2 mit SaO2 zeigt sich zwar ein ähnlicher Verlauf, der Abfall von rSO2 zeigte jedoch bei unseren Messungen ein wesentlich stärkeres Ausmaß als die Reduktion von SaO2. Am Tag 14 wurden beide Gruppen in einer Höhe von 5.050 m untersucht. Dabei zeigte die Gokyo-Gruppe eine signifikante rSO2-Reduktion (rSO2 links: 49,0 + 6,5 %; rSO2 rechts: 50,2 + 7,3 %). Der rSO2-Abfall der Gruppe Island Peak war ebenfalls signifikant (rSO2 links: 54,7 + 11,6 %, rSO2 rechts: 55,0 + 9,4 %).

DISKUSSION Die vorliegenden Daten sind in Temperatur, Messzeitpunkt und Tagesgepäck mit einer Studie von Saito et al. (2) vergleichbar. Die Autoren untersuchten rSO2und SaO2-Werte bei 10 untrainierten Probanden, die innerhalb von 6 Stunden von 2.700 m auf 3.700 m aufstiegen. Zwei Stunden nach Ankunft wurden rSO2Werte ermittelt, wobei ein Abfall nur nach physischem Stress mittels StepperBelastung gemessen wurde. Verglichen mit dieser Studie weisen unsere Messergebnisse ähnliche Verläufe bezüglich der SaO2-Daten auf. Die rSO2-Werte zeigten jedoch bereits in 3.450 m einen deutlichen Abfall, obwohl unsere Probanden im Vergleich nur 830 Höhenmeter innerhalb von 6 Stunden zu bewäl-

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tigen hatten. Mögliche Ursachen für die unterschiedlichen Messergebnisse liegen im unterschiedlichen technischen Equipment und in verschiedenen geographischen Bedingungen. Dennoch zeigte bereits die Gruppe um Saito, dass es in großer Höhe zu einer Reduktion der rSO2-Werte kommt. Die Autoren diskutierten dies als einen entscheidenden Einflussfaktor zur Entstehung der akuten Höhenkrankheit (2). In einer Studie von Imray et al. (3) wurden rSO2-Daten und Blutgase unter verschiedenen physiologischen Bedingungen wie Hyperventilation oder 3%-CO2Atmung untersucht. Die Testpersonen wurden mittels Minibus in große Höhen gebracht und erst am darauffolgenden Tag untersucht. Diese Forscher stellten fest, dass die rSO2 in großen Höhen zwar auch in Ruhe abfällt, jedoch nicht in dem Ausmaß wie die SaO2. In Bezug auf Messbedingungen und Equipment ist die Studie mit unseren vorliegenden Messergebnissen ebenfalls nicht unmittelbar vergleichbar. Eine zweite Studie derselben Gruppe (4) wurde jedoch ähnlich unseren Untersuchungen im Himalajagebiet (5.005 m) mit vergleichbarer Aufstiegsrate durchgeführt. Im Gegensatz zu unseren Resultaten, die einen Abfall der rSO2Daten auf Absolutwerte unter 50 % ergaben, ermittelten Imray et al. (4) eine Reduktion der rSO2-Werte auf nur 64 %, also nahe den Werten im Meereshöhenniveau. Dabei wurde ein Critikon Oximeter verwendet, ein Gerät, in dem – zum Unterschied zu dem von uns verwendeten Oximeter – noch kein Temperatursignalqualitätsindex implementiert ist. Dennoch demonstrierte die Forschungsgruppe in einer weiteren Studie (5), dass unter forcierter Hyperventilation die rSO2- und SaO2-Daten in einer Höhe von 4.680 m signifikant ansteigen. Weiters wurde gezeigt, dass rSO2 unter Verwendung einer hyperbaren Kammer rapide ansteigt. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die vorliegenden Ergebnisse eine Änderung der zerebralen Sauerstoffsättigung in großen Höhen dokumentieren und damit auf eine mögliche Entwicklung der akuten Höhenkrankheit hinweisen könnten. Es besteht jedoch aufgrund der unterschiedlichen Messbedingungen nur eine bedingte Vergleichbarkeit mit bereits erhobenen Daten. Um eine größtmögliche Reproduzierbarkeit unserer Messergebnisse zu erhalten, wurde in der vorliegenden Studie zusätzlich eine zweite Gruppe mit ähnlicher Aufstiegsrate auf eine Höhe von 5.050 m mittels transkranieller zerebraler Oxymetrie untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die zerebrale Sättigung der „Gruppe Island Peak“ im Vergleich zur „Gokyo-Gruppe“ höhere Werte aufwies, was aber mit dem besseren Trainingszustand und dem durchschnittlich jüngeren Lebensalter erklärt werden kann. Ausgehend von den ebenfalls höheren Basiswerten kam es auch bei der Island-Peak-Gruppe zu demselben signifikanten Abfall wie bei der Gokyo-Gruppe. Es ist bemerkenswert, dass unsere Probanden mit Ausnahme zweier Testper-

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sonen keinerlei Krankheitssymptome aufwiesen, obwohl sich die zerebrale Sauerstoffsättigung in großen Höhen extrem reduzierte. Das Gehirn, welches als das auf Hypoxie am empfindlichsten reagierende Organ des menschlichen Körpers angesehen wird, scheint Sauerstoffmangel durchaus meistern zu können, wenn es nur genug Zeit zur Adaptation erhält. Diesbezüglich sind jedoch weitere Messungen mit spezieller Fragestellung notwendig.

DANKSAGUNG/ACKNOWLEDGEMENT Die Studie wurde von der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung für Wissenschaft und Forschung (Neuromonitoring Silberpyramide 2002; GZ: FA6A-12S57-02/1) unterstützt. Das Projekt Silberpyramide 2002 wurde im Rahmen des Ev-K-CNR/RONAST Joint Scientific and Technological Research Program durchgeführt.

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B e r n d H a d i t s c h , A n d r e a s R ö s s l e r, H e l m u t G . H i n g h o f e r - S z a l k a y

Adrenomedullin und Höhendiurese Adrenomedullin and the Hypoxic Diuretic Response S U M M A RY Diuresis and natriuresis are well-known responses to acute hypoxic exposure. Even though many investigations concerning the hormonal regulation of the hypoxic diuretic response (HDR) were performed, most of the fluid regulating hormones showed no consistent correlation to HDR. Aim of this study was to examine whether HDR is correlated to adrenomedullin (ADM), a novel diuretic/natriuretic peptide, the production of which is basically mediated by hypoxia. After a baseline examination at sea level (SL), 33 subjects (16 female, age 19 –65 yrs) underwent two investigations, on the 3rd day (HA-1, 3.440 m) and on the 14th day (HA-2, 5.050 m) of high altitude (HA) exposure. Compared to SL, the diuresis increased by +35 % at HA-1 (p < 0,05), and +110 % at HA-2 (p < 0,005). Whereas the absolute natriuresis decreased by – 43 % at HA-1 (p < 0,05), and –65 % at HA-2 (p < 0,005), the effective natriuresis almost doubled at HA-1 (+92 %, p < 0,05) and increased by +360 % at HA-2 (p < 0,005), respectively. The absolute urinary ADM (ADM[u]) excretion decreased by –28 % at HA-1 (p < 0,005), and –40 % at HA-2 (p < 0,005), where as the effective ADM[u-crea] concentration doubled at HA-1 compared to SL (+94 %, p < 0,05) and increased further by +240 % at HA-2 (p < 0,005). The plasmatic ADM (ADM[p]) rose by +25 % at HA-1 (p < 0,005) and +13 % at HA-2 (p < 0,05). ADM[u-crea] showed a significant correlation to diuresis (R = 0,89; p < 0,005) and to natriuresis (R = 0,88; p < 0,005), whereas no correlation between ADM[p] and ADM[u] or between ADM[p] and diuresis/ natriuresis could be found. In conclusion, this investigation confirms the assumption that HDR is highly influenced by ADM, probably by an increased renal ADM production. Keywords: adrenomedullin, hypoxic diuretic response, fluid balance.

Z U S A M M E N FA S S U N G Diurese und Natriurese als physiologische Antwort auf Hypoxie sind bestens bekannt. Trotzdem gelang es bis dato nicht, die hormonelle Regulation dieser

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hypoxic diuretic response (HDR) zu klären. Die meisten volumenregulierenden Hormone ließen in ihrem Antwortverhalten keine Beziehung zu HDR erkennen. Ziel dieser Studie war es, den Einfluss von Adrenomedullin (ADM), einem Polypeptid mit diuretisch/natriuretischem Wirkmuster, dessen Produktion durch Hypoxie beeinflusst wird, hinsichtlich der HDR zu untersuchen. Nach einer Basisuntersuchung auf Meereshöhe (SL) wurden 33 Probanden (16 weiblich, 19–65 Jahre) am 3. (HA-1, 3.440 m) und am 14. Tag (HA-2, 5.050 m) ihres Aufenthaltes in großer Höhe untersucht. Im Vergleich zu SL nahm die Harnmenge um +35 % bei HA-1 (p < 0,05) und um +110 % bei HA-2 (p < 0,005) zu. Obwohl die absolute Natriumausscheidung um –43 % bei HA-1 (p < 0,05) und um –65 % bei HA-2 (p < 0,005) abnahm, stieg die effektive Natriurese bei HA-1 (+92 %, p < 0,05) und HA-2 (+360 %, p < 0,005) signifikant an. Die absolute renale ADM-Ausscheidung (ADM[u]) verringerte sich um –28 % bei HA-1 (p < 0,005) und um –40 % bei HA-2 (p < 0,005); dagegen verdoppelte sich die effektive ADM-[u-crea-]Konzentration im Harn bei HA-1 (+94%, p < 0,05) und steigerte sich auf +240 % bei HA-2 (p < 0,005). Plasma-ADM (ADM[p]) erhöhte sich um +25 % bei HA1 (p < 0,005) und um +13 % bei HA-2 (p < 0,05). ADM[u-crea] zeigte eine signifikante Korrelation mit der Diurese (R = 0,89; p < 0,005) und mit der Natriurese (R = 0,88; p < 0,005), keine Korrelation ließ sich zwischen ADM[p] und ADM[u] bzw. zwischen ADM[p] und der Diurese/Natriurese erkennen. Zusammenfassend legt diese Untersuchung die Vermutung nahe, dass die HDR nachhaltig von ADM, v. a. vom parakrinwirksamen ADM[u] beeinflusst wird. Schlüsselwörter: Adrenomedullin, Höhendiurese, Flüssigkeitshaushalt.

EINLEITUNG Die sog. hypoxic diuretic response (HDR), also die verstärkte Diurese und Natriurese unter hypoxischen Bedingungen, tritt unter Laborbedingungen ab einem O2-Gehalt zwischen 16 und 10 % oder entsprechenden hypobaren Äquivalenten auf (1, 2, 3, 4). Dies stellt eine physiologische Antwort in der Frühphase der Höhenadaptation dar, welche noch vor der hypoxiebedingten gesteigerten Erythropoese zu einer Erhöhung der O2-Transportkapazität des Blutes beiträgt. Dabei scheint der hypoxische Reiz selbst die Hauptursache für diese HDR zu sein, da eine Hypoxämie via die Carotiskörperchen einerseits eine verstärkte Diurese und andererseits eine Natriurese durch Inhibierung der renalen tubulären Natrium-Rückresorption auslöst. Hingegen konnten sowohl ein erhöhter Venendruck wie auch ein erhöhter arterieller Blutdruck für diese HDR als Triggerreize ausgeschlossen werden (1, 3). Hildebrandt et al. zeigten, dass primär eine Hypoxämie und Hyperkapnie in der

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Frühphase der Höhendiurese wirksam sind, welche zudem ohne Natriurese und unabhängig von der O2-Chemosensitivität feststellbar war (5). Dass die HDR auch bei renaler Denervation vorkommt, lässt auf eine bisher unbekannte humorale Steuerung der renalen Flüssigkeits- und Natriumausscheidung schließen, da die Rolle der „klassischen“ volumenregulatorischen Hormone bis dato bezüglich der Höhendiurese noch immer unklar ist. Sowohl bei Laborversuchen in der Druckkammer wie auch in Feldstudien konnten keine oder nur schwache Korrelationen zwischen den Plasmakonzentrationen des atrialen natriuretischen Peptids (ANP), des antidiuretischen Hormons (ADH), des Renins, Aldosterons oder Urodilatins hinsichtlich der Diurese oder auch Natriurese festgestellt werden (5, 6, 7, 8). Es gibt lediglich Hinweise, dass diese HDR durch Endothelin-1 sowie den Katecholaminen moduliert wird (5). Adrenomedullin (ADM) ist ein erst kürzlich entdecktes Polypeptid aus 52 Aminosäuren, das Ähnlichkeiten mit dem calcitonin gene-related peptide (CGRP) und dem Amylin aufweist und ursprünglich im Zuge von PhäochromocytomUntersuchungen gefunden wurde. Neben den zahlreichen physiologischen Effekten dieses Hormons stellte sich vor allem eine vasodilatatorische und diuretische sowie natriuretische Wirkung heraus (9). ADM wird vor allem im Nebennierenmark, in der Lunge und den Nieren synthetisiert. Da die Produktion vorrangig in den Endothelzellen und den glatten Gefäßmuskelzellen dieser Organe stattfindet, wird ein überwiegend autokriner bzw. parakriner Wirkmechanismus dieses Mediators diskutiert. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass abgesehen von diesen lokalen Effekten auch wesentliche systemische Wirkungen dieses Peptids existieren (10, 11, 12, 13). So ergaben In-vivo-Untersuchungen, dass ADM eine zentrale Rolle in der Kreislaufregulation sowohl bei physiologischen Reizen (14, 15) wie auch bei unterschiedlichen klinisch-pathologischen Zuständen einnimmt (16, 17, 18, 19). Hypoxie gilt als einer der stärksten Stimuli für eine verstärkte Expression und Freisetzung von ADM (20, 21), was teilweise durch den sog. hypoxiainducible factor-1 (HIF-1) bedingt ist (22). Bis heute liegen lediglich zwei Publikationen mit teils widersprüchlichen Ergebnissen bezüglich des Plasmagehaltes an ADM bei kurz andauernder Höhenexposition vor (23, 24). Keine Daten gibt es aber über den Plasmagehalt und die renale Ausscheidung dieses Hormons hinsichtlich einer längerfristigen hypobaren Hypoxie. Ziel dieser Studie war es demnach, die Rolle von ADM in Bezug auf die Regulation der HDR während eines länger dauernden Aufenthaltes in großen Höhen zu untersuchen und festzustellen ob dem plasmatischen bzw. renalen ADM eine mögliche zentrale Rolle an der Entstehung einer HDR zukommt.

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METHODEN Probanden und Studienprotokoll Das interdisziplinäre Forschungsprojekt Silberpyramide (PSP) 2002 wurde über einen Zeitraum von 4 Wochen im Khumbu Himal/Nepal durchgeführt. Das Studienprotokoll wurde von der Ethikkommission der Universität Graz geprüft und positiv beurteilt. 33 Probanden (21 männlich, 12 weiblich, im Alter von 19 bis 65 Jahren) wurden über das Prozedere sowie etwaige Risiken informiert und 6 Wochen vor Beginn der Expedition medizinisch auf ihre Höhentauglichkeit untersucht. Die dabei erhobenen Daten wurden als Ausgangswerte auf Seehöhe (SL, Herxheim, Deutschland, 150 m) herangezogen. Im Rahmen der Feldstudie in Nepal wurde jeder Proband zweimal untersucht: Zunächst während der Adaptationsphase am 3. Tag des Höhenaufenthaltes (Namche Bazar, 3.440 m, HA-1) und ein weiteres Mal am 14. Tag in der sog. „Silberpyramide“ (SP, Lobuche, 5.050 m, HA-2). Während der gesamten Expedition wurden die Probanden unter Verwendung des Lake-Louise-Scores (25) zweimal täglich auf Hinweise für die akute Bergkrankheit (acute mountain sickness [AMS]) untersucht, einmal täglich wurde die persönliche physische und psychische Belastung mittels Borg-Skala (26) überprüft. Die Probanden wurden in zwei Gruppen (TT „trekking team“ und CT „climbing team“) unterteilt und flogen mit einem Tag Unterschied von Kathmandu nach Lukla (2.800 m), dem Ausgangspunkt der Expedition. Bis Namche Bazar (3.440 m, HA-1) hatten beide Gruppen dasselbe Höhenprofil und die gleichen Schlafhöhen. Nach den Untersuchungen wanderte die Gruppe TT (17 Probanden, 8 weiblich, 19–65 J, BMI 23,7 ± 0,6) dem Gokyo-Tal entlang und erreichten als höchsten Punkt vor SP den Gokyo Ri (5.300 m), die höchste Schlafhöhe war auf 4.750 m. Die Gruppe CT (16 Probanden, 4 weiblich, 23–63 J, BMI 24,0 ± 0,5) unternahm den Versuch, vor dem Erreichen der SP den Imja Tse (Island Peak, IP, 6.189 m) zu besteigen, das IP-Basislager war auf 5.150 m. Während der gesamten Expedition hatten alle Probanden vergleichbares Essen und Flüssigkeitszufuhr ad libitum. An jedem Untersuchungstag wurde in der Zeit von 6.30 bis 7.30 Uhr vor dem Frühstück eine Blutabnahme durchgeführt, die Blutproben wurden sofort zentrifugiert, das Plasma in mit Trasylol vorportionierte Eprouvetten pipettiert und während der Expedition bei –20 °C und dann bei –80 °C in Österreich bis zur Messung aufbewahrt. Die Harnsammlung wurde zwischen 22.00 Uhr am Tag vor der Blutabnahme bis um 7.00 Uhr morgens durchgeführt. Nach Bestimmung der Harnmenge wurde ein Aliquot unter den gleichen Bedingungen wie bei den Plasmaproben gelagert. Die Funktion der mobilen Gefrierbox wurde mit einem permanenten Minimum-Maximum-Thermometer kontrolliert.

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Messungen und Datenanalyse Zur Messung von ADM aus Plasma bzw. Harn wurde ein kommerziell erhältlicher ADM-RIA (Shionogi Ltd., Osaka, Japan) entsprechend den Empfehlungen des Herstellers verwendet. Der verwendete Antikörper zeigt keine Kreuzreaktionen mit Endothelin-1, CGRP, Amylin, ANP, BNP oder Neuropeptid Y, und die minimale detektierbare Konzentration für diesen Assay beträgt 0,5 pmol. Harn- und Plasmanatriumkonzentrationen (Na+[u] und Na+[p]) wurden mittels ionensensitiven Elektroden (AVL 988-4, AVL, Graz, Österreich), Totalprotein (TP) und Kreatinin (Crea) auf einem konventionellen Routineanalysegerät (Cobas Mira, Roche, Schweiz) bestimmt. Der Hämatokrit (Hkt) wurde auf SL durch Berechnung mittels der Erythrozytenvolumina bestimmt, in der Höhe durch Zentrifugation. Die Daten werden, sofern nicht besonders vermerkt, als Mittelwert ± Standardfehler dargestellt. Durch einfaktorielle ANOVA wurden signifikante Unterschiede über die unterschiedlichen Zeitpunkte bzw. Konditionen ermittelt. Die Auswertung erfolgte mittels dem Softwarepaket Statistica (Version 5.0, StatSoft, Inc) und die Nullhypothese wurde bei p < 0,05 verworfen.

R E S U LTAT E Alle Probanden beider Gruppen erreichten HA-1, jedoch mussten 5 Mitglieder des TT wegen AMS-Beschwerden absteigen und konnten daher auf der SP nicht untersucht werden. Alle Probanden von CT erreichten die SP, allerdings konnten nur 8 von ihnen erfolgreich den IP besteigen, 5 mussten umkehren und 3 blieben wegen AMS-Symptomatik im Basislager. Das Körpergewicht sank bis zur SP in TT von 70,1 ± 2,37 auf 68,0 ± 1,46 kg (n. s.) und in CT von 75,2 ± 2,42 auf 70,2 ± 2,03 kg (n. s.). Als Grad der Hämokonzentration wurde TP herangezogen, da die Hkt-Messungen auf Grund der unterschiedlichen Bestimmungsmethoden keine seriösen Werte lieferten. Verglichen mit SL stieg TP bis zur SP in beiden Teams deutlich an (Tab. 1). Die nächtliche Diuresemenge stieg in beiden Teams während beider Zeitpunkte im Vergleich zu SL kontinuierlich und signifikant an, als Konsequenz nahm die Kreatininausscheidung als Dilutionsmarker ab (Tab. 1). Die plasmatischen Natriumspiegel (Na+[p]) zeigten in beiden Teams Werte im üblichen Referenzbereich, ohne wesentliche Differenzen. Die absolute renale Natriumausscheidung (Na+[u]) sank in beiden Teams ab, wohingegen die effektive Natriurese, unter Verwendung der renalen Kreatinin-Ausscheidung und somit Berücksichtigung der „reinen“ Wasserdilution (Na+[ucrea]), in beiden Teams zu beiden Zeitpunkten anstieg (Tab. 1). Die Konzentration von ADM im Plasma (ADM[p]) war vor der Expedition im

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Total

TP (g/L)

Diurese (mL/9h)

Crea (mg/L)

Na+[u] (mM/mL)

Na+[u-crea] (mM/mg Crea)

SL HA-1 HA-2 TT SL HA-1 HA-2 CT SL HA-1 HA-2

67,50 ± 0,75 69,30 ± 0,68 71,00 ± 0,71**

478 ± 43 648 ± 70* 1018 ± 66**

5,90 ± 0,75 3,52 ± 0,64* 1,15 ± 0,21**,##

0,34 ± 0,05 0,19 ± 0,03** 0,12 ± 0,02**

29,87 ± 3,96 57,31 ± 12,58* 138,13 ± 15,86*

65,91 ± 0,81 399,42 ± 44,55 7,17 ± 1,18 68,92 ± 0,95* 678,24 ± 113,42* 3,07 ± 0,79* 71,43 ± 0,89** 1163,33 ± 84,26**,# 0,61 ± 0,11**,# 69,19 ± 1,13 69,71 ± 0,96 70,68 ± 1,08

561,08 ± 68,61 615,00 ± 80,25 908,75 ± 92,34*,#

4,54 ± 0,77 4,00 ± 1,01** 1,55 ± 0,36*

0,40 ± 0,07 23,92 ± 3,12 0,19 ± 0,05* 66,21 ± 22,73 0,07 ± 0,01**,# 153,19 ± 13,21**,# 0,27 ± 0,05 0,19 ± 0,04 0,15 ± 0,03

36,19 ± 7,13 47,85 ± 8,91 126,09 ± 27,65**,#

Tab. 1 Die Basiswerte Totalprotein (TP), nächtliche 9-h-Diurese, Kreatininausscheidung im Harn (Crea), absolute (Na+[u]) und effektive (Na+[u-crea]) Natriumausscheidung im Harn gesamt und getrennt nach den Gruppen TT und CT. (*) p < 0,05 und (**) p < 0,005 verglichen mit SL, (#) p < 0,05 und (##) p < 0,005 HA-2 verglichen mit HA-1.

Mittel 16,56 ± 0,38 pM/mL mit vergleichbaren Werten in beiden Teams (TT 16,21 ± 0,47 und CT 16,94 ± 0,6 pM/mL). Während ADM[p] in TT bei HA-1 um +30 % anstieg und bei HA-2 wieder annähernd die Basiswerte aufwies, blieb ADM[p] in CT zu beiden Messpunkten um +20 % und somit signifikant erhöht (Abb. 1). Auch unter Berücksichtigung der Hämokonzentration wies ADM[p] ein vergleichbares Muster auf. Die absolute renale ADM-Exkretion (ADM[u]) reduzierte sich von im Mittel 18,26 ± 1,10 pM/mL mit vergleichbaren Konzentrationen in beiden Teams (TT 18,32 ± 1,57 und CT 18,20 ± 1,54 pM/mL) bei SL sukzessive bei beiden HA-Untersuchungen bis auf 51 % des Ausgangswertes bei TT und auf 68 % bei CT (Abb. 1). Aber auch hier zeigte sich ein Anstieg der effektiven ADM[u]-Exkretion um mehr als 380 % in Bezug auf SL bei TT und 150 % bei CT, wenn man, wie oben beschrieben, die reine Wasserdilution berücksichtigt (ADM[u-crea], Abb. 1) Zwischen ADM[p] und ADM[u] respektive ADM[u-crea] konnte kein Zusammenhang festgestellt werden, auch nicht zwischen ADM[p] und Diurese/Natriurese. Signifikante Korrelationen zeigten sich allerdings zwischen der renalen ADM-Exkretion und der Diurese und Natriurese, sowohl die absoluten Konzentrationen betreffend wie auch die effektive Ausscheidung (Abb. 2).

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Abb. 1 Plasmatische ADM-Konzentrationen (ADM[p]), absolute (ADM[u]) und effektive ADM-Ausscheidung (ADM[u-crea]) zum Zeitpunkt SL, HA-1 und HA-2 in den beiden Gruppen TT und CT. (*) p < 0,05 und (**) p < 0,005 verglichen mit SL, (#) p < 0,05 HA-2 verglichen mit HA-1.

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Abb. 2 Nächtliche 9-h-Diurese als Funktion der effektiven renalen ADM-Exkretion (ADM[ucrea]). Absolute (Na+[u]) und effektive (Na+[u-crea]) Natriurese als eine Funktion der absoluten (ADM[u]) und effektiven (ADM[u-crea]) renalen ADM-Exkretion.

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DISKUSSION Bereits nach einigen Tagen Höhenaufenthalt kann das Gesamtkörperwasser um 1–3 Liter reduziert sein. Dies ist sowohl eine Folge einer erhöhten perspiratio insensibilis auf Grund der verstärkten Atmung in trockener und kalter Umgebungsluft wie auch einer reduzierten Aufnahme durch verminderten Appetit oder abgeschwächtes Durstgefühl (27). Weiters kommt es unter hypoxischen Bedingungen zu einer verstärkten Flüssigkeits- und Natriumausscheidung und damit verbunden einer Reduktion des zirkulierenden Blutvolumens. Daraus resultiert ein relativ erhöhter Hkt, der sich günstig auf die Sauerstofftransportkapazität des Blutes auswirkt. Diese verstärkte Diurese/Natriurese tritt vor allem in den ersten Tagen der Höhenexposition auf und normalisiert sich nach einigen Tagen zumeist wieder (5, 28, 29). Da eine renale Denervation die hypoxiebedingte Diurese unbeeinflusst lässt, muss ein hormoneller Regelmechanismus der Chemorezeptoraktivierung einerseits und renalen Flüssigkeits- und Natriumausscheidung andererseits zwischengeschaltet sein. Die meisten Studien zeigen entweder keine (6, 7) oder eine geringfügige Abnahme der natriumsparenden Hormone, v. a. des Renin-Angiotensin-AldosteronSystems (RAAS) (30, 31). ANP bleibt offensichtlich bei Höhenexposition unverändert, es zeigt lediglich bei Patienten mit AMS einen Anstieg (7, 32, 33). Chronisch hypobare Hypoxämie erhöht die Schwelle, ab der die Plasmaosmolalität zu einer verstärkten ADH-Ausschüttung führt, dies verursacht wiederum Hypovolämie und Hyperosmolalität und verringert somit die natriuretische Antwort auf eine hypertone Blutvolumenzunahme (34). In jüngst durchgeführten Untersuchungen (5, 6, 7) zeigten sich zwar gewisse Hinweise, dass ET-1 und die Katecholamine die HDR beeinflussen, dass aber andererseits keine oder nur äußerst schwache Korrelationen zwischen ADH, Aldosteron, Urodilatin oder auch ANP und der hypoxiebedingten Flüssigkeits- und Natriumausscheidung zu finden sind. Vor allem ließ sich keine Beziehung zwischen der Ausscheidungsmenge und den Änderungen der diversen Hormonspiegel feststellen (35). Diese widersprüchlichen Daten aus früheren Untersuchungen legten ein Studienprotokoll nahe, dass sich auf die Beeinflussung der hypoxiebedingten Diurese und Natriurese durch das erst kürzlich entdeckte und diuretisch/ natriuretisch wirksame Polypeptid Adrenomedullin konzentrierte. Dies noch dazu, da die Produktion dieses Hormons vor allem durch Hypoxie stimuliert wird. ADM besteht aus 52 Aminosäuren und ist dem calcitonin gene-related peptide (CGRP) sowie dem Amylin ähnlich (9). Ursprünglich wurde ADM im Rahmen

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von Phäochromocytom-Untersuchungen gefunden (9), nach und nach entdeckte man unterschiedliche physiologische Effekte dieses Polypeptids, vor allem eine vasodilatatorische und eine diuretische/natriuretische Wirkung (10, 11, 12, 13). ADM wird vorrangig im Nebennierenmark, in der Lunge, den Nieren, des Weiteren aber in geringerem Umfang auch im Herzen, in der Milz, dem Duodenum und den Submandibulardrüsen gebildet, die Lungen nehmen auch als Abbauort eine zentrale Stellung ein (36). Da ADM vorrangig in den Endothelzellen sowie den glatten Gefäßmuskelzellen der oben erwähnten Organe gebildet wird, vermutet man einen überwiegend autokrinen/parakrinen Effekt; allerdings ist die plasmatische ADM-Konzentration hoch genug, um auch einen systemischen Einfluss auf den menschlichen Organismus auszuüben. In-vivo-Untersuchungen ergaben, dass ADM[p] eine zentrale Rolle in der Kreislaufregulation sowohl bei physiologischen Stimuli, wie etwa Orthostase oder sportlicher Belastung (14, 15), wie auch bei pathologischen Zuständen, u. a. bei Herzinsuffizienz, arteriellem Hypertonus oder Hypervolämie einnimmt (17, 19), auch wird eine therapeutische Option durch Verabreichung von ADM bei pulmonaler Hypertension diskutiert (37). Außerdem scheint ADM ein wichtiger autokriner Regulator für die Funktion der Chemorezeptoren im glomus caroticum zu sein (38). ADM kann sowohl im menschlichen Plasma wie auch im Urin detektiert werden, wobei die Konzentrationen im Harn über jenen im Plasma liegen. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Nieren verstärkt zur Produktion des ADM beitragen (39). Rezeptorautoradiographische Untersuchungen zeigten, dass sich in den renalen Arterien wie auch in den Glomeruli spezifische Rezeptoren für ADM befinden (40). Zudem wird ADM aktiv in renalen Endothelzellen, im proximalen and distalen Tubulusepithel und in Mesangiumzellen synthetisiert (40, 41). ADM hat neben dem vasodilatorischen Effekt sowohl ein diuretisches als auch natriuretisches Wirkprofil. Dies lässt vermuten, dass es sowohl den renalen Blutfluss wie auch die Tubulusfunktionen beeinflusst und somit auch nachhaltig den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt beeinflusst (42). Um den renalen Blutfluss zu erhöhen und damit die Diurese zu steigern, erniedrigt es die Sekretion von ADH sowie die Produktion und Freisetzung von Aldosteron (43). Zusätzlich inhibiert ADM die renale Sympathikusaktivität und steigert auf parakrinem Wege die Reninfreisetzung (44). Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass intravenös verabreichtes ADM nicht nur die Natriurese fördert, sondern – intracerebroventriculär verabreicht – auch diuretisch wirksam ist und sowohl das Durstgefühl wie auch den Appetit auf Salz reduziert (44, 45). Dies weist darauf hin, dass die diuretische und natriuretische Wirkung von ADM, zumindest teilweise, auf Grund eines zentralen Wirkmechanismus ausgelöst wird (46).

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Zwar hat eine erhöhte Salzzufuhr in vivo keine signifikante Wirkung auf den ADM-Plasmaspiegel, dennoch führt sie zu einer erhöhten renalen ADM-Exkretion (47). Einer der stärksten Stimuli für eine ADM-Freisetzung ist zweifellos Hypoxie (20). Dabei wird die Transkription der ADM mRNA induziert (21), was zusätzlich noch über den sog. hypoxiainducible factor-1 (HIF-1) moduliert werden kann (22). Die Niere ist bezüglich hypoxischer Bedingungen eines der sensibelsten Organe. In Zellkulturen konnte nachgewiesen werden, dass sowohl in den Parenchymzellen wie auch den Endothelzellen die ADM-Produktion unter hypoxischen Bedingungen signifikant erhöht ist. Dies liefert einen Hinweis auf die Rolle dieses Peptids als Schutzmechanismus gegenüber einer möglichen hypoxiebedingten Schädigung (48). Nach unserem Wissensstand zeigt diese Studie erstmals einen engen kausalen Zusammenhang zwischen der Höhendiurese und der renalen ADM-Produktion. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen deutlich, dass sowohl die höhenbedingte Diurese wie auch die Natriurese durch die renale ADM-Produktion nachhaltig beeinflusst werden und dass diese gesteigerte ADM-Exkretion unabhängig von der Dauer der Höhenexposition ist. Diese Effekte sind offensichtlich unabhängig von der plasmatischen ADM-Konzentration sowie dem Plasmanatriumspiegel. Zusätzlich zeigen unsere Ergebnisse erstmals das Verhalten des plasmatischen ADMs während eines länger dauernden Aufenthaltes in großen Höhen. Im Einklang mit früheren Beobachtungen, die das Antwortverhalten des ADM auf physiologische Reize bei gesunden Probanden zum Inhalt hatten (14, 15), zeigen auch unsere Untersuchungen, dass hypoxischer Stress zu einem systemischen Anstieg des ADM[p] führt. In der Akutphase der Höhenexposition zeigten beide Teams einen deutlichen und vergleichbaren Anstieg des ADM[p], die unterschiedlichen ADM[p]-Konzentrationen bei HA-2 könnten ein Abbild der unterschiedlichen physischen (und psychischen) Belastung der beiden Gruppen zwischen HA-1 und HA-2 darstellen, wobei CT nach der (versuchten) Besteigung des IP und deutlich höheren Schlafhöhen bei HA-2 signifikant erhöhte ADM[p]Werte aufweist. Umgekehrt könnte man hinter der Reduktion des ADM[p] bei TT auf annähernde Basiswerte einen Hinweis auf eine – im Hinblick auf die kreislaufregulatorische Wirkung des ADM – abgeschlossene Akklimatisierung schließen. Es ist auch anzunehmen, dass die bekannt erhöhte Diurese/Natriurese in den ersten Tagen der Höhenexposition durch erhöhte ADM[p]-Werten beeinflusst wird, wohingegen eine Abnahme der plasmatischen Hormonkonzentration nach längerem Höhenaufenthalt eine Normalisierung des zirkulierenden Volumens widerspiegeln könnte. Die stetig steigenden ADM[u-crea]-Werte lassen dage-

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gen vermuten, dass – betreffend den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt – die Akklimatisierung in beiden Teams auch nach 14 Tagen in großer Höhe noch nicht abgeschlossen war. Dies wiederum könnte ein Hinweis darauf sein, dass unterschiedliche Organsysteme verschieden lange Akklimatisierungsphasen benötigen. Zusammenfassend konnten wir erstmals einen eindeutigen Zusammenhang der hypoxiebedingten Diurese und Natriurese mit der renalen ADM-Produktion feststellen, dies unabhängig von der Dauer der Höhenexposition und den plasmatischen ADM-Konzentrationen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass ADM[u] einen der unbekannten Faktoren in der Regulation der HDR darstellt und somit nachhaltig Einfluss auf den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt unter hypobarer Hypoxie ausübt. Inwieweit ADM[p] bei der kardiovaskulären Höhenadaptation eine Rolle spielt und ob sich dies auch auf die Pathogenese der höhenbedingten Erkrankungen auswirkt ist ebenso Inhalt nachfolgender Untersuchungen wie auch die Wechselwirkung von ADM mit den „klassischen“ volumenregulierenden Hormonen unter hypoxischen Bedingungen.

DANKSAGUNG <Projekt Silberpyramide 2002> wurde in Absprache mit dem Ev-K2-CNRKomitee (Bergamo, Italien) und der RONAST (Kathmandu, Nepal) durchgeführt. Die Autoren sind dem Ev-K2-CNR-Komitee und der RONAST zu Dank verpflichtet, da diese Organisationen das Pyramid Laboratory-Observatory kostenlos für die Untersuchungen zur Verfügung stellte. PSP 2002 wurde von Hrn. Drs. R. Waanders organisiert, die wissenschaftliche Leitung hatte Hr. Univ. Prof. Dr. H. Frisch. Wir bedanken uns bei Hrn. Andreas Jantscher für seine außergewöhnliche Leistung bei der Probenmessung. Diese Studie wurde vom Land Steiermark, der Stadt Graz, der FriedrichSchmiedl-Stiftung, der Lanyar-Stiftung, von GlaxoSmithKline Austria sowie vom TravelMedCenter Leonding unterstützt.

