Programmheft Nathan der Weise

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NATHAN DER WEISE

Gotthold Ephraim Lessing

Premiere: 19. September 2024

Vertrauen. Ein Wert, der verdient sein will.

Mit jedem Menschen, der uns vertraut, wächst unsere Verantwortung. Während einem Kinder blind vertrauen, verdienen wir uns das Vertrauen unserer Kunden über Jahrzehnte: mit sinnstiftendem Vermögensmanagement. Weil wir – wie unsere Kunden – Wert darauf legen, dass gutes Geld auch Gutes für Gesellschaft und Umwelt tut und dennoch an Wert gewinnt. Können wir Sie für ein Gespräch gewinnen?

Es sind nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.

NATHAN DER WEISE

Gotthold Ephraim Lessing

Nathan Recha

Daja

Al-Hafi

Sittah

Saladin

Tempelherr

Klosterbruder

Olaf Salzer

Julia Rajsp

Sophia Fischbacher

Rene Eichinger

Kerstin Maus

Benjamin Muth

Marvin Rehbock

Enrico Riethmüller

Premiere: 19. September 2024

Wir danken unserem Kulturpartner Schoellerbank AG für die großzügige Unterstützung.

Regie

Ausstattung

Musik

Dramaturgie

Assistenz

Licht

Jérôme Junod

Agnes Hamvas

David Lipp

Julia Thym

Aurelia Heintze

Marcel Busá

Technische Leitung: René Pointner

Licht & Ton: Marcel Busá (Ltg.),

Louisa Brunner, Michael Pucher, Martin Zamazal

Werkstatt & Bühnentechnik: Johannes Öhlböck (Ltg.), Christoph Absmann, Victoria Diaz Varas, Franz Jell, Maximilian Maierhofer, Florian Santner, Daniel Staiger, Florian Wacht

Schneiderei: Monika Heigl (Ltg.), Lili Brit Pfeiffer, Valerie Teufl

Kreuzzüge

Im Jahr 1095 ruft Papst Urban II. bei der Synode von Clermont die Christenheit zur Rückeroberung der Levante auf: obzwar die Gegend seit dem 7. Jahrhundert unter muslimischer Herrschaft steht, waren Pilgerschaften zu den heiligen Stätten der Christen toleriert. Doch nachdem Pilger gefährdet wurden und der byzantinische Kaiser zur Hilfe gerufen hat, greift der Papst auf die Theorie des ‚gerechten Krieges‘ (bellum iustum) zurück, die der Kirchenvater Augustinus von Hippo 700 Jahre früher entwickelt hatte, um die unzähmbare Kampflust des abendländischen Adels auf einen äußeren Gegner zu lenken (parallel dazu hat seit einiger Zeit in Spanien schon die reconquista begonnen, die 1492 mit dem Fall von Granada enden wird). Und siehe da: Diese nie dagewesene Mischung aus Feldzug, Abenteuer und Pilgerschaft (alle Sünden derer, die im Kampf sterben werden, sollen vergeben werden) spricht unzählige Menschen aus ganz Europa an. Ohne ausreichende Logistik, ohne klaren Plan über

Strategie und Vorgehensweise, strömen Ritterheere, aber auch Laien, gen Osten, auf dem Weg nach Jerusalem. In Ostfrankreich und im Rheinland, später auch in Osteuropa, tobt sich die wütende Schar, der die Feinde noch fehlen, gegen die dort ansässigen Juden aus, und begründet damit die schauderhafte Tradition der Pogrome. In Konstantinopel angekommen erweist sich der Austausch mit den überforderten Byzantinern (die seit dem Schisma von 1054 auch ein angespanntes religiöses Verhältnis zum Papst haben) als äußerst schwierig. Auch die Durchkehrung von Kleinasien bringt große Schwierigkeiten mit sich, doch die Rivalitäten unter den Seldschuken- und Fatimidenfürsten, die lieber ihre Nachbarn mit den ‚Franken‘ allein lassen und mit ihrer Niederlage spekulieren, als sie zu unterstützen, machen das Undenkbare möglich: trotz chaotischer Führung, Seuchen und inneren Verwerfungen fällt Antiochia und 1099 wird sogar Jerusalem erobert. Die Kreuzfahrer nehmen die Stadt ein und schlachten auf der Stelle Tausende von Menschen: Muslime, Juden, aber auch syrische und koptische Christen. Der erste Kreuzzug endet mit der Gründung von vier Kreuzfahrerstaaten und einem erhöhten Selbstbewusstsein der Christenheit.

