B* – Das Businessmagazin der Berliner Volksbank – Ausgabe 3

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funkelnd S. 10 Zwei Schmuckunternehmen, zwei besondere Geschichten: Franziska von Hardenberg und Dirk Holzfuss über Mut, Resilienz und Stil.

neugeboren S. 20 Chefärztin Mandy Mangler macht die Vivantes Klinik für

Gynäkologie und Geburtsmedizin mit Roboter-Technologie fit für die Zukunft.

lebendig S. 26 Zoodirektor Andreas Knierim über artgerechte Tierhaltung und die Bedeutung von Zoos als analoge Erlebnisräume in digitalen Zeiten.

gelassen S. 42 Roland Berger über das »Neue Normal«, den Ausblick auf

die Zeit nach der Pandemie und flexibles Reagieren auf Marktveränderungen.

* das  businessmagazin  der  berliner  volksbank

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Was uns Mut macht. Was uns stärkt. Unternehmertum in besonderen Zeiten.

herbst | winter 2020| 21



EDITORIAL

Zukunft ist eine Entscheidung – für Veränderung Wie sehr sehnen Sie sich nach einem Ende des Ausnahmezustands, den die Corona-Pandemie ausgelöst hat? Woraus schöpfen Sie Energie? Und sammeln Sie schon Ideen für die Zeit danach? Denn sicher ist: Es wird ein Danach geben, auf das wir uns jetzt schon vorbereiten können. Deshalb schauen wir in dieser Ausgabe der B* auf die andere Seite der Krise: Auf das, was Menschen, Unternehmen und Organisationen stabil macht. Was sie gerade lernen und warum manche von ihnen durch eine schnelle Neuausrichtung erfolgreicher sind als zuvor. Da ist der Potsdamer Steuerberater Stephan Knabe. Sein Team kam während des Lockdowns geschlossen ins Büro und versorgte Mandanten täglich mit den wichtigsten Infos. Oder Mandy Mangler, Chefärztin der Gynäkologie. Sie revolutioniert den Krankenhausalltag mit digitalen Methoden, und das zahlt sich jetzt aus. Regelrecht trainiert darin, Unsicherheiten auszuhalten, sind Künstler. »Kreativität macht stabil« – so formuliert es Susanne Schirdewahn. Weiterarbeiten, auch wenn der Sturm fast das Haus einreißt. Davon erzählen sie und zwei weitere Berliner Künstler. Und bei uns? Nur wer sich bewegt, schafft die Voraussetzungen für Stabilität.

Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender

Bestehendes hinterfragen, nach vorn denken, uns verändern – das ist Teil unserer Unternehmenskultur, und das nicht erst seit der Corona-Krise. In diesem permanenten Prozess haben wir zum Beispiel unser Vertriebsnetz modernisiert, Hierarchien abgebaut und flexible Arbeitsmethoden eingeführt. Die Berliner Volksbank ist ein Top-Arbeitgeber für Frauen, junge Talente und erfahrene Fachkräfte. Das alles erhöht unsere Profitabilität – und nur wer profitabel wirtschaftet, kann ein Unternehmen stabil halten und auch stabil durch eine Krise führen. Der Begriff der »neuen Normalität« prägt viele Diskussionen. Er deutet an, dass nach der Pandemie eine Normalität einsetzt, die sich von der zuvor gekannten unterscheidet. Doch wie sieht sie aus? Wo finden Veränderungen statt? Was wird beschleunigt? Und was bedeutet »neue

Normalität« für unser jeweiliges Business? Klar ist: wir können es lenken, der Gestaltungsraum ist derzeit offen wie selten zuvor. Wer es wagt, sich zu verändern, braucht Mut, egal ob man seine Firma neu organisiert oder – für Post-Corona-Zeiten – ganze Wirtschaftsprozesse neu denkt. Nicht Bange machen lassen – das empfehlen Persönlichkeiten, die es wissen, darunter die Berater-Ikone Roland Berger oder die Börsenfachfrau Valerie Haller. Auch sie kommen in der B* ausgiebig zu Wort. Es ist wieder eine tolle Ausgabe geworden. Lassen Sie sich inspirieren. Ihr Carsten Jung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in B* auf eine geschlechtsspezifische Personenbezeichnung verzichtet. Selbstverständlich beziehen sich die Angaben auf alle Geschlechter.

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Inhalt

10 Funkeln und Leuchten Franziska von Hardenberg und Dirk Holzfuss über Schmuck, Stil und echte Werte

20 Mandy Mangler Als Chefärztin mit Instagram und Robotertechnik durch den Klinikalltag

STABILITÄT

6 Frage eins Es wird anders, aber deshalb nicht schlechter, sagen Zukunftsforscher

STABILITÄT IN ZAHLEN

AUF EIN GLAS MIT …

WIRTSCHAFTSREGION

24 Gehalt, Gewicht, Gewinn Was macht Brandenburg und Berlin stabil?

26 Besuch im Zoo Frauke van Bevern im Gespräch mit Zoodirektor Andreas Knieriem

31 Beseelt in Berlin Mit einem Team der BSR-Straßenreiniger auf Frühschicht in Tempelhof

EDITORIAL

3 Carsten Jung über die Notwendigkeit, sich zu verändern, um stabil zu bleiben

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8 Das machen wir jetzt anders Drei Unternehmen nutzen die Krise als Chance

18 Valerie Haller An Aktien führt für die ZDF-Börsenexpertin kein Weg vorbei

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36 Haltung und Bewusstsein Gespräch mit der Chefin der BSR, Stephanie Otto

SZENARIO

46 Kreativ in Berlin Drei Künstler und was sie stabil macht – plus Interview mit IHK-Chefin Beatrice Kramm

KULTOUR

58 Buchstabenmuseum Barbara Dechant und ihre Leidenschaft für Buchstaben in jeder Form

KOLUMNE

64 Stabil ist nicht stabil Holm Friebe über elastische Widerstandskraft ENGAGEMENT

AUSBLICK

KOLUMNE

KULINARIK

AHA-ERLEBNIS

38 Der Regenmacher Steuerberater Stephan Knabe und sein Engagement in Afrika

42 Roland Berger über die wirtschaftlichen Perspektiven nach der Pandemie

54 Stephan Bielmeier Warum viele Unternehmen stabil und robust durch die Krise kommen

55 Villa Kellermann Königsberger Klopse im Salon: Großmutters Rezepte – modern interpretiert

63 Konstruktiv durch Krisen Interview mit Resilienzforscher Thomas Rigotti

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IMPRESSUM

66 EINE SEKUNDE BERLIN

Der letzte Flieger über Tegel

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STA B I L I TÄT

Frage eins

Die Künstlerin Corinne Vionnet sammelt ­Touristenaufnahmen von berühmten Sehenswürdigkeiten und legt sie zu einem Bild übereinander. Aus den multiplen Ansichten entsteht ein unscharfes, verschwommenes Bild des realen Objektes. Bild: Berlin, 2006, Photo Opportunities, 2005 bis heute corinnevionnet.com

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STA B I L I TÄT

Frage eins

Kritischer Zukunftsoptimismus: Was macht uns stabil?

Eigentlich beschäftigt uns alle dieselbe Frage: Wie geht es weiter? Anders, aber deshalb nicht schlechter, sagen Zukunftsforscher. TEXT

Olivia Rost BILD

Corinne Vionnet

Es wird wohl anders, so viel ahnen wir. Zwar flacht die Schockwelle langsam ab, aber noch immer es ist so, als legte sich auf unsere Wirklichkeit eine Art Schablone. Ein Störgefühl wie bei einer nicht mehr passenden Brille. Als wäre alles etwas zur Seite gerückt. Ist das noch unsere Welt, wie wir sie kannten? Es wird anders, aber deshalb nicht schlechter, vermutet Harry Gatterer. Er ist Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, das sich mit Möglichkeiten und Prognosen des Kommenden befasst. Er weiß, dass sich viele Menschen vergewissern wollen, wo sie stehen und wohin sie gehen. Sie stellen Fragen wie: Woran kann ich mich orientieren? Was kann ich als sicher annehmen? Also, was macht mich stabil? Stehenbleiben jedenfalls nicht, ist Harry Gatterer überzeugt. Zwar schwebe noch viel Ungewissheit über der Gesellschaft, unternehmerisch gesehen sei es aber eine der spannendsten Phasen seit Langem, weil man jetzt viel anstoßen und neue Weichen stellen kann. Und sein Kollege Matthias Horx, einflussreichster Trend- und Zukunftsforscher Deutschlands, glaubt an die Veränderungsfähigkeit des Menschen. In seinem Buch ›Nur Mut‹ schreibt er: »Nicht selten waren es in der Vergangenheit Einbrüche, plötzliche Katastrophen und Krisen, die eine

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neue gesellschaftliche Mentalität, einen anderen Mainstream des Denkens freisetzten – und damit ein neues Zukunftsbild schufen.« Wie eine Schocktherapie, in der Heilsames entsteht. Bleibt die Frage, was das Heilsame gerade ist. Zurücktreten und aus der Distanz schauen, welche Möglichkeiten sich einem bieten, meint Gatterer, dessen Aufgabe es ist, Zukunftsoptimismus zu verbreiten. Nicht als Illusion, sondern als begründete Hoffnung. Auch das stabilisiert die Gesellschaft. Er empfiehlt ein »Weg vom reinen Ich-Ich-Ich-Denken hin zu einem Netzwerk und Ökosystem­ denken«. Bedeutet: Unsicherheit aushalten, umdenken, neue Angebote schaffen. Das Wirtschaftssystem resilient machen, ökologische Nachhaltigkeit ganz nach vorn stellen. Mutig sein. In die kleine Lücke, die sich gerade zwischen Stillstand und Weitergehen auftut, passen gute Leitbilder hinein, die die Zukunft beleuchten. Mit diesem Fokus ließe sich die Vorstellung der Welt, in der wir leben wollen, vielleicht wieder schärfen. Denn ein Zurück in Vor-CoronaZeiten ist nicht möglich und würde auch nicht das Gefühl von Stabilität schaffen, das viele gerade vermissen. Der Blick auf ganz andere Möglichkeiten gibt den Weg vor. Der Mut, loszugehen, tut den Rest. ¶

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Das machen wir jetzt anders

Umsatzplus in Corona-Zeiten – was Unternehmen aus der Krise gelernt haben

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Tim Müßle FOTOS

Tim Müßle, Privat

Die Corona-Krise hat viele Unternehmen in Berlin und Brandenburg hart getroffen. Nahezu alle Firmen waren vom Lockdown betroffen, zum Teil mit dramatischen Auswirkungen auf Umsatz und Beschäftigung. Einzelne Betriebe freuen sich allerdings über Umsatzplus oder andere positive Effekte, ausgelöst gerade eben durch die Begleiterscheinungen der Pandemie. Drei Unternehmer erzählen, wie sie die Krise als Chance genutzt haben.

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Marc Sommer

Digitalisierung – sofort »Wir waren eine reine Präsenzakademie«, sagt Marc Sommer, geschäftsführender Gesellschafter der Berliner campus naturalis GmbH, »und ab Februar war es erkennbar, dass es auf den Lockdown hinauslaufen würde. Das bedeutete für uns eine existenzielle Bedrohung.« Die campus naturalis Akademie beschäftigt rund 180 Honorardozenten und 20 Mitarbeiter, bietet an sechs Standorten, unter anderem in Berlin, Hamburg und München, Erwachsenenbildung im Gesundheitsbereich an. Vor Corona funktionierten die Seminare ausschließlich vor Ort, nichts lief digital. »Also haben wir zwei Wochen vor dem Lockdown alle Kurse verschoben und uns eine Woche freigeschafft, um uns mit externen Fachleuten zu beraten«, so Sommer. Das Ergebnis: Digitalisierung. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Sofort. Sonst würde das Unternehmen nicht überleben. »Glücklicherweise haben wir schon früh eine großartige Resonanz der Teilnehmer auf das digitale Angebot bekommen, und mancher Dozent war ebenfalls dankbar für die Schulung. Bereits Ende Juni haben wir mit dem Campus ein Umsatzplus von 20 Prozent verbucht.« Der Erfolg hängt mit mehreren Ideen zusammen. Zum einen hat das Unternehmen in wenigen Tagen eine eindeutige Entscheidung getroffen, die Inhalte

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ab sofort fürs Erste ausschließlich online zu vermitteln. »Wir haben die Dozenten und Mitarbeiter da schnell und konsequent an Bord geholt«, so Sommer. Zum anderen fiel die Entscheidung, die Vermittlung über virtuelle Seminarräume des Anbieters Zoom zu gestalten – was sich im Nachhinein als die richtige Technologie zur richtigen Zeit am richtigen Ort erwies. Mit Online-Schnupperkursen konnte campus naturalis sogar ganz neue Zielgruppen erschließen, und inzwischen findet ein Teil der Kurse auch schon wieder im Präsenzformat vor Ort statt, mit einem entsprechenden Hygienekonzept. »Virtuell ging es erstaunlich gut«, fasst Sommer zusammen, »aber das wussten wir natürlich am Anfang nicht. Es war schon ein Ritt über den Bodensee.« ¶ campusnaturalis.de

Stefan Müller

Zurücktreten und Anlauf nehmen Gerade die Anfangszeit der CoronaKrise und der Lockdown im April waren für den gelernten Kfz-Mechaniker, Betriebswirt und Unternehmer Stefan Müller hart.


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Das machen wir jetzt anders

Erst vor vier Jahren hat er die Endres GmbH & Co. KG in Oranienburg gekauft, einen Mercedes-Händler mit vier Standorten in der Uckermark und im Havelland. Das Unternehmen handelt mit Pkw, Transportern und Lkw. Doch ab Mitte April blieben Kunden aus, Mercedes begab sich in den Lockdown, Fahrzeuge konnten nicht ausgeliefert werden. »Wir haben uns erst mal darauf konzentriert, bis zum Ende des Monats dafür zu sorgen, dass unsere 150 Mitarbeiter zum Monatsanfang ihr Geld bekommen«, beschreibt Müller. Zwar wurden kaum noch Neufahrzeuge ausgeliefert, doch mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept konnte der Werkstattbetrieb weitergehen. Das Unternehmen diskutierte lange über Homeoffice, zum Beispiel für die Mitarbeiter der Buchhaltung. Am Ende entschieden sich die Beschäftigten dagegen – aus Angst, die sozialen Kontakte zu verlieren. Kunden erreichte Müller mehr und mehr per E-Mail, Fahrten zu Filialen unterblieben und wurden durch das Telefon ersetzt. Müller: »So sparen wir Zeit, die für andere Dinge frei wird.« Zum Beispiel für eine tägliche Gesprächsrunde mit den Spartenleitern. Informationen flossen damit schneller, Müller konnte gezielter nachfragen und stellte fest: es fällt ihm zunehmend leichter, zu delegieren. »Durch die CoronaKrise konnte ich mehr über mich selbst und das Unternehmen nachdenken, mich ein bisschen vom Tagesgeschäft entfernen, um mein Wissen und meine Zeit strategisch besser zu investieren.« Gleichzeitig ergaben sich viele Chancen für den Mercedes-Händler, da in der Region andere Händler und Werkstätten überlegen, ihr Geschäft zu verkaufen. »Da können wir über eine Kooperation nachdenken«, so Müller. Aktuell läuft das Geschäft so gut, dass die Endres GmbH voraussichtlich ihren Vorjahresumsatz erreichen wird. ¶ endres-oranienburg.de

Jean Pierre Hartl

Überstunden ohne Ende Auch die Oranienburger Firma Ernol Chemische Produktion GmbH hat ihre strategische Ausrichtung neu überdacht und konnte die Absatzzahlen in der Corona-Krise steigern. Aus einem Dreimannunternehmen wurde so eine Zehnmannorganisation, die zudem in der Massenproduktion von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln einiges dazulernte. Vielleicht sogar in einem Tempo, das für den Inhaber und Geschäftsführer Jean Pierre Hartl etwas überraschend kam: »Auf einmal kamen viele neue Abnehmer dazu, wie Krankenh ä u s e r, P f l e g e h e i m e , A l t e n h e i m e oder Physiotherapeuten. Vor der Krise hatten wir hauptsächlich an Gebäudereiniger verkauft. Eigentlich bin ich als Geschäftsführer ja für ein organisches Wachstum, doch bei uns verlief es explosionsartig. Wir wurden komplett überrollt von Anfragen.« Vor der Krise hatte Ernol

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rund 10.000 Liter Desinfektions- und Reinigungsmittel pro Monat produziert, durch die Pandemie steigerte sich die Verkaufsmenge über die Wochen kontinuierlich auf 21.000 Liter – am Tag. Das macht einen Zuwachs von rund 6.200 Prozent. »Das haben wir geschafft durch Maschinen, Manpower, Mitarbeiterführung und Überstundenklopfen ohne Ende«, fasst Jean Pierre Hartl zusammen. Dabei hatte für Hartl alles mit einer Insolvenz angefangen. 2018 ist die alte Geschäftsführung der Ernol GmbH mit ihrem Latein am Ende, meldet Insolvenz an. Hartl kauft das Unternehmen, investiert sein eigenes Geld und seine Arbeitskraft. Schon früh achtet er darauf, viel zu digitalisieren, stattet seinen Außendienst mit Tablets aus, ermöglicht Online-Bestellungen. Alte Kunden fragen plötzlich nach Zubehör. Toilettenpapier, Mikrofasertücher, Handschuhe, Papierhandtücher. Täglich kommen seit Februar neue Kunden dazu. Hartl und seine Mannschaft arbeiten sieben Tage pro Woche, bestellen neue Maschinen, telefonieren dem Rohmaterial hinterher. Auf dem Höhepunkt der Krise stabilisierte sich alles. Hartl: »Es hat sehr an der Gesundheit und am Familienleben gezehrt, meine Frau und ich haben zwei kleine Kinder, die konnten nicht mehr in den Kindergarten. Die letzten Monate waren eine harte Zeit. Jetzt aber kommt das Privatleben zurück.« ¶ ernol.eu

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Unternehmen im Porträt

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Funkelnde Werte schaffen Zweimal Schmuck. Zwei besondere Geschichten. Zwei Unternehmer, die mit ihrem Geschäft mehr bieten als »Bling-Bling«: Franziska von Hardenberg von »The Siss Bliss« – eine Unternehmerin, die Höhen und Tiefen stark und erfolgreich gemacht haben. Und Dirk Holzfuss von »Rheinfrank – Antique Jewellery«, der auf Kontinuität setzt und den es trotz Kultstatus auf dem Boden hält. TEXT

Olivia Rost FOTOS

Marcel Schwickerath, Zuzu Birkhof

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Unternehmen im Porträt: The Siss Bliss

» Ich habe die Zuversicht, alles erreichen zu können« Franziska von Hardenberg. The Siss Bliss.

Das Kleid ist ein Statement. Grün geblümt mit voluminösen Ärmeln, dazu gelbe hochhackige Pantoletten, rauscht Franziska von Hardenberg durch die Räume ihres Showrooms in Berlin-Mitte. Großes Lachen, herzliche Begrüßung, ein Telefonat, und dann geht es zwei Stunden lang um Gelingen und Scheitern, um Krisen und Stabilität. Am Ende wird Franzi, wie sie von ihren Freunden genannt wird, den Satz sagen: »Man muss sich fragen, ob man sein Leben in starken Amplituden oder lieber flach leben möchte.« Sie hat ihre Entscheidung getroffen. Franziska, 35, ist Schmuckdesignerin, Unternehmerin, Beraterin, Influencerin. Optisch ein Gesamtkunstwerk, persönlich ein Kraftwerk. Eine, die sich nicht unterkriegen lässt, die sich in ihre Projekte hineinwirft und auf diese Weise eine Geschichte kreiert, die Menschen spannend finden. So wie mit The Siss Bliss, einer Marke, über die sie Echtgoldschmuck online verkauft. Ketten, Ringe, Ohrringe und Armbänder, teils personalisiert mit Gravuren, in einer Preisrange zwischen 500 und 5.000 Euro, gefertigt von Meistergoldschmieden in Deutschland. »Alles Love-Pieces, wie ich sie immer tragen wollte, viele davon sind Klassiker – neu interpretiert«, sagt Franzi.