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H e r w i g F r i s c h , F r a n z Wa l d h a u s e r, T h o m a s Wa l d h ö r, Andrea Müllner-Eidenböck, Pritam Neupane, Katharina Schweitzer

Höhenexposition bewirkt eine erhöhte Ausscheidung von 6-OH-Melatonin Increase of 6 OH-melatonin excretion in humans during ascent to high altitude S U M M A RY Melatonin (MLT), the hormone of the pineal gland is involved in the regulation of circadian rhythms, esp. the light-dark cycle, but its physiological role in humans is not quite clear. Exposure to high altitude leads to changes in various endocrine systems but MLT in humans has not been studied under these conditions. We analysed urinary 6-hydroxy MLT sulfate (aMT6s) excretion which renders a reliable method of pineal MLT secretion during the day (7.00–22.00 h) and night (22.00–7.00 h) phase. A cohort of 33 healthy volunteers, age 19–65 yrs, was studied during an ascent to high altitude (5.500 to 6.100 m). As expected, nocturnal values were higher than daytime levels at each timepoint and in addition showed a significant increase during the ascent to high altitude. The physiological significance of this MLT increase is unclear, a context with MLT as regulator of circadian rhythms remains speculative. Keywords: melatonin, 6-hydroxymelatonin sulfate, high altitude, diurnal rhythm, altitude adaptation.

Z U S A M M E N FA S S U N G Melatonin, das Hormon der Zirbeldrüse, ist ein Regulator von circadianen Rhythmen, insbesondere des Tag-Nacht Zyklus. Seine physiologische Bedeutung beim Menschen ist jedoch weitgehend unklar. Exposition in große Höhe führt zu Veränderungen in verschiedenen Hormonsystemen, die Auswirkung auf Melatonin beim Menschen wurde bisher nicht untersucht. Wir haben bei 33 Probanden im Alter von 19–65 Jahren Melatonin während eines Aufstieges in große Höhe untersucht. Analysiert wurde die 6-Hydroxymelatonin-Sulfat(aMT6s-)Ausscheidung im Harn, die einen verlässlichen Parameter für die Melatonin-Sekretion darstellt, während der Tag- (7.00–22.00 h) und Nachtphase

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(22.00–7.00 h). Wie erwartet waren die nächtlichen Werte zu allen Zeitpunkten höher als die Tageswerte. Während des Höhenanstieges kam es allerdings zu einem signifikanten Anstieg der nächtlichen aMT6s-Spiegel. Die physiologische Bedeutung dieses Melatonin-Anstieges ist nicht klar, ein Zusammenhang mit der Regulation endogener Rhythmen ist spekulativ. Schlüsselwörter: Melatonin, 6-OH-Melatonin, große Höhen, circadiane Rhythmik, Höhenanpassung.

EINLEITUNG Melatonin, das Hormon der Zirbeldrüse (glandula pinealis), wird in einem charakteristischen circadianen Rhythmus sezerniert, wobei die Produktion hauptsächlich während der Dunkelphase des Tages stattfindet. Melatonin (MLT) zeigt einen endogenen Rhythmus, der durch den suprachiasmatischen Nukleus und die Aktivität des Enzyms N-Acetyl-Transferase (NAT) gesteuert wird. Die Aktivität von NAT wird durch Licht, das auf die Retina trifft, sofort unterdrückt (1). In einigen Arbeiten wird über einen Anstieg von MLT nach starker körperlicher Betätigung berichtet, aber die Daten waren uneinheitlich und widersprüchlich. Erst kürzlich wurde ein Anstieg von MLT im Plasma von Ratten unter hypobarer Hypoxie beobachtet (2). Während eines Aufstieges in große Höhen finden unterschiedliche Anpassungsmechanismen statt und Veränderungen von verschiedenen Hormonsystemen sind bekannt (3), MLT wurde unter diesen Bedingungen bisher nicht untersucht. In dieser Studie wurde das Verhalten von 6-Hydroxymelatonin-Sulfat (aMT6s) im Harn, das die MelatoninSekretion der Pinealis verlässlich widerspiegelt, während eines Aufstieges in große Höhe analysiert.

Probanden und Methoden: Im Mai 2002 wurde das höhenmedizinische Forschungsprojekt „Silberpyramide 2002“ im Solu-Khumbu-Tal im Himalaja von Nepal durchgeführt. 33 kaukasische Probanden (21 m) im Alter von 41,8 ± 12,4 Jahren (Mittel ± SD) (Bereich 19–65 Jahre) nahmen an der Studie teil. Sie waren in guter körperlicher Verfassung und waren in den letzten 6 Monaten vor der Studie nicht in großen Höhen. Untersuchungen wurden zu 3 Zeitpunkten durchgeführt: 2 Monate vor der Studie in Herxheim, Deutschland (120 m), die Basisuntersuchung (A). In Namche Bazaar (3.440 m) wurde die 2. Untersuchung durchgeführt (B). Während der nächsten 10 Tage wurden maximale Höhen zwischen 5.500 m und 6.100 m erreicht und die 3. Untersuchung wurde im höhenmedi-

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zinischen Labor „Silberpyramide“ in der Höhe von 5.050 m durchgeführt (C). Die tägliche Trekkingzeit lag zwischen 4 und 6 Stunden, die Probanden trugen nur einen leichten Tagesrucksack und wurden voll verpflegt. Es gab keine ernsten Gesundheitsprobleme, 5 Probanden nahmen aber an der letzten Untersuchung nicht teil, da sie leichte Symptome einer Höhenkrankheit entwickelten. Komplette Harnmengen wurden zu den 3 Untersuchungszeitpunkten gesammelt, und zwar während des Tages (7.00–22.00 h) und während der Nacht (22.00–7.00 h), das Volumen wurde gemessen und ein Aliquot bei –20º Celsius eingefroren. Die Probanden schliefen während der Nacht in einem dunklen Zimmer oder Zelt und hatten sonst freie Bewegungsmöglichkeit mit Einschränkung der Harnsammlung in einer Flasche. Assay: 6-Hydroxymelatonin-Sulfat-(aMT6s-)Konzentrationen im Harn wurden mit einem kommerziellen RIA bestimmt (Stockgrand Ltd., Guildford, UK) unter Anwendung einer Methode, die von J. Arendt beschrieben wurde (4). Die Durchführungskriterien für diesen Assay in unserem Labor wurde kürzlich publiziert (5). Statistische Analysen: Da für die Daten keine Normalverteilung vorlag, wurden die Ergebnisse als Median (25.–75. Percentile) angegeben und mittels Kruskal-Wallis-one-wayANOVA analysiert. Ergebnisse: aMT6s-Werte (Tab. 1) wurden in Mikrogramm, die in der entsprechenden Sammelperiode ausgeschieden wurden, angegeben, also als Tag- bzw. Nachtphase

Probanden A (n = 33) B (n = 33) C (n = 28) Kontrollen (n = 53)

aMT6s-Ausscheidung (µg) Tag Nacht (7.00–22.00) 4.2 (2.7–5.9) 5.1 (3.1–8.3) 5.7 (2.8–7.0) 3.1 (2.7–5.2)

(22.00–7.00) 15.9 (11.3–21.4) 21.3 (16.9–32.0)* 27.4 (22.1–41.1)* 10.3 (7.8–18.6)

Tab. 1: aMT6s-Ausscheidung bei den Probanden in 3 verschiedenen Höhenlagen: A = 120 m, B = 3.440 m, C = 5.050 m (nachdem maximale Höhen von 5.600 bis 5.900 m erreicht wurden) und bei Kontrollen

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(µg/Phase). Während des Tages war die aMT6s-Exkretion niedrig und zeigte keine wesentlichen Änderungen während des Anstieges. Wie erwartet waren die nächtlichen aMT6s-Ausscheidungen zu allen 3 Untersuchungszeitpunkten signifikant höher als die Tageswerte. Interessanterweise zeigte aber die nächtliche Ausscheidung von aMT6s einen signifikanten Anstieg während des Aufstieges in große Höhe (p < 0.001). Diskussion: Unseres Wissens ist dies der erste Bericht über Melatonin beim Menschen während eines Aufstieges in große Höhen. Wir fanden einen klaren Anstieg der nächtlichen MLT-Produktion, die durch den Anstieg der signifikanten aMT6sExkretion nachgewiesen wurde. Melatonin wird hauptsächlich während der Nacht sezerniert und die nächtliche Sekretionsphase beginnt zwischen 21.00 und 23.00 h und der morgendliche Abfall ist zwischen 7.00 und 9.00 h (6). 60–80 % des Melatonins werden in der Leber zu aMT6s metabolisiert, das in den Urin abgegeben wird (7). Die Analyse der nächtlichen aMT6s-Exkretion ist daher ein zuverlässiger und nützlicher Parameter für die Analyse der Melatonin-Sekretion (8, 5). Die nächtliche Melatonin-Sekretion ist in der frühen Kindheit hoch und im höheren Alter sehr niedrig, zeigt aber im Altersbereich zwischen 20 und 65 Jahren, was dem Altersbereich unserer Probanden entspricht, relativ konstante Spiegel (9). Wir haben daher die Daten der gesamten Gruppe zusammen ausgewertet. Der Anstieg von MLT während des Aufstieges in große Höhe ist deshalb bemerkenswert, weil es bis heute keinen Stimulationstest für MLT beim Menschen gibt, der es ermöglichen würde, die Funktion der Pinealis zu beurteilen. Es wurde vermutet, dass Katecholamine, die bei Stress und körperlicher Anstrengung ausgeschüttet werden, möglicherweise zu einer Erhöhung von MLT führen. So erhöht L-Dopa, ein Norepinephrin- Vorläufer, die MLT-Synthese bei Ratten (10), hatte jedoch beim Menschen keinen Effekt auf die MLT-Sekretion (11). Die Auswirkung von körperlicher Betätigung auf die MLT- Sekretion wurde in mehreren Studien untersucht. Erhöhte MLT-Spiegel wurden nach ausgeprägter körperlicher Anstrengung wie Langstreckenlauf (12) oder bei Athleten (13) gefunden. Bei professionellen Radrennfahrern fand sich ein signifikanter Anstieg von aMT6s während des Tages nach jedem Rennen, insgesamt war aber ein Abfall der Morgen- und Abendwerte während des 3 Wochen dauernden Ren-

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nens zu beobachten (14). Dies zeigt, dass insgesamt eine Erschöpfung der aMT6s-Ausscheidung stattfand, die möglicherweise durch ungenügende Zeit für eine Erholung der Pinealis nach starker Anstrengung spricht. Andere Autoren konnten keine Auswirkung von körperlicher Aktivität während des Tages auf die MLT-Sekretion nachweisen (15). Unsere Probanden waren keine Athleten und die körperliche Anstrengung während des Trekkings in Nepal war eher von mäßiger Intensität. Zusammenfassend scheint die körperliche Aktivität nicht verantwortlich zu sein für den MLT- Anstieg in unserer Studie. Der Effekt von Opioiden, die z. B. bei Langstreckenläufern vermehrt ausgeschüttet werden, auf die MLT-Sekretion wurde ebenfalls diskutiert. Allerdings hat die Verabreichung von Naltrexone, einem Opioid-Rezeptor-Antagonisten, keinen Effekt auf den Anstieg von Melatonin gezeigt, was diese Hypothese widerlegt (16). Bei Ratten, die in einer Unterdruckkammer für 2 Stunden einer simulierten Höhe von 8.000 m ausgesetzt wurden, fand sich ein konstanter Anstieg von Plasma-MLT mit einem Maximum 7 Tage nach dem Experiment. Elektronenmikroskopische Untersuchungen der Glandula pinealis zeigten, dass zur gleichen Zeit die Zahl der Mitochondrien und der Fetttröpfchen erhöht war (2). Dies zeigt eine erhöhte Synthese und Speicherung von Melatonin an. Allerdings wurde in diesem Experiment MLT im Plasma analysiert. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nachgewiesene Erhöhung von MLT durch eine Beeinträchtigung der renalen Clearance, wie sie durch hypobare Hypoxie verursacht wird, zustande gekommen ist. Sowohl im Tierversuch als auch beim Menschen konnte durch Hypoxie eine Störung der Nierenfunktion und Reduktion der Kreatinin-Clearance nachgewiesen werden (17, 18). Im Gegensatz dazu wurde in unserer Studie aMT6s im Harn analysiert, das die Menge von MLT, die in der Pinealis produziert und sezerniert wird, verlässlich wiedergibt, sodass eine Beeinflussung durch eine gestörte renale Clearance ausgeschlossen werden kann. MLT spielt möglicherweise eine Rolle bei der Immunregulation, so konnte gezeigt werden, dass die durch eine Entzündung induzierte Gewebsschädigung durch Gabe von MLT reduziert wurde, indem es zu einer Hemmung der Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen kam (19). Bei Ratten führte die Gabe von MLT zu einer Expression von CR-3-Rezeptoren und MHC-Klasse-

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II-Antigenen in Makrophagen (20). Weiters wurde diskutiert, dass Höhenexposition möglicherweise mit oxidativem Stress und einer Schädigung der BlutHirn-Schranke durch freie Radikale vergesellschaftet ist. Diese Veränderungen wurden auch als mögliche Faktoren bei der Entwicklung der akuten Höhenkrankheit gesehen (21). Es bleibt offen, ob der Anstieg von MLT in großer Höhe als ein physiologischer Mechanismus zur Verminderung der Folgen von oxidativem Stress eine Rolle spielt. In großer Höhe kommt es häufig zu Schlafstörungen, insbesondere einer Beeinträchtigung der Schlafqualität, indem die Stadien des Tiefschlafes reduziert sind. MLT kommt eine wichtige Rolle zu als Zeitgeber bei circadianen Rhythmen (22). Ob der Anstieg des MLT als ein Gegenregulator für den gestörten Schlaf-Wach-Zyklus oder auch bei der Entwicklung der Höhenkrankheit (23) eine Rolle spielt, bleibt vorläufig Spekulation.

DANKSAGUNG: Wir anerkennen die Kooperation unserer Probanden unter den fordernden Bedingungen dieser Feldstudie. Wir danken den freundlichen Nepali, ohne deren Hilfe die Durchführung dieses Projekts nicht möglich gewesen wäre. Wir danken dem Ev-K2-CNR-Komitee (Bergamo, Italien) und RONAST (Kathmandu, Nepal) für die Erlaubnis der Benützung des Labors Silberpyramide. Unser besonderer Dank gilt der großzügigen Unterstützung der Pfizer Corporation Austria (früher Pharmacia Austria) und Grandis Biotech, Deutschland.

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Höhenretinopathie und Endothelin-1: Störungen des retinalen Akklimatisationsprozesses in großen Höhen als Ursache von höhenbedingten Netzhautblutungen

High altitude retinopathy and Endothelin-1: Retinal vascular dysregulation at high altitude and its relation to high altitude retinal hemorrhages

S U M M A RY A cohort of 33 healthy volunteers, age 19–65 years, was studied during ascent to high altitude: A = sea level, B = 3.400 m and C = 5.050 m. Indirect ophthalmoscopy was used to examine the response of the retinal circulation to hypobaric hypoxia. At 5.050 m, after reaching the highest altitudes (5.500–6.100 m), 3 acclimatisation degrees of retinal vessels (RV) were documented: RV/C 1 = well acclimatized, RV/C 3 = marked delayed acclimatisation and HAR/C 1 = bilateral retinal hemorrhages, respectively. In addition, venous blood samples were drawn for measurement of plasma endothelin-1 (ET-1). The aim of our study was to gain first experiences whether hypoxia-induced reactions in ET-1 plasma levels are related to alterations of the retinal vessels and the incidence of retinal hemorrhages. Plasma ET-1 increased significantly during the ascent to 3.400 m, and increased slightly thereafter. The increment of ET-1 from A to C was more pronounced in group RV/C3 than in group RV/C1. ET-1 increment in group RV/C1 occurred mainly from A to B, whereas an additional clear rise of this hormone was seen between examination B and C in group RV/C3 and HAR/C1. Baseline values were significantly lower in groups RV/C 3 and HAR/C 1. These findings suggest that alterations of hypoxia-associated plasma ET-1 increments could represent one of the mechanisms contributing to retinal vascular dysregulations at high altitude. Retinal vascular dysregulations may be an important factor in the development of HAR in healthy climbers without high altitude sickness. Keywords: retinal acclimatisation, vascular dysregulation, Endothelin-1, highaltitude-retinopathy.

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Z U S A M M E N FA S S U N G 33 gesunde Probanden im Alter von 19 bis 65 Jahren wurden während des Aufstieges in große Höhe an 3 Messpunkten (MP) untersucht: A = Seehöhe, B = 3.400 m und C = 5.050 m. Mittels indirekter Ophthalmoskopie wurde die Adaptation der Netzhautgefäße an die hypobare Hypoxie im Verlauf beobachtet und auf MP/C der Zustand der retinalen Akklimatisation und das Auftreten von Netzhautblutungen dokumentiert. 3 retinale Akklimatisationsgruppen wurden definiert: RV/C 1 = gute retinale Akklimatisation, RV/C 3 = stark verzögerte retinale Akklimatisation, HAR/C 1 = bilaterale Netzhautblutungen. Zusätzlich wurden an jedem Messpunkt venöse Blutproben für die Bestimmung von Endothelin-1 (ET-1) im Plasma entnommen. Ziel der Studie war, erste Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob das Hormon ET-1 bei Störungen des retinalen Akklimatisationsprozesses bzw. beim Auftreten einer Höhenretinopathie (HAR) eine Rolle spielen könnte. Bei den 33 Probanden kam es zu einem signifikanten Anstieg des ET-1 während des Aufstieges von Seehöhe auf 3.400 m, während des weiteren Aufstieges auf MP/C war nur mehr ein geringer ET-1-Anstieg zu beobachten. Der ET-1-Gesamtanstieg von MP/A nach MP/C war in der Gruppe RV/C 3 deutlich, jedoch nicht signifikant höher als in der Gruppe RV/C 1. Während der ET-1-Anstieg in der Gruppe RV/C 1 vor allem zwischen MP/A und B stattfand, kam es in der Gruppe RV/C 3 und in der Gruppe HAR/C 1 zwischen MP/B und C zu einem weiteren deutlichen ET-Anstieg. Aufgrund dieser Ergebnisse nehmen wir an, dass die Dynamik des hypoxisch bedingten ET-1Anstieges in großer Höhe mit der Dynamik der retinalen Akklimatisation eng korreliert. Ein spätes Ansteigen der ET-1-Plasmaspiegel scheint sich auf die Phase der Wiederherstellung eines normalen retinalen Gefäßtonus ungünstig auszuwirken. Schlüsselwörter: retinale Akklimatisation, vaskuläre Dysregulation, Endothelin-1, Höhenretinopathie.

EINLEITUNG Erstmals 1969 von Singh (1) erwähnt, sind höhenbedingte Netzhautblutungen seither bei vielen Expeditionsgruppen mit sehr unterschiedlichen Angaben über die Inzidenz (1,3 bis 68 %) beobachtet worden (2–13). Dies ist damit zu erklären, dass manche dieser Arbeiten über einen bunt gemixten Topf an Netzhautpathologien berichten. Es können nicht alle retinalen Blutungen in großer Höhe ätiologisch auf einen Nenner gebracht werden. Blutungen im Rahmen eines Höhenhirnödems (HACE) sind Stauungsblutungen bei erhöhtem Hirndruck, bei denen die Dramatik des Fundusbildes jener des Allgemeinzustandes entspricht. Auch thrombotische Verschlüsse von retinalen Venolen, die bedingt durch den

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Hämatokrit-Anstieg bei zu wenig Flüssigkeitszufuhr vorkommen können, führen zu Staseblutungen. Viel diskreter sind Netzhautblutungen im Rahmen der „High altitude retinopathy (HAR)“ (14–19), die bei gesunden, gut akklimatisierten Bergsteigern ab einer Höhe von etwa 4.000 m auftreten können. Charakteristisch sind zarte, fächerförmige Blutungen, die am Rand des Sehnervkopfes und zwischen den größeren Gefäßästen in der Nervenfaserschichte liegen (Abb. 1). Blutungen in Makulanähe können zu störenden Zentralskotomen führen, die besonders während einer ausgesetzten Situation im Gelände potenziell gefährlich sein können.

Abb. 1 Fundusfoto eines Bergsteigers mit HAR 2 Wochen nach extremer Höhenbelastung. Fächerförmige, intraretinal gelegene Blutungen peripapillär und entlang der großen Gefäßäste (kleine Pfeile). Glockenförmige, präretinal gelegene Blutung paramakulär (großer Pfeil) und noch deutlich dilatierte Netzhaut-Gefäße.

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Abb. 2 Indirekte Ophthalmoskopie mit dem Heine-Ophthalmoskop Omega 100 beim Climbing-Spherpa der Island-Peak-Probandengruppe Bezüglich der Pathogenese der HAR haben wir kürzlich die Hypothese aufgestellt, dass eine Störung der Autoregulation der Netzhautgefäße für diese Blutungen verantwortlich sein könnte (18, 19). Die hypobare Hypoxie in großer Höhe führt zu charakteristischen Veränderungen der retinalen Gefäße, die Frayser et al. (14) bereits 1971 als „retinalen Akklimatisationsprozess“ bezeichnet hat: Die akute Höhenexposition führt zur maximalen Vasodilatation und verstärkten Schlängelung (Tortuositas) der Venolen und Arteriolen mit Anstieg des retinalen Blutflusses, Blutvolumens und Venendruckes; diese Veränderungen bilden sich auch bei prolongiertem Aufenthalt in großer Höhe (nach etwa 2 Wochen) parallel zum Anstieg der retinal-arteriellen O2-Sättigung wieder zurück. Lokale vaskuläre Dysregulationen könnten Störungen dieser adaptiven Blutflussänderungen bewirken und kausal mit der Entwicklung einer HAR in

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Zusammenhang stehen. An der Entstehung von vaskulären dysregulatorischen Phänomenen sind verschiedene Mediatoren beteiligt, wobei viele Studien der letzten Dekade dem Hormon Endothelin-1 (ET-1) eine kausale Rolle zusprechen (20–22). ET-1 gehört zu einer Familie von Peptiden, die eine enge Strukturanalogie zu Bienen- und Schlangengiften aufweisen, wird in Endothelzellen von Gefäßen gebildet und ist gegenwärtig der stärkste bekannte physiologische Vasokonstriktor. Mit dieser Studie wollten wir erste Anhaltspunkte gewinnen, ob ET-1 auch bei Störungen der retinalen Akklimatisation bzw. der Höhenretinopathie eine kausale Rolle spielen könnte.

METHODIK 33 gesunde Probanden im Alter von 19 bis 65 Jahren nahmen im Rahmen des höhenmedizinischen Forschungsprojektes „Silberpyramide 2002“ teil, um während einer Trekkingtour im Solu-Khumbu-Tal im Himalaja von Nepal an genau definierten Punkten (Messpunkt [MP]/A = 120 m, MP/B = 3.400 m [Namche Bazaar] und MP/C = 5.050 m) interdisziplinär untersucht zu werden. 2 Gruppen mit unterschiedlichen Höhenbelastungszielen wurden gebildet: die Gokyo-(G-)Gruppe mit 17 Probanden (8 w., 45,2 +/– 12,9 Jahre), deren maximale Höhenbelastung mit 5.500 m (Besteigung des Gokyo-Ri und des Kala Pattar), und die Island-Peak-(IP-)Gruppe mit 16 Probanden (4 w., 38,1 +/–11,1 Jahre), deren maximale Höhenbelastung mit 6.100 m (Besteigung des Island-Peak) geplant war. Zusätzlich wurde auf MP/C eine Augenuntersuchung und Blutabnahme bei 7 Sherpa durchgeführt (35,5 +/–13,5 Jahre) (Abb. 2). Die Augenhintergrunduntersuchung wurde mittels indirekter Ophthalmoskopie jeweils an den Abenden der Untersuchungstage durchgeführt (Heine-Ophthalmoskop Omega 100 mit Heine-Accubox II). In maximaler Mydriasis wurden die retinalen Gefäße am hinteren Augenpol biomikroskopisch begutachtet, zeichnerisch dokumentiert und semiquantitativ nach folgendem Schema beurteilt: retinale Arteriolen und Venolen (Retinal Vessels = RV) normal weit bis eng gestellt (RV 1), deutlich dilatiert (RV 2), maximal dilatiert mit Tortuositas (RV 3) und Netzhautblutungen (HAR 1). Je nach dem Zustand der retinalen Akklimatisation auf MP/C (5.050 m) wurden folgende Akklimatisations-Gruppen definiert: RV/C 1 = gute retinale Akklimatisation mit wieder eng gestellten Gefäßen, RV/ C 3 = stark verzögerte retinale Akklimatisation mit maximal weit gestellten, tortuosen Gefäßen und HAR/C 1 = RV/C 3 plus Retinablutungen. Beim Anamnese-Gespräch wurde gezielt nach allgemeinen oder organspezifischen Beschwerden gefragt, die einer vaskulären Dysregulation zuzuordnen sind (vasospastischer Kopfschmerz, Migräne, labiler Blutdruck, kalte Hände/Füße, 131


M. Raynaud, frühere Augenerkrankungen, Normaldruck-Glaukom). Blutproben für die ET-1-Bestimmung wurden jeweils am Morgen der Untersuchungstage nach 10-stündiger Bettruhe nüchtern von der Kubitalvene entnommen, die 7 ml EDTA-Monovetten sofort zentrifugiert (3.000 UPM für 10 Min.), mit der Eppendorfpipette 1ml Plasma in ein 15-ml-Gewebekulturröhrchen pipettiert und sofort in einer tragbaren Tiefkühltruhe bei –20 °C tiefgefroren. Nach Abschluss des Projektes wurden die Plasmaproben ohne Unterbrechung der Kühlkette in das Endothelin-Labor der Univ.-Augenklinik Basel transportiert, wo die ET-1-Bestimmung mittels Radioimmunassay durchgeführt wurde, wie bereits früher genau beschrieben (Barton 1997). Die ET-1-Werte werden in pg/mL als Mittelwerte +/– Standardabweichung angegeben. Die statistischen Auswertungen erfolgten unter Verwendung des Statistik-Paketes SAS, 1999; die Signifikanzprüfungen erfolgten mittels t-Test (paired and unpaired) und Wilcoxon-Test, ein p-Wert <0.05 wurde als statistisch signifikant angesehen.

ERGEBNISSE Höhenbedingte Netzhautblutungen (HAR) Nach maximaler Höhenbelastung (MP/C) wurden bei 3/33 (9 %) Probanden beidseitige Netzhautblutungen im Sinne einer HAR festgestellt, die retinale Akklimatisation entsprach in allen 3 Fällen einem RV/C 3. Alle Betroffnen waren in einem guten Allgemeinzustand, ohne Anzeichen einer akuten Höhenkrankheit. Auffällig war bei 2 Probanden eine positive Anamnese von Symptomen einer allgemeinen vaskulären Dysregulation.

R E T I N A L E A K K L I M AT I S AT I O N Auf MP/B (3.400 m) fanden sich bei allen Probanden deutliche Zeichen der hypoxämisch bedingten Vasodilatation (RV 2 n = 14, RV 3 n = 19). Auf MP/C (5.050 m) fanden sich bei 16/28 (57 %) der Probanden wieder normal weit gestellte Gefäße, einer guten retinalen Akklimatisation entsprechend (RV/C 1). Bei 12/28 (43 %) der Probanden fanden sich immer noch maximal weit gestellte, tortuose Gefäße (RV/C 3), 3 von ihnen hatten zusätzlich Netzhautblutungen (HAR/C 1), wie bereits oben genau beschrieben. In der IP-Gruppe war der Anteil an Probanden mit stark verzögerter retinaler Akklimatisation deutlich höher als in der G-Gruppe (62,5 % versus 12 %). 5 der Probanden der G-Gruppe konnten auf dieser Höhe nicht untersucht werden, da sie auf Grund von incipienten AMS-Symptomen nicht mehr weiter aufsteigen konnten. In der Sherpa-Gruppe zeigten die retinalen Gefäße bei allen Untersuchten einen guten retinalen Akklimatisationzustand (RV/C 1).

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Eine positive Anamnese von Beschwerden, die Krankheitsbildern einer vaskulären Dysregulation zuzuordnen sind, konnte bei 8/15 Probanden (53 %) der Gruppe RV/C 3 und bei 4/13 Probanden (31 %) der Gruppe RV/C 1 gefunden werden.

ENDOTHELIN-1-PLASMASPIEGEL Bei den 33 Probanden kam es zu einem signifikanten Anstieg des ET-1 von MP/A (3,32 +/–0,86 pg/mL) nach MP/B (4,12 +/–1,07 pg/mL) (p = 0.003), ebenso war der Anstieg von MP/A (3,32 +/–0,86 pg/mL) nach MP/C (4,38 +/–1,14 pg/mL) deutlich signifikant (p < 0.0001). Von MP/B (4,12 +/–1,07 pg/mL) nach MP/C (4,38 +/–1,14 pg/mL) kam es noch zu einem weiteren, aber nicht mehr signifikanten Anstieg des ET-1. Die Sherpa-ET-1-Plasmaspiegel lagen auf MP/C deutlich unter den Werten der 33 Probanden (Mittelwert 3,65 pg/mL), jedoch ist dieser Unterschied nicht signifikant (p = 0.15) (Tab. 1). Tabelle 1 ET-1-Plasmaspiegel-Werte (pg/mL) während des Aufstieges von Seehöhe (ET1/A) auf 3.400 m (ET-1/B) und auf 5.050 m (ET-1/C). ET-1/A

ET-1/B

ET-1/C

Probanden 3,32 +/– 0,86 4,12 +/– 1,07 4,38 +/– 1,14 n=33 Sherpa-Gruppe n=7

A–B

ET-1-Anstieg von (p) B–C A–C

p = 0.0003

NS

p < 0.0001

3,65 (NS vs ET-1/C-Probanden)

NS = nicht signifikant

Der Unterschied des ET-1-Plasmaspiegel-Anstieges in der G-Gruppe und der IP-Gruppe war nur minimal (mean 0,55 vs. 0,19 pg/mL n.s.). Die ET-1-Plasmaspiegel-Anstiege der retinalen Akklimatisationsgruppen RV/C 1 und RV/C 3 nach maximaler Höhenbelastung sind in Tab. 2 dargestellt. Die ET-1-Plasmaspiegel-Werte auf Seehöhe (MP/A) lagen bei Probanden der Gruppe RV/C 3 signifikant niedriger als bei Probanden der Gruppe RV/C 1 (2,98 +/–0,80 vs. 3,70 +/–0,75 pg/mL, p = 0,01). Der ET-1-Anstieg von Seehöhe nach MP/B war in beiden Gruppen ziemlich gleich (0,77 +/–1,21 vs. 0,73 +/–1,26 pg/mL). Der ET-1-Anstieg von MP/B nach MP/C lag bei Probanden der Gruppe RV/C 3 deutlich, jedoch nicht signifikant höher als bei Probanden der Gruppe RV/C 1 (0,56 +/–1,85 vs. 0,05 +/–0,93 pg/mL). Ebenso war der ET-

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Tabelle 2 ET-1-Plasmaspiegel-Werte (pg/mL) der Akklimatisationsgruppen RV/C 1 und RV/C 3 während des Aufstieges von Seehöhe (ET-1/A) auf 3.400 m (ET-1/B) und auf 5.050 m (ET-1/C). ET-1/A

ET-1/B

ET-1/C

A–B

ET-1-Anstieg von (p) B–C A–C

RV/C 1 n = 13

3,70 +/– 0,75 4,46 +/– 1,18 4,52 +/– 0,95

0,77

0,05

0,82 p = 0,01

RV/C 3 n = 15

2,98 +/– 0,80 3,67 +/– 0,89 4,26 +/– 1,30

0,73

0,56

1,28 p = 0,002

RV/C 1: Probanden mit guter retinaler Akklimatisation RV/C 3: Probanden mit stark verzögerter retinaler Akklimatisation

1-Gesamt-Anstieg (Seehöhe nach MP/C) bei Probanden der Gruppe RV/C 3 mit 1,28 +/–1,27 pg/mL deutlich höher als in der Gruppe RV/C 1 mit 0,82 +/–1,00 pg/mL. Bei den 3 Probanden der Gruppe HAR/C 1 zeigten die ET-1-Basiswerte auf Seehöhe (mean 2,79 pg/mL) einen geringen Anstieg nach MP/B um 0,33 +/–0,95 pg/mL und dann einen sehr deutlichen Anstieg nach MP/C um 1,87 +/–2,18 pg/mL. Der Gesamtanstieg des ET-1 lag in dieser Gruppe bei 2,19 +/–1,71 pg/mL. Ein statistischer Vergleich mit den beiden anderen Akklimatisationsgruppen war aufgrund der geringen Stichprobengröße (n = 3) nicht sinnvoll (Tab. 3).

DISKUSSION Der Anstieg des ET-1-Plasmaspiegels bei den 33 Probanden war während der ersten Phase der Höhenexposition in 3.400 m signifikant und die weitere Tabelle 3 ET-1-Plasmaspiegel-Anstieg (pg/mL) der Probanden mit Netzhautblutungen auf MP/C nach maximaler Höhenbelastung (Gruppe HAR/C 1) während des Aufstieges von Seehöhe (ET-1/A) auf 3.400 m (ET-1/B) und auf 5.050 m (ET-1/C).

