Action
JoAChIM PRüGL ALIAs „swEdE:ARt“ DeutschlAnD
BILDER: LIAM LYNCH (1), DAN MEDHURST (1), MR MASS/MASSCORPORATION (1), RED BULL MUSIC ACADEMY (2)
GERARd „KIdKANEVIL“ RoBERts GrossbritAnnien Natürlich könnte man dem Londoner Gerard Roberts während der Red Bull Music Academy Heimvorteil unterstellen. Zumindest räumlich. Er sieht’s aber als Nachteil. „Ich möchte so viel Zeit wie möglich in der Academy verbringen, damit es sich auch für mich anfühlt, als wäre ich in einem anderen Land“, sagt der Achtundzwanzigjährige. „Nur zum Wäschewaschen werde ich daheim vorbeischauen.“ Seine jugendliche Faszination für Funk – ausgelöst durch den Film „Super Fly“ von 1972 samt Soundtrack von Curtis Mayfield – führte ihn schließlich zu Hip-Hop. Heute arbeitet Roberts an der Musik von morgen und produziert düstere Beats, angereichert mit synkopischen Klicks und verspielten Sounds. Futuristische Tanzmusik eben. „All die Musiker, die ich respektiere, haben ihren eigenen Style“, sagt er. „J Dilla beispielsweise spielte in einer eigenen Liga. Auch Timbaland hatte großen Einfluss auf mich. Mir waren einzelne Künstler immer wichtiger als ein Genre. Darum versuche ich auszubrechen, meinen eigenen Sound zu finden.“ Roberts’ jüngste Abzweigung: Er integriert traditionelle japanische Motive in seine Tracks. „Ich habe nie verstanden, warum Menschen hauptsächlich englischsprachige Musik hören“, erklärt er. „Als Kind ging ich gern ins Museum. Dort gab’s eine Weltkarte mit Knöpfen, und beim Drücken hörte man Musik aus der jeweiligen Region.“ Vermutlich auch der Grund, warum er auf MySpace „Tokyorkshire“ als Herkunftsland angibt.
„In meiner Jugend habe ich Saxophon gelernt. Und ein bisschen Klavier“, sagt Joachim Prügl, 20, aus Passau. Als Instrumentalist würde er sich dennoch nicht bezeichnen, vielmehr sei er Produzent. Ergibt Sinn, denn der Bayer schnitzt seine Tracks am Computer, dem er Grime- und Hip-Hop-gefärbte Elektroniksounds entlockt, in denen alte Funk- und Soul-Samples wie Spiegeleier gebrutzelt werden. „Bei mir zu Hause gibt’s keine Szene für diese Art von Sound. Ich klicke mich durchs Internet, um Gleichgesinnte und deren Hip-Hop-, Wonky- oder DubstepTracks zu finden.“ Obwohl Prügl in einem Satz gern mehr Genres aufzählt, als so mancher Plattenladen anzubieten hat, verabscheut er die Kategorisierung von Musik. „Ich mag auch normale Musik, House und Techno. Es muss nur Musik sein, die dich packt, die du dir, ohne vorwärts zu skippen, bis zum Ende anhören willst.“ Besonders gern hört er zurzeit die Musik des Academy-Absolventen Flying Lotus und hofft, in London mit ähnlichen Kapazundern arbeiten zu können. „Es muss verrückt sein, mit jemandem Musik zu machen, von dem man ein Fan ist.“ Die Stärke der Academy, meint Prügl, liege darin, dass sie Musiker mit verschiedenen Backgrounds zusammenführe. „Ich will Gleichgesinnte treffen. Wenn man wie ich aus einem kleinen Kaff kommt, ist das sehr wichtig“, sagt er. „Auf die Interaktion zwischen Teilnehmern und Lecturern freue ich mich am meisten.“
rADio stArs