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Im Showroom, in dem rosa Wände und ein oranges Sofa unerschrocken kombiniert sind, zeigt sie uns »Jane«, einen Bandring. »Diese Art Ring gab es schon immer, doch wir haben ihn mit Farben wie Mint, Orange und Blau und leichten Formveränderungen entstaubt.« Ein anderes Erfolgsstück ist »Holly«, ein Ring, bei dem kleine Diamanten zusammengesetzt den Effekt eines großen Steins ergeben, der aber nur ein Zehntel so viel kostet. Die feine, überschaubare Auswahl macht vor allem Männer auf der Suche nach einem Verlobungsring glücklich. Vom Hinfallen und Wiederaufstehen Der Gesprächsraum hat nachtblaue Wände, vor denen gelbe USM-Regale und pinkfarbene Deko stehen. Überall starke Kontraste, die etwas über die Gründerin erzählen: da sein, sichtbar sein, machen. Auf dem großen Eichentisch steht eine Vase mit langstieligen roten Gladiolen. Blumen, das ist ein Thema. Franziskas →

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Goldkette mit Amethysten und Türkisen: Rheinfrank – Antique Jewellery gehört zu den »Kult-Shops« für antiken Schmuck in Berlin. Die Kette Elsa ist benannt nach Franziska von Hardenbergs erster Tochter – und war die Basis für das Unternehmen The Siss Bliss. Kreative Kollaborationen, Beratung und gemeinsames Brainstorming – Alltag für Franziska und ihr Team. Kleine Diamanten strahlen um die Wette: Alma ist ein beliebter Verlobungsring.

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erstes Unternehmen, Bloomy Days, war das erste deutschlandweite Schnittblumen-Abo, und wenn die Amplituden in ihrem Leben mächtig ausschlugen, dann im Laufe dieser Geschichte: 2012 sammelte sie über Crowdfunding und innerhalb von 93 Minuten 100.000 Euro an Kapital für

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ihre Geschäftsidee: frische Blumen ins Haus, und das regelmäßig. Das Projekt ging durch die Decke. 2015 wurde sie als »Vorbild-Unternehmerin« vom Bundesministerium für Wirtschaft ausgezeichnet. Preise über Preise folgten. Doch 2017 rutschte das Vorzeigeunternehmen, das

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auch Kanzlerin Angela Merkel besuchte, vorläufig in die Insolvenz und wurde kurz darauf an Fleurop verkauft. Dabei lief es zuletzt richtig gut, konstantes Wachstum, 20 Prozent vor Plan. Doch der ging nicht auf. Die letzte Finanzierungsrunde für das Start-up kam nicht zustande, weil ein


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Unternehmen im Porträt: The Siss Bliss

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Gründen wollen viele – aber wenige machen den Schritt in die Selbstständigkeit. Für Franziska von Hardenberg war es nie eine Frage: Sie will Unternehmerin sein. Authentisch sein, den eigenen Stil pflegen: von Kopf bis Fuß und in jedem Einrichtungsdetail des Showrooms in der Choriner Straße. thesissbliss.com

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Gesellschafter, der die Runde finanzieren wollte, plötzlich verstarb. Es gab keine Zeit für Alternativen. Ganz schnell ging das. Das Schlimmste, sagte sie einmal, war neben der Sorge um ihre Mitarbeiter das Gefühl, als Vorbild zu versagen. Viele junge Frauen bewunderten ihren Mut, ihren Traum zu verwirklichen, »und wenn die sehen, dass ich scheitere, denken sie: Bei der war doch die Kanzlerin! Dann brauche ich das doch gar nicht erst anzufangen!« Doch nachdem sie die Unternehmensinsolvenz bekannt gegeben hatte, erfasste sie eine Welle der Solidarität. Letztlich ist sie gestärkt aus der Situation herausgegangen, konnte mit der Erfahrung ihr neues Geschäft auf eine stabilere Basis stellen. Kein Latte macchiato Franziskas vielleicht stärkste Eigenschaft ist Disziplin, denn damit räumte sie die Trümmer weg, die vom geplatzten Traum herumlagen, und schaffte Platz für neue Ideen. Einen Tag nachdem sie mit ihrer drei Monate zu früh geborenen Tochter aus dem Krankenhaus kam, stürzte sie sich in Freelance-Jobs. Danach Speaker-Auftritte und InstagramMarketing. »Es gab keine Sekunde Mutterschutz und keine einzige Sekunde, in der ich Latte macchiato trinkend im Café

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gesessen hätte«, erklärt sie. Den Neustart machte sie mit etwas Naheliegendem: den Ketten um ihren Hals, auf denen die Namen ihrer Töchter eingraviert sind und nach denen ihre Instagram-Follower sie immer wieder fragten. Personalisierter Schmuck – das war ihr Next Big Thing. Im März 2018 ging sie mit einem Shop online, machte am ersten Tag fast 30.000 Euro Umsatz. »Total crazy. Meine Mutter und ich haben am Küchentisch drei Tage lang die ersten Ketten verpackt und rausgeschickt. Und ich dachte: Okay, jetzt hat jeder Mensch, den ich kenne, eine Kette, und das war’s.« Stattdessen folgten ein Pop-up-Store in den Galeries Lafayette, dann Büro und Showroom in der Choriner Straße. »Ich habe keine Angst vor Unternehmertum, ich will es richtig groß machen.« The Siss

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Bliss ist mittlerweile die Dachmarke für Schmuck, Taschen, Bilder, Konzepte – und sehr erfolgreich. Neben dem Job setzt sich Franziska von Hardenberg politisch für Start-ups ein, für selbstständige Frauen, die das mit Familie vereinbaren wollen, aber schon am fehlenden Elterngeld scheitern. Ein Rat für Gründerinnen eines Online-Business? »Du musst bereit sein, einen steinigen Weg zu gehen, sonst lass es lieber sein. Ich will nicht zum Gründen überreden, sondern möchte das Selbstbewusstsein geben, eigene Entscheidungen zu treffen und einen Weg konsequent zu gehen.« Im besten Fall ohne Angst. »Die krasseste aller Erfahrungen aus Bloomy Days: Ich habe keine Angst mehr vor dem Scheitern. Selbst wenn morgen keiner mehr was kauft, dann kann ich immer noch auf das vertrauen, was ich kann, und wieder neu anfangen.« ¶

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Unternehmen im Porträt: Rheinfrank – Antique Jewellery

» Antiker Schmuck ist nachhaltig – er muss nicht mehr produziert werden« Dirk Holzfuss. Rheinfrank – Antique Jewellery. 1

Berlin, ein warmer Spätsommervormittag. Draußen trotzt die Sonne dem beginnenden Herbst und heizt die Luft noch mal auf 30 Grad. Drinnen im Showroom ist es angenehm kühl. Ringsum funkelt es aus beleuchteten Vitrinen. Colliers mit Edelsteinen, die aussehen, als wären sie organisch gewachsen wie exotische Pflanzen. Andere schlicht, als hätte sie ein Bauhausdesigner geschmiedet. Ringe, deren Steine mal zartgrün, mal rubinrot strahlen. Sie haben Kriege überstanden und Feste gefeiert. Wer hat das getragen und wo? »Das wissen wir nicht von jedem Stück, doch alle sind Zeitzeugen ihrer Epoche, Originale, an denen Handwerker früher Wochen gearbeitet haben«, erklärt Dirk Holzfuss. Er ist einer der Gründer und Geschäftsführer von Rheinfrank, laut Financial Times »The Cult Shop« in Berlin. Kult, weil hier bis zu 240 Jahre alte Schmuckstücke liegen, die ihre Schönheit bewahrt haben. Kult auch wegen der lässigen Betreiber. Und schließlich ist die gesamte Ware Secondhand und liegt damit im Trend zur Nachhaltigkeit. Dirk, einnehmend herzlich, trockener Humor, sanfte Stimme und sofort per Du, bringt Kaffee. Es ist ruhig im Laden, seit Corona-Beginn bleiben viele Touristen Berlin fern. Das Ambiente hat LoungeCharakter, edel, leger. Auf dem Tisch cremefarbene Rosen, Coffee Table Books, ausgewählte Whiskys. In einem Sessel sitzt Cockerspaniel Lewis, der freundliche

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Wachhund, im anderen sein Herrchen, bekennender Hundenarr. Behaglichkeit zwischen Opalen, Saphiren, Smaragden und Diamanten. Aber nicht alles ist so teuer, wie man denkt. Manschettenknöpfe zum Beispiel gehen auch mal für unter hundert Euro über den Verkaufstresen. Einkauf via London Egal ob Jugendstilbrosche für 95 Euro oder Smaragdarmband für 15.000 Euro: Alle Schmuckstücke gehen durch die Hände von Dirks Partner Oliver Rheinfrank, der »strengste Qualitätsmaßstäbe anlegt und einen exquisiten Geschmack hat«. Weil die interessanten Juwelen nur an den großen Umschlagplätzen zu bekommen sind, lebt Oliver Rheinfrank in

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Rheinfrank – Antique Jewellery hat eine riesige Auswahl antiker Kostbarkeiten, wie hier Etruscan-Revival-Schmuckstücke mit Almandinen aus England 1865. »Wachhund« Lewis gehört zum Laden. Dirk Holzfuss unterstützt auch eine Klinik für kranke Cockerspaniel. Liebt seine Arbeit und ist Berliner durch und durch: Dirk Holzfuss, einer der zwei Geschäftsführer von Antique Jewellery.

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London. Wer mitspielen will, muss dort sein, das Vertrauen der Briten gewinnen, tapfer die Witze vom »German Blitz« aushalten, mittrinken – »und irgendwann bekommt man dann auch als Deutscher die bessere Ware angeboten«, erzählt Dirk. Sie haben es geschafft, aber es war ein langer Weg vom zwölf Quadratmeter großen Laden in der Friedrichstraße bis zum Luxus-Showroom. Die Linienstraße war 2010 für das Duo Holzfuss/Rheinfrank noch raues Gelände, als sie neue Geschäftsräume suchten. »Heute schwer vorstellbar, aber Berlin-Mitte war für mich, der seit Ewigkeiten am Kudamm wohnt, Neuland.« Da blieb man im Westen und pflegte seine Vorurteile, wie das manche heute noch tun →


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Unternehmensporträts

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Unternehmen im Porträt: Rheinfrank – Antique Jewellery

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Diamantenringe aus dem Art déco, um 1920: Das Geschäft hat die größte Auswahl antiker Verlobungsringe in Berlin. Entschleunigte Atmosphäre, locker und edel. Besucher aus vielen Ländern kommen in den Showroom in der Linienstraße. antique-jewellery.de 2

und ihn fragen, ob man »im Osten« überhaupt Geld verdienen könne. Es dauerte nicht lange, und sie residierten in einer der teuersten Straßen Berlins.« Es sprach sich herum, dass Rheinfrank die größte Auswahl an antiken Verlobungsringen in Europa und zudem einen extrem guten, seriösen Service bietet. Mittlerweile schlendern Promis wie Donatella Versace ebenso in den Laden wie Leute mit kleinem Budget. Alle erhalten die gleiche freundliche Behandlung vom siebenköpfigen Team. Digitalisierung stabilisiert das Geschäft »Wir sind ein kleines Unternehmen, klein und glücklich«, stapelt der Juwelenhändler tief. »Wir wissen ganz genau: Sollten wir den Laden verlieren, ist er nach kurzer Zeit vergessen. Dann kommt ein Supermarkt rein, der ist auch nett.« Vieles regt ihn auf, was gerade passiert. Shitstorms, Corona-Leugner, Brexit, ungerechte Geldverteilung, Schmutz auf Berliner Straßen. Aber sein Geschäft und sein Leben bezeichnet er als »Scholle

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des Glücks« in einer ungemütlicher werdenden Welt. Es gibt keinen Grund zur Sorge bei einer Ware, die wertvoller wird, wenn sie nur herumliegt. Antiker Schmuck ist eine stabile Geldanlage. Kunden kommen herein, ein junges Paar, englischsprachig, vielleicht aus den USA – selten ist das gerade. Hund Lewis begutachtet sie kurz, streckt sich und nickt wieder ein. Dirk liebt den persönlichen Kontakt, die Beratung. Alles das, was Corona 2020 auf ein Minimum eingeschränkt hat. Noch zum Beginn des Jahres war das anders. Täglich kamen Kunden, die nach einem besonderen Schmuckstück suchten: Amerikaner, Briten, Russen. Reiche ebenso wie Normalverdiener. Als der Lockdown kam, waren sie vorbereitet (»Ich bin ein Berliner und gehe immer vom Worst Case aus«). Es gab Reserven und die Erkenntnis, dass, wenn der Durchschnittsdeutsche zwischen drei und sechs Stunden am Handy hängt, sie in diesem Handy präsent sein müssen. In kurzer Zeit bauten sie einen der erfolgreichsten Online-Shops auf. »Ich habe mich während

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des Lockdowns über jedes Päckchen gefreut, das wir verschickt haben, aber mich auch entsetzlich gelangweilt ohne Kunden«, sagt Dirk. In dieser Hinsicht sei Online für ihn auch irgendwie »ein finanziell attraktiver Alptraum«. Denn mit Kunden im Laden hat er so schöne Erlebnisse wie diese: Eine 80-jährige Französin kaufte sich einen Ring, und das Schönste daran war für Dirk Holzfuss, in ihren Augen die Freude zu sehen, dass sie sich selbst etwas geschenkt hat. »Das machen leider viele ältere Frauen in Deutschland nicht, weil sie denken, das lohnt sich nicht mehr.« Aktuell fährt Rheinfrank – Antique Jewellery eine erfolgreiche Kampagne mit Schmuck­m odels, die auch nicht mehr ganz jung sind: dem Tänzer Eric Gauthier und den Schauspielerinnen Mala Ghedia und Désirée Nick. »Es ist toll, dass man bei einer Zielgruppe ankommt, die krass jünger ist«, sagt Dirk. »Im Alter kann man sehr schön sein, wenn man an sich arbeitet. Wir haben nur ein Leben.« ¶


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Unternehmen im Porträt

Das macht mich stark Franziska von Hardenberg und Dirk Holzfuss …

… über Mut und weise Voraussicht Franziska: Du musst es wirklich wollen, musst mehr arbeiten als andere, besser sein als andere. Brauchst Mut, über die Kante ins Ungewisse zu springen. Am Ende wird dieser Mut jedoch oft belohnt. Dirk: Es ist wichtig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Oliver ist als Einkäufer in London und ich als Verkäufer in Berlin – eine ideale Aufteilung. Dass wir immer auf Reserven geachtet haben, hat sich während des Lockdowns beim schnellen Aufbau unseres Online-Shops ausgezahlt. … über Stil und Schönheit Franziska: Authentisch zu sein, find ich ganz wichtig. Den eigenen Stil zu finden, die Komfortzone – da fühle ich mich wohl und da habe ich eine ganz andere Stärke im Auftreten. Ich liebe es aber auch, mich modisch zu verändern. Alles im Leben hat seine Phase, und das ist auch gut so. Außer bei Schmuck. Da finde ich wirklich, die Lieblingsstücke bleiben für immer. Dirk: Mit 49 habe ich ganz andere Schönheitsideale als junge Menschen heute. Ich möchte Schönheit differenziert sehen. Man kann monetär arm sein und kulturell reich, kann alt sein und sehr attraktiv. Es gibt Leute, die investieren lieber 2.000 Euro in eine Plastikhandtasche als in ein Diamantarmband. Eine Plastiktasche aber wird man später nicht verkaufen können.

… über Schmuck Franziska: Ich möchte mit meinem Schmuck Frauen empowern. Ihnen das gute Gefühl geben, sich etwas Besonderes zu leisten, sich zu belohnen, und ich wünsche mir, dass ihnen unser Schmuck jederzeit die Kraft verleiht, Zuversicht zu gewinnen, alles schaffen zu können. Dirk: Wir möchten Beständiges schaffen und für Nachhaltigkeit stehen. Ein antikes Schmuckstück muss nicht mehr produziert werden. Es ist da und wird immer wertvoller. Es gibt Leute, die fragen: »hast Du Cartier?« Nein, wir haben Handwerkskunst. Wir lasern auch kein Logo rein. Ich schneid mir ja auch keinen Picasso zurecht, damit er in meine Küche passt. … über das, was die Seele stabil hält Franziska: Meine Kinder, mein Mann, meine Familie. Ich komme nach Hause, und sie lieben mich einfach, wie ich bin. Da muss ich nicht performen, muss niemandem etwas beweisen, da kann ich einfach ich sein. Das ist mein größtes Glück. Dirk: Meine Partnerschaft. Mein Team. Mein Hund. Ich bin einer, der es gerne hat, wenn alle für immer bleiben. Wir haben in der Corona-Zeit niemanden hängen gelassen. Die Händler haben Vorschüsse von uns bekommen, die externen Dienstleister Mikrokredite. Einander zu unterstützen ist sehr wichtig. ¶

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Experteninterview

»Die Börse hat noch jede Krise weggesteckt« Valerie Haller berichtet regelmäßig für das ZDF live von der Frankfurter Börse. In der B* spricht sie über ihre Einschätzung der Folgen der Corona-Pandemie und erklärt, warum an Aktien kein Weg vorbeiführt. INTERVIEW

Johannes Rath FOTO

ZDF, Klaus Weddig

Generell wird gesagt, dass die deutschen Unternehmen bisher einigermaßen glimpflich durch die Corona-Pandemie gekommen sind. Jedenfalls vergleichbar besser als in nahezu weltweit allen Ländern. Was sind die Gründe? Valerie Haller Deutschland war vor Corona wirtschaftlich sehr robust und kann daher besser mit der Krise umgehen als andere Länder. Auch kann die Bundesregierung aus dem Vollen schöpfen, weil der Staatshaushalt aufgrund des langen Aufschwungs sehr gut aufgestellt war. So konnte die Krise zwar nicht verhindert, aber die Auswirkungen wenigstens abgefedert werden. Geholfen hat, dass

die Bundesregierung schnell und beherzt reagierte, indem sie so viel Geld wie kaum ein anderes Land für die Krisen­b ekämpfung ausgegeben hat. Ein wichtiges Instrument dabei ist das Kurzarbeitergeld. So konnten Betriebe an ihren Facharbeitern festhalten, die sie später womöglich nur schwer wieder­bekommen hätten.

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Alle Finanz- und Wirtschaftsexperten und die Wissenschaft erwarten für 2021 weiterhin schwere Einbrüche – aber auch eine mühselige langwierige Erholung der nationalen Wirtschaft sowie der Weltwirtschaft. Ist das auch Ihre Meinung? Corona zieht die schlimmste Wirtschafts-

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Valerie Haller studierte in München und New York Journalistik und kam bereits früh in Kontakt mit Funk und Fernsehen. So war sie seit ihrem Studium als Moderatorin bei verschiedenen Radiosendern tätig und arbeitete danach für den Wirtschaftssender Bloomberg sowie später im New Yorker Studio des ZDF. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland berichtet sie regelmäßig für das ZDF live von der Frankfurter Börse und ist zudem Moderatorin der Nachmittagsausgabe der »heute«-Nachrichten.


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Experteninterview

es wirklich um Unternehmen steht. Ob der deutschen Wirtschaft ein schnelles Comeback gelingt, hängt auch vom Auslandsgeschäft ab. Die USA schlittern in eine tiefe Rezession – eine schlechte Nachricht für die Exportnation Deutschland.

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Die Hunderten von Milliarden müssen irgendwann zurückgezahlt werden. Kann das ohne Steuererhöhungen erfolgen, oder glauben Sie auch an ernsthafte Spar­ anstrengungen, insbesondere der süd­ europäischen Staaten? Finanzielle Hilfen können nur greifen, wenn die hoch verschuldeten Länder auch wirtschaftliche Reformen durchführen. Italien beispielsweise hat ein Programm vorgelegt, das gute Ansätze enthält. In Deutschland wird die Wirtschaft schneller wieder wachsen, was den Haushalt automatisch entlastet. Sollte das nicht reichen, sind Ausgabenkürzungen und höhere Steuern denkbar. Derzeit aber ist die Schuldenlast tragbar, weil die Zinsen dank der EZB sehr niedrig sind.

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krise der Nachkriegsgeschichte nach sich. Mit einer Erholung auf Vorkrisenniveau ist vor 2022 vermutlich nicht zu rechnen. Einzelne Branchen dürften noch länger brauchen, die Luftfahrt etwa. Vieles wird davon abhängen, wann ein Impfstoff gefunden ist oder zumindest ein wirkungsvolles Medikament. Das dürfte der wichtigste Anschub für die Wirtschaft sein. Schreckgespenst ist ein zweiter Lockdown, der vermutlich verheerend wäre für die deutsche Wirtschaft. Möglich ist auch eine Pleitewelle. Weil die Pflicht, Insolvenz anzumelden, bis Jahresende ausgesetzt wurde, haben wir kein realistisches Bild davon, wie

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Sie werden keine direkten Anlageempfehlungen geben wollen – aber können Sie zu dem Thema etwas Generelles sagen? Was tun, wenn beispielsweise auch Kleinanleger Geld möglichst sicher anlegen wollen? An Aktien führt kein Weg vorbei in Zeiten von Nullzinsen. Wegen der Corona-Pandemie ist davon auszugehen, dass sie noch für eine lange Zeit niedrig bleiben werden. Bei Aktien braucht man einen langen Atem. Aber keine Panik: die Börse hat noch jede Krise weggesteckt. Breitflächig anlegen ist besser, als sich auf einzelne Aktien zu verlassen. Beliebt sind ETFs, weil sie eine breite Palette von Aktien abbilden und wenig Gebühren kosten.

