Refugees' Library- Ahmed, Dagestan (deutsch)

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April 2017 10:00 Uhr VG 33 K A Öffentliche Sitzung Ahmed Achmetov Kheda Ahmetova Malik Ahmetov Hassan Ahmetov Verfahrensbevollmächtigte(r) zu 1. bis 4. Rechtsanwaltinnen T. Z. Richterin am Verwaltungsgericht K. D. als Einzelrichterin Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesministerium des Innern, dieses vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Außenstelle Berlin Asylrecht - Hauptsacheverfahren



Richterin: Ich werde jetzt mit dem Sachbericht beginnen. Sie verstehen schon einiges an Deutsch. Aber Frau K. wird heute aus dem Russischen übersetzen. Klappt die Verständigung wischen Ihnen? Kläger: Ja. Richtern: Sie sind 1972 geboren. Ihre Frau ist 1995 geboren. In Dagestan haben Sie zwei Kinder bekommen. 2012 kam es zu mehreren Ereignisse auf Grund welcher Sie das Land verlassen haben. Im Sommer 2012 kamen Sie mit der Familie nach Deutschland und haben hier Asyl beantragt. 2015 wurden Ihre Asylanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Gegen diese Entscheidung haben Sie rechtzeitig Klage erhoben. Ich sehe, Sie wollen bereits etwas hinzufügen? Kläger: Wir haben hier noch ein Kind bekommen. Richterin: Wann ist es geboren worden? Kläger: 2015. Richterin: Ich möchte heute von Ihnen hören lassen haben. Ich weiß, dass Sie erzählt haben. Ich weiß, dass es erneut zu erzählen, ich werde es Sie wissen, dass Sie vor Gericht sind.

warum Sie Russland veres schon beim Bundesamt für Sie schwer ist es berücksichtigen. zur Wahrheit verpflichtet

Kläger: Soll ich einfach so erzählen? Richterin: Erzählen Sie mir, wie haben Sie damals gelebt, wie haben Sie Ihr Geld verdient? Kläger: Ich habe ein Geschäft betrieben. Ich habe eine eigene Bäckerei gehabt. Und davor habe ich auf Baustellen gearbeitet. Richterin: Wo war Ihre Bäckerei?



Kläger: Auf einem Marktgelände. Klägerin: Was genau haben Sie produziert? Kläger: Brötchen, Schmalzgebäck, verschiedenes Brot auf Bestellung. Richtrein: Hat Ihre Frau auch bei Ihnen mitgearbeitet? Kläger: Nein. Richterin: Wie hat dann Ihre Frau ihr Geld verdient? Kläger: Sie hat keine offizielle Arbeit gehabt. Sie hat einen Kosmetikkurs gemacht und hat danach zuhause Leute empfangen. Brauen zupfen und so. Richterin: Dann sagen Sie mir, warum Sie ausgereist sind. Kläger: Wir fühlten uns bedroht. Und es war mir klar, dass wir keinen Schutz seitens der staatlichen Behörden bekommen werden. Richterin: Was ist passiert? Von Anfang an. Kläger: Eine meiner Mitarbeiterinnen hat mir im Februar 2012 ein Paket mit einer DVD überbracht. Die Videobotschaft besagte, dass 500.000 Rubel zu bezahlen sind und es gab eine Drohung: Falls ich das nicht tun werde, werde ich ernsthafte Probleme bekommen. Ich wusste was das bedeuten konnte. Ich habe schon von solchen Erpressungen gehört. Viele Menschen sind spurlos verschwunden. Zwei Tage später wurde ich aufs Handy angerufen. Man dagte mir, wo ich das Geld hinterlassen sollte. Ich weiß, warum sie mich ausgesucht hatten. Ich hatte keine Verwandten bei den höheren Stellen, die mich schützen konnten. Ich hoffte, dass es nur eine einmalige Forderung sei. Ich habe ohnehin 30.000 Rubel einem Polizisten monatlich bezahlt, damit er mich vor staatlichen Kontrollen schützt.



