The Red Bulletin INNOVATOR AT 23/01

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Ideas for a better future

Als Kind floh

Ehsan Zadmard vor den Taliban. Heute baut er Österreichs erstes Elektroauto.

EHSAN ZADMARD entwickelt in Ried im Innkreis das Auto der Zukunft –namens Falco.

Plus:

Die gute Atomkraft aus der Steiermark

Safari durchs Metaverse – ein Selbstversuch

Der Mutmacher

IDEAS FOR A BETTER FUTURE INNOVATOR BY THE RED BULLETIN 01/2023
3,50 EURO 01 2023 AUSGABE ÖSTERREICH

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NEU AUS DER RAUCH JUICE BAR!

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EDITORIAL

DIE MUTMACHER

CONTRIBUTORS

Konstantin Reyer

ist ein preisgekrönter Wiener Fotograf, der unter anderem für Demner, Merlicek & Bergmann, Jung von Matt sowie führende Magazine im In- und Ausland gearbeitet hat. Für uns hat er die Coverstory über den E-MobilitätsPionier Ehsan Zadmard und dessen Start-up Alveri fotografiert.

COVERSTORY / SEITE 32

Als wir mit der Arbeit an dieser Ausgabe begannen, sah sich die Welt mit einigen der größten Herausforderungen unserer Zeit konfrontiert. Die Schlagzeilen kündeten von Krisen und Infation, zudem wurde ein eisiger Winter befürchtet. Doch nun herrscht endlich wieder Tauwetter, die Sonne scheint stärker und länger, kurzum, unser Leben erscheint wieder heller. Und das nicht zuletzt deswegen, weil so vielen klugen Köpfen immer wieder ein Licht aufgeht! Wir nennen sie Mutmacher und widmen ihnen dieses Magazin.

Nicole Thurn

ist langjährige Journalistin und Gründerin von NewWorkStories.com. Sie ist auch als Autorin, Speakerin und Workshop-Organisatorin unterwegs. Für uns hat sie die Pläne zweier Österreicher für sichere Atomkraft recherchiert.

SEITE 80

Mutmacher – das sind akribische Tüftler, die unsere Energieversorgung völlig neu aufstellen. Mutmacher – das sind Pioniere der E-Mobilität. Und all die anderen kreativen Denker, die den Alltag ein Stück weit besser machen: von unserer ganz alltäglichen Kleidung bis hin zum Lebensraum Großstadt. Tja, und manche von ihnen – die Tempomacher unter den Mutmachern – lassen sogar Segelyachten fiegen.

Viel Vergnügen und Zuversicht beim Lesen des neuen The Red Bulletin Innovator!

INNOVATOR
4 INNOVATOR KONSTANTIN REYER (COVER), KONSTANTIN TAUFNER-MIKULITSCH

Egal, wie groß Ihr Unternehmen ist – A1 ist Ihr starker Businesspartner.

Wir bieten Ihnen immer maßgeschneiderte digitale Lösungen – weil sich die Herausforderungen des Businessalltags Seite an Seite besser meistern lassen.

Mehr Infos unter A1.net/business/verantwortung A1. Verantwortung für Ihr Business.

INHALT

BULLEVARD

10 Weltraum-Medizin

ESA-Astronaut Matthias Maurer forscht auf der ISS an Heilung aus dem All.

12 Das Sprühkleid

Ist ein Spray-Mix, der sich in Stoff verwandelt, die Zukunft von Fashion?

14 Finde den Groove

Percussionist Martin Grubinger macht Musik mit seiner App MyGroove.

16 Kunst kann mehr

America’s Cup

AB SEITE 58

Die Segel-Revolution

Wenn Schiffe fliegen können – ja dann muss wohl höchste Ingenieurskunst dahinterstecken. So wie bei den Rennyachten von Alinghi Red Bull Racing.

Einleitung

AB SEITE 25

Zukunft für Zuversichtliche

Lust auf Neues ist uns allen angeboren. Jene, die darin ihre Berufung sehen, verändern unsere Welt.

Interview

AB SEITE 42

Künstliche Intelligenz

Roboterpsychologin Martina Mara und Technikphilosoph Mark Coeckelbergh erklären das Phänomen KI.

Selbstversuch

AB SEITE 50

Expedition in die Virtualität

Das Metaverse ist ein enormes Unterfangen – und ganz schön eigen. Unser Autor hat sich „eingeschleust“.

Trendsetter

AB SEITE 70

Gesichter der Wende Solarkraft auf Äckern, Mini-Windräder, neue Wasserstoffzellen – so sieht die Energie der Zukunft aus.

Mobilität

AB SEITE 32

Ein E-Auto namens Falco

Die Brüder Ehsan und Jaqub Zadmard wollen Österreichs erstes E-Auto bauen. Und das ist erst der Anfang.

AB SEITE 80

Operation Austrotom

Zwei Österreicher wollen die Atomkraft sicher, sauber und günstig machen –mit dem Rohstoff Thorium.

In Zürich treffen Kunst, Wirtschaft und Technologie aufeinander.

18 Wunderlampe

Sie erzeugt Licht, Trinkwasser und Salz – einfach durch die Kraft der Sonne.

20 Hilfe aus der Luft

Ein Schweizer Start-up verwandelt Drohnen in fliegende Werkzeugkisten.

22 Freche Klappe

Ein findiger Linzer verpasst Altbauwohnungen smarte Holzbalkone.

GUIDE

90 Urban Future

Die Konferenz, die Changemaker und Entscheider zusammenbringt

92 Der Kraft-Boost

Biohacker Andreas Breitfeld hilft uns, noch schneller fit zu werden.

93 Toolbox

Die Gründerin von Women

Authors of Achievement talkt und teilt.

94 Save the Date

Ein halbes Jahr, vollgepackt mit spannenden Events, erwartet uns.

96 Kolumne

Ali Mahlodji erzählt, wie unsere Ängste uns sogar stärker machen können.

INNOVATOR SAMO VIDIC/ALINGHI RED BULL RACING BRATISLAV MILENKOVIC
Forschung
6 INNOVATOR

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Bullevard

für eine bessere Welt

INNOVATOR
INNOVATOR 9 GETTY IMAGES PREMIUM ACCESS

ESA-Astronaut Matthias Maurer bei seinem Außenbordeinsatz an der Internationalen Raumstation am 23. März 2022.

WELTRAUMFORSCHUNG

Der deutsche Astronaut Matthias Maurer, 53, führt im Weltraum Experimente durch, die viele Gesundheitsprobleme bei uns auf der Erde lösen könnten.

Kann uns Weltraumforschung dabei helfen, Krebs zu heilen, schwere Herzkrankheiten zu vermeiden und das Leben der Menschen zu verlängern? Der Astronaut Matthias Maurer, unterwegs im Dienste der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), ist überzeugt davon. Maurer meint, dass der Weg in den Weltraum kein Luxus, sondern unverzichtbar sei, um Innovationen voranzutreiben, die eines Tages tödliche Krankheiten ausrotten könnten.

Bei seiner letzten Mission „Cosmic Kiss“ etwa fog er mit seinem Team für sechs Monate zur Internationalen Raumstation (ISS), um dort mehr als 100 Experimente durchzuführen. Die Versuche reichten von der Grundlagenforschung bis hin zu Anwendungen in der Materialwissenschaft, Physik, Biologie, Medizin oder Erdbeobachtung.

Zum Thema Herzkrankheiten erklärt Maurer ein Experiment, an dem er mitgearbeitet hat – „Touching Surfaces“: „Es ist uns gelungen, Oberfächen herzustellen, die zu 100 Prozent antimikrobiell sind, indem wir Materialien wie Edelstahl, Kupfer und Messing mit einem speziellen Laser behandelt haben. Diese Oberfächen töten jede Mikrobe, jedes Virus und jede Bakterie ab, die mit ihnen in Berührung kommt.“ Diese für den Weltraum konzipierte Technologie könnte schon bald die Humanmedizin auf der Erde revolutionieren.

Der Stent aus dem All „Diese Materialien können bereits jetzt für Herzimplantate wie Herzschrittmacher oder Stents verwendet werden“, sagt Maurer. Ein potenzieller Lebensretter für Millio-

„Wir haben sogar einen kleinen Herzmuskel im All getestet“, sagt Astronaut Matthias Maurer, „und er hat angefangen zu schlagen.“

TAHIRA MIRZA

1 ESA/NASA/SPACEX

Heilung, die vom Himmel fällt Bullevard 10 INNOVATOR

nen, wenn man bedenkt, dass die heutigen Implantate bei fast 50 Prozent ihrer Träger gefährliche Infektionen verursachen. Und dass nicht wenige dieser Infektionen tödlich sind.

Maurer berichtet von weiteren erstaunlichen Eigenschaften der laserbehandelten Materialien, die im Weltraum getestet wurden: „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass der Oberfächenwiderstand im Vergleich zu anderen Verbindungsmaterialien um fast 80 Prozent reduziert ist.“

Daraus ergeben sich neue Chancen zurück auf der Erde: „Unsere Materialien könnten beispielsweise die Leistung von Solarzellen um bis zu 30 Prozent verbessern, was uns bei der Lösung unserer Energieprobleme einen entscheidenden Schritt weiterbringen könnte.“

Dann erzählt Maurer von einem zukunftsweisenden Experiment, das mithilfe von Lab­on­a­Chip­Systemen durchgeführt wird: „Wir verwenden kleine Krebszellen, die im Weltraum gezüchtet werden. Wenn man sie mit bestimmten Flüssigkeiten und Medikamenten in Kontakt bringt, kann man feststellen, ob ein vielversprechendes Medikament den Tumor abtötet oder nicht. Im Weltraum hat man die perfekte 3D­Morphologie. Bei uns auf der Erde sind die Krebszellen im Labor auf Petrischalen immer abgefacht, sodass man vielleicht einen Erfolg hat, aber später, wenn man das Medikament an Menschen testet, funktioniert es nicht unbedingt. Lab­on­a­Chip könnte ein Teil des Puzzles zur Heilung von Krebs sein.“

Abgehobene Poesie

Auch Tierversuchen könnte diese Art der Weltraumforschung eines Tages ein Ende setzen. Ist es da überraschend, dass Astronaut Maurer seine Mission poetisch beschreibt? „Cosmic Kiss“ sei eine „ Art Liebeserklärung an das Weltall, an die Raumstation als Bindeglied zwischen Menschheit und Kosmos und an das, was die Menschen dort tun und zukünftig tun werden.“ esa.int

AUSSERIRDISCHE FAKTEN

Matthias Maurers Außenbordeinsatz war der 441. Weltraumausstieg in der Raumfahrtgeschichte. Er dauerte ganze 6 Stunden und 54 Minuten.

Maurer brachte kulinarische Spezialitäten aus dem Saarland auf die ISS – hier Arme Ritter mit Vanillesauce.
INNOVATOR INNOVATOR 11
Matthias Maurer hat Materialwissenschaften in Deutschland, England, Frankreich und Spanien studiert. Seit 2010 arbeitet er für die ESA.

Der gebürtige Katalane Manel Torres forscht seit über zwei Jahrzehnten an nachhaltiger Fast Fashion.

Sprühende Leidenschaft

SPRAY-FASHION

Als Designer Manel Torres dem Model Bella Hadid ein Cocktailkleid auf den Leib sprayt, staunt die Modewelt. Rock und Hose –bald nur noch aus der Dose?

Es wird fnster im Salle des textiles im Pariser Musée des Arts et Métiers. Lediglich eine beleuchtete Plexiglasbühne erhellt noch den Raum. Topmodel Bella Hadid wirft sich in Pose – nur mit einem weißen Slip bekleidet, bereit für das große Finale. Und das wird Modegeschichte schreiben.

