Rettungsdienst Journal Ausgabe 04/2011

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RECHT

Rechtliche Grundlagen der Schweigepflicht Von Thomas Hochstein Teil 2 Dies ist der zweite Teil des in der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift begonnenen Beitrags zu den (straf-) rechtlichen Grundlagen der medizinischen Schweigepflicht. Nachdem sich der erste Teil mit dem der Kreis der Schweigepflichtigen und dem (grundsätzlich weitreichenden) Umfang der Schweigepflicht beschäftigte, werden nunmehr die Ausnahmen von der Schweigepflicht behandelt, also die Fälle, in denen auf Wunsch oder im Interesse des Patienten, aber auch gegen seinen Willen Auskünfte an Dritte gegeben werden dürfen oder sogar müssen. Wann darf man trotz Schweigepflicht Auskunft geben? Es gibt denkbare Fälle, in denen man trotz bestehender Schweigepflicht dennoch Auskunft über bestimmte Sachverhalte, die dieser Schweigepflicht unterliegen, geben darf oder gar geben muss. Diese kann man grob in zwei Gruppen einteilen: einmal solche, in denen diese Auskunft im - mutmaßlichen - Interesse des Patienten liegt (der Helfer also durch den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der - mutmaßlichen - Einwilligung gerechtfertigt ist und nicht rechtswidrig handelt; hierbei handelt es sich streng genommen nicht um einen "Bruch" der Schweigepflicht, sondern eher um einen Verzicht, eine Entbindung seitens des Patienten), und zum anderen solche Fälle, bei denen die Schweigepflicht und mit ihr der dahinterstehende Anspruch des Patienten auf Schutz der Privat- und Intimsphäre hinter anderen, höherwertigen Rechtsgütern zurückstehen muss (der Helfer also durch § 34 StGB, den rechtfertigenden Notstand, gerechtfertigt ist). Entbindung von der Schweigepflicht Einfach gelagert ist der Fall, wenn der Patient den Helfer ausdrücklich von der Schweigepflicht entbindet; dann (und soweit wie diese Entbindung reicht) besteht kein Anlass mehr, Auskünfte zu unterlassen. Zugleich entfällt das Zeugnisverweigerungsrecht im Strafprozess. Dabei ist der berufsmäßige Helfer des Arztes von einer Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht mitbetroffen, da seine eigene Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich von der des Arztes ableitet. Wenn sich also - wie häufig - im Zivil- oder Strafprozess der Patient als Geschädigter (oder vielleicht auch einmal als Angeklagter) von der Aussage des behandelnden Personals Vorteile erhofft, wird er sie von ihrer Schweigepflicht entbinden, damit sie diese Aussage machen können. Eine solche Entbindung muss nicht ausdrücklich oder in einer bestimmten Form geschehen, sondern kann auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Handeln (sozusagen stillschweigend)

vorgenommen werden, wenn beispielsweise der Patient darum bittet, Angehörige von seiner Einlieferung ins Krankenhaus zu verständigen, oder wenn er durch sein Verhalten deutlich macht, dass er an einer Information seiner Angehörigen über seinen Gesundheitszustand, das Transportziel etc. interessiert ist (also die übliche Sachlage beim Eintritt eines Notfalls im häuslichen Bereich: um den Patienten bemühen sich Angehörige, die natürlich über die vermutliche Art der Erkrankung, deren Gefährlichkeit, notwendige Maßnahmen und über das Zielkrankenhaus informiert werden möchten, was - ohne dass über diesen Sachverhalt groß gesprochen würde auch dem Wunsch des Patienten selbst entspricht). Auch wenn es um die Voranmeldung in der Klinik und um die Übergabe des Patienten an weiterbehandelndes Personal geht (bspw. seitens des Rettungsdienstpersonals an den Notarzt oder durch diesen an den aufnehmenden Arzt des Krankenhauses), wird man davon ausgehen können, dass der Patient hinsichtlich der für seine weitere Behandlung relevanten Informationen bereits durch die Verständigung des Rettungsdienstes und durch seinen Willen, sich behandeln zu lassen und dazu auch gegebenenfalls in die Obhut eines Krankenhauses zu begeben, dieser Informationsweitergabe zugestimmt hat. (Diese Zustimmung wird sich dabei aber nicht auf Kenntnisse beziehen, die das Rettungsdienstpersonal im Rahmen des Einsatzes gewonnen hat, die aber für die Weiterbehandlung nicht relevant sind, bspw. über die Lebensumstände des Patienten oder die Tatsache, dass er gemeinsam mit seiner Geliebten in der ehelichen Wohnung angetroffen wurde.) Hinsichtlich des Straftatbestandes der "Verletzung von Privatgeheimnissen" wirkt die Entbindung von der Schweigepflicht als rechtfertigende Einwilligung, die das (eigentlich tatbestandsmäßige) Handeln rechtmäßig macht und eine Strafbarkeit ausschließt. Rettungsdienst Journal 04-2011

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