Richterin: Sie haben also 500.000 Rubel bezahlt, wie ging es dann weiter? Kläger: Bis Mai blieb es ruhig und dann passierte das Gleiche. Die Verkäuferin hat mir wieder die Mitteilung gebracht. Ich dachte mir, so kann es nicht weiter gehen. Ich bin zur Polizei gegangen. Ich habe keine Anzeige erstattet, weil dass keinen Sinn hat und nur noch weitere Probleme bringt. Ich habe nach dem Mann gesucht, welchem ich regelmäßig 30.000 Rubel bezahlt habe. Ich habe versucht ihn bei der Arbeit abzupassen. Aber ich habe ihn nicht getroffen. Ich habe ihn angerufen, aber er ist nicht dran gegangen. Dann bekam ich einen Anruf. Der Man am Telefon sagte mir, dass er weiß, dass ich bei der Polizei war und ich soll es lassen. An einem Tag kam mein Sohn von der Schule mit einer DVD. Diese DVD wurde ihm auf der Strasse von einem Mann übergeben, für Papa... Auf dem Video war zu sehen, wie Leute gefoltert wurden. Dann wurde ich angerufen, mir wurde gesagt, wo ich das Geld hinterlassen soll. Ich habe wieder bezahlt. Um 10:45 erscheint die Klägerin. Richterin: Wieso kommen Sie so spät? Klägerin: Ich habe sehr lange gesucht, ich habe mich im Gebäude verlaufen. Richterin: Frau A., ich stelle gerade Ihrem Mann Fragen. Ich würde Sie bitten währenddessen draußen Platz zu nehmen. Richterin: Beim Bundesamt haben Sie gesagt, sie hatten keine Telefonnummer von dem Polizist. Kläger: Ich weiß nicht, warum es dort so steht. Ich hatte seine Nummer. Er hat mich ja jeden Monat angerufen um diese 30.000 Rubel abzuholen. Er hieß Adam. Aber als ich ihn angerufen habe, ging er nicht dran. Es war auch klar warum. Er hatte viele solche Leute wie mich. Er rief nur an, wenn er von uns was brauchte. Richterin: Sie haben Geld übergeben. Was passierte dann?



Kläger: Im Juli haben sie eine größere Summe von mir verlangt. 1.5 Mio. Ich wusste, dass ich es nicht zahlen konnte. Das hätte mich komplett ausgesaugt. Ich wurde angerufen. Das war ein böses Telefonat, ich habe mich mit diesem Typ gestritten. Habe dann mein Handy ausgeschaltet. Ich konnte nicht ruhig schlafen, ich wusste, dass sie jederzeit kommen können. Und tatsächlich in der Nacht von 25. auf den 26. Juli wurde bei uns in die Fensterscheiben geschossen, eine Rauchgranate flog in unseren Hof. Richterin: Beim Bundesamt haben Sie Ihre Adresse angegeben. Das Bundesamt hat ermittelt. Die Adresse hat sich als falsch erwiesen. Kläger: Als wir nach Deutschland kamen, hatten wir viel Kontakt mit russisch sprechenden Leuten. Sie haben mir gesagt, dass es sein kann, dass wir abgeschoben werden. Ich hatte Angst und habe eine falsche Adresse angegeben. Wir standen nach der Ankunft unter emotionalem Stress. Dann macht man die Sachen, die man sonst nicht tun würde. Anwältin: Haben Sie immer noch Angst Ihre Adresse zu nennen? Kläger: Ich kann die Adresse nicht nennen. Richterin: Wissen Sie, es kann genau das Gegenteil passieren. Weil Sie die Adresse nicht nennen möchten, können wir negativ entscheiden. Und abgeschoben werden kann auch ohne Adresse. Kläger: Ich möchte nicht das Risiko eingehen. Anwältin: Ich verstehe nicht, warum Sie immer noch Angst haben. Kläger: Ich möchte nicht, dass dort nach uns gefragt wird. Anwältin: Es wurde in Russland schon in nach Ihnen gefragt. Aber jetzt wird niemand fragen, wenn Sie jetzt hier sagen. Kläger: Ich möchte es nicht.



