The Red Bulletin AT 08/22

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Beachvolleyball

Martin Ermacora & Moritz Pristauz holten Bronze bei der Beachvolleyball-EM. Beim Nations Cup in Wien sind sie die Local Heroes. Was sie noch sind? Ein Sport-Couple mit wertvollen Beziehungstipps. Text SILVIA JELINCIC

Foto PHILIPP HORAK

Warszawa? Ostrava? Wer wird denn da so kleinlich sein? Eigentlich hätten die beiden Beachvolleyballer ja eine Unterkunft in Warschau benötigt, aber statt Polen wurde es dann dank Moritz’ Buchung versehentlich die tschechische Grenzstadt. „Das ist ganz normal für Moritz. Wenn ich mich nach ihm richte, verpassen wir auch jeden Flieger“, sagt Martin. Dafür erreichen sie die meisten Bälle, die in ihre Sandkiste fliegen! Martin Ermacora, 28, aus Tirol und Moritz Pristauz, 26, aus der Steiermark gewannen 2019 bei der Beachvolleyball-EM in Moskau sensationell die Bronzemedaille. Nun sind sie beim Nations Cup in Wien (Start: am 2. August) erstmals die Local Heroes und Geheimfavoriten.

Kontrollierte Zuversicht

Aber sonst ist eigentlich alles wie immer: Während Martin vorsichtshalber alles dreifach checkt, ist Moritz laut Martin „tiefenentspannt und völlig sorglos“ für zwei: „Er denkt sich, dass es irgendwie ja dann doch immer passt, und hat damit am Ende des Tages auch recht.“ Aber nur, weil Martin da ist, um es wieder zu richten. Die Schwächen des einen sind die Stärken des anderen. Präzision mit Hang zur Kontrolle (Martin, der Blockspieler) trifft ansteckende Zuversicht (Moritz, den Verteidigungsspieler). Und das funktioniert schon seit acht Jahren so.

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Die meisten BeachvolleyballDoppel trennen sich nach wenigen Jahren. Wieso hält ausgerechnet diese Sportehe weit über die Phase der ersten Verliebtheit hinaus – und wird mit den Jahren sogar noch besser und besser? „Total offene Kommunikation“ sei die Basis, auch wenn das manchmal schwerfällt, sagt Moritz. „Während des Challenge-Turniers von Doha im Mai etwa, da hatte Martin eine private Sache zu klären. Also haben wir bis spät in die Nacht darüber geredet, obwohl wir früh aufstehen und spielen mussten. Das tut dann uns beiden gut. Wir reden über Privates genauso offen wie über Berufliches, und nur, weil wir alles direkt ansprechen, können wir die Probleme auch rasch lösen.“

Total am Sand

Empathie – das ist der zweite Beziehungstipp der beiden: die andere Hälfte des Winning Teams verstehen, sich in sie hineindenken, was nicht immer einfach ist. Denn dafür braucht es Toleranz und die Bereitschaft, sich selbst zurückzunehmen. Wie damals, Ende 2019, als Martin nach spielerischen Erfolgen in ein tiefes Loch gefallen war. Diagnose: Burnout. „Nichts ging mehr“, sagt er. „Allein beim Gedanken an Beachvolleyball bekam ich Angst. Ich hatte mir zu viel Druck gemacht, sah das große Ziel nicht und war planlos. Die Vision fehlte mir völlig!“ Und dann kam auch noch Corona.

Die Zwangspause setzte Martin so wie vielen anderen Sportlern zu. Es folgten Verletzungen und ein traumatisierender Autounfall. „Ich habe mich in Martin hineinversetzt und konnte total nachvollziehen, wie er sich fühlte. Ich gab ihm einfach Zeit. Zeit für sich und Zeit zum Zurückzukommen“, sagt Moritz. Martin nutzte sie, fuhr in die Tiroler Berge und holte sich Unterstützung bei seiner Familie und Sportpsychologen. Trotz alldem hatte Moritz niemals an einem Comeback des Duos gezweifelt.

Der große Traum

Das liegt vor allem daran, dass die beiden schon vor Jahren spürten, dass es, wie man so sagt, passt: Also haben sie eine klare Entscheidung füreinander getroffen, eine Partnerschaft, die seither nicht mehr in Frage gestellt werden muss – und soll. Das ist, wenn man so will, Beziehungstipp Nummer drei: Martin Ermacora und Moritz Pristauz gehen ihren sportlichen Weg bedingungslos gemeinsam. Punkt. Aus. „Es klappt nur gemeinsam oder gar nicht!“ Rechtzeitig vor dem großen „Heimspiel“ am Wiener Heumarkt läuft es für die beiden wieder richtig rund. Sie konnten in den vergangenen Monaten immer wieder bei internationalen Bewerben punkten. Ihr ganz großes Ziel: die Teilnahme an Olympia 2024. „Wir haben noch irre viel Potenzial! Gemeinsam können wir die Nummer eins der Welt werden“, sagt Martin. Und Moritz? Der wird im Spätsommer zum ersten Mal Vater. Ein Mann, zwei Sandkisten. Und eine späte Gewissheit: Ostrava ist nicht die Hauptstadt von Polen. Der BeachVolley Nations Cup findet von 2. bis 7. August am Wiener Heumarkt statt. Info: beachvolleyball.at. Pristauz und Ermacora auf Instagram: @bvtep

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