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Die Börse hat sich vom Corona-Crash fast schon wieder komplett erholt .

AUSGABE 03

Draußen tobt die Angst vor der größten Wirtschaftskrise seit der Nachkriegszeit, drinnen, auf dem Börsenparkett, werden Rekorde gefeiert. Wie lässt sich das erklären? Das zeigt, wie sehr sich die Aktienmärkte von der Realwirtschaft abgekoppelt haben. Anleger greifen zu, egal, wie es der Wirtschaft geht, weil es in Zeiten niedriger Zinsen kaum eine lukrative Alternative gibt. Außerdem profitieren Aktien vom billigen Geld der Notenbanken. In den USA werden die Aktienmärkte fast ausschließlich von IT-Giganten wie Apple, Facebook und Microsoft getragen. Die Technologiekonzerne profitieren von der Corona-Pandemie, weil sie die Digitalisierung beschleunigt.

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VH

Sie sind eine bekannte und renommierte Fernsehmoderatorin für Wirtschaft und Finanzen. Verraten Sie uns etwas über Ihren ganz normalen beruflichen Tagesablauf? An einem ganz normalen Arbeitstag mache ich zwei Schaltgespräche – das erste für »heute« um 17 Uhr, das zweite für das »heute Journal«. Für beide Sendungen spreche ich mit den Redaktionen die Themen ab, je nach Nachrichtenlage und deren Sendungsbau. Dann lese ich: Agenturen, Analystenberichte, Pressemeldungen. Ich telefoniere mit Experten, Wirtschaftsprofessoren, Aktienstrategen und schreibe meine Texte. Ein Kollege hilft mir dabei, Bildmaterial zu besorgen und Grafiken zu bestellen. Er schaut auch noch mal über mein Skript, prüft es auf Verständlichkeit und macht einen Faktencheck, damit uns keine Fehler passieren. Dann geht es vor die Kamera, immer live, weil wir auch auf späte Nachrichten aus den USA noch reagieren wollen. Außer uns und dem Sicherheitspersonal der Börse ist abends auf dem Parkett natürlich tote Hose. ¶

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STA B I L I TÄT

Dr. Mandy Mangler

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Die Umtriebige Chefärztin Mandy Mangler hat die Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Schöneberg mit Robotertechnologie und vielen digitalen Methoden revolutioniert. In der Corona-Krise war die Klinik deshalb besser gerüstet als andere Häuser. Denn Stabilität brauche Veränderung, sagt die Ärztin. TEXT

Kirsten Küppers FOTOS

Marcel Schwickerath

Neulich hat sie wieder so was auf Instagram gepostet: »Die Pille für den Mann könnte funktionieren. Aber sie wird nicht entwickelt – auch weil Probanden über Neben­ wirkungen wie Libidoverlust berichten. Also das, was Frauen seit Jahrzehnten in Kauf nehmen.« Und dieser Post zeigt schon, dass Mandy Mangler eine Chefärztin ist, die sagt, was sie denkt. Sich mitten reinwirft in die Zonen, wo es unge­ mütlich werden könnte. Weil sie weiß, dass die Dinge nur so in Bewegung geraten. Mandy Mangler, 43 Jahre alt, lange dunkle Haare, warme braune Augen, offenes Gesicht, Arztkittel über weißer Hose, knallrote Lacklederclogs an den Füßen, sitzt in ihrem Büro im Erdgeschoss von Haus 35 des Vivantes Auguste-ViktoriaKrankenhauses in Schöneberg, der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Ihre Haare sind noch nass vom Duschen. Um fünf Uhr früh ist sie aufgestanden, Kinder und Mann im Tiefschlaf, ist zur Arbeit geradelt, war joggen, hat die Frühbesprechung mit den Ärztekollegen geleitet, Kranken­ akten gelesen, ist Treppen hoch und runter ge­laufen, hat einer Schwester zum Geburtstag gratuliert, WhatsApp-Nachrichten geschrieben, in den Computer geguckt. Die erste

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STA B I L I TÄT

Dr. Mandy Mangler

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Wenn Chefärztin Mandy Mangler sich selbst aufmuntern will, schaut sie in der Geburtshilfestation der Klinik vorbei. Dort bekomme sie immer gute Laune, sagt sie. Medizinisches Werkzeug, das noch nicht digital funktioniert. Die Gebärmutter als Anstecknadel hat Mandy Mangler geschenkt bekommen. Erst Jogging, dann Frühbesprechung, dann Visite. Dazwischen holt sich Mandy Mangler noch ein Update bei den Kolleginnen ab: Morgenroutine einer Klinikchefin.

ambulante ­Patientin wartet schon nervös vor der Tür. Es ist 8 Uhr 13 an einem Montagmorgen, und Mandy Mangler ist bereits mitten drin in ihrem Tag. Das mag normal sein für eine Chefin, nichts Besonderes ­vielleicht. Es sind andere Zeichen, die darauf deuten, dass Mangler gerade dabei ist, eine kleine Revolution im deutschen Gesundheitswesen loszutreten, einen bemerkenswerten Wandel zumindest. Der elektronische Visitenroboter, der durch die Flure des Klinikums rollt, könnte so ein Hinweis sein. Oder dass es jede Woche eine Live-Schaltung aus dem Kreißsaal gibt, die Mangler auf Instagram veröffentlicht. Dass sie einen Podcast betreibt, in dem zum Beispiel Mythen über den weiblichen Orgasmus verhandelt werden. Die Tatsache, dass sie Mutter ist von fünf Kindern im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren. Man kann sich fragen, woher diese Umtriebigkeit kommt. Vielleicht von der Erfahrung, dass es besser ist, loszugehen, bevor es zu spät ist. Mandy Mangler, in Leipzig geboren, kam mit zehn Jahren mit ihrer alleinerziehenden Mutter und einem Koffer im Aufnahmelager für DDR-Geflüchtete in Marienfelde an. Später wurde sie als gynäkologische Onkologin kommissarische Leiterin der Gynäkologie am Campus Mitte der ­Charité. Die jüngste Chefin, die es auf diesem Posten je gab. →

AUSGABE 03

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Dr. Mandy Mangler

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»Mir wird schnell langweilig«, erklärt Mandy Mangler selbst diese Eigenheit. Sie dreht sich weg von ihrem Rechner, schaut aus dem Fenster, draußen ist Sommer. Für andere wäre Abhauen in diesem Moment vielleicht eine Option. Aber Mandy Mangler bleibt sitzen, und als sie von einem Kollegen erzählt, wird klar, dass ihr Antrieb wirklich darin besteht, nicht den Anschluss zu verpassen, die Zukunft. Ein anderer Klinikchef hatte in seinem Büro keinen Computer. Die Sekretärin hat ihm die E-Mails ausgedruckt und auf den Schreibtisch gelegt. Seine Antworten diktierte er auf Tonband, die besprochenen Bänder lagen abends in einem Wäschekorb. Bis zu seiner Rente 2016 lief das so. 2016! Mandy Mangler ruft es in die Luft, das müsse man sich mal vorstellen, sie lacht. Als sie Haus 35 übernahm, hat sie erst mal jede Menge neue Technik in die Klinik geholt. Denn: »Stabilität braucht Veränderung«, erklärt Mandy Mangler. »Das mögen die Leute nicht. Aber anders geht’s nicht. Die Folge ist: Wir haben unheimlich viel geschafft.« Sie steht auf, kickt den Bürostuhl nach hinten, läuft im Zimmer herum, schlägt einen weiten Bogen, weil jetzt die Aufzählung kommt, die beweist, dass das Gesundheitssystem nicht überall so schwergängig funk­t ioniert wie immer behauptet. Neu sind nicht nur Flachbildschirme in Manglers Büro und im Besprechungsraum. Sondern auch, dass jetzt manchmal der Roboter die Visite macht,

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die Ärztin sich von fern zuschaltet und per Video den Verlauf einer Operation mit der Patientin bespricht. Oder dass die Schwestern nicht mit Klemmbrettern herumlaufen, sondern die Daten, die sie von den Patientinnen einsammeln, direkt ins System speisen. Das Krankenhaus verfügt über den einzigen digitalen Kreißsaal Berlins, was bedeutet, dass eine Geburt komplett elektronisch überwacht werden kann. Seit diesem Jahr ist die Klinik auch ein Krebszentrum, sie arbeitet mit Roboterchirurgie und minimalinvasiven Operations­ techniken und macht die meisten Unterleibsoperationen der Stadt. Eine Mitarbeiterin ist »Hebamme des Jahres 2020« geworden. Mangler verschränkt die Arme, holt Luft, schweigt. Weil man die Tatsache, dass man in vielem schneller und effizienter ist als andere Kliniken, dass man nahbarer ist für die Menschen, dass man einfach insgesamt vorne dran ist, auch ruhig einmal wirken lassen kann. Natürlich sei diese Verwandlung nicht überall auf Zustimmung gestoßen. Es habe Kollegen gegeben, die sich angegriffen fühlten, Scheu hatten vor den neuen Methoden. Spätestens seit diesem Frühjahr seien die Bedenken weg, meint sie. Denn die Corona-Krise habe gezeigt, dass sich der Wandel gelohnt hat. Haus 35 sei sicher durch den Lockdown gesteuert. Manglers

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Zack! Und der nächste Instagram-Post ist draußen. Für eine zweite Welle von Corona-Fällen sei die Klinik gerüstet, sagt Mangler. Ein Kreißsaal wird vorbereitet für die nächste Geburt. Büro-Stillleben mit Stiften und Selfiestick: Mandy Manglers Schreibtisch. Der Visitenroboter lässt sich mit dem Handy steuern. Das geht auch von unterwegs. Das Team der Gynäkologie und Geburtsmedizin ­präsentiert sich auf Instagram: instagram.com/gyn_magazin

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Neuerungen haben zu dieser Stabilität beigetragen: Die Klinik kam besser mit den Auswirkungen der Pandemie klar als andere. Man musste sich nicht auf elektronische Prozesse umstellen, man war ja längst Teil der digitalen Bewegung. Auf Sorgen und Fragen der Menschen konnte Mangler mit Video-Calls oder Live-Übertragungen aus dem Kreißsaal reagieren. Das hat für Vertrauen gesorgt. »Falls noch mal eine Welle kommt«, erklärt Mangler, »sind wir gerüstet.« Sie selbst ist schon am nächsten Projekt dran, einer Frauen­ heilkunde-Konferenz, die 2021 stattfinden soll. Mangler will nur weibliche Referentinnen dazu einladen. »85 Prozent der Frauenärzte sind weiblich. Es reicht, dass wir Frauen uns unsere Gesundheit immer von Männern erklären lassen müssen. – Und natürlich wird das noch einen Aufschrei geben!«, ist sie sich sicher. Es sind die genervten Sätze einer Frau, die es satt hat, die alten Kämpfe zu führen. Die aber trotzdem dranbleibt, so zäh ist sie längst. In einem Krankenhaus geht es um Leben und Tod, Babys werden geboren, Menschen sterben, auch im Haus 35 nimmt das Drama seinen Lauf. Die meisten Frauen, die an diesem Tag zu Mangler in die Sprechstunde kommen, sind da, weil ein Schatten aufgetreten ist auf einem Ultraschallbild. Eine Hausfrau, eine Unternehmensberaterin, eine Physiotherapeutin, zwei

Rentnerinnen, die jede für sich hinterher still und gedrückt das Sprechzimmer verlassen, weil die Krankheit zugeschlagen hat. Auch Mandy Mangler und ihre digitalen Neuerungen können das nicht aufhalten. Plötzlich hängt die ganze tragische Endlichkeit des menschlichen Daseins in diesem nüchternen Sprechzimmer. Ein Krebszentrum bringt die Wahrheit und auch die Angst. Es ist ein System, das hilft, die Katastrophe zu verwalten, bisweilen gelingt eine Rettung, manchmal ein Aufschub. »Klar, das ist ungerecht. Das macht mich oft fertig«, sagt Mangler. Sie guckt müde, fängt sich wieder, guckt auf die Uhr auf ihrem Handy. In einer Klinik werden Gefühle kanalisiert in den geregelten Ablauf des Apparats. Auch das sorgt für Stabilität. Was das an diesem Montag bedeutet? Am Ende ist ein Kranken­haus auch nur ein Ort, an dem ein Mensch eine der vielen Rollen erfüllt, die sein Leben ausmachen, um dann kurze Zeit später in eine andere zu wechseln. Da ist ein Krankenhaus auch nur ein Arbeitsplatz, an dem es klappen muss, dass eine Chefin für zwei Stunden verschwindet, weil eines ihrer Kinder eine Einschulungsfeier hat – ein Anlass, wo ein Vater, eine Oma und ein Au-pair-Mädchen nicht reichen. Mandy Mangler hebt die Hand, sie ist auf dem Sprung, winkt. Stabilität braucht Veränderung, sie hat es ja vorhin gesagt. ¶

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STA B I L I TÄT I N Z A H L E N

Aufwärtsspirale trotz Corona: Berlin und Brandenburg leben stabil

In den letzten zehn Jahren ist unser Einkommen um rund sechs Prozent gestiegen. Von den Menschen, die ihr Geld durch Erwerbstätigkeit verdienen, sind 80 % Männer und 68 % Frauen.

47 % eigene Erwerbstätigkeit

1% Rücklagen

35,6 %

6%

13,5 %

von öffentlichen Leistungen

Mobilität

Wohnen

11,5 % Freizeit

4,4 %

22 %

leben von ihrer Rente oder ihrer Pension

Gesundheitspflege

24 % leben von den Einnahmen ihrer Angehörigen (vor allem Kinder/Jugendliche)

10,3 %

Berlin ist die Hauptstadt der Digitalwirtschaft – im Schnitt

Ernährung

0,9 %

wird alle 15 Stunden ein neues Digitalunternehmen gegründet. Auch die Brandenburger zieht es in Sachen Digitalwirtschaft in die Landeshauptstadt.

5%

Bildung

Möbel usw. Von 2009 bis 2019 ist der Bruttolohn stabil gestiegen – um rund 32 % insgesamt. Und wir haben konsumiert wie nie zuvor. Das meiste Geld ging in Wohnen, Mobilität und Freizeitaktivitäten.

[…] Ein Birnbaum in seinem Garten stand […]

2.522.000 Einwohner

34.465 gebürtige Berliner, die in Brandenburg leben 87.238 Zugezogene Wanderungsgewinn in Brandenburg 22.914

»Ick bin een Berliner, wah?«

3.762.456 Einwohner

202.191 gebürtige Brandenburger, die in Berlin leben 184.744 Zugezogene 23.231 Wanderungsgewinn in Berlin

Quellen: Bundesamt für Statistik / statista.com / Bundesagentur für Arbeit / Amt für Statistik BerlinBrandenburg und IHK. Abweichungen der Daten von 2017 bis 2020 aufgrund von Rundungen.

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Viele Unternehmen konnten während der Beschränkungen in der Covid-19-Pandemie auf Homeoffice umstellen. »Seit Corona arbeiten wir im Homeoffice«

65,8 % »Wir haben schon vorher Homeoffice gelebt«

19,4 % »Wir arbeiten nicht im Homeoffice«

14,8 %


STA B I L I TÄT I N Z A H L E N

37.140 Euro im Jahr – so viel verdient jeder Deutsche im Schnitt. In Berlin liegt das Einkommen stabil über dem Durchschnitt. In drei Jahren ist der Bruttoverdienst in den 1,8 Millionen Berliner Privathaushalten um 8 % gestiegen. Bruttodurchschnitt Berlin

37.512 €

38.904 €

40.596 €

41.292 € Männer 36.948 € Frauen

Corona sorgt für Stabilität auf den Hüften. Während der Ausgangsbeschränkungen haben die Deutschen im Schnitt 5 kg an Gewicht zugenommen. Gleichzeitig ist der Markt mit digitalen Spielen in der Corona-Krise außergewöhnlich stark gewachsen. Zufall?

2017

2019

2018

Erwerbstätige 1.791.200 1.844.100

1.963.00

Der Gender-Pay-Gap, die Differenz zwischen Männern und Frauen im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer, liegt in Berlin bei 3 %.

2016

TAGE

Die Menschen in Brandenburg arbeiten mit

2019

Jeder Berliner hat ø 1,4 Wohnräume.

1.443 Stunden im Jahr im bundesweiten Vergleich am meisten (der Durchschnitt liegt bei 1.386 Stunden).

9,27 € 2017

1,2 Millionen Brandenburger Privathaushalte leben von einem Bruttoeinkommen, das weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Dennoch ist das Einkommen pro Kopf im Vergleich zum Vorjahr um rund 1.200 Euro gestiegen – sowohl bei Frauen als auch Männern.

31.116 €

32.496 €

32.112 € Männer 33.348 € Frauen

2018

Erwerbstätige 1.114.700 1.246.200

9,87 €

9,57 €

2018

2019

1,4 1

Bruttodurchschnitt Brandenburg

2017

2018

1.443 Stunden

60

29.916 €

2017

2017

2019

1.299.000

Anders als in Berlin verdienen in Brandenburg die Frauen mehr. Der Gender-Pay-Gap liegt hier bei knapp 4 %. 2016

1 1,7 ø1,7 Wohnräume bewohnt ein 6,84 € Branden6,09 € 5,91 € burger.

2017

2018

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2019

2018

2019

2018 lag der Mietpreis in Deutschland durchschnittlich bei 7,70 Euro pro Quadratmeter. Brandenburger leben im Schnitt in 1,7 Zimmern und insgesamt günstiger als der Rest des Landes. Berliner leben bei höheren Mieten auf kleinerem Raum.

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AUF EIN GLAS

mit Dr. Andreas Knieriem

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Frauke van Bevern trifft Dr. Andreas Knieriem auf ein Gespräch im Panda Garden des Berliner Zoos. zoo-berlin.de 1

Wie sieht die Welt der Zoos momentan aus, Herr Dr. Knieriem?

Der seit 1844 bestehende Zoologische Garten Berlin liegt im west­ lichen Teil der Stadt. Er ist der älteste Zoo Deutschlands und dazu der artenreichste der Welt. Der 1955 im Osten der Stadt eröffnete Tierpark war die damalige Antwort der DDR auf den West-Zoo und ist als größter Tierpark Europas besonders anerkannt für seine Park­ landschaft. Zusammen mit dem Aquarium gehören die beiden zu den meistbesuchten Attraktionen der Stadt. Sie werden seit 2014 von Dr. Andreas Knieriem geleitet. Mit ihm traf sich Frauke van Bevern, Kommunikationschefin der Berliner Volksbank, im Zoo am Panda Garden, interessiert beobachtet von Pandamännchen Jiao Qing. TEXT

Till Brauckmann FOTOS

Marcel Schwickerath

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AUSGABE 03

Herr Dr. Knieriem, Sie sind viel in der Welt herumgekommen, waren bereits für einige der bedeutendsten deutschen Zoos verantwortlich. Seit 2014 sind Sie in Berlin Direktor des Zoos, des Tierparks und des Aquariums – und Sie haben schon vieles bewegt. Was hat sich in den letzten sechs Jahren verändert? Dr. Andreas Knieriem Wir haben kleinere und größere Bereiche umstrukturiert. Die größeren werden nach außen sichtbar, aber die kleineren sind mindestens genauso wichtig. Zum Beispiel haben wir die Verwaltungsstrukturen komplett neu aufgestellt. Allein für die Freiflächenplanung gibt es inzwischen einen Leiter und sechs fest angestellte Architekten. Und noch zahlreiche Frauke van Bevern


AUF EIN GLAS

mit Dr. Andreas Knieriem

weitere Themen haben wir neu organisiert: Wie wir Tiere pflegen, aber auch, in welcher Umgebung die Gäste unsere Tiere erleben können. Zudem möchten wir uns aktiv am weltweiten Artenschutz beteiligen. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass wir auch wirtschaftlich erfolgreich sind. Wir wollen mitten im Herzen von Politik und Gesellschaft stattfinden. FvB

Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen artgerechter Haltung , ökonomischen Erwägungen und der Attraktion für Besucher? AK Im Fokus steht immer das Tier: Wir stellen uns die Frage, warum wir genau diese Tierart halten möchten – ist sie beispielsweise hoch bedroht? Danach prüfen wir, wie wir optimale Voraussetzungen schaffen können. Aktuelles Beispiel ist unser Panzernashornhaus, das bauen wir komplett neu. Dabei entwickeln wir zum Beispiel Strategien, um die Panzernashörner auch bei ihren geliebten Schlammbädern für unsere Gäste gut sichtbar zu machen. Doch alles, was qualitativ hervor­ ragend ist, kostet leider auch viel Geld. Wir wollen keine billigen Hühnerställe bauen, sondern nachhaltige und langlebige Unterkünfte. Das schaffen wir nur dank der vielen guten Partner an unserer Seite, wie beispielsweise der Berliner Volksbank. Aber auch dank der Fördermittel oder privaten Spenden und Nachlässe. Wir erhalten schon seit über 100 Jahren viele Erbschaften, und das zeigt uns, wie eng die Berlinerinnen und Berliner mit ihren zoologischen Gärten verbunden sind. FvB

Es gibt Tendenzen, die den Tierparks und Zoos weltweit zu schaffen machen. Immer wieder sind die Zoos in der Kritik – und ihre Rolle auch als Bewahrer und Beschützer seltener und gefährdeter Arten wird infrage gestellt. Wie bewerten Sie das?

