SI_2012_31

Page 26

Verguckt Der deutsche Botschafter in seiner Residenz in Bern. Er mag die Schweiz – und die Schweizerinnen.

«Die Schweiz ist ein Erfolgsmodell» Trotz Konflikten findet der deutsche Botschafter in Bern, die Schweiz sei ein guter Nachbar. Peter Gottwald über Steuerabkommen, Sprachprobleme und den 1. August. Text Nina Siegrist, Ueli Walther Fotos REMO NÄgeli

I

m Treppenhaus der Residenz des deutschen Botschafters in Bern hängt ein Bild des letzten deutschen Kaisers. «Aber nicht, weil ich der Monarchie nachtrauere», sagt Peter Gottwald, 64, sondern weil das herrschaftliche Haus 1912 in der Zeit von Kaiser Wilhelm II. gebaut worden ist. Die gediegenen Räume im Parterre dienen für Empfänge, im Stock darüber wohnen der Botschafter und seine Frau. Ganz hinten im prächtigen Garten gibt es eine kleine, diskrete Gittertüre. Ein Schleichweg führt direkt hinab zur Aare. Frühaufsteher Gottwald benutzt ihn täglich, sei es um 6.15 Uhr zum morgendlichen Laufen oder abends zum «Schwumm» im Fluss. «Ein wunderbares Vergnügen», sagt er dazu.

26

schweizer illustrierte

Herr Botschafter, Ihre Frau ist St. Gallerin. Verstehen Sie Schweizerdeutsch? Relativ problemlos. Vor Kurzem waren wir im Lötschental auf einer Bergtour. Da war es ein bisschen schwieriger (lacht). Mundart rede ich aber nicht, ich finde, das kommt nicht so gut rüber. Gibt Ihnen Ihre Frau Sprachunterricht? Sie hilft mir manchmal bei Ausdrücken, die ich nicht auf Anhieb verstehe. Worüber stolpern Sie? Hier in Bern ist die Sprache stark und breit, das klingt schon etwas fremd. «Wouuche» (Wolke) ist so ein Beispiel. Sie kamen vor einem Jahr in die Schweiz. Sind Sie froh, dass die Nationalbank den Mindestkurs zum Euro von 1.20 Franken so hartnäckig verteidigt? Das ist sicher sehr viel besser als ein Kurs 1:1. Das würde viele Probleme der Schweiz noch verschärfen. Persönlich ist es mir aber nicht so wichtig. Mein Lohn

wird zwar in Euro ausbezahlt, aber man hat als Botschafter gar keine Zeit, schrecklich viel Geld auszugeben. Im Portemonnaie merkt man es aber? Ja, im Dienstleistungsbereich merkt man das. Früher war das ganz anders. Wir sind oft nach Engelberg gefahren und haben häufig in der Schweiz eingekauft, weil es so günstig war. Wo denn? Im ABM, da hat meine Frau in der Kinderabteilung unsere drei Kinder ausgestattet. Aber das Warenhaus gibt es in dieser Form ja nicht mehr heute. ABM hiess ja bei uns «Alles Billiger Mist». Ja, ja – diesen Scherz kenn ich schon. Aber er stimmt nicht. Als «Mist» bezeichnen viele Schweizer und Deutsche auch das Steuerabkommen. Wie sehen Sie das? Da muss ich ausholen. Man hatte unterschiedliche Ausgangssituationen. Deutschland wollte einen freien, offenen Informationsaustausch zwischen den beiden Ländern – wie das ja in der EU Standard werden soll. Für die Schweiz


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.