HAR/C 1 n=3

A–B

B–C

A–C

0,33 +/– 0,60

1,87 +/– 2,18

2,20 +/– 1,70

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Höhenbelastung hatte nur mehr einen geringgradigen Anstieg des ET-1 zur Folge. Bezogen auf die 4 Phasen der physiologischen Reaktion auf Höhenexposition nach Richalet (23) würde dies bedeuten, dass das Peptid Endothelin-1 vorwiegend während der Phase 1 und 2 (Akklimatisationsphase) seine noch nicht genau geklärte physiologische Rolle bei der Adaptierung des Gefäßsystems während des Aufstieges in große Höhen spielt. Die Studie von Morganti et al. (24), der erstmals den Effekt der hypobaren Hypoxie auf die ET-1-Plasmaspiegel bei gesunden Probanden untersuchte, zeigt ähnliche Resultate. Zusätzlich lässt die Aufsplittung in 5 Untersuchungs-Höhen sehr gut erkennen, dass ab 4.240 m und weiter nach 6-tägigem Aufenthalt in 5.050 m die ET-1-Werte wieder abfallen. Die Hypoxie scheint einer der potentesten Stimuli für die ET-1Sekretion zu sein und die ET-1-Anstiege korrelieren invers mit dem Abfall der arteriellen Sauerstoffsättigung, jedoch nicht mit Änderungen des systemischen Blutdruckes (24, 25). Mehrere Studien belegen, dass die zirkulierenden ET-1Spiegel im Plasma eine relevante Funktion in der Adaptierung des Pulmonalkreislaufes an große Höhe haben (25–27). Bei Lungenerkrankungen, denen eine pulmonale Hypertension zugrunde liegt, dürfte das ET-1 und die ET-Rezeptoren selektiv in den Lungengefäßen hochreguliert und damit ein wichtiger Mediator der Hypoxie-induzierten pulmonalen Vasokonstriktion sein (28). Sartori et al. (27) konnten nachweisen, dass bei Bergsteigern mit Neigung zu Höhen-Lungenödemen die ET-1-Plasmaspiegelkonzentration bereits auf Seehöhe etwas und in 4.559 m signifikant höher war als bei der gesunden Vergleichsgruppe. Die direkte Korrelation mit dem deutlich erhöhten systolischen Pulmonalarteriendruck stellt die kausale Rolle des ET-1 in der Pathogenese des Höhen-Lungenödems zur Diskussion. Die Ergebnisse unserer Studie lassen die interessante Tendenz erkennen, dass ET-1 möglicherweise auch eine wichtige Rolle in der Pathogenese der HAR spielt. Bezogen auf den Zustand der retinalen Akklimatisation auf MP/C zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen mit guter und stark verzögerter Adaptation der retinalen Gefäße an die Höhenexposition. So war der ET-1-Anstieg in der Gruppe RV/C3 von MP/A nach C deutlich höher als in der Gruppe RV/C 1. Auf Seehöhe war der ET-1-Spiegel bei RV/C-3-Probanden signifikant niedriger als bei denen mit RV/C 1. Auffällig waren die Unterschiede des ET-1-Anstieges zwischen den einzelnen Messpunkten: Bei Probanden mit guter retinaler Akklimatisation erfolgte der Hauptanteil des ET-1-Anstieges zwischen MP/A und B, bei Probanden mit stark verzögerter retinaler Akklimatisation hingegen kam es auch zwischen MP/B und C zu einem weiteren ET-1Anstieg (Tab. 2). In der Subgruppe der Probanden mit Netzhautblutungen war diese Tendenz noch deutlicher zu erkennen: Der ET-1-Plasmaspiegel zeigte zwi-

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schen MP/A und B nur einen geringen und zwischen MP/B und C einen sehr deutlichen Anstieg. Insgesamt war in der HAR/C-1-Subgruppe, die sich aufgrund der geringen Stichprobengröße (n = 3) einem sinnvollen statistischen Vergleich entzog, der höchste ET-1-Anstieg von Seehöhe nach MP/C und der niedrigste Ausgangswert auf Seehöhe zu finden. Wenn auch ohne statistische Signifikanzen, sei diese Beobachtung doch als weitere Arbeitshypothese in den Raum gestellt. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Dynamik des hypoxisch bedingten ET-1-Anstieges in großer Höhe mit der Dynamik der retinalen Akklimatisation eng korreliert. Demnach scheint es für den ungestörten Ablauf der Anpassung der Netzhautdurchblutung an neue bzw. extreme Höhenlagen günstig zu sein, wenn der Endothelin-Spiegel bereits in Höhenlagen um 4.000 m seinen Maximalwert erreicht hat. Ein weiterer deutlicher Anstieg danach (bei weiterem Aufstieg auf 5.000 m und darüber) scheint sich hingegen auf die Phase der Wiederherstellung eines normalen retinalen Gefäßtonus ungünstig auszuwirken. Schlecht adaptierte Netzhautgefäße wiederum können nicht adäquat auf plötzliche Druckerhöhungen im retinalen Venensystem (Valsalva Manöver) reagieren und in der Folge können mikrovaskuläre Schrankenstörungen entstehen. Masaki (29) unterstreicht die physiologische Rolle des ET-1 als Regulator des peripheren Gefäßtonus im Zusammenspiel mit anderen lokalen Hormonen. „Vascular ET-1 has two faces“, insofern als dieses Peptid je nach Gefäßbett einmal mehr seine stark vasokonstriktorischen (via ET-receptor A) und einmal mehr seine vasorelaxierenden (via ET-receptor B) Eigenschaften zeigt. Aktivierte ET-B1-Rezeptoren stimulieren die Freisetzung von endothelialen Vasodilatatoren (C-type natriuretic peptide, nitric oxide, prostacyclin, adrenomedullin) (20,29). Die prolongierte Vasodilatation bei schlechter Akklimatisation der Netzhautgefäße in großen Höhen könnte im Zusammenhang stehen mit der späten ET-1-Plasmaspiegelerhöhung bei Probanden mit stark verzögerter retinaler Akklimatisation bzw. mit HAR. Unklar ist die Bedeutung der signifikant niedrigeren ET-1-Basiswerte auf Seehöhe bei dieser Gruppe von Probanden und ob dies mit dem „verzögerten“ ET-1-Plasmaspiegelanstieg in großer Höhe zusammenhängen könnte. Ein nicht zu hoher ET-1-Plasmaspiegel in einer Höhe über 5.000 m stellt einen günstigen prognostischen Faktor dar, wofür auch die ophthalmoskopischen Befunde der untersuchten Sherpa sprechen: Sie alle zeigten gut tonisierte, eng gestelle retinale Gefäße und dieser Befund korrelierte mit einem ET-1-Plasmaspiegel, der deutlich niedriger war als bei der gesamten Probandengruppe. Flammer et al. (30–35) diskutierte die kausale Bedeutung von „okulären vaskulären Dysregulationen“ in der Pathogenese unterschiedlichster Augenerkrankungen, deren gemeinsamer Nenner ein deutlicher Anstieg von Endothe-

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lin im Plasma ist. Neben retinalen Gefäßverschlüssen, Amaurosis fugax, Glaucom und der Chorioretinitis centralis serosa dürfte auch die anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) dieser Gruppe zuzuordnen sein. Bandyopadhyay et al. (36) berichtete vor kurzem über einen 33-jährigen gesunden Bergsteiger, der in einer Höhe von 5.472 m auf dem Siachen-Gletscher plötzlich einen Ausfall der unteren Hälfte seines rechten Gesichtsfeldes bemerkte. Die Ursache dafür war eine AION der rechten Papille, der Gesichtsfeldausfall war auch 3 Monate nach dem Erreignis noch vorhanden. Die vaskuläre Krise, die der AION bei jungen Patienten zugrunde liegt, wird häufig durch emotionale Stresssituationen hervorgerufen (37). Peripapilläre Blutungen in der retinalen Nervenfaserschichte, wie sie typischerweise bei der AION und auch der HAR zu finden sind, können nicht nur als harmlos bezeichnet werden. In Analogie zu den oft fatalen cerebralen Vasospasmen nach Subarachnoidalblutungen, an denen erhöhte ET-1-Plasmaspiegel kausal beteiligt sind (38), könnten auch diese intraretinalen Blutungen in großer Höhe lokale Vasospasmen und sekundäre Ischämien hervorrufen. Die Ergebnisse unserer Studie unterstreichen die Hypothese, dass das Auftreten einer Höhenretinopathie bei sonst gesunden, leistungsfähigen Bergsteigern kausal mit lokalen vaskulären Dysregulationen zusammenhängt. Auf dieser Basis könnte man (vorläufig) die „HAR-Risikogruppe“ so definieren: Menschen, die auf Seehöhe an Beschwerden wie Migräne, M. Raynaud, labilem Blutdruck, kalten Händen und Füßen, Tinnitus oder Angina-pectoris-artigen Beschwerden bei Stress leiden, haben ein erhöhtes Risiko, eine HAR zu entwickeln, wenn sie sich auf Trekkingtour oder Expedition in große oder extreme Höhen begeben. Ob auch „sympatikotone“ Menschen mit großem Ehrgeiz und starker Leistungsorientiertheit (wenn der Gipfel das Ziel ist und nicht der Weg) in diese Gruppe einzuordnen wären und ob es diesbezüglich Korrelationen mit den psychologischen Test-Ergebnissen gibt – dies wird noch Gegenstand weiterer Arbeiten sein.

DANKSAGUNGEN An dieser Stelle sei den Probanden dieser Feldstudie für ihre große Geduld und Disziplin herzlich gedankt. Ein besonderes Dankeschön geht auch an die Nepali, die uns begleitet, versorgt und unsere Habseligkeiten auf den Berg geschleppt haben. Dabei denke ich an jenen Porter, der sich unter der Last der „Zeiss-Tonne“ mit den optischen Geräten den Knöchel verstaucht hat, jenen Porter, der mit seinen Gummischlapfen die Blutproben-Tiefkühlbox den Berg hinunterbalancierte, und auch an jene Sherpa, die mit großer Spannung erstmals eine Augenuntersuchung + Blutabnahme über sich ergehen ließen.

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Gedankt sei auch den Firmen Haag-Streit Austria, Heine Optotechnik, Alcon, Zeiss Austria, Optik Niebauer und Herrn Dipl.-Orthoptisten Andreas Huber. Das Projekt „Silberpyramide 2002“ wurde in Absprache mit der Comitato EvK2-CNR (Bergamo, Italien) und der RONAST (Kathmandu, Nepal) durchgeführt. Das Höhenlabor „The Pyramid“ wurde unserem Projekt dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

L I T E R AT U R (1)

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J ü r g e n H e r f e r t , M a x i m i l i a n M o s e r, F r a n z i s k a M u h r y, H e l m u t L a c k n e r C h r i s t o p h P u e l a c h e r, G ü n t h e r S c h w a b e r g e r

Herzfrequenzvariabilität und autonome Regulation in sehr großen Höhen Heart rate variability and autonomic regulation in very high altitudes S U M M A RY The aim of the study was to investigate whether there are characteristic variations of the autonomic nervous system at very high altitudes. We recorded ECG’s for 25 hours with the HeartMan(tm), a high speed ECG measuring at a rate of 4.000 Hertz (Hz). We did a Fourier-transformation of the heart-rate-variability and created a so-called AutoChronic Image (visually easyto-interpret image). Additional measurements were made with the “SOMNOcheck effort” (Weinmann Co.), a sleep diagnostic tool which registers oxygen saturation, breathing flow, heart rate, movement of chest and abdomen as well as the body position. 17 mountaineers (four women, 13 men) were members in the Island Peak Team at the PSP 2002 (a research program). They were between 23 and 62 years (women: 23–44 years, men: 26–62 years) old and measurements were taken during ascent and descent at altitudes between 3.440 m and 5.100 m. All in all 13 mountaineers showed a characteristic pattern in the AutoChronic Image. The pattern appears in a frequency range between 0,03 and 0,3 Hz and shows a distinct modulation of the heart-rate-variability due to respiration. Of these seven showed this pattern at an altitude of 3.440 m, one, at 4.410 m, and five at 5.000 m. The pattern persisted during descent to the same altitude at which it had begun on ascent. The SOMNOcheck effort measurements showed that all climbers showing the above pattern in their AutoChronic Images had been doing the well-known Cheyne-Stokes breathing. It is interesting to note that all those mountaineers who developed the Cheyne-Stokes breathing had an improved oxygen saturation in comparison to the others. Cheyne-Stokes breathing is thus identifiable on the basis of the ECG (AutoChronic Image) alone. Further, it seems that oxygen uptake is improved by Cheyne-Stokes breathing during sleep (deep sleep phase), probably thus allowing the body to regenerate better. This idea is supported by reports of climbers

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doing Cheyne-Stokes breathing and claims to feel better than those not doing it. Cheyne-Stokes breathing might well represent an optimal adaptation to very high altitudes. Keywords: Autonomic-nervous-system, heart-rate-variability, periodic-breathing, high-altitudes.

Z U S A M M E N FA S S U N G Durch die Teilnahme am Projekt Silberpyramide 2002 sollte die Frage geklärt werden, ob es charakteristische Veränderungen des autonomen Nervensystems bei den Expeditionsteilnehmern in großen Höhen gibt. Es wurden mit Hilfe eines Hochgeschwindigkeits-Langzeit-EKGs, des HeartMan, 25-h-EKGs mit 4.000 Hz aufgezeichnet. Nach Berechnung der Herzfrequenzvariabilität wurde mittels einer Frequenzanalyse das AutoChrone Bild erstellt. Zusätzlich wurden mit einem Polygraphen (Fa. Weinmann) nächtliche Messungen der Sauerstoffsättigung, des Atemflusses, der Herzfrequenz, der Brustund Bauchbewegungen und der Körperlage durchgeführt. Im Rahmen der PSP 2002 wurden 17 Personen (4 Frauen, 13 Männer) im Alter von 23 bis 62 Jahren (Frauen: 23–44 Jahre, Männer: 26–62 Jahre) im Auf- und Abstieg zwischen 3.440 m und 5.100 m gemessen. 13 Bergsteiger zeigten ein spezifisches Muster in der Herzfrequenzvariabilität (wird in Folge als Bänderung im AutoChronen Bild bezeichnet). Diese Bänderung stellt die durch die Atmung modulierte Herzfrequenzvariabilität dar und tritt im Bereich von 0,03 Hz bis 0,3 Hz auf. Sieben Personen zeigten diese Veränderung in der Herzrhythmik schon ab 3.440 m, eine ab 4.410 m und fünf ab 5.000 m. Die Bänderung blieb beim Abstieg bis zur gleichen Höhe, bei der sie beim Anstieg aufgetreten war, erhalten. Aus den polygraphischen Messungen zeigte sich, dass bei allen Bergsteigern, bei denen sich im AutoChronen Bild Bänderungen finden, phasenhaft periodische Atmung auftritt. Auffällig ist, dass die Probanden mit periodischer Atmung eine höhere Sauerstoffsättigung aufweisen als die übrigen. Aufgrund der periodischen Atmung, die sich in Form einer Bänderung im AutoChronen Bild zeigt, kann der Organismus in den Ruhephasen (Tiefschlafphasen) mehr Sauerstoff aufnehmen und sich somit besser regenerieren. Diese Beobachtungen werden auch vom subjektiv besseren Befinden der Bergsteiger gestützt und können als Beitrag zur besseren Adaptation des Körpers an große Höhen gewertet werden. Schlüsselwörter: Autonomes Nervensystem, Herzfrequenzvariabilität, periodische Atmung, große Höhen.

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EINLEITUNG Durch die enorme Zunahme des Bergtourismus in großen Höhen kommt es immer öfter zu Anzeichen einer misslungenen Anpassungsreaktion und zur Manifestation der akuten Höhenkrankheit in ihrer ganzen Bandbreite. Dem autonomen Nervensystem kommt im Verlauf der Adaptation an große Höhen eine besondere Rolle zu. Die Messung der Herzfrequenzvariabilität als nichtinvasive Methode ermöglicht einen Einblick in die Regulations- und Anpassungsfähigkeit des Organismus. Bei einer im Jahre 2001 durchgeführten 25-h-EKG-Messung in 4.500 m Höhe traten Veränderungen der Herzrhythmik auf, die bislang nur bei Sprachtherapien (1) beschrieben wurden. Durch die Teilnahme am Projekt Silberpyramide bot sich die Möglichkeit, Herzfrequenzvariabilität und Vegetativum beim Aufstieg, bei längerem Aufenthalt in großen Höhen sowie beim Abstieg zu untersuchen.

METHODIK Das autonome Nervensystem reguliert jene Funktionen, auf die wir willentlich nur sehr bedingt Einfluss nehmen können. Eine der wesentlichen Aufgaben, die vom autonomen Nervensystem wahrgenommen werden, ist die Regelung des Herz-Kreislauf-Systems und die Steuerung des Schlafes, der für die Regeneration des Organismus von essentieller Bedeutung ist (5). Das autonome Nervensystem wird in der Peripherie in zwei Subsysteme unterteilt, das sympathische und das parasympathische Nervensystem. Der Sympathikus steht überwiegend im Dienste der Leistungssteigerung, während der Parasympathikus (Vagus) für Erholungsprozesse zuständig ist. Die Herzfrequenz ist die wichtigste Größe eines komplexen Regelnetzwerkes, an dem Herz, Kreislauf, Atmung, Temperatur, Stoffwechsel und psychomentale Einflüsse beteiligt sind. Dies verleiht der Herzfrequenz ihre typische zeitliche Struktur, die als Herzfrequenzvariabilität (HRV) messbar wird. Die HRV ist somit eine Kenngröße für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Organismus an exogene und endogene Belastungsfaktoren und basiert auf einem optimalen Zusammenspiel des sympathischen und parasympathischen Nervensystems. Um den Tonus (die Aktivität) der einzelnen Äste des autonomen Nervensystems beschreiben zu können, führt man eine Spektralanalyse durch. Die Zeitreihe wird mit Hilfe der Fouriertransformation vom Zeitbereich in den Frequenzbereich transformiert und als Leistungsspektrum dargestellt (14). Längere Zeitreihen werden zuvor in Segmente von fünf Minuten Länge zerlegt. Ein ver-

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gleichbarer Vorgang ist die spektrale Aufspaltung des weißen Lichts mit Hilfe eines Glasprismas in die Regenbogenfarben. Die unterschiedlichen Farben entsprechen verschiedenen Frequenzen elektromagnetischer Wellen. Folgende Frequenzbänder werden berechnet bzw. quantifiziert: HF (high frequency): Der HF-Bereich umfasst Schwankungen mit Periodendauern von 2,5 Sekunden bis 7 Sekunden (0,15–0,4 Hz). Somit entspricht die Leistung im HF-Band der Aktivität des Parasympathikus und spiegelt hauptsächlich Herzfrequenzvariationen wider, die auf Modulation über die Atmung zurückzuführen sind. LF (low frequency): Das LF-Band umfasst den Frequenzbereich von 7–25 Sekunden (0,04–0,15 Hz). Die Leistung in diesem Band wird sowohl vom Parasympathikus (tiefe Atemzüge) als auch vom Sympathikus beeinflusst. Diese Region wurde früher auch Barorezeptorbereich genannt, da die Aktivität dieses Rezeptors hier sehr gut widergespiegelt wird. Die niederfrequenten Komponenten der Herzfrequenzvariabilität korrespondieren mit der Blutdruckrhythmik mit einer Frequenz von ca. 0,1 Hz. Diese Parameter (Frequenzbänder) werden in der Regel logarithmisch dargestellt. Ein weiterer wichtiger physiologischer Parameter ist die logRSA. Der Median der absoluten Differenzen aufeinander folgender Herzfrequenzwerte misst, ähnlich der HF, vorrangig die raschen, atmungsinduzierten Änderungen, ohne jedoch eine strikte Grenze bei einer bestimmten Frequenz zu ziehen (9). Die respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) ist somit die hochfrequente Variabilität der Herzfrequenz, die die Stärke der Modulation des Herzrhythmus durch die Atmung widerspiegelt. Sie ist gleichzeitig ein Maß für den Tonus der Vagusaktivität. Zur Messung der Herzfrequenzvariabilität wurden Technologien des AustromirProjektes (4, 8,12) in ein zigarettenschachtelgroßes Gerät verpackt, welches am Gürtel oder in der Brusttasche getragen werden kann. Dieses Gerät, der „HeartMan“, zeichnet das EKG (4.000 Hz), aus dem die Herzperiodenabstände (RRIntervalle) gemessen werden, auf. Aus den daraus errechneten HRV-Parametern kann auf die Belastung untertags bzw. die Erholung während der Nacht geschlossen werden (9, 10). Das AutoChrone Bild (11) ist eine visuell rasch erfassbare Form der Darstellung der komplexen Informationen, die in der Herzfrequenz bzw. der Herzfrequenzvariabilität enthalten sind. Dabei wird das Signal in drei Dimensionen (Abszisse = Zeit, Ordinate = Frequenz, Farbe = Amplitude) dargestellt. Jede Zeile ist das Ergebnis der Frequenzanalyse eines kurzen Abschnitts einer Zeitreihe, z. B. einer Herzschlagfolge. Die Amplitude des Signals wird dabei farbig codiert. Eine geringe Amplitude ergibt Blau, eine höhere Weiß, eine sehr hohe Rot. Das Bild wird Zeile für Zeile zusammengesetzt – man erhält eine

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zeitabhängige Darstellung der in der Herzschlagfolge enthaltenen Rhythmen, z. B. über 25 Stunden (Abb. 1).

Abbildung 1: Erzeugung des AutoChronen Bildes zur Darstellung verschiedener Kreislaufrhythmen im Zeitverlauf. Das folgende Beispiel (Abb. 2) zeigt eine Nachtauswertung und illustriert die Übereinstimmung des AutoChronen Bildes, das ausschließlich aus dem EKG berechnet wird, mit der multiparametrischen Schlafklassifikation, wie sie in Schlaflabors durchgeführt wird. Zusätzlich zu den HeartMan-Messungen wurden Polygraphen (Somnocheck effort[r]) der Firma Weinmann mitgeführt. Diese 7-kanaligen Geräte zeichnen während des Schlafes die periphere Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, Thoraxund Abdomenexkursionen, Atemflow, Schnarchen und die Körperlage auf. Laut Bredenbröker et al. (2) und Rasche et al. (13) ist es ein System, das insbesondere in Hinblick auf den Apnoe-Hypopnoe-Index sehr gut mit der kardiorespiratorischen Polygraphie korreliert.

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Abbildung 2: Daten aus einem Schlaflabor: AutoChrone Bilder ein- und desselben Versuchsteilnehmers, wenn er schlecht schläft (links) bzw. gut schläft (rechts). Der Unterschied zeigt sich insbesondere in der Schlafarchitektur. Der gute Schlaf verläuft zyklisch (rechts), wobei sich die Ruhigschlafphasen deutlich vom REM-Schlaf (Traumschlaf) unterscheiden. Der schlechte Schlaf ist fragmentiert und vegetativ unruhig. Der vegetative Quotient (grau, je 2. Diagramm von oben) ist beim guten Schlaf vagotoner (rechtes Bild) als beim schlechten Schlaf (linkes Bild). Zum Vergleich die Schlag-zu-Schlag-Herzfrequenz (3. Diagramm) und die Standard-Schlafphasenklassifikation nach Rechtschaffen und Kales, die anhand von EEG-, EOG- und EMG-Aufzeichnungen vorgenommen wird (je unterste Diagramme). Um eine möglichst umfangreiche Datenerfassung zu erreichen, wurden folgende Geräte mitgeführt: 10 HeartMen zur 25-Stunden-EKG-Messung 1 Laptop zum Auslesen und Sichern der Daten 1externe Festplatte (Datensicherung) 1 externer CD-Brenner 5 Somnocheck effort(r) 18 kg Batterien Durch diesen großen materiellen Aufwand konnten 17 Probanden während der gesamten Expedition kontinuierlich gemessen werden.

DURCHFÜHRUNG Das Team Island Peak bestand aus 17 gesunden Bergsteigern (4 Frauen, 23–44 Jahre, und 13 Männer, 26–62 Jahre). Diese wurden kontinuierlich von Namche Bazar (3.440 m) bis zur Silberpyramide (5.050 m) und wieder zurück den Messungen unterzogen. Die für unsere Untersuchungen wichtige Schlafhöhe erreichte ein Maximum im Basecamp des Island Peak mit 5.100 m. Die maximale Tageshöhe betrug 6.100 m. Neben einer Vormessung im Februar 2002 wurden bei einigen Probanden auch Nachmessungen in Referenzhöhe durchgeführt. Es wurden pro Tag jeweils 8–9 Personen gemessen, da nur 10 HeartMen mitgeführt wurden. Die zweite Hälfte der Gruppe konnte jeweils am darauf folgenden Tag mit den Aufzeichnungen beginnen. Von den einzelnen Probanden liegen uns zwischen vier und acht 25-h-EKG-Messungen vor. Es wurden nicht von allen Probanden gleich viele Messungen erhoben, da auf die individuelle Verfassung und Belastungssituation Rücksicht genommen wurde, dennoch konnten insgesamt 80 dieser Aufzeichnungen in Nepal gewonnen werden.

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Während der Expedition wurde die Qualität der erhobenen Daten überprüft, die eigentliche Auswertung erfolgte am Institut für Nichtinvasive Diagnostik des Joanneum Research in Weiz. Bei den Schlafmessungen mit den Polygraphen konnten über 50 Datensätze aufgenommen werden. Die geringere Anzahl der Messungen lässt sich auf die niedrigere Compliance, bedingt durch die unangenehmere Handhabung und Trageweise in Zelt und Schlafsack, zurückführen.

ERGEBNISSE Trotz der körperlichen Anstrengung der Expeditionsteilnehmer und den großen Temperaturunterschieden war die Datenqualität ausgezeichnet. Zeitweilige Messausfälle traten durch das Ablösen der EKG-Kabel während des Nachtschlafs (beengte Verhältnisse im Schlafsack) auf. Uns interessierte in erster Linie das Auftreten von speziellen Mustern der Herzfrequenz während der Nacht. Tatsächlich zeigten 13 der 17 Probanden in großen Höhen diese Bandenzeichnung während des Schlafes im AutoChronen Bild. Das Auftreten der Muster beginnt bei den einzelnen Bergsteigern in unterschiedlichen Höhen. Bei sechs Personen findet sich die Bänderung schon ab 3.440 m, bei einer ab 4.410 m und bei den restlichen fünf ab 5.000 m. Diese Rhythmik der Herzfrequenz bleibt über den ganzen Aufenthalt in gleichen und höheren Lagen während des Schlafes erhalten, so lange, bis die Höhe des ersten Auftretens wieder unterschritten wurde. Die Bänderung zeigt sich im Bereich von 0,03 Hz bis 0,3 Hz. Man findet eine Grundfrequenzbande und mehrere Banden als ganzzahlige Vielfache davon. Als Beispiele werden Messungen von zwei Versuchspersonen gezeigt, wobei bei einer Versuchsperson (V15) diese Bänderung auftritt und bei der anderen (V11) ausbleibt. In Abb. 3 sind neben dem AutoChronen Bild auch der Verlauf der Herzfrequenz bzw. der logRSA während der Nacht in einer Zeile dargestellt. Die Versuchsperson (V15, männlich, 31 Jahre) verbrachte die Nacht auf einer Höhe von 3.440 m (20. 4. 2002). Im AutoChronen Bild zeigt sich bereits in dieser Seehöhe ansatzweise eine Bänderung. Die Herzfrequenz zeigt im Verlauf der Nacht eine fallende Tendenz, um sechs Uhr morgens führt das Aufwecken zu einem abrupten Anstieg der Herzfrequenz. Die logRSA bewegt sich im Mittel um 0,25 logRSA ms, was auf eine gute Erholung während der Nacht schließen lässt. In der zweiten Zeile sind die Ergebnisse derselben Versuchsperson während des Nachtschlafs auf 5.100 m (24. 4. 2002) dargestellt. Die Bänderung tritt in dieser Seehöhe verstärkt auf, die Herzfrequenz bewegt sich um 50 Schläge/min und die logRSA verändert sich nicht wesentlich.

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Abbildung 3: AutoChrone Bilder, Herzfrequenz und logRSA während des Nachtschlafs einer Versuchsperson (V15) in verschiedenen Höhen.

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Am 28. 4. 2002 zeigt sich die intensive Bänderung während des Nachtschlafs auf 5.050 m, Herzfrequenz bzw. logRSA zeigen nur unwesentliche Veränderungen im Vergleich zur vorherigen Messung. Die Bänderung wird während des Nachtschlafs auf 3.440 m (vierte Zeile) wieder geringer, die Herzfrequenz zeigt im Mittel einen leichten Anstieg, in der logRSA lässt sich ein leichter Abfall einstellen. Bei der Nachmessung auf einer Höhe von 360 m (fünfte Zeile, 12. 10. 2002) lässt sich die Bänderung nicht mehr feststellen, allerdings zeigt sich eine ausgeprägte Schlafarchitektur, die Herzfrequenz ist im Vergleich zu den Höhenmessungen wesentlich niedriger, aus der logRSA ergibt sich wieder eine gute Erholungsfähigkeit. Messartefakte (Lösen der EKG-Kabel) zeigen sich im AutoChronen Bild als Aktivitäten über den gesamten Frequenzbereich, in der Darstellung der Herz-

Abbildung 4: Fünfminütiger Ausschnitt aus einer Polysomnographie-Messung (V15) mit Darstellung des Atemflows, der Brust- und Bauchbewegung und der Sauerstoffsättigung. Die zeitliche Verteilung der Sauerstoffsättigung ist in Diagrammform in der unteren Bildhälfte eingefügt. Die roten Pfeile kennzeichnen Abschnitte mit besonders hoher Sauerstoffsättigung.

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frequenz treten diese als unproportionale Frequenzanstiege (Zacken) auf. In der Darstellung der logRSA spiegeln sich die Artefakte ebenfalls in Form von großen Ausschlägen wider. Abb. 4 zeigt einen fünfminütigen Ausschnitt aus einer Polysomnographie-Messung desselben Probanden. Neben dem Atemflow sind Thorax- und Abdomenbewegungen, Schnarchen bzw. die Sauerstoffsättigung dargestellt. Es lässt sich unschwer eine periodische Atemtätigkeit feststellen (Zeile 1–3). Alle drei Parameter setzen zur selben Zeit aus, was auf eine zentral gesteuerte Atemrhythmik hinweist. Eine außerordentlich hohe Sauerstoffsättigung (mit roten Pfeilen gekennzeichnet) wird während dieser rhythmischen Atmung erreicht. Im eingeblendeten Diagramm sieht man die zeitliche Verteilung der Sauerstoffsättigung. Immerhin wird in 10 % der Zeit eine Sauerstoffsättigung von über 95 % in 5.050 m Schlafhöhe erreicht. Abb. 5 zeigt die AutoChronen Bilder, die Darstellungen der Herzfrequenz und der logRSA eines zweiten Probanden (V11, männlich, 29 Jahre). In der ersten Zeile (17. 4. 2002) sieht man im AutoChronen Bild keine Bänderung, aber eine relativ ungegliederte Schlafstruktur. Die Herzfrequenz sinkt im Verlauf des Schlafs zwar ab, ist im Mittel aber relativ hoch. Die logRSA, als Maß für den Vagustonus, pendelt um 1 ms (= 0 logRSA ms) und deutet somit auf eine schwache Regeneration und schlechte Erholungsfähigkeit. Das AutoChrone Bild in der zweiten Zeile (26. 4. 2002, Schlafhöhe: 5.100 m) zeigt ebenfalls keine Bänderung. Die Herzfrequenz und die logRSA zeigen eine nur unwesentliche Änderung. Im AutoChronen Bild in der dritten Zeile (30. 4. 2003) findet sich wiederum keine Bänderung. Die Herzfrequenz ist während der Nacht um ca. 20 Schläge/min höher als bei der vorangegangenen Messung. Die logRSA sinkt noch weiter. Im AutoChronen Bild der vierten Zeile (3. 5. 2002) ist eine strukturierte Schlafarchitektur zu erkennen, allerdings auch hier ohne Bänderung. Die Herzfrequenz sinkt wieder, vor allem im zweiten Teil der Nacht. Zu diesem Zeitpunkt steigt auch die logRSA wieder an. In Abb. 6 ist ein Ausschnitt (5 Min.) aus der Polysomnographie (28. 4. 2002) des zweiten Probanden in 5.050 m Seehöhe dargestellt. Es tritt keine rhythmische Atmung auf, die Sauerstoffsättigung ist erheblich geringer als bei der Versuchsperson zuvor. Auch im Diagramm über die zeitliche Sauerstoffsättigung wird der Unterschied deutlich. Die meiste Zeit (über 60 % der Zeit) liegt die Sauerstoffsättigung zwischen 80 und 84 %, Werte über 90 % Sauerstoffsättigung werden praktisch nie erreicht.

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Abbildung 5: AutoChrone Bilder, Herzfrequenz und logRSA während des Nachtschlafs einer Versuchsperson (V11) in verschiedenen Höhen.

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DISKUSSION Mit der ständig steigenden Zahl von Bergtouristen, die sich in große bzw. sehr große Höhen begeben, kommt es auch zu immer häufigerem Auftreten von ungenügenden Anpassungsreaktionen und Fällen von akuter Höhenkrankheit. Eine wichtige Rolle in der Anpassung des Organismus an die Höhe spielt das autonome Nervensystem. Beim Aufstieg in sehr große Höhen wird die sympathische Aktivität erhöht und die parasympathische erniedrigt. Bei längeren Aufenthalten in derselben Höhe kommt es zu einer leichten Erniedrigung des Sympathikustonus bei gleichzeitiger Erhöhung des Vagustonus (6). Das optimale Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus ist die Voraussetzung für eine gute Regenerationsfähigkeit. Beim Höhenbergsteigen ist eine sympathovagale Balance die Basis für die Anpassung an die geänderten Bedingungen (Höhe, Hypoxie) und die Erhaltung der Leistungsfähigkeit (11).

Abbildung 6: Fünfminütiger Ausschnitt aus einer Polysomnographie-Messung (V11) mit Darstellung des Atemflows, der Brust- und Bauchbewegung und der Sauerstoffsättigung. Die zeitliche Verteilung der Sauerstoffsättigung ist in Diagrammform in der unteren Bildhälfte eingefügt.

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Ein bekanntes Phänomen während des Schlafs in großen Höhen ist die periodische oder Cheyne-Stokes-Atmung (7). Diese Atmung tritt individuell in verschiedenen Höhen auf (16) und wird von einem Teil der Bergsteiger als störend empfunden. Allgemein gilt diese periodische Atmung als ungefährlich, bei Bedarf wird aber bislang Theophyllin als Therapie verwendet. Es soll damit ein ungestörter Schlaf und damit eine bessere Erholung gewährleistet werden. Die in Nepal gewonnenen Daten lassen aber eine andere Interpretation der periodischen Atmung zu. Bei 13 von 17 Probanden finden sich im AutoChronen Bild während des Schlafs spezielle Herzfrequenzrhythmen in Form einer Bänderung. Diese Bandenbildung entspricht einer Grundfrequenz und ihren Oberschwingungen im Frequenzbereich von ca. 0,03 bis 0,3 Hz. Diese Banden treten vor allem in den Tiefschlafphasen auf. In den gleichen Schlafphasen erscheint auch in den polysomnographischen Messungen die rhythmische Atmung (Abb. 3 und 4). Das heißt, dass sich die Atmung in Form dieser speziellen Rhythmen auf den Herzschlag abbildet. Vergleicht man Messungen von Bergsteigern, die eine periodische Atmung (Abb. 4) entwickeln, mit jenen ohne diese spezielle Atemform (Abb. 6), so zeigen sich auffällige Unterschiede in der Sauerstoffsättigung. Die Ausprägung der Cheyne-Stokes-Atmung bedingt eine höhere Sauerstoffsättigung, diese erreicht in den Apnoe-Phasen ihr Maximum (3). Diese Beobachtung lässt den Schluss zu, dass die periodische Atmung keine Labilität des Atemzentrums darstellt, sondern als Not- oder Hilfsprogramm des Körpers gedeutet werden kann, mit dessen Hilfe eine weitaus bessere Sauerstoffsättigung und damit in Folge eine bessere Sauerstoffversorgung erzielt werden kann. Nach West et al. (15) sind jene Bergsteiger, die eine periodische Atmung entwickeln, besser geeignet, sich an große Höhen anzupassen. Trotz manchmal auftretender Schlafunterbrechungen durch die nächtliche CheyneStokes-Atmung kommt es zu einer deutlich besseren Erholung und somit auch zu einer höheren Leistungsfähigkeit. Unterstützt wird diese Annahme auch durch Berichte von Bergsteigern, die sich subjektiv erholter und leistungsfähiger fühlen, sobald die periodische Atmung auftritt. Die Daten haben gezeigt, dass die Adaptation an große Höhen im AutoChronen Bild sichtbar gemacht werden kann. Der beobachtete Zusammenhang zwischen der Sauerstoffsättigung und der Cheyne-Stokes-Atmung gibt Anlass, diese Atemform als sinnvolle Adaptation an die Höhenbedingungen zu sehen und therapeutische Zurückhaltung zu üben. Weitere Untersuchungen sollen zeigen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der periodischen Atmung und einem verminderten Risiko zur Entwicklung der akuten Höhenkrankheit gibt.

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(10) Moser M., Lehofer M., Hildebrandt G., Voica M., Egner S., Kenner T.: Phase- and frequency coordination of cardiac and respiratory function. Biol. Rhyth. Res. 26 (1), 100-111 (1995). (11) Moser M., Frühwirth M., von Bonin D., Cysarz D., Penter R., Heckmann C., Hildebrandt G.: Das autonome Bild als Methode zur Darstellung der Rhythmen des menschlichen Herzschlags. In: Heusser P. (Hrsg): Hygiogenese. Verlag Peter Lang, Bern 207-223 (1999).

157


(12) Rafolt D., Moser M., Jernej G., Gallasch E., Kenner T.: New optical and mechanical pulse sensors for the noninvasive assessment of cardiovascular functions. Medical and Biological Engineering 1247 - 1250 (1992). (13) Rasche K., Sanner B., Schäfer T., Schläfke M. E., Sturm A., Zidek W., Schultze-Werninghaus G. (Hrsg): Schlafbezogene Atemstörungen in Klinik und Praxis. Blackwell-Wissenschafts-Verlag, Berlin, Wien (1999). (14) Task Force of the European Society of Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology: Heart rate variability. Standards of Measurement, Physiological Interpretation, and Clinical Use. Circ. 93 (5), 1043-1065 (1996). (15) West J. B., Peters R. M., Aksnes G., Maret K. H., Milledge J. S., Schoene R. B.: Nocturnal periodic breathing at altitudes of 6,300 and 8,050 m. J. Appl. Physiol. 61 (1), 280-287 (1986). (16) White D. P., Gleeson K., Pickett C. K., Rannels A. M., Cymerman A., Weil JV.: Altitude acclimatization: influcence on periodic breathing and chemoresponsiveness during sleep. J. Appl. Physiol. 63 (1), 401-412 (1987).