AK

Damit sind wir permanent konfrontiert, auch durch uns selbst – wir sind ganz klar Tierschützer. Es ist richtig und wichtig, Kritik ernst zu nehmen. Und ich muss deutlich sagen: Es gab hier in Berlin auch ein paar Dinge, die ich anders sehe als meine Vorgänger. Das Raubtierhaus war zum Beispiel alles andere als eine optimale Unterkunft, es war für die Tiere zu reizarm und so nicht mehr tolerierbar. Wir werden es mit einem modernen, zeitgemäßen Konzept neu eröffnen. Diese und weitere Baustellen gehen wir hier in den zoologischen Gärten Berlin sukzessive an. Leider gibt es Menschen, die Zoos in Gänze ablehnen. Das ist dann eine ideologische Geis-

AUSGABE 03

t­e s­h altung. Und da sage ich ganz offen: Das hat mit Natur- und Artenschutz relativ wenig zu tun. Aber ich muss diese Haltung natürlich akzeptieren. Es ist unglaublich wichtig, auch in einer digitalen Welt Tiere haptisch und analog zu zeigen. Das Privileg, in ferne Länder zu reisen, hat übrigens nicht jeder. Ein weiser Spruch sagt im übertragenen Sinne: »Wir schützen oder bewahren nur das, was wir lieben. Und wir lieben nur das, was wir kennengelernt haben.« Deshalb freue ich mich, dass so viele Kinder zu uns kommen, die in einer wundervollen Umgebung ihre Faszination für Tiere und die Natur entdecken können. →

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mit Dr. Andreas Knieriem

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Müssen die Zoos angesichts neuer Situationen wie Corona umdenken? Gibt es schon Ideen oder Konzepte? In der Tat ist diese neue Situation für uns eine große Herausforderung. Der Zoologische Garten lebt zu rund zwei Dritteln von Touristen. Wirtschaftlich war es ein Desaster für uns und ist es noch immer. Wir haben versucht, an allen Ecken und Enden zu sparen, ohne dass Mitarbeiter gehen mussten oder die Tierpflege qualitativ leidet. Dankenswerterweise wurden manche Fördermittel erhöht, und die Spendenbereitschaft unserer Unterstützer war groß. Als wir wieder limitiert Be­sucher empfangen durften, haben wir uns damit auseinandersetzen müssen, dass Häuser teilweise nicht besucht werden dürfen. Es besteht teils Masken­pflicht, und vor allem: Wie lösen wir die dafür notwendigen Kontrollen personell? Selbstverständlich haben wir uns intern ausgiebig mit den Maßnahmen beschäftigt. Wir sind nicht in Panik verfallen und gehen auf der anderen Seite auch nicht locker damit um. Ich glaube, wir haben eine gute Mischung gefunden. Wie viele Mitarbeiter und Dienstleister sind eigentlich vom Arbeitgeber Zoo ab­hängig? Wir haben allein über 600 feste Mit­a rbeiter. Dazu kommen etliche Dienstleister und andere Firmen. Alles in allem sind das mindestens 1.000 Menschen. Was bedeutet in Ihren Augen Stabilität für einen Zoo? Wir haben im letzten Jahr unseren 175. Geburtstag gefeiert. Das macht einen andächtig, weil das wirklich eine lange Geschichte ist, geprägt von Höhen und Tiefen. Stabilität heißt für mich, dass wir durchaus mal konservativ sein dürfen. Das bedeutet, dass wir das Gute aus unserer Geschichte bewahren und trotzdem neuen Dingen

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gegenüber aufgeschlossen bleiben müssen. Man muss sich nicht permanent neu erfinden. Wir versuchen so modern und digital wie möglich zu sein. Deswegen klopfen wir immer wieder ab, was wir Neues für uns nutzen können. Letztendlich sind wir aber einer der ganz wenigen analogen Orte, die es noch gibt. Wir alle sind analoge Organismen und leben in einem analogen Umfeld. FvB

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Der Zoo ist ja inzwischen ziemlich aktiv in den sozialen Medien. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? 5,5 Millionen Besucher im Jahr heißt auch: ganz viel Kommunikation! Für alle möglichen Bedürfnisse, in allen möglichen Kanälen. Ich bin überhaupt kein Soziale-Medien-Typ. Da vertraue ich vollkommen dem Team, das dafür zuständig ist. Es weiß, was wir machen müssen und was wir lieber lassen. Ich gehöre nicht zu denen, die sich überall einmischen. Stattdessen freue ich mich lieber über die tollen Ergebnisse. Wie hat man sich den Arbeitstag eines Zoo-Direktors vorzustellen? Den ganzen Tag Tiere streicheln wird es ja vermutlich nicht sein. Ich habe mir einen Hund angeschafft, damit ich ein Tier streicheln kann, das mir nicht die Finger abbeißt. Wie sagt man so schön: »Das letzte Kind hat immer Fell.« Ich liebe es, morgens beim Frühstück ein bisschen was von meinem Käsebrötchen abzugeben – und meine Hündin hat den tollsten Augenaufschlag, um das zu erreichen. Ansonsten kommt das Thema Tier


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mit Dr. Andreas Knieriem

leider etwas zu kurz bei mir. Früher war ich Tierarzt. Ich roch abends teilweise sehr streng. Wenn ich zum Beispiel nachts um drei, halb vier Uhr nach einer Elefantengeburt endlich im Bett lag, wurde meine Frau immer von dem Geruch wach. Diese Zeiten sind vorbei. Ein Coach rennt auch nicht aufs Feld und meint, er könne besser stürmen als der Spieler. Ich laufe nicht mehr aufs Feld, das überlasse ich meinen Mitarbeitern. Trotzdem gehe ich mindestens jeden zweiten Abend mit dem Hund durch den Zoo, gucke mir das eine oder andere an, und am Wochenende sind wir auch im Tierpark. Tagsüber ist das illusorisch.

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Wenn Sie die Wahl hätten, was wün­ schten Sie sich von der Politik für die Zukunft? Wir wünschen uns noch mehr Anerkennung dafür, dass zoologische Gärten den Menschen die Möglichkeit bieten, Tier- und ­Naturfaszination zu erleben. Ich erwarte, dass uns die Politik ganz unideologisch wahrnimmt. Natürlich, es könnte immer mehr Unterstützung geben. Aber damit stehen wir selbstverständlich nicht allein in der Stadt. Erfreulicherweise war Berlin bisher immer an der Seite der zoologischen Gärten, und ich wünsche mir für die Zukunft, dass das so bleibt.

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An welcher Stelle sehen Sie Nachhaltigkeit als ein Attribut von Zoos? Muss sich dahingehend für Zoos einiges radikal ändern? Ich kenne kaum ein Unternehmen, das ausreichend nachhaltig ist. Auch wir müssten mehr dafür tun, aber das hängt wie so oft auch am Geld. Gerade Energie ist ein großes Thema bei uns. Da hoffe ich auch auf Partner, die es uns ermöglichen, Klimaschutz mit vernünftigem, wirtschaftlichem Augenmaß anzugehen. Unsere Aufgabe liegt meines Erachtens aber auch bei den flankierenden Gebieten des Umwelt-, Natur- und Artenschutz­e s insgesamt. Ich bin ein Verfechter →

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mit Dr. Andreas Knieriem

10 Fragen an … Dr. Andreas Knieriem im Speed-Small-Talk Lieblingsgetränk? Unzweifelhaft eine Cola ohne Zucker. Welches Buch lesen Sie gerade? Keins – ich hab keine Zeit mehr für g ­ anze ­Bücher, ich lese nur noch Artikel. Was wollten Sie als Kind mal werden? Ich wollte Astrophysiker werden – staubtrocken, wie es sich anhört. Zeitreise – in welcher Epoche landen Sie? In dieser hoffentlich – ich lebe im Hier und Jetzt. Welches ist Ihr nächstes Reiseziel? Rügen.

davon, Bäume zu pflanzen. Seit Tausenden von Jahren holzen wir ab und pflanzen nicht genügend neu. Das muss dringend umgekehrt werden. Ich bin sicher: Wenn die Faszination stärker wird für Tiere und Natur, dann wirkt das nachhaltiger als jede Verbotsstrategie. Deshalb glaube ich, dass uns als Zoo eine große Bedeutung zukommt. Klimaschutz heißt eben auch: Natur Natur sein lassen. Jede Fauna lebt in einer Flora. Insofern ist Artenschutz auch Klimaschutz. Wir müssen alle anspruchsvoll bleiben, damit wir noch besser werden. Während Frauke van Bevern und Dr. Andreas Knieriem von der Panda Plaza in Richtung Ausgang schlendern, kaut Pandamännchen Jiao Qing im Freigehege sichtlich zufrieden weiter seinen frischen Bambus. ¶ —

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Auf welche Erfindung könnten Sie verzichten? Elektroroller. Was beeindruckt Sie am meisten? Wenn sich Menschen ein ganzes Leben lang einer Sache ­verschreiben und zum Schluss bescheiden sagen können: »Ich habe es geschafft!« Ohne dass sie viel ­Wirbel darum gemacht haben. Ihr Lieblingsort in Berlin? Die beiden Zoos von innen nach außen – der Blick aus der Natur in die Stadt hinein ist faszinierend. Was treibt Sie an? Meine Passion. Ich bin beinahe im Zoo geboren und kann nicht anders – ich mache das jetzt seit 40 Jahren. Ihre drei Wünsche für die Zukunft? Dass wir Menschen einen Modus finden, besser mit dem Planeten klarzukommen; dass wir lernen, N ­ atur auch Natur sein zu lassen, und dass wir das ­Animalische – im negativen Sinne – r­ aushalten. Cholerik und Jagdverhalten sind Gift für die Gesellschaft.

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WIRTSCHAFTSREGION

Berliner Stadtreinigung

»Am Ende bin ich ganz beseelt« Sabine Splawski kehrt auf Berlins Straßen den Schmutz der Großstadt fort. Auf ihrer Frühschicht in Tempelhof haben wir den Besen mit ihr geteilt. Wer etwas über das Umweltbewusstsein der Berliner erfahren will, der ist bei ihr bestens aufgehoben. TEXT

Marcus Pfeil FOTOS

Marcel Schwickerath

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WIRTSCHAFTSREGION

Berliner Stadtreinigung

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Tempelhof, das erste Laub hat sich auf die Mussehlstraße gelegt. Die Herbstsonne zeigt sich von ihrer besten Seite. Ein guter Tag, um sich einen Kindheitstraum zu erfüllen. Müllauto fahren. Sabine Splawski und ihre Truppe vom Betriebshof VR52 sind schon da. »Frühschicht«, ruft sie. Drei Fahrer, drei Handreiniger. Sechs von 2.200 Straßenreinigungskräften der Berliner Stadtreinigung (BSR). Sie selbst fährt einen Transporter, der andere Fahrer »die KW«, den Kehrwagen für den Gehweg, der Dritte »die KM«, die Kehr­ maschine für die Straße. Sabine Splawski wartet vor dem »PK«, Papierkorb. »Für die Zigarette danach« steht drauf. Damit fangen wir an. Dreikantschlüssel unten am Papierkorb einmal nach links gedreht, schon spuckt der PK seinen Inhalt in den Papierkorbkescher. Eine Sache von 30 Sekunden. Aufgalopp. Jetzt geht es ans Laub. Splawski ist eine von 5.800 Mitarbeitern der BSR, Deutschlands größter Stadtreinigung und nach Vivantes und der BVG Berlins größtes kommunales Unternehmen. 1,6 Millionen Kilometer Straßen und Gehwege reinigt das Unternehmen im Jahr, 40-mal um die Erde. 212 Kilo Hausmüll je Einwohner entsorgt die BSR im Jahr, leert 6,6 Millionen Mal Papierkörbe. Das Fortschaffen von Schmutz und Müll ist ihr Beitrag zur Stabilität der Stadtgesellschaft. Der Laden muss laufen, zu jeder Zeit, auch während der Corona-Krise. Dank motiviert Sabine, wir sind jetzt beim Du, drückt mir den Besen in die Hand. »Laub kehren, unter den Autos, vom Gehweg«, lautet ihr Befehl. Vor allem auf die Kante komme es an, die dürfe nicht hart werden. »Nasses Laub setzt sich sonst fest und fängt an zu stinken.« Der Herbst sei ihre Lieblingsjahreszeit, sagt Sabine. Das Laub habe

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sie am liebsten. Und den Wildwuchs an den Baumscheiben, dem sie mit dem Freischneider auf die Pelle rückt. Kopfsteinpflaster sind ihr hingegen ein Gräuel, wegen der Ritzen, in denen es sich die Kippen so richtig bequem machen. »Die mit der Zange rauspulen, da kriegste nur ’ne Sehnenscheidenentzündung. Ätzend.« Schlimmer seien nur die Spritzen am Wittenbergplatz oder menschliche Exkremente im Park, das ginge dann nur im Ganzkörperanzug. Sabine hat sich rausgeputzt an diesem Morgen, sie leuchtet in frisch gewaschenem BSR-Orange. Sie ist 58 Jahre alt, ihre Haut ist vom Sommer an der frischen Luft gegerbt. Sport müsse sie ja nicht machen, die BSR sei ihre Muckibude. »Hallo Sabine«, pfeift ihr plötzlich ein älterer Herr über den Bürgersteig zu. »Hallo Wolfgang.« Man kennt sich hier im Kiez. Man schätzt sich. »Vor allem die Hundebesitzer, ich selbst habe ja auch einen Hund«, sagt Sabine. Manchmal bedanken sich die Leute. »Das motiviert«, sagt sie. Aber viele würden nur noch motzen. »Das ist schlimmer geworden. Einige werden richtig

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WIRTSCHAFTSREGION

Berliner Stadtreinigung

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aggressiv, auch die Älteren.« Manchmal müssen sie sogar die Polizei rufen, wenn mal wieder ein Autofahrer glaubt, ihnen einen Kratzer aufbrummen zu können, der vorher schon da war. »Frechheit!« Sabine kennt den täglichen Shitstorm des realen Lebens auf der Straße. Wenigstens die Kita-Kinder kämen noch vorbei und winkten.

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6,6 Millionen Mal leert die BSR im Jahr einen der städtischen Papierkörbe. Für Sabine ist das »eine Sache von 30 Sekunden.« Unterwegs mit dem Kehrwagen für den Gehweg. Pause vom täglichen Shitstorm auf der Straße.

Sabine ist seit zehn Jahren bei der BSR, sie hat sich zur Gruppen­sprecherin hochgearbeitet. »Ein toller Arbeitgeber«, sagt sie. Nicht, weil sie es müsste. Friseurin hat sie gelernt, dann war sie Siemensianerin, 22 Jahre. Als Löterin hat sie bei dem Konzern gearbeitet, bevor sie den Job verlor. Alleinerziehend mit behindertem Kind. Sechs Jahre Hartz. Sogar Ein-Euro-Jobs habe sie annehmen müssen. »Das volle Programm.« Bis sie die Zeitungsanzeige der BSR in der BZ gefunden und 2010 als Handreinigerin angefangen hat. Kehrwagen fahren elektrisch Die elektrisch angetriebene KW schwebt inzwischen über den Gehweg und saugt das Laub in ihren 1,5 Kubikmeter großen →

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WIRTSCHAFTSREGION

Berliner Stadtreiniung

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Schichtende: Harry fährt den Wagen vor – zum Reinigen auf die Waschplatte. Seit einem Jahr Chefin der BSR: Stephanie Otto. 2

Schlund. 75 PS. »Energiebündel« steht drauf. Das Laub, das Sabine unter den Autos hervorgefegt hat, stapelt sich in sandburggroßen Häufchen wie an der Schnur gezogen auf dem Bayernring. Futter für die KM, 150 PS, Fassungsvermögen: 5 Kubikmeter. Das große Gerät. Pause. »Natürlich dürfen wir rauchen«, sagt Sabine. Marlboro Rot. Allesamt. Sabine, Andrea, Sigrid, Marcus, Harry. Ihre Kippen werfen sie nicht achtlos auf den Boden. »Das haben wir so drin. Sind ja Vorbild«, sagt sie. »Bewusstsein ist das eine, nachhaltiges Handeln das andere«, sagt ihre Chefin, die BSR-Vorstandsvorsitzende Stephanie Otto, im Interview. Umweltschutz bedeute nicht nur, auf die Straße zu gehen und für eine angemessene Klima­politik zu demonstrieren. »Es fängt beim alltäglichen Verhalten an, im Kleinen also.« Was die 2.200 Straßenreiniger wie Sabine Splawski oft an achtlos weggeworfenem Müll wegräumen müssten, macht Otto jedenfalls stutzig. »Stadtsauberkeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Ohne die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger funktioniert es nicht. Und wer rücksichtslos die Stadt vermüllt, sollte von den Ordnungsämtern auch konsequent sanktioniert werden.« Die Unachtsamkeit vieler Bürger geht Sabine so richtig auf den Zeiger. Das sei auch ’ne Erziehungsfrage. »Warum verpflichtet der Senat denn nicht jede Schulklasse, mal einen Tag im Jahr Müll wegzuräumen? Dann würden das vielleicht auch manche Eltern kapieren.« Punkt. Rausputzen für die Touristen Eine halbe Stunde braucht Sabines Team im Schnitt für eine dieser Berliner Nebenstraßen, wenn alles glatt läuft. Wenn kein Paketbote in zweiter Reihe parkt. Wenn keiner aus der Truppe krank wird. Wenn es nicht regnet. Dreimal die Woche sind die hier. Es

ist eine Straße der »Reinigungsklasse 3«, wie es im korrekten BSRSprech heißt. »Klasse 1a« ist dort, wo viele Leute und vor allem Touristen hinkommen, da ist die BSR jeden Tag am Start. Die »Straßenreinigungsverzeichnisse« regeln, wo am meisten Dreck ist und wo sich Berlin am meisten rausputzen soll. Bald, wenn der Herbst den Sommer abgelöst hat und das Laub sich türmt, rücken sie mit den Laubbläsern an. Die Bläser, das sind jene Typen, die das Laub immer nur von A nach B blasen, bevor es der Wind wieder nach A zurückbläst, so mein Klischee. Sabine klärt auf. Es ist eine spezielle Pustetechnik, bei der einer im Team schräg unters Auto bläst, der andere von der Seite, sodass der Luftsog das Laub auf die Straße befördert. Dort nehmen es die Kehrmaschinen auf. Und wenn der Wind kommt und es wieder zurückbläst? »Wir kommen ja wieder.« Und am Ende vom Herbst, kurz vor dem ersten Schnee, geht es um das letzte Blatt. »Dann ist auch der Wind egal«, sagt Sabine. Heute ist kein Wind. Die Mussehlstraße und der Bayernring sind besenrein. »Das liebe ich so an meinem Job«, sagt Sabine. »Am Ende bin ich ganz beseelt, wenn alles sauber ist.« Feierabend, außer für Harry. »Fahr schon mal den Wagen vor.« Er kann den Witz nicht mehr hören. Wie oft habe er schon seine Eltern verwünscht, seit er für die BSR fährt. Er muss die KW noch waschen. Zurück auf dem Betriebshof geht es erst zu den Abfallbunkern. Hier stapelt sich das Laub und mehr. Die Gärung kann man schon riechen, es wimmelt von Spatzen, Tauben und Krähen. Schlösse man die Augen, man käme sich vor wie im Wald. Auf der Waschplatte säubert Harry Schläuche, Siebe, das Schlauchventil. Mit Hochdruck. Sieben Durchgänge, bis auch das letzte Blatt im Abfluss verschwindet. Er steckt sich eine Kippe an, zieht seine Jacke aus. Auf dem Shirt darunter steht: »Nicht nur das Laub kehrt wieder.« ¶