Sehr schnell macht sich aber das Realitätsprinzip spürbar: peu à peu werden die Eroberungen von den zahlreicheren Muslimen rückgängig gemacht, politischer Pragmatismus macht sich schnell breit. So findet 1108 die Schlacht bei Tell Baschir statt, bei der ein christlicher Fürst mit türkischer Unterstützung einen anderen Christenführer angreift, der selbst mit dem Atabeg von Mossul im Bunde ist. Nach größeren Niederlagen muss der Papst erneut zum Kreuzzug aufrufen, so 1147 nach dem Verlust von Edessa (erfolglos, die Stadt ist endgültig verloren) und besonders 1189, nach der Schlacht von Hattin und dem Fall von Jerusalem. Für diese Leistung verantwortlich ist der kurdischstämmige Sultan Salah ad-Din (Saladin), der als geschickter General und Politiker seine eigene Dynastie, die Ayyubiden, gründete und Sultan von Ägypten und Syrien wurde.

Die Rückeroberung Jerusalems durch Saladin fällt deutlich gesitteter aus als im ersten Kreuzzug, es findet kein Massaker unter der Bevölkerung statt und die Christen dürfen die Stadt unbehelligt verlassen.

Rom kann den Verlust der heiligen Stadt nach 88 Jahren dennoch nicht auf sich sitzen lassen und schon wird 1187 der dritte Kreuzzug in die Wege geleitet. Als Erster macht sich der deutsch-römische

Kaiser Friedrich I. Barbarossa höchstpersönlich auf den Weg, wird allerdings das Heilige Land nie erreichen: er ertrinkt im Fluss Saleph (heute Göksu). Der Rest seines Heeres schafft es bis Akkon und beginnt, die Stadt zu belagern. Dort bekommt er bald Unterstützung vom französischen König Philipp und vom englischen König Richard ‚Löwenherz‘, die über den Meeresweg angereist sind. Der Fall von Akkon bildet auch die Kulisse für die mythische Entstehung der österreichischen Flagge (der weiße Streifen in dem ansonsten blutgetränkten Gewand des Babenberger Herzog Leopold V.). Danach kommen Richard (Philipp und Leopold sind schon zurückgefahren) und Saladin direkt in Kontakt, es folgt eine merkwürdige Aneinanderreihung von Kämpfen und Geheimverhandlungen (die Verehelichung einer Schwester von Richard mit einem Bruder von Saladin wird tatsächlich erwogen). Letztendlich wird 1192 ein Friedensvertrag verhandelt: die christlichen Eroberungen an der Küste werden bestätigt, Jerusalem bleibt dafür in muslimischer Hand, doch für die Pilger wird ein freier Zugang gesichert. Richard kehrt nach Europa zurück (nur um von Leopold gefangen genommen zu werden, doch dies ist eine andere Geschichte).

Sind wir unser Volk?

Was heißt denn Volk?

Die folgende Zeit wird noch ein halbes Dutzend immer kläglicher wirkender Kreuzzüge mit sich bringen, bis letztendlich 1291 die letzte christliche Position in der Levante aufgegeben wird. Zur Bilanz der Kreuzzüge meint der Historiker Jacques Le Goff, dass statt einer Einheit der Christenheit viel eher Rivalität und Spaltung (besonders mit Konstantinopel und der Ostkirche) befeuert wurden; Europa wurde durch die abenteuerlichen Feldzüge an Menschen und an Ressourcen ärmer. Auch auf muslimischer Seite sollte die Auseinandersetzung keine positive Wirkung haben. Vielmehr verfestigte sich dadurch das negative Bild einer aggressiven und brutalen Christenheit, das später mit dem Kolonialismus und bis heute in vielen Kreisen identitätsstiftend wurde. Für die jüdische Geschichte beginnt mit den Kreuzzügen die düstere Zeit der europäischen Verfolgungen. Und bis heute prägen die blutigen Narrative der Kreuzzüge die gesamte Nahostregion. Die zahlreichen und fruchtbaren Kontakte, die zwischen den drei Kulturen stattgefunden haben, in Andalusien, in Sizilien, in Jerusalem oder in Bagdad, wurden nicht von Päpsten und von Kriegern initiiert. Die Kreuzzüge gelten somit als ein wenig ruhmreiches Kapitel der Geschichte des Abendlandes.

Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt, als ihre Schwäche?

Lessing und die Aufklärung

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.“

Immanuel Kants berühmte Antwort auf die Frage Was ist Aufklärung? erscheint 1784 und ist heute die wohl bekannteste Definition des Aufklärungsbegriffes. Unmündigkeit ist für Kant das „Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ So definiert Kant „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ als den „Wahlspruch der Aufklärung“.

Kant gilt als einer der bedeutendsten Philosophen einer intellektuellen und kulturellen Entwicklung in Europa, die im 17. und 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte.

Auch wenn der Terminus ‚Aufklärung‘ häufig als Epochenbegriff für diese Zeit verwendet wird, so stellt sie doch keine einheitliche Epoche dar, da sie aufgrund fließender Übergänge in vielen Bereichen

schwer abgrenzbar ist. Oft wird die Aufklärung in verschiedene Strömungen und Denkweisen unterteilt und diesen werden bestimmte Vertreter zugeordnet – auch wenn diese Zuordnungen mittlerweile in Frage gestellt werden. Der Rationalismus, mit Figuren wie René Descartes, Baruch de Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz, hält rationales Denken beim Erwerb von Wissen für vorrangig oder allein hinreichend, unabhängig von Sinneserfahrungen. Descartes‘ berühmter Satz „Cogito, ergo sum“ (Ich denke, also bin ich) verdeutlich diesen Rationalismus. Dem gegenüber steht der Empirismus oder Sensualismus, womit die Auffassung gemeint ist, dass Wissen primär durch sinnliche Wahrnehmung erlangt wird. Vertreter dieser Strömung sind John Locke, George Berkeley, Étienne Bonnot de Condillac und David Hume. Locke prägte die Idee der ‚tabula rasa‘, nach der der menschliche Geist bei der Geburt ein leeres Blatt ist, das erst durch Erfahrung beschrieben wird. Der Kritizismus ist insbesondere durch Immanuel Kant geprägt und stellt eine Synthese aus Rationalismus und Empirismus dar. In seinem Hauptwerk Kritik der reinen Vernunft (1780) postuliert Kant, dass Erkenntnis nur durch die Wechselwirkung von Sinneserfahrung und Verstand möglich ist.

Auch wenn die Aufklärung in verschiedene Strömungen unterteilt werden kann, so gibt es doch zentrale Ideen, die für das gesamte ‚Zeitalter der Aufklärung‘ leitend sind. Die Vernunft gilt in der Aufklärung als das höchste Prinzip, das die Fähigkeit des Menschen zur Erkenntnis, zum moralischen Handeln und zur Selbstbestimmung ermöglicht. Die Aufklärer glaubten, dass durch die Anwendung der Vernunft alle Bereiche des Lebens verbessert und die Gesellschaft reformiert werden könnte.

Des Weiteren setzten sie sich für die Gleichheit aller Menschen, für die Freiheit des Individuums und für Selbstbestimmung ein, sowohl in persönlicher als auch in politischer Hinsicht. Sie befürworteten Meinungsfreiheit und kritisierten autoritäre Strukturen. Die Aufklärung erscheint als das Zeitalter des Wissens und des Fortschritts, der Neuformulierung wissenschaftlicher Methoden und Denkansätze.

Bildung sollte jedem zugänglich sein und dazu dienen, den Menschen zu einem mündigen Bürger zu machen.

Aufklärung bedeutet stets auch Säkularisierung und schließt eine fortschreitende Verweltlichung im Zeichen der Verdrängung kirchlicher Autoritäten und des Aberglaubens ein. Gefordert wurde eine

eindeutige Trennung von Kirche und Staat und traditionelle Autoritäten wie die Monarchie oder der Absolutismus wurden hinterfragt. Neben der intellektuellen war die religiöse Toleranz ein Schlüsselbegriff der Aufklärung.

