Über das Rechtsverordnungsrecht im schweizerischen Bundesstaat

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Ueber das Rechtsverordnungsrecht im schweizerischen Bundesstaate. Von

Zaccaria Giacometti. Der Erlaß von Gesetzen im materiellen Sinne, d. h. von Rechtsiätzen erfolgt im schweizerischen Bundesstaate grundsätzlich durch die Bundesversammlung. Unter Rechtssätzen sollen dabei im Sinne der herrschenden Lehre alle abstrakten staatlichen Willensäußerungen, die verbietend und befehlend in Freiheit und Eigentum der Bürger eingreifen, deren Zweck also Schrankenziehung zwischen den Bürgern unter sich oder zwischen Bürger und Staat bedeutet, verstandenwerden 1). Diese Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Rechtssetzung ist ohne weiteres aus Art. 84 der Bundesverfassung zu entnehmen; darnach haben Nationalrat und Ständerat alle Gegenstände zu behandeln, die in die Kompetenz des Bundes gehören und nicht einer andern Bundesbehörde übertragen sind. Die Rechtssetzungsgewalt ist nun aber von der Bundesverfassung keiner anderen Bundesbehörde überwiesen WOl'den. Die Bundesverfassung stellt somit, wenn man so sagen will, im Gegensatz zu den meisten übrigen modernen Verfassungsurkunden 2) . einen Vorbehalt der Rechtssetzung zugunsten der Legislative auf. Diese durch Art. 84 begründete Kompetenz der Bundesversammlung zur Rechtssetzung wird · dann durch Vgl. darüber JELLINEK, Gesetz und Verordnung S. 240 ff.; ANsCHÜTZ, Art. Gesetz in Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 2, S. 212; STIER-Som.o, Reichs- und Landesstaatsrecht Bd. 1, S. 324. 2 ) Vgl. darüber R. THoMA: Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht, in der Festgabe für Otto Mayer, S. 173. 1)


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