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WIRTSCHAFTSREGION

Berliner Stadtreinigung

»Wir haben ein Bewusstseinsproblem« Stephanie Otto führt seit einem Jahr die BSR in Berlin, Deutschlands größtes kommunales Stadtreinigungsunternehmen. Wir haben mit ihr über Haltung, Gedankenlosigkeit und Wertschätzung für einen Job gesprochen, der überflüssig werden würde, wenn es keinen Müll mehr gäbe. INTERVIEW

Marcus Pfeil FOTO

Marcel Schwickerath

Frau Otto, wann geht Ihnen das Messer in der Tasche auf? Wenn Sie in Kaugummi treten? Wenn Sie im Supermarkt wieder nur die Gurke in Plastik eingeschweißt bekommen? Oder wenn Sie am Montagmorgen Müll verstreut im Park liegen sehen, weil die Papierkörbe mal wieder überfüllt waren? Stephanie Otto Das Thema eingeschweißtes Obst und Gemüse hat sich ja zum Glück verbessert in den letzten zwei Jahren, weil der Handel inzwischen Lösungen hat, die Gurke auch ohne Plastik haltbarer zu machen. Insofern nervt mich der Müll im Park besonders, weil er mich immer daran B*

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WIRTSCHAFTSREGION

Berliner Stadtreinigung

erinnert, wie Leute sich draußen verhalten. Zwar sind wir am Ende bei einigen Grünflächen in Berlin dafür da, den Park wieder sauber zu machen, aber das ist ja ein schönes Beispiel dafür, dass es beim Verhalten jedes Einzelnen anfängt. B*

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Können Sie Bewusstsein und Verhalten verändern? Hier leisten wir mit unseren Kampag­nen schon seit 20 Jahren Aufklärungsarbeit. Aber ich finde es immer wieder interessant, warum die Leute denn etwas fallen lassen. Vermutlich sieht es bei den meisten zu Hause sauber aus, nur empfinden sie den Park offenbar nicht als ihr Zuhause. Und am Ende ist es eine Frage des Bewusstseins. Letztes Jahr haben wir bei meinem alten Arbeitgeber in Köln beispielsweise Bürgerinnen und Bürger interviewt, und eine Frau engagierte sich dafür, dass die Leute ihren Müll im Park doch selber einsammeln sollten. Während sie das sagte, schmiss sie ihre Kippe weg. Als ich sie darauf ansprach, war sie total erschrocken über sich selber, weil ihr das überhaupt nicht bewusst war. Wie kommen Sie ins Unterbewusstsein der Menschen? Das ist erst mal eine Frage von Wissen und Bewusstsein. Wir brauchen Vorbilder, und ich glaube, dass ein Vorbild vor allem bei den Kleinsten anfangen muss. Wir gehen deshalb in die Kitas und Schulen, um zu sensibilisieren. Weil Kinder dann auch bei ihren

Eltern eine Veränderung auslösen. Wir hinterfragen, was wie von der Wirtschaft produziert wird und was von den Menschen konsumiert wird. Oder wie sich Müll so trennen lässt, dass er möglichst sortenrein bei uns ankommt. Damit die Kinder verstehen, dass wir dann besser kompostieren oder leichter Biogas für unsere Flotte gewinnen können. Da zum Beispiel ist es wichtig, dass wir die Qualität verbessern, weil wir doch feststellen, dass wir einiges an Plastik in der Biotonne haben.

Ent­sorgungs­sicherheit. Gelebte Kreislaufwirtschaft, das ist unser Anspruch, und darum wird auch die Hälfte unserer Autos mit Gas aus Bio-Müll angetrieben. Oder dass wir gerade erst ein eigenes Kauf haus, die »NochMall«, für Dinge aus unseren Recyclinghöfen eröffnet haben, um für das Thema Zero Waste und Kreislaufwirtschaft zu sensibilisieren. B*

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Wie lebt es sich in Berlin mit Augen, die ständig Müll sehen müssen? Es ist ja immer gut, mit offenem Blick durch die Stadt zu gehen. Und ja, ich habe auf jeden Fall eine selektive Wahrnehmung. Das hat sich auf meine ganze Familie übertragen, so schickt mir beispielsweise mein Mann Bilder von Müllbehältern aus anderen Städten. Als Sie vor einem Jahr ihren Job hier in Berlin anfingen, nannten Sie die BSR ein »kommunales Vorzeigeunternehmen«. Wie haben Sie das gemeint? Vorzeigeunternehmen, weil wir unser unternehmerisches Handeln darauf ausrichten, die Balance aus Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung zu halten. Aber wird die BSR nicht nur als Müllverbrennungsanlage wahrgenommen? Oft ist das so. Darum ist es ja auch wichtig, den Menschen klarzumachen, dass Ökologie mehr bedeutet als

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Gelänge es Ihnen, Berlin müllfrei zu machen, würden Sie sich selbst abschaffen. Wie fühlt sich das an? Das Land hat sich für Berlin ja das Ziel gesetzt, Zero-Waste-Stadt zu werden. Dazu gibt es mit dem Abfallwirtschaftskonzept für die nächsten zehn Jahre zahlreiche Maßnahmen. Wir übernehmen für dieses Ziel gerne eine aktive Rolle, die ich im Umweltausschuss mit einigen Beispielen hinterlegt habe. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass selbst wenn alle Maßnahmen des sogenannten Öko-Szenarios greifen, wir in zehn Jahren immer noch 800.000 Tonnen Abfall im Jahr hätten, der energetisch verwertet werden muss. Hierzu stellen wir die notwendigen Anlagen zur Verfügung – immer mit Blick auf eine ausgewogene ökologische und ökonomische Ausgestaltung. Genauso wie wir auch für die Stadtsauberkeit uns bestmöglich aufstellen, um eine saubere Stadt und damit ein gutes Gefühl für Berlin zu ermöglichen. Und das bringt uns wieder zurück zum Anfang – Zero Waste und eine saubere Stadt geht nur gemeinsam – und fängt bei jedem Einzelnen an. ¶

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ENGAGEMENT

Dr. Knabe

Der Regenmacher

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Stephan Knabe führt eine der erfolgreichsten Steuer­ beraterkanzleien Deutschlands, er unter­hält eine Stiftung in Afrika und legt in Potsdam Grünflächen an. Nebenbei trainiert er für einen Marathon und fährt schwimmende Autos. Eine Geschichte über Neugier und Engagement. TEXT

Olivia Rost FOTOS

Marcel Schwickerath

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ENGAGEMENT

Dr. Knabe

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Der Tiefe See und die Schiff­ bauergasse in P ­ otsdam: Wunschstandort für Dr. Stephan ­Knabe und seine Kanzlei. 55 Angestellte, ergonomisch ausgestattete Büros – und für alle Fälle ist eine Psychologin im Team. Neubau in Schiffsform am See und mit Fitness-Studio von ­Katharina Witt im Erdgeschoss. dr-knabe.de

von Katharina Witt im Erdgeschoss – das alles an einer der besten Adressen in Potsdam, die Knabe doch schon wieder zu klein wird. Seine Kanzlei wächst. Sie gehört laut Handelsblatt, Manager Magazin und Focus zu den besten in Deutschland. 3

Zum Tiefen See wollten wir eigentlich gehen, dort foto­ grafieren und sprechen. Aber es regnet Bindfäden am Tag unseres Treffens mit Stephan Knabe. Also schnell ins Trockene, rüber ins Firmen­gebäude, das sich wenige Schritte vom Ufer entfernt zum Wasser spitz ausrichtet wie ein Schiff vor dem Stapellauf. Im Bug ganz oben hat der Gründer und Inhaber der Dr. Knabe GmbH sein Büro, genießt den Rundumblick auf den See und auf das Gelände, wo einst Husaren gedrillt, Uniformen ge­waschen und Dampfschiffe gebaut wurden. Und wo der Schutt aus dem Zweiten Weltkrieg neue Inseln geschaffen hat, auf denen sich heute Kultur und Gewerbe b ­ ündeln. Die Schiffbauergasse erzählt spannende Geschichten, und die Bewohner der Nr. 15 schreiben sie seit einem Jahr mit. Dunkler Anzug, offenes weißes Hemd, Dreitagebart, so sitzt ­ tephan Knabe am Tisch, nimmt seinen Cappuccino mit SojaS milch – aber ohne Keks. Beim nächsten Marathon, egal wo dieser trotz Corona-Einschränkungen stattfindet, will er dabei und fit sein. Er achtet auf seine Gesundheit und auf die seiner 55 Mit­ arbeiter. Stehsitztische mit Tageslichtlampen, Ruhebereiche, ein Massageraum und vergünstigtes Training im Gesundheitsstudio

»Da mussten wir liefern« In diese Listen habe er sich nicht eingekauft, betont der promovierte Ökonom. Den Erfolg bringen für ihn das breite ­L eistungsspektrum und vor allem die Mitarbeiter. Beim Blick auf die Internetseite stellt man fest, dass sich die M ­ enschen der Kanzlei sogar zu ähneln scheinen. Knabe bestätigt: »Nicht nur das, sie denken auch ähnlich.« So auch während des Lockdowns. Da blieb die Mannschaft an Bord und gab den Mandanten, was diese ­dringend wünschten: das Gefühl von Kontrolle und Stabilität. »Es war der Moment, in dem ein Steuerberater l­iefern musste«, erinnert er sich. Das Team peitschte alle Corona-Soforthilfeanträge am ersten Tag durch, er selbst gab mehrmals wöchentlich über Radio Potsdam Expertentipps und schrieb die berühmt gewordenen »Corona-Mails« mit den wichtigsten Informationen: Wo erhalte ich die Soforthilfe, wie bekomme ich ein KfW-Darlehen? Wie funktioniert das mit der Umsatzsteuer­stundung und mit dem Kurzarbeitergeld? »Wir sind morgen wieder da«, war das erleichternde Signal nach innen und außen. Es setzte Kräfte frei und brachte nebenbei auch neue Mandanten. »Meine Leute hatten ein Ziel, einen Sinn. Sie waren systemrelevant, konnten Menschen helfen«, erinnert sich Stephan Knabe und schaut aus dem Fenster auf das Gelände, auf dem das kulturelle Leben langsam wieder anläuft. Wie überall ist auch in Potsdam vieles ins Stocken geraten. In der Kanzlei aber ging es rund. →

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Dr. Knabe

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São Tomé und Príncipe – der ­zweitkleinste afrikanische Staat liegt im Golf von Guinea. Mit seiner Stiftung unterstützt Stephan Knabe Bildung und Wirtschaft auf der Inselgruppe. Ein Holzboot steht als Regal im »Afrika-Zimmer« der Kanzlei. Die Schokoladen stammen aus São Tomé und Príncipe, Knabe will sie in Deutschland vertreiben. Ausgleich im Grünen: Alpakas und Hühner im eigenen Garten mit kultiviertem Birkenwald und ­Streuobstwiese.

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Der Lockdown ließ sich zur umfassenden Digitalisierung nutzen und zum Teambuilding. Vor allem bestätigte er die interdisziplinäre Aufstellung, mit der die GmbH Mandanten begleitet – durch das Leben und mitunter darüber hinaus bis hin zur Testamentsvollstreckung. Die Fachgebiete Steuerberatung, Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung sowie eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit einer Datenschutzgesellschaft greifen ineinander und sind mit ausgewiesenen Experten besetzt. So auch die jüngste Tochter­ gesellschaft, die sich mit psychologischer Beratung beschäftigt. Ein Angebot, das Mitarbeiter und auch Mandanten nutzen, etwa bei Nachfolgeregelungen, die fast immer Konfliktstoff bieten. Alles ist Psychologie – weiß Stephan Knabe, dessen eigenes Leben reich an Wendungen war und ist. Vom Physik-Olympiade-Sieger zum Steuerberater Schon der Großvater war Bücherrevisor, die Mutter Steuerberaterin. Aber der Sohn hatte andere Pläne. Aufgewachsen in der DDR, hob er dank Spitzenförderung in Richtung Flugzeugbaustudium ab und wurde mit 16 Jahren der letzte Physik-­OlympiadeSieger der DDR. Kurz darauf fiel die Mauer, und mit ihr die naturwissenschaftliche Karriereplanung. Auf Bitten seiner Eltern wurde er zunächst Steuerberater, dann noch Wirtschaftsprüfer, später Richter am Landgericht, Dozent – um nur einige Positionen zu nennen. »Steuerberater, das ist gar nicht zum Gähnen, sondern ein toller Beruf«, findet Stephan Knabe. »An einem Tag schaue ich mir eine Rennpferdezucht an, am nächsten Tag treffe ich mich mit einem, der Häuser baut, dann mit jemandem, der Milch aus Erbsen macht.« Ein Unternehmen kennt er meist besser als sein

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Inhaber. Geachtet sei man, aber auch ein Buddy, ein Lebensberater. Manch ein Mandant fragt zuerst ihn, ob er sich scheiden lassen soll, bevor es der Partner erfährt. Und wenn er erkennt, dass ein Kunde gerade seine Gesundheit gegen die Wand fährt, versucht er gegenzusteuern. Dann provoziert er auch schon mal, sagt: »Wir brauchen uns über Altersvorsorge nicht zu unterhalten – Sie werden es gar nicht erleben.« Seine Direktheit kann wach machen – das spiegeln ihm die Mandanten zurück, die als mittelständische Unternehmer, so wie er selbst, »in einem unmenschlichen Spannungsfeld stehen«. Sehnsucht nach Afrika Gleich neben dem Eingang der Kanzlei liegt das »Afrika­ zimmer«, ausgestattet mit dunklen Ledersesseln und einem großen Globus. Mit dem Finger streicht Knabe an der Elfenbeinküste entlang. Wie ein winziges Staubkorn liegt im Golf von Guinea die Inselgruppe São Tomé und Príncipe. Der ehemalige Bruderstaat der DDR (»ich bin halt Ossi)« weckte seine Neugier, er fuhr hin und lernte dort eine Deutschlehrerin kennen, deren P ­ rogramm vom Deutschen Akademischen Austauschdienst gerade auslief. Wo kein Programm mehr ist, lässt sich ein neues aufstellen, dachte er sich und gründete die Dr. Stephan Knabe Stiftung. Sie trägt mittlerweile den gesamten Lehrstuhl für deutsche Sprache an der Universität des kleinen Inselstaates, übernimmt die Lehrerausbildung und finanziert ein Computerlabor. An neun Gymnasien und zwei Grundschulen wird nun Deutsch als zweite Fremdsprache unterrichtet. Und wie es aussieht, wird der ­Stiftungsgründer demnächst die diplomatische Vertretung der Inselgruppe in Deutschland leiten.

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Dr. Knabe

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In Krisen ist ein stabilisierendes Umfeld wichtig STEPHAN KNABE

»Man muss in Afrika einen langen Atem haben. Hinfahren und reden«, sagt Stephan Knabe. Als er dem Min­isterpräsi­denten des Eilands seine Fitness­uhr zeige, sagte dieser: »Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit.« So viel Zeit wie die Inselbewohner, die in ausgehöhlten Baumstämmen aufs Meer zum Fischen rausfahren. Einer dieser Baumstämme steht zum Regal umfunktioniert im Afrika­ zimmer und beherbergt ein weiteres Projekt: dunkle Schokolade, zuckerarm und sehr aromatisch, da die Kakaobohnen aufgrund der hohen Temperaturen nicht geröstet werden müssen. Stephan Knabe will sie über seine Stiftung nach Deutschland importieren, ebenso wie Kaffee, der in Potsdam verarbeitet werden soll. Rastlos und vielseitig Und so produziert der Unternehmer eine Projektidee nach der anderen und weiß dafür zu begeistern. Gerade will er den ersten deutschsprachigen Reiseführer von São Tomé und Príncipe produzieren und die erste Frauenfußballmannschaft auf der Insel

aufbauen, angeregt von Turbine Potsdam, wo seine beiden Töchter mitspielen. Aktuell hat er vier Unternehmen zusammengebracht, die sich für die Corona-Schnelltestproduktion für afrikanische Staaten engagieren. Weil es so gut läuft, muss man auch abgeben, so sein Credo. In Potsdam unterhält er noch eine weitere »Gemeinnützige Stiftung für urbanes Grün«. Sie verfolgt die Renaturierung von aufgegebenen Produktionsstandorten in Wohngebieten. In seinem eigenen Garten hat er einen kleinen Birkenwald und eine Streuobstwiese angelegt, auf der Hühner laufen und Alpakas die perfekten Rasenmäher abgeben. Derweil hat hier der Regen aufgehört. Also runter zum See, auf dem die Abendsonne glitzert. In Bewegung bleiben ist wichtig, »Wenn man etwas in Rotation versetzt, bleibt es dynamisch stabil«, sagt der Technikbegeisterte, und er rät Unternehmen, mal links und rechts des Weges zu gucken. Das hat er immer gemacht, und er erfüllt sich Wünsche, die viele Menschen nicht haben oder sich nicht zugestehen. Viele reiben sich die Augen, wenn er beispielsweise mit seinem Schwimmauto auf der Havel unterwegs ist, am Ufer den Propeller einklappt und dann auf Asphalt davonbraust. Das nächste Projekt anschieben. »Meine Aufgabe sehe ich darin, der Regenmacher zu sein, Menschen für unsere Kanzlei und für gemeinnützige Projekte zu begeistern«, sagt Stephan Knabe. »Ich setze Impulse und gebe dann zur Bearbeitung ab. Vor 15 Jahren habe ich einen Spruch gelesen, den habe ich mir gemerkt: Das Schlimmste ist, wenn der Chef selber arbeitet. Der Kapitän steht nicht im Kohlenkeller auf dem Dampfer, er sagt, ob es nach Backbord oder Steuerbord geht.« ¶

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Mit Roland Berger

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AUSBLICK

Mit Roland Berger

»Wir werden einen neuen Mittelstand erleben« Ein Gespräch mit dem Unternehmensberater Prof. Dr. h. c. Roland Berger aus München über die globalen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft, über neue Arbeitszeitmodelle und gute Perspektiven für die Zukunft. INTERVIEW

Peter Sieger FOTO

Roland Berger Unternehmensberatung GmbH

Herr Professor Berger, nach 50 Jahren kontinuierlichen Wachstums gehört Ihr Unternehmen heute zu den führenden Anbietern globaler TopManagementberatung. Vor diesem Hintergrund: Wie erleben Sie ganz persönlich die von Corona ausgelösten erdrutschartigen globalen Erschütterungen? Prof. Dr. h. c. Roland Berger Am meisten um den Schlaf bringen mich die politischen Veränderungen auf dieser Welt: Der Protektionismus der USA und daraus resultierend der Handelskrieg zwischen den USA und China und leider auch zwischen den USA und Europa bzw. Deutschland. Das hat zu einer Entfremdung zwischen den USA und Europa geführt, obwohl beide sich dringend brauchen – wirtschaftlich, technologisch, politisch und auch militärisch. Dazu kommt die Uneinigkeit innerhalb der europäischen Union. Und zwar sowohl zwischen den östlichen und westlichen Mitgliedsländern als auch zwischen den nördlichen und südlichen. Global betrachtet ist auch die enorme Verschuldung im B*

Süden der EU sowie in den USA und Japan besorgniserregend. Außerdem bereitet mir Sorge, dass wir auch in Deutschland uneinig sind und die Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland durch das Aufkommen von Populismus und AFD vertieft wird. Positiv zu bewerten ist unsere Innovationskraft. Obwohl man fairerweise sagen muss, dass Europa noch hinter den USA und China zurückliegt. Insbesondere wenn es um Internettechnologien, Digitalisierung, Big-Data-Management und künstliche Intelligenz geht. Diese Technologien werden noch zu erheblichen Disruptionen in der Wirtschaft führen. Wir sollten uns darauf besinnen, Chancen zu nutzen und innovativ zu werden, indem wir die starke Stellung unserer Industrie zum Beispiel in den Bereichen Automobil- und Maschinenbau, Chemie, Medizintechnik weiter ausbauen. B*