All diese Leitmotive sind auch für die literarische Entwicklung von Bedeutung. Gotthold Ephraim Lessing gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Aufklärung in Deutschland und trug wesentlich zur Verbreitung und Entwicklung der aufklärerischen Ideen bei. Lessing war überzeugter Verfechter der Vernunft und wandte sich gegen jede Form von Intoleranz und Fanatismus. In Nathan der Weise (1779) stellt er die Idee der religiösen Toleranz und der Gleichwertigkeit der drei monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – dar.

In der berühmten ‚Ringparabel‘ lässt Lessing die Frage nach der ‚wahren‘ Religion unbeantwortet. Am Ende steht eine einzige große Familie, in der die Unterschiede der Religionen keine Rolle spielen. Lessings Toleranzverständnis meint keine bloße Duldung anderer Überzeugungen, sondern eine ernsthafte und konstruktive Auseinandersetzung mit ihnen.

Lessing setzte mit der Figur des Nathan seinem Freund, dem Philosophen Moses Mendelssohn (1729-1786), ein literarisches Denkmal. Mendelssohn gilt als einer der wichtigsten Vertreter der jüdischen Aufklärung. Mit ihm verband Lessing eine lebenslange Freundschaft; die beiden waren durch Briefe in stetigem geistigem Austausch. Mendelssohn nannte seinen 1781 geborenen Sohn Nathan.

In seinen religionsphilosophischen Schriften vertrat Lessing die Meinung, dass sich die menschliche Vernunft auch ohne die Hilfe einer göttlichen Offenbarung entwickeln kann. Unter dem Titel Fragmente eines Ungenannten gab Lessing zwischen 1774 und 1778 die vom Gymnasialprofessor Hermann Samuel Reimarus verfassten Schriften heraus, in denen dieser eine rationalistische und kritische Sicht auf die Bibel und das Christentum vertrat. Diese Ansichten standen in starkem Gegensatz zur offiziellen christlichen Lehre, weshalb Reimarus selbst diese Fragmente zu Lebzeiten nie veröffentlichte. Die Publikation führte zu einer heftigen Debatte zwischen Vertretern der Aufklärung und der traditionellen christlichen Theologie. Lessings Hauptgegner in diesem Streit war der Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze, gegen den er eine Reihe

von als Anti-Goeze bezeichneten polemischen Schriften herausgab. Der ‚Fragmentenstreit‘ ist eine der bedeutendsten theologischen und philosophischen Auseinandersetzungen zwischen Aufklärung und religiösem Dogmatismus des 18. Jahrhunderts in Deutschland und hatte Einfluss auf die weitere Entwicklung der Geistesgeschichte und Theologie.

Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß, dass alle Länder gute Menschen tragen.

Interview mit dem Regisseur Jérôme Junod

Was hat Sie an Lessings Werk besonders fasziniert? Warum haben Sie sich gerade für dieses Stück entschieden?

Nathan der Weise leidet meines Erachtens seit langem unter einem grundsätzlichen Missverständnis: Als zentrales Werk der Aufklärung wird es als belehrendes Manifest präsentiert, gut gemeint und langweilig, während der dramatische Aspekt, der Witz und die zutiefst subversive Dimension des Stückes wenig zum Vorschein kommen. Denn die Aufklärung, die Lessing zeigt, ist nicht eine der trockenen, hehr vorgetragenen Sprüche, sondern sie ist eine Praxis, ein ‚Üben der Vernunft‘, die von fehlbaren und widersprüchlichen Menschen exerziert wird. Wir sehen Figuren, die zweifeln, scheitern, hie und da einen Schritt nach vorne setzen, genauso oft mit den besten Absichten daneben greifen. Diese hadernde Humanität ist es, die das Stück großartig macht und die ich ins Zentrum meiner Arbeit stelle.

In Zeiten, in denen gegenaufklärerische Strömungen die ‚Eliten‘ für ihre Abgehobenheit anprangern (leider nicht immer zu Unrecht) scheint es mir essenziell zu zeigen, dass gerade Lessing nicht aus einer Position des Besserwissens agiert, sondern eine tiefe Empathie für die Schwierigkeiten der Menschen zeigt und dennoch die Hoffnung auf Verbesserung nicht aufgibt.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Inszenierung dieses klassischen Werks?