Es ist die Show des französischen Labels Coperni anlässlich der Pariser Fashion Week im Herbst 2022. Das Designer-Ehepaar Sébastien Meyer und Arnaud Vaillant hat sich dafür zusammen mit Manel Torres etwas ganz Besonderes überlegt. Und der sympathische Gründer der Textilfrma Fabrican ist es nun auch, der Bella Hadid die Show stiehlt – indem er mit einer Lackier pistole weiße Flüssigkeit auf die Haut des Models sprüht.

„Die Idee kam mir schon während meines ModedesignStudiums: Wenn es die Möglichkeit gibt, Stoffe und Textilien in einen Spray zu verwandeln, würde das die

vielen Herstellungsschritte –vom Entwurf bis zum Produkt – enorm verkürzen“, holt Manel Torres im Interview aus. Also machte sich der gebürtige Spanier daran, seine Doktorarbeit am Royal College of Art in London mit der Unterstützung eines befreundeten Chemikers über liquid fabrics zu verfassen. „Im Grunde bin ich immer noch dabei, diese Arbeit fertigzustellen“, fügt er lachend hinzu. Und meint damit die textile Praxis zur grauen Theorie.

Mittlerweile tüftelt er mit einem rund zehnköpfgen Team in seinem Londoner

Tatsächlich ist es eine Cellulose-Mischung –doch Spray-Designer Manel Torres vergleicht seinen Mix gerne mit Wildleder.

Cellulose-Mix in der Flasche: Was zunächst eine milchige Flüssigkeit ist, verwandelt sich in Kürze in Stoff.

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Bullevard 12 INNOVATOR GETTY IMAGES, ANDREW RANKIN LISA HECHENBERGER

Labor an den verschiedensten Zusammensetzungen, fügt Meersalz für mehr Struktur oder Stärke für mehr Robustheit hinzu. Für die Show von Coperni ist es ein Gemisch, basierend auf Cellulose, das zu einer Art Instant-Vliesstoff versprüht wird. „Ich vergleiche es vom Gefühl her gerne mit Wildleder. Aber es ist dasselbe Material wie bei jedem herkömmlichen Shirt oder Pullover – nur eben in füssi-

ger Form.“ Wenn es in Kontakt mit Sauerstoff kommt, wird das Material zu einem nicht verwobenen Stoff, erklärt Torres. Und so schwebt Bella Hadid nach nur wenigen Minuten im hautengen weißen Cocktailkleid vom Podest und präsentiert die Couture aus der Dose dem staunenden Publikum.

Auf die Frage, was man mit diesem kleidsamen Mix denn so alles anstellen könne,

Das Video von Bella Hadid (li.) im Sprühkleid auf der Pariser Fashion Week geht um die Welt. Möglich machte es der Stoff Fabrican.

DIE REDAKTION EMPFIEHLT

Spanien und Portugal haben sich zu Zentren nachhaltiger Mode entwickelt: Marken wie Ecoalf, Näz, Lefrik, Organique und viele weitere mehr machen Upcycling und Slow Fashion cool.

entfährt Torres ein begeistertes „Anything!“. Für Hosen, Hüte und Handtaschen, aber auch für Autositze und Tapeten, sogar für Gipsverbände oder Nikotinpfaster könnte er Verwendung fnden. „Stell dir vor, du trägst einen Stoff, der Vitamin C oder ein Hautpfegeprodukt abgibt. All das ist möglich.“ Und der eigentliche Clou: Jedes Stück könnte immer wieder verfüssigt und endlos wiederverwendet werden – bei gleichbleibender Qualität der Mischung. Was die Kosten betrifft, will sich Torres nicht festlegen. „Nehmen wir das Hemd, das ich gerade trage: Wenn ich es bei Chanel kaufe, verrechnen die mir 1000 Pfund. Woanders zahle ich 100.“

Derzeit führe er viele Gespräche mit unterschiedlichsten Interessenten, 300 bis 400 E-Mail-Anfragen bekomme er täglich seit der Coperni-Show. Seinen größten Traum habe er sich aber im Grunde schon erfüllt: ein Couture-Kleid für Paris zu kreieren. fabricanltd.com

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Auf einen Schlag

Start-up-Gründer: Percussionist Martin Grubinger bringt Musik einer neuen Generation nahe.

ENTERTAINMENT

Wie Martin Grubinger mit seiner App MyGroove Musizieren neu denkt und damit die Welt etwas schwungvoller macht.

Schlagzeuger Martin Grubinger ist weltberühmt. Vor allem an der Marimba (einer Art Riesen-Xylofon) gilt er als brillanter Solist. Irreführend wäre jedoch die Annahme, der 39-jährige Salzburger sei deshalb ein Egozentriker im Elfenbeinturm. Im Gegenteil: Er ist leidenschaftlicher Gruppenmusiker und BandMensch. Die Freude am Musizieren weiterzugeben ist seine Lebensaufgabe. Das ergibt sich schon einmal aus seiner Professur am Mozarteum. Nun hat Martin ein neues Medium für seine Mission. Er möchte Musikerinnen und Musiker in aller Welt miteinander verknüpfen. Treffpunkt: seine brandneu entwickelte App MyGroove, die im Früh-

MyGroove ist die virtuelle Schnittstelle zwischen Proberaum, Aufnahmestudio, Konzertbühne und Musikklasse.

jahr 2023 gelauncht wird. Martin: „Ich habe beobachtet, dass viele Kids nicht mehr singen oder tanzen. Vielleicht, weil unser Schulsystem die Musik nicht mehr als notwendig erachtet. Und vielleicht auch, weil das Musizieren durch YouTube oder die PlayStation verdrängt wird.“

Mission Musik

Globale Gigs: In der neuen App verknüpfen sich Tonspuren aus aller Welt zu einem gemeinsamen Groove.

Martin möchte dem Verschwinden von selbst gemachter Musik aus Schulen und Familien mit gemeinschaftlicher Energie entgegentreten. Denn Musik funktioniert seiner Erfahrung nach am besten im Kontext einer Band: „Es ist zwar schön und gut, allein zu Hause ein Instrument zu spielen. Aber der ultimative Kick ist, mit anderen an einem Groove oder einem Song zu arbeiten. Die Herausforderungen

SCHREYER

SIMON

3 SIMON PAULY

Die Band in der Tasche Bullevard 14 INNOVATOR

unserer Zeit und der Stand der Technik legen nahe, dass wir uns auch in einem Online-Raum treffen können, um zusammen mit Musikern in aller Welt zu jammen und voneinander zu lernen.“ Diese virtuelle Schnittstelle zwischen Proberaum, Aufnahmestudio, Konzertbühne und Musikklasse stellt MyGroove dar.

Drei grundlegende Funktionen erfüllt die wegweisende App: Erstens bietet sie Musikern Gelegenheit, ganz spielerisch zu üben – solo, im Playalong-Modus. Dabei können 200 Musikstücke, sogenannte „Missions“, in verschiedensten Schwierigkeitsstufen möglichst fehlerfrei durchgespielt werden. Ganz wie ein Computerspiel, bei dem Levels überwunden werden. Die vom Fraunhofer Institut entwickelte Artifcial Intelligence Recognition ist vorerst mit den populärsten Instrumenten – nämlich Piano, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Percussion und Gesang – kompatibel. MyGroove zeigt die Notation an, nimmt deine Tonspur auf, analysiert sie und gibt Feedback, an welchen Stellen unsauber oder gar neben dem Takt gespielt wurde.

Im Namen des Groove

MyGroove kann freilich auch im Multiplayer-Modus bespielt werden. Womit wir bei der zweiten Funktion der App sind: Denn wo zwei oder mehr Musikerinnen und Musiker im Namen des Groove zusammenkommen, dort ist der Geist der Musik bereits mitten unter ihnen. In diesem

Modus kannst du dich entscheiden, ob gemeinsam ein Stück einstudiert werden soll oder ob ihr einfach einen Jam anreißt. Dabei sitzt der Drummer zum Beispiel in Tirol, der Bassist in Wien, die Sängerin in Singapur und die Gitarristin in Brooklyn. Dieses Forum soll auch für Masterclasses genutzt werden, für die Martin bereits eine Auswahl bekannter Namen (siehe rechts) gewinnen konnte. Auch er selbst wird online unterrichten.

Der dritte Anwendungsbereich von MyGroove ist der einer digitalen Bühne. Auf ihr fnden Konzerte und Wettbewerbe statt, bei denen es Tickets und sogar Kollaborationen mit Musiklabels zu gewinnen gibt. Wie hochwertig die Hardware ist, mit der man die App verwendet, bleibt dir selbst überlassen. Ob Earpods oder gut abdichtende Studiokopfhörer, ob Handymikro oder professionelle Mikrofonierung: Über den Grad der Ernsthaftigkeit entscheiden alle MyGroover selbst, um dann miteinander so viel Spaß wie möglich zu haben. mygroove.app

STAR-ENSEMBLE

AUF KNOPFDRUCK

In der App MyGroove kann man 200 Musikstücke spielen. Als Lehrmeister dienen dabei ein paar der größten Musiker ihres Fachs.

1 Loreen Sima, Bass

2 Hyung­ki Joo,

Piano 3 Joannie Labelle, Percussion 4 Eko Fresh, Gesang 5 Yasi Hofer, Gitarre 6 Ben Jud, Bass
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7 Anika Nilles; Schlagzeug 8 Holly Madge, Schlagzeug 9 Arto Mäkelä, Gitarre
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Kunst zum Greifen nahe bietet das Zurich Art Weekend mit über 100 Events an 60 Locations.

4 PHILIPP LANDAUER

Es gibt in der Kunst immer wieder Schlüsselwerke. Beispielsweise Bilder, bei denen eine Künstlerin zum ersten Mal eine neue Technik ausprobiert hat, die später zum Standard wurde – diese Wendepunkte haben mich immer besonders interessiert“, erzählt Charlotte von Stotzingen. Die gebürtige Französin ist Gründerin des Zurich Art Weekend und gerade zu Fuß auf dem Weg zur Kunsthalle Zürich, die heuer zum sechsten Mal zur Drehscheibe dieses interdisziplinären Festivals wird.

Während sie sich ihren Weg durch die Gassen bahnt, erzählt sie: „Um in der Kunst einen Schritt nach vorne zu gehen, muss man zunächst

aus bewährten Denkmustern ausbrechen, den Blick für Neues öffnen. Wir haben das Zurich Art Weekend ganz bewusst an dieser Schnittstelle für neue Perspektiven positioniert, die sich im Zusammenspiel von Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft ergeben.“

Beim Thema Art & Tech hat Zürich in der europäi-

Beim Zurich Art Weekend sprechen Künstler mit Expertinnen aus Wirtschaft und Wissenschaft.

Kunst kann mehr ZURICH ART WEEKEND, URS WESTERMANN

ART & TECH
Von 9. bis 11. Juni findet dieses Jahr wieder das Zurich Art Weekend statt. Dabei wird die Stadt zur Spielwiese für Technologie und Kunst. Wir trafen die Gründerin. Bullevard 16 INNOVATOR

„Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft – aus diesem Zusammenspiel entsteht Kreatives, und an den Schnittstellen passiert Kultur“, sagt Charlotte von Stotzingen.

schen Städtelandschaft einen echten Wettbewerbsvorteil, denn es vereint eine hochkarätige und breit gefächerte Kunstwelt mit einer bahnbrechenden Technologielandschaft. „Zürich beherbergt einige der fortschrittlichsten europäischen Museen, Kunstzentren, Galerien, Stiftungen, Sammlungen und Universitäten“, erzählt von Stotzingen. „Gleichzeitig ist es auch ein globaler Knotenpunkt für das Metaversum, mit Unternehmen wie Microsoft, Facebook, Google, Disney Research und Magic Leap, die in Zürich Büros oder Forschungslabors eröffnet haben.“ Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) beherbergt das weltgrößte KI­Zentrum und hostet ein eigenes Center am Zurich Art Weekend.