Wie blicken Sie in die Zukunft? Müssen wir uns damit abfinden, dass Corona

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das »neue Normal« wird? Und was bedeutet das für unsere private Lebenskultur, unsere Wirtschaft und unseren Status als »Exportweltmeister«? RB Ich glaube, dass es zunächst ein »New Normal« geben wird. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo Impfstoffe und Medikamente verfügbar sind. Für den Erfolg ist wichtig, dass mit den Impfungen eine kritische Masse von 60 bis 70 Prozent der Weltbevölkerung erreicht wird. Bis dahin ist Disziplin unverzichtbar: Anpassung an die jeweiligen Veränderungen und Risikosituationen, Einhaltung der Hygieneregeln und mehr. Was der privaten Lebenskultur zurzeit fehlt, sind attraktive Angebote in den Bereichen Sport, Unterhaltung und Kultur. Hier sind leider noch keine kurzfristigen Veränderungen in Sicht. Zum Thema Exportweltmeister: Wir werden als Exportnation weiter vorn bleiben. Werden aber hinter China zurückfallen. Das Land wurde als erstes von der Pandemie getroffen und hat sie auch als erstes in den →

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AUSBLICK

Mit Roland Berger

Griff bekommen. Inzwischen läuft die chinesische Industrie wieder weitgehend normal. In Deutschland wird der Export durch die schwache Erholung der Weltwirtschaft erst langsam wieder auf das alte Niveau zurückfinden. Die Wirtschaft in der EU wird 2020 um etwa 8 bis 15 Prozent einbrechen. Ähnliches gilt für die USA und Südamerika. Hier können wir sicherlich erst 2023 mit unseren Exporten wieder Boden gutmachen. Drei Typen von Unternehmen werden als Gewinner aus der CoronaKrise hervorgehen: die innovativen Anbieter von Software für Videokonferenzen und andere IT-Systeme und die Innovationstreiber, die neue Geschäftsmodelle voranbringen. Klassische Branchen, wie zum Beispiel die Automobilindustrie, leiden zwar unter der Rezession, werden aber wieder erstarken, wenn es gelingt, Produktpalette, Geschäftsprozesse und Mitarbeiter auf Innovation zu trimmen und neue Technologien auf den Markt zu bringen. Klassische Verlierer werden die Reisebranche, also Fluggesellschaften, Gastronomie, Hotellerie, und der stationäre Einzelhandel sein. Ähnliche Erfahrungen haben wir ja schon im Golfkrieg 2 (1990/91) gemacht. Damals hat es drei Jahre gedauert, bis sich zum Beispiel die Lufthansa von dem Einbruch erholt hatte. Diesmal wird es eher länger dauern. B*

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Brauchen wir ein neues Denken? Können wir überhaupt noch langfristig planen? Wir brauchen mit Sicherheit ein neues Denken. Für die Zukunft der Unternehmen ist Flexibilität gegenüber Marktveränderungen das Wichtigste. Dabei geht es um die von außen induzierten Anpassungen. Im Arbeitsleben, aber auch bedingt durch den Wettbewerb. Und last but not least: Wir brauchen mehr Innovationen und schnellere Transformation! Zur Flexibilität gehört das Outsourcing von

Wertschöpfung zur Reduzierung von Fertigungstiefe und Kapitalintensität. Stichwort: »Asset light«. Bestes Beispiel: Flixbus und Flixbahn. Diese Unternehmen bieten Bus- und Bahnreisen an, ohne einen eigenen Bus oder Zug zu besitzen. In so einer Situation, wie wir sie jetzt erleben, sollten Unternehmen auf Szenarioplanung setzen, um flexibel zu bleiben – in den Bereichen Produkt- und Produktionsplanung, Wertschöpfung, Mitarbeiter, Kunden usw. Schnelligkeit ist auch in anderen Bereichen wichtig: Beim Beobachten des Kundenverhaltens und auch im Unternehmen selbst, wenn es um neue Technologien und mehr Förderung der Mitarbeiter, neue Arbeitsmodelle usw. geht. B*

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Wir haben seit Jahren gelernt, Globalisierung als »neue Freiheit« zu begreifen. Ohne Grenzen für wirtschaftliche Expansion und internationalen Austausch in Forschung und Technologie. Mit allen Möglichkeiten für Urlaubsreisen rund um den Globus – ohne Rücksichtnahme auf fremde Kulturen und politische Systeme. Mit Blick in die Glaskugel: Was wird davon übrig bleiben? Alles wird übrig bleiben – und mehr werden! Globalisierung wird nach der Rezession und den protektionistischen Bestrebungen einiger Länder weiterhin ein wichtiger Entwicklungsfaktor sein. Globalisierung ist wichtig, damit die internationalen Wertschöpfungsketten funktionieren, und trägt weltweit zur Steigerung des Wohlstands bei. Zu besserer Gesundheitsversorgung,

Wir werden als Exportnation weiter vorn bleiben

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Roland Berger ist wohl der weltweit bekannteste deutsche Unternehmensberater. Das 1967 gegründete Beratungsunternehmen trägt noch immer seinen Namen, obwohl er sich längst aus dem operativen Business zurückgezogen hat. Großen Wert legt der Gründer auf die Feststellung, dass Roland Berger das einzige weltweit führende Beratungsunternehmen mit nicht angelsächsischen Wurzeln ist. Prof. Berger wurde in knapp 30 SachverständigenKommissionen mehrerer Landes- und Bundesregierungen berufen. Er ist Mitglied diverser Aufsichtsräte und Beiräte nationaler und internationaler Unternehmen, Organisationen und Stiftungen. Die »Roland Berger Stiftung« verleiht einen Preis für Menschenwürde und fördert begabte Jugendliche aus sozial benachteiligten Schichten. Seit 2015 unterstützt die Stiftung zudem unbegleitete Minderjährige, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen. rolandberger.com

gerechteren Bildungschancen und höherer Lebenserwartung. Eine aktuelle Prognos-Studie hat ermittelt, dass in den letzten 30 Jahren der Wohlstand in Japan pro Jahr und Einwohner um 1.700 Euro gewachsen ist, gefolgt von Irland, der Schweiz, Finnland und Israel, den Niederlanden und Deutschland mit über 1.100 Euro pro Kopf und Jahr. Relativ zum Brutto­ inlandsprodukt ist das Einkommen pro Einwohner seit 1990 in China um 680 Prozent, in Südkorea um 373 Prozent, in den neuen EU-Ländern um bis zu 350 Prozent und in Deutschland um 142 Prozent gestiegen.


AUSBLICK

Mit Roland Berger

Globalisierung ist als Wohlstands­ treiber unverzichtbar. Und sie ist wichtiger Bestandteil des weltweiten Wissenszuwachses durch Ausbildung der Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern – etwa in dort neu entstehenden Fabriken. Globalisierung sorgt dafür, dass mehr Schulen, Bildungseinrichtungen und Universitäten entstehen. Wohlstand beschleunigt Bildung und reduziert die zu hohe Geburtenrate in den Entwicklungsländern. B*

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Bekommt der 1896 von dem kanadischen Politiker George Eulas Foster geprägte Begriff »Splendid Isolation« für uns nun eine ganz neue Bedeutung? Zum Beispiel beim Tourismus: Michel­stadt und Müritzsee statt Mallorca und Malediven? Vorübergehend wird das so sein. Das hängt mit der Pandemie zusammen, aber auch mit politischen Strömungen wie Nationalismus und Protektionismus. Ich bin mir aber sicher, dass wir bald wieder weltweit reisen, global Handel treiben und investieren werden. Menschen sind von Natur aus neugierig, lernwillig, innovativ und kreativ. Auch große Trends wie die weltweite Bevölkerungsentwicklung und die wachsende Migration werden uns dazu zwingen, wieder zu mehr Globalisierung zurückzukehren, über Grenzen hinaus zu denken, Handel zu treiben und zu investieren. Und es werden die neuen Technologien sein, die internationale Kommunikation und Zusammenarbeit fördern. »Splendid Isolation« sehe ich als kurzfristiges Phänomen für zwei bis vier Jahre, danach nicht mehr. Unternehmen empfehlen Sie einen »360Grad-Checkup« und ein »PerformanceProgramm«, um nach der Krise wieder durchzustarten. Was meinen Sie damit? Zum »360-Grad-Check-up« gehört alles: von der Strategie über innovative

Wichtig dabei: Flexibilität auf allen Stufen

Investitionen, neue Produkte und produktivere Wertschöpfungsketten bis hin zu Innovationen, Prozessen, Mitarbeitertrainings und wettbewerbsfähigen Kosten. Vielleicht gibt es bald Airlines, die nach dem Flixbus-Modell funktionieren. Sie verfügen über Start- und Landerechte, Kundenbeziehungen, Vertrieb und Marke, andere Unternehmen stellen Flugzeuge und Piloten zur Verfügung. Wir müssen uns daran gewöhnen, alles infrage zu stellen. Performance-Programm heißt zunächst, das Unternehmen wettbewerbsfähig zu gestalten und dann den Wettbewerb zu übertreffen. Wichtig dabei: Flexibilität auf allen Stufen, auch bei den Strukturkosten und bei der Mitarbeiteraus- und -weiterbildung. B*

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Sie rechnen für das dritte Quartal 2020 mit einem weltweit »spürbaren Aufschwung«, der von China angeführt wird. Woran machen Sie diese Prognose fest? Und wie viel Stabilität trauen Sie diesem Aufschwung zu? Die Produktion in China läuft schon fast wieder normal. Die Wirtschaft in den USA, Indien und in Europa ist stark eingebrochen. Wir werden im dritten oder vierten Quartal wieder ein kleines Wachstum haben. Allerdings noch nicht auf dem Level von 2019. Vorausgesetzt, es gibt keine zweite Pandemiewelle, die wir mit einem neuen Lockdown beantworten müssen. Es hängt viel davon ab, wie viel Innovation, Investitionen und Mitarbeiterschulung wir uns heute leisten. Dann kann es

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gelingen, 2022/2023 wieder das Wirtschafts- und Wohlstandsniveau von 2019 zu erreichen.

Das weltweit einzigartige deutsche Wirtschaftsmodell eines robusten und innovativen Mittelstandes wurde in der Vergangenheit international immer wieder als besonders krisenfest gelobt. Kann Corona dieses Modell ins Wanken bringen? RB Bei allen Unternehmen, die nicht solide finanziert, nachhaltig produktiv sind und keinen positiven NetCashflow generieren, wird es Ausfälle geben. Der klassische innovative und robuste deutsche Mittelstand – solide finanziert, technologisch spitze und mit wettbewerbsfähigen Kosten – hat alle Chancen. Es wird aber auch einen neuen Mittelstand geben. Das werden unsere Start-ups sein, die es in die kritische Größe schaffen und sich international aufstellen. Der »alte« Mittelstand ist ja heute noch meist im Familienbesitz. Der neue Mittelstand wird wegen der Geschwindigkeit des technologischen Wandels und der Notwendigkeit zu schneller Internationalisierung eher an die Börse gehen. Ohne fremdes Eigenkapital werden diese Unternehmen nicht erfolgreich sein. Das gilt für alle Startups, die groß werden wollen oder müssen. Wir haben den »alten« Mittelstand und werden einen »neuen« Mittelstand erleben, der in Sachen Kapitalisierung neue Wege geht. Viele Mittelständler sind Zulieferer für unsere Großindustrie. Sie werden sich technologisch neu erfinden. Und wir sollten nicht vergessen, dass wir in Deutschland viele weltmarktführende Mittelständler haben, die sich um ihre Kunden und ihre Mitarbeiter kümmern, fair sind zu ihren Lieferanten und ehrlich ihre Steuern zahlen. Und die noch dazu dem Gemeinwohl dienen und nicht nur dem Shareholder-Value. ¶ B*

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SZENARIO

Berliner Kreativwirtschaft – IHK

Kreativwirtschaft als Innovationsmotor Dr. Beatrice Kramm ist die erste Frau an der Spitze der Berliner IHK. Sie kommt aus der Kreativwirtschaft – und weiß als Vorsitzende der Geschäftsführung der Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft aus der Praxis, was die Kulturbranche jetzt am nötigsten braucht. INTERVIEW // KÜNSTLERPROTOKOLLE

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Dirk Bartling, Olivia Rost, Marcel Schwickerath

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Frau Dr. Kramm, was leistet die Kreativ­wirtschaft für Berlin? Dr. Beatrice Kramm Die Kreativwirtschaft gehört mit einem jährlichen Umsatz von aktuell rund 38 Milliarden Euro zu den ­tragenden Wirtschaftssäulen des Landes Berlin. Und da sind nicht die sogenannten Regionaleffekte einbezogen, also inwieweit andere Wirtschaftsbranchen wie Hotels, Gastronomie, Einzelhandel und Taxigewerbe von den Veranstaltungen profitieren. Diese Vielfalt, gerade in Kombination mit der Digitalwirtschaft und den Start-ups, müssen wir erhalten – und das werden wir auch. Sie ist unser Innovationsmotor. Allein die Kreativ­w irtschaft hat in unserem höchsten Gremium, der Vollversammlung, acht Vertreter. Die Digitalwirtschaft sogar neun. Wir unterstützen diese Vielfalt und Schnittmenge zu anderen innovativen Branchen, suchen den Dialog mit Unternehmern und Politik und

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versuchen, die Rahmenbedingungen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu optimieren. B*

Was muss getan werden, um ­K reative in und nach der Corona-Zeit zu unter­stützen? BK Die Länder und der Bund haben zwar Soforthilfe geleistet, doch hat sich auch herausgestellt, dass Organisations- und Unternehmensformen des Kreativsektors nicht unbedingt kompatibel zu den Vorstellungen der öffentlichen Hand sind. Denken Sie an das Verwendungsverbot der Soforthilfen für den eigenen Lebensunterhalt – genau das ist aber eine der Hauptsorgen vieler kreativer Soloselbstständiger, und dies gilt natürlich auch für andere Branchen. Andere Teilbereiche konnten sogar in der Krise profitieren, etwa die GamingIndustrie. Die Politik ist gefordert, jetzt zielgerichtete Instrumente zur Unterstützung hilfsbedürftiger Unternehmen und Kreativer zu entwickeln.

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Wie geht es den Filmschaffenden der Polyphon? Finden Dreharbeiten statt? BK Die Polyphon hat ihre Beschäftigten unmittelbar mit dem Lockdown ins Homeoffice geschickt und alle Dreharbeiten gestoppt. Es wurden zunächst neue Standards für die Fortsetzung der Dreharbeiten durch die Berufsge­ nossenschaft erarbeitet und immer wieder an die aktuelle Situation angepasst. Ab Mitte Mai haben wir stufenweise die Arbeiten wieder aufgenommen. Noch immer sind es Zeiten der Un­sicherheit und der Angst, umso stolzer sind wir auf unsere Teams vor und hinter der Kamera. Sie konnten mit viel Kreativität und Anpassungsfähigkeit die Arbeiten abschließen. Mit jedem geplanten Dreh gehen wir große Risiken ein, gegen die Auswirkungen eines Corona-bedingten Drehstillstands sind wir nicht versichert. Der aufgespannte Schutzschirm erfasst TVProduktionen, die den wirtschaftlichen Hauptanteil haben, leider gar nicht.


SZENARIO

Berliner Kreativwirtschaft — IHK

betriebswirtschaftlich wenig Sinn. »Normalität« wird es wohl leider erst mit einem Impfstoff geben. B*

Dr. Beatrice Kramm, Präsidentin der IHK Berlin

B*

Viele Kreative sind trainiert darin, mit finanzieller Unsicherheit umzugehen. Wie ist da Ihr Eindruck? BK Grundsätzlich muss jeder Unternehmer mit finanziellen Flauten und Unsicherheiten umgehen können. Ein staatlich verordneter Lockdown war aber bisher kein Planszenario. Wenige waren auf so einen Ausfall ausreichend vorbereitet. Gemessen an der öffentlichen Verwaltung hat die Wirtschaft – soweit eben möglich – schnell, flexibel und auch kreativ reagiert. Trotzdem: das größte Problem bleibt, dass man nicht absehen kann, wie lange der Ausnahmezustand dauern wird und was das sogenannte »neue Normal« bedeutet. Besonders prekär ist die Situation bei Konzert-, Event- und Kongressveranstaltern sowie den Clubs. Ihnen ist quasi die Geschäftsgrundlage entzogen worden. Auch die Möglichkeit, unter Einhaltung der Hygienekonzepte eingeschränkt zu öffnen, ergibt

Wie wird man einmal auf diese Zeit blicken? BK Sollte das Virus eines Tages der Vergangenheit angehören, wird die Wirtschaft nicht im Vor-Corona-Zustand weitermachen können. Vor der Krise war zum Beispiel Homeoffice in vielen Unternehmen eher ein theoretischer Ansatz und mit viel Skepsis begleitet. Heute gehört es in den meisten Betrieben zum Standard. Ich gehe auch davon aus, dass man viel bewusster mit dem Thema Geschäftsreisen um­gehen wird und über neue Formen der Begegnung nachdenkt. Auf der anderen Seite ist die persönliche Be­gegnung durch nichts zu ersetzen. Wir wollen ins Theater, ins Kino und ins Konzert gehen – wir wollen im Club sein und die großen Sportevents der Stadt feiern. Gemeinsam müssen wir alles dafür tun, diese Ereignisse auch in der Zukunft zu ermöglichen, denn sie gehören zu unserem Leben. B*

Bildende Künstler fordern mehr günstige Atelierflächen in Berlin. Können Sie als IHK dahingehend unterstützen? BK Über die Kulturverwaltung gibt es diverse Förderungen und Unter­ stützungsformate. Allerdings stellen wir ja alle fest, dass es in Berlin immer enger wird. Und der Markt wird be­­ stimmt von Angebot und Nachfrage. Leider hat das Land Berlin beim Neubau von Wohn- oder Gewerbe­ flächen die selbst gesteckten Ziele bei Weitem nicht erreicht. Insofern sind die Ressourcen der Stadt begrenzt. Man muss aber von den Kunstschaffenden auch die Bereitschaft erwarten, auf günstigen Atelierflächen jenseits des S-Bahn-Rings zu arbeiten. ¶

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Gerichtshöfe Wedding Seit 1983 arbeiten Künstler­ innen und Künstler in den sechs Weddinger Gewerbe­höfen der Gesobau AG z ­ wischen Gerichtund Wiesenstraße. Hier ­existiert noch die für Berlin so ­typische Mischung aus Künstlerateliers, Werkstätten, Wohnungen und Handwerksbetrieben. Das Kunstquartier ist mit gut 70 Ateliers inzwischen eines der größten in Deutschland. Wir haben eine Künstlerin und zwei Künstler in den Gerichts­höfen ­besucht und erfahren: Sie sind krisentrainiert und ­trotzen zuversichtlich der Flaute – sofern sie sie überhaupt erleben. → gerichtshoefe.de

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SZENARIO

Berliner Kreativwirtschaft – Gerichtshöfe Wedding

Ich habe mich noch nie vor etwas verschlossen

Jan von Holleben Mein

Weg. Wissenschaft hat mich schon immer interessiert, deshalb arbeite ich als Fotograf viel mit Magazinen wie Geo, Zeit Wissen, Geolino, Spiegel Wissen zusammen. Mein künstlerischer Blick auf die Wissenschaft geht sehr über das Spiel mit Kindern – und über die Frage, wie wir vom Spielen auf andere Ebenen kommen können. Damit schließt sich ein Kreis, denn ich war zuerst Sonderschullehrer, dann habe ich Theorie und Geschichte der Fotografie studiert und verbinde jetzt alles in meiner Arbeit. Ich sehe mich als Hybrid zwischen Fotograf und Künstler. Am Wochenende ignoriere ich gerne auch mal alle Ein­ ladungen und tauche drei Tage im Studio ab. Im Januar zum Beispiel hatte ich mich für einen Auftrag für die Europäische Union zum Thema CO₂ eine Woche lang mit einem Assistenten und einem Wissenschaftler im Studio eingeschlossen und 16 Stunden am Tag fotografiert – das ist die höchste Zeit, die ich für mich erlebe. Genial ist es aber auch, eine große Produktion mit 30, 40 Leuten hier durchzuackern. Und natürlich ist es toll, wenn Audi, Ikea oder Mercedes anfragen, ob ich etwas für sie machen kann.

