Programmheft (Auszug) "SCHÄFCHEN IM TROCKENEN"

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SCHÄFCHEN IM TROCKENEN Anke Stelling


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Uraufführung

SCHÄFCHEN IM TROCKENEN von Anke Stelling in einer Bühnenfassung von Sabine Auf der Heyde und Carolin Losch


SCHÄFCHEN IM TROCKENEN von Anke Stelling Mit

Therese Dörr Katharina Hauter Sylvana Krappatsch Sebastian Röhrle

Inszenierung und Bühne Sabine Auf der Heyde Kostüme Teresa Heiß Musik Jacob Suske Licht Stefan Schmidt Dramaturgie Carolin Losch Regieassistenz Anja Schoenwald Bühnenbildassistenz Florence Klotz Soufflage Simone Weinmann Inspizienz Roberto Rochow Regiehospitanz Philipp Hohnerlein Kostümhospitanz Lilli Dietmann

KAMMERTHEATER Aufführungsrechte Aufführungsdauer Uraufführung

Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 2:00 Stunden, keine Pause 16. November 2019

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Technische Direktion Schauspiel Guido Schneitz | Technische Leitung Kammertheater

Stephan Abeck | Technische Einrichtung Nils Marstaller | Beleuchtung Walter Bühler | Ton Maik Waschfeld | Video Tara Donovan-Achi | Requisite Norbert Eitel, Uwe Pusch-

mann, Adrian Vajzovic | Direktor der Dekorationswerkstätten Bernhard Leykauf | Leitung Malsaal Lisa Fuß | Leitung Bildhauerei Maik Glemser | Leitung Dekorationsabteilung Dirk Herle | Leitung Schreinerei Peter Reisser | Leitung Schlosserei Patrick

Knopke | Maskendirektion Jörg Müller | Leitung Maske Nena Frei | Maske Sabine Hellweg, Bettina Löffler | Kostümdirektion Elke Wolter | Produktionsleitung Kostüme Petra Bongard | Gewandmeister*innen Mareile Eder, Vivien Schlickel (Damen), Anna Volk, Aaron Schilling (Herren) | Leitung Färberei Martina Lutz, Milenko Mociljanin | Leitung Modisterei Eike Schnatmann | Leitung Rüstmeisterei Achim Bitzer | Leitung Schuhmacherei Verena Bähr, Alfred Budenz | Leitung Kunstgewerbe Nicola Baumann, Daniel Strobel Die Maskenabteilung der Staatstheater Stuttgart wird unterstützt durch Dr. Hauschka und MAC Cosmetics.

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„ Idee für einen Konfirmandenspruch: Seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, heißt nicht, mit dem Schäferhund befreundet zu sein. Sondern den Stall und das Land zu besitzen. “ Resi


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HUNGRIGES HERZ Anke Stelling im Gespräch mit Carolin Losch

Es existiert die These, „Wohnen“ sei die soziale Frage unserer Zeit. Würden Sie dem zustimmen? Anke Stelling: Am Wohnen hängt sich eine Menge auf, ja. Versteckte Obdachlosigkeit, Gated Communities, Schrottimmobilien, Betongold, Marzahn, Prenzlauer Berg (oder Hallschlag, Uhlandshöhe), Baukindergeld, Mietendeckel – jedes dieser Wörter ruft nicht nur Bilder der scheinbar dazugehörigen Menschen, sondern auch Ängste und Begehrlichkeiten auf. Wir erleben gerade eine Verschärfung der Unterschiede zwischen den Bevölkerungsschichten. War die angestrebte Chancengleichheit ein Truggebilde der 70er und 80er Jahre? Hat es sie je in Deutschland gegeben und wie würden Sie die Situation heute beschreiben? AS: Chancengleichheit ist ein Ideal, also etwas, das eine Gesellschaft wollen, aktiv betreiben, mit politischen Mitteln befördern und auch über die Zeit hinweg verteidigen muss. In den letzten dreißig Jahren waren Neoliberalismus und Marktglaube die bestimmenden Ideen, und heute zeigt sich, dass diese Ideen die Schere nicht schließen – auch wenn ihre Verfechter das behauptet haben. Es wird höchste Zeit, sich davon wieder zu verabschieden – wenn einem an Chancengleichheit gelegen ist.

