Dorf-Blitz Ausgabe November 2011

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Dorf-Blitz

Region

11/2011

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Kevin allein beim Verein

In dieser Rubrik schildert Dorf-Blitz-Redaktor Kevin Knecht im 2011 in freier Berichterstattung regelmässig über seine Besuche und Erfahrungen bei willkürlich ausgewählten Vereinen in Bassersdorf, Brütten und Nürensdorf.

Karnivoren verteilen Wienerli am Bassersdorfer «Räbeliechtli»-Umzug

Fleischfresser mit einem Herz für Kinder Das Karnivoren-Grüppchen Bassersdorf verteilt jedes Jahr Wienerli, Brot und Tee an alle Kinder, die am «Räbeliechtli»-Umzug teilnehmen. Dorf-Blitz-Redaktor Kevin Knecht half dieses Jahr mit. «Verein zur Volksaufklärung in Sachen Fehlernährung durch zu viel pflanzliche Kost» - so beschreibt sich das Karnivoren-Grüppchen Bassersdorf KGB im Vereinsverzeichnis der Gemeinde. Mehr weiss ich vor meinem Besuch nicht über diesen Verein der Fleischfresser, der jedes Jahr sämtliche Kinder des «Räbeliechtli»Umzuges mit Wienerli versorgt.

Vorladung Bevor gekocht wird, begleite ich Fabian Moser, den Präsidenten des KGB, zu einer Vorladung im Gemeindehaus. Unterwegs erfahre ich, worum es geht: Die Karnivoren haben einen Brief mit einigen Forderungen an Doris Meier-Kobler geschrieben. «Wir verlangen beispielsweise einen Kuss von der Gemeindepräsidentin. Ausserdem soll der Musikverein beim «Räbeliechtli»-Umzug in Uniform und bei jedem Wetter marschieren», erklärt der Bassersdorfer. Einige Minuten später schüttle ich Doris Meier-Kobler die Hand und Moser erhält seinen Kuss. Es folgt eine

kurze Sitzung, an der auch der Dirigent des Musikvereines, Beat Möckli, teilnimmt. Die Gemeindepräsidentin ist voll des Lobes für das Engagement des KGBs und geht humorvoll auf die schalkhaften Forderungen ein. Beat Möckli erklärt derweil, weshalb der Musikverein bei starken Niederschlägen nicht marschieren kann (gewisse Instrumente nehmen Schaden) und dass der Musikwunsch des KGB (Ecstasy of Gold von Ennio Morricone) so kurzfristig nicht eingeübt werden konnte.

In der Küche Von Doris Meier-Kobler mit einem Schnaps beschenkt eilen wir hinüber zur Küche der Metzgerei Steinmann. Dort warten bereits die anderen Mitglieder des KGBs, die sich nach einem kurzen Sitzungsbericht ihres Präsidenten sogleich an die Arbeit machen. Die Wienerli werden in heisses Wasser gelegt, das Brot wird geschnitten. Ganze Packungen von Teebeuteln werden in drei riesige Milchkannen gegeben. Dann kommt der Zucker dazu. Leider verliert Fabian Moser beim Zuschütten der Kilopackungen die Übersicht, der Tee schmeckt aber trotz ungleicher Zuckerverteilung gut.

In drei riesigen Milchkanne wird für die Teilnehmer am Räbeliechtli-Umzug heisser Tee angesetzt; Fabian Moser (l.) und Christian Weiss diskutieren über das Süssen des Getränks. (Bilder: Kevin Knecht)

Schliesslich werden die Wienerli mit einer riesigen Kelle aus dem Wasser geschöpft und in isolierte Kisten verpackt. Etwas schwieriger ist es, die Teebeutel wieder aus den Milchkannen zu klauben, denn ein Sieb findet sich nicht. Mit viel Einsatz, Kreativität und einigen verbrannten Fingern gelingt aber auch dies.

Fast zu wenig Wienerli Die drei Tische auf dem Dorfplatz, an denen Wienerli, Brot und Tee verteilt werden, sind schnell aufgebaut. Mittlerweile ist es schon fast 19 Uhr und die mehr als 600 Teilnehmer des Umzuges kommen immer näher. Schon bald treffen die ersten Kinder ein. Fleissig helfe ich mit, die Wienerli zu verteilen. Die meisten Kinder beginnen zu strahlen, sobald sie ihren «Znacht» in den Händen halten. Irgendwann ist der grösste Andrang vorüber, aber auch die 300 zubereiteten Wienerli gehen zur Neige. Letztlich reicht es genau für die Kinder, nicht aber für die mittlerweile hungrigen Karnivoren. Sie müssen ironischerweise ohne Fleisch auskommen und sich mit Brot und Senf begnügen.

Leuchtende Kinderaugen Nachdem die Kindermeute versorgt ist, beginnen die Karnivoren gemächlich mit dem Aufräumen. Gleichzeitig wird geplaudert und gelacht. «Heute haben nicht nur Vereinsmitglieder mitgeholfen», erzählt Fabian Moser. Roman Lasaracino helfe beispielsweise jedes Jahr mit, einfach so, weil er eben «ein guter Typ» sei. Wie aber stehen die Fleischfresser nun zum Vegetarismus? «Es gibt gute Argumente für den Vegetarismus – wir teilen sie einfach nicht!», meint jemand aus der Runde. Das Grüppchen hat sich also nicht einem ideologischen Kampf verschrieben, es geht ums Zusammensein. Moser ist seit diesem Jahr Präsident des 1999 gegründeten KGB. Er will das Vereinsleben wieder aktiver pflegen, nachdem einige Jahre nicht mehr viel los war. «Neben traditionellen Anlässen wie Generalversammlung, Sommer- und Wintergrillplausch wollen wir neu auch Bier-Symposien durchführen und die Wirtschaften von Bassersdorf bezüglich ihrer Gastfreundschaft den Karnivoren gegenüber testen. Natürlich werden wir auch im nächsten Jahr wieder Wienerli verteilen, nur schon der leuchtenden Kinderaugen wegen», schmunzelt Moser. Kevin Knecht

Jedes Jahr verteilen die Karnivoren – im Bild Andy Enz – auf dem Dorfplatz insgesamt 300 Wienerli an die Kinder; für die Fleischfresser-Gruppe blieben nur noch Brot und Senf übrig.


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