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Jan von Holleben studierte Sonder­pädagogik und ­machte dann am ­Surrey Institute of Art and ­Design in Farnham, E ­ ngland, 2002 den Abschluss in Theorie und Geschichte ­der Fotografie. In der ­Londoner Fotografieszene ­arbeitete er als Bildredakteur und Art Director. Seine pädagogischen Kinder­fotobücher werden weltweit publiziert und ­seine ­Arbeiten regel­mäßig inter­ national prämiert. janvonholleben.com

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Kunst und Krise. Ich habe mich noch nie vor etwas verschlossen. Künstlerische Arbeit vor dem Background kommerzieller Shootings macht mich unabhängig, denn dann kann ich auch ein paar Tausend Euro in ein eigenes Buch­ projekt stecken. Während des Lockdowns lief meine künstler­ ische Arbeit super weiter, doch Auftragsprojekte stagnierten. Bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen haben wir be­sondere Auflagen, da sind die Redaktionen gerade zögerlich und benutzen eher vorproduzierte Bilder. Der Umsatz­ verlust ist schon schwierig für meine Familie. Ich weiß, dass es in Zukunft sicherlich wieder besser geht, doch dieses Jahr ist angstbehaftet bei allen Beteiligten. Ein Wunsch. Wir bekommen von der Gesobau in den Gerichtshöfen keine Sicherheit für die Zukunft. Sollte ich die Räume hier verlieren, könnte ich mir eine solche Fläche nicht mehr leisten. Mein Wunsch ist ganz klar: bezahlbare Atelierfläche. ¶

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SZENARIO

Berliner Kreativwirtschaft – Gerichtshöfe Wedding

Man muss total unverdrossen sein

Mein Weg. Ich bin jetzt 30 Jahre lang selbstständig und gehöre zu den fünf Prozent, die von freier Kunst leben können. Ich schätze den Luxus, eine Kunst zu verwirklichen, die viel Zeit in der Herstellung braucht. Zum Beispiel dauert der letzte Schliff der Oberflächen meiner Reliefs schon mal mehrere Tage. Andere Dinge bekomme ich als Künstler nicht so einfach, etwa Wohnungen oder Kredite, weil ich keine Sicherheiten vorweisen kann. Dabei habe ich immer gut gewirtschaftet. Ein Künstler ist wie ein Forscher oder Erfinder, der aus dem Nichts etwas schafft. Keiner sagt einem, ob es gut oder p ­ rofitabel ist. Und doch habe ich natürlich Strategien, wann und wo ich Arbeiten präsentiere und zu welchem Preis ich sie verkaufe. Aber berechenbar ist trotz langer Erfahrung nichts. Ich habe an H ­ underten Ausstellungen teilgenommen, die eine läuft toll, die andere vielleicht gar nicht. Man wird von etwas anderem angetrieben, so wie ein Geiger, der einen bestimmten Ton treffen will.

Jakob Roepke

Kunst und Krise. Ich mache mir derzeit keine Sorgen, weil ich schon einige Krisen überstanden habe, zum Beispiel 2008 die Finanzkrise. Das ist ein Training. Man muss total unverdrossen sein und weiterarbeiten. Es gibt in diesem Jahr weniger Atelierbesucher, und Ausstellungen fallen aus. Dafür bin ich gerade im Gespräch mit einer dänischen Innen­ architektin, die meine Reliefs als Bauelemente einsetzen möchte. Andere Einnahmequellen sind Lehraufträge und das Coaching von Künstlern. Ein Künstler braucht Selbstvertrauen und muss immer wieder Apfelbäume pflanzen.

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Jakob Roepke ist Maler, Zeichner und ­Skulpteur. Er studierte an der H ­ ochschule für ­Gestaltung in Offenbach und am Edinburgh ­College of Art. Seit 1996 lebt er in ­Berlin. Seit 1988 werden weltweit Werke von ihm ausgestellt.

Ein Wunsch, den jeder von uns hat, sind sichere Atelierräume. Wir wollen, dass in die Gerichtshöfe keine Büros oder Co-Working-Spaces hereinkommen. Die spezifischen architektonischen Gegebenheiten sind wertvoll, sie lassen sich für Werkstätten, Handwerksbetriebe und Ateliers viel sinnvoller nutzen. Ein ­Atelier ist Arbeitsstätte, Treffpunkt und Ausstellungsort. Ich hoffe, die Gesobau weiß, was sie daran hat. Das hier wird wirklich gebraucht. ¶

jakob-roepke.de

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SZENARIO

Berliner Kreativwirtschaft – Gerichtshöfe Wedding

Kreativität macht mich stabil Mein Weg. Als Künstlerin kann ich eine eigene Sprache für meinen Blick auf die Dinge finden. Deshalb interessieren mich auch verschiedene Erzählmethoden. Ich habe Schauspielregie an der Hochschule Ernst Busch studiert und dort gelernt, wie Geschichten funktionieren. Seitdem denke ich für den Zuschauer mit, ganz gleich ob es Texte, Bilder, ­Collagen und Objekte sind – oder auch deren Verknüpfung. Bei meiner Arbeit bin ich Produzentin, Marketingfrau, Vertrieblerin in einem – und setze mir Ziele wie eine Unternehmerin. Dazu gehört es, wirtschaftlich zu denken und bei Flauten mehr Zeit in die Produktion zu stecken. Kreativität macht mich stabil. Egal was um mich herum passiert, ich produziere. Ich bin ein Kraftwerk, laufe immer. Und schaffe in dieser Zeit Werte.

Susanne Schirdewahn

Kunst und Krise. Wenn jemand sich mit Krise auskennt, dann Künstler. Das ist mein Stoff, den ich verwandeln kann. Während des Lockdowns war ich viel im Atelier und bin dort in einen richtigen Schaffensrausch geraten. Gedanklich habe ich mich mit verschwindenden Paradiesen auseinandergesetzt. Wie es ist, wenn die heile Welt kippt. Da bietet Kultur gerade jetzt Orte, an denen sich Menschen mit all ihren Gefühlen zu Hause fühlen können. Vielleicht auch deshalb habe ich während der Pandemie bislang gut verkauft. Interessenten meldeten sich plötzlich nach langer Zeit, es gab Anfragen über Instagram. Daneben unterrichte ich und habe eine kleine Fangemeinde für die Artikel, die ich schreibe. Entscheidend ist: Ich kann das machen, was für mich wichtig ist, insofern sehe ich mich als erfolgreich an. Je älter ich werde, desto frischer bin ich im Kopf. Ich bin viel mutiger und konsequenter als vor 20 Jahren und verkaufe seit einigen Jahren gut im In- und Ausland. Irgendwann will ich ins Moma in New York, das ist mein Ziel.

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Ein Wunsch. Ich wünsche mir, dass der Stellenwert der Kultur mehr geschätzt und kommuniziert wird. Die 16 Millionen Touristen im Jahr sind nicht nur wegen der tollen Bars in Berlin, sondern weil es hier einen besonderen kreativen Geist gibt. Wertschätzung kann man über Sponsoring weitergeben, über Atelier­sicherung und über Ausstellungsmöglichkeiten. Möglicherweise auch über Existenzgeld, weil wir eine Basis schaffen für das, was sonst noch entstehen kann. Denn Ateliers und Galerien werten Stadtteile auf, und Kunst ist auch ein Wirtschaftsfaktor für die Stadt. ¶

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Susanne Schirdewahn malt, collagiert, foto­ grafiert, gestaltet ­Objekte. Sie schreibt Bücher, textet, be­bildert ­Zeitungskolumnen und ­moderiert. ­Studiert hat sie von 1994 bis 1999 Schauspiel­regie an der ­Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Seit 2013 ist sie ­Mitglied im ­Verein der ­Berliner Künstler­innen 1867 e.V. Sie lebt und ­arbeitet in Berlin. susanne-schirdewahn.de


SZENARIO

Berliner Kreativwirtschaft – drei Protokolle

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KOLUMNE

Stefan Bielmeier

Das größte Plus: Stabilität und Robustheit Die deutsche Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Im zweiten Quartal brach das Bruttoinlandsprodukt um über zehn Prozent ein. Dennoch zeigten viele Unternehmen eine hohe Stabilität und werden die Krise weitgehend unbeschadet oder nur mit geringen Einbußen überstehen.

DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier

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Nach Abschluss seines Studiums der Volks­wirtschafts­lehre begann Stefan Bielmeier im Jahr 1996 seine Karriere bei der Deutschen Bank AG. Im Juni 2010 trat er in die DZ BANK ein. Er leitet dort den Bereich Research und Volkswirt­ schaft und ist Chef­volkswirt der DZ BANK. Daneben wirkt ­Stefan Bielmeier in ver­schiedenen ­Gremien mit. Neben den Funktionen in der DZ BANK ist er auch Vorsitzender des Vor­standes der DVFA – Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e. V., des Berufsverbands der Investment Professionals in Deutschland. Auf www.bielmeiersblog.dzbank.de selektiert, analysiert und kom­mentiert Bielmeier wirtschafts­ relevante und politische Themen.

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Dafür gibt es gute Gründe, offensichtliche und weniger sichtbare: Offensichtlich sind die umfangreichen Staatshilfen sowie die solide Entwicklung einiger Branchen während der Krise. Dazu ge­hören etwa die Baubranche sowie verschiedene Einzelhandelssegmente wie Lebensmittel-, Bau- und Gartenmärkte. Die Supermärkte profitierten neben ihrer Systemrelevanz von der Notwendigkeit der Kunden, zu Hause zu kochen, da ­Kantinen und Restaurants geschlossen hatten. Die höhere Nachfrage bei den Baumärkten resultierte neben der hohen Kurzarbeiterzahl daraus, dass alternative Freizeitbetätigungen wie Sport oder Kultur zumindest zeitweise nicht zur Verfügung standen. Größter Gewinner in der Krise ist der Internethandel, der im Juni ein Umsatzplus von über 30 Prozent erzielte und damit die erste Jahreshälfte mit einem Wachstum von fast 20 Prozent abschloss. Das sind selbst für diese erfolgsverwöhnte Branche außergewöhnlich gute Ergebnisse. Vorsicht ist besser als Nachsicht Viele Firmen konnten in der aktuellen Situation aber auch von ihrer Widerstands­ fähigkeit profitieren. Die Finanzmarktkrise hatte den Unternehmen vor gut einem Jahrzehnt verdeutlicht, dass es für die Wirtschaft nicht nur eine Einbahnstraße nach oben gibt. Daher sorgten sie danach vermehrt für den Fall vor, dass sich etwas

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Ähnliches wiederholen könnte. Nach Berechnungen des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken BVR wuchs etwa die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand seit dem Jahr 2008 kontinuierlich von weniger als 18 Prozent auf mittlerweile deutlich über 27 Prozent. Dies steigerte die Stabilität vieler Unternehmen und verschafft den Mittelständlern nun einen ordentlichen Puffer. Schnelle Reaktion von Vorteil Krisenfestigkeit bedeutet aber auch, auf veränderte Anforderungen möglichst schnell reagieren zu können. Eine Sonder­u mfrage der DZ BANK zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Mittelstand ergab, dass immerhin jedes neunte Unternehmen seine Unternehmenstätigkeit oder seine Produktion als Reaktion auf Unternehmensschließungen, Umsatzeinbrüche oder Nachfrageveränderungen neu ausrichtete. So haben manche vom Lockdown direkt betroffene Einzelhändler ihre gesamte Energie in den Aufbau eines Webshops gesteckt, um zu verhindern, dass ihre Umsätze gänzlich wegbrechen. Trotz aller Lichtblicke und auch wenn das Schlimmste mittlerweile hinter uns liegen dürfte, wurden Stabilität und Robustheit, die der Mittelstand über viele Jahre bewiesen hat, in dieser Krise deutlich auf die Probe gestellt. ¶


KULINARIK

Villa Kellermann

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Patricia Liebscher leitet das Restaurant Villa ­Kellermann – für sie ­bereits das achte ­Restaurant mit Tim Raue. Wohlfühlen wird hier großgeschrieben. Von jedem Raum aus sieht man den Heiligen See.

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Oma – mir schmeckt’s! Wer erinnert sich nicht gern an Besuche bei Oma oder Tante? Es war gemütlich, man wurde verwöhnt – und stets köchelte etwas Leckeres auf dem Herd. Das Restaurant Villa Kellermann, das Günter Jauch zusammen mit dem Berliner Sternekoch Tim Raue 2019 in Potsdam eröffnete, greift diese Erinnerung auf – ergänzt allerdings in puncto Küche und Ambiente ein deutliches Quäntchen Luxus. TEXT

Ernestine von der Osten-Sacken FOTOS

Marcel Schwickerath

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Die Zeit scheint stillzustehen. Das spürt man bereits beim Betreten der Villa Kellermann: Eine Marmortreppe führt hinauf ins holzgetäfelte Foyer, das von einem futuristisch anmutenden Lampenkranz gekrönt wird. In den hellen, stuckverzierten Räumen dahinter schimmert warmer Samt, Parkettböden spiegeln das Tageslicht. Hier fühlt man sich sofort geborgen. Das ist Kern des Gesamtkonzepts. »Wir möchten unseren Gästen das Gefühl geben, dass sie hier bei einer reichen Großtante oder ihrer wohlhabenden Oma aus den 1920er-Jahren zu Besuch sind«, erläutert Patricia Liebscher. Die 34-Jährige ist Restaurantchefin in der Potsdamer Gründer­ zeitvilla, die Günther Jauch vor rund drei Jahren erstanden und gemeinsam mit Sternekoch Tim Raue zu einem edlen kulinarischen Treffpunkt gemacht hat, zu dem es Potsdamer, Brandenburger und Berliner gleichermaßen zieht. Das hat in dem prunkvollen Haus, das 1914 im edlen Villenviertel Berliner Vorstadt für einen königlichen Zeremonienmeister erbaut wurde, durchaus Tradition. Bereits zu DDR-Zeiten war das Gebäude Sitz des Kulturbunds – und damit auch ein Ort, wo man zusammenkam und feierte. Auch nach der Wende war die Villa – die nach dem Potsdamer →

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KULINARIK

Villa Kellermann

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Ein Händchen für kulinarische Finessen und ein Auge fürs ­Detail: Küchenchef ­Christopher Wecker. Alt trifft auf Modern – das ist Teil des Gesamtkonzepts der Villa Kellermann. Der grüne Salon ist eine gestalterische Hommage an die Wälder Brandenburgs. Im »Elefantensalon« tummeln sich Dickhäuter auf den Tapeten und Füchse, Hasen und Pfaue auf Sitzpolstern. Im Salon »Alter Fritz« wacht Andy Warhols Porträt des Preußenkönigs über das Geschehen. villakellermann.de

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KULINARIK

Villa Kellermann

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Schriftsteller Bernhard Kellermann benannt wurde – gern besucht, denn in der Beletage befand sich ein italienisches Restaurant. Danach stand das denkmalgeschützte Gebäude fast zehn Jahre lang leer – bis Günther Jauch es liebevoll restaurieren ließ und neu belebte. Alt und Modern geschickt kombiniert Im September 2019 wurde die Villa Kellermann wiedereröffnet. Für die Inneneinrichtung gewannen Jauch und Raue die Berliner Architektin Ester Bruzkus. Sie interpretierte die Assoziation der begüterten Großtante mit viel Samt, Spiegeln, Stoffdekoren und Tapetenmustern aus den 1920er- und 1930er-Jahren und kontrastierte das Bild mit modernen Elementen. Jeder der vier Salons erhielt ein eigenes Thema. Im Salon »Alter Fritz« bestimmen warme Rot- und Gelbtöne das Ambiente – bis hin zu den »rough« verputzten Wänden. Preußischblau ist die Grundfarbe des Elefantensalons. In den beiden grünen Salons prägen Grün- und Brauntöne das Ambiente – eine Hommage an die Wälder Brandenburgs. Tische, Stühle und Bänke sind jeweils als zentrale Ensembles im Raum arrangiert. Das vermittelt Geborgenheit und bietet den Gästen fast überall einen unverstellten Blick auf den See vor dem Haus.

Der Renner der Küche: Königsberger Klopse Alt und Modern spielen überall in der Villa Kellermann geschickt zusammen. Das gilt auch für die Speisekarte: »Unsere Küche geht auf das Konzept von Tim Raues ›La Soupe Populaire‹ zurück, das Omas Rezepte neu interpretierte. Diesen Ansatz haben wir behutsam in Richtung ›reiche Großtante‹ weiterentwickelt«, erzählt Küchenchef Christopher Wecker, der mit Raue bereits seit acht Jahren zusammenarbeitet. So finden sich auf dem Menü klassisch deutsche Gerichte, verfeinert und modern kombiniert. Etwa Kürbissuppe mit Mandarine und Quinoa, Waldpilz-Bouillon mit Topinambur und Grünkohl oder selbst gemachte Fischstäbchen für die Kleinen. »Der Renner sind allerdings unsere Königsberger Klopse aus Kalbsfleisch«, freut sich Wecker. Aale vom regionalen Lieferanten Gern integriert Küchenchef Wecker auch regionale Produkte in die Kreation seiner Gerichte. Auf kuriose Weise landete so etwa der geräucherte Aal auf der Speisekarte der Villa. »Plötzlich stand ein Typ mit Totenkopfringen, Harley-Davidson-Jacke und einer Kiste voller Aale vor der Tür und sagte: ›Ey, ick hab Fisch‹«, erinnert sich Wecker: »Das war der beste Räucheraal meines Lebens. Der Mann ist seitdem unser fester Lieferant.« Von einem Obsthof in Werder stammen der rote Apfel- und der Quittensaft auf der Karte. Die Weine bezieht die Villa Kellermann aus italienischen, französischen und deutschen Anbaugebieten. Darunter auch Weine vom Jauch-eigenen Weingut von Othegraven. Und wie wird die Geschichte der Villa Kellermann weitergehen? Darauf hat Christopher Wecker eine klare Antwort parat: »Unser Ziel ist es, das beste und beliebteste Restaurant im Umkreis zu sein. Und dass die Gäste nach einem Essen bei uns nach Hause gehen und sagen: Das war der schönste Abend seit Langem.« Die Großmutter würde das sicherlich freuen! ¶

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Buchstabenmuseum

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» Irgendwann kom m en die Buchstaben alle zu uns « Optimismus und Geduld gehören wohl zu den wichtigsten Eigenschaften, die man braucht, um in Berlin ein Buchstabenmuseum zu betreiben – und natürlich Leidenschaft. Die Leidenschaft für Buchstaben in jeder Form. Barbara Dechant hat sie. TEXT

Till Brauckmann FOTOS

Marcel Schwickerath

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Buchstabenmuseum

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Ein riesiges »W« ragt aus dem Gebüsch vor den Gewölben in den S-Bahn-Bögen 424. Barbara Dechant, Österreicherin, Mitbegründerin und Leiterin des Buchstabenmuseums im Berliner Hansaviertel, begrüßt uns freundlich mit charmantem Wiener Schmäh. Neben dem Empfangstresen lehnen drei mehrere Meter hohe rote Lettern hintereinander an der Wand des Gewölbes. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich um ein altes AEG-Logo. So groß, dass es durch keine der Türen zu den übrigen Räumen passt und darum im Foyer verbleibt. Es sei nicht einfach, außer-

gewöhnliche und hochwertige Exponate wie diese zu bekommen, sagt Barbara Dechant. Erst seitdem das Museum unter einer festen und vor allem bleibenden Adresse firmiert, erhält es besondere Stücke wie diese. Selten lässt sich so genau auf die Bestandteile unserer Sprache schauen wie hier: »Buchstaben« – auch Lettern, Schriftzei­chen oder Glyphen genannt – ist ein Begriff aus der Zeit des aufkommenden Buchdrucks. In vielen Sprachen werden die Buchstaben in Klein- (Minuskeln oder Gemeine) und Großbuchstaben (Majuskeln oder →

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Barbara Dechant vor einem überdimensionalen Neon im Eingangsbereich – vor 15 Jahren gründete sie das Buchstabenmuseum. Die Ausstellungsräume in den S-Bahn-Bögen beherbergen Buchstaben und Schriftzüge unterschiedlichster Größe, Farben und verschiedenster Epochen.

Barbara Dechant Die gebürtige Wienerin zog schon mit 16 Jahren an den Bodensee, wechselte dann nach Innsbruck, bevor sie zunächst wieder nach Wien ging. Zwischendurch verdingte sie sich immer wieder als Taxifahrerin und Chauffeuse. Sie lernte Kommunikationsdesign und startete 1997 ihre Karriere in einer der damals international bedeutendsten Designagenturen, MetaDesign Berlin. Vor 15 Jahren gründete sie das Museum zusammen mit Anja Schulze. Seit knapp fünf Jahren führt Barbara Dechant es inzwischen gemeinsam mit ihrem Kompagnon Till Kaposty-Bliss. Zudem arbeitet sie als freiberufliche Grafikerin. Die Umstellung von Wien nach Berlin habe etwas gedauert, sagt sie. »Hier fehlt die Gemütlichkeit und das ›das geht sich schon aus‹. Dafür ist alles sehr genau. Aber für ein solches Projekt wie das Museum sind Genauigkeit, Präzision und Verbindlichkeit sehr hilfreich.« Das Museum zeigt dreidimensionale Buchstaben in allen Formen und Farben, die meisten haben das öffentliche Leben Berlins und das anderer Metropolen häufig über Jahrzehnte geprägt.