Die Stärke der Vielfalt

„Die Kunstszene in Zürich ist sehr vielfältig, aber auch sehr fragmentiert – von den großen Institutionen über kleine Galerien bis hin zu Off­Spaces“, erzählt von Stotzingen. „Wir schaffen die Rahmenbedingungen, um all dies im Sinne der Kunst zu bündeln.“

Dabei sind auch Schweizer Institutionen wie Banken und wissenschaftliche Einrichtungen eng eingebunden. „Nicht nur weil sie selber Sammlungen besitzen, sondern weil Kunst auch immer eine gute Anlage ist“, betont von Stotzingen. Und weil auch dort aktuell viel Neues passiert.

„Das beste Beispiel für Innovationen auf dem Gebiet Tech & Art sind vermutlich NFTs – also die Frage: Welche Möglichkeiten tun sich auf, wenn ein Kunstwerk mit all seinen Eigenschaften, inklusive seines Marktwertes, eins zu eins in die digitale Welt transformiert werden kann?“ Während des Wochenendes fndet auch ein NFT Art Day im Kunsthaus Zürich statt. Das Zurich Art Weekend bietet von 9. bis 11. Juni neben Konzerten und Performances auch Talks, Walks, Atelierbesuche und vieles mehr. „Das ganze Wochenende ist kostenlos“, betont Charlotte und fügt hinzu: „Wenn du alle inkludierst, Kunstschaffende, Banken und die Wissenschaft, dann sollte das auch für jegliches Publikum zugänglich sein.“ zurichartweekend.com

INTERESSANTES

Ein besonderer Tipp ist der Immersive Art Space der Zürcher Hochschule der Künste, in dem Vorträge, Performances und immersive Installationen erlebt werden können.

Während des Events finden Ausstellungen in der ganzen Stadt statt, so wie hier in der Kunsthalle Liz Larner.
INNOVATOR INNOVATOR 17
Charlotte von Stotzingen gründete das Zurich Art Weekend, um Kunst und Technik zusammenzuführen.

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Der Architekt Henry Glogau (re.) arbeitet in Kopenhagen an grünen Ideen für ex treme Umgebungen.

SONNENKRAFT

Ein junger Neuseeländer macht Meerwasser trinkbar – und aus dem Salz gewinnt er nebenbei Strom. Wow – aber how?

„Ist doch ganz einfach“, sagt er.

Henry Glogau wollte schon immer seine Designfähigkeiten nutzen, um die Probleme dieser Welt anzugehen. Nach seinem Abschluss in Architektur im Jahr 2018 entschied er sich gegen die Jobsuche in seiner Heimat Neuseeland. Stattdessen zog der junge Designer nach Dänemark, studierte an der Königlich Dänischen Akademie und widmete sich der Entwicklung von Architektur in extremen Umgebungen bei GXN, dem Innovationsarm des Kopenhagener Architekturbüros 3XN.

„Ich meine, als Architekten und Designer sitzen wir mitunter in der Bequemlichkeit unseres eigenen Zuhauses oder Studios fest“, sagt der 26 ­Jährige. „Wir machen den Job, ohne wirklich rauszugehen und die Bedingungen oder den lokalen Kontext der Menschen zu verstehen, für die wir entwerfen.“

Ganz anders Glogau, der für seine Studien sogar bis nach Alaska reiste. Als er im Jahr 2019 in die nordchilenische Hafenstadt Mejillones kam, fand er eine echte Gelegenheit, seinen ehrgeizigen Ansatz auf die Probe zu stellen. Da die Wasserpreise dort die höchsten in Lateinamerika sind, nutzte Glogau jene Ressourcen, die kosten­

„Wir sitzen in der Bequemlichkeitsfalle“, sagt Designer Glogau. „Aber wir müssen da raus, um den Lebenskontext der Menschen zu verstehen, für die wir planen.“

Das Solar Desalination Skylight (hier als Visualisierung im Querschnitt) macht mit Sonnenenergie aus salzigem Meerwasser trinkbares Süßwasser – und leuchtet dabei.

Henrys Wunderlampe Bullevard 18 INNOVATOR

Bis zu 540 Milliliter gereinigtes Trinkwasser erzeugt ein Solar Desalination Skylight pro Tag – durch Verdampfung und Entsalzung.

los und unbegrenzt verfügbar sind: Sonnenlicht und Meerwasser. Auf der Grundlage der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung entwarf und baute er das sogenannte Solar Desalination Skylight. Das Lowtech-Gerät für den Heimgebrauch fltert Meerwasser, um kostenloses Trinkwasser zu gewinnen. Zusätzlich nutzt es die zurückbleibende Salzsole, um Energie zu erzeugen und das eingebaute Deckenoberlicht zu betreiben. „In den inoffziellen Siedlungen in Mejillones gibt es keinen Zugang zu grundlegenden Ressourcen wie Wasser und Strom“, erzählt Glogau. „Die ursprüngliche Idee entstand also, als ich über die Herausforderungen unter diesen extremen Bedingungen nachdachte.“

Der strahlende Kreis Glogaus leuchtendes, kreisrundes Gerät funktioniert mittels Verdampfung und Entsalzung. Alle zwölf Stunden produziert es 540 Milliliter gereinigtes Wassers. Die Solarzellen auf dem Gerät laden sich tagsüber auf. Die übrig gebliebene Salzsole wird für die Salzbatterien des Geräts verwendet. In Kombination mit dem gespeicherten Solarstrom erzeugen diese täglich 9,53 Volt. „Wir müssen uns überlegen, wie wir in herausfordernden Ökosystemen arbeiten können, anstatt immer zu versuchen, stur dagegen anzukämpfen“, sagt Glogau über sein simples Design. „Viele der besten Ideen wurden schon vor Hunderten von Jahren entwickelt. Ich denke, wir müssen das Rad nicht immer neu erfnden.“

Glogau war es wichtig, dass sich die Lampe natürlich in ihre Umgebung einfügt. Die gewölbte Form mit einem Muster aus Wasserkanälen entspricht diesem Gedanken. Meerwasser wird von Hand über einen kleinen Schlauch in die Leuchte gepumpt und sauberes Trinkwasser wird von unten herausgepumpt.

Glogau hat nun mit der Entwicklung neuer, verbesserter Versionen seines Prototyps begonnen. Außerdem lehrt er die Kleingemeinde Nueva Esperanza, das Gerät selbst zu bauen. Sein „AnleitungsKit“ und seine Workshops ermöglichen es der Einwohnerschaft, ein Solar-Dachfenster zur Entsalzung aus einfachen Materialien wie recycelten

Flaschen, Dosen, Messern und Klebeband herzustellen. Ein Video als Anleitung macht das Bauen noch einmal einfacher.

„Ich möchte ein fertiges Produkt schaffen, aber auch diese hybriden Versionen, die buchstäblich aus einem Rezeptbuch nachgebastelt werden können“, sagt Glogau.

„Man kann also dieses Handbuch aufschlagen und mit den Ressourcen arbeiten, die man zur Verfügung hat. Was das Design betrifft, gibt’s von mir keine fxen Vorgaben.

Für mich geht es primär darum, die Idee zu verbreiten und sie so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.“

henryglogau.com

Einsatzort: Mejillones in Nordchile zählt zu den trockensten Regionen der Erde. Zudem durchlebt das Land eine mittlerweile zwölf Jahre anhaltende Dürre.

DIE REDAKTION EMPFIEHLT

Die dänische Innovationsfirma GXN hat in Kopenhagen ein sogenanntes Green Solution

House gebaut, in dem man Ideen für Kreislaufwirtschaft erleben und ausprobieren kann. 3xn.com

INNOVATOR INNOVATOR 19

Fliegende Werkzeugkiste

HIGHTECH

Drohnen, die in luftigen Höhen schleifen, streichen und bohren können: Ein Schweizer Start-up lässt das Handwerk abheben.

D amit habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagt Timo Müller, CPO und Mitgründer von Voliro. Im Jahr 2019 ging er gemeinsam mit anderen Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, kurz ETH, bei einem Wettbewerb für innovative Drohnen in Abu Dhabi an den Start – und gewann mit dem Konzept „work at height“ den ersten Plaz. Die Idee dahinter: eine ArbeitsDrohne, die handwerkliche Tätigkeiten wie Schrauben oder Streichen an schwer zugänglichen Orten in großer Höhe ermöglichen soll.

„ An der ETH gab’s ein Versuchslabor für die Entwicklung von Drohnen“, erzählt Müller, „und da hab ich mich gefragt: Wie muss eine Drohne gebaut sein, damit sie erstens genügend Lastkraft für derartige Aufgaben hat und zweitens auch lange genug in der Luft bleiben kann?“

Voliro-Drohnen können sich um bis zu 90 Grad drehen und mit einer Vielzahl an Sensoren und Werkzeugen bestückt werden.

Schon an der ETH tüftelten Müller und Mina Kamel, sein damaliger Forschungspartner und Mitbegründer von Voliro, nicht nur an der technischen Machbarkeit einer derartigen Drohne, sondern auch an deren kommerziellen Einsatzmöglichkeiten. Auch das war

6 Bullevard
20 INNOVATOR VOLIRO PHILIPP LANDAUER

Voliro-Gründer Timo Müller (Mitte) und sein Team arbeiten in Zürich an einer ihrer Drohnen.

Eine Drohne von Voliro inspiziert ein Windrad bis zu 50-mal so schnell, wie klassische Methoden es erlauben würden.

INSPIRATION

Die Schweiz ist ein Hotspot für spezialisierte Drohnen. Einen Einblick geben Europas größte DrohnenShow in Genf vom 18. bis 21. Mai sowie die „Swiss Drone Days“ in Zürich jeden Juni.

sind größtenteils Inspektionsfrmen.“ Denn bei all diesen zyklisch notwendigen Inspektionsarbeiten in großen Höhen müssen normalerweise spezialisierte Industriekletterer anrücken. Das kostet Zeit und Geld. „Bis die da oben sind, das überprüft haben und wieder unten sind – wir machen das in einem Zehntel der Zeit“, sagt Zimmerli.

Neuland. „Wir Schweizer sind ja für technisches Know-how bekannt, aber in Sachen Sales und Marketing haben wir noch Luft nach oben“, sagt Laurent Zimmerli, zuständig für Customer Experience bei Voliro. Dem Sieg in Abu Dhabi folgend, hat das Start-up Investments von zwei Millionen Franken von Schweizer Geldgebern aufgestellt.

Präzision in der Schwebe Auf Basis ihres Prototyps entwickelte Voliro eine einsatzfähige Drohne, die dank sechs in alle Richtungen verstellbaren Rotoren selbst bei Wind ihre Position im Flug konstant halten kann – und das nur wenige Zentimeter von der zu bearbeitenden Oberfäche entfernt. „Wir bezeichnen sie als fiegenden Roboter“, betont Zimmerli. „Genau genommen sind wir also ein Robotik-Unternehmen und kein Drohnenhersteller.“

Voliro versteht seinen Roboter als eine Art fliegende Werkzeug-Plattform, die für neue Anwendungen kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Derzeit kommen Voliros fiegende Roboter hauptsächlich bei der Überprüfung von Blitzableitern an den Rotoren von Windkraftanlagen zum Einsatz sowie bei der Ultraschall-Dickenmessung bei Stahltanks oder Brücken, um festzustellen, wie porös das Material ist.

Für die verschiedenen Einsatzbereiche und Aufgaben wird nur der Aufsatz an der Drohne gewechselt. Voliro versteht seinen Roboter als fiegende Werkzeug-Plattform, die kontinuierlich für neue Anwendungen weiterentwickelt wird. Bedarf gibt es genug: „Unsere Hauptkunden in den USA, Deutschland und den Benelux-Ländern

Auf Voliros Homepage werden die Drohnen von den Inspektionsfrmen bewertet und mit bisherigen Dienstleistern verglichen. „Letztens haben wir die Blitzableiter in Windparks in Norddeutschland mit über hundert Anlagen in ein paar Tagen durchgecheckt – beziehungsweise hat das der Kunde selbst gemacht“, erzählt Müller.