Eine digitale Audiothek, gefüllt mit tausenden Interviews, Beiträgen, DJ-Mixes und Live-Konzerten aus den besten Clubs der Welt – das ist das Red Bull Music Academy Radio. Eine Audiothek, die rund um die Uhr geöffnet ist, deren Shows der Hörerschaft auf redbullmusicacademyradio.com jederzeit on demand zur Verfügung stehen. Nun gibt’s das Radio auch fürs iPhone. Von souligem Hip-Hop bis Reggae, von HipsterIndie bis Techno, von The Roots bis Róisín Murphy, von Animal Collective bis Richie Hawtin: das Red Bull Music Academy Radio kennt keine Genregrenzen. DJ-Mixes werden jeden Morgen so frisch wie die Zeitung ausgeliefert, Sendungsmacher kramen durch ihre frischen Promo-CDs sowie in verstaubten Vinylkellern. Sendungen wie „On the Floor“ beamen den Hörer direkt auf die Tanzfläche, während „Headphone Highlights“ wahre Soundpioniere ans Radiomikro holt. Nun kann man sich auch mit dem iPhone durch das wachsende Archiv klicken oder einfach in den Live-Stream einsteigen. Tune to the sounds of tomorrow! Die neue Red Bull Music Academy Radio App gibt’s als Download: itunes.com/apps/ rbmaradio
Präferenzen und all das auszufragen, wozu sie sonst nie die Möglichkeit hätten. Chuck D von Public Enemy war schon auf der Academy-Couch, ebenso AfrobeatDrummer Tony Allen oder Post-Punk-Pionier Arto Lindsay. Mr Hudson ist nur eines der Gesichter, die die Wand erfolgreicher Academy-Absolventen schmücken. Neben Flying Lotus beispielsweise oder einem anderen Hudson, der Musikkritiker im letzten Jahr zu Lobeshymnen hinriss, Hudson Mohawke. „In Seattle konnte ich mit Questlove von den Roots über meinen Helden J Dilla diskutieren, und ich hab den britischen Hip-Hop-Act Sway getroffen, der eine Lecture gehalten hat. Ich sagte ihm, hey, wenn du mal einen schlechten Bowie-Imitator brauchst, ruf mich an!“ Angerufen hat Sway Mr Hudson zwar zunächst nicht, dafür dessen Demotape seinem Kollegen DJ Semtex zugesteckt, der es wiederum an Mercury Records weitergeleitet hat. Wenige Wochen später hatte Mr Hudson einen Plattenvertrag. Während der Aufnahmesessions zu seinem zweiten Album im Gizzard Studio im Stadtviertel Hackney läutete das Telefon. Kanye West war am Apparat. Der Rapper hatte gerade durch das Dance-Outfit Daft Punk und das schwedische Trio Peter Bjorn And John Gefallen an europäischen Pop-Exzentrikern gefunden. Und als Fan von Hudsons Stimme nahm er ihn für sein Label GOOD Music Anfang 2008 unter Vertrag. Zwei Wochen später arbeiteten die beiden an Wests damaligem Album „808s & Heartbreak“ in Hawaii. „Kanye und ich sind uns ähnlich. Weil wir Popmusik auf den Kopf stellen wollen, weil wir uns nur mit dem Besten zufriedengeben“, sagt Hudson. „Kanye fragt ständig: ‚Ist das wirklich gut?‘ Wenn andere längst zufrieden wären, bleibt er im Studio sitzen und feilt.“ So sieht auch Mr Hudson wenig Sonne hier in Hawaii. Er ist noch immer ein wenig heiser, als er Richtung Studio aufbricht. In einem kleinen Strandcafé kauft er noch Früchte und Kaffee. So wie seit kurzem jeden Morgen. Um seinen Kopf auszulüften und seine neue, aufregende Arbeitsumgebung zumindest ansatzweise auszukosten. Wenn er zurückdenkt an den Weg, der ihn hierher gebracht hat, grinst Mr Hudson. Und freut sich, dass sein Abenteuer jetzt mit dreißig so richtig beginnt. „Ich fühl mich jetzt frischer als damals. Das kommt wohl von der verjüngenden Kraft der Musik“, scherzt er. „Nur das mit dem Kater, das wird mit dem Alter leider nicht besser.“ Hörproben, Tourdaten, Videos und Hudsons Blog: www.mrhudson.com
69