158


R o b b Wa a n d e r s , M a t t h i a s G l ü c k , K r e s z e n t i a Vo g e l - H e i n r i c h

Kognitive Leistungen und Befinden w ä h r e n d H i g h - A l t i t u d e - Tr e k k i n g Cognitive Performance and State of Health during High altitude Trekking S U M M A RY Aim of this study was to document both cognitive productivity and subjective well-being during a stay at high altitude, ranging from 3.400 to 5.050 metres above sea level. 22 participants of PSP-2002 were examined at two stages according to a list of physical complaints and 4 computerized psychometric tests. During the analysis of data no significant correlation with altitude was observed. Participants who had prior been tested at 3.400 metres did not score significantly lower in their cognition, reaction time, verbal learning, or colour/word interference tests when tested after a night’s stay at 5.050 metres. However, whilst their cognitive abilities remained stable, the participants’ psychometric speed certainly increased. In addition, with the increase in altitude more severe complaints were added to the list, especially so amongst the Gokyo team. Based on the data gathered, we suggest that the likeness of results recorded at 3.400 and 5.050 metres may be due to the participants’ acclimatization following their trek. It should also be noted that at 5.050 metres their total sum scores on the Lake Louise AMS Scoring System were fairly low: an average of 1.67 for the Gokyo and 0.92 for the Island-Peak team. Amongst the more severe complaints listed by the participants feelings of cold, puffiness and rapid exhaustion predominate. Keywords: neuropsychological assessment, reaction time, cognitive performance, subjective well-being.

Z U S A M M E N FA S S U N G Ziel war es, die neuropsychologische Leistungsfähigkeit sowie auch das subjektive Wohlbefinden während eines Aufenthaltes in Höhen zwischen 3.400 m und 5.050 m zu dokumentieren. Zu diesem Zwecke konnten 22 Teilnehmer an PSP-2002 mit der Beschwerden-Liste und mit 4 computerisierten psychometrischen Verfahren an zwei Messpunkten untersucht werden. Die Analyse der

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Daten brachte keinen evidenten Höhenfaktor ans Licht. Die Probanden, die nach der ersten Nacht in der Zielhöhe getestet wurden, zeigten keine signifikant schwächeren Leistungen im Kognition, Reaktionstest, verbalen Lerntest und im Farb-Wort-Interferenztest im Vergleich mit den Leistungen im Tal. Bei gleichbleibenden kognitiven Leistungen nahm (jedoch) die psychomotorische Geschwindigkeit mit der Höhe deutlich zu. Und auf die Beschwerden-Liste wurden mit zunehmender Höhe auffallend mehr und intensivere Beschwerden rapportiert, insbesondere im Gokyo-Team. Es liegt der Schluss nahe, dass die guten reaktiven und kognitiven Leistungen, die in 3.400 m und 5.050 m gemessen wurden, auf eine bereits im Rahmen des Trekkings erfolgte Akklimatisation der Teilnehmer hindeuten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch die Summenscores der Lake-LouiseScore recht niedrig waren: In 5.050 m hatten die Teilnehmer im Gokyo-Team eine durchschnittliche Score von 1.67, im Island-Peak-Team von 0.92. Die auf die Beschwerden-Liste geäußerten Beschwerden galten primär der Kälte sowie der Kurzatmigkeit und der raschen Erschöpfbarkeit in gut 5.000 Meter Höhe. Schlüsselwörter: Psychometrie, Reaktionsleistung, kognitive Leistung, subjektives Wohlbefinden.

EINFÜHRUNG Auf seinen Reisen über die Seidenstraße in Zentralasien hatte Marco Polo im 13. Jahrhundert das Dach der Welt (Pamir-Gebirge) überquert. Dabei mussten der „Kleine“ und der „Große Kopfschmerzpass“ überschritten werden. „Aufgrund der großen Höhe und der Kälte fliegen dort keine Vögel“, ist in dem Reisebericht zu lesen, „und es leben in diesem Land der hohen Berge kaum Menschen.“ Heutzutage ist es bestens bekannt, dass die Luft mit zunehmender Höhe „dünner“ wird und zu verschiedenen körperlichen Reaktionen führt. D. h., je höher (man steigt), um so niedriger ist der Sauerstoff-Partialdruck (SPD). Der SPD nimmt von 159,2 Torr (= 20,93 % von 760 mm Hg) in Meereshöhe auf ca. 110 Torr in 3.000 m bzw. 72 Torr in 6.000 m bzw. 48 Torr in 9.000 m ab. Parallel hierzu nimmt für uns Menschen bei akuter Höhenexposition der „Hypoxie-Index“ zu. Bei der Eroberung Südamerikas durch die Spanier drangen diese auf der Suche nach dem Gold der Inkas ständig weiter nach Westen und schlussendlich auch in die Kordilleren vor. Im späten 16. Jahrhundert verfasste der Jesuitenpater José de Acosta in seinem Buch Historia Natural y Moral de las Indias (1590) die erste detaillierte Beschreibung der Symptome der akuten Höhenerkrankung (Kopfschmerzen, Übelkeit und Kurzatmigkeit), wovon „Flachländer“ oft betroffen sind, wenn sie in große Höhen aufsteigen.

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Auf der Basis des atmosphärischen Druckes Pb lässt sich nach der Formel (Pb in 0M – Pb in XM) / (Pb in 0M + Pb in XM) folgender Hypoxie-Index (I.atm) berechnen: In einer Höhe von 1.500 m beträgt der I.atm 0,071, in 3.000 m 0,17 in 6.000 m 0,36 usw. usf. Graphisch dargestellt schaut dies folgendermaßen aus: (Abb. 1, blaue Linie). Verlauf Hypoxie-Index (HYP-I) 0,6 0,5 HYP-I

0,4 0,3 0,2 0,1 0 0

1500

3000

4500

6000

7500

9000

Höhe in M I.atm

I.alv

Abb. 1 Hypoxie-Index bei akuter Höhenexposition Gehen wir von der Situation in der Lunge aus, so stellt sich die Lage noch ein wenig anders dar. Auf der Basis des alveolären SPD (4) bzw. des alveolären Hypoxie-Indexes (I.alv) ergibt sich bei akuter Höhenexposition folgende Graphik: (Abb. 1, grüne Linie). Die Werte sind zum Teil noch etwas „extremer“ als beim atmosphärischen Hypoxie-Index (I.atm). Ausgehend vom Hypoxie-Index kann ein Quotient berechnet werden, der darüber Aufschluss gibt, in welchem Ausmaß eine Person an eine bestimmte Höhe adaptiert ist. Dieser „Adaptation-to-Altitude“-Quotient (AA-Q) zeigt für den atmosphärischen SPD folgenden Verlauf bzw. für den alveolären SPD eine leicht andere Kurve: (Abb. 2). Jeder Punkt auf der Kurve zeigt den so genannten „Akklimatisationsfaktor“ (AF) an. Dieser Faktor variiert zum einen aufgrund der Höhe und andererseits aufgrund von individuellen Gegebenheiten. In 3.000 m beträgt der atmosphärische „Adaptation-to-Altitude“-Quotient (AA-Q.atm) 83 von maximal 100 in Mee-

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Adaptation-Quotient (AA-Q) 100 Akklim. Faktor

90

AA-Q

80 70 60 50 40 30 0

1500 3000 4500 6000 7500 9000 Q.atm

Q.alv

Abb. 2 Verlauf des Akklimatisationsquotienten bei akuter Höhenexposition reshöhe, was einen Faktor von 17 ergibt. In 6.000 m beträgt der AA-Q 64 bzw. der AF.atm 36, in 9.000 m liegt der AA-Q.atm bei 47 und beträgt der AF.atm 53. Die alveolären Quotienten liegen zum größten Teil noch ein wenig tiefer. Somit sind die alveolären Akklimatisationsfaktoren größer als die vergleichbaren atmosphärische Akklimatisationsfaktoren. Die AA-Q-Graphik (Abb. 2) zeigt einige interessante „Schwellenwerte“ auf: Bei einem Quotienten von ca. 90 schneiden sich die Linien von Q.atm und Q.alv.

162


Dieser Punkt entspricht einer Höhe von ca. 1.800–1.900 m, sag Oberlech und denke an die AMAS-Studie (9). Die niedrigste Schwelle für AMS, bei der die ersten Symptome der Höhenanpassungsstörung auftreten können, ist ca. 2.500 m. Der Q.alv beträgt in dieser Höhe ca. 80, der F.alv somit 20. Die nächste Schwelle zeigt sich bei einem Q.alv von 70. Die Höhe beträgt ca. 4.000 m, was als Schwelle für den psychometrischen Nachweis von ersten kognitiven Defiziten gilt. Ein Q.alv von 60 korrespondiert mit einer Höhe von ca. 5.200 m. Ab dieser Höhe ist keine vollständige Höhenanpassung mehr möglich. In ca. 7.200 m wird die „untere Schwelle der Todeszone“ betreten. Der Q.alv liegt bei ca. 50, der AF.alv ebenfalls. Schließlich wird der Gipfel des Mount Everest in ca. 8.900 m bei einem Q.alv von ca. 45 erreicht. Der Akklimatisationsfaktor (AF) beträgt hier 55!

PSYCHISCHE LEISTUNG IN DER HÖHE Es ist allgemein bekannt, dass die psychischen Leistungen und auch das Befinden mit zunehmender Höhe beeinträchtigt sind. Eine Fülle an Anekdoten, Bergsteigerbüchern sowie Druckkammer- und Feldstudien belegen dies auf beeindruckende Weise (12). In einer Falldarstellung von Litch und Bishop (6) wird über ein amnestisches Syndrom bei zwei Bergsteigern in Höhen von ca. 4.000 m berichtet. Die Betroffenen wissen noch verschiedene autobiographische Details wie ihren Namen, ihr Alter oder vielleicht ihre Telefonnummer, aber sie können nicht sagen, wo sie gerade sind, was sie vor 2 Stunden gegessen haben oder was sie in den letzten 24 Stunden erlebt haben. Das episodische Gedächtnis ist vorübergehend amnestisch. Von diesen und anderen Fallberichten inspiriert, studieren Neurologen und klinische Psychologen die Auswirkungen von Hypoxie auf die menschliche Psyche. In einer Studie auf der Capanna Regina Margherita konnten Waanders und Riedmann (7, 11) nachweisen, dass bestimmte Aspekte des Kurzzeitgedächtnisses in den ersten sechs Stunden nach dem Erreichen der Zielhöhe von gut 4.500 m vorübergehend und auffallend betroffen waren. Diese Störung in der Aufnahmefähigkeit verschwindet nach einem Aufenthalt von 7 oder mehr Stunden, so z. B. in den meisten Fällen über Nacht. Im Rahmen von PSP-2002 ging es darum, zu untersuchen, wie sich die psychischen Leistungen und das Befinden während einer graduellen Höhenanpassung verhalten, d. h. bei Personen, die ihre Schlafhöhe im Sinne der Akklimatisation möglichst täglich optimieren. Neben diversen täglichen Bestimmungen (Lake-Louise-Score u. a.) wurden im Rahmen von PSP-2002 n = 22 Personen mit psychometrischen Verfahren an

163


drei Messpunkten untersucht. Die Basismessungen (MP-1) fanden 53 Tage vor Abreise nach Nepal in einer Höhe von ca. 200 m statt. Die 1. Serie Höhenmessungen (MP-2) wurde an den Tagen 5 und 6 in Nepal in ca. 3.400 m in Namche Bazaar, die Hauptmessungen (MP-3) an den Tagen 16 und 17 in der Silberpyramide (5.050 m) in Upper Lobuche durchgeführt. Im Gokyo-Team (GT) wurden 10 Versuchspersonen, im Island-Peak-Team (IPT) 12 Probanden mit standardisierten psychometrischen Computerverfahren untersucht. Es kam das Wiener Testsystem (Fa. Dr. Schuhfried, Mödling, Abb. 3) in einer mobilen Version zur Anwendung. Kognitive Teilleistungen wurden mittels dem verbalen Lerntest, Kognition und dem Farb-Wort-Interferenztest nach Stroop bestimmt, Reaktionsleistungen mittels Reaktionstest. Zur Bestimmung des Befindens wurde die Beschwerden-Liste (13) genommen (MP-2 und MP-3). Der zeitliche Aufwand für eine komplette psychometrische Untersuchung betrug zwischen 35 und 45 Minuten pro Person und Durchlauf.

ERGEBNISSE Block I: Kognitive Teilleistungen Im verbalen Lerntest wurden die Parameter <richtige JA-Antworten = JA>, <falsche JA-Antworten = falsch> und <DIFF = die Differenz zwischen JA und falsch> sowie drei andere Parameter bestimmt. Während <JA> von Messpunkt zu Messpunkt gleich blieb, verbesserte sich <falsch> von 19,80 (MP-1) auf 16,86 (MP-3). <DIFF> stieg von 35,14 (MP-1) auf 38,28 (MP-3, Abb. 4). Im Kognition wurden die Parameter <Summe Treffer = ST>, <Summe korrekter Zurückweisungen = SkZ> und <TIME = die Bearbeitungszeit in Sek.> sowie zwei andere Parameter bestimmt. Während <ST> sich von 75,18 (MP-1) auf 76,26 (MP-3) kaum verbessert hat, ist <SkZ> von 115,55 (MP-1) auf 117,58 (MP-3) gestiegen. <TIME> hat sich von 489,45 (MP-1) auf 441,05 (MP-3) spürbar verringert. Im Farb-Wort-Interferenztest nach Stroop wurden die Parameter <Baseline Anzahl falsche – benennen = AFB>, <Interferenz benennen = IfB> und <TIME = die Bearbeitungszeit in Sek.> sowie acht andere Parameter bestimmt. Während <AFB> von 1,50 (MP-1) auf 2,33 (MP-3) ansteigt, ist <IfB> von 1,86 (MP-1) auf 1,28 (MP-3) gesunken. <TIME> hat sich von 431,36 (MP-1) auf 413,17 (MP-3) verringert. Block II: Reaktionsleistungen Im Reaktionstest (RT-S1 = einfach gelbes Licht) wurden die Parameter <Reaktionszeit in Millisek. = REA> und < Motorzeit in Millisek.= MOT> sowie vier

164


Abb. 3 Der STROOP-Test in 5.050 m Höhe (Foto: R. Waanders) Gedächtnisleistung im VLT 60,00 50,00

Anzahl

40,00 IP+G [JA] IP+G [falsch]

30,00

IP+G [Diff] 20,00 10,00 0,00 MP-1

MP-2

MP-3

200 - 3400 - 5050 m

Abb. 4 Gedächtnisleistung im verbalen Lerntest an den Messpunkten (MP) 1 bis 3

165


Beschwerden in 5050M IP

G

2,5 2 1,5 1 0,5

Frieren

kalte Füße

Kurzatmigkeit

r. Erschöpfb.

Ü. Schlafbedü.

ÜE g. Kälte

Mattigkeit

Schwächegef.

Mangel an Err.

Schlaflosigkeit

Erstick.gefühl

anf. Atemnot

Müdigkeit

Konz.schwäch.

Gewichtsabn.

Energielosigk.

Vergeßlichkeit

0

Abb. 5 Häufigkeit verschiedener Beschwerden in 5.050 m Höhe für die Island-Peak(IP-) und Gokyo-(G-)Teams andere Parameter bestimmt. Während <REA> von 295,09 (MP-1) auf 285,50 (MP-3) sank, nahm <MOT> von 157,55 auf 134,17 ab. Aufgrund eines Tongeneratordefektes konnten die Bestimmungen von <REA> und <MOT> bei einem akustischen Signal (RT-S2 = einfacher Ton) an MP-3 (5.050 m) nicht durchgeführt werden! Die Werte von MP-1 und MP-2 zeigen eine ähnliche Tendenz als beim Modus RT-S1. <REA> sank von 244,18 (MP-1) auf 232,86 (MP-2), <MOT> von 149,95 (MP-1) auf 144,64 (MP-2). Block III: Befinden In Summe stieg die Zahl der Beschwerden von 8,32 (MP-2) auf 12,50 (MP-3) an. Im Gokyo-Team (GT) betrug die Steigerung 6,54 (von 9,80 auf 16,34), im Island-Peak-Team (IPT) 3,30 (von 7,08 auf 10,38). In 5.050 m äußerte das GT insgesamt auffallend mehr bzw. intensivere gesundheitliche Beschwerden als das IPT. In abnehmender Reihenfolge wurden folgende Beschwerden in 5.050 m genannt (Abb. 5): Frieren, kalte Füße, Kurzatmigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, übermäßiges Schlafbedürfnis, Überempfindlichkeit gegenüber Kälte, Mattigkeit, Schwächegefühl. Beschwerden wie Konzentrationsschwäche, Vergesslichkeit;

166


Angstgefühle oder trübe Gedanken rangierten eher im unteren Bereich der Liste. Die Korrelation zwischen dem in 5.050 m erhobenen Gesamtwert im LL-amsScore und dem Summenwert auf die Beschwerden-Liste beträgt 0,35 (r2 = 0,12). Im GT beträgt die Korrelation 0,41 (r2 = –0,17), im IPT 0,48 (r2 = 0,23).

DISKUSSION Innerhalb der Medizin hat die Untersuchung von physiologischen Aspekten eines Höhenaufenthaltes eine lange Tradition. Seit mehr als 100 Jahren beschäftigen sich Ärzte mit der Erforschung der akuten Höhenkrankheit und mit möglichen (prophylaktischen) Behandlungsmethoden (10). Seitens der Psychologie ist dagegen die Auswirkung eines Höhenaufenthaltes auf psychische Prozesse noch vergleichsweise wenig untersucht worden. Relativ oft wurde dies in Form von Laboruntersuchungen mit Hilfe von Unterdruckkammern gemacht (z. B. 8), wobei die Auftraggeber sich meistens in den Reihen der Luft- und Raumfahrt oder der Militärs befanden. Die Zahl der Feldstudien ist bislang bescheiden, was teilweise auf die recht schwierigen (Mess-)Bedingungen in der Höhe zurückzuführen sein dürfte, z. T. aber auch auf die Unbekanntheit dieser Thematik innerhalb der Psychologie. Wir vermuten, dass es kein Zufall ist, dass die meisten Feldstudien in den USA durchgeführt wurden, in dem Land also, in dem sich die kognitive Neuropsychologie seit dem 2. Weltkrieg am stärksten entwickelt und profiliert hat. Wir vermuten auch einen kausalen Zusammenhang zwischen der langsam steigenden Zahl von Feldstudien in Europa und dem „Aufmarsch der Neuropsychologie“ auf dem Kontinent. Das Ziel der vorliegenden Feldforschung war die Frage, ob kognitive Prozesse durch einen Aufenthalt in einer hypoxischen Umgebung beeinträchtigt werden, und wenn ja, ab welcher Höhe und in welchem Ausmaß. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage, ob ein Höhenaufenthalt in gut 5.050 m zu einer cerebralen Insuffizienz bzw. einem hirnorganischen Psychosyndrom führen kann. Die Probanden wurden unter den Konditionen untersucht, wie diese gewöhnlich bei einem Höhentrekking im Himalaja vorherrschen. Zu diesem Zwecke konnten 22 Teilnehmer an PSP-2002 mit der BeschwerdenListe und mit 4 computerisierten psychometrischen Verfahren an zwei Messpunkten untersucht werden. Die Analyse der Daten brachte keinen evidenten Höhenfaktor ans Licht. Die Probanden, die nach der ersten Nacht in der Zielhöhe getestet wurden, zeigten keine signifikant schwächeren Leistungen im Kognition, Reaktionstest, verbalen Lerntest und im Farb-Wort-Interferenztest im Vergleich mit den Leistungen im Tal: Bei gleichbleibenden kognitiven Leistungen nahm (jedoch) die psychomotorische Geschwindigkeit mit der Höhe

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deutlich zu. Und auf die Beschwerden-Liste wurden mit zunehmender Höhe auffallend mehr und intensivere Beschwerden rapportiert, insbesondere im Gokyo-Team. Cahoon (2) fand in einer simulierten Höhe von 4.500 m, dass die Effizienz in einer Kartensortieraufgabe während der ersten 3 Stunden reduziert war und sich anschließend verbesserte. In einer anderen Unterdruckkammerstudie wurde ein schnelles Aufsteigen auf 4.300 m simuliert. Crowley et al. (3) fanden, dass kognitive Leistungen und die Stimmung während der ersten 8 Stunden am meisten beeinträchtigt waren. In einer Medikamentenstudie wurde die Auswirkung von Dexamethason gegen Placebo bei 16 Militärs getestet, die in wenigen Stunden ins Pikes Peak Laboratory Facility in einer Höhe von 4.300 m geflogen wurden (5). Während des ersten Tages in der Höhe waren die Stimmung und die kognitiven Leistungen der Placebogruppe (n = 7) deutlich schlechter als die Werte der mit Dexamethason behandelten Probanden (n = 9). In dem Paper von Jobe et al. wird auf die interessanten Ergebnisse einer früheren Studie hingewiesen. Dort (1) wurde während der ersten 6 Stunden eine Reduktion in den kognitiven Leistungen in einer Höhe von 4.600 m in allen sieben Tests gefunden. Nach 14–19 Stunden waren die Beeinträchtigungen deutlich zurückgegangen. Es liegt der Schluss nahe, dass die guten reaktiven und kognitiven Leistungen, die in 3.400 m und 5.050 m gemessen wurden, auf eine bereits im Rahmen des Trekkings erfolgte Akklimatisation der Teilnehmer hindeuten. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch die Summenscores der Lake-LouiseScore recht niedrig waren: in 5.050 m hatten die Teilnehmer im Gokyo-Team eine durchschnittliche Score von 1.67, im Island-Peak-Team von 0.92. Die auf die Beschwerden-Liste geäußerten Beschwerden galten primär der Kälte sowie der Kurzatmigkeit und der raschen Erschöpfbarkeit in gut 5.000 Meter Höhe.

DANKSAGUNG/ACKNOWLEDGEMENT <Projekt Silberpyramide 2002> wurde in Absprache mit der Comitato Ev-K2CNR (Bergamo, Italien) und der RONAST (Kathmandu, Nepal) durchgeführt. Das Höhenlabor „The Pyramid“ wurde dem <Projekt Silberpyramide 2002> dankenswerterweise gratis zur Verfügung gestellt. Zudem bedanken sich die Autoren bei der Fa. Schuhfried für die Möglichkeit, das Wiener Testsystem unter Feldbedingungen benützen zu dürfen. <Projekt Silberpyramide 2002> has been carried out in accordance with the EvK2-CNR Committee (Bergamo, Italy) and RONAST (Kathmandu, Nepal). We express our gratitude to the Ev-K2-CNR Committee and RONAST for free use of the Pyramid Laboratory-Observatory.

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L I T E R AT U R (1)

Banderet L. E., Shukitt B. L., Crohn E. A., Burse R. L., Roberts D. E., Cymerman E.: Effects of various environmental stressors on cognitive performance. Proceedings of the 28th Annual Conference of the Military Testing Association. Mystic, CT: U.S. Coast Guard Academy, Department of Ergonomics and Management: 592-597 (1986).

(2)

Cahoon R. L.: Simple Decision Making at High Altitude. Ergonomics, 15(2), 157-164 (1972).

(3)

Crowley J. S., Wesensten N., Kamimori G., Devine J., Iwanyk E., Balkin T.: Effect of High Terrestrial Altitude and Supplemental Oxygen on Human Performance and Mood. Aviat. Space Environ. Med., 63, 696-701 (1992).

(4)

Gibson G. E., Pulsinelli W., Blass J. P., Duffy T. E.: Brain Dysfunction in Mild to Moderate Hypoxia. The American Journal of Medicine, 70, 12471253 (1981).

(5)

Jobe J. B., Shukitt-Hale B., Banderet L. E., Rock P. B.: Effects of Dexamethasone and High Terrestrial Altitude on Cognitive Performance and Affect. Aviat. Space Environ. Med., 62, 727-732 (1991).

(6)

Litch J., Bishop R.: Transient Global Amnesia at High Altitude. New England Journal of Medicine, 340, 1444 (1999).

(7)

Riedmann G., Waanders R.: Electrophysiological and Clinical Observations in Mountaineers during Short Term Exposure to 3,050 and 4,559 Meters (Abstract). Eur. J. Neurosci. Suppl., 8, 177-177 (1995).

(8)

Saletu B., Linzmayer L., Grünberger J., Anderer P.: Das Hypoxiemodell in der Psychopharmakologie: EEG-Mapping und psychometrische Studien unter hypoxischer Hypoxidose. In W. Schobersberger, E. Humpeler, W. Hasibeder, E. Jenny und G. Flora (Hrsg.), Jahrbuch der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (S. 59-75). Innsbruck: Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (1993).

(9)

Schobersberger W., Humpeler E., Gunga H. Ch., Burtscher M., Flora G. (Hrsg.): Jahrbuch 2000, Österreichische Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin, Innsbruck (2000).

(10) Simons E., Oelz O.: Kopfwehberge, AS-Verlag, Zürich (2001). (11) Waanders R., Riedmann, G.: Short Term Impairment in Cognitive Functioning After a Rapid Ascent to an Altitude of 4,559 Meters (Abstract). Eur. J. Neurosci. Suppl., 7, 217-217 (1994).

169


(12) Waanders R., Riedmann, G.: Neuropsychologie am Berg: Eine Zusammenfassung. In E. Jenny, G. Flora, B. Schober und F. Berghold (Hrsg.), Jahrbuch der Österr. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (S. 2129). Innsbruck: Öster. Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin (1996). (13) Zerssen D. v.: Befindlichkeits-Skala. Weinheim: Beltz-Test-Gesellschaft (1977).

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Elmar Jenny

Wandlungen von Sicherheit und Risiko beim Bergsteigen, Bergtourismus und bei der Hightech-Rettung im Gebirge Risk and safety changes in mountaineering, alpine tourism and hightechnology rescue S U M M A RY Expert mountaineers have estimated themselves concerning risk and safety in mountaineering. Generally accepted terms are used by present mountaineers: mountaineering-related risk, individual risk, calculable risk, remaining risk, risk in traditional mountaineering, and high risk during expeditions or trekking. Developments and the use of high technology in the mountains have markedly changed during the last 4 decades. The enormous advantages of helicopter rescuing, the use of avalanche bleepers and mobile phones are presented by comparison of epidemiological data. But single events also indicate a certain risk combined with high-technology rescue. Surprising possibilities by the use of avalanche air bags are demonstrated by statistically non relevant data. Possible reasons why air bags are rarely used are discussed. Long-term statistics show the annual number of deaths occurring in the Austrian mountains. Most important are sudden cardiac deaths during mountain hiking and downhill skiing which have been recorded since 1985. Recent studies show reasons for and prevention possibilities of cardiac emergencies in the mountains. Positive and negative relationships between tourism and mountaineering and the potential influences on the future of mountain tourism will be discussed extensively. Finally, the global changes of climate require a new evaluation regarding safety and risk in the Alps and other mountains as well. Keywords: Mountaineering, tourism, risk, safety, helicopter rescue, avalanche bleepers, mobile phones, traumatic deaths, sudden cardiac deaths.

Z U S A M M E N FA S S U N G Zu allen Zeiten haben sich profilierte Bergsteiger in ganz unterschiedlicher Weise zu ihrer persÜnlichen Einschätzung von Sicherheit und Risiko beim Bergsteigen Üffentlich bekannt. In der heutigen Bergsteigergeneration haben sich 171


dafür allgemein anerkannte Begriffe durchgesetzt: bergsportübliches Risiko, individuelles Risiko, kalkulierbares Risiko, Restrisiko beim konventionellen Bergsteigen, Hochrisiko beim Expeditions- und Trekkingbergsteigen. Entwicklung und Einsatz von Spitzentechnologie im Gebirge haben Sicherheit und Risiko für den Bergsteiger in den letzten 4 Jahrzehnten wesentlich verändert. Mit einer Gegenüberstellung alter und neuester Statistiken werden die immensen Vorteile des Hubschraubereinsatzes im Gebirge, der elektronischen SenderEmpfänger-Lawinenverschütteten-Suchgeräte und des Mobilfunktelefons aufgezeigt. Anhand von Einzelereignissen wird aber auch das mit dem Hightech verbundene Risiko deutlich gemacht. Überraschende Möglichkeiten des Lawinenairbags werden durch statistisch nicht relevante Statistiken dargelegt. Mögliche Gründe für dessen Kaumverwendung werden aufgezählt. Aus Langzeitstatistiken lässt sich die jährliche Zahl der Bergtoten in Österreich ablesen. Einen besonderen Stellenwert nehmen hierbei die seit 1985 erfassten plötzlichen Herztodesfälle – besonders beim Bergwandern und Pistenschilauf – ein. Neueste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen Ursachen und Möglichkeiten der Vorbeugung des Herz-Kreislauf-Notfalls im Gebirge auf. Positive und negative Beziehungen des Tourismus zum Bergsport werden ausführlich erörtert und von ihrem Einfluss wird die Zukunft des Bergtourismus visionär abgeleitet. Schließlich macht die globale Klimaänderung eine Neubewertung von Sicherheit und Risiko in den Alpen und außereuropäischen Gebirgen erforderlich. Schlüsselwörter: Bergsteigen, Tourismus, Risiko, Sicherheit, Hubschrauberrettung, Lawinenverschütteten-Suchgerät, Mobilfunktelefon, traumatische Todesfälle, plötzlicher Herztod. Am kürzesten umschreibt Emil Gretschmann 1925 die Begriffe Sicherheit und Risiko beim Bergsteigen: „Das Können ist des Dürfens Maß.“ In den kritischen Aufsätzen von Henry Hoek 1920 finden wir: „Alpinismus ist auch Kampfspiel. Dieser Kampf ist abzubrechen in dem Augenblick, wo Leben und Gesundheit bedroht sind“, und weiter: „Gefahr ist Vorbedingung für den alpinen Sport. Aber es darf nur eine Gefahr sein, der ich gewachsen bin.“ Man würde heute dafür den Begriff kalkuliertes Risiko wählen. Im Gegensatz dazu schreibt H. v. Barth (1845–1876) im Zeitalter des heroischen Alpinismus: „Wer mit mir geht, der sei bereit zu sterben.“ Die Grenze des kalkulierten Risikos überschreitet auch Eugen Quido Lammer (1863–1945), der im bewussten Aufsuchen der Gefahr sich an der Todesangst berauscht und um die Jahrhundertwende den Kult der Gefahr als bergsteigerisches Credo postuliert hat. Demgegenüber spricht der Bergsteiger Altbischof Reinhold Stecher 2002 vom

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beglückenden Erlebnisrausch des Bergsteigens und qualifiziert den Missbrauch der Berge als Hasardspiel mit dem Leben und dem Tod. Wir haben im Jahrbuch „94 der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin die für die Sicherheit am Berg notwendigen sportmotorischen (Friedrich Fetz), gesundheitlichen, geistigen, psychischen und charakterlichen (Elmar Jenny) Voraussetzungen ausführlich dargestellt und davon das persönliche Risiko des Bergsteigers abhängig gesehen. Aber selbst dann, wenn der Alpinist alle genannten Voraussetzungen erfüllt und für ihn Sicherheit als oberstes Gebot gilt, bleibt am Berg immer das unwägbare Restrisiko für schicksalhafte Geschehnisse, ein Begriff, der m. E. in letzter Zeit nicht selten überstrapaziert und das Sterben in den Bergen zum Naturereignis stilisiert wird. Ein spezielles Risikomanagement erfordert das Trekking in großen Höhen – eine Sparte des Höhenbergsteigens, welche zunehmend Anhänger findet, auch entsprechend kommerziell vermarktet und immer wieder von Todesfällen überschattet wird. Der Geograf Peter Schatzl will in einem 2002 in einer alpinen Zeitschrift veröffentlichten Artikel zum Thema „Gebirgstourismus“ das Höhenbergsteigen in entlegenen Hochgebirgsregionen – besonders in Bezug auf gesundheitliche Gefährdung durch Höhen und Klima, eingeschränkte medizinische Versorgungsmöglichkeit, Transportschwierigkeiten und fehlende Infrastruktur für die Weiterversorgung – als Hochrisiko-Erholungsaktivität verstanden wissen. Eine Sonderstellung nimmt das nahezu uneingeschränkte Risiko beim Expeditionsbergsteigen ein, wo in der Achttausenderzone alle Sicherheitsregeln und physiologischen Gesetze mehr oder weniger außer Kraft gesetzt und im Notfall selbst Kameradenhilfe vielfach in Frage gestellt werden. So kreierte im Jahre 1996 die an einem Mode-Achttausender mit einer Unfallsituation konfrontierte Expedition das nach Oswald Oelz bergsteigerische Unwort des Jahrhunderts: „Above 8.000 meters there is no place to afford morality.“ Durch Entwicklung und Einsatz von Spitzentechnologie auch im Gebirge hat sich in den letzten 4 Jahrzehnten die Überlebenschance des verunglückten Bergsteigers deutlich verbessern lassen. So ist der Anstieg von nur 2 % Lebendbergungen (G. Flora, 1964) durch organisierte Rettungsmannschaften mit Suchhund auf 9 % (A. Gayl, 1972) in erster Linie auf den seit Anfang der 60er-Jahre in Österreich zunehmenden Hubschraubereinsatz zurückzuführen. Eine erfolgreiche Kameradenrettung von Ganzverschütteten fiel – zur Zeit der Lawinenschnur – bis zum Jahr 1968 kaum ins Gewicht. Die Einführung der elektronischen Sender-Empfänger-LawinenverschüttetenSuchgeräte (LVSGe) 1968 – in Österreich nach zwei Versuchswintern ab 1972/ 73 in breiter Verwendung – revolutionierte vor allem die Kameradenrettung.

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LEBENDBERGUNGEN/ÜBERLEBENDE NACH LAWINENVERSCHÜTTUNG IN ÖSTERREICH Lebendbergungen 1964 G. Flora (Sondiermannschaft, Suchhund, teilweise BRA) 1964 W. Mariner (Sondiermannschaft, Suchhund, teilweise BRA) Bei allen folgenden organisierten Rettungsaktionen wurden nahezu immer auch Suchhunde eingesetzt. 1972 A. Gayl (ab 1962 HS/BMfI u. ÖBH, teilweise mit FRA) 1971/72 – 1973/74 (A. Gayl) Ganz- und Teilverschüttete (nach Abzug SH) davon KR 45 %, org. R 9 % (HS/BMfl u. ÖBH, ab 1971/72 mit FRA, ab 1972/73 LVSG) Überlebende Lawinen-Erfasste insgesamt 1994/95 – 2001/02 (H. Bauer, R. Mayr): Durchschnitt 76,7 % ansteigend auf 83,2 % 2000/01 und 2001/02 1994/95 H. Bauer Überlebende durch SH, KR und org. R (ab 1983 HS/Christophorus + NA, LVSG) 1995/96 H. Bauer Überlebende durch SH, KR UND org. R (ab 1983 HS/Christophorus + NA, LVSG) 1996/97 H. Bauer Überlebende durch SH, KR und org. R (HS/Christophorus + NA, LVSG) 1997/98 R. Mayr Überlebende durch SH, KR und org. R (HS/Christophorus + NA, LVSG) 1998/99 R. Mayr Überlebende durch SH, KR und org. R (HS/Christophorus + NA, LVSG) 1999/00 R. Mayr Überlebende durch SH, KR und org. R (HS/Christophorus + NA, LVSG) 2000/01 R. Mayr Überlebende durch SH, KR und org. R (HS/Christophorus + NA, LVSG) 2001/02 R. Mayr Überlebende durch SH, KR und org. R (HS/Christophorus + NA, LVSG) Überlebende nach Ganzkörperverschüttung 2003/März G. Sumann Legende:

2 % (org. R) 3 % (org. R)

9 % (org. R) 54 %

74,4 % 80,5 % 72,2 % 71,8 % 76.5 % 71,9 % 78,8 % 87,6 %

46 %

SH = durch Selbsthilfe Befreite KR = Kameradenrettung org. R.= organisierte Rettungsaktion HS = Hubschrauber BMfI = Bundesministerium für Inneres ÖBH = Österreichisches Bundesheer BRA = Bergrettungsarzt FRA = Flugrettungsarzt NA = Notarzt LVSG = Lawinenverschütteten-Suchgerät

Tab. 1: Wandlungen/Effizienz des Rettungseinsatzes beim Lawinenunfall 1964 bis 2003 in Österreich

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Allerdings ging – vor allem in der ersten Zeit nach Einführung der LVSG – durch falsche Handhabung oder mangelhafte Suchtechnik aufgrund fehlender Übung in nicht wenigen Fällen der Kampf gegen den weißen Tod verloren. Nach einer Statistik von A. Gayl wurden in den Wintern 1971/72–1973/74 in Österreich nach Abzug der durch Selbsthilfe Befreiten 54 % der Ganz- und Teilverschütteten lebend geborgen (KR 45 %, org. R 9 %). Demnach war die Kameradenhilfe fünfmal erfolgreicher als der organisierte Rettungseinsatz. Im Vergleich zu A. Gayl 1971/72–1973/74 (s. Tab. 1) wurden in der Schweiz nach einer neueren Statistik von F. Tschirky et al. in den Jahren 1980–1999 (Handy-Einführung Mitte der 80er-Jahre) nach Abzug der durch Selbsthilfe Befreiten 43,2 % aller im freien Gelände Ganzverschütteten durch Kameraden (KR 33,86 %) und organisierten Rettungseinsatz (org. R. 9,34 %) lebend geborgen. Nach F. Tschirky ist bei Ganzverschütteten die Überlebenschance durch Kameradenhilfe rund viermal größer als bei organisierten Rettungen.