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Buchstabenmuseum

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Versalien) unterschieden. Von diesen Lettern finden sich zahlreiche in Form von Schriftzügen alter und jüngerer Unternehmen, Geschäfte und Institutionen im Buchstabenmuseum wieder. Vor genau 15 Jahren verschenkte Barbara Dechant ein imaginäres Museum in Form von Visitenkarten und Geschäftsausstattung als Gag zu einem Geburtstag. Dieses »Buchstabenmuseum« hatte keine Räume oder Exponate, was sich schnell änderte. Sehr improvisiert begann das Projekt in Barbaras Privatwohnung am

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Frankfurter Tor. Zunächst gab es nur Öffnungszeiten auf Anfrage. Doch das Buchstabenmuseum traf offenbar einen Nerv, die Adresse wechselte in die Leipziger Straße, dann über die Karl-LiebknechtStraße, den Holzmarkt bis hin zum aktuellen Standort Stadtbahnbogen 424. Nur so konnte das Museum dem Platzbedarf für die immer mehr werdenden wertvollen Exponate nachkommen. Seit fünf Jahren liegt das Museum nun in den Gewölben am Rande des architekturgeschichtlich bedeutenden Hansaviertels im Westen der Stadt.

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Sowohl die großzügigen Räume als auch die über inzwischen lange Zeit gleichbleibende Adresse machen es Barbara und ihren anderen ehrenamtlichen Helfern deutlich leichter, neue und herausragende Exponate aus der ganzen Welt zu akquirieren und auszustellen. Ehrenamtlich deswegen, weil das Museum insgesamt als gemeinnütziger Verein mit inzwischen 120 Mitgliedern organisiert ist. Notwendige bauliche, behördliche oder technische Maßnahmen wie Brandschutz, Nutzungsanträge oder eine verbesserte Elektrik werden aus Kostengründen nur


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Buchstabenmuseum

durch befreundete Architekten und andere Fachleute ausgeführt. Dringend angewiesen auf Sponsoren, finanziert sich das Museum ansonsten ausschließlich über die Eintrittsgelder. Die stete Mittelknappheit tut Barbaras Leidenschaft jedoch keinen Abbruch. Begeistert zeigt sie die neuesten Errungenschaften, die sie in roten, grünen oder blauen »Inseln« auf der Ausstellungsfläche kuratiert hat. Und die rotblonde Kreative weiß zu jeder Schrift eine faszinierende Geschichte zu erzählen. Einige dieser Stücke sind beleuchtet, andere nicht oder sind defekt. Ein altes »Lederwaren« in geschwungener Schreibschrift aus Neonröhren von 1945 leuchtet noch schwach in Blau. Die älteste Neonschrift der Sammlung »Titania Palast« ist sogar von 1928. Auf dreimal ungefähr 160 Quadratmetern sind jeweils das Foyer und die zwei Ausstellungsräume untergebracht. Hinten, am Ende des zweiten Raumes, beginnen noch einmal 160 Quadratmeter für Lager und Werkstatt. Ausgestattet mit einem schwarzen Kästchen mit Metallstab dran, dem sogenannten Tube-Tester, führt uns Barbara durch die Ausstellung. Weil längst nicht für alle Ausstellungsstücke ausreichend Stromanschlüsse vorhanden sind, kann sie mit diesem Gerät, das wie ein kleines Funkgerät aussieht, das Gas in den nicht verstromten Neonschriftzügen zum Leuchten bringen. Die Elektrik ist auch so ein Thema. Beim Einschalten eines Exponates im Eingangsbereich dauert es nicht lange, bis die Sicherung rausfliegt. Und dann macht auch noch die Feuchtigkeit in den Räumen dem Papier der Postkarten, Notizhefte und Bücher im Shop zu schaffen. Von all den Widrigkeiten lässt sich Barbara Dechant nicht entmutigen. Im Gegenteil – ihre ungebrochene Begeisterung für die alten Schriftzüge ist ansteckend. Aus aller Welt melden sich mittlerweile Fans und besorgen teilweise auf

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Ob Einzelstücke oder »Farbinseln«: Ausstellungsstücke werden immer wieder thematisch oder farblich neu kuratiert. Mit dem »Tube-Tester« kann Barbara Dechant auch ohne Stromanschluss den Gasgehalt der Neonröhren prüfen.

eigene Faust Fundstücke und neue Exponate. Durch die zunehmende Bekanntheit gibt es erfreulicherweise Anfragen, ob das Museum Interesse an zurückgebauten Leuchtschriften habe. Bei den zehn Meter hohen Lettern der »Commerzbankarena« aus Frankfurt am Main musste Barbara Dechant jedoch dankend ablehnen, schildert sie lachend. Teilweise verleiht das Museum besonders schöne und spektakuläre Stücke an Film- und Werbeproduktionen. So stehen beispielsweise Regisseur Quentin Tarantino, Sänger Udo Lindenberg oder Fahrzeughersteller Audi auf ihrer Kundenliste. Eine ganze Reihe einzelner Lettern wurde für die Digitalkonferenz re:publica verliehen. Trotz bester Kontakte zu Hochschulen und zur regionalen Kreativszene sind die meisten Besucher Touristen. In

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In der Maschine der geerbten Glasbläserei sind noch Glasröhren eingespannt. Das Buchstabenmuseum auf Instagram: instagram.com/buchstabenmuseum buchstabenmuseum.de

verschiedenen Reiseführern rangiert das Buchstabenmuseum als »hidden place«. Gerade das macht es für Barbara in Zeiten rückläufiger Touristenzahlen notwendig, ihr kulturelles Kleinod auch bei inländischen Besuchern ins Bewusstsein zu rücken. Dazu gehört auch die Vermietung der Museumsräume für Veranstaltungen oder Feierlichkeiten. Während sie von den Herausforderungen und Geschichten rund um die vielen Buchstaben erzählt, donnern S-Bahnen über unsere Köpfe hinweg. Dass die Sammlung so schnell und stark wächst, ist für die Musemsleiterin zweischneidig, zeugt es doch von einer Verdrängung dieser schönen leuch­ tenden Schriften aus dem urbanen Raum. Zwar hätten auch die großen Modeketten Leuchtschriften auf den Dächern prangen, aber kleine Neons wie »Fleischerei« oder die bunten »Zierfische« →

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Buchstabenmuseum

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verschwänden immer mehr aus dem Stadtbild, bedauert sie. Im letzten Raum, der Werkstatt, bietet sich hinter einem Vorhang ein ganz anderes Bild. Neben hohen kräftigen Holzregalen, in denen noch unzählige Buchstaben auf ihren Einsatz oder ihre Reparatur warten, stehen allerlei technische Gerätschaften, Stahltische und lange Kartons mit Glasröhren. Beim Anblick der chaotisch anmutenden Szenerie beginnen die Augen der Wienerin jedoch zu leuchten. »Wir haben eine komplette Glasbläserei aus der Nähe von Frankfurt

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geerbt«, schwärmt sie. Sie wisse zwar noch nicht, wie man die aufbaue, aber da werde sich schon jemand finden, gibt sich die Fünfzig jährige zuversichtlich. Und dann lasse sie sich zur Glasbläserin umschulen. Da sie bereits alte Beschriftungen repariere (beispielsweise für die U-Bahn-Station Hansaplatz), passe es prima, auch Neonschriften instand zu setzen. Beim Blick über dort noch herumstehende Schriftzüge murmelt sie gedankenversunken: »Ich brauche unbedingt wieder eine Flex, um die UKs durchzuschneiden.« UKs, das sind Unterkonstruktionen – meist aus

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Als aus dem ursprünglichen Ost-Berliner »Hauptbahnhof« der »Ostbahnhof« wurde, montierte man nur das »HAUP« ab – heute zu sehen in den von der Bahn vermieteten Museumsräumen.

Metall, und das Ganze ist wieder ein Fall für eine ehrenamtliche Unterstützung. Und dann erzählt sie noch von alten Buchstaben aus Kriegsruinen, riesigen Zufällen, vom »Ostgeruch«, vom einzigartigen scharfen »ß«, von Ligaturen, Pseudofraktur und charmanten Typo-Fehlern, von höflichen »Schläfern« und von dem freundlichen Herrn Glück von der Bahn. »Man muss nur lange genug warten, irgendwann kommen die Buchstaben alle zu uns«, triumphiert sie, während ein dumpfes Grollen von der herannahenden S-Bahn kündet. ¶


AHA-ERLEBNIS

Resilienz

Konstruktiv durch Krisen Die Corona-Krise hat den rund 283.000 Unternehmen in Berlin und Brandenburg viel abverlangt. Während manche Firmen schließen mussten, wuchsen andere über sich hinaus. Krisenfeste Unternehmer hätten einiges gemeinsam, sagt Thomas Rigotti, Psychologieprofessor und Research Group Leader am Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz. TEXT

Tim Müßle FOTO

Leibnitz-Institut Mainz

Herr Professor Rigotti, was befähigt Unter­nehmen, konstruktiv durch Krisen zu kommen? Prof. Dr. Thomas Rigotti Resilienz, also die Fähigkeit, trotz einer stressigen Situation und im Angesicht von Rückschlägen gesund bleiben zu können. Resilienz bedeutet hier im Bezug auf Unternehmen und auch auf Teams, sich schnell an die neue Situation anpassen zu können, dabei weiterhin effektiv zusammenzuarbeiten und die Leistung aufrechtzuerhalten. Ein Unternehmen ist dann resilient, wenn es trotz Krisen und Angriffen von außen den Profit beibehalten oder sogar noch steigern kann. B*

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Was ist der Schlüssel für Unternehmen, diese Resilienz zu erlangen? Resilienz lässt sich trainieren, und zwar auf allen drei Ebenen in Unternehmen, die in diesem Zusammenhang wichtig sind: Führungsebene, Teams und Individuen. Eine Organisation kann zum Beispiel auf der Führungsebene resilient sein und auf den anderen beiden Ebenen nicht. Das kann dazu führen, dass Unternehmen auf Krisen mit Druck reagieren – mit Massenentlassungen oder Lean Management etwa. Das kann tatsächlich für die Organisation ein Mechanismus der Resilienz sein, allerdings meist eher kurzfristig.

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Wie sieht langfristige Resilienz aus? Es gibt viele unterschiedliche Kriterien. Einige Punkte schälen sich aber schon jetzt heraus: eine schnelle Reaktions- und Anpassungsfähigkeit zum Beispiel, die umso schneller gelingt, je flexibler die Strukturen sind. Auch die Beziehung zu den Beschäftigten ist wichtig. Kurzfristig können Leiharbeiter hilfreich sein, langfristig ist es sinnvoller, die Beschäftigten so zu entwickeln, dass sie flexibel in verschiedenen Be­reichen einsetzbar sind. Was können Führungskräfte tun? Wenn ich ein Team habe, das gut funktioniert, dann kann ich auch selbst entspannter in der Krise bleiben. Man sollte darauf achten, die Ressourcen zu schonen und auch als Vorbild zu agieren. Eine faire Arbeitsverteilung gehört dazu – Menschen sind eher bereit, Gefallen zu erwidern. Und Ver­lässlichkeit: Wenn Beschäftigte in einer Geschäftsbeziehung lernen, dass sie sich nicht auf diese Be­z iehung verlassen können, dann werden sie auch nicht verlässlich handeln. Je mehr Vertrauen eine Führ­ ungskraft genießt und umgekehrt, desto mehr Kontrolle kann sie zurücknehmen und desto mehr Ressourcen hat sie. ¶

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Prof. Dr. Thomas Rigotti ist Pro­fes­sor für Arbeits-, ­Organi­sationsund Wirtschaftspsychologie an der ­Gutenberg-Universität in Mainz und Arbeitsgruppen­ leiter am Leibniz-Institut für ­Resilienzforschung in Mainz. Mehr zum Thema R ­ esilienz auf der Website des LeibnitzInstituts: lir-mainz.de/resilienz Kalisch, Raffael: Der ­resiliente Mensch: Wie wir Krisen ­erleben und bewältigen., Berlin-­Verlag in der Piper Verlag GmbH »Resilienz – Was die Seele stark macht«, Planet Wissen, SWR: kurzelinks.de/swrfilm »12 Geheimnisse für ein s ­ tarkes Ich«, Podcast der Neuen ­Zürcher ­Zeitung: kurzelinks.de/nzzpodcast

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KOLUMNE

Holm Friebe

Lifestyle of Resilience Das Paradox der Stabilität könnte man so formulieren: Stabil ist nicht stabil. Oder: Stabil allein ist nicht stabil genug. Verwechselt man Stabilität mit schierer Härte, landet man bei etwas sehr Starrem, Sprödem. TEXT

Holm Friebe ILLUSTRATION

Dirk Uhlenbrock

Das härteste Material der Welt ist ein synthetischer Kohlenstoff: BuckminsterFullerene in Xylol gelöst und unter extrem­e m Druck verdichtet. Aber kein Mensch käme auf die Idee, Autokarosserien oder Rennradrahmen aus diesem Material zu bauen. Wie sein engster natürlicher Verwandter, der Diamant, zerbröselt er, wenn man mit dem Eisenhammer draufhaut. Carbon-Geflecht weist da ganz andere Eigenschaften auf: Es ist hart, aber gleichzeitig elastisch und fängt Stöße durch Verformung ab. Die Natur, der beste Ingenieur aller Zeiten, berücksichtigt das bei ihren Kon­ struktionen. Ein Schachtelhalm, der sich im Wind biegt, ist im Zweifel stabiler als ein Glasstab. Materialforscher nennen diese elastisch federnde Stabilität »Resilienz«, was wörtlich »Zurückschwingbarkeit« bedeutet. Ließe sich diese kostbare Eigenschaft nicht anzapfen, wir könnten Gebäude kaum höher bauen als den Kölner Dom. Die Rekordwolkenkratzer der jüngeren Zeit – das Taipeh 101 in Taipeh (508 m),

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das Lakhta Center in St. Petersburg (462 m), der Burj Khalifa in Dubai (828 m) – sind allesamt raffinierte Schachtelhalmkonstruktionen mit einer horizontalen »Kopfauslenkung« von einem Meter und mehr. Der Begriff der Resilienz fand seinen Weg aus der Physik in die Pädagogik Anfang der 1970er-Jahre durch die Entwicklungspsychologin Emmy E. Werner. Damit erklärte sie, warum manche der von ihr untersuchten Kinder, die unter extrem widrigen Umständen aufwuchsen, später dennoch zu gesunden und selbstbewus­ sten Persönlichkeiten heranreiften. Psychologen und Therapeuten griffen das Schlagwort auf, um Menschen für Traumaund Krisensituationen besser zu wappnen. Seit einiger Zeit haben auch Urbanisten, Trendforscher und Unternehmensberater das R-Wort für sich entdeckt – als Chiffre für all das, worauf es in Krisenzeiten wie diesen ankommt. Ein entscheidender Faktor ist Diversität. Spätestens die Finanzkrise 2008 hat


IMPRESSUM

B* — das Businessmagazin der Berliner Volksbank berliner-volksbank.de/business-spot HERAUSGEBER Berliner Volksbank eG, Postanschrift: 10892 Berlin Tel.: 030 3063-3300, berliner-volksbank.de

gezeigt, dass breit aufgestellte Ökosysteme resilienter gegenüber unerwarteten externen Schocks (»black swans«) sind als auf Ertrag und Effizienz hochgetrimmte Monokulturen, die nur unter Schönwetterbedingungen funktionieren. Heute, in der veränderten Normalität durch Corona, können uns diese Vorüberlegungen sehr viel mehr nützen als die Effizienzstrategien von McKinsey & Co. Resilienz als neues Businessparadigma bedeutet, den Trade-off zwischen Profitmaximierung und Survivalfähigkeit zugunsten Letzterer zu beantworten. Es gilt, das sogenannte »Vitalitätsfenster« in der Balance aus Performance und Widerstandsfähigkeit zu finden. Auf individueller Ebene heißt das: LOHAS, der »Lifestyle of Health and Sustainability«, war nur das Schönwetterprogramm. LOR, der »Lifestyle of Resilience«, macht die Prinzipien der Resilienz zur Maxime eines robusten Lebenskonzeptes. Die zugehörigen Prinzipien sind Entschleunigung (dem Hamsterrad entkommen), ein gut ­d ifferenziertes Portfolio der Fähigkeiten und Lebensrisiken (das eigene Human­ kapital nicht auf eine Karte setzen!), In­vestitionen in Beziehungsnetzwerke (im Ernst­fall werden sie zum sozialen Sich­er­ungs­netz). Die Kunst des resilienten Lebens besteht genau darin, das Vitalitätsfenster zu treffen, sprich: sich zwar vor zerstörerischen Traumata zu hüten, gleichzeitig aber zu vermeiden, sich allzu sehr vor ihnen zu schützen. Als Synonym für Gelassenheit im Angesicht von Blut, Schweiß und Tränen erfand das Schweizer Gottlieb Duttweiler Institut bereits 2009 das Verb »churchillen«. Das lässt an die Parole denken, die im Zweiten Weltkrieg an die britische Inselbevölkerung ausgegeben wurde, deren Widerstandsfähigkeit und Resilienz letztlich den Krieg gewinnen halfen: »Keep calm and carry on!« ¶

VERANTWORTLICH IM SINNE DES PRESSERECHTS Frauke van Bevern, Bereichsleiterin Marke und Kommunikation frauke.vanbevern@berliner-volksbank.de PROJEKTLEITUNG Frauke van Bevern, Gudela Noack CHEFREDAKTION Olivia Rost REDAKTION, TEXT, PROJEKTMANAGEMENT Till Brauckmann, Susanne Litty, Olivia Rost mail@siegerbrauckmann.de AUTOREN Till Brauckmann, Kirsten Küppers, Tim Müßle, Ernestine von der Osten-Sacken, Marcus Pfeil, Johannes Rath, Julia Reichler, Olivia Rost, Peter Sieger GASTAUTOREN Stefan Bielmeier, Holm Friebe

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Holm Friebe, geboren 1972, ist Gründer des Grimme-Preisprämierten Blogs Riesenmaschine und Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin. Er arbeitet als Marken- und Strategieberater sowie Autor und Kolumnist, unter anderem jahrelang für die Berliner Zeitung. Seit 2006 veröffentlicht er populäre Wirtschafts- und Wissenschaftsbücher mit wechselnden Co-Autoren. Der Dozent für Designtheorie lehrt an Kunsthochschulen, spricht auf Kongressen und Konferenzen zu den Themen seiner Bücher und moderiert Workshops, Panels und Podiumsdiskussionen.

EDITORIAL Carsten Jung, Vorstandsvorsitzender TITELBILD Font Buchstabenmuseum von LucasFonts, Collage: Sven Lubenau FOTOGRAFIE Zuzu Birkhof, Florian Büttner, Marc Eckhardt, René Fietzek, Simon Hafenbradl, Tim Müßle, Olivia Rost, Marcel Schwickerath, René Spalek, Klaus Weddig, Till Brauckmann, privat ILLUSTRATION, ARTWORK Dirk Uhlenbrock, Corinne Vionnet, siegerbrauckmann* CREATIVE DIRECTION Till Brauckmann ART DIRECTION, LAYOUT, SATZ Simon Hafenbradl, Sven Lubenau LEKTORAT Thorsten Tynior, paratexte.de DRUCK X-PRESS Grafik & Druck GmbH, x-press.de Klimaneutraler Druck mit 100% Ökostrom BERATUNG DES PROJEKTMANAGEMENTS Hans-Erich Bilges Christ & Company Consulting Kurfürstendamm 215, 10719 Berlin REALISATION siegerbrauckmann* Büro für Wirtschaftskommunikation Kurfürstendamm 215, 10719 Berlin mail@siegerbrauckmann.de siegerbrauckmann.de ERSCHEINUNGSWEISE Halbjährlich Alle Beiträge und Abbildungen sind urheber­ rechtlich geschützt. Nachdruck, Übernahme in digitale Medien sowie Vervielfältigung auf Datenträger nur nach vorheriger Zustimmung durch die Berliner Volksbank eG. B* 04 erscheint im Frühjahr 2021. KONTAKT Wenn Sie Fragen zum Inhalt des Magazins haben, ­Anregungen äußern oder zusätzliche ­Exemplare a ­ nfordern möchten, wenden Sie sich bitte an: business@berliner-volksbank.de

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1 SEKUNDE BERLIN

14:12 : 00 Uhr am 23.07.2020, Flughafen Tegel, Berlin — Foto: Till Brauckmann



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