Der fiegende Roboter kann für mindestens ein Jahr im Abo bezogen werden. Auf diese Weise muss Voliro nicht in Konkurrenz mit den Inspektionsfrmen treten, sondern wird von ihnen engagiert. „Damit gehen wir eine Art Symbiose mit den Firmen ein.“ In Zukunft könnten Aufträge auch von Baufrmen kommen. „Wir arbeiten gerade daran, dass unser fiegender Roboter bald auch schleifen, streichen und bohren kann“, sagt Müller. voliro.com

INNOVATOR
INNOVATOR 21

Balcosy ist Tisch und Fenstersitz in einem. Zu haben ist der Mini-Balkon ab 995 Euro. Die Größe kann inviduell an jedes Fenster angepasst werden.

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Kleine Wohnung, freche Klappe

MODUL-BALKON

Wohnen im Altbau ist schön, aber Freiflächen sind selten. Ein junger Linzer konstruiert deshalb hölzerne Mini-Balkone – zum Aufklappen! Und ohne behördliche Auflagen.

heraus, dass in Wien etwa nur jede fünfte Wohnung Freifächen zur Verfügung hat; in anderen Großstädten ist der Anteil ähnlich bescheiden: Auch die historische Stadtplanung in Metropolen wie Barcelona, Paris oder Rom zeigte wenig Interesse daran, ihren hitzegeplagten Bewohnerinnen und Bewohnern Zugang zu frischer Luft zu verschaffen. Holzmayer sah eine Chance – und machte sich in Linz auf die Suche nach Partnern.

Bau ohne Bürokratie

Über den Start-up-Inkubator

Bei Florian Holzmayer, 25, ist der Name Programm: Im Lockdown bastelte er einen hölzernen Mini-Balkon.

Im Lockdown saß ich in der Kurzarbeit in meiner schönen Altbauwohnung in Linz und merkte, dass ich frische Luft brauchte. Kurzerhand habe ich mir meinen eigenen MiniBalkon aus Holzplatten gebastelt, und dabei kam mir die Idee, dass das auch für andere Menschen interessant sein könnte“, erzählt Florian Holzmayer (kein Künstlername!) von seiner ersten Eingebung.

Mit einem HTL-Background in Holz- und Hochbau, aber ohne BWL-Kenntnisse machte sich Holzmayer an die Recherche – und fand

tech2b dockte Florian beim Bautechnischen Institut Linz/ Puchenau an, um seine Idee auf technische Machbarkeit und Sicherheit zu überprüfen. „Mir war sofort klar, dass Balcosy nur ohne Bürokratie und ohne Baugenehmigungen funktionieren kann“, sagt Holzmayer. „Deshalb ging es in den ersten ein, zwei Jahren nur darum, externe Gutachten und Prüfungen zu durchlaufen.“

Das war mühsam, hat sich aber ausgezahlt – ein Klappbalkon von Balcosy braucht nicht einmal die Erlaubnis des Vermieters, sondern kann

in Eigenregie aufgeklappt werden. Durch die Tischlerei Pecherstorfer & Anreitner kam Balcosy zur Serienreife. Fast zwei Jahre nach der ersten Eingebung stand Florian im Studio von Puls 4 und pitchte seine Idee in „2 Minuten 2 Millionen“. Zur selben Zeit startete Balcosy in Linz und Wien und sammelte erstes Feedback. Demnächst soll es eine Auswahl von fxen Größen geben, die regional hergestellt und bei Bedarf minimal angepasst werden können. Je nach Ausführung und Breite bewegt sich der Preis des Balcosy zwischen 995 und 2995 Euro.

Holzweg nach Europa

Der größte Vorteil des BonsaiBalkons ist die Garantie, dass Balcosy keine langwierigen Genehmigungsprozesse durchlaufen muss. Man kann das Fenster einfach selbst vermessen oder bekommt Besuch vom Balcosy-Team, das auch die Montage übernimmt. Eine neue Freifäche innerhalb weniger Stunden also. In diesem Jahr startet Balcosy auch in München – Potenzial für seinen Holzweg sieht Holzmayer aber in ganz Europa. balcosy.at

Bullevard INNOVATOR
22 INNOVATOR ANDREAS BALON DAVID SIEVERS

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FAHR FREUDE

Nachhaltig unterwegs mit starken Versicherungspaketen

Natürlich erfrischend.

Zutaten aus 100 % natürlicher Herkunft. Einzigartig im Geschmack.

Die Zukunft gehört den Zuversichtlichen

Wir alle kommen mit einer unstillbaren Lust auf Neues zur Welt. Sie treibt Innovation an und verändert unser Leben.

Wie, davon sprechen die Mutmacher in diesem Heft.

Wenn unser Körper etwas Neues wahrnimmt, schüttet er eine Wolke an Botenstoffen aus: Dopamin futet uns mit Begeisterung, Cortisol und Adrenalin pumpen unseren Stresslevel in die Höhe, Serotonin gibt uns einen GlücklichkeitsBoost, und Oxytocin stärkt unsere soziale Bindung.

Wir ersehnen und fürchten Neues –und suchen es jeden Tag aufs Neue. Als wir dieses Heft konzipierten, haben wir uns ebenso auf die Suche begeben. Auf die Suche nach Menschen, die das

Intelligenz (KI)
INNOVATOR 25 ANDREAS JAKWERTH BENJAMIN WOLF
RoboterExpertin Martina Mara spricht über künstliche
und wie Algorithmen bereits heute unser Leben prägen.

Neue zu ihrem Beruf und ihrer Berufung gemacht haben. Auf die Suche nach Mutmachern. So wie Ehsan Zadmard, der Österreichs erstes Elektroauto namens Falco baut. Mit sieben Jahren kam Ehsan nach Österreich, mit 27 handelte er ein millionenschweres Management­Buy­out aus, und mit 30 gründete er das Start­up Alveri. Wie er damit die Mobilität von morgen neu erfndet, lest ihr ab Seite 32. Um die Technologie von morgen geht es auch in unserem großen Interview, das sich dem Thema künstliche Intelligenz (KI) widmet. Tools wie Midjourney, ChatGPT oder Eleven Labs versetzen aktuell die gesamte InternetCommunity mit computergenerierten Bildern, Texten und Tönen in Staunen. Unsere Autorin Saskia Jungnikl­ Gossy spricht mit Roboterpsychologin Martina Mara und Technikphilosoph Mark Coeckelbergh (ab Seite 42) über Herausforderungen im Zeitalter der KI –und darüber, warum so mancher Social­Media­Algorithmus bereits jetzt mehr Macht hat als jeder Roboter. „Was die Menschen am meisten interessiert: Wann kommt der Sexroboter?“, erzählt Mara.

26 INNOVATOR KONSTANTIN REYER, SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL MATHIS
Ehsan Zadmard will von Oberösterreich aus die Mobilität von morgen neu gestalten. Und das E­Auto Falco bauen.
BURMEISTER

In unserem großen Sport-meetsTech-Feature wiederum geht es um einen bereits existierenden Cyborg: und zwar um die Segelyachten des Schweizer Teams Alinghi Red Bull Racing, die sich durch Hydrofoils aus dem Wasser heben und von nur acht Crew-Mitgliedern gesteuert mit bis zu 40 Knoten (ca. 74 km/h) dahinfiegen (ab Seite 58). Funktionieren kann das alles nur durch höchst präzise Abstimmung zwischen Mensch und Maschine. Diese hat es den Schweizern ermöglicht, den America’s Cup nach 152 Jahren erstmals nach Europa zu holen. Seitdem eifern die Segler der Welt ihnen nach. Um die Symbiose zwischen Mensch und Maschine geht es auch im Konzept des Metaverse. Neu? Auf jeden Fall! Aber kann es uns auch begeistern, erstaunen und erfüllen? Unser Autor Marc Baumann stellt sich in seinem Selbstversuch mit Datenbrille (ab Seite 50) diesen Fragen. Die Antworten fndet er im Gespräch mit Metaverse-Experten –und im Austausch zwischen einem virtuellen Hühnchen und einer digitalen Erdnuss.

Die AC75-Segelyacht von Alinghi Red Bull Racing fährt nicht, sie fliegt übers Wasser – dank Schweizer Ingenieurskunst.
INNOVATOR 27
Im Metaverse kann man eigene Avatare gestalten –und durchaus auch als virtuelles Hühnchen durch die Welt spazieren.

8

Pionier:innen der Energiewende

Zurück in unserer physischen Realität, ist sichere, leistbare und grüne Energie eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Unsere Pioniere und Pionierinnen der Energiewende (ab Seite 70) gehen das an, mit Solarkraft über Parkplätzen und Äckern, MiniFlusskraftwerken, turbinenartigen Wind rädern und vielen anderen elektrisierenden Ansätzen.

Die Natur bietet uns jedoch nicht nur Wind, Wasser und Sonne, sondern auch Donner –und Thorium. Nur ein Esslöffel (10 Gramm) des leicht radioaktiven Materials soll 250 Haushalte ein ganzes Jahr lang mit Strom versorgen können (ab Seite 80).

An dem dafür nötigen Reaktor mit Flüssigsalz forschen zwei Österreicher. Diese „gute Atomkraft“ soll sicher sein (wo kein Uran, da kein Super-GAU) und nur geringe Mengen radioaktiven Abfalls erzeugen. Erleben wir eine Atomrevolution made in Austria?

Sicher ist, dass uns eine Menge Neues erwartet. Und ein kleiner Dopamin-Kick bei jedem Mal umblättern. Viel Vergnügen!

Das grauweiße Metall Thorium ist nach Thor, dem nordischen Gott des Donners, benannt. Eines der größten Vorkommen des leicht radioaktiven Metalls in Mitteleuropa befindet sich in Kärnten.

Solarpaneele über Äckern, Windräder für die Stadt oder MiniFlusskraftwerke –die Energiewende passiert bereits rund um uns.
28 INNOVATOR FLORIAN VOGGENEDER

Wie Innovation unser Leben prägt

Manche sind lang erwartet, andere kommen wie aus dem Nichts: Neue Ideen und Erfindungen verändern laufend unser Leben – und sorgen auch in der Wirtschaft für neue, markante Impulse. Hier einige einprägsame Beispiele.

1,5

Meter

über dem Wasser schwebt die Segelyacht AC75 in voller Fahrt bei ihren Einsätzen im America’s Cup. Ermöglicht wird das durch Schweizer Spitzentechnologie.

100

Millionen User

nutzten ChatGPT, den KI‑Prototyp eines Chatbots, in den ersten zwei Monaten nach dessen Start – der schnellste Anstieg in der Nutzung eines neuen Tools in der Geschichte des Internet.

INNOVATOR 29 BRATISLAV MILENKOVIC

Milliarden Dollar

hat der Facebook-Mutterkonzern Meta bisher in die Entwicklung des hauseigenen Metaverse gesteckt. Das ist mehr als der Jahresumsatz der OMV im Jahr 2021.

2,6

Kilo Thorium

sollen reichen, um 10.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom zu versorgen –ohne Risiko eines SuperGAUs. Den dafür nötigen Reaktor entwickeln zwei Österreicher.

neue Arbeitsplätze

soll die Automobilbranche in Österreich bis 2030 zusätzlich schaffen – nicht trotz, sondern dank der elektromobilen Wende, für die Zulieferer und Erfnder hierzulande besonders gut positioniert sind.

36
7300 30 INNOVATOR BRATISLAV MILENKOVIC

For a greener, safer, better world of mobility.

Unsere Leidenschaft ist die Erforschung der Wissenschaft, Mechanik und Philosophie der Bewegung. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, eine klimaneutrale Welt zu schaffen, in der sichere, komfortable und umweltfreundliche Mobilität für alle Menschen auf unserer Erde Realität wird.

Manche bezeichnen dies als eine ferne Vision. Wir nennen es Reimagining Motion.

www.avl.com

Als Siebenjähriger floh Ehsan Zadmard aus Afghanistan. Heute baut er Österreichs erstes E-Auto. Einen Namen dafür hat er schon.