LAWINENUNFÄLLE IN DEN SCHWEIZER ALPEN Lebendbergungen 1972 / M. Schild

19 %

Ganzverschüttete im freien Gelände: 1980–1999 729 Personen (davon 44 Personen SH) (F. Tschirky) Überlebende SH, KR und org. R Totbergungen Lebendbergungen (nach Abzug von SH) davon KR 33,86 %, org. R. 9,34 % (vgl. mit A. Gayl 1971/72–1973/74!!)

47 % 53 % 43,2 %

Überlebende Lawinen-Erfasste insgesamt/2.301 Personen 1980–1999 (F. Tschirky): Durchschnitt 77 % ansteigend auf über 80 % in den 90er-Jahren Legende:

SH = durch Selbsthilfe Befreite KR = Kameradenrettung org. R. = organisierte Rettungsaktion

Tab. 2: Wandlungen/Effizienz des Rettungseinsatzes beim Lawinenunfall 1980 bis 1999 in der Schweiz

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Nach einer Publikation von F. Tschirky im Jahrbuch 2000 des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit – „Lawinenunfälle in den Schweizer Alpen“ – haben 1980 bis 1999 in der Schweiz 77 %, ab Mitte der 90er-Jahre über 80 % der von Lawinen erfassten Personen überlebt (s. Tab. 2). Die Überlebensrate aller von Lawinen erfassten Personen betrug nach den in den Jahrbüchern des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit von H. Bauer, R. Mayr et al. veröffentlichten Statistiken 1994/95 bis 2001/02 in Österreich im Durchschnitt 76,7 %, ansteigend auf 83,2 % in den letzten zwei Wintern (s. Tab. 1). Diese Statistiken von Lawinen-Erfassten sind mit den früheren Zahlen von A. Gayl und F. Tschirky über Lebendbergungen von Ganz- und Teilverschütteten leider nicht mehr vergleichbar. Man sollte sich aber immer bewusst sein, dass „Lawinen-Erfasste“-Statistiken mit dieser eindrucksvollen Überlebensrate auch das unberechenbare Glück des Nurerfassens und der möglichen Selbstbefreiung mit einbeziehen! Eine ebenso realistische wie aktuelle Beurteilung des tatsächlichen Risikos beim Lawinenunfall erlaubt die Aussage des Intensivmediziners G. Sumann in einer Presseaussendung vom 8. März 2003: „54 Prozent der Ganzkörperverschütteteten sterben in der Lawine.“ Todesopfer/Lawinenunfälle in den Alpenländern (A, CH, I, F, D, FL, SL): 1969/70 bis 2000/01 Jahresdurchschnitt 109 (< 59 bis > 181) Tödliche Lawinenunfälle in Österreich: 1981/82 bis 2001/02 Jahresdurchschnitt 27 (< 9 bis >50) Nach einem 2002 von H. Brugger veröffentlichten Untersuchungsergebnis wäre der seit 1994 im Handel erhältliche Lawinenairbag jeder anderen Sicherheitsausrüstung eindeutig überlegen, indem dieses Auftriebssystem das Risiko einer Ganzverschüttung von 39 % auf 16,2 % vermindert und die Mortalität beim Lawinenunfall von 23 % auf 2,5 % reduziert. Von 1991 bis 2000 sind weltweit allerdings nur 26 Lawinenunfälle mit 40 mit dem ABS-System (avalanche airbag system) ausgerüsteten Personen bekannt, dokumentiert und von F. Tschirky im Jahrbuch 2000 des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit publiziert worden. Darauf stützen sich die o. a. Angaben H. Bruggers und danach ist auch die statistische Relevanz zu werten. Am 16. März 2001 wurden vom Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos, in einem Großversuch vergleichende Tests an Versuchspuppen (Dummies) mit und ohne Lawinenairbags durchgeführt. Die Ergebnisse wurden von M. Kern, F. Tschirky* und J. Schweizer im Jahrbuch

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2001 der ÖGAHM veröffentlicht: Der Lawinenairbag kann die Verschüttungsfolgen durch die verringerte Verschüttungstiefe und die rasche Lokalisierung der Verschütteten lindern und stellt daher eine sinnvolle Ergänzung der üblichen Sicherheitsausrüstung (LVSG, Schaufel, Sonde) dar, jedoch kommt es zu erheblichen Belastungen im Bereich der Halswirbelsäule, welche zusätzliche Untersuchungen notwendig machen. (*Frank Tschirky, als erfahrener Bergführer und Bearbeiter der Unfallstatistik am Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos, mit Sicherheit und Risiko beim Bergsteigen voll vertraut, verstarb am 25. April auf einem Trekking in Nepal an Herzversagen)

Dass es bisher keinen Durchbruch dieses Selbsthilfe-Rettungsmittels gegeben hat, liegt neben Preis, Gewicht und Volumen m. E. vermutlich auch in einer psychischen Sperre des Einzelnen gegen eine weitere, überdimensionale Technisierung des Tourenschilaufs und damit empfundenen Minderung des alpinen Erlebniswertes. Eine entscheidende Verbesserung für den Bergsteiger in Not bedeutete die enorme Zeitverkürzung zwischen Unfallmeldung und Rettungsaktion durch forcierte Realisierung von Hütte-Tal-Verbindungen mit stationären Sprechfunkanlagen und später Funktelefonen (1972/64 bis 1994 234 von 450 Alpenvereinshütten). Das ab Mitte der 80er-Jahre in handlichen Geräten entwickelte Mobilfunktelefon (Handy) erfüllte schließlich den Traum aller alpinen Rettungsinstitutionen von einer Direktverbindung des Bergsteigers mit einer Rettungsstelle. So ermöglichte beispielweise im September 2002 in Tirol der Handy-Notruf eines Einzel-Snowboarders aus einer 30 m tiefen Gletscherspalte eine rasche Lebendbergung. Andererseits wurde z. B. ein nicht vorhersehbarer Fehler im Alarmierungssystem einer Bergsteigergruppe vor 2 Jahren zum Verhängnis: Von einem schweren Wettersturz betroffen, erreicht die Gruppe über die empfohlene internationale Notrufnummer 112 nur eine für Rettungszwecke inkompetente Empfangsstation. Aus sprachlichen Gründen gelingt es auch nicht, die Notsituation zu vermitteln und der für seine Kameraden aufopfernd bemühte – übrigens alpin hoch qualifizierte – Gruppenführer stirbt in der folgenden stürmischen Nacht an Unterkühlung und Erschöpfung. Auch sei daran erinnert, dass auch heute noch bei ungünstigen Geländebedingungen im Gebirge ein Handybetrieb aufgrund beeinträchtigter Funkausbreitung nicht selten unmöglich sein kann. Bedeutete die erste Hubschrauber-Gletscherlandung in Österreich im Jahre 1955 am Hochkönig mit einer noch kolbenbetriebenen, leistungsschwachen Alouette II für die Rettung im Hochgebirge bereits den Beginn einer neuen Epoche, haben sich durch die Verwendung des Turbinen-Helikopters Alouette III

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mit Seilwinde ab dem Jahre 1970, dem JetRanger mit Bergetau seit 1974 und dem schließlichen Einsatz leistungsstarker zweiturbiniger Christophorus-Hubschrauber seit 1983 neben der Möglichkeit einer raschen notärztlichen Versorgung bereits an der Unfallstelle auch Zeitgewinn und Sicherheit für die Rettungsmannschaften maßgeblich verbessert. So dürfte z. B. mit dieser Maschine der Besatzung eine riskante Autorotationslandung, wie ich sie bei einem Rettungseinsatz im Wilden Kaiser 1960 in einer Aloiette II erlebt habe, erspart bleiben. Dies war zumindest meine Meinung, bis am 4. Dezember 2002 auch ein Hubschrauber der Christophorus-Flotte bei einer Autorotationslandung wegen Triebwerkdefekts erheblich beschädigt wurde. Schwerwiegender war der Verlust von drei Christophorus-Hubschraubern in Tirol seit 1983, wobei neben schwer verletzten Besatzungsmitgliedern der Flugrettungsarzt in allen Fällen den Tod fand, oder der tödliche Absturz eines Flugretters vom Hubschrauber in der Silvretta infolge eines technischen Fehlers beim Einhängen am Bergetau und am 14. Oktober 2002 ein unerwarteter Zwischenfall mit Versagen der elektronischen und manuellen Turbinensteuerung und dadurch unbeeinflussbarer Fluggeschwindigkeit von etwa 140 km/h, wobei der Pilot als einzige Überlebenschance für den am Bergetau hängenden Flugretter das Ausklinken des Taus ca. 10–20 m über dem Wasserspiegel des Bodensees sah, was aber trotz aufwändiger Begleitmaßnahmen mit dem Tod des Flugretters durch Genickbruch endete. Diese Beispiele zeigen nur allzu deutlich das vorhandene Risiko beim Hubschraubereinsatz im Gebirge auf. Nicht unerwähnt sei eine spezielle Gefährdung des Bergsteigers, wenn im Vertrauen auf Handy, LVSG und Hubschrauber bei Planung und/oder Durchführung eines alpinen Unternehmens das kalkulierbare Risiko überschritten wird. Wenn auch das Hightech am Berg mit tragischen Einzelereignissen seinen Tribut forderte, haben Hubschrauber, Lawinenverschütteten-Suchgerät und Handy doch vielen verunglückten Bergsteigern das Leben gerettet. Andererseits hat sich durch die enorme Weiterentwicklung bergsteigerischer Ausrüstung und Technik, weitgehend verlässliche meteorologische Wettervoraussagen, jederzeit abrufbare regionale Schneeberichte und aktuelle Lawinenwarndienste die Sicherheit am Berg für den mündigen Bergsteiger deutlich verbessert. Die jährliche Zahl der Bergtoten in Österreich geht aus der vom Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit veröffentlichten Statistik von 1985 bis 2001 hervor und liegt in etwa zwischen 250 und 350, wobei in den Jahren 1995 bis 2000 ein deutlicher Anstieg, vermutlich dem zunehmenden Bergtourismus entsprechend, zu verzeichnen war.

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Der Anteil der Bergtoten ausländischer Nationalität bewegt sich konstant zwischen 40 und 50 %. Auffällig ist, dass um die 30 % aller tödlichen Ereignisse im Bergsport plötzliche Herztodesfälle (s. Kurve) sind, die sich größtenteils bei den vom Tourismus hauptsächlich beworbenen Bergsportarten Bergwandern und Pistenschilauf ereignen. Die deutlich rückläufige Tendenz der Herztodesfälle beim Bergsport in den Jahren 1999–2001 (s. Kurve) lässt erste positive Auswirkungen der bergsportmedizinischen Forschung und deren Medienpräsenz vermuten. Die zahlenmäßige Zuordnung der Unfalltoten zu den einzelnen Bergsportarten im Vergleich mit der Zahl der Herz-Kreislauf-Toten beim Bergsport zeigt beispielsweise die folgende Grafik über das Jahr 2001:

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Wenn man in Betracht zieht, dass nach einer Erhebung 2001 74 % der österreichischen Bevölkerung Bergwandern, 44 % Pistenschilauf, 19 % Schilanglauf betreiben und allein in Österreich jährlich mehr als 10 Millionen Personen – in vielen Fällen ohne besondere körperliche Vorbereitung, bei bekannter HerzKreislauf-Erkrankung oder mit unbekannten Risikofaktoren – die in den Alpen beliebtesten Sportarten Bergsteigen und Schifahren ausüben, kommt das Auftreten des plötzlichen Herztodes (PHT) beim Bergsport nicht gänzlich unerwartet. Schilauf: Bergwandern: Schitour: Fels- und Eisklettern Insgesamt pro Jahr:

2,6 Millionen 1,6 Millionen 700.000 300.000 > 10 Millionen

In den Alpen: Weltweit:

40 Millionen 100 Millionen

Tab. 3: Anzahl der Alpinisten – Österreich/Alpen/weltweit

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Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ist das PHT-Risiko für den Schiläufer 2,2-mal, für den Bergwanderer 4,2-mal höher. Martin Burtscher vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck hat die plötzlichen Herztodesfälle der Jahre 1985–1993 analysiert und sportmedizinisch ausgewertet. Erstmals konnte damit wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass zur Verhütung des kardialen Notfalls im Gebirge das bergsporttypische Training von wesentlich größerer Bedeutung ist als die in der Sportmedizin allgemein empfohlenen Trainingsarten wie Joggen, Radfahren, Hometrainer etc., die jedoch für die Erlangung der notwendigen körperlichen Fitness (Kraft, Geschicklichkeit, Ausdauer) unabdingbare Voraussetzung sind.

Der Herz-Kreislauf-Notfall beim Bergsport Ursachen des kardialen Notfalls beim Bergsport 1. Sportliche Inaktivität

Vorbeugende Maßnahmen Erwerb körperlicher Fitness (Kraft, Geschicklichkeit, Ausdauer) durch unspezifisches Aufbautraining Individuell limitierte Belastung

2. Herzgefäßerkrankungen, vorangegangener Myokardinfarkt, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie 3. Körperliche Überanstrengung durch unökonomische Bewegungsabläufe v. a. beim Bergwandern

Gezielte Gewöhnung an die bergsporttypischen Belastungen, am besten durch regelmäßige Ausübung der betreffenden Bergsportart wie Pkt. 3

4. Mangelnde Gewöhnung an die schisportspezifische Belastung und m. E. dadurch bedingte wiederholte Stress-Situationen beim Pistenschilauf 5. Ungewohnte Höhe, extreme Witterungsverhältnisse der Alpinregion 6. Selbstüberschätzung

Allmähliche Anpassung Selbstkritisches Verhalten

Tab. 4. : Bergsport/Herz-Kreislauf-Notfall – Ursachen und Vorbeugung

Inwieweit die in letzter Zeit propagierte Frühdefibrillation mit für Laienbedienung modifizierten und vor Ort positionierten halbautomatischen Defibrillatoren das Herztodrisiko beim Bergwandern und Pistenschilauf zu senken vermag, bleibt abzuwarten.

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Einen bedeutenden Beitrag zu mehr Sicherheit und weniger Risiko beim Bergtourismus könnten Tourismusverantwortliche und Nutznießer des Massentourismus leisten, indem sie die Gefahren der Alpinregion ohne Rücksicht auf kommerzielle Aspekte deutlicher aufzeigen, sicherheitsbezogene Empfehlungen von unabhängigen Alpin- und Bergrettungsexperten sowie alpinsportmedizinische Erkenntnisse vermehrt in Werbung und Aktivitätsprogrammen berücksichtigen würden. Im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und kommerziellem Denken haben auch die lokalen Lawinenkommissionen ihre verantwortungsvollen Entscheidungen zu treffen. Diese Problematik zeigt am besten das Beispiel der tödlichen Lawinenverschüttung einer ganzen Urlauberfamilie – Eltern mit zwei Kindern – am 23. Februar 2001 auf einer gesperrten Straße im Ötztal. Es kam zu einem langwierigen gerichtlichen Verfahren um die angeklagten und für die Unterlassung der Straßensperre haftenden ehrenamtlich tätigen Mitglieder der örtlichen Lawinenkommission, welches erst im Mai 2003 in einem Aufsehen erregenden Prozess zu Ende kam, bei dem zwei Sachverständige in ihrem Gutachten zwar von Fehlern der Lawinenkommission sprachen, die vier Angeklagten jedoch vom Richter im Zweifel freigesprochen wurden. Wie schon im November 2002 vom Lawinenexperten der Tiroler Landesregierung Raimund Mayr, wurden im Verlaufe dieses Prozesses vom Vorsitzenden der Lawinenkommission einer Arlbergregion erneut hauptamtlich agierende Entscheidungsgremien in den intensiven Wintertourismusgebieten gefordert. Damit würde nicht nur der Druck von den Kommissionen genommen, sondern auch schon dem Anschein von Befangenheit die Grundlage entzogen werden – etwa wenn ein Mitglied gleichzeitig Seilbahnbediensteter, Gastronom oder Betreiber einer lokalen Schischule ist. Dass bei der bisherigen Praxis oft umstrittener Straßensperren durch ehrenamtliche Kommissionen neben Sicherheitsaspekten auch wirtschaftliche Überlegungen nicht auszuschließen sind, zeigen am besten medienpräsente Diskussionen und die Reaktionen im Anschluss an den Prozess: Während der Staatsanwalt Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen den ergangenen Freispruch einlegte, forderten lawinenkommissionsverantwortliche Bürgermeister der betroffenen Talschaft auf politischem Wege die Abberufung des beamteten Leiters des Tiroler Lawinenwarndienstes wegen dessen Sachverständigengutachtens im besagten Strafverfahren. Wie auch immer – eine 100%ig befriedigende Lösung des anstehenden Problems ist aufgrund der Tatsache oft unberechenbarer Lawinengefahr nicht zu erwarten! Letztendlich kann vom Touristen selbst nur durch eine entsprechende Urlaubsvorbereitung und ein individuell angepasstes, vernünftiges sportliches Verhal-

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ten in der Alpinregion das Risiko auf ein kalkulierbares Ausmaß vermindert und der hohe gesundheitliche Wert eines Aktivurlaubs im Gebirge vom Einzelnen voll ausgeschöpft werden. Erschreckend und bedrohlich für die Zukunft scheinen mir jene Unfälle, Katastrophen und Naturereignisse der letzten Jahre in den Ost- und Westalpen wie auch außereuropäischen Gebirgen, v. a. in den südamerikanischen Anden, welche auf jenen Kausalzusammenhang mit der vom Menschen zumindest mitverursachten globalen Klimaänderung hinweisen und die eine Neubewertung von Sicherheit und Risiko durch den Bergsteiger, aber auch für die Bergbewohner und ihre Gäste im Hinblick auf Verhalten bzw. zu treffende Schutzmaßnahmen erforderlich machen. Abschließend noch ein Wort zu Sicherheit und Risiko des Bergtourismus selbst: Für die Tourismusverantwortlichen zeichnen sich für die weitere Zukunft grundsätzlich zwei Wege ab: Entweder sie erkennen die Grenzen des Massentourismus und seine Gefahren und identifizieren sich mit vernünftigen, landschaftsschonenden, die alpenländische Kultur achtenden, den beschränkten Ressourcen angepassten und qualitativ orientierten Fremdenverkehr ODER sie machen sich die Botschaft des Disney-Designers Eddie Scott beim Symposium „Future Mountain“ im Ötztaler Örtchen Sölden im Herbst 2002 zu Eigen, der da meint, es sei höchste Zeit, ein Disneyland der Alpen zu schaffen. Damit würden sie aber langfristig vermutlich ihre eigene Existenz im Alpen-Lebensraum riskieren. Dazu eine Vision von Gerhard Amanshauser, zitiert von Günther Nenning im Oktober 2002 in einem zeitkritischen Aufsatz über eine berühmte Schiregion in Österreich: „Für den Berg ist der Betrieb, der ihn überläuft, nur wie ein kurz dauernder Hautausschlag. Wie die Krankheitserreger gekommen sind, erst einzeln, dann in Massen – wird ihre Zahl wieder abnehmen, erst langsam, dann immer schneller, bis nur noch einzelne kommen, und zuletzt niemand mehr.“

L I T E R AT U R (1)

Bauer H.: Lawinenunfälle in den Wintern 1994/95 bis 1996/97. In Jahrbuch 1996, 1997, 1998 des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖkfAS).

(2)

Brugger H., Flora G. und Falk M.: Möglichkeiten der Selbstrettung und posttraumatische Belastungsstörungen beim Lawinenunfall. Der Notarzt 18, 1–4 (2002).

183


(3)

Burtscher M.: Risiko „Plötzlicher Herztod“ beim Alpinsport. In Jahrbuch 2001 des ÖkfAS.

(4)

Fetz F.: Sportmotorisches Eigenschaftsprofil der Kletterer und dessen Bedeutung für ihre Sicherheit. In: E. Jenny u. G. Flora (Hrsg.) Jahrbuch 94 der Österr. Ges. f. Alpin- u. Höhenmedizin (ÖGAHM).

(5)

Flora G.: Erste Hilfe bei Lawinenunfällen. 2. Internationale Lawinenunfallkonferenz, Innsbruck 1964.

(6)

Gayl A.: Lawinenunfälle in den österreichischen Alpen 1959/60–1972/73.

(7)

Jenny E.: Ärztliche Aspekte beim Lawinenunfall. XIX. Internationaler Fortbildungskongress der Bundesärztekammer, Badgastein 10. – 23. März 1974.

(8)

Jenny E.: Rettungsdienst im Gebirge – einst und jetzt. Alpenvereinsjahrbuch 1976.

(9)

Jenny E.: Ärztliche Aspekte beim Hubschrauber-Rettungseinsatz im Gebirge. Österr. Ärztezeitung 37/24 (1982), 1632.

(10) Jenny E.: Für die Sicherheit am Berg notwendige persönliche Voraussetzungen. In E. Jenny u. G. Flora (Hrsg.) Jahrbuch 94 der ÖGAHM. (11) Kern M., F. Tschirky† und J. Schweizer: Feldversuche zur Wirksamkeit einiger neuer Lawinen-Rettungsgeräte. In: H. Brugger et al. (Hrsg.) Jahrbuch 2001 der ÖGAHM. (12) Mariner W.: Verhütung von Lawinenunfällen. Ärztliche Praxis Nr. 20/1973. (13) Mayr R.: Alpenländer: Todesopfer bei Lawinenunfällen 1969/70 bis 2000/01. Tödliche Lawinenunfälle in Österreich 1981/82–2001/02. In: Jahrbuch 2002 des ÖkfAS. (14) Mayr R.: Lawinenereignisse in Österreich in den Wintern 1997/98 bis 2001/02. In: Jahrbuch 1999, 2000, 2001, 2002 des ÖkfAS. (15) Schild M.: Lawinen, Lehrmittelverlag des Kantons Zürich, 1972. (16) Sladek F.: Alpinunfallbericht des Österr. Kuratoriums in den Schweizer Alpen – eine statistische Zusammenstellung mit den Schwerpunkten Verschüttung, Rettungsmethoden und Rettungsgeräte. In: Jahrbuch 2000 des ÖkfAS.

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Günther Sumann

Tr e k k i n g - M e d i z i n The role of the physician during trekking adventures S U M M A RY Trekking journeys to remote mountains of the world are still very popular and are offered by numerous travel agencies or frequently planned and made by small groups themselves. Most of the common trekking routes lead to high altitude or even above. It is recommended to exactly observe the acclimatisation rules in order to avoid severe mountain sickness. Tourists trekking on remote routes in the Himalayas or the Andes have to expect a very low standard of medical care and often cannot count on any medical help. Big groups of all together tourists, guides and local porters present various health disorders, ranging from plain colds and cases of travel diarrhoe to more or less severe injuries even requiring small surgery. Doctors accompanying trekking groups cannot really evade the demand of medical help and quickly become the ”house physician“ of the group members. Therefore they are advised to prepare for this role in advance. This text gives a short overview about high altitude physiology, acclimatization rules and acute mountain sickness. It gives recommendations for the preparation and the composition of the medical equipment. General considerations about the role of the doctor during trekking are presented Keywords: trekking, high altitude medicine, acclimatization, acute mountain sickness, travel pharmacy.

Z U S A M M E N FA S S U N G Alpinistische Fernreisen in Form von Trekking in die hohen Gebirge der Erde erfreuen sich ungebremster Beliebtheit und werden von zahlreichen Reiseveranstaltern angeboten und auch individuell von kleinen Gruppen geplant und durchgeführt. Trekkingrouten finden sich großteils in der Stufe der großen Höhen oder führen auch höher hinauf. Dabei sind empfohlene Akklimatisationsregeln unbedingt

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zu beachten, um ernste höhenbedingte Gesundheitsstörungen zu vermeiden. Auf den typischen Trekkingrouten im Himalaja und in den Anden ist nur in Ausnahmefällen mit einer medizinischen Infrastruktur und generell mit einem sehr niedrigen Versorgungsstandard zu rechnen. Trekkingtouristen und einheimische Träger zusammen bilden oft große Gruppen und verschiedene und zahlreiche, gesundheitliche Beschwerdebilder sind an der Tagesordnung. Das Spektrum reicht von Erkältungskrankheiten und Reisedurchfall in Serie bis zu mehr oder weniger schweren Verletzungen, die auch kleine chirurgische Versorgungen erfordern können. Ärzte als Teilnehmer von Trekkingtouren können sich kaum einem gewissen Versorgungsanspruch entziehen und werden schnell zum viel gefragten „Hausarzt“ der Gruppe. Darum empfiehlt es sich für jeden Arzt, sich vor Reiseantritt auf die zu erwartenden Anforderungen vorzubereiten. Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über Höhenphysiologie, Akklimatisationsregeln und höhenbedingte Erkrankungen. Es werden Empfehlungen gegeben zur Vorbereitung vor Antritt der Reise und zur Zusammenstellung der medizinischen Ausrüstung. Außerdem werden prinzipielle Überlegungen zur Rolle des Arztes beim Trekking angestellt. Schlüsselwörter: Trekking, Höhenmedizin, Akklimatisation, Höhenkrankheit, Reiseapotheke.

EINLEITUNG Das Angebot an alpinistischen Fernreisen in die hohen Gebirge der Erde hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Heute findet man in zahlreichen Abenteuer-Reise-Katalogen eine Vielzahl von Trekking-Touren vor allem im Himalaja, aber auch in den Anden. In den Haupt-Trekking-Routen in Nepal im Solo Khumbu und auf dem Annapurna-Trek wandern pro Saison Zigtausende Touristen aus der ganzen Welt. Die typische Höhenlage von Trekking-Unternehmungen ist die „große Höhe“, also genau der Bereich, in dem die Teilnehmer unter Umständen mit beträchtlichen höhenbedingten Gesundheitsstörungen rechnen müssen. Die Aktivurlauber werden auf den diversen Routen in entlegene Gebiete geleitet. Im Fall von Nepal finden sie sich in einem Dritte-Welt-Land mit medizinischem Substandard. Die wenigen verstreuten „Health-Posts“ in den weitläufigen Tälern sind die meiste Zeit des Jahres über unbesetzt, für die einheimische Bevölkerung steht in den meisten Fällen keine medizinische Versorgung zur Verfügung. Das Risiko für gesundheitliche Schädigungen liegt beim Trekking wesentlich niedriger als beim Expeditionsbergsteigen. Der Anteil von ernsten Zwi-

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schenfällen beim Trekking beträgt etwa 0,1 %, die Rate an Todesfällen liegt bei 0,01 %. Auf Expeditionen hingegen erleidet rund ein Viertel der Beteiligten gefährliche oder lebensbedrohliche Zwischenfälle, die Todesfallhäufigkeit liegt bei 3 %. Allerdings sind dabei tödliche Traumen neunmal häufiger als tödliche Höhenödeme.

Trekking-Touren werden in den allermeisten Fällen ohne ärztliche Begleitung angeboten. Als Arzt kommen Sie auf verschiedenen Wegen in Kontakt mit medizinischen Anforderungen beim Trekking. Sie können selbst als Trekking-Reisender Urlaub mit Beruf verbinden und sich geplant als Trekking-Arzt zur Verfügung stellen, oder Sie können auch irrtümlicherweise glauben, bei einer solchen Unternehmung quasi „inkognito“ als „normaler“ Teilnehmer Ihrem dringenden Urlaubsbedürfnis nachgehen zu können. Als Arzt werden Sie immer gebraucht, besonders wenn Sie der einzige Mediziner der Gruppe sind. Aber auch zu Hause führt viele Menschen die geplante Höhenexposition in der Vorbereitungsphase zu einem Arzt, bevorzugt zum vertrauten „Hausarzt“, auf der Suche nach medizinischen Ratschlägen und Tipps zum Verhalten bei der Höhenakklimatisation und in Bezug auf vorbestehende oder möglicherweise neu auftretende Erkrankungen im Gebirge.

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Die folgenden Ausführungen bieten lediglich einen groben Überblick über die Thematik der Trekking-Medizin. Zur Vertiefung werden am Ende des Beitrags einige Buchempfehlungen genannt.

HÖHENPHYSIOLOGIE Aufgrund typischer physiologischer Reaktionsunterschiede und im Hinblick auf die Entstehung höhenbedingter Gesundheitsstörungen werden drei Höhenstufen definiert: (Abb. 1.) Die Stufe der mittleren Höhen beginnt bei 1.500 m über dem Meeresniveau und reicht bis 2.500 m. In dieser Höhenlage reicht eine Sofortanpassung aus. Bei gesunden Menschen wirkt sich die Sauerstoffabnahme in der Luft nicht relevant auf den Organismus aus. Die akute Höhenkrankheit kommt in dieser Höhenstufe praktisch nicht vor. Die Höhe von 2.500 m wird als „Schwellenhöhe“ bezeichnet. Darüber muss sich der menschliche Organismus akklimatisieren, um mit dem Sauerstoffmangel schadlos zurechtkommen zu können. Man spricht von den großen Höhen (2.500–5.300 m), wie schon erwähnt, ist das die typische Höhenlage des Trekkings. In dieser Höhe kommt es bevorzugt zu Akklimatisationsstörungen in Form der akuten Höhenkrankheit. An den Aufenthalt in extremen Höhen (5.300–8.848 m) kann sich

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der Mensch nicht mehr dauerhaft akklimatisieren. Eine schrittweise Anpassung der Atmung ermöglicht den kurzzeitigen Aufenthalt und bekanntermaßen auch beträchtliche bergsportliche Leistungen in dieser Höhe. Ein dauerhafter Aufenthalt in extremer Höhe führt allerdings zum Tode. Neben dem Absinken des Barometerdrucks und dem damit verbundenen Sauerstoffmangel wirken sich in der Höhe auch andere physikalische Faktoren auf den menschlichen Organismus aus. Sehr stark sind die Auswirkungen der massiven Abnahme der Luftfeuchtigkeit und die starke UV-Strahlung.

A K K L I M AT I S AT I O N U N D H Ö H E N K R A N K H E I T Der wichtigste und schnellste Akklimatisationsmechanismus des Körpers ist die Steigerung der Atmung (Hyperventilation), man spricht vom Hypoxic Ventilatory Response (HVR). Zusätzlich erreicht der Körper eine sofortige Verbesserung der Gewebssauerstoffversorgung durch eine Steigerung des Herzzeitvolumens. Der schon nach Tagen auftretende Hämatokritanstieg ist die Folge einer Hämokonzentration durch Höhendiurese, gesteigerte Perspiratio, Vergrößerung des Extravasalraums und mangelnder Flüssigkeitszufuhr. Die eigentliche Höhenpolyglobulie durch eine „echte“ Erythrozytenvermehrung kommt erst nach 2 bis 3 Wochen zum Tragen. Die Akklimatisationsvorgänge verlaufen schrittweise und nur für die jeweilige Höhe. Ist ein Bergsteiger auf einer bestimmten Höhe akklimatisiert und steigt er höher, beginnt der Akklimatisationsvorgang wieder von neuem. Die Dauer des Akklimatisationsvorganges ist individuell sehr unterschiedlich, generell kann man für 5.000 m mit ca. 2 Wochen rechnen. Um sich im Rahmen eines Höhenaufstiegs sicher akklimatisieren zu können, muss man Akklimatisationsregeln beachten (Abb. 2). Generell gilt die Devise des langsamen Aufstiegs. Anstrengungsphasen, besonders anaerobe Belastungen im Rahmen der Akklimatisation sollen vermieden werden. Relevant ist die Schlafhöhe („Schlafhöhen-Taktik“)! Über der Schwellenhöhe von 2.500 m soll man nur maximal 600 m Schlafhöhe pro Tag höher steigen, in zwei Tagen soll man nicht mehr als 1.000 Höhenmeter vorankommen. Die Tagesmaximalhöhe soll über der Schlafhöhe liegen („Climb high, sleep low!“), aber nicht mehr als 1.500 Meter. Schlafen mit erhöhtem Oberkörper wirkt sich günstig aus. Neben der Befolgung dieser Regeln muss sich der Trekker unbedingt an die eigene individuelle Reaktion auf die Höhe halten. Bei Auftreten von Akklimatisationsstörungen darf der Aufstieg nicht weiter fortgesetzt werden, oder es muss sogar abgestiegen werden. Typische Zeichen einer Höhenanpassungsstörung sind Kopfschmerzen, Schwächegefühl, Müdigkeit, Leistungsabfall, Appetitlosigkeit und Übelkeit. Weiters soll eine über-

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mäßige Ruhefrequenzerhöhung und Belastungsdyspnoe oder Atemnot beachtet werden. Schlaflosigkeit und nächtliche Apnoe-Phasen sind typische Phänomene im Rahmen der Höhenanpassung. Leicht zu beobachten sind Unterhautödeme (HALE, High Altitude Localised Edema), ein Unterschreiten der Tagesurinmenge unter 500 ml ist ein Alarmsymptom. Eine medikamentöse Akklimatisationsunterstützung mit Diamox® (Azetazolamid) wird kontroversiell diskutiert und soll sehr kritisch eingesetzt werden. Es besteht die Gefahr einer Verschleierung von Symptomen und der Fehleinschätzung des eigenen Akklimatisationszustandes. Zu empfehlen ist die Verwendung bei nächtlichen Apnoe-Phasen in der Dosis von 125 mg abends. Medikamente gegen Kopfschmerz (ASS, Ibuprofen) werden vielfach eingesetzt, sollen aber nicht dazu verleiten, den Kopfschmerz als Symptom der Höhenkrankheit nicht ernst zu nehmen. Man unterscheidet verschiedene Formen der akuten Höhenkrankheit (AMS, Acute Mountain Sickness) (Abb. 3). Die milde AMS ist gekennzeichnet durch den Höhenkopfschmerz und die oben genannten unspezifischen Symptome. Die schwere AMS äußert sich in Form des Höhenlungenödems (HALE, High Altitude Lung Edema) mit dem Leitsymptom Leistungsabfall und als Höhen-

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hirnödem (HACE, High Altitude Cerebral Edema) mit dem Leitsymptom Gangunsicherheit und Koordinationsstörung. Das Auftreten von akuter Bergkrankheit ist in großen Höhen häufig und teilweise typisch und muss nicht dramatisiert werden. Allerdings müssen die Symptome immer ernst genommen werden, und es muss entsprechend reagiert werden (Abstieg). Laut der Himalayan Rescue Organisation (HRA, Kathmandu) kann jeder höhenkrank werden, jedoch darf niemand daran sterben (Abb. 4). Die wichtigste Therapie einer schweren AMS ist der sofortige Abstieg (!) und der Einsatz von Sauerstoff. Bei Verfügbarkeit wird ein Überdrucksack (mobile hyperbare Kammer) eingesetzt. Die medikamentöse Therapie der Wahl beim HAPE ist Nifedipin (20 mg retard, Wiederholung 6-stündlich). Ein HACE wird mit Dexamethason behandelt (8 mg initial, 4 mg 6-stündlich). Der Einsatz von Diuretika ist absolut kontraindiziert! Eine nur indirekt höhenbedingte Gefährdung besteht in Form der erhöhten Thrombosegefahr durch die oben genannte Hämokonzentration. Über deren Häufigkeit beim Trekking gibt es keine sicheren Daten, allerdings gibt es Vermutungen, dass einige Höhentodesfälle am vermeintlichen HAPE auch einer massiven Pulmonalembolie zuzuschreiben sein könnten.

