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FALLENDE BLÄTTER

Eigentlich hatte er sich schon zur Ruhe gesetzt, doch nun hat Aki Kaurismäki doch noch einen Film gedreht, einen seiner schönsten. Eine zarte Liebesgeschichte, ein Film, der völlig aus der Zeit gefallen und dabei durch und durch eigen ist.

In der finnischen Hauptstadt Helsinki (bzw. der Kaurismäki-Version von Helsinki) leben Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen) bescheidene Leben. Sie arbeitet in einem Supermarkt, räumt die Regale ein und nimmt bisweilen eine Packung abgelaufener Wurst mit nach Hause, weswegen sie bald entlassen wird. Er arbeitet auf dem Bau – zumindest noch – lebt in einem Container und geht gelegentlich mit seinem Freund zur Karaoke, an der er aber nicht teilnimmt, denn: Harte Jungs singen nicht. Noch wissen die beiden Nichts voneinander, leben vor sich hin, in einer zeitlosen Welt, die weder bewusst die Vergangenheit darstellt, noch deutlich die Gegenwart. Irgendwann kommt es zu einer ersten Verabredung – man sieht sich Jim Jarmuschs „The Dead don’t die“ im Kino an – doch bevor Ansa und Holappa wie der kleine Tramp und das Mädchen in den Sonnenaufgang gehen können, wollen noch einige Hindernisse überwunden werden.

Kein Regisseur und auch sonst kein Künstler dürfte das Bild von Finnland stärker geprägt haben als Aki Kaurismäki. Das Bild eines wortkargen, melancholischen Volkes, dass das Leben lakonisch an sich vorbeiziehen lässt ist dabei im Lauf der Jahre entstanden, ist die Welt, in der Kaurismäkis Filme spielen, unverwechselbar geworden. In gewisser Weise ist „Fallen Leaves“ also pure Nostalgie, erlaubt es dem Zuschauer einmal mehr in die bekannte, auch die heile, Kaurismäki-Welt einzutauchen, in der die Dinge sich im Lauf der Jahrzehnte nicht verändert haben. Kaurismäkis-Filme haben bei allem Realismus, bei aller Sympathie für die Arbeiterklasse, immer auch etwas Irreales, etwas Märchenhaftes. Das Finnland, das Kaurismäki zeigt, hat so vermutlich nie existiert, es war schon Mitte der 80er Jahre eine Illusion und ist es 40 Jahre später noch viel mehr. Allein an der Lust, sich von Kaurismäki, seinen einzigartigen Figuren und seinem speziellen Blick auf die Welt verzaubern zu lassen hat sich nichts geändert. programmkino.de / Michael Meyns

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