Richterin: Ich werde jetzt mit Ihrer Frau reden. Bitte nehmen Sie draußen Platz. Richterin: Frau A., ich möchte heute von Ihnen hören warum Sie Russland verlassen haben. Ich weiß, dass es für Sie schwer ist es erneut zu erzählen. Aber ich muss wissen, was genau passiert ist. Frau A., was haben Sie beruflich gemacht, wie haben Sie Ihr Geld verdient? Klägerin: Ich bin nicht ausgebildet. Ich habe neun Klassen Schule gemacht und danach meiner Oma beim Verkauf auf dem Markt geholfen. Dort habe ich meinen Mann kennengelernt, geheiratet, Kinder bekommen. Ich habe dann einen Kosmetikkurs gemacht und habe dann Kosmetik zuhause angeboten. Richterin: Warum haben Sie Russland verlassen? Klägerin: Von meinem Mann wurde Geld erpresst. Richterin: Wann war das? Klägerin: Februar, Mai und Juli. Der Junge hat diese DVD nach Hause gebracht, ich habe sie angeschaut. (Die Frau fängt an zu weinen) Auf der DVD waren Folterszenen zu sehen (weint). Im Sommer haben sie in unsere Fenster geschossen. Richterin: Wollen wir eine Pause machen? Von mir aus sind wir fast durch. Klägerin: Bitte eine Pause. Die Richterin steht auf und macht die Fenster auf. Richterin: Sie haben beim Bundesamt eine Wohnanschrift angegeben, sie hat sich als falsch erwiesen. Klägerin: Ich kann die richtige Adresse nicht nennen. Richterin: Frau A., sind Sie in psychologischer Behandlung?



Klägerin: Ich nehme Medikamente. Ich hatte auch drei Termine bei einer Psychologin. Mehr zahlte unsere Krankenkasse nicht. Danach wurde ich schwanger, ich hatte keine Zeit mehr für mich gehabt. Obwohl ich wusste, dass ich eine Therapie brauchte, bin ich nicht dazu gekommen. Die Tabletten helfen mir. Ich habe neulich wieder ein Rezept bekommen. Richterin: Haben Sie dieses Rezept noch? Quittung? Haben Sie vielleicht noch etwas schriftlich? Vielleicht ein Attest? Klägerin: Ich war am Montag bei meiner Psychologin. Sie meinte, ich wäre schon seit 1,5 Jahren nicht mehr bei ihr gewesen und sie kann mir nur ein kleines Attest geben. Das hätte aber 102 Euro gekostet. Ich hatte soviel Geld nicht dabei. Anwältin: Ich kenne diese Ärztin, sie ist da sehr streng. Richterin: Ich unterbreche jetzt, um mit dem Bundesamt zu telefonieren. Um 12.10 Uhr machen wir hier weiter. Alle Anwesenden verlassen den Gerichtsaal. Nach der Pause: Richterin: Ich habe jetzt mit dem Bundesamt telefoniert. Ich habe mit Herrn B. gesprochen. Ich habe ihm gesagt, dass ich die Geschichte sehr stringent finde. Er hat nachgefragt, ob Sie die richtige Adresse genannt haben, dann würde er die Geschichte leichter glauben. Er würde sich das nochmal überlegen. Dazu braucht er Ihre Atteste. Es sieht also gut aus, aber Sie müssen die Atteste besorgen. Falls bei mir keine Atteste binnen zwei Monate eingehen, werde ich ohne entscheiden. Richterin: Die mündliche Verhandlung wurde um 12.33 Uhr geschlossen. Ich danke Ihnen.

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