Mobilität 32 INNOVATOR

Die Zukunft fährt auf Falco ab

Ehsan Zadmard, 33, vor der Basis des Prototyps seines E-Autos „Falco“ in Oberösterreich. Mit seiner Firma Alveri will er für E-Mobilität alles von der App über das Ladenetz bis zum Fahrzeug anbieten.

TEXT Patrick Aulehla FOTOS Konstantin Reyer
INNOVATOR 33

Wenn sich Ehsan Zadmard an den Beginn seiner Karriere erinnert, springt er gedanklich in seine Kindheit zurück. Wir sind im Jahr 1996, Ehsan ist gerade sieben Jahre alt geworden. In seiner Heimat Kabul herrscht Krieg, die Taliban rücken in die Hauptstadt Afghanistans vor. Familie Zadmard muss füchten. Zusammen mit seinen Eltern und vier Geschwistern strandet Ehsan in Österreich – in einem unbekannten Land, mit anderer Sprache, anderer Kultur, anderer Lebensweise. „Wir haben wieder bei null angefangen“, sagt er. Der Besitz der Familie ist in Kabul geblieben, arbeiten dürfen die Eltern während des vier Jahre dauernden Asylverfahrens nicht. Man lebt von der Hand in den Mund, auch bei den ganz kleinen Dingen: „In der Schule haben wir mit geborgten Kulis geschrieben, die anderen Kinder hatten Füllfedern“, erinnert sich Ehsan. „Also habe ich mir überlegt, wie ich auch zu einer Füllfeder komme. Damit hat alles angefangen.“

Das Klischee des „Integrationsstaatsmeisters“ versucht Ehsan zwar sofort zu umgehen, aber so viel ist Fakt: Der heute 34­Jährige ist Gründer und CEO von Alveri – einem der heißesten Future­Mobility­Start­ups in Österreich. Zusammen mit seinem jüngsten – und bereits in Österreich geborenen – Bruder Jaqub möchte er die Mobilität auf völlig neue Beine stellen, sie einfacher, leistbarer und nachhaltiger machen. Und so viel vorweg: Die beiden sind auf einem guten Weg. Zusammen mit ihrem zwölfköpfgen Team haben sie eine App

Wentwickelt, die das Fahrverhalten ihrer Nutzer auf Elektroauto­Tauglichkeit untersucht und darauf aufbauend das passende Auto vorschlägt. Sie haben den ersten funktionsfähigen, vollautonomen und mobilen Laderoboter der Welt gebaut – den Alveri CHARbO –, der ab 2024 in Zusammenarbeit mit der Salzburg AG vertrieben wird. Und sie arbeiten am ersten Elektroauto Österreichs, dem Alveri „Falco“. Das Fahrzeug setzt auf Refurbishing – ein Prinzip, das man bisher nur aus der IT­Branche kennt. Gebraucht haben sie dafür kaum vier Jahre, aber von fertig sein ist noch lange nicht die Rede.

Wer ein derart straffes Programm fahren möchte, braucht vor allem eines: Entschlossenheit. Davon haben Ehsan und Jaqub genug. Das verdanken sie – so erklärt es Ehsan – dem früh antrainierten Wettbewerbsgedanken: „Wir mussten uns von Anfang an reinhängen und viel Ehrgeiz, Fleiß und Einsatzbereitschaft zeigen.“ Eine ganz neue Sprache lernen, einen neuen Freundeskreis aufbauen, eine andere Kultur verstehen. Auf erschwerende Umstände will er sich trotzdem nicht berufen. Im Gegenteil: „Der Neustart war sicher nicht einfach, aber auf uns hat er sich positiv ausgewirkt. Wir haben uns nicht hinunterziehen, sondern antreiben lassen.“

Vom Manager zum Gründer

Diesen Antrieb kann man spüren. Ehsan möchte etwas bewegen – und wer etwas bewegen wolle, der müsse auch bereit sein, sich voll und ganz für seine Ziele einzusetzen. Man dürfe sich keine Limits setzen, besonders wenn es um den Aufbau eines Unternehmens geht. „Eine gute Idee ist wichtig, aber gute Ideen haben viele. Du musst dich reinhängen, dich etwas trauen, du darfst deiner Vision keine Grenzen setzen. Und dir muss klar sein: Ein Start­up zu gründen und am Leben zu halten heißt nicht chillen und beim Geschäftstermin auf Einladung essen, sondern harte Arbeit, rund um die Uhr.“

In der Schule muss sich Ehsan Kugelschreiber von seinen Mitschülern ausborgen. Mit 27 verhandelt er seinen ersten Millionen-Deal.

Dass Ehsan weiß, wovon er spricht, hat er nicht erst mit Alveri bewiesen.

Rückblende: Wir schreiben das Jahr 2009, Ehsan sucht einen Ferialjob, während er gleichzeitig die Handelsakademie absolviert. Er wird bei Eisen Wagner fündig – einem 300 Mitarbeiter starken Unternehmen in Oberösterreich, das zum weltgrößten Stahlkonzern ArcelorMittal gehört. Ehsan will sich proflieren und macht deshalb regelmäßig Überstunden.

„Irgendwann wurde der Geschäftsführer auf mich aufmerksam und hat mir nach der Matura eine Fixanstellung angeboten. Eigentlich wollte ich studieren, aber auch der Job war mir sehr wichtig.“ Ehsan entscheidet sich nicht – er boxt beides durch: Vollzeitmanager bei Eisen Wagner, berufsbegleitend das englischsprachige Masterstudium „Global Sales and Management“ an der FH Steyr.

Zwischenzeitlich wird Ehsan in den High Potential Pool von ArcelorMittal aufgenommen und mit einem neuen Projekt betraut. Er soll herausfnden, was man mit der Abteilung „Technischer Handel“ machen könne, die der Konzern nicht zu seinem Kerngeschäft zählte. „Verkaufen war nicht ertragreich genug, behalten war auch keine Option, also habe ich ein Management­Buy­out vorgeschlagen.“ Darunter versteht man den Kauf eines Unternehmens oder

Mobilität
34 INNOVATOR

Die Idee

Vom E-Auto zur 360-Grad-MobilityLösung. Was die Brüder Ehsan und Jaqub Zadmard mit ihrer Firma Alveri vorhaben.

Als die beiden ZadmardBrüder im Jahr 2019 Alveri gründeten, machte vor allem ihr ElektroautoKonzept Furore: „Falco“.

Genau wie Österreichs berühmtester Popstar sollte das erste E-Auto des Landes eine natürliche Lässigkeit ausstrahlen und die Welt in Staunen versetzen.

Alveri selbst hat aber eine viel größere Vision: Ihre Alveri-App soll zur Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine werden –

zur Buchungs- und Bezahlplattform, mit der sich die Nutzer nahtlos und umweltfreundlich von Tür zu Tür bewegen können.

Ob sie dafür Öffis, E-Scooter, E-Bikes oder Elektroautos verwenden, soll in Zukunft zweitrangig sein.

Im Bezirk Ried im Innkreis basteln Ehsan (li.) und Jaqub an den Elementen des E-Autos „Falco“. Im Herbst 2023 soll es vorgestellt werden.

– wie in diesem Fall – einer Unternehmenssparte durch das jeweilige Management.

Den Managern ist das zu riskant, sie lehnen ab. „Also wollte ich es selbst durchziehen.“ Ehsan erstellt einen Businessplan und fragt bei der Bank um eine siebenstellige Finanzierung an. „Ich war 26 Jahre alt und habe mit dem ArcelorMittal-Management in Luxemburg einen Millionendeal verhandelt.“ Der Businessplan ist wasserdicht: Die Bank sieht Potenzial in seiner Idee, und Ehsan kann die Abteilung mit 30 Mitarbeitern aus dem Konzern herauskaufen und mit ihnen ein neues Unternehmen gründen. Ob einem da nicht schwindelig wird, wenn man plötzlich so viel Verantwortung trägt? Keineswegs: „Hätte ich einen Funken Zweifel an der Sache gehabt, hätte das nicht funktioniert.“

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INNOVATOR 35

Heute wird Ehsans Buy­out­Projekt, die Eisen Wagner Technischer Handel GmbH, von seinen jüngeren Brüdern Taregh und Issa geleitet. „Ich bin meinen Brüdern sehr dankbar, dass sie den Betrieb übernommen haben und das Familiengeschäft weiterführen“, sagt Ehsan. Gemeinsam etwas aufzubauen stand für die vier jüngeren Geschwister ohnehin seit ihrer Jugend auf dem Plan. „Als wir nach vier Jahren wussten, dass wir in Österreich bleiben und unsere Eltern arbeiten gehen dürfen, haben sie sich sofort eine Vollzeitstelle gesucht. Ich habe mich viel um meine kleineren Brüder gekümmert, sie vom Fußballtraining abgeholt, mit ihnen gespielt“, sagt Ehsan. „Wir haben uns damals ausgemacht: Wenn sich einmal die Chance ergibt, ein Business aufzuziehen, dann machen wir das.“ Warum die beiden älteren Geschwister nicht in den Familiengeschäften werken? Ehsan lacht: „Wahrscheinlich wollten sie nicht mit dem jüngeren Bruder arbeiten. Die gehen erfolgreich ihren eigenen Weg.“

oder Elektroautos verwenden, ist zweitrangig, sagt Jaqub: „Wir wollen alle Mobilitätsformen in unserer App bündeln, anstatt irgendetwas auszuschließen. Niemand will unzählige Ladekarten, Tickets und Apps verwenden. Man will eine einzige Anwendung, mit der man alle Dienste steuern kann.“

Lösungsorientiertes Denken sei der Schlüssel zum Erfolg, ist Ehsan überzeugt: „Konzerne sind aufgrund ihrer Struktur träge und langsam in den Entscheidungen. Wir denken zuerst an die beste Lösung für die Nutzer und überlegen uns dann, wie wir sie so effzient wie möglich umsetzen können.“ Das sei auch der Grund, warum Alveri einerseits schneller als große Anbieter entwickle und andererseits keine Berührungsängste vor ihnen habe: „Wenn es bestehende Anwendungen gibt, die gut sind – warum sollten wir sie nicht integrieren? Und wo es keine gibt, entwickeln wir unsere eigenen Produkte.“

Von Afghanistan nach Ried, vom Kicker zum Vereinsobmann, vom Manager zum Gründer – Ehsan Zadmard hat viele Facetten.

DDass Ehsan das Eisen­Wagner­Kapitel 2019 für sich geschlossen hat, war nicht etwa einer Schaffenspause geschuldet. Ein neues, noch größeres Projekt stand in den Startlöchern: das Future­Mobility­Start­up Alveri. Zusammen mit seinem Bruder Jaqub möchte Ehsan eine zukunftsfähige, anwenderfreundliche Mobilität aufbauen, den bestehenden Markt „disruptieren und auf neue Beine stellen“. Auch hier wird also in großen Dimensionen gedacht, wie Jaqub unterstreicht: „Es geht uns nicht darum, eine App, einen Laderoboter oder ein Auto zu entwickeln. Wir wollen ein völlig neues Ökosystem für die Mobilität von morgen errichten.“ Konkret bedeutet das: Alveri will zur Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine werden – zur Buchungsund Bezahlplattform, mit der sich die Nutzer nahtlos und umweltfreundlich von Tür zu Tür bewegen können. Ob sie dafür Öffs, E­Scooter, E­Bikes

Das zweite Leben der E-Autos Stichwort „Falco“ – das schon eingangs erwähnte Elektroauto­Projekt. Während das Alveri­Team feißig am eigenen Fahrzeug werkt, schlägt das Fahrtanalyse­Tool weiterhin die Produkte andere Marken vor. Ob sich das nicht mit dem eigenen Geschäftsmodell schneidet? Ganz und gar nicht, sagt Jaqub: „Wir glauben ja nicht, dass in Zukunft nur noch ‚Falcos‘ auf den Straßen fahren. Es geht darum, eine Lücke im bestehenden Angebot zu füllen.“ Diese Lücke sei auch nicht das Fahrzeug selbst, sondern das Gesamtkonzept: „‚Falco‘ wird ein Refurbishing­Fahrzeug. Das bedeutet, dass wir alle Bauteile in wenigen Stunden erneuern können. Wir schieben einen zweiten und wenn nötig einen dritten Lebenszyklus ein.“ Daraus ergäben sich eine

Schon als Jugendliche haben sich Ehsan und seine Brüder ausgemacht: „Wenn sich einmal die Chance ergibt, ein Business aufzuziehen, dann machen wir das.“

Ehsan Zadmard kommt als Siebenjähriger nach Österreich. Die Eltern, eine Lehrerin und ein General, mussten wegen ihres Einsatzes für Demokratie mit fünf Kindern aus Afghanistan flüchten. Ihr sechstes Kind, Jaqub, wird in Vöcklabruck geboren.