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VORBEREITUNGEN ZUM TREKKING Körperliche Voraussetzung für das Trekking ist ein guter Trainingszustand. Jeder, der in den Alpen regelmäßig und gerne Wanderungen und Bergtouren unternimmt und dabei ein durchschnittliches Leistungsniveau aufweist, ist körperlich ausreichend trainiert für eine Höhen-Trekking-Tour. Regelmäßige Bergtouren zu Hause gewährleisten auch eine ausreichende Gehtechnik im Gelände. Die Höhenverträglichkeit kann nicht trainiert werden! Übermäßiges Ausdauertraining hat keinen Einfluss auf die Akklimatisationsfähigkeit! Wichtige Basis für ein komplikationsloses Trekking ist ein guter Gesundheitszustand des Teilnehmers. Auf eine allgemeine Durchuntersuchung im Vorfeld der Reise und eine genaue Beratung bezüglich vorbestehender chronischer Erkrankungen ist großer Wert zu legen. Unbedingt wichtig ist ein perfekt sanierter Zahnstatus. Lufteinschlüsse unter Zahnfüllungen können in der Höhe schwerste Zahnschmerzen (Aerodontalgien) verursachen und haben schon für Einzelne zum Abbruch der Reise geführt. Die länderspezifischen Reiseimpfungen müssen durchgeführt werden. Im Fall eines ärztlich begleiteten Trekkings sollen die Beratungen in der Vorbereitungsphase bevorzugt mit dem Trekking-Arzt durchgeführt werden. Es empfiehlt sich auch eine individuelle Anamnese mit jedem Reiseteilnehmer. Nicht zu vergessen ist der Abschluss einer ausreichenden Reiserückholver-

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sicherung für jeden Teilnehmer mit entsprechender Kostenübernahme für Berge- und Behandlungskosten vor Ort. Unbedingt zu empfehlen ist der Abschluss und die Unterzeichnung eines Behandlungsvertrages mit jedem Gruppenmitglied zum Schutz des TrekkingArztes. Nicht jedem Reiseteilnehmer gelingt es, seine durch unseren hohen medizinischen Standard in der Heimat geprägte Erwartungshaltung an die realen Verhältnisse während einer Trekking-Tour anzupassen. Selbst bei gewissenhaftest gefüllter Reiseapotheke kann sich der Trekking-Arzt nicht für jeden erdenklichen Behandlungsfall ausrüsten. Die Rolle des Trekking-Arztes ist schon im Vorfeld verschiedenartig definiert. Wenn der Arzt im Rahmen einer Reise im Freundeskreis seine Fachkenntnis im Sinne „selbstverständlicher“ freundschaftlicher Hilfeleistungen zur Verfügung stellt, liegt eine ganz andere Jobdefinition vor, als wenn ein Arzt von einem kommerziellen Reiseveranstalter quasi als Teil des Serviceumfangs für den Teilnehmer angeboten wird. Umso mehr, wenn der Arzt dafür direkt oder indirekt in Form eines Preisnachlasses finanziell entschädigt wird. Dadurch ergibt sich unter Umständen sogar ein Rechtsanspruch auf Behandlung und eine bedenkliche Haftungssituation für den Trekking-Arzt.

ANFORDERUNGEN AN DEN ARZT BEIM TREKKING Nach Ankunft im Reiseland oder im Trekking-Gebiet soll sich der TrekkingArzt unbedingt über die medizinische Infrastruktur vor Ort erkundigen. Eine entsprechende Vorinformation über Ausstattung und Lokalität der Krankenhäuser, über Verfügbarkeit von Rettungsmitteln (Hubschrauber!) und deren Alarmierungsweg erspart im Ernstfall viel Zeit und Stress! Im Rahmen der Tourenplanung sollte der „Expeditionsarzt“ Mitspracherecht bei der Gestaltung des Höhenprofils haben. Abhängig vom Gesundheitszustand der Gruppenmitglieder soll mit dem Arzt der Aufstiegsplan der folgenden Tage abgesprochen werden. Außerdem soll der Arzt Einfluss auf die Einhaltung der Verhaltensregeln in Bezug auf Akklimatisationstaktik, Hygiene (Wasser), Sonnenschutz etc. haben. Er sollte in der Gruppe so gut akzeptiert werden, dass die Teilnehmer bereit sind, ihm Krankheits- oder Schwächesymptome auch mitzuteilen. Verstärkt durch die Gruppendynamik kann der Ehrgeiz der Trekking-Urlauber sehr groß sein. Viele wollen vor den anderen keine Schwächen preisgeben. Dadurch ist oft damit zu rechnen, dass Symptome einer Höhenanpassungsstörung verschleiert und vor der Gruppe nicht freiwillig zugegeben werden. Den überwiegenden Teil des Arbeitspensums während der Trekkingtour bildet die medizinische Versorgungsarbeit an vielen Patienten, deren Zahl nach oben hin nahezu unbegrenzt ist. Neben den eigentlichen Trekkern wird die Teilneh-

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merzahl durch die Träger und die Guides mindestens verdoppelt. Beim Anmarsch geht in den Dörfern die Kunde meistens schon voraus, dass eine Gruppe mit Arzt ankommt. Die Bevölkerung der Bergdörfer genießt praktisch keine medizinische Versorgung oder kann sich die Behandlung in den teils viele Tagesmärsche entfernten Krankenhäusern nicht leisten. Der Standard der medizinischen Versorgung ist generell sehr schlecht. Dadurch wird der TrekkingArzt am Abend im errichteten Zeltlager von zahlreichen Patienten aufgesucht. Die prinzipielle Bereitschaft zur Behandlung der Einheimischen lohnt sich sehr. Sie erleben viel Dankbarkeit und menschliche Wärme ! Mit einer einzigen Medikamentenschachtel können Sie kleine „Wunder“ vollbringen. Aber auch kleine chirurgische Eingriffe können notwendig sein (Foto 2). Sie werden mit vielen kleinen und größeren Wundversorgungen konfrontiert, mit allen Formen lokaler oder systemischer Infektionen, besonders häufig sind chronisch infektiöse Atemwegserkrankungen. Im Prinzip ist mit Fällen zu rechnen, welche die gesamte breite Palette der Allgemeinmedizin umfassen. An manchen Abenden ist die Festlegung von „Ordinationszeiten“ empfehlenswert, damit sich der Trekking-Arzt in seinem Urlaub auch ein paar Ruhestunden gönnen kann. Als Gegenleistung werden Sie und Ihre ganze Mannschaft dafür noch gastfreundlicher als ohnehin üblich aufgenommen, werden auch einmal in eine kleine private Lehmhütte zum Tee eingeladen, und wenn Sie Glück haben, empfängt Sie eine ganze Dorfgemeinschaft mit Tanz und Musik.

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REISEAPOTHEKE Die entscheidende Frage ist, wie viel medizinische Ausrüstung Sie in Ihre Ambulanzkisten gepackt haben. Antibiotika verschiedener Stoffklassen für bis zu dreißig bis fünfzig Patienten und ausreichender Behandlungsdauer, genügend Aspirin und andere Antiphlogistika? Ausreichend Darmtherapeutika für einen Ausbruch von Reisediarrhö bei allen Trekking-Teilnehmern? Oder genügend sterile Tupfer und Tücher für mehrere halbwegs saubere Wundversorgungen (Foto 3)? Die Zusammenstellung der Reisapotheke kann dem Trekking-Arzt in der Vorbereitungsphase viel Kopfzerbrechen bereiten. Sie können kein einziges Medikament zu viel mitnehmen, weil alle Ihre übrig gebliebenen Heilmittel am Ende der Tour von jedem einheimischen Arzt dankbar angenommen werden und für ihn unbezahlbar wertvoll sein können. Dadurch wird man die prinzipielle Bereitschaft haben, von allem zu viel mitzunehmen. Aber das mündet meistens in mehrere vergebliche Versuche, alles in den Alu-Kisten unterzubringen. Das Paket mit den typischen Höhen-Medikamenten (Diamox, Nifedipin, Nimodipin, Dexamethason) soll jedenfalls nur ganz wenig Platz einnehmen, weil Sie davon am wenigsten brauchen.

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Abschließend bleibt zu bemerken, dass der Trekking-Arzt, der auch bereit ist, vielen Menschen seine Hilfe anzubieten, intensive und bleibende Erlebnisse im Umgang mit der einheimischen Bevölkerung mit nach Hause nehmen wird. Die meiste Zeit werden seine Kenntnisse als Allgemeinmediziner gefragt sein und nur selten wird er als Höhenmediziner gefordert sein!

E M P F O H L E N E L I T E R AT U R (1)

Berghold F., Schaffert W.: Handbuch der Trekking- und Expeditionsmedizin. Praxis der Höhenanpassung – Therapie der Höhenkrankheit. 5. Aufl. 2001, DAV Summit Club.

(2)

Ward, Milledge, West: High Altitude Medicine and Physiology. 3rd Ed. 2000, Arnold Publishers, London.

(3)

Pollard, Murdoch: The High Altitude Medicine Handbook. Radcliffe Medical Press, Oxford-New York, 1997.

(4)

Hultgren: High Altitude Medicine. Hultgren Publications, Stanford, CA 1997.

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Antonio Prestini, Luigi Battaia

Case Reports: Peptic ulcer at high altitude S U M M A RY Peptic ulcer is not recognized as a disease associated with high altitude, mainly because the association of this disease with hypoxia exposure has not been subject of extensive studies. However, we recently encountered two independent cases of peptic ulcer at high altitude: a duodenal haemorrhagic ulcer associated with acute gastritis in a 32-year-old man during climbing of Ama Dablam (Nepal, mt. 6.856), and a bulbus duodenal ulcer in a 52-year-old man during climbing Cho Oyu (China, camp 3, mt 7.200) Keywords: duodenal bulbar ulcer; melena; high altitude.

INTRODUCTION Exposure to high altitude is well known to induce an array of diseases, generally known as Acute Mountain Sickness (AMS) including severe forms of pulmonary and cerebral oedema which may potentially lead to severe, even fatal states. AMS includes headache, lassitude, excessive fatigue, insomnia, loss of appetite, nausea, vomiting, shortness of breath and dizziness (9). The valuation of severity of these diseases helps to assess the Lake Louise AMS score (12), a useful tool to standardize the clinical symptoms of mountain sickness. Peptic ulcer is not known as an altitude-associated-disease.

CASE DESCRIPTION Case 1. F.M., 36 year, is a guide who normally operates in the Italian Alps in the altitude range of 2.000–3.500 m. Occasionally, he climbed up to 5.000 m without complaining any symptom of AMS. He refrains alcohol, but uses to smoke about five cigarettes/day. In the past, he suffered a few gastritis pain episodes (3–4 times, middle severity). He never took drugs during expeditions. In post monsoon 2000 season, he was a member of an expedition to Ama Dablam, 6.856 m (Kumbu, Nepal). The members of the expedition were 8 men, aged 24 to 45 years, including three guides and a medical doctor who also was a guide. After arriving to Nepal, the team spent 6 days to reach the base camp at 4.300 m, following the normal rules for AMS prevention. When F. M. reached

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the altitude of 5.200 m, he begun to suffer gastric pain and had two episodes of melena; however he was able to climb the summit and, to descend to Base Camp the day after, without requiring any help. Blood pressure was 130/80, pulse rate 100/min, temperature 36.9 C. There was mild mucosuos pallor. The clinical symptoms addressed to a diagnosis of gastric ulcer and the doctor prescribed antiulcer drugs (magnesium hydroxide, one tablet X 3 and omeprazolo one compress X 2 ). He quickly improved, but he remained at rest symptomless without being able to climb higher.

Fig. 1. Ama Dablam, from the Base Camp. Post monsoon 2000 season.

A few days later, F. M. paid a visit at a Clinic in Namche Bazar. Blood analysis showed microcytic anemia (RBC: 3.500.000, Hemoglobin concentration 130 g/l, Mean Cell Volume 80 fL; Hematocrit: 0.3), and the therapy was not changed. When back in Italy, at the end of expedition, M.F. underwent esophageal gastro duodenal examination at the hospital in Tione di Trento, about 20 days after the hemorrhagic episode. Figures 2 and 3 show some of the pictures taken during the examination. The diagnosis of duodenal hemorrhagic ulcer associated with acute gastritis positive for helicobacter pylori was confirmed. The prescription was omeprazolo one compress X 2, claritromicina 500 mg x 2, amoxicillina 1 g x 2 for two weeks. After one year M. F. is quite fine and he has no more symptoms.

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Fig. 2–3. The arrows and the circles show two ulcers in the healing condition Case 2. V. W. 52 year, is a guide who normally operates in the Italian Alps in the altitude range of 2.000–3.500 m. Occasionally, he climbed up to 6.500 m without complaining any symptom of AMS. He does not use to smoke, and drinks usually moderate alcohol (about 400 ml wine for day). In the past, he also suffered several episodes gastritis pain, that were never investigated. He never took drugs during expeditions. In the pre-monsoon season 2002, he was a member of an expedition to Cho Oyu (China. 8.120 m). The climbers started from Kathmandu to Lhasa, and then they reached the base camp (5.300 m) in three days by car. In the two weeks following arrival to Base Camp, they attempted to place high altitude camps. When V. W. reached the altitude of 7.200 m, he developed acute gastric pain. He remained one day at the same altitude, but he felt bad to worst in the next days, and he was no able to reach the summit. As there was any medical doctor, we did not get medical parameters. He did not take any drug, and his symptoms were alleviated only after he begun descent. At the Base Camp, he was cured by a Swiss doctor who prescribed him antiulcer drugs (omeprazolo one compress X 2). When back to Italy, V. W. underwent esophageal gastro duodenal examination at the hospital in Tione di Trento about one month after the gastritis episode. Figures 4 and 5 show some of the pictures taken during the examination. The diagnosis was erosive distal esophagitis, antral gastritis and duodenal ulcer positive for helicobacter pylori. The prescription was the same of the case 1, omeprazolo 1 cp, claritromicina 500 mg x 2, amoxicillina 1 g x 2 for two weeks. After one year he always takes the appropriate therapy and is fine without no more symptoms.

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Fig. 4–5. The link arrow shows heal line, right arrow shows active bulbar ulcer

M AT E R I A L S A N D M E T H O D S In the both cases, endoscopic analyses were carried out using an Olympus CV 100 (Olympus Optical Co. – Europe – GmbH Hamburg, Germany). Images were stored in a video recorder and then transferred to a PC by an acquisition board screen Machine II (Fast Electronic GmbH, Munchen, Germany).

DISCUSSION Helicobacter pylori is an aerobic bacterium commonly found in gastric mucosa. Epidemiological studies clearly show that this infection is the major responsible for duodenal, gastric and chronic cases of ulcers worldwide (3,7). However, Helicobacter pylori infections are presently efficiently cured by pharmacological means. Several factors concur in the genesis of this disease, including low temperature, stress and dietetic changes (6, 8, 11). The role of hypoxia in the pathogenesis of Helicobacter pylori infections is controversial. On one hand, normobaric hypoxia has been considered as a risk factor (4, 6, 8, 11). On the other hand, other authors have described a possible role of intermittent normobaric hypoxia in the treatment of Helicobacter pylori infections (1, 10). In addition, two studies have already addressed the correlation between altitude hypobaric hypoxia, peptic ulcer and Helicobacter pylori infections (2,5). Although factors that are common in high-altitude climbing, especially in guides with great responsibility, as inadequate food intake, dehydration and psychophysical stress may play an important role, and although the two cases described by us are clearly insufficient to draw epidemiological and statistical

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conclusions, we would invite those aware of similar cases to provide an account of their observation in order to evaluate the possibility to include peptic ulcer among high altitude related diseases.

REFERENCES (1)

Agadzhanyan N. A., Stepanov O. G., Arkhipenko Y. v. (2001): Adaptation to hypoxia method of treatment and prevention of gastroduodenal mucosa lesions. Bull Exp Biol Med. 132: 921-922.

(2)

Ahmed M. E., al-Knawy B. A., al-Wabel A. H., Foli A. K. (1997): Duodenal ulcer and Helicobacter pilori infection at high altitude:experience from southern Saudi Arabia. Can. J Gastroenterol. 11: 313-316.

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Bazzoli F., De Luca L., Pozzato P., Zagari R. M., Fossi S., Ricciardiello L., Nicolini G., Berretti D., Roda E. (2002): Helicobacter pylori and functional dyspepsia: review of previous studies and commentary on new data. Gut. 50 Suppl 4: 33-35.

(4)

Borzenko B. G., Bakurova E. M., Kuknina T. N., Dudin A. M. (2003): The role of enzymatic features of hypoxia in ulcers. Lik Sprava. Jan-Feb (1): 67-71.

(5)

Estremadoyro Robles o. O., Salazar Arce A., Canevaro Valdez M. (1970): Gastroduedenal peptic ulcer and altitude. Minerva gastroenterol. 16: 5156.

(6)

Gotz E., Goddecke W. (1994): Gastrointestinal stress ulcer: still a typical intensive care complication or vanishing disease? Zentralbl Chir. 119: 188192.

(7)

Gadiot, G. (2003): What role today for Helicobacter pylori in peptic ulcer? Gastroenterol Clin Biol. 27: 409-414.

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Peters M. N., Richardson C. T. (1993): Stressful life events, acid hypersecretion, and ulcer disease. Gastroenterology 84: 114-119.

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Singh I., Khanna P. K., Srivastava M. C., Lal M., Roy S. B., Subramanyam CSV: Acute Mountain sickness. N Engl J Med 1969; 280:175-84.

(10) Stepanov O. G. (1992): Effect of intermittent normobaric hypoxia on gastric and duodenal mucosa in man. Fiziol. Zh. 38: 95-97. (11) Szabo S. (1991): Mechanism of gastric mucosal injury and protection. J Clin Gastroenterol. 13: S21-S34.

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(12) The Lake Louise Consensus on the Definition and Quantification of Altitude Illness. In: Sutton J. R., Coates G., Houston C. S. (eds). Hypoxia and Mountain Medicine. Queen City Printers Inc, Burlington, Vermont, 1992: 327-330.

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Leopold Slotta-Bachmayr und Paul Herbst

Limitiert die Geruchsausbreitung unter dem Schnee den Einsatz von Lawinenhunden? Is scent diffusion in the snow limiting the search effort of an avalanche dog? S U M M A RY During an avalanche search mission most of the victims were located by dogs which detected scent diffusing in the snow. Diffusion rate was not known until now and the question is, whether diffusion rate limits the search of an avalanche dog. Experiments show the relation between burial depth and the time scent takes to diffuse in the snow. Important factors influencing diffusion rate are temperature, gradient within the snow, sunshine or wind speed. Under the more or less unfavourable conditions of the experiment it takes 10 minutes for an avalanche dog to localise a victim buried under 1 m of snow. This shows, that organizing a search and transportation to the search site limit a search mission more than diffusion rate of scent. Keywords: avalanche dog, avalanche emergency, scent diffusion rate.

Z U S A M M E N FA S S U N G Bei einem organisierten Lawineneinsatz werden die meisten Opfer von Hunden gefunden, die mit ihrer feinen Nase den menschlichen Geruch orten, der durch den Schnee an die Oberfläche steigt. Bis jetzt war jedoch nicht bekannt, wie schnell der Geruch den Schnee durchdringt und es stellte sich die Frage, ob die Geruchsausbreitung den Einsatz von Lawinenhunden limitiert. Anhand einiger Experimente konnte der Zusammenhang zwischen Vergrabungstiefe und der Zeit, die der Geruch benötigt, um an die Schneeoberfläche zu gelangen, gezeigt werden. Diese Geschwindigkeit wird von Faktoren wie dem Temperaturgradienten im Schnee, der Sonneneinstrahlung oder dem Wind beeinflusst. Unter den eher ungünstigen Suchbedingungen während des Experiments konnte eine ca. 1 m tief verschüttete Person innerhalb von etwa 10 Min. lokalisiert werden. Damit konnte gezeigt werden, dass die Organisation und der Transport zur Unfallstelle den Einsatz von Lawinenhunden eher limitieren als die Ausbreitung des Geruchs. Schlüsselwörter: Lawinenhund, Lawineneinsatz, Geruchsausbreitung.

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EINLEITUNG Um ein Lawinenopfer zu lokalisieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Tourenkameraden können mit Hilfe herausragender Körper- oder Ausrüstungsteile, einem LVS-Gerät oder dem Avalanche Ball eine verschüttete Person leicht und schnell lokalisieren. Trägt das Lawinenopfer kein Rettungsgerät bei sich, dann ist der Einsatz von organisierten Rettungsmannschaften nötig. Diese können Lawinenopfer auch mit Hilfe anderer Methoden, wie Sondieren oder Lawinenhunden, orten. Eine Schweizer Statistik zeigt, dass durch organisierte Rettungsmannschaften die meisten Lawinenopfer mit Hilfe von Lawinenhunden lokalisiert werden (1). Der Hund ortet die Personen anhand des Geruchs, der durch den Schnee aufsteigt (2, 3). Dabei sind geringste Geruchsspuren nötig (vgl. 4), die dem Hund eine verschüttete Person zeigen. Hunde können eine Lawine viel schneller und genauer absuchen als etwa eine Sondiermannschaft. So benötigt ein Lawinenhund für die Grobsuche auf einer ein Hektar großen Fläche ca. 30 Min., während eine Sondiermannschaft dafür ca. 4 Stunden braucht. Außerdem kann ein Lawinenhund eine verschüttete Person auch bis in eine Tiefe von 8 bis 10 m (3, 5) lokalisieren. Für die Suche mit einem Lawinenhund müssen jedoch auch verschiedene Voraussetzungen gegeben sein. So sollten die Aktivitäten während des Lawineneinsatzes und andere Geruchsquellen so arrangiert werden, dass der Hund so wenig wie möglich abgelenkt wird. Außerdem muss natürlich genügend Zeit verstrichen sein, bis der Geruch des Lawinenopfers an die Schneeoberfläche gelangen kann. Das Aufsteigen des Geruchs wurde bis jetzt noch nicht untersucht. Es gibt ein Modell (6), das die Faktoren beschreibt, welche die Ausbreitungsgeschwindigkeit beeinflussen, und es existieren einige wenige Erfahrungen aus dem Training von Lawinenhunden (6). In Rahmen dieser Untersuchung wurden erstmals Experimente durchgeführt, die einen Einblick in die Geruchsausbreitung durch den Schnee erlauben. Es wurde untersucht, wie sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit mit der Verweildauer eines Lawinenopfers unter dem Schnee verändert bzw. wie schnell Lawinenhunde ein Opfer in unterschiedlichen Verschüttungstiefen orten können. Letztendlich soll damit die Frage beantwortet werden, ob die Geruchsausbreitung im Schnee einen limitierenden Faktor für den Einsatz von Lawinenhunden darstellt.

M AT E R I A L U N D M E T H O D E Um die Geschwindigkeit, die der Geruch braucht, um den Schnee zu durchdringen bzw. um den Zusammenhang zwischen Vergrabungstiefe und Geruchsausbreitung zu bestimmen, wurden zwei Experimente durchgeführt.

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EXPERIMENT RAUCH In eine frisch abgesprengte Lawine im Bereich des Fuscher Törls (Großglockner-Hochalpenstraße, Salzburg) wurde ein senkrechter Schacht bis zum Boden gegraben. Das entsprechende Schneeprofil und die Witterungsbedingungen sind in Abbildung 1 ersichtlich. Anschließend wurden sowohl in die lockere Altschneeschicht (Schneehöhe 170–200 cm, Raumgewicht 360–400 kg/m3) als auch in den Lawinenschnee (Schneehöhe ab 220 cm, Raumgewicht bis 510 kg/m3) waagrechte Schächte mit einer Größe von ca. 30 x 30 cm und einer Tiefe von ca. 100 cm gegraben. In diese Schächte wurde jeweils eine Rauchpatrone (Brenndauer ca. 60 Sek., Rauch schwarz oder orange) eingebracht. Im Anschluss daran wurde der Schacht wieder mit Schnee verschlossen und die Rauchpatrone gezündet. Nach 10, 20, 40, 60 und 80 Min. wurde der Schacht schlagartig geöffnet und an der höchsten Stelle die maximale Distanz zwischen Schachtoberkante und dem gerade noch erkennbaren, eingedrungenen Rauch gemessen. Damit konnte der Zusammenhang (linear, logarithmisch) zwischen der Verweildauer unter dem Schnee und der Eindringtiefe bestimmt werden.

EXPERIMENT HUND Um nun die relevante Diffusionsgeschwindigkeit des Geruchs durch den Schnee zu bestimmen, wurde ein zweites Experiment mit vergrabenen Personen durchgeführt. Die Arbeiten erfolgten wieder an einer am Vortag abgegangenen Lawine unterhalb des Hochtors (Großglockner-Hochalpenstraße, Salzburg, Abb. 2). Dazu wurden in Tiefen von ca. 0,5, 1, 1,5 und 2 m Höhlen mit einer Größe von ca. 1 x 1 x 2 m gegraben. Darin wurde am darauf folgenden Tag unter Berücksichtigung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften (LVS-Gerät, Funkgerät) eine Person eingebracht. Je nach Vergrabungstiefe begann nach entsprechender Wartezeit ein Lawinenhund mit der Suche im unmittelbaren Bereich der Vergrabung. Der Hund wurde so oft über die vergrabene Person geführt, bis er deren Geruch angezeigt hat. Ermittelt wurde der Zeitraum zwischen dem Einbringen der Person bis zur ersten Anzeige des Hundes über dem Loch. Für jede Suche wurde jeweils ein anderer, ausgeruhter Hund verwendet.

ERGEBNISSE Für die Experimente mit dem Rauch zeigen sich höchst signifikante Zusammenhänge zwischen der Verweildauer der Rauchpatrone und der Eindringtiefe des Rauchs. Beim Experiment im lockeren Schnee wurde ein Datenpunkt verworfen, da in diesem Fall der Rauch durch eine Eislamelle blockiert wurde. Im lockeren Schnee besteht ein linearer Zusammenhang zwischen Verweildauer

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und Eindringtiefe. Im Lawinenschnee folgt dieser Zusammenhang einer logarithmischen Funktion (Tab. 1, Abb. 3).

Geruchsausbreitung im Schnee und Lawinenhunde Experiment lockerer Schnee Lawinenschnee Hund

Korrelation (n) 1.00 *** (4) 1,00 *** (5) 1,00 *** (4)

linear 0,001 0,017 0038

log 0,055 0,006 0,058

Tabelle 1: Zusammenhang zwischen der Zeit, in der eine Rauchpatrone im Schnee vergraben war, und der Eindringtiefe des Rauchs bzw. der Vergrabungstiefe einer Person, und die Zeit, die ein Lawinenhund zu deren Lokalisierung gebraucht hat. Korrelation: Spearmannscher Rangkorrelationskoeffizient, linear/log: Signifikanzniveau für die Kurvenanpassung an eine lineare oder logarithmische Funktion.

Beim Experiment mit den Lawinenhunden konnte ebenfalls ein höchst signifikanter Zusammenhang zwischen Verweildauer der Person und der Lokalisierungszeit festgestellt werden (Tab. 1). In diesem Fall ist die Form der Kurve nicht ganz klar, folgt jedoch eher einer linearen Gleichung (Tab. 1, Abb. 4). Demnach diffundiert der Geruch unter den oben beschriebenen Bedingungen mit einer Geschwindigkeit von 6 bis 11 cm/Min. durch den Schnee.

DISKUSSION Der Geruch des Menschen wird durch den Abbau toter Hautschuppen und durch die direkte Abgabe von Geruchsstoffen beispielsweise über die Schweißdrüsen bestimmt (5). Auch wenn diese Prozesse im Schnee verlangsamt sind, steigt der Geruch durch den Schnee an die Oberfläche. Wie schnell der Geruch durch den Schnee aufsteigt, wird durch den Wärmeaustausch in der Schneedecke bestimmt (6). Je größer der Temperaturgradient in der Schneedecke ist, umso schneller steigt der Geruch nach oben (3). Die Diffusionsrate kann auch durch die Sonneneinstrahlung beeinflusst werden. So können direkte Sonneneinstrahlung oder auch Reflexionen durch die Wolken die Schneedecke aufheizen und dadurch den Temperaturgradienten verringern (6, 7). Die Struktur des Schnees beeinflusst ebenfalls die Ausbreitung des Geruchs. Lockerer Neuschnee, in dem viel Luft enthalten ist (Raumgewicht ca. 50 kg/m3), lässt Gerüche schneller durch als nasser, dicht gepackter Schnee (2). Während durch den dichten Schnee

206


Abb. 1: Schneeprofil Fuscher Törl – Experiment Rauch. Die natürlich gewachsene Schneedecke zeigt sich im Profil relativ homogen, mit aufbauender Umwandlung in den ersten 50 cm. Darüber liegt eine Schicht Saharasand, die im November 2002 eingeweht wurde. Bis zu einer Höhe von 210 cm findet sich körniger Altschnee mit nach oben hin abnehmenden Korngrößen. Die natürliche Schneedecke wird durch einen Harschdeckel abgeschlossen, auf dem die am Vortag abgesprengte Lawine liegt. Der Lawinenschnee hat eine Raumdichte von bis zu 510 kg/m3. Die natürlich gewachsene Schneedecke zeigt ein Temperaturprofil mit einer linearen Abnahme von 0 °C auf –3 °C. Im Lawinenschnee konnten bis zu –6 °C festgestellt werden. Das kann auf den ausgeprägten Nachtfrost zurückgeführt werden.

207


Geruchsausbreitung im Schnee und Lawinenhunde

Abb. 2: Schneeprofil Hochtor – Experiment Hund. Hier konnte eine Gesamtschneehöhe von 540 cm festgestellt werden, wobei die natürlich gewachsene Schneedecke bis zu einer Höhe von ca. 200 cm reicht. In diesem Fall wurde auf ein vollständiges Schneeprofil aufgrund der großen Tiefe verzichtet. Über der gewachsenen Schneedecke ist der Harschdeckel zu erkennen, auf dem die Lawine am Vortag abgelagert wurde. Den Gleithorizont bildet die Schicht mit dem Saharasand. Grund für die Auslösung waren Sprengarbeiten auf der anderen Seite des Grats. Der Lawinenschnee präsentiert sich völlig homogen, besteht aus körnigem Altschnee und weist eine Raumdichte von 550 kg/m3 auf. Die Schneedecke hat konstant 0 °C und ist leicht durchfeuchtet.

208


nur Gase und Dämpfe an die Oberfläche gelangen können, ist es bei lockerem Neuschnee auch denkbar, dass Hautschuppen an die Oberfläche kommen (5). Feuchter Schnee verringert die Diffusionsgeschwindigkeit weiter, außerdem werden wasserlösliche Geruchsstoffe absorbiert, wodurch ein Auffinden der Person durch den Hund schwieriger wird (5). Schichtungen und Eislamellen können eine Geruchsausbreitung im Extremfall völlig verhindern (2, 7). Weht ein trockener Wind über die Schneeoberfläche, kommt es durch die Verdunstung zu einem intensiven Energieaustausch auf der Schneeoberfläche. Dadurch wird der Temperaturgradient flacher und bewirkt damit eine schnellere Geruchsausbreitung im Schnee (6). In einer trockenen Lockerschneelawine bei windigem, klarem Wetter und tiefen Umgebungstemperaturen breitet sich der Geruch eines Lawinenopfers demnach viel schneller aus als bei Nassschneelawinen im Frühjahr bei vergleichsweise hohen Lufttemperaturen. Erfahrungen während des Trainings haben gezeigt, dass sich menschlicher Geruch in lockerem Pulverschnee mit bis zu 100 cm/Min. ausbreitet, während die Ausbreitungsgeschwindigkeit in nassem Schnee nur 7 cm/Min. beträgt (6). Der Lawinenschnee bei den beiden Experimenten hatte ein Raumgewicht von 510 bis 550 kg/m3. Er unterscheidet sich demnach nicht wesentlich hinsichtlich seiner Dichte. Die deutlicheren Unterschiede bestanden in Bezug auf die Geruchsausbreitung im Schnee und Lawinenhunde

25 Vergrabungstiefe [cm]

lockerer Schnee (340 kg/m?) 20 15 10 5

Lawinenschnee (410-510 kg/m?)

0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Dauer [min]

Abb. 3: Zusammenhang zwischen der Verweildauer der Rauchpatrone und der Eindringtiefe des Rauchs in den Schnee

209


Schneefeuchte und die Schneetemperatur, die beim Experiment Hund mit 0 °C höher war und damit auch eine Durchfeuchtung der Schneedecke bewirkt hat. Beim Experiment Hund war außerdem die Temperatur in der Schneedecke konstant. Vom Raumgewicht her entsprechen die untersuchten Lawinen einem Übergang aus Staub- und Nassschneelawinen. Bei Staublawinen konnte ein Raumgewicht von 400–500 kg/m3 festgestellt werden, während Nassschneelawinen ein Raumgewicht von 600–700 kg/m3 aufweisen (7, 8). Die Experimente mit dem Rauch zeigen, dass im lockeren Schnee der Rauch 4- bis 5-mal schneller diffundiert als im dichteren Lawinenschnee. Da es sich jedoch beim lockeren Schnee schon um eine gesetzte Altschneeschicht handelt, ist die Diffusionsrate immer noch geringer als im eigentlichen Pulverschnee. Auch nimmt die Diffusionsgeschwindigkeit im Lawinenschnee mit der Zeit ab. Dies dürfte durch ein Abkühlen des Rauches im dichteren Schnee und damit aufgrund einer Verringerung des Temperaturgradienten bedingt sein. Beim Experiment Hund steigt der Geruch mit 6 bis 11 cm/Min. an die SchneeGeruchsausbreitung im Schnee und Lawinenhunde

Vergrabungstiefe [cm]

250

200

150

100

50 0

10

20 Dauer [min]

30

40

Abb. 4: Zusammenhang zwischen der Vergrabungstiefe einer Person und der Zeit, die ein Lawinenhund für deren Lokalisierung braucht

210


oberfläche. Das ist etwas besser als die Werte im dicht gepackten, nassen Schnee (6 cm/Min., 6) und entspricht damit auch den Daten aus dem Schneeprofil (durchfeuchtete Schneedecke, Raumgewicht 550 kg/m3). Aufgrund der größeren Wärmeproduktion einer vergrabenen Person dürfte der Temperaturgradient bei geringen Verschüttungstiefen etwas günstiger sein. Dadurch könnte auch die höhere Diffusionsgeschwindigkeit von 11 cm/Min. erreicht worden sein. Bei Verschüttungstiefen von 2 m und mehr kühlt der Geruch in der Schneedecke ab und steigt langsamer auf. Nach den oben beschriebenen Kriterien waren sowohl die Schneedecke als auch die äußeren Umstände (bewölkt, Lufttemperatur 3 °C) für eine Lawinensuche als mittelmäßig bis schlecht zu bezeichnen. Die mediane Verschüttungstiefe von Lawinenopfern in der Schweiz beträgt 100 cm (1). Unter den oben beschriebenen Umständen würde es demnach knapp 10 Min. dauern, bis der Geruch an die Schneeoberfläche gelangt und vom Hund lokalisiert werden kann. Dann würde die Überlebenswahrscheinlichkeit des Lawinenopfers noch über 90 % betragen (9). Die mediane Verschüttungsdauer von Lawinenopfern, die durch organisierte Rettungsmannschaften mit Hilfe eines LVS-Geräts lokalisiert wurden, liegt bei 275 Min. (10). Dieser Vergleich zeigt, dass die Geruchsausbreitung im Schnee kein limitierender Faktor für das Auffinden von verschütteten Personen ist. Einen vielen größeren Einfluss haben hier wahrscheinlich die Zeit bis zur Alarmierung, die Organisation des Rettungseinsatzes und die Effizienz des Transports zum Lawinenkegel.

DANK Wir möchten uns bei W. Buchegger, H. Buchsteiner, K. Haas, J. Resch, G. Rottensteiner, A. Russegger, S. Werner und H. Zauner sowie bei Aaron, Asta, Cassy, Eilif, Fee, Fenja, Fly und Spot für ihre Mithilfe bei der Untersuchung bedanken.

L I T E R AT U R (1)

Tschirky F., Brabex B., Kern M.: Lawinenunfälle in den Schweizer Alpen – Eine statistische Zusammenstellung mit den Schwerpunkten Verschüttung, Rettungsmethoden und Rettungsgerät. Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 1998/99 63, 125-136 (2000).

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211


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Engler M.: Die weiße Gefahr. Verlag Martin Engerl, Sulzberg (2001).

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Martin Burtscher

Dauerleistungsfähigkeit im Bergsport: Wie viel ist notwendig? Endurance capacity for mountaineering: How much is necessary?