Zum einen ist Nathan ein gewaltiger Textbrocken. Ich musste den Text um etwa die Hälfte kürzen, was unter Beibehaltung des Blankverses ein durchaus herausfordernder, wenn auch lustvoller Vorgang ist. Dann kommt die intensive Textarbeit mit den Schauspieler*innen, um diese wunderbaren Sätze lebendig und direkt erklingen zu lassen, und nicht als „kalte Buchgelehrsamkeit, die sich mit toten Zeichen ins Gehirn nur drückt“. Gerade aufgrund der ‚hehren‘ Tradition des Stückes wird Lessings Text oft mit falscher Ehrfurcht vorgetragen. Dabei ist er voller Absurditäten, Verwirrungen und Situationskomik. Meine eigene Form der Verehrung liegt in der Rückführung zum dramatisch-

spielerischen Kern, um ein heutiges Publikum auch ohne Vorwissen und Reclam-Heft erreichen zu können. Und diese Verlebendigung geht auch über eine intensive Verkörperlichung; es muss jede Faser der Schauspieler*innen mitspielen, Kopf, Leib und Herz.

Was können Sie uns über das Bühnenbild und dessen Rolle in der Inszenierung erzählen?

Agnes Hamvas hat ein Spielfeld entworfen, das assoziativ Orte wie Palast, Hof, Kloster oder Platz mit Palmen suggerieren kann, ohne dafür aufwendige Umbauten zu benötigen. Wichtig waren uns die unterschiedlichen Auftrittsmöglichkeiten und Ebenen, um die Spieldynamik zu unterstützen und für die Figuren unterschiedliche Raumkonstellationen zu ermöglichen. Die Grundfarbe wiederum haben wir aus reinem Bauchgefühlt gewählt. Außerdem war es uns als Schauspielhaus ein Anliegen, ein Bühnenkonstrukt zu finden, das auch für das parallel laufende Kinderstück Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse einsetzbar ist, um Ressourcen zu schonen. In der Saison 2024/25 nehmen wir im Rahmen unserer Mitgliedschaft in der European Theatre Convention an dem Projekt „Theatre Green

Doch was man ist, und was man sein muss in der Welt, das passt ja wohl nicht immer.

Book“ teil, das bis 2030 die Klimaneutralität anstrebt. Dies betrifft viele Aspekte, aber der Gedanke soll zunehmend in die künstlerische Arbeit in der Konzeption schon mit einfließen.

Welche Relevanz hat Nathan der Weise in der heutigen Zeit?

Nathan ist eines der Stücke, dessen Aktualität sich seit der Zeit seiner Entstehung gesteigert hat. Zu Lessings Zeit war die ‚Levante‘ ein ferner, halbmythischer Ort, dessen er sich (wie der Zeit des Mittelalters) als Rahmen bedienen konnte, um die Frage der religiösen Toleranz in Europa zu thematisieren. Inzwischen begegnen uns die schrecklichen Verwerfungen im Nahen Osten tagtäglich, und der Islam ist ein wesentlicher Bestandteil unserer

westlichen Gesellschaft geworden. Sowohl geographisch als auch gesellschaftlich sind also die Fragen des Stückes noch viel brisanter als im späten 18. Jahrhundert. Desto wichtiger ist es, Lessings Aufklärungsappell ernst zu nehmen, um ein fruchtbares Zusammenleben zu ermöglichen und bestehende Konflikte zu überwinden. Nathan zeigt uns die Mühen, die das ‚Üben der Vernunft‘ mit sich bringt. Doch so anstrengend dies ist, wir haben keine Alternative, münden doch alle Rückzüge auf bloße Tradition und gemütliche Unvernunft – oder auch nur „andächtig schwärmen“, das „gut handeln“ verhindert – in Katastrophen. Die gesellschaftliche und politische Entwicklung auf dem ganzen Erdball macht es deutlich: Aufklärung ist mühsam und schwierig, doch wichtiger denn je. Und letztendlich lohnt sie sich.