Ehsan besucht die Volksschule in St. Georgen im Attergau, absolviert die HAK-Matura. Er arbeitet in den Ferien und kickt leidenschaftlich gern. Nach einem Ferialjob stellt die Firma Eisen Wagner ihn an, bald gehört er zu ihrem High Potential Pool.

Mit 27 handelt Ehsan mit ArcelorMittal ein ManagementBuy-out für die Sparte Handel mit 30 Mitarbeitern aus. Er holt Bruder Taregh von der voestalpine in die Geschäftsführung –und startet das nächste Projekt.

Gemeinsam mit Bruder Jaqub gründet Ehsan 2019 Alveri. Das Ziel: die Elektromobilität zu revolutionieren und Österreichs erstes E-Auto zu bauen. Und auch der Fußball kommt nicht zu kurz. Seit 2021 ist Ehsan Obmann des Sportvereins Pattigham-Pramet. Das Ziel: der Meistertitel.

__ Der Gründer
Mobilität
36 INNOVATOR

Als Kind kam Ehsan mit seinen Eltern und Geschwistern nach Oberösterreich.

„Wir hatten nur ein Sackerl mit Brot und Wasser dabei“, erinnert er sich.

INNOVATOR 37

Das FirmenKonzept

Bei Alveri dreht sich alles um nachhaltige Mobilität. Das bedeutet jedoch viel mehr als nur E-Autos. 1 DIGITALE APP: Die beste Fahrtroute finden, das eigene Fahrverhalten analysieren, Tickets kaufen – all das soll die Alveri-App in Zukunft können.

2 LADE­INFRASTRUKTUR: Unbegrenzt Strom tanken zu einem Flatrate-Tarif ist das Ziel. Aktuell baut Alveri zudem das Ladenetz aus und forscht am autonomen

Laderoboter CHARbO. 3 MODULARE

FAHRZEUGE: Das E-Auto „Falco“ soll im Herbst 2023 vorgestellt werden. Geplant ist eine Länge von 4,75 Metern, eine elektrische Reichweite von 590 Kilometern, eine 80-kWh-Batterie und Allradantrieb.

DIGITALE APP

Die Alveri­App soll sich als zentrale Schnittstelle für Mobilität aller Art etablieren: gleich ob öffentlicher Verkehr, E­Scooter oder Elektroauto. Die App kann auch das Fahrverhalten ihrer Nutzer auf Elektroauto­Tauglichkeit untersuchen. Vorschläge und Empfehlungen sollen dabei unabhängig von Alveris eigenen Angeboten (z. B. Ladestationen, EAuto „Falco“) ausgespielt werden.

LADE-INFRASTRUKTUR

Alveri möchte laut eigenen Angaben die „größte und günstigste LadeInfrastruktur Österreichs“ errichten. Im Februar 2023 wurde in Ried im Innkreis die erste Ladesäule aufgestellt, bis Sommer sollen 20 weitere folgen (siehe Bild re.). Mit einer monatlichen Flatrate von € 59,–soll es dann möglich sein, an allen Alveri­Ladestationen unlimitiert sein E­Auto zu laden.

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2
1 38 INNOVATOR

JAQUB ZADMARD

3MODULARE FAHRZEUGE

Alveris E-Auto „Falco“ ist als „RefurbishingFahrzeug“ konzipiert. Das bedeutet, einzelne Teile können nach Gebrauch ausgetauscht und erneuert werden. Das Fahrzeug wird in ein eigenes Abo-Modell integriert und soll monatlich ca. € 490,– kosten, der Kaufpreis soll bei € 49.900,– liegen.

Mobilität
„Unser Ziel: Wir wollen ein völlig neues Ökosystem für die Mobilität von morgen errichten.“
INNOVATOR 39

Multitalente:

Neben ihrem

E-Auto „Falco“ haben Ehsan (li.) und Bruder Jaqub den autonomen

Laderoboter CHARbO entwickelt, der E-Autos ohne menschliches Zutun lädt.

längere Lebensdauer des Produkts, geringere Kosten, ein neues Geschäftsmodell für Werkstätten und vor allem: ein deutlich geringerer ökologischer Fußabdruck. Außerdem passe das Refurbishing-Konzept zu dem sich ändernden Nutzerverhalten. „In den Städten wird es viel mehr gemietete oder geteilte Mobilität geben. Bei Carsharing ist es beispielsweise zweitrangig, ob das Auto neu oder erneuert ist. Wichtiger ist, dass das Multimediasystem funktioniert und sich das Smartphone integrieren lässt“, sagt Jaqub. Die Bedürfnisse der jungen Zielgruppe verschieben sich, Digitales werde wichtiger: „Kinder, die heute geboren werden, werden eine ganz andere Art der Mobilität erleben: eine deutlich schnellere, digitale, vernetzte Mobilität.“

Ein Roboter namens CHARbO

Wie diese neue Mobilität aussehen könnte, zeichnet Alveri mittlerweile für große Automobilkonzerne vor. Die Türen hat aber nicht das Fahrzeugkonzept geöffnet, sondern der Laderoboter CHARbO. „Am Anfang wurden wir eher belächelt“, erinnert sich Ehsan, und er könne das auch nachvollziehen: „Da kommen zwei Brüder aus Ried im Innkreis und behaupten, in Österreich etwas auf die Beine stellen zu können, was nicht einmal großen Herstellern möglich war. Da ist eine gewisse Skepsis angebracht.“ Ein vergleichbares Produkt wurde bis dahin noch nicht präsentiert, geschweige denn auf dem Markt eingeführt. Als sie 2021 den ersten Prototyp des CHARbO von der Kette ließen, habe sich die Stimmung schlagartig gedreht. „Alle hatten uns unterschätzt“, sagt Ehsan. Der kleine

Roboter fuhr die ladebedürftigen Autos sogar noch selbständig an – die im Oktober 2022 präsentierte Serienversion kommt auf einer Schienenfahrbahn zum Ladestecker. „Am Anfang wollten wir zeigen, was technisch möglich ist und was wir draufhaben. Aber wir wussten, dass es eine selbstfahrende Plattform für die Serienanwendung nicht unbedingt braucht.“ Wichtiger sei das Endergebnis: Mit dem Roboter lassen sich Elektroautos ohne menschliches Zutun laden – das spare Zeit, Kosten und Ressourcen obendrein. Außerdem öffne sich ein weiteres Tor – jenes zum autonomen Fahren. „Wenn der Ladevorgang ohne menschliches Zutun erfolgt, können sich autonome Fahrzeuge völlig frei bewegen. Zum Auftanken fahren sie einfach zum nächsten CHARbO-Hub.“

JAQUB ZADMARD

BBis das autonome Fahren spruchreif ist – und darauf werden wir noch einige Jahre warten –, wird der CHARbO anderweitig gebraucht. Er soll dort zum Einsatz kommen, wo Elektroautos längere Standzeiten haben: in Parkgaragen von Einkaufszentren, Hotels oder Flughäfen zum Beispiel oder in großen Fuhrparkzentralen, etwa von Zustelldiensten oder Wartungsbetrieben. Diese würden besonders vom selbständigen Stromtanken proftieren, wie Jaqub analysiert: „Mit einem CHARbO können wir 20 Ladestationen und mehr ersetzen, außerdem schonen wir das Stromnetz, reduzieren die Ladeverluste und benötigen deutlich weniger Energie und Rohstoffe.“

Dass das Konzept nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich funktioniert, hat Alveri bei der Weltpremiere der Serienversion im Oktober 2022 bewiesen. Im Rahmen des „Innovative Mobility for Future“-Festivals wurden mehrere selbständige Ladevorgänge durchgeführt – alle problemlos, wie die Brüder betonen. Und: Man arbeite bereits mit ersten Kunden zusammen, die den CHARbO in ihr Ladekonzept integrieren. Der offzielle Marktstart ist für 2024 geplant – vertrieben wird zusammen mit der Salzburg AG. Der Energiedienstleister hat das Potenzial des Projekts schon früh erkannt.

Bleibt noch eine vermeintlich banale Frage: Wohin wird diese Reise führen? Wie viel kann man da noch draufsetzen? „Einiges“, sagt Ehsan. „Wir sind noch lange nicht am Ziel. Wir arbeiten an unserer eigenen Ladeinfrastruktur, die wir mittelfristig in ganz Europa ausrollen. Und wir beschäftigen uns mit Energiewirtschaft.“ Das Elektroauto sei immerhin ein potenter Stromspeicher, der Energie nicht nur beziehen, sondern auch zurückgeben könne. Ideen gäbe es unendlich viele, schlussendlich sei der richtige Zeitpunkt entscheidend: „Die Idee für Alveri hatten wir schon länger, aber der Zeitpunkt hatte noch nicht gepasst. Erst als die Elektromobilität den Markt ab 2018 so richtig auf den Kopf stellte, wussten wir, dass wir unsere Ideen ausrollen können.“ Das Ziel ist für Ehsan und Jaqub klar: „Wir werden der führende Mobilitätsanbieter für die nächste Generation.“ Und so bescheiden sich die beiden im Alltag auch zeigen – hier scheint Zurückhaltung unangebracht: „Wir wissen, was wir bisher erreicht haben und wie viel Energie und Motivation wir noch in uns haben. Wenn wir zu 100 Prozent an unsere Vision glauben, ist alles möglich.“

Inspiration

Bereits jetzt powert heimisches Know­how die elektromobile Wende: Die Batterietechnologie von Kreisel Electric treibt John­Deere­Traktoren an, Magna baut in der Steiermark den elektrischen SUV „Fisker Ocean“, und Infineon entwickelt hierzulande Chips für die E­Autos der Zukunft. Bis 2030 sollen in Österreich 7300 neue Arbeitsplätze in der Automobilbranche entstehen.

Mobilität
„Kinder, die heute geboren werden, werden eine ganz andere Art der Mobilität erleben –eine deutlich schnellere, digitale, vernetze Mobilität.“
INNOVATOR 41

„Die brennendste Frage ist immer: Wann kommen Terminator und Sexroboter?

Hat künstliche Intelligenz

mehr Hirn als unser Hausverstand?

Roboterpsychologin

Martina Mara und Technikphilosoph

Mark Coeckelbergh klären auf.

Interview
INTERVIEW Saskia Jungnikl-Gossy FOTOS Andreas Jakwerth
„Im Vergleich zu dem, was längst unseren Alltag beherrscht, sind Roboter primitiv.“
INNOVATOR 43
Mark Coeckelbergh

Eine Suite im Wiener Hotel Altstadt –was für ein Kontrast, hier über das Große, das Neue, das Unbekannte zu diskutieren. Und über ein Spannungsfeld zwischen Aufbruch und Angst …

Künstliche Intelligenz – wo drängt sie sich in unser Alltagsleben? Und wie verändert sie es? Aber vor allem: Haben wir sie im Griff, oder manipuliert sie uns unbemerkt? „Beides“, sagt die Wissenschaft.

