» Die „Walzmühle Mühldorf“ war ein sehr fort-
schrittlicher Betrieb und die Freundschaft erlaubte es, dass man sich an deren Gegebenheiten orientieren konnte. Der Auftrag zur Planung des Gebäudes ging an Architekt Holzinger aus Innsbruck, die technische Ausarbeitung der Produktionsanlagen wurde einer international renommierten Mühlenbaufirma anvertraut, Schneider & Jaquet aus Straßburg. Monatelang saß ein Planer in Vintl und entwarf die Anlage, deren Kosten im Angebot mit 77.605 Reichsmark, umgerechnet 91.300 Kronen, veranschlagt waren. Die Kapazität der Weizenmühle war auf 12 bis 14 Tonnen in 24 Stunden ausgelegt. Dazu kamen eine Roggenmühle mit einer Tagesleistung von 4 Tonnen und eine Getreidereinigungsanlage für bis zu 20 Tonnen. Am 12. Oktober 1914 stellte die k. k. Bezirkshauptmannschaft Brixen dem Unternehmer Alois Franz Rieper offiziell die Bewilligung zur Errichtung einer Kunstmühle in der Gemeinde Niedervintl aus. Das Dokument enthielt insgesamt 15 Auflagen zur Einhaltung penibler
Kommerzienrat und Mühlenbesitzer Sebastian Weinmayer steht Alois Franz Rieper beratend zur Seite.
Die Müllerei
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Industriemühlen in Tirol
„Kunstmühle“ war der Fachbegriff für jene industriellen Mühlen, die sich durch ihre neuen Technologien von den handwerklichen Mühlen unterschieden. Bestand die traditionelle Mühle vorwiegend aus Holz, wurden in der Kunstmühle tragfähige Teile durch Metall ersetzt und händische Aufschüttvorgänge von mechanischen Elevatoren und Schnecken übernommen. An die Stelle der Mühlsteine traten Walzenstühle mit Stahlwalzen, und
der Antrieb erfolgte mittels Elektrizität, die vielfach aus eigenen Wasserkraftwerken stammte. Mit seiner neuen vollautomatischen Mühle reihte sich Rieper ein in die weit zurückreichende, gediegene Mühlentradition des Landes. Neben der Vielzahl an handwerklichen Mühlen, die in zahlreichen Ortschaften die Nahversorgung sicherten, hatten gegen Ende des 19. Jahrhunderts zwei Familien ihre Betriebe zu industriellen Mühlen ausgebaut.
Die damaligen industriellen Mühlen in Südtirol