ABSTRACT In recent years mountainous areas have attracted an increasing number of persons all over the world. In Austria alone, more than 10 million hikers and skiers annually visit moderate altitudes. That number may exceed 40 million for the whole Alps, and it is assumed that worldwide there are about 100 million mountain tourists. Many of these tourists, however, are not aware of the fact that mountain sport activities demand a relatively high degree of physical fitness and that the risk of injury and death increases when fitness is insufficient. Energy costs are relatively low when walking or even running on horizontal paths, however, they increase markedly when moving uphill in the mountains. An altitude gain of 300 m per hour on average is assumed for calculation of normal ascending times to alpine huts and summits on marked paths. The corresponding energy expenditure can be predicted from the formula: relative oxygen consumption (ml/min./kg) = [0.133·horizontal distance (m) + 2.0·vertical distance (m)] / time (min.) + 3.5. Example: [0.133·2000 + 2.0·300]/60 + 3.5 = 17.9. This reveals that an average oxygen consumption of about 18 ml/min/kg is needed to climb 300 m per hour in altitude with an optimal gradient of 15 %, with only a small additional load, and an average work efficiency. Since prolonged work can be performed at not higher than about 60 % of maximal oxygen consumption (VO2 max.), a minimum VO2 max. of 30 ml/min./kg must be attainable. Considering that VO2 max declines at the rate of 1 % per 100 m altitude gain above 1.500 m, these values have to be increased by 20 % when mountaineering at 3.500 m. Carrying a heavy rucksack or heavy footwear and using more difficult paths would increase these requirements. Thus, endurance capacity may well be a limiting factor for untrained mountaineers, however, it can be easily improved by endurance training. Keywords: Endurance capacity, mountaineering, requirements.

213


Z U S A M M E N FA S S U N G Bergsport zählt zu den beliebtesten sportlichen Aktivitäten im Alpenraum. Allein 10 Millionen Bergsteiger und Skifahrer besuchen jährlich die österreichischen Berggebiete. Für den gesamten Alpenraum wird diese Anzahl auf etwa 40 Millionen und weltweit auf rund 100 Millionen geschätzt. Viele Bergtouristen sind sich allerdings nicht bewusst, dass Bergsport relativ hohe Ansprüche an die aerobe Leistungsfähigkeit stellt und dass das Verletzungsund Todfallrisiko bei ungenügender Fitness zunimmt. Der Energieverbrauch ist beim Wandern in der Ebene im Vergleich zum Berganstieg gering. Bei den üblichen Angaben zu den Hütten- oder Gipfelanstiegszeiten wird davon ausgegangen, dass etwa 300 Höhenmeter pro Stunde bewältigt werden können. Der entsprechende Energieverbrauch kann aus folgender Formel bestimmt werden: relativer Sauerstoffverbrauch (ml/min./kg) = [0.133·horizontale Distanz (m) + 2.0·vertikale Distanz (m)]/Zeit (min.) + 3.5. Beispiel: [0.133·2000 + 2.0·300]/60 + 3.5 = 17.9. Dies bedeutet, dass eine durchschnittliche Sauerstoffaufnahme von 18 mlO2/min./kg notwendig ist, um 300 Höhenmeter pro Stunde bei einer optimalen Neigung von 15 % und einem durchschnittlichen Wirkungsgrad bewältigen zu können. Da aber Dauerleistung nur bei etwa 60 % der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2 max.) erbracht werden kann, ist eine VO2 max. von 30 ml/min./kg notwendig. Mit zunehmender Höhe vermindert sich die VO2 max. um etwa 1 % pro 100 m Höhenzunahme ab 1.500 m. Das bedeutet, dass in 3.500 m die oben verlangte Erwartung an die Leistungsfähigkeit 20 % angehoben werden muss. Schweres Schuhwerk, Rucksack und schwierige Wegbedingungen steigern diese Anforderungen zusätzlich. Daher muss eine mangelnde Ausdauerleistungsfähigkeit ohne Zweifel als limitierender Faktor für wenig oder untrainierte Bergsteiger betrachtet werden. Allerdings bleibt die aerobe Ausdauer bis ins hohe Alter gut trainierbar. Schlüsselwörter: Ausdauerleistungsfähigkeit, Bergsteigen, Anforderungen.

EINLEITUNG Bergsport zählt zu den beliebtesten sportlichen Aktivitäten im Alpenraum. Allein 10 Millionen Bergsteiger und Skifahrer besuchen jährlich die österreichischen Berggebiete. Für den gesamten Alpenraum wird diese Anzahl auf etwa 40 Millionen und weltweit auf rund 100 Millionen geschätzt (1). Bergsportliche Aktivitäten, besonders natürlich die Anstiege, stellen relativ hohe Ansprüche an die aerobe Leistungsfähigkeit. Es ist daher nicht verwunderlich, dass abnehmende körperliche Fitness, beispielsweise mit zunehmendem Alter, das Verletzungs- und Todfallrisiko bei der Bergsportausübung erhöht (2–5). In

214


Zusammenhang mit ärztlicher und sportwissenschaftlicher Beratungstätigkeit erhebt sich die dringende Frage nach den Mindestanforderungen an die aerobe Leistungsfähigkeit von Bergsteigern. Die Klärung dieser Frage bildet somit Hauptzielsetzung der vorliegenden Arbeit.

METHODEN Das Gesamtprojekt ist in 4 Teiluntersuchungen gegliedert: 1. Normale Hütten- und Gipfelanstiegszeiten Um aufzuzeigen, welche Anforderungen mit normalen Aufstiegszeiten verbunden sind, wurden 100 viel begangene, unschwierige Hütten- und Gipfelanstiege in den Ost- und Westalpen zwischen 1.500 m und 4.800 m analysiert. Dazu wurde allgemein verwendetes Karten- und Führermaterial herangezogen. 2. Durchschnittliche Anstiegsgeschwindigkeiten Um zu erheben, welche Anstiegsgeschwindigkeiten von Bergsteigern/Wanderern tatsächlich gewählt werden, wurden 82 männliche und weibliche Personen (allein oder in Gruppen) aus allen Altersgruppen auf 10 verschiedenen, typisch alpinen, aber unschwierigen Anstiegsrouten beobachtet. Ihre durchschnittlichen Anstiegszeiten wurden auf vermessenen Teilabschnitten der ausgewählten Routen registriert. 3. Energieaufwendung bzw. Sauerstoffverbrauch Um die Energieaufwendung beziehungsweise den Sauerstoffverbrauch und damit die Belastungsintensität bei unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten in Abhängigkeit der Wegstrecke und der Neigung zu bestimmen, verwendeten wir eine Beziehung (Gleichung 1), die auf den Ergebnissen von Laursen et al. und jenen von Minetti beruht (6, 7). Gleichung 1: Berechnung des Energieverbrauchs (Sauerstoffaufnahme) beim Bergwandern. VO2 rel. = (0.133 Dh + 2.0 Dv)/t + 3.5 VO2 rel. = 0.133 = Dh = 2.0 = Dv = t= 3.5 =

relative Sauerstoffaufnahme (ml/min/kg) Sauerstoffaufnahme pro Meter horizontaler Distanz beim Wandern (ml/m/kg) (6) horizontale Distanz (m) Sauerstoffaufnahme pro Meter vertikaler Distanz beim Wandern (ml/m/kg) (7) vertikale Distanz (m) Zeit (min.) relative Sauerstoffaufnahme in Ruhe (ml/min/kg)

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Die Vorhersagegenauigkeit des Sauerstoffverbrauchs anhand dieser Gleichung wurde durch die direkte Bestimmung der Sauerstoffaufnahme auf einem standardisierten Anstieg ermittelt. Dazu wurde das mobile Atemgasanalysesystem K4 (Cosmed, Italien) verwendet. Die Neigung des gut begehbaren und 1 km langen Weges betrug durchschnittlich 15 %. Bei den Testpersonen handelte es sich um 50 mäßig trainierte (28–40 ml relative Sauerstoffaufnahme) männliche und weibliche Bergwanderer im Alter zwischen 25 und 70 Jahren. Die Teststrecke wurde bei gleichmäßiger, aber individuell wählbarer Geschwindigkeit mit leichten Schuhen und leichtem Rucksack (< 3 kg) durchwandert. 4. Sauerstoffverbrauch im Verhältnis zur maximalen Sauerstoffaufnahme Um den Sauerstoffverbrauch bei einer Gehgeschwindigkeit, die gerade ohne zu ermüden über Stunden beibehalten werden kann, im Verhältnis zur maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit zu bestimmen, wurden 20 Personen (Teilgruppe aus 3) auf der unter 3 beschriebenen Versuchsstrecke getestet. Die maximale Sauerstoffaufnahme wurde im Labor anhand einer Ausbelastungsergometrie am Fahrrad ermittelt.

ERGEBNISSE 1. Normale Hütten- und Gipfelanstiegszeiten Insgesamt wurden 100 unschwierige Hütten- und Gipfelanstiege in den Ostund Westalpen analysiert. Die Routencharakterisierung ist in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Charakterisierung von 100 unschwierigen Hütten- und Gipfelanstiegen in den Ost- und Westalpen. Höhenlagen: 1.500–4.800 m Höhenunterschiede: 500–1.850 m Neigungen: 10–30 % Angegebene Anstiegszeiten: 2–7 Stunden Zu bewältigender Höhenunterschied pro Stunde: 250–450 m (Durchschnitt: 317 ± 40 m) Die Angaben bedeuten Variationsbreite oder Durchschnittswert ± Standardabweichung.

Bei den üblichen Angaben zu den Anstiegszeiten wird also davon ausgegangen, dass durchschnittlich 317 Höhenmeter pro Stunde (über mehrere Stunden) bewältigt werden können. Zwischen Ost- und Westalpen und für verschiedene Höhenlagen konnten keine deutlichen Unterschiede festgestellt werden. Unter-

216


schiedliche Weg- und Witterungsbedingungen finden keine Berücksichtigung. Die Durchschnittsneigung der Anstiege liegt knapp unter 20 %. 2. Durchschnittliche Anstiegsgeschwindigkeiten Die Aufstiegsgeschwindigkeit von 82 Personen wurde auf 10 ausgewählten, leicht begehbaren Routen erhoben. Die Tabelle 2 zeigt die Charakterisierung der Routenabschnitte und der Anstiegszeiten.

Tabelle 2: Charakterisierung der vermessenen Anstiegsrouten-Teilabschnitte und der erhobenen Anstiegszeiten von 82 Personen. Höhenlagen: 1.000–2.500 m Streckenlängen: 450–1.670 m Höhenunterschiede: 70–380 m Neigungen: 10–22 % Gehzeiten: 11–103 min Bewältigter Höhenunterschied pro Stunde: 180–480 m (Durchschnitt: 332 ± 98 m) Die Angaben bedeuten Variationsbreite oder Durchschnittswert ± Standardabweichung.

Es wurden durchschnittlich 332 Höhenmeter pro Stunde zurückgelegt, allerdings bei einer Variationsbreite von 180–480 m pro Stunde. Die Beobachtungen erstrecken sich nur bis in Höhenlagen von 2.500 m. Die durchschnittliche Neigung der unschwierigen Anstiege betrug 15,4 ± 3,5 %. Ältere Personen wanderten tendenziell langsamer als jüngere. 3. Energieaufwendung- bzw. Sauerstoffverbrauch Die auf der Teststrecke gemessenen Sauerstoffaufnahmewerte und jene, die anhand der Gleichung 1 errechnet wurden, sind in Abbildung 1 dargestellt. Es besteht eine eindeutige Beziehung zwischen den Rechen- und Messwerten: Korrelationskoeffizient: 0,9; p < 0,05. Die durchschnittliche Abweichung der Messwerte von den Rechenwerten beträgt 7 % und die maximalen Abweichungen sind –10 % beziehungsweise +14 %. 4. Sauerstoffverbrauch im Verhältnis zur maximalen Sauerstoffaufnahme 20 Personen durchwanderten die Teststrecke bei einer Geschwindigkeit, die gerade ohne zu ermüden (subjektive Einschätzung) über längere Zeit (Stunden) durchhaltbar wäre, bei einer Sauerstoffaufnahme von durchschnittlich 62 % (55–72 %) der maximal möglichen Sauerstoffaufnahme.

217


24

VO2 (ml/min/kg) - gemessen

22 20 18 16 14 12 12

14

16

18

20

22

24

VO2 (ml/min/kg) - errechnet

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen den errechneten und den gemessenen relativen Sauerstoffaufnahmewerten bei Begehung einer standardisierten Teststrecke (15 % Neigung, 1.000 m lang) durch 50 Personen.

DISKUSSION Die Analyse klassischer Hütten- und Gipfelanstiegsrouten und der angegebenen Anstiegszeiten zeigt, dass vom Bergsteiger die Bewältigung von durchschnittlich mindestens 300 Höhenmetern pro Stunde erwartet wird. Die horizontale Entfernung fällt dabei nicht sonderlich ins Gewicht. Während bei kurzen Anstiegen durchaus ein Überschreiten der angegebenen Anstiegszeiten vertretbar sein kann, ist dies bei längeren Anstiegen, vor allem aus Sicherheitsgründen, problematisch. Im Einzelfall müssen natürlich die Gesamttourenplanung, die Wetterentwicklung, die Wegbeschaffenheit und andere Faktoren Berücksichtigung finden. Wichtig ist es jedenfalls, die eigene Leistungsfähigkeit und somit den notwendigen Zeitbedarf für den Anstieg richtig abschätzen zu können. Ziel sollte es sein, eine durchschnittliche Anstiegszeit von 300 m pro Stunde zu erreichen. Die Erhebung der Gehgeschwindigkeiten in Höhenlagen bis 2.500 m ergab, dass dies im Durchschnitt auch tatsächlich der Fall ist. Allerdings wurden relativ große Abweichungen beobachtet, die auf bedeutende Leistungsunterschiede der Bergsteiger/Wanderer hindeuten. Aufgrund der anhand der Gleichung 1 geeigneten Leistungsabschätzung bei bekannten Aufstiegsbedingungen kann der erforderliche relative Sauerstoff-

218


verbrauch für 300 Höhenmeter pro Stunde bei einer durchschnittlichen Neigung von 15 % mit 18 ml/min./kg angenommen werden. Da gezeigt wurde, dass Dauerleistung bei durchschnittlich 62 % der maximalen Sauerstoffaufnahmefähigkeit möglich ist, bedeutet dies eine maximale aerobe Leistungsfähigkeit, die einer maximalen Sauerstoffaufnahme von 29 ml/min./kg entspricht. Dies wiederum gilt nur für niedrige Höhenlagen, gute Wegbedingungen, leichte Schuhe und einen leichten Rucksack (< 3 kg). Bei Wanderungen mit schweren Schuhen und schwerem Rucksack und bei ungünstigeren Wegbedingungen steigen auch die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit (8–10). Während die „Wanderökonomie“ auf leichten Wegen nicht stark zu variieren scheint, ändert sie sich auf schwierigeren Wegen in Abhängigkeit der Alpinerfahrung (11, 12). Vor allem mit zunehmender Höhe wird die aerobe Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. So vermindert sich diese um etwa 1 % pro 100 m Höhenzunahme ab 1.500 m (13). Das bedeutet, dass in 2.500 m die oben verlangte Erwartung an die Leistungsfähigkeit um 10 % und in 3.500 m um 20 % und in 4.500 m bereits um 30 % angehoben werden muss. Das verlangt für einen Mt.-Blanc-Anstieg eine maximale Sauerstoffaufnahme von mindestens 38 ml/min./kg. Da dort aber die Wegbeschaffenheit nicht optimal ist und schwere Schuhe und Rucksack verwendet werden, steigt diese Voraussetzung auf 47 ml/min./kg (vgl. Tabelle 3)! So wird auch verständlich, warum manche Unternehmung an diesem Berg schon aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit scheitert. Es wird also deutlich, dass die Anforderung an die aerobe Leistungsfähigkeit relativ hoch ist, häufig unterschätzt wird und deren Abschätzung im Rahmen der Tourenplanung sowie die Kenntnis des individuellen Leistungsvermögens unbedingt erforderlich sind.

TESTMÖGLICHKEITEN Neben der ergometrischen Ausbelastung mit direkter Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme ist der wohl einfachste Test ein Belastungstest bei konstanter Intensität. Günstigerweise wird die Intensität den erwarteten Feldbedingungen angepasst. Beispielsweise kann der Test am Laufband bei 2 km/h und einer Neigung von 15 % durchgeführt werden. Dies kann, um möglichst realistische Bedingungen zu schaffen, mit Bergschuhen und Rucksack geschehen. Nach einer 2-minütigen Aufwärmphase wird die Zielbelastung für 6 Minuten gehalten. Ist der Proband in der Lage, diese Belastung unterhalb seiner anaeroben Schwelle zu bewältigen, erreichen Herzfrequenz, Atmung und Blutlaktatkonzentration nach rund 3 Minuten ein Steady State ohne deutliche Änderung in den nachfolgenden 3 Minuten (14). Überdies können die damit verbundenen Belastungsreaktionen (EKG, Blutdruck, Atmung) mitbeobachtet werden. Die Belastungswahl erfolgt in Abhängigkeit der erforderlichen Anstiegs-

219


geschwindigkeit und der entsprechenden Höhenlage. Natürlich kann dieser Test auch auf einem Fahrradergometer durchgeführt werden. Die der gewünschten relativen Sauerstoffaufnahme entsprechende Wattzahl kann anhand der Beziehung in Gleichung 2 bestimmt werden. Gleichung 2: Berechnung der relativen Wattleistung bei gewünschter relativer Sauerstoffaufnahme Relative Leistung (Watt) = [Relative Sauerstoffaufnahme (ml/min./kg) – 3,5]/12 Die Formel beruht auf einem kalorischen Äquivalent von 1 l O2 = 20 kJ und einer Arbeitsökonomie (Wirkungsgrad) von 25 %.

Bei einem angenommenen Anstieg von durchschnittlich 300 m pro Stunde sollten die in Tabelle 3 angegebenen Belastungen [abhängig von der Höhe und des Zusatzgewichtes (Rucksack, Ski etc.) und der Wegbeschaffenheit] unterhalb der anaeroben Schwelle durchgeführt werden können. Tabelle 3: Von verschiedenen Bedingungen abhängige erforderliche relative Sauerstoffaufnahme bzw. Wattleistung unterhalb der anaeroben Schwelle, um durchschnittlich 300 m pro Stunde aufsteigen zu können (vgl. Gleichung 1, 2). Höhe Zusatzgewicht/ Wegbeschaffenheit

Relative Sauerstoffaufnahme

Relative Leistung

ml/min./kg

Watt/kg

1.500 m < 3 kg, leicht bis 10 % KG, Schutt/Schnee

18 (29) 22 (36)

1,2 1,5

2.500 m < 3 kg, leicht bis 10 % KG, Schutt/Schnee

20 (32) 24 (39)

1,4 1,7

3.500 m < 3 kg, leicht bis 10 % KG, Schutt/Schnee

22 (36) 26 (42)

1,5 1,9

4.500 m < 3 kg, leicht bis 10 % KG, Schutt/Schnee

24 (39) 29 (47)

1,7 2,1

% KG bedeutet Zusatzgewicht in % des Körpergewichtes. Die Zahlen in Klammer geben die notwendige maximale Sauerstoffaufnahme an, um die angeführte submaximale Leistung dauerhaft erbringen zu können.

220


Aus der Gleichung 1 wird ersichtlich, dass Wandern in der Ebene ungleich niedrigere Leistung bedeutet als im geneigten Gelände bei ähnlicher Gehgeschwindigkeit. Höhe, Zusatzgewicht und Wegbeschaffenheit spielen eine zusätzliche bedeutende Rolle. Ohne Zweifel müssen manche Unfälle und Notfälle auf die Unterschätzung der entsprechenden Leistungsanforderungen beziehungsweise die Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit zurückgeführt werden. Die realistische Abschätzung der Leistungsanforderung in Abhängigkeit des alpinistischen Vorhabens und die Überprüfung des eigenen Leistungsvermögens müssen daher als wichtige Präventivmaßnahmen angesehen werden. Trotz bekannter methodischer Probleme und individueller Unterschiede sollten die erarbeiteten „Mindest-Leistungsanforderungen“ eine wertvolle Hilfe für den praktischen Einsatz dieser Vorbeugemaßnahmen bieten. Erhobene Defizite bedeuten ja nicht Alpinsportabstinenz, sondern müssen Anlass für Trainingsmaßnahmen sein. Dies ist besonders im Hinblick auf die Tatsache bedeutsam, dass die Dauerleistungsfähigkeit bis ins hohe Alter gut trainierbar bleibt.

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Simone Berei, Claudia Mika, Thomas Küpper

E r n ä h r u n g s - u n d Tr a i n i n g s p l a n b e i extremen Langzeitausdauerbelastungen in mittlerer Höhe am Beispiel des Mountainbike-Marathons Nutrition and training procedures for extreme endurance sports at moderate altitude using the example of mountainbike marathon

S U M M A RY Successful and optimal training must be based on an integral concept of training and nutrition. Differentiated for hobby and competitive sport, but with special regard to the latter, we describe those factors to be taken into account for an integral concept and the mistakes which are most often done. It is not necessary to follow an ascetic lifestyle but some principles must be accepted to realize an individual optimal performance. Keywords: endurance sports, moderate altitude, mountainbike, marathon, training, nutrition.

Z U S A M M E N FA S S U N G Zielführendes und leistungsorientiertes Training muss aus einem integralen Gesamtkonzept der (wichtigsten) Faktoren Training und Ernährung verstanden werden. Differenziert nach Freizeit- und Leistungsbereich stellen wir unter besonderer Betonung des Leistungsbereiches systematisch dar, was bei einem derartigen Konzept beachtet werden sollte und welches die häufigsten Fehler sind. Dabei wird deutlich, dass auch für einen hohen Leistungsbereich ein asketischer Lebenswandel mitnichten notwendig ist, dass jedoch einige Prinzipien beachtet werden sollten, um einen individuell optimalen Leistungsbereich zu erreichen. Schlüsselwörter: Extremausdauer, mittlere Höhe, Mountainbike, Marathon, Training, Ernährung.

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EINLEITUNG Für einen zunehmenden Anteil an Sportlern zählt weniger die Schnelligkeit oder eine Kraftleistung, sondern hohe Ausdauerbelastbarkeit. Hier haben sich in jüngster Vergangenheit verschiedene Sportarten entwickelt und teilweise fast Breitensportcharakter erreicht, die aufgrund des hohen Dauerbelastungsniveaus erhebliche Anforderungen an den Organismus sowohl im Training als auch in der Sportausübung stellen. Beim Mountainbike-Marathon setzen sich diese Anforderungen vor allem aus der Belastung an sich, die in wechselnder Höhe einwirkt (Bergauf-/Bergabfahren), Strahlungs- und Hitzebelastung (Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt) und der milden Höhenhypoxie zusammen. Zufrieden stellende Leistungen können bei derartigen Belastungen nicht durch Training allein erreicht werden. Vielmehr ist eine adäquate Ernährung in Verbindung mit optimal gesteuerter Leistung im Training integraler Bestandteil eines sportlichen Gesamtkonzeptes. Grundsätzlich ist – auch unabhängig vom Sport – eine ausgewogene Ernährung dringend anzuraten. Dabei sollte neben einer leistungsangepassten Energiezufuhr auf eine optimale Versorgung des Körpers sowohl mit den Hauptnährstoffen (Fette, Kohlenhydrate, Eiweiße) als auch mit Mineralstoffen, Vitaminen, Spurenelementen, Ballaststoffen und einer ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz geachtet werden. Bei hohen Dauerbelastungen steigt der Bedarf an einigen der genannten Stoffe beträchtlich an. Da im engagierten Freizeitsportbereich inzwischen regelmäßig Trainingsumfänge erreicht werden, die früher weitgehend dem Leistungssport vorbehalten waren, hat dies auch für den Freizeitsport Konsequenzen. Neben des quantitativen Mehrbedarfs ist dabei auch die qualitative Zusammensetzung der Nährstoffe zu beachten. Als Beispiele für letztere sei die Verwendung von pflanzlichen Fetten mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z. B. Distelöl, Sonnenblumenöl), Omega-3-Fettsäuren (Kaltwasserfische wie Lachs, Hering oder Makrele) oder Eiweißträger mit einem hohen Anteil essentieller Aminosäuren rsp. hoher biologischer Wertigkeit genannt (s. u.). Zur qualitativen und quantitativen Zusammensetzung der Nahrung kommt bei regelmäßiger Ausdauerbelastung noch die zeitliche Verteilung der Nahrungsaufnahme hinzu. Abgesehen von Belastungs- oder Wettkampfphasen, für die es zum Allgemeinwissen gehört, dass unmittelbar vor dem Wettkampf nicht zu viel und zu schwer gegessen werden sollte, gilt dies im erweiterten Sinne auch für die gesamte Trainingsphase. Grundsätzlich gilt, dass dann, wenn die Mahlzeiten gleichmäßiger über den Tag verteilt werden (z. B. 5 statt 3 Mahlzeiten), die Leistungsbereitschaft konstanter ist.

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Besonderheiten der Ernährung bei extremen Langzeitausdauerbelastungen Hohe Dauerbelastungen sind nur durch eine kombinierte Energiebereitstellung zu gewährleisten, insbesondere dann, wenn wie im Falle des MountainbikeMarathons die Belastung auf insgesamt hohem Niveau stark schwankt. Dabei spielt die Fettverbrennung zwar eine Rolle, der Schwerpunkt liegt jedoch bei derartigen Belastungen bei der aeroben Glykolyse. Diese setzt eine bedarfsorientierte und möglichst gleichmäßige Substitution von Kohlenhydraten während der Belastungsphase voraus. Im extremen Langzeitausdauerbereich sind Kohlenhydratriegel ein Muss. Ihr Vorteil ist, dass sie nahezu fett- und eiweißfrei sind und praktisch komplett aus komplexen Kohlenhydraten (Oligosacchariden, Polysacchariden) bestehen. Diese führen zu einer weit weniger drastischen Glukoseanflutung im Plasma als bei Zuckergabe und damit zu einer moderateren Insulinausschüttung, was das Risiko iatrogener Hypoglykämien durch eine relative Hyperinsulinämie reduziert. Polysaccharide verhindern eine überhöhte Insulinsekretion, da ihre enzymatische Spaltung im Dünndarm zu einer kontinuierlichen Freisetzung von Monosacchariden führt, die absorbiert werden können und somit eine Langzeitwirkung entfalten. Gleichzeitig haben Polysaccharide den Vorteil, dass sie eine niedrigere Osmolalität besitzen. Das bedeutet, dass sie den Wasserhaushalt kaum belasten, während die Aufnahme von beispielsweise 5 g Traubenzucker 100 ml gleichzeitige Flüssigkeitsaufnahme erfordert, die den Geweben bei fehlender exogener Zufuhr entzogen wird und somit die Gefahr einer Dehydrierung erhöht wird. Unbedingt sollten die verschiedenen Riegel im Training getestet werden, denn einige enthalten MCT-Fette. Ein Vorteil gegenüber langkettigen Fettsäuren besteht in der schnelleren „Verstoffwechslung“ der MCT. Sie werden nach Aufspaltung durch die Lipasen im MagenDarm-Trakt ohne Beteiligung von Gallensalzen und Chylomikronenbildung durch die Darmwand aufgenommen und nach Transport in die Leber rascher oxidiert. Somit steht die daraus resultierende Energie schnell zur Verfügung. Zahlreiche Sportler reagieren jedoch mit Durchfall und Übelkeit auf die Zufuhr, sodass dies zu einer erheblichen Verringerung der Leistungsbereitschaft führen kann. Der Fettbedarf eines Langzeitausdauersportlers ist relativ gering. Dies liegt daran, dass – wie erwähnt – die aerobe Glykolyse den wesentlichen Teil der Energiebereitstellung leistet. Als Optimum wird für männliche Freizeit- und Gelegenheitssportler ein Körperfettanteil von 13–18 %, für Frauen von 18–25 % empfohlen (1). Bei hohem Trainingszustand sind dagegen 5–10 % bei Männern und 13–18 % bei Frauen optimal. Dabei braucht der Sportler nicht besorgt zu sein, dass für die Fettverbrennung während der Leistungsphase zu wenig Substanz vorhanden ist, denn auch schlanke Menschen besitzen immer noch Fettreserven, die etwa 50.000 kcal entsprechen. Ein weiterer Grund gegen die Zufuhr

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von Fetten als Energieträger ist die Höhenhypoxie beim Mountainbike-Marathon. Hier können Fette nur in eingeschränktem Maße als Energiequelle dienen, da für die Oxidation von Fetten wesentlich mehr Sauerstoff benötigt wird als bei Kohlenhydraten. Somit stellt die Sauerstoffversorgung bei Leistungssport in der Höhe einen limitierenden Faktor für die Bereitstellung von Energie aus Fett dar. Ein völligerVerzicht auf Fette in der Nahrung ist, abgesehen davon, dass eine fettfreie Ernährung praktisch kaum möglich ist, dagegen nicht sinnvoll. Fette sind Träger essentieller Fettsäuren und fettlöslicher Vitamine. Bei sehr hohem Energiebedarf (8.000 kcal pro Tag und darüber!) liefern sie ausreichend Energie, die durch die Begrenzung der Aufnahmefähigkeit des MagenDarm-Traktes durch Kohlenhydrate allein nicht bereitgestellt werden könnte. Der Eiweißbedarf steigt während der Belastungsphase um 15 % an. Unvermeidlich wird bei hohen Belastungen auch in geringem Umfang Eiweiß verbrannt. Da für Eiweiße keine Körperdepots existieren, geht dies grundsätzlich auf Kosten der Muskulatur. Bei der Auswahl der Lebensmittel wichtige Faktoren sind ein geringer Cholesteringehalt, das Eiweiß-Fett-Verhältnis und vor allem die „biologische Wertigkeit“. Letztere gibt Auskunft darüber, inwieweit die Aminosäurenzusammensetzung des Eiweißes dem Bedarf des menschlichen Körpers entspricht. Je höher die Wertigkeit, desto effektiver kann das Nahrungseiweiß genutzt werden (Tabelle 1). Durch geschickte Kombination unterschiedlicher Nahrungsmittel kann der Sportler die biologische Wertigkeit noch erheblich steigern (Tabelle 2 und Tabelle 3). Bei hohem Leistungsniveau ist durch den erhöhten Umsatz von Kohlenhydraten und Eiweißen der Bedarf der dort beteiligten Vitamine, also insbesondere B1, B2, Niacin, B6, B12 und C, ebenfalls erhöht. Der Vitamin-Mehrbedarf des Sportlers kann in den meisten Fällen durch eine gezielte Lebensmittelauswahl gedeckt werden. Vollkornprodukte Tierisches Eiweiß Quelle BW Vollei 100 Rindfleisch 83–92 Fisch 94 Milch 84–88 Edamerkäse 85 84

Pflanzliches Eiweiß Quelle BW Soja 84 Roggen 76–83 Bohnen 72 Reis 83 Kartoffeln 90–100 Brot 70 Linsen 60 Weizen 59 Erbsen 56 Mais 72–76

Tabelle 1: Beispiele für die biologische Wertigkeit von Nahrungseiweiß (2), (3)

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Proteingemisch Bohnen + Mais Milch + Weizen Vollei + Weizen Vollei + Milch Vollei + Kartoffeln

Mischungsverhältnis 52 % : 48 % 75 % : 25 % 68 % : 32 % 71 % : 29 % 35 % : 65 %

BW 101 105 118 122 137

Tabelle 2: Biologische Wertigkeit von Proteingemischen [3]

Nahrungsmittel Getreide mit Milch Reis, Weizen, Buchweizen, Hafer, Gerste, Roggen, Hirse

Kombinieren mit Milch, Käse, Quark, Joghurt, Dickmilch

z. B.: Vollkornpfannkuchen mit Milch, Müsli mit Milch oder Joghurt, Vollkornnudeln mit Käse, Vollkornbrot mit Käse Getreide mit Hülsenfrüchten Reis, Weizen, Buchweizen, Hafer, Gerste, Roggen, Hirse

Bohnen, Sojabohnen, Erbsen, Linsen

z. B.: Bohnensuppe mit Reis, Erbsensuppe mit Vollkornbrötchen Getreide mit Eiern Reis, Weizen, Buchweizen, Hafer, Gerste, Roggen, Hirse

Ei in allen Variationen

z. B.: Pfannkuchen mit Ei, Rührei oder Brot Kartoffeln mit Ei oder Milch Kartoffeln

Ei, Milch, Quark, Joghurt, Dickmilch, Käse

z. B.: Pellkartoffeln mit Quark, Bratkartoffeln mit Spiegelei, Kartoffeln mit Käse überbacken

Tabelle 3: Lebensmittelkombinationen mit hoher biologischer Wertigkeit (3) sind Erzeugnissen aus niedrig ausgemahlenem Mehl vorzuziehen. Obst und Gemüse sind möglichst frisch zu verzehren, da durch lange Lagerung und Lichteinwirkung ein großer Teil der Vitamine zerstört wird. Bei der Zubereitung sind vitaminschonende Garmethoden zu bevorzugen. Werden diese Punkte berücksichtigt, können Sportler ihren Vitaminbedarf durch eine abwechslungsreiche Mischkost decken, ohne auf spezielle Nährstoffkonzentrate zurückgreifen zu müssen.