Künstliche Intelligenz verändert unser Leben, die Art, wie wir arbeiten, wie wir Urlaub machen, wie wir Dinge sehen. Wer diese Entwicklungen verstehen will, tut gut daran, zwei Experten wie Martina Mara und Mark Coeckelbergh an einen Tisch zu laden. Beide beschäftigen sich seit Jahren mit den Auswirkungen, Gefahren und Chancen von KI. Mara forscht als Roboterpsychologin an der Kepler Uni in Linz darüber, wie Menschen und Maschinen harmonisch zusammenarbeiten können. Coeckelbergh untersucht, was technische Innovationen unter ethischen Gesichtspunkten mit unserer Gesellschaft machen. Es wird eine dichte, informative Debatte – und sie ist noch lange nicht zu Ende, selbst als wir vom Gesprächstisch aufstehen. Noch am Gang bleiben die beiden immer wieder stehen und diskutieren weiter.

the red bulletin innovator: Wenn wir uns einen Balken vorstellen, bei dem 100 Prozent ein mit künstlicher Intelligenz völlig durchdrungenes Leben sind: Wo stehen wir gerade?

coeckelbergh: Noch nicht sehr weit, erst so bei 20 Prozent. Mein Telefon macht noch kein Geräusch und sagt mir: „Du bist zu gestresst, Mark!“ Das kommt aber bald.

mara: Ja, da ist schon noch Luft nach oben. Gleichzeitig ist vielen Menschen nicht bewusst, wo KI schon in Verwendung ist. Die meisten Menschen stellen sich beim Begriff KI einen magischen Humanoiden vor, der durch die Straßen spaziert. Doch KI ist unsichtbar. Wir haben sie etwa in der Wettervorhersage und den Übersetzungssystemen. Einerseits ist da also Luft nach oben, andererseits wird unterschätzt, wo KI bereits drin ist, einfach weil sie nicht so aussieht, wie die Menschen glauben.

coeckelbergh: Jedenfalls nicht wie ein Roboter oder eine Superintelligence.

Irgendwie sind Menschen ja zwiespältig: Einerseits fürchten sie Roboter, die die Herrschaft an sich reißen könnten, auf der anderen Seite haben sie kein Problem damit, Privates mit intelligenten Sprachassistenten auszutauschen.

mara: Das ist das sogenannte Privacy Paradox: Menschen berichten in Studien, wie sehr sie um ihre Daten besorgt sind, handeln aber nicht danach.

coeckelbergh: Wir haben unsere Privatsphäre längst aufgegeben, diese Daten sind ja alle schon da. Es sind aber auch nicht alle Daten persönliche Daten, und nicht jede Verarbeitung davon ist gleich ein Problem. Viel wichtiger ist, was man mit diesen Daten anfängt und was die Effekte sind. Wenn meine Daten benutzt werden, um mich zu manipulieren, ist das doch etwas ganz anderes. Das Problem ist, dass KI unsichtbar ist. Deshalb denkt man nicht darüber nach.

Herr Coeckelbergh, in „AI Ethics“, einem Buch von 2022, argumentieren Sie, dass es wichtig ist, auf die Narrative zu achten, wenn ethische Fragen von Technologien diskutiert werden. Was bedeutet das?

E Interview
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Martina Mara

Roboterpsychologin

Geboren 1981 in Linz, hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und an der Uni Koblenz-Landau (Rheinland-Pfalz) in Psychologie promoviert.

Nach Forschungstätigkeiten im außeruniversitären Bereich –etwa am Ars Electronica Futurelab – ist sie seit 2018 Professorin für Roboterpsychologie am Institute of Technology der Johannes Kepler Universität Linz – und damit die erste weltweit. Sie erforscht, wie Mensch und Maschine harmonisch miteinander existieren können.

Vermittler statt Terminator: Wir sollten öfter über positive Einsatzmöglichkeiten von Robotern sprechen, sagt Psychologin Martina Mara.

coeckelbergh: Es gibt viele Narrative, die uns vorspielen, dass mit der Technik in Zukunft alles besser wird, und die kaum kritisch sind. Natürlich tut Technik viel Gutes. Aber es ist leicht, in diesen Narrativen zu bleiben, weil wir kaum etwas anderes hören. Und es ist wichtig, auch andere zu etablieren.

mara: Es ist sehr wichtig, wie über KI im öffentlichen Diskurs gesprochen wird. Aktuell gibt es da aber nicht nur utopische Narrative von technischen Wunderlösungen, sondern auch viele Gegenutopien von einer erschreckenden Zukunft. Ich werde ständig gefragt, wann der Terminator oder der Sexroboter kommen. In meinem Labor haben wir 10.000 Medienbilder zum Stichwort künstliche Intelligenz analysiert, und der am häufgsten gezeigte Inhalt sind menschengleiche Darstellungen von KI und solche mit bedrohlichem Aspekt. Viel seltener kommen Menschen vor, die tatsächlich etwas mit KI machen. Dabei bräuchten wir einen Reality­Check, wie KI wirklich aussieht.

coeckelbergh: Ja, niemand redet über die tagtäglichen Dinge, die wir jeden Tag nutzen, wie etwa Google Search. Im Vergleich dazu sind die heutigen Roboter primitiv.

mara: Völlig.

Wie sieht der gängige Roboter denn aus?

coeckelbergh: Robotik ist nicht so, wie man sich das vorstellt. Natürlich gibt es gute industrielle Roboter, aber das ist eine andere Sache.

Humanoide sind nicht wie in der Science­Fiction.

mara: Es wird so viel über Humanoide gesprochen, dabei existiert kaum ein physischer Roboter, der selbständig Stiegen raufgehen und Türen öffnen kann. In unseren Köpfen sind solche Roboter aber sehr prominent.

coeckelbergh: Dabei geht es vielmehr um jene, die schon Teil unseres

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täglichen Lebens sind, zum Beispiel Leute, die KI benutzen, um uns politisch zu beeinfussen. Nur kann man davon halt keine eindrucksvollen Fotos machen, weil das nur Menschen sind, die in einem Büro sitzen. Dabei kann gerade das eine ganze Wahl wesentlich beeinfussen. Ich forsche gerade an Demokratie und KI – die meisten Menschen glauben zwar, o weh, die Roboter kommen. Aber von solchen geht die Gefahr wirklich nicht aus. Unser politisches Wahlverhalten wird von KI beeinfusst, und die großen Konzerne versuchen, unser Verhalten zu manipulieren –darüber sollte man besorgt sein.

Das heißt, man müsste KI nachhaltig und länderübergreifend regulieren. Aber geht das überhaupt? coeckelbergh: Es gibt derzeit keine globalen Lösungsansätze, weil man das Problem nicht ernst genug nimmt. Die Institutionen sind zwar international, und die Staaten sprechen miteinander, es gibt aber nichts Verbindliches. Da gibt es nur Dokumente über KI-Strategien, die zwar schön aussehen – aber man bräuchte eine richtige Regulation.

mara: In der EU wird gerade am Artifcial Intelligence Act, einem gemeinsamen europäischen KI-Gesetz, gearbeitet – eine Mega-Challenge. Es ist schwierig, einen Kompromiss zu fnden zwischen Innovationsfreundlichkeit und den Prinzipien, die wir in unserem Wertesystem aufrechterhalten wollen, wie Fairness, Privatsphäre, Transparenz.

coeckelbergh: Das sind politische und gesellschaftliche Fragen, und eigentlich sollte das Digitale Chefsache sein. Es prägt unsere ganze Ökonomie.

Was ist an struktureller Veränderung in Politik, Gesellschaft und Ausbildung nötig? Welche Weichen muss man stellen, und sind wir hier nicht schon sehr spät dran?

mara: Bildung fehlt natürlich, aber die neuen Generationen haben da

„Was ist, wenn ich mich als völlig autonomer Mensch dazu entscheide, dass ich beeinflusst werden will? Wie beurteilen wir das ethisch?“

vielleicht mehr Bewusstsein. Doch man muss auf politischer Ebene Entscheidungen treffen.

coeckelbergh: Bildung im Sinn

von: Man lernt zu argumentieren und dem Gegenüber kritisch zu begegnen, genauso wie dem, was man liest und hört. Das wird wichtiger als früher, gerade weil die sozialen Medien so einen Effekt auf uns haben und es immer schwieriger wird, den Einfuss auszumachen, der auf uns ausgeübt wird. Sonst glaubt man alles, was da steht. Da geht es nicht nur um Desinformation, sondern auch, dass man nur mit Leuten redet, mit denen man sich einig ist. Digitalisierung im Bildungsbereich ist so viel mehr, als Schülern ein iPad zu geben und sich via Zoom zu treffen. Es geht auch darum, welche Bürger wir wollen. Es geht um nichts weniger als unsere Demokratie.

Zoom arbeitet an einer neuen Technik, die bei Videokonferenzen

Martina Mara
Interview 46 INNOVATOR
Martina Mara (li.) und Mark Coeckelbergh diskutieren mit Innovator-Autorin Saskia Jungnikl-Gossy über Gefahren und Chancen von KI.

Was macht der „AI Act“ der EU, und was ist ein Humanoid? Wir erklären die wichtigsten Begriffe.

KI /AI

Für künstliche Intelligenz (KI) bzw. Artificial Intelligence (AI) gibt es keine allgemeingültige Definition – auch weil Intelligenz an sich nicht eindeutig definiert ist. Generell bezeichnet es den Versuch, menschliches Lernen und Denken auf einen Computer zu übertragen.

Computer sollen so gebaut und programmiert werden, dass sie eigenständig Probleme beheben können. Ziel der KI-Forschung ist es also, die Funktion unseres Gehirns zu verstehen und künstlich nachzubauen.

Humanoide

Humanoide sind Roboter, die dem Menschen nachgebaut sind, aber keine Merkmale wie Gesichtszüge aufweisen. Die Positionen der Gelenke sowie die Bewegungsabläufe sind vom menschlichen Bewegungsapparat inspiriert.

Humanoide Roboter könnten etwa einmal für einfache Aufgaben in der Alten- und Krankenpflege eingesetzt werden, entscheidend dabei sind die Fähigkeiten der KI und die Frage: Wie lernfähig ist der Roboter?

AI Act der EU

Mit dem Artificial Intelligence Act will die EU ein Gesetz zur umfassenden Regulierung künstlicher Intelligenz schaffen. Während die KI fast alle Lebensbereiche durchdringt, fehlt bisher die adäquate Regulierung.

Die EU will nun zwar Innovationen stärken, andererseits soll ein einheitlicher Rechtsrahmen Angriffe auf die Grundrechte von Menschen minimieren. Eine Einigung wird im ersten Quartal 2023 erwartet. Voraussichtlich bis 2025 muss die Verordnung dann umgesetzt werden.

Utilitarismus

Utilitarismus ist eine philosophische Strömung, die menschliches Handeln nicht nach ihren Motiven beurteilt, sondern danach, welche Folgen sie hat.

Utilitaristische Handlungen sind solche, die das Gesamtwohl einer Gesellschaft erhöhen, indem sie für alle (oder zumindest viele) Menschen mehr Nutzen schaffen oder auch deren Glück mehren.

Anders formuliert: Heiligt der Zweck die Mittel? Der Utilitarismus sagt Ja, wenn das Mittel insgesamt mehr positive Auswirkungen zeitigt.

anhand der Gesichter abliest, wie aufmerksam die Teilnehmer:innen sind oder wie sie sich fühlen. Klingt beängstigend. Was macht Ihnen Angst?

coeckelbergh: Manipulation. Also: Was passiert mit meinen Daten? Der Versuch, das Verhalten von Arbeitnehmern, von Konsumenten zu ändern. Da müssen wir schon schauen, dass wir nicht in einer Dystopie landen.

mara: Meinungen zu beeinfussen ist ja kein neues Thema. Ich möchte auch nicht, dass mit algorithmischer Preisgestaltung vorhergesagt wird, dass Martina Mara 25 Euro mehr für dieses fancy skandinavische Schälchen zahlen würde, und der Preis dann im Onlineshop angepasst wird. Aber es gibt Dinge, da würde ich mich gerne beeinfussen lassen. Beispiel: Ich bin eine sehr unsportliche Person, ich würde sofort jede App nehmen, die mich erfolgreich dahingehend manipuliert, dass ich mehr Sport treibe. Was also ist, wenn ich mich als völlig autonomer Mensch dazu entscheide, dass ich beeinfusst werden will? Oder nehmen wir das Thema Nachhaltigkeit: Wenn mich eine KI etwas mehr in die Richtung lenkt, effzient und konsequent Energie zu sparen, wie beurteilen wir das ethisch?