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In den Kritiken über Ihren Roman fällt oft das Wort „Zorn“. Finden Sie, es ist an der Zeit, wieder zornig zu sein? AS: Zorn ist kein angenehmes Gefühl – aber ein vitales, oft auch ansteckendes. Für Revolutionen braucht es auf jeden Fall zornige Menschen. In der Literatur sind sie vermutlich nicht so stark vertreten, gibt’s mehr melancholische als cholerische Helden – zumal, wenn sie weiblich sind. Weshalb eine wie Resi den Kritiker*innen dann als besonders wütend auffällt … Der Roman handelt aber auch von Resis Angst, sich zu irren, ihren Zorn vielleicht auf das Falsche zu richten, sich damit lächerlich zu machen oder bitter zu werden an eben diesem Zorn. Trotzdem beschließt sie, ihn sich jetzt mal zuzugestehen. Und Resi geht sehr selbstbewusst aus ihrem Dilemma hervor. Sie findet tatsächlich einen Ausweg, ein Bild für ihre Situation, gar ein antikes Vorbild. Am Ende ist sie Diogenes, die vor aller Augen ihr Geschäft erledigt und weiß, dass sie damit der Gesellschaft einen großen Dienst erweist! Sie fürchtet sich immer noch, sie schämt sich auch immer noch – aber nicht mehr ganz so sehr wie am Anfang. Ich glaube, der Kern des Buches ist die Formel: Jede*r hat ein hungriges Herz. Die klaut Resi sich von Bruce Springsteen, dem Boss. Dessen gleichnamiger Song handelt von einem Typen, der Frau und Kinder in Baltimore hat und zu einem Motorradausflug aufbricht, von dem er niemals zurückkehrt. Der Hunger ist die Sehnsucht nach Verbundenheit und Freiheit, Aufgehobensein und Hervortreten zur selben Zeit. Das geht nicht, das sind unvereinbare Bedürfnisse. Weshalb der Hunger auch niemals gestillt werden kann – aber man kann von ihm erzählen. Grundsätzlich stehen auf einmal wieder soziale Fragen auf der Agenda. Gibt es Anlass, optimistisch in die Zukunft zu blicken? AS: Vielleicht ist das ja schon das Positive: dass die soziale Frage wieder auftaucht. Dass Margaret Thatchers ‚There is no society‘ sich doch nicht komplett durchgesetzt hat. Inseln zu bilden, sich in Familien, Baugruppen und andere Gemeinschaften zurückzuziehen, um sich geborgen zu fühlen, ist wichtig und richtig. Eine gerechte und solidarische Gesellschaft ersetzen diese Schäfchenställe aber nicht.

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DIE STIMME VERSTELLEN von Anke Stelling Letztes Jahr kam ein Journalist zu mir, ein junger Mann mit blondem Haar, freundlichem Wesen und teurem, diktierfähigem Handy. Er sollte vorab über ein Festival in Hildesheim berichten und wollte herausfinden, ob es da wohl „politisch“ zugehen werde. „Ja gewiss!“ sagte ich in sein kluges Handy und freundliches Gesicht hinein, das sehe man bereits an der Auswahl der Gäste, die dort lesen und diskutieren würden: wenig etabliert, weiblich, jung, migrantisch. Oder mehreres davon zugleich. „Ach so?“ fragte der Journalist, und ob diese Sorte Gäste nicht eher bekenntnishaft-identitäre Texte erwarten ließ – weil sie statt von großen politischen Themen doch wohl vor allem von sich selbst erzählen wollten. „Ja natürlich!“ sagte ich, und was sonst das Politische in der Literatur sein solle, wenn nicht die Verheißung, endlich zum Subjekt zu werden, die Macht zu übernehmen, die Deutungshoheit innezuhaben! (…) Der Nabelschauvorwurf ist ein Macht­ instrument, dazu da, Subjektivität zu verhindern, Stimmen zu unterdrücken und Hegemonie zu behalten. Er trifft diejenigen, deren Los es zu sein hat, zu dienen und sich selbst zurückzunehmen. Er erinnert sie daran, wer sie sind.

Was hätte bei diesem Festival auf dem Programm stehen müssen, damit es sich für den Journalisten „politisch“ anfühlte? Zwei Vorschläge hat er in seinem Bericht gemacht: eine Diskussion zur Migrationskrise sowie die Rolle der Literatur in Zeiten des Rechtspopulismus. Das klingt politisch. Und scheint engagiert. Wer wessen Migration diskutiert, welche Literatur überhaupt eine Rolle und wer statt einer Rolle die Krise kriegt, ist das, was mich interessiert. Sie glaube nicht, dass sie die Zeit noch erlebe, wenn es Frauen gestattet würde, die Welt zu erklären, hat Sibylle Berg vor ein paar Jahren in ihrem Blog geschrieben. Sich selbst vielleicht, aber nicht die Welt. (…) Die Könige der Debattenkultur behaupten, es mache Spaß, sich so richtig zu streiten. Und dass wir das verlernt hätten. Und dass man sich doch bitte nicht so anstellen soll. Ich bezweifle zutiefst, dass es das gibt: Leute, die sich gerne streiten. Ich kenne nur Leute, die gerne recht haben – und sich deshalb notgedrungen streiten. Je sicherer und aufgehobener man sich fühlt, um so leichter. Je abhängiger, abgehängter und verunsicherter man ist, umso schwerer fällt’s.

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Das komplette Programmheft zu „Schäfchen im Trockenen“ können Sie beim Besucher­­service zum Preis von 2,50 € erwerben. 12


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