Gotthold Ephraim Lessing

Lessing, geboren 1729 in Kamenz, Sachsen, war ein bedeutender Schriftsteller und Dramatiker des 18. Jahrhunderts. Er studierte zunächst Theologie und Medizin, bevor er sich dem Journalismus und der Schriftstellerei zuwandte. Zwischen 1767 und 1769 entstand die Hamburgische Dramaturgie, in der er mit Überlegungen zur Poetik, genauer zur Dramentheorie, zu einem Wandel in der Dramatik beitrug. Er sprach sich für ein freies Theater aus, das nicht mehr das Leben bei Hofe thematisiert, sondern Probleme des Bürgertums ins Zentrum der dramatischen Handlung rückt. Lessing war einer der führenden Vertreter der deutschen Aufklärung und ein Wegbereiter des neueren deutschen Dramas und eines bürgerlichen Theaters. Zu seinen bekanntesten Werken gehören das Lustspiel Minna von Barnhelm (1767), das bürgerliche Trauerspiel Emilia Galotti (1772) und das Ideendrama Nathan der Weise (1779). Lessing starb 1781 in Braunschweig.

Jérôme Junod

Jérôme Junod ist Regisseur, Autor und Dramaturg. Geboren in Lausanne (Schweiz), absolvierte er nach einem Philosophie- und Klavierstudium sein Regiestudium am Max Reinhardt Seminar in Wien, wo er dann auch jahrelang Regie unterrichtete.

Er hat über 15 Stücke verfasst, übersetzte u.a. Sophokles, Racine, Tschechow und Schiller und inszenierte u.a. in Genf, Basel, Graz, Erlangen und Luxemburg. Am Schauspielhaus Salzburg gab er sein Autorendebüt 2016 mit Hieronymus Bosch. Es folgten Regiearbeiten wie Die Niere, Artus, letzte Schlacht, Frankenstein, Die Dreigroschenoper, Stolz und Vorurteil* (*oder so) und Arsen und Spitzenhäubchen. Seit der Spielzeit 2021/22 ist Jérôme Junod als Spielleiter und Chefdramaturg fest am Schauspielhaus Salzburg.

Mit

Mit Kunst, Kultur und Wissenschaft. Mit Menschen, die sich dafür interessieren. Mit Ermäßigungen für zwei bei 600 Kulturpartnern, dem monatlichen Ö1 Magazin gehört, Freikarten und exklusiven Veranstaltungen.

Alle Vorteile für Ö1 Club­Mitglieder auf oe1.ORF.at/club

Seit über 40 Jahren stärkt der Freundeskreis dem Theater mit finanzieller Großzügigkeit den Rücken, vor allem aber unterstützt er das Theater tatkräftig, nimmt mit Begeisterung am Theaterleben teil und schafft so zusätzlichen Raum für die Faszination und Schönheit der künstlerischen Arbeit.

Werden auch Sie Teil dieser besonderen Gemeinschaft und genießen Sie die exklusiven Vorzüge Ihrer Mitgliedschaft.

Der Freundeskreis lädt zu speziellen Veranstaltungen wie Theaterbrunch, Spielplanpräsentation, Regiegesprächen, Theaterfahrten und andere mehr.

Für ausführlichere Informationen zum Freundeskreis erreichen Sie uns unter + 43 662 8085. Oder Sie schreiben einfach an freundeskreis@schauspielhaus-salzburg.at.

TEXTNACHWEISE: Alle Texte sind exklusiv für dieses Programmheft entstanden.

BILDER: Sujetfoto: Chris Rogl; Probenfotos S. 8, 13, 17, 20, 22, 28-29: Maya Puchner; Portrait Jérôme Junod: Andrea Klem.

REDAKTION: Julia Thym, Jérôme Junod

Für die Unterstützung des Schauspielhauses danken wir Stadt und Land Salzburg, dem Bundeskanzleramt  Sektion Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport und dem „Freundeskreis Schauspielhaus Salzburg“.

Kultur

Jeden Freitag im Schwerpunkt „Kultur Extra“ in Ihrer Tageszeitung und online unter SN.at/kulturextra

Wie kann ich meinen Vätern weniger als du den deinen glauben?

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