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Bei den Mineralstoffen wird neben Kochsalz, Kalium und Magnesium vor allem auch Kalzium und Eisen Beachtung geschenkt. Für alle genannten Mineralstoffe bestehen recht hohe Verluste über den Schweiß. Zu wenig beachtet wird dagegen, dass der Kaliumbedarf bereits im Vorfeld der Leistungserbringung erhöht ist, nämlich während der Tage, in denen die Kohlenhydratspeicher aufgefüllt werden („Pasta-Party“, „Nudeltage“). Aus Tabelle 4 ist leicht ersichtlich, warum die „Apfelschorle“, also die Kombination aus Mineralwasser und Apfelsaft, nach wie vor ein bevorzugtes, preiswertes Sportgetränk ist. Alle während Langzeitausdauerbelastungen zugeführten Getränke sollten (leicht) hypoton sein. Leicht hypotone Lösung wird schnell resorbiert und ersetzt den physiologischen Verlust am geeignetsten, denn Schweiß ist im Vergleich zu Blut ebenfalls hypoton. Bei Elektrolytgetränken sollten 500 mosmol/kg und ein Natriumgehalt von 400–1200 mg/l nicht überschritten werden. Der Kohlenhydratgehalt sollte von den äußeren Bedingungen abhängig gemacht werden: Bei heißem Wetter hat der Flüssigkeitsersatz Priorität (30–80 g/l), bei kaltem Wetter die Energieversorgung (80–150 g/l). Reines Leitungswasser, Kaffee, Tee oder Limonaden sind aufgrund ihres geringen Mineralstoffgehalts keine geeigneten Sportgetränke. Sie führen zu einer weiteren Verdünnung der extrazellulären Flüssigkeit und potenzieren somit eine Mineralstoffverarmung der Zellen. Auf der anderen Seite besteht für Mineralsalztabletten auch bei extremer körperlicher Dauerbelastung keine Indikation, sondern eher eine Gefahr: Zum einen ist ihr Mineralstoffgehalt zu hoch (vor allem Natrium) und zum anderen werden die Tabletten üblicherweise nicht mit der notwendigen sehr großen Flüssigkeitsmenge eingenommen. Am Ende eines Marathons können jedoch Cola (bzw. andere Getränke mit Mono- und Disaccariden) oder Cola und Schorle u. U. sinnvoll eingesetzt werden, um alle noch möglichen Energiereserven zu nutzen und im Finale des Rennens ein Maximum der Leistung erbringen zu können. Grundsätze der Ernährung im Training Die Ernährung sollte kohlenhydratreich sein, ihr Gehalt sollte 70 % aber nicht überschreiten. Anderenfalls besteht die Gefahr eines Mangels an essentiellen Fett- und Aminosäuren und an fettlöslichen Vitaminen. Vor dem Training keine größeren Mengen kurzkettiger Kohlenhydrate (Zuckerwaren, Honig …) essen. Die letzte größere Mahlzeit sollte 3–4 Stunden vor dem Training erfolgen. Die Mountainbike-Strecke sollte auf keinen Fall nüchtern angegangen werden, unterwegs sollten Müsliriegel parat gehalten werden. Bei abendlichem Training sollte trotz Müdigkeit danach noch etwas gegessen werden, um die Kohlenhydratspeicher wieder aufzufüllen. Dabei leichte, KH-haltige Speisen bevorzugen (viele Sportler lieben hier Nudeln in gekochter Milch, leicht süß). Wich-

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tig ist auch, dass man nicht direkt nach der Mahlzeit ins Bett geht, weil der Körper bei geringer Belastung bevorzugt die muskulären Glykogenspeicher wieder füllt und nicht die aufgenommene Energie in Fettspeichern einlagert. Ernährung in der Superkompensations- und Vorwettkampfphase Die Dauerleistung limitierende Größe sind die Glykogenspeicher, die durch geeignete Superkompensation verdoppelt werden können. Aufgrund individueller Reaktionen der Sportler kann eine detaillierte, allgemein gültige Regel zur Optimierung der Glykogenspeicher nicht gegeben werden, sodass es dem Ausdauersportler nicht erspart bleibt, eigene Erfahrungen zu sammeln. Grundsätzlich gilt jedoch Folgendes: Ein optimales Auffüllen der Glykogenspeicher ist bei ausreichender KH-Zufuhr nur möglich, wenn gleichzeitig auch ausreichend Kalium, Flüssigkeit und Vitamin B1 zugeführt wird. Jedes optimale Auffüllen der Glykogenspeicher beginnt mit einer maximalen Entleerung durch erschöpfende Trainingseinheiten einige Tage vor dem Wettkampf. Für die meisten Sportler sind hierfür kurze Trainingseinheiten auf hohem Belastungsniveau besonders geeignet. In der Ernährung wird sodann der KHAnteil weiter erhöht („Pasta-Party“). Diese Phase dauert 3–4 Tage und mündet in den Wettkampf. Eine andere Möglichkeit ist es, die Trainingsintensität langsam zu senken und die Kohlenhydratzufuhr langsam zu steigern. Auf diese Weise kommt man nicht aus dem Trainingsrhythmus und riskiert auch keine MagenDarm-Probleme. Da die meisten Mountainbike-Marathons morgens früh starten, beschränkt sich das Frühstück auf leichte, gut bekömmliche Kost. Faserreiche Lebensmittel oder Hülsenfrüchte sollten 1–2 Tage vor dem Rennen gemieden werden. Auf diese sowie auf Vollwertprodukte sollte man im Sinne einer ausgewogenen Ernährung ca. 1–2 Wochen vor dem Rennen besonderen Wert legen. Ernährung während eines Mountainbike-Marathons Die zuvor aufgefüllten Glykogenspeicher reichen nicht aus, um über mehrere Stunden höhere Ausdauerleistungen zu vollbringen. Von Anbeginn an sollten also regelmäßig KH aufgenommen werden. Ein Zuviel ist dabei eher leistungsmindernd (maximal 60 g KH/Std.), Gleiches gilt für unregelmäßige Aufnahme größerer KH-Mengen. Während der Belastungsphase sollte die Nahrung völlig fett- und eiweißfrei sein (lange Magenverweildauer!). Die Flüssigkeitsaufnahme von üblicherweise 1/2 l/Std. reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken (bis 3 l/Std.). Die Getränke sollten nicht kälter als 25 °C sein, da kalte Speisen und Getränke eine längere Verweildauer im Magen haben, die Flüssigkeitsabsorption wäre somit verzögert. Das „Erlernen“ richtigen, regelmäßi-

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gen und ausreichenden Trinkens ist also bereits ein wesentlicher Aspekt des Trainings. Auch nach dieser Lernphase sollte man jedoch immer Kohlenhydrate mitführen, um notfalls einem „Hungerast“ entgegenwirken zu können. Am besten probiert man rechtzeitig aus, womit man persönlich am besten zurecht kommt, denn ein allgemein gültiges Patentrezept gibt es nicht: Kurzkettige Kohlenhydratgels, mittelkettige Maltodextrin-Riegel, langkettige Müsliriegel, Brot oder auch Bananen stehen zur engeren Wahl. Ernährung nach dem Mountainbike-Marathon Zu unterscheiden sind hier grundsätzlich zwei Phasen: die frühe und die späte Regenerationsphase. In ersterer (Dauer: einige Stunden bis 1 Tag) werden der Flüssigkeits-, Kohlenhydrat- und Salzhaushalt wieder normalisiert und die Speicher bilanziert. In letzterer (Dauer: einige Tage) wird durch leichtes Training die Regeneration vor allem der Muskulatur verkürzt. Direkt nach der Belastung werden sinnvollerweise 1/2 l Fruchtsaft oder andere KH-haltige Getränke getrunken. Die Insulinanflutung ist in diesem Falle sogar erwünscht, denn es wird zur optimalen Aufnahme der Glukose in die Muskelzelle benötigt. Sobald man wieder Hunger verspürt, wird eine KH-reiche Mahlzeit nachgelegt (Kalium und ausreichend Flüssigkeit nicht vergessen, s. o.!). Die Flüssigkeitsbilanz lässt sich leicht anhand der Differenz des Körpergewichtes vor und nach der Belastung abschätzen. Dabei kann man davon ausgehen, dass die Flüssigkeitsresorption nie 100 % erreicht. Als Mehrbedarf über die physiologische tägliche Flüssigkeitsaufnahme von 2 l hinaus kann die Gewichtsdifferenz zzgl. etwa 30 % angenommen werden. Dies sollte in kleineren Portionen, dafür regelmäßig zugeführt werden. Eiweiß wird erst 6–36 Stunden nach der Belastung vermehrt benötigt. In dieser Phase, die sich abhängig vom Ausmaß der Belastung sogar über mehrere Wochen erstrecken kann, erfolgt die Muskelregeneration. Milch ist aufgrund ihrer Zusammensetzung ein guter Eiweißträger und stellt dem Körper darüber hinaus auch noch recht große Mengen an Kalzium zur Verfügung. Auch in dieser Phase sollte die biologische Wertigkeit der Nahrungseiweiße beachtet werden, damit der Körper mit möglichst wenig Substanz möglichst viele Strukturen optimal regenerieren kann. Training für den leistungsorientierten Mountainbike-Marathon Bei Anfängern und Freizeitfahrern reicht ein allgemeines Ausdauertraining völlig aus. Dabei sollte auf Regelmäßigkeit das ganze Jahr über geachtet werden und die Leistung nicht zu schnell gesteigert werden. Als Faustformel für die Vermeidung von Überlastungsschäden hat sich bewährt, dass man keinesfalls mehr als das Doppelte der Jahreskilometer des Vorjahres fahren sollte.

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Höheres Leistungsniveau ist auch für engagierte Freizeitsportler nur zu erreichen, wenn das Training als Ganzjahrestraining mit Trainingsperioden konzipiert ist. Dabei ist die Periodisierung beim Mountainbike-Marathon leichter als bei manchen anderen Sportarten, denn wetterbedingt handelt es sich um eine Sommersportart mit nur einer Leistungsphase pro Jahr. Die Jahresperiode beginnt im Frühjahr mit einer 6–9-wöchigen ersten Vorbereitungsphase (VP 1), in der hauptsächlich die Grundlagenausdauer trainiert wird (Tabelle 5). Die Intensität bleibt relativ gering, die Trainingsdauer steigert sich jedoch erheblich. In den folgenden Vorbereitungsphasen 2 und 3, 6–9 bzw. 4–6 Wochen lang, wird die Trainingsdauer nur wenig gesenkt, dafür die Intensität aber wesentlich gesteigert. In VP 3 werden zunehmend Wettkampfsituationen in das Training integriert. In der Wettkampfphase (WP) ist aus organisatorischen Gründen damit zu rechnen, dass die Maximalleistung am Wochenende erbracht werden muss. Während der Woche werden erholsame Regenerationsfahrten durchgeführt. Letztere kann man auch dazu nutzen, sich unbekannte Strecken geplanter Rennen anzusehen. Nur dann ist man zu optimaler Einteilung der Leistung in der Lage. Ggf. können dann auch streckenspezifische Trainingseinheiten eingebaut werden, um persönliche Schwächen bei komplexen Streckenanforderungen zu mildern. Nach der Wettkampfperiode (Übergangsphase, ÜP) sollte darauf geachtet werden, dass ein Teil der Leistung durch lockeres Crosstraining erhalten bleibt. Streckenkenntnis ist ein extrem wertvoller Planungsparameter bereits in der Vorbereitungsphase. Neben dem Streckenprofil als wesentlicher Parameter zur Einteilung der Leistung erhält man so frühzeitig weitere Informationen wie beispielsweise über die am Renntag sinnvolle Kleidung. Es können sich auch Konsequenzen für das Techniktraining ergeben, beispielsweise für Tragetechniken in steilen verblockten Single-Trails oder Wurzelpassagen. Derartige Trainingseinheiten sind integraler Bestandteil der VP 3, sie können auch schon nachrangiger Bestandteil in der VP 2 sein. Für ambitionierte Anfänger sei an dieser Stelle jedoch betont, dass diese Trainingseinheiten erst dann in Frage kommen, wenn alle grundlegenden Fahrstile sicher beherrscht werden und eine solide Grundlagenausdauer erreicht worden ist. In 100 ml durchschnittlich enthalten

Schweiß

Apfelsaft

Mineral-wasser

Elektrolytgetränk

Limonade/ Coca-Cola

Natrium (mg) Kalium (mg) Kalzium (mg) Magnesium (mg) Vitamin C (mg)

120 30 16 3,6 5

3 214 9 5,5 10,5

123 2,2 2,8 1,7 0

88 160 16 8 0

0 0 0 0 0

Tabelle 4: Gehalt an Mineralstoffen und Vitamin C (3)

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Dauer Trainingsbereiche

Trainingsarten

VP 1

VP 2

VP 3

WP

ÜP

6–9 Wo.

6–9 Wo.

4–6 Wo.

19–23 Wo.

3–6 Wo.

GA 1

GA 1+2

KO

KO

KO

(GA 2)

KA

GA 1+2

GA 1+2

GA 1

ST

KA

KA

(WSA)

ST

ST

WSA

WSA

MTB

MTB

MTB

MTB

(Rennrad) Cross-Training Hallentraining Fitnessstudio Techniktraining Sportspiele

Rennrad Cross-Training Hallentraining Fitnessstudio Kraftraum Techniktraining Sportspiele

Rennrad Cross-Training (Hallentraining) Fitnessstudio Kraftraum Techniktraining

Rennrad Cross-Train. (als Ausgleichstr.) Fitnessstudio Kraftraum Techniktraining

alles, was Spaß macht

Stretching Ausgleichszirkel

Stretching Ausgleichszirkel

Stretching Ausgleichszirkel

Stretching Ausgleichszirkel

Stretching

Methoden

Dauermethoden

Dauermethoden Intervallmeth. Wiederholungsmethode (Wettkampfmethode)

Dauermethoden Intervallmeth. Wiederholungsmethode Wettkampfmethode

Dauermethoden Intervallmeth. Wiederholungsmethode Wettkampfmethode

Dauermethoden

Ziele

Allgemeine Leistungsgrundlagen

Allgemeine und spezielle Leistungsgrundlagen

Allgemeine und spezielle Leistungsgrundlagen, Ausprägung der Wettkampfform

Ausprägung und Stabilisierung der Wettkampfform, spezielle Leistungsgrundlagen

Regeneration, psychischer Abstand

Fehler

Zu große Umfänge, zu große Intensität, zu monotones Training

Zu große Intensität, zu kurze Regeneration, fehlendes Krafttraining, zu monotones Training

Fehlendes Krafttraining, zu kurze Regeneration, keine Periodisierung, zu monotones Training

Zu geringe Umfänge, zu kurze Regeneration, falsche Rennauswahl, zu monotones Training

Absolute Trainingspause, reines Radtraining, zu hohe Intensität

Crosstraining Sportspiele

Tabelle 5: Jahrestraining für leistungsorientierte Mountainbike-Marathons (4) KO: Kompensationstraining (Regenerationstraining mit einem Puls von etwa 120/Min.) GA 1: Grundlagenausdauer 1 (<2,5 mmol/ml Laktat, Puls ca. 115–140/Min.) GA 2: Grundlagenausdauer 2 (3–6 mmol/ml Laktat, Puls ca. 140–175/Min.) WSA: Wettkampfspezifische Ausdauer (>5 mmol/ml Laktat, Puls 170–185/Min.) KA: Kraftausdauer (3–5 mmol/ml Laktat, Puls 145–175/Min.) ST: Schnellkrafttraining (>6 mmol/ml Laktat, Puls >175/Min.) SK: Schnellkraft/Sprinttraining

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L I T E R AT U R (1)

Bean A. and Wellington P.: Sporternährung für Frauen, . 1996, BLV Verlagsgesellschaft: München. p. 18.

(2)

Kasper H. and Wild M.: Ernährungsmedizin und Diätetik. 2000, München: Urban & Fischer-Verlag.

(3)

Konopka P.: Sporternährung. 2003, München: BLV Verlagsgesellschaft.

(4)

Schmidt A.: Mountainbiketraining. 1998, Aachen: Meyer & Meyer.

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G e o r g H o f f m a n n , E g o n H u m p e l e r, S v e n G r e i e , D i e t m a r F r i e s , M a r k u s M i t t e r m a y r, B e a t r i x S c h o b e r s b e r g e r, Wo l f g a n g S c h o b e r s b e r g e r

Das metabolische Syndrom: Einflüsse des Immunsystems, der Höhe und der körperlichen Aktivität The metabolic syndrome: Influence of the immune system, hypoxia and physical activity S U M M A RY Recent evidence suggests that the cluster of risk factors summarized as metabolic syndrome is associated with an activation of the innate imune system. Moreover, pro-inflammatory cytokines like tumor necrosis factor- released from adipocytes and/or skeletal muscle may trigger insulin insensitivity and may thus represent one pathogenetic mechanism underlying the metabolic syndrome. Within this context, one may speculate that patients with metabolic syndrome should avoid any further stimuli of the innate immune system, including physical exercise and/or residence at altitude. As participants of the AMAS 2000-study, 22 patients with metabolic syndrome were subjected to moderate physical exercise (mountain hiking) while staying at moderate altitude (1.700 m above sea-level). Due to these controlled conditions, it was possible to evaluate whether the immune system of these patients was affected by hypoxia as well as exercise. Since there is no evidence of immune activation, exposure to moderate altitude has no disadvantageous effects on persons with metabolic syndrome. Keywords: metabolic syndrome, hypoxia, moderate altitude, inflammatory markers.

Z U S A M M E N FA S S U N G Eine Reihe von Hinweisen spricht dafür, dass der Zustand des metabolischen Syndroms mit einer Aktivierung des unspezifischen Immunsystems assoziiert ist, die einer Akut-Phase-Reaktion vergleichbar ist. Dabei können aus Fett- oder Skeletmuskelgewebe freigesetzte pro-inflammatorische Wirkstoffe wie z. B. der

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Tumor-Nekrose-Faktor- sogar als Mitverursacher der Insulinresistenz und somit als pathogenetischer Mechanismus hinter dem metabolischen Syndrom verstanden werden. Patienten mit metabolischem Syndrom müsste demnach von allen Aktivitäten abgeraten werden, die eine zusätzliche Aktivierung des Immunsystems bedingen würden, darunter auch sportliche Betätigung und/oder Höhenaufenthalte. Im Rahmen der AMAS-2000-Studie verbrachten 22 Patienten mit metabolischem Syndrom einen dreiwöchigen Wanderurlaub in moderater Höhe (1.700 m über Meeresspiegel). Unter diesen kontrollierten Bedingungen war es möglich, die Auswirkungen sowohl einer Hypoxie als auch körperlicher Belastung auf das Immunsystem dieser Patienten zu erfassen und zu bewerten. Da wir bei unseren Messungen keinen Hinweis für eine Immunaktivierung während des Wanderurlaubes fanden, hat ein mehrwöchiger Wanderurlaub seitens des Immunsystems keine negativen Auswirkungen auf Urlauber mit metabolischem Syndrom. Schlüsselwörter: metabolisches Syndrom, Hypoxie, mittlere Höhe, inflammatorische Marker.

1. Definition des metabolischen Syndroms Das metabolische Syndrom kann als ein Cluster verstanden werden, der sich aus Hypertonie, Hyperinsulinämie mit Insulinresistenz, Hyperlipidämie und Adipositas zusammensetzt. Patienten mit metabolischem Syndrom weisen ein extrem erhöhtes Risiko auf, an koronarer Herzkrankheit zu erkranken bzw. an den damit verbundenen Komplikationen zu sterben (Reaven, 1995; Sprecher und Pearce, 2000; Wilson et al.,1999). Die pathogenetische Basis des metabolischen Syndroms ist noch immer weitestgehend unklar. Reaven (Reaven, 1988) vermutete, dass die Insulinresistenz (per se ein multifaktorielles Geschehen) initial an der Ausprägung des metabolischen Syndroms beteiligt sein könnte. Die daraus entwickelte Hyperinsulinämie führt über eine Stimulation des sympathischen Nervensystems zu einer vermehrten Natriumreabsorption im proximalen Nierentubulus. Dies hätte wiederum einen Volumenhochdruck zur Folge. Parallel entwickelt sich eine Hyperlipidämie, bedingt durch die Insulinabhängigkeit der Lipoproteinlipase, deren Aktivität bei Insulinresistenz zwangsläufig erniedrigt ist (Semenkovich und Heinecke, 1997).

2. Ein immunologischer Teufelskreis? Eine Reihe von Studien weist auf eine chronisch erhöhte Aktivität des unspezifischen Immunsystems bei Patienten mit metabolischem Syndrom hin. So finden sich signifikante Korrelationen zwischen Immunmarkern und dem Body-

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Mass-Index (BMI) oder der Plasma-Triglyzerid-Konzentration. Zudem besteht eine Korrelation zwischen der Konzentration an C-reaktivem Protein und der Anzahl der Risikofaktoren im Cluster des metabolischen Syndroms (Festa et al., 2000). In der Tat sind Adipozyten, v. a. solche aus viszeralem Fettgewebe, zur Produktion pro-inflammatorischer Agonisten wie Leptin, Tumor-NekroseFaktor- (TNF- ), Interleukin-6 (IL-6) oder PAI-1 in der Lage (Funahashi et al., 1999; Hotamisligil et al., 1999; Mohamed-Ali, 1997; Morange et al., 1999). Die meisten dieser Verbindungen haben eine bzw. mehrere Funktionen bei der Akut-Phase-Reaktion auf einen infektiösen Reiz hin. Dazu zählen u. a. eine Stimulation der Freisetzung von Nährstoffen aus körpereigenen Geweben sowie eine Stimulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse mit konsekutiv erhöhter Sekretion an Katecholaminen. Diese katabole Stoffwechsellage geht einher mit Insulin-Insensitivität. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Frage ist: Reflektieren die pro-inflammatorischen Marker den Zustand des metabolischen Syndroms oder ist das metabolische Syndrom eine Folge der erhöhten Immunaktivität? Eine Reihe von Hinweisen spricht zumindest für eine Rolle des TNF- bei der Ausbildung einer Insulinresistenz bei Übergewicht. TNF- wird im Fett- und Skeletmuskelgewebe Übergewichtiger verstärkt exprimiert (Fernandez-Rial und Ricart, 1999; Hotamisligil et al., 1993). Dies kann als „Bestreben“ des Fettgewebes interpretiert werden, zur Wahrung der Homöostase eine katabole Stoffwechsellage zu induzieren. Problematisch ist jedoch, dass TNF- im Zellkultur- und im Tierexperiment als Blocker der Insulinwirkung beschrieben wurde. Die Insulinresistenz soll dabei vermittelt werden durch eine TNF- -abhängige Phosphorilierung des Insulin-Rezeptor-Substrats 1, was zu einer Hemmung des Insulinrezeptors führt (Hotamisligil et al., 1994, 1996). Insulin wiederum ist bekannt als hemmender Modulator der Zytokinproduktion und -wirkung (Campos und Bauman, 1992; Melidonis et al., 2000). Eine mgl. Kausalkette des metabolischen Syndroms wäre also: zu Beginn steht eine Aktivierung des unspezifischen Immunsystems (z. B. durch Infektionen, bereits bestehendes Übergewicht, körperliche Belastung, genetische Einflüsse etc.) mit der Freisetzung von Agonisten, die als basale Mechanismen der Insulinresistenz angesehen werden können. Die damit fehlende regulierende Wirkung des Insulins auf diese Agonisten führt bei fortbestehender Grundreizung (z. B. Adipositas) zu einer persistenten Aktivierung des Systems und zur Aufrechterhaltung des metabolischen Syndroms.

3. Weitere Einflussgrößen auf das Immunsystem: Sport und Hypoxie Geht man von einer Beteiligung des angeborenen Immunsystems an der Pathogenese des metabolischen Syndroms aus, sind die entsprechenden Patienten

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umso gefährdeter, je mehr weitere Stressoren vorliegen, die eine Aktivierung dieses Systems auslösen. Dabei muss es sich nicht um klinisch-physikalische Reize wie z. B. schwere Verbrennungen, postoperative Zustände oder Infektionen handeln. Auch im weitesten Sinne als physiologisch betrachtete Einflussfaktoren wie sportliche Betätigung sind mit einer Aktivierung des Immunsystems assoziiert. Eine Zytokinantwort nach körperlicher Belastung wurde bereits 1983 postuliert, als Cannon und Kluger eine pyrogene Verbindung in menschlichem Plasma nach sportlicher Betätigung nachweisen konnten (Cannon und Kluger, 1983). Die im Weiteren erhobenen Befunde weisen eine große Variabilität hinsichtlich der Art des Immunmarkers oder seines zeitlichen Verlaufs während bzw. nach der körperlichen Belastung auf (Tabelle 1). Dafür kann es verschiedene Erklärungen geben: a) Die Art der physischen Belastung bestimmt die Ausprägung der Akut-Phase-Reaktion. Erhöhte Zytokinkonzentrationen finden sich häufig im Verlauf exzentrischer, weniger bei konzentrischer Belastung. b) Das Ausmaß des Konzentrationsanstiegs ist bei Ausdauerbelastung entsprechend deutlicher als nach körperlicher Belastung. c) Je schlechter der Trainingszustand des Athleten, desto empfindlicher reagiert das System. d) Technische Probleme bei der Bestimmung einzelner Zytokine (z. B. Sensitivität und Spezifität des verwendeten Assays) müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Zusammenfassend finden sich erhöhte Zytokinlevel nach exzentrischer Ausdauerbelastung, dies wird ausgeglichen durch einen konsekutiven Anstieg modulierender (Interleukin-1-Rezeptorantagonist, lösliche TNF-Rezeptoren) und anti-inflammatorischer (Interleukin-4, Interleukin-10) Agonisten v. a. nach der Belastungsphase. Da die mechanische Belastung des Muskels lokal begrenzt ist, muss nicht zwangsläufig eine systemisch messbare Akut-Phase-Reaktion vorliegen. Ein weiterer physkalischer Stimulus des Immunsystems, der nicht zwangsläufig mit pathophysiologischen Zuständen assoziiert sein muss, ist die Hypoxie. Beobachtungen von Klokker et al. (1993) zufolge ist ein hypoxischer Reiz (Dekompressionskammer, 380 torr, 20 min.) mit einem Anstieg der Lymphozyten- und Neutrophilenzahl verbunden, der mit entsprechenden Veränderungen bei sportlicher Belastung vergleichbar ist. In einer Folgestudie zeigte die gleiche Arbeitsgruppe (Klokker et al., 1995), dass der kombinierte Reiz aus körperlicher Betätigung unter Hypoxie einen additiven Effekt auf die untersuchten Zellen hatte. Ähnliches könnte man auch in Bezug auf pro-inflammatorische Marker vermuten. Über den Effekt der Hypoxie auf die Zytokinfreisetzung liegen unseres Wissens nur sehr wenige In-vivo-Studien vor. Eine akute Hypoxie (4 Stunden Dauer) war mit einen Anstieg der IL-6-Plasmakonzentration unter Ruhebedingungen verbunden, der auch nach längerer Anpassungszeit persistent blieb (Mazzeo et al., 2001). Dieser Befund konnte allerdings in anderen Studien

238


Tabelle 1: Auswirkung ermüdender sportlicher Belastung auf das Plasmaprofil ausgewählter inflammatorischer Marker Art der Belastung

Während

Bergsteigen Radfahren Langstreckenlauf

Erhöht Normal Normal

Nach Neopterin Erhöht Normal Erhöht

Radmarathon Swiss-AlpineMarathon

Erhöht Erhöht

Normal Normal

Radfahren Radfahren Langstreckenlauf Marathon Marathon Radmarathon Swiss-AlpineMarathon

Normal Normal Erhöht n. g. n. g. Normal Erhöht

Radfahren Radfahren Fahrradergometrie Langstreckenlauf Marathon Radmarathon

Normal Normal Erhöht Erhöht Erhöht Erhöht

Radfahren Radfahren Marathon Marathon

Normal Erhöht n. g. Erhöht

Interleukin-1 Normal n. g. n. g. Normal Normal Normal Interleukin-6 Normal n. g. Erhöht n. g.

Marathon Radmarathon Swiss-AlpineMarathon

Normal Erhöht Erhöht

Erhöht Normal Normal

Marathon Marathon Marathon Swiss-AlpineMarathon Bergsteigen Marathon Swiss-AlpineMarathon

Tumor-Nekrose-Faktor- Normal n. g. Normal Erniedrigt Erhöht Normal Normal

Interleukin-1-Rezeptorantagonist n. g. Erhöht Erhöht Erhöht n. g. Erhöht Erhöht Normal

Erhöht n. g. Erhöht

Löslicher TNF-Rezeptor Normal Erhöht Erhöht

n. g. = nicht gemessen

239

Literatur Tilz et al., 1993 Smith et al., 1992 Dufaux und Order, 1989 Deetjen et al., 1997 Schobersberger et al., 2000 Smith et al., 1992 Ullum et al., 1995 Espersen et al., 1992 Drenth et al., 1995 Ostrowski et al., 1999 Deetjen et al., 1997 Schobersberger et al., 2000 Smith et al., 1992 Ullum et al., 1995 Cannon et al., 1986 Evans et al., 1986 Ostrowski et al., 1998 Deetjen et al., 1997 Smith et al., 1992 Ullum et al., 1995 Drenth et al., 1995 Northoff und Berg, 1991 Ostrowski et al., 1998 Deetjen et al., 1997 Schobersberger et al., 2000 Drenth et al., 1995 Ostrowski et al., 1998 Ostrowski et al., 1999 Schobersberger et al., 2000 Tilz et al., 1993 Ostrowski et al., 1999 Schobersberger et al., 2000


nicht einhellig bestätigt werden. Hartmann et al. fanden einen nur vorübergehenden IL-6-Konzentrationsanstieg nach 30-stündiger Höhenexposition, der nach 42 Stunden nicht mehr gemessen werden konnte. Eine nur geringfügige Veränderung der Serum-IL-6-Werte nach 4-tägigem Höhenaufenthalt wird von Klausen und Mitarbeitern berichtet (1997), während Pavlicek et al. (2000) trotz 4.000 m Höhe über 2 Tage keine erhöhten IL-6-Konzentrationen feststellen konnten. In einer der oben erwähnten Studien (Mazzeo et al., 2001) wurde auch der Effekt einer Kombination aus körperlicher Belastung und Hypoxie auf das IL6-Verhalten untersucht. Dabei wurde ein Belastungsprofil gewählt, bei dem ein einzelner der beiden Reize noch keinen Effekt auf das Zytokin ausübt. In Kombination zeigte sich ein Anstieg der IL-6-Plasmakonzentration. Ungeachtet der möglicherweise differenten Mechanismen, über die während körperlicher Belastung und während Hypoxie ein Anstieg des IL-6 realisiert wird, sprechen diese Befunde für eine kombinierte Stimulation der Zytokinfreisetzung als Antwort auf beide Reize.

4. Befunde der AMAS-2000-Studie Neuesten Erhebungen zufolge verbringen jedes Jahr ca. 40 Mill. Touristen ihren Urlaub in den Alpen (Humpeler und Schobersberger, 2000). Leichte bis mittelschwere körperliche (sportliche) Betätigung wie z. B. Radfahren, Wandern oder Bergsteigen gehört dabei zum touristischen Alltag. Geht man davon aus, dass ca. 20–30 % der Bevölkerung mittleren Alters in Industrienationen vom metabolischen Syndrom betroffen sind (Kalff et al., 1999), könnte man bei einer sehr großen Zahl dieser Touristen postulieren, dass sie sich bei der Wahl ihres Ferienorts sowie ihrer sportlichen Aktivitäten einem erhöhten Risiko aussetzen: Das bei der vorliegenden Erkrankung grundsätzlich aktivierte Immunsystem erfährt eine zusätzliche Stimulation durch Höhenaufenthalt und durch sportliche Leistung. Bezugnehmend auf die oben erläuterten pathogenetischen Mechanismen würde dies wiederum zu einer Verschlechterung des metabolischen Zustands führen. Im Rahmen des urlaubsmedizinischen Forschungsprojektes AMAS 2000 wurde untersucht, ob bei Patienten mit metabolischem Syndrom tatsächlich eine Stimulation des Immunsystems auf Zytokinebene festgestellt werden kann, wenn sich diese über 3 Wochen in mittleren Höhen aufhalten und dabei einer definierten sportlichen Betätigung nachgehen. 22 männliche Probanden (Alter: 56,6 ± 6,0 Jahre; Größe: 173,5 ± 6,8 cm; Gewicht: 96,2 ± 17,3 kg; BMI: 31,7 ± 5,3) wurden nach Darstellung der Studie in einer lokalen Tageszeitung, telefonischen Vorgesprächen und einer Basisuntersuchung zur vorliegenden Studie eingeladen. Die Probanden erfüllten alle das Kriterium des metabolischen Syndroms (arterielle Hypertonie, Dia-

240


betes mellitus, Adipositas, Hyperlipidämie und/oder koronare Herzkrankheit). 4 der Studienteilnehmer wurden mit oralen Antidiabetika behandelt, 9 mit Antihypertensiva (6 mit ACE-Hemmern, 3 mit -Blockern), 9 nahmen Aspirin, 6 Allopurinol und 9 Probanden erhielten Statine. 2 Wochen vor dem Höhenaufenthalt erfolgte eine Basisuntersuchung in Innsbruck (600 m über Meeresspiegel) inkl. symptomlimitierter Fahrradergometerbelastung im Sitzen (25 W, 2 min, Ergoline, BRD). Alle Studienteilnehmer verbrachten einen 3-wöchigen Wanderurlaub (4–5 Wanderungen/Woche über jeweils 3–5 h) in einer Höhe von 1.500 bis 2.500 m über Meeresspiegel (Schlafhöhe 1.700 m, Lech, Österreich). Die Erfassung der interessierenden Laborwerte erfolgte an den Tagen 1, 4, 9 und 19 des Höhenaufenthalts. Abschließende Untersuchungen fanden 1 und 6 Wochen nach Rücktransfer nach Innsbruck statt. Die Blutentnahme zur Untersuchung der Serumparameter fand jeweils nüchtern zwischen 8.00 und 9.00 Uhr morgens statt. Das Blut wurde ungestaut einer antecubitalen Vene entnommen. Die Bestimmung der Immunparameter TNF- , sTNF-R75, IL-6 (R & D Systems, Minneapolis, USA) und Neopterin (BRAHMS Diagnostica, Berlin, Germany) erfolgte per ELISA-Verfahren. Die zeitabhängige Auswertung der Daten erfolgte mit dem Manova-Test, gefolgt von einem Wilcoxon-Test für ungepaarte Beobachtungen. Ein P-Wert < 0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen. Die Angabe der Werte erfolgt als Median mit der 25. und 75. Perzentile.

Neopterin: ng/ml - TNF-D: pg/ml

50

TNF-D

25 10.0

Neopterin

*

*

7.5

*

5.0 2.5 0.0 V

H1

H2

H3

Abb. 1

241

H4

N1

N2


sTNF-R75: ng/ml - IL-6: pg/ml

15

Interleukin-6

10 5

2 sTNF-R75

*

1

0 V

H1

H2

H3

H4

N1

N2

Abb. 2 Die Ergebnisse sind in den Abbildungen 1 und 2 zusammengefasst. Die Serumneopterinkonzentration war an den Tagen 4 und 19 des Höhenaufenthalts signifikant erhöht im Vergleich zu den Innsbrucker Basiswerten. Im Unterschied dazu waren die 1 Woche nach Rückkehr gemessenen Werte signifikant niedriger als die basalen Konzentrationen. Die Serum-TNF- -Konzentrationen blieben über den gesamten Studienverlauf unverändert. Einen signifikanten Anstieg im Vergleich zur Erstmessung in Innsbruck zeigte der sTNF-R75-Wert an Tag 9 des Höhenaufenthalts. Ansonsten blieb sTNF-R75 unverändert. Gleiches gilt für IL-6 über den gesamten Studienverlauf. Wie soll man diese Daten interpretieren? Im Rahmen des Forschungsprojektes AMAS 2000 konnte gezeigt werden, dass der Aufenthalt in moderater Höhe in Kombination mit kontrolliertem Bergwandern eine Vielzahl metabolischer und kardiovaskulärer Parameter bei Patienten mit metabolischem Syndrom beeinflusst. Dabei stehen für den Patienten vorteilhafte Effekte (z. B. Reduktion des Körpergewichts, des Blutdrucks, der Herzfrequenz sowie eine Verbesserung der Glukosetoleranz) im Vordergrund (Jahrbuch 2000: Lechleitner et 2l., 2000; Schmid et al., 2000; Gunga et al., 2000; Fries et al., 2000; Riedmann et al., 2000; Gunga et al., 2003; Schobersberger et al., 2003). Von den vorliegenden Parametern zeigt sich ausschließlich bei Neopterin ein Anstieg während des Höhenaufenthalts. Neopterin wird aus IFN- -stimulierten Makrophagen freigesetzt und ist ein akzeptierter Marker eines aktivierten zellulären Immunsystems. Dar-

242


über hinaus existieren zahlreiche Hinweise, die Neopterin auch als Mediator des Immunsystems verstehen lassen, der in seiner Wirkung pro-inflammatorischen Zytokinen wie TNF- vergleichbar ist (Hoffmann et al., 2003). Der Anstieg des Serumneopterins, wie er in der vorliegenden Studie gezeigt wurde, könnte demnach als Beleg für eine zusätzliche Aktivierung des Immunsystems infolge des Höhenaufenthalts gewertet werden. Einen ähnlichen Befund liefert eine Studie von Tilz et al. (1993), die einen vorübergehenden Anstieg des Serumneopterins bei (allerdings gesunden) Teilnehmern einer alpinen Bergtour (bis 2.350 m über Meeresspiegel) nachweisen konnten. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die im Einzelnen gefundenen Veränderungen der Neopterinwerte sowohl in der Studie von Tilz und Mitarbeitern als auch in unserer eigenen Untersuchung in ihrem Ausmaß nicht dem entsprachen, was bei Patienten mit infektiösen Erkrankungen gemessen werden kann. Zudem lagen alle erhobenen Daten unter einem Wert von 10 ng/ml, der als Cut-off-Level zur Differenzierung zwischen Gesunden und Nichtgesunden betrachtet wird. Auch die im Rahmen unserer Studie gemessenen Werte für TNF- , sTNF-R75 und IL-6 liegen im jeweiligen Normbereich. Die Schwankungen, die wir bei Neopterin und sTNF-R75 im Zeitverlauf feststellten, könnten auch auf Fluktuationen des Plasmavolumens zurückzuführen sein, wie sie üblicherweise bei Aufenthalt in Höhen auftreten. Eine Einschränkung in der Aussagefähigkeit der AMAS-Daten liegt in der Tatsache begründet, dass nur die Effekte moderater Höhe und moderater sportlicher Aktivität untersucht wurden. Übermäßige körperliche Anstrengung bleibt gerade bei untrainierten Personen, die ihre eigene Leistungsfähigkeit überschätzen, auch ohne das Vorhandensein eines metabolischen Syndroms ein kritischer Faktor. Ein weiterer Kritikpunkt an den eigenen Daten ist die möglicherweise unzureichende Aussagekraft systemischer Parameter für den Aktivitätsgrad des Immunsystems. Faktisch ist z. B. eine erhöhte Serumkonzentration von TNF- bei Patienten mit metabolischem Syndrom immer noch umstritten (Shepherd und Khan, 1999). Das schließt TNF- aber nicht als wesentlichen Mediator der Insulinresistenz aus, da es nach Bildung und Freisetzung aus Adipozyten und Skeletmuskel als „Lokalmetabolit“ auch auf autokrinem und/oder parakrinem Wege diese Wirkung vermitteln kann. Letztendlich ist die Serumkonzentration von Neopterin oder TNF- vom klinischen Blickwinkel aus gesehen immer noch der Standard zur Bewertung des immunologischen Zustands eines Patienten. Fazit: Aus klinischer Perspektive muss die zusammenfassende Bewertung der AMAS-Daten demnach lauten, dass der Aufenthalt in moderaten Höhen in Verbund mit individuell abgestimmter submaximaler körperlicher Belastung nicht als Akkumulation immunologischer Risikofaktoren für Patienten mit metabolischem Syndrom angesehen werden kann.

243


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DANK AN FÖRDERER CHEMOMEDICA Medizintechnik und Arzneimittel Vertriebsges.m.b.H. DAV SUMMIT CLUB EISELIN SPORT OeAV Österreichischer Alpenverein SCHNELZER & PARTNER Medizin Technik VERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN BERG- UND SCHIFÜHRER

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