Dorf-Blitz Juni 2013

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Dorf-Blitz

06/2013

Nürensdorf

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Bildhauer-Lehrtochter Melanie Sterba begeistert auch im Ausland

Mit Leidenschaft dem Werkstoff Stein verfallen Die Bassersdorferin Melanie Sterba hat mit 18 Jahren bereits mehr erreicht, als mancher längst im Berufsleben stehende Bildhauer. Kürzlich erlangte sie in Nürnberg (D) anlässlich des ersten Nachwuchswettbewerbs an der 18. Fachmesse für Naturstein und Natursteinbearbeitung sogar den ersten Platz.

schäftsmann, der sie heute in seinem Garten stehen hat.

Schrei – in Stein gehauen

von Annamaria Ress Auf langen Beinen steht Melanie Sterba mitten im Atelier aus dem Jahr 1840 in Oberwil. Ein kecker Hut auf dem Kopf und in der traditionellen Berufs-Tracht gekleidet präsentiert sich auch eine moderne junge Frau. Sie weiss genau, was sie will und verfolgt ihren Weg ohne Kompromisse. Davon konnte sich ihr Lehrmeister, der Oberwiler Bildhauer Ralph Höck, schon vor über drei Jahren überzeugen. «Melanie wollte unbedingt bei mir eine Schnupperlehre absolvieren. Ich war nicht begeistert davon, weil ich gar keine Lehrlinge ausbilden wollte. Sie hat dann so lange insistiert, bis ich es auf einen Versuch ankommen liess. Und Melanie hat mich so von ihrem Talent und ihrem Willen überzeugt, dass ich sie schliesslich als Auszubildende eingestellt habe», erinnert sich Ralph Höck. In den vier Jahren Lehre (Melanie ist derzeit am Ende des dritten Lehrjahres) fährt sie einmal wöchentlich an die Berufsschule in St. Gallen. Der Weg sei ihr nicht zu weit, versichert sie. Noch seien sie in ihrer Klasse knapp zehn Lehrlinge, erzählt die Steinbegeisterte weiter. Zu oft habe jemand aufgegeben, weil die Vorstellungen des Berufes nicht mit der Realität zusammengepasst hatten.

Romantik fehl am Platz Dass in der Schweizer Lehrlingsausbildung der handwerkliche Teil im Vordergrund steht und sie in Ralph Höck einen figürlich arbeitenden Bildhauer als Lehrmeister fand, erweist sich nun als Glücksfall für Melanie Sterba. Der Umgang mit Handhammer und -meissel sowie dem Punktiergerät zur Vermessung

Melanie Sterba vermisst mit dem Punktiergerät ein Modell. (Bilder: Annamaria Ress)

Manchmal muss es auch schnell gehen, wie etwa in Nürnberg (D), wo Melanie Sterba kürzlich an der 18. Internationalen Fachmesse für Naturstein und Natursteinbearbeitung war. Vertreterinnen und Vertreter aus der Schweiz, Deutschland und Österreich nahmen an einem Nachwuchswettbewerb teil. Hier wurde verlangt, innert 18 Stunden aus einer rund 1,5 Meter hohen Sandsteinsäule einen Kopf nach freiem Entwurf zu gestalten. Und, wen wunderts? Melanie Sterba erreichte mit ihrer Figur den ersten Platz. Der Kopf mit einem offenen Mund steht unter dem Titel «wir hören Sie, aber verstehen Sie nicht» und möchte auf das derzeit in Fernsehen, auf der Strasse und anderen Orten grassierende Schreien aufmerksam machen.

Eigenständiger Weg

Das Modell für die endgültige preisgekrönte Arbeit hält Melanie Sterba in der Hand.

von einzelnen physiognomischen Details an Gesichtern beherrscht die Bassersdorferin sehr gut. «Viele, die diesen Beruf erlernen möchten, träumen die Romantik aus den Zeiten von Camille Claudel und Auguste Rodin zurück. Aber, dass es ein strenger Beruf ist, der viel Durchhaltewillen erfordert, bedenken sie häufig nicht», stellt Melanie Sterba fest. Sie erzählt von einer Figur, die eine trauernde Frau auf einem Sarkophag darstellt. Diese sei von einem deutschen Geschäftsmann in Auftrag ge-

geben worden, der sich schon zu Lebzeiten mit seinem Grabstein beschäftigte. Bildhauer Ralph Höck sei nicht ganz sicher gewesen, ob sie es schaffen könnten, den Ansprüchen des Kunden zu genügen und gleichzeitig so lange mit Begeisterung an diesem Werk, das aus drei Tonnen Stein zu gestalten war, zu arbeiten. Dass sie es zusammen ganz sicher erreichen könnten, davon war aber Melanie überzeugt. Die Figur aus weissem Marmor beschäftigte die beiden mehrere Monate, begeisterte schliesslich aber auch den Ge-

Und wo findet eine junge Frau den Ausgleich zu einem Beruf, der viel zeichnerisches Talent, Verständnis und Interpretationsgabe für den menschlichen Körper und andere Dimensionen sowie ein gute körperliche Konstitution erfordert? Sterba antwortet mit einem Funkeln in den Augen: «Ich bin ein grosser Fan von Land Rover. Schon mit 15 Jahren hatte ich zu sparen begonnen, damit ich mir mit 17 eines dieser englischen Autos kaufen konnte.» Und dann verrät sie mit einem Lachen: «Auch mein Chef ist begeistert davon und in der Freizeit schrauben wir zusammen an diesen Autos herum.» Gibt es noch anderes, was sie gemeinsam haben? «Oh ja», nicken beide und schmunzeln. Beide seien sie impulsive Charaktere, nicht zimperlich im Umgang mit anderen. Aber ehrlich und offen und könnten sie sich für ungerechte Aussagen auch mal entschuldigen. Dass sich Melanie für ihren Weg dereinst einmal nicht entschuldigen muss, ist sicher. Sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität, weiss was sie kann und wie viel sie sich zutrauen kann. ◾


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