Als positive Beeinfussung?

coeckelbergh: Das ist ein sehr interessantes Problem: sich quasi selbst manipulieren zu wollen. Darüber schreibe ich in meinem Buch „Self Improvement“. Man hat das Gefühl, Sport treiben zu müssen. Man fühlt sich verpfichtet, sich selbst zu verbessern. Selbstverbesserung ist an sich gut, wird aber heute zu obsessiv betrieben.

mara: Lassen wir den Sport weg! Nehmen wir das Umweltbewusstsein. coeckelbergh: Aus Makrosicht ist es gut, wenn mehr Menschen ihr Verhalten ändern. Aber es ist nicht unproblematisch. Das utilitaristische Weltbild, dem das Gesamtwohl über alles geht, steht gegen die Idee, dass wir alle autonome Figuren sein wollen – das ist wie Utilitarismus gegen das Humanistische, das ja den Einzelnen ins Zentrum stellt.

mara: Ich als autonomes Individuum bin ja in völligem Luxus in Mitteleuropa aufgewachsen, mit Fleisch am Teller, mit teils mehreren Autos

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INNOVATOR 47
Glossar

pro Haushalt. Ich sehe aber, es gibt den dringenden Bedarf, unser Verhalten zu ändern. Ich möchte daher vielleicht, dass mir Algorithmen im Internet nur mehr Werbeanzeigen von Produkten anzeigen, die klimaneutral sind. Wie ist es, wenn ich das selber entscheide?

coeckelbergh: Selbst entscheiden ist schon besser, ja. Aber eine Entscheidung kann auch wieder beeinfusst sein. Welche Beeinfussung ist akzeptabel? Ich habe nicht die eine richtige Antwort, es müsste da eigentlich eine Diskussion geben: Wie weit ist es möglich und wünschenswert, positiv zu beeinfussen? Wir wollen es nicht so haben wie in China. Aber hier bei uns wird das Benehmen von Einzelpersonen fast überhaupt nicht beeinfusst. Wo ist also der Rahmen? Ein sehr interessantes Problem.

Thema Arbeit: Immer mehr wird und kann von KI übernommen werden. Werden wir einmal das Problem haben, dass wir Scheinarbeit schaffen müssen, damit Menschen etwas zu tun haben?

mara: Bestimmte Berufe werden ersetzt werden.

coeckelbergh: Und dann legen wir alle die Füße hoch? Ich halte das für eine Utopie. Die Idee der leisure society gibt es schon lange, sie existiert halt nicht. Was existiert, sind Menschen, die das Gefühl haben, nicht gebraucht zu werden. Da muss man als Regierung Maßnahmen ergreifen, um dafür zu sorgen, dass unsere sozialen Systeme funktionieren. Die Demokratie mit sozialen Elementen wird unter Druck kommen.

Wäre das bedingungslose Grundeinkommen eine soziale Lösung?

coeckelbergh: Ich weiß nicht, was die Lösung ist, aber wir brauchen Alternativen. Auch demografsch und infolge der Automatisierung wird es eine Umwälzung geben. Wer keinen guten Job hat und keine Privatrente, wird Probleme bekommen.

mara: Die Grundidee des technologischen Fortschritts muss ja eigent­

Mark Coeckelbergh

lich sein, dass Technik uns Dinge abnimmt, uns das Leben erleichtert. Wenn die KI Arbeiten übernimmt, die wir Menschen so nicht machen wollen, wäre das doch super. Nur: Wo ist denn diese Welt, in der alle Menschen machen können, was sie wollen? Das wäre in der Theorie ja schön. Wir Menschen mit dem Privileg, kreative Wesen zu sein, wir hätten sicher auch genug Ideen, was wir mit unserer Zeit anfangen können.

coeckelbergh: Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass in dieser Welt die Menschen auf andere Art gestresst und besorgt sind. Denken wir etwa an Büroarbeit: E­Mails sollten eine Erleichterung bringen, weil es dadurch einfacher wird, einen Brief zu schicken. Aber es ist umgekehrt gekommen: Wir sind alle total überfordert mit der Menge an Mails, die wir nun bekommen. Es sind immer diese Narrative von Erleichterung, die sich umwandeln in Erschwerung. Und das gilt nicht nur für den Beruf. Die Freizeit wird auch stets stressiger.

Die Technik macht einen neuen Raum auf?

mara: Ja, und weil es einfacher ist, passiert es auch viel öfter. Man kriegt jetzt also nicht fünf Briefe am Tag, sondern hundert. Früher hat man vielleicht genauer überlegt, ob man jetzt wirklich etwas schreiben muss.

Frau Mara, Sie haben gesagt, das Ziel ist, dass wir eine menschenzentrierte Roboter­Zukunft schaffen. Wie soll die aussehen, und was ist dafür nötig?

mara: Wir sprechen in der Psychologie von Grundbedürfnissen, und da gibt es drei entscheidende: Autonomie, Kompetenz und soziale Beziehungen. Bei der Autonomie kann ich selbst über meine Handlungen entscheiden. Die sehe ich durch KI tangiert, weil wir in unserem täglichen Leben immer mehr Entscheidungen von Algorithmen zumindest vorgeschlagen bekommen. Dann Kompetenz: Wir Menschen wollen in etwas kompetent sein, das wird ebenfalls durch KI tangiert, etwa in der Medizin, wo die KI ein Röntgenbild schneller analysieren kann als die Ärztin. Hier ist die Frage: Wie können sich Skills von Mensch und Maschine bestmöglich ergänzen? Und dann soziale Beziehungen, ebenfalls durch KI tangiert, wenn wir uns diverse Anwendungen ansehen, die sich mit Menschen in natürlicher Sprache unterhalten. Die tun, als wären sie deine Freundin, und nehmen dabei nur alles, was du sagst, als Datenfutter und spiegeln dich so wider. Bei der Menschenzentriertheit muss es darum gehen, wie man menschliches Autonomieerleben aufrechterhalten und KI als Werkzeug

Mark Coeckelbergh

Technikphilosoph Geboren 1975 in Belgien, ist seit 2015 Professor für Medien- und Technologiephilosophie am Institut für Philosophie der Uni Wien. Er ist Experte für Ethik von künstlicher Intelligenz und Teil der HighLevel Expert Group on Artificial Intelligence der Europäischen Kommission. Sein neuestes Buch „Robot Ethics“ erschien 2022. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Entwicklungen im Bereich Robotik, KI und Informations- und Kommunikationstechnologien. coeckelbergh.wordpress.com

„Roboter machen unsere Arbeit, und wir legen die Füße hoch? – Die Idee gibt es schon lange. Allerdings halte ich sie für eine Utopie.“
Interview 48 INNOVATOR

KI kann viel Gutes. Es sei nur wichtig, die ethischen Folgen im Auge zu behalten und sich darüber klar zu werden, welche Welt wir letztendlich haben wollen, sagt Philosoph Coeckelbergh.

Inspiration

In den letzten Monaten wurde künstliche Intelligenz für viele Menschen zugänglich. Online-Tools wie Midjourney können Bilder auf Basis sogenannter „Prompts“ (Stichworte) kreieren.

Apps wie Lensa verwandeln die eigenen Fotos in spacige Profilbilder.

Und Dialogsysteme wie Chat GPT erledigen textbasierte Aufgaben erstaunlich menschenähnlich.

nutzen kann. Wenn es möglich ist, soziale Roboter als Vermittler einzusetzen, damit die Oma, die einsam zu Hause ist, über sie mit anderen Menschen in Kontakt treten kann, wäre das doch toll.

coeckelbergh: KI wäre dann nicht Feind, sondern Vermittler.

Weil wir vorher darüber gesprochen haben, was Ihnen Angst bereitet. Worauf freuen Sie sich?

coeckelbergh: Ich denke, dass KI dazu beitragen kann, Probleme wie

den Klimawandel zu lösen. Oder zumindest, dass wir damit besser umgehen können. Als Wissenschaftler braucht man KI und Daten. Wie auch in der Medizin, bei Diagnosen, wo Krebs erkannt wird, der sonst vielleicht übersehen würde. Man muss nur die ethischen Folgen gut im Auge behalten und sich darüber klar werden, welche Welt wir letztlich wollen.

mara: Es gibt realistische Risiken, aber auch realistische Chancen. Natürlich wird Klimaschutz nicht funktionieren, ohne dass wir Menschen uns auch ändern. Nur zu sagen, die Technologie löst das schon für uns, wird nicht klappen. So wie KI heute funktioniert, kann sie aber trotzdem hilfreich sein – als ein aus Daten lernendes statistisches Werkzeug, das Prognosen macht. Zum Beispiel: Wo können wir Überproduktion vermeiden? Und ich persönlich, völlig profan, will endlich den KI­Assistenten, der mir die E­Mails vom Hals hält. Wo sind denn jetzt diese wirklichen Erleichterungen? (Lacht.) Ich will keine 300 E­Mails am Tag lesen, also darauf freue ich mich persönlich. Aber wie gesagt: Es gibt Luft nach oben!

INNOVATOR 49

Expedition ins Tierreich

Was ist eigentlich dieses Metaversum? Wie kommt man da rein? Und wie flirtet man als virtuelles Hühnchen? Ein wunderlicher Selbstversuch mit Datenbrille.

ILLUSTRATIONEN

Das Metaverse ist ein virtuelles Pendant unserer realen Welt. Facebook-Gründer und Meta-Chef Mark Zuckerberg (re.) ist zumindest schon begeistert.

SELBSTVERSUCH
TEXT Marc Baumann Mathis Burmeister
50 INNOVATOR GETTY IMAGES,
ADOBE STOCK

Ich habe eine Erdnuss sexuell belästigt. So beginnt mein erster Tag im Metaverse. Und das muss ich erklären: Die riesige Erdnuss auf zwei Beinen ist der erste Avatar, den ich im Virtual-Reality-Chat treffe. Die im Comic-Stil animierte Erdnuss, der Stimme nach eine Frau, spricht mich auf Englisch an – okay, außer uns beiden war auch niemand in dem VRChatroom, einer computeranimierten Bar über den Dächern einer fktiven Großstadt. „Ah, hier ist ja doch noch jemand anders“, sagt die Erdnuss erfreut, „hi, wie geht’s?“ Ich will antworten, aber es kostet Überwindung, mit einer Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf nachts in seinem Wohnzimmer stehend laut „Hallo, schön dich zu treffen“ ins Nichts zu sagen. Darum versuche ich vorerst nur ein freundliches Emoji zu senden. Das geht mit einem der beiden Controller, die in der virtuellen Realität meine Hände simulieren. Statt ein WinkeEmoji auszuwählen, scrolle ich mit dem Daumen in der Emoji-Leiste zu überhastet, was ein Kussmund-Zwinker-Emoji losschickt – das nicht mehr rückrufbar in den Raum schwebt. Die Erdnuss sagt empört „Ewwww!“ und läuft weg. Mein Hühnchen-Avatar ruft ihr hinterher: „Falsches Emoji! Sorry, ich bin neu hier!“, zu spät. „Mit wem redest du so laut mitten in der Nacht?“, höre ich plötzlich meine Freundin fragen. Ich nehme die Datenbrille ab und sage: „Mit einer Erdnuss.“ Das ist also das Metaverse.

In sechzig Jahren werde ich über meine ersten Metaverse-Gehversuche lachen können, wenn mein alter, faltiger Körper im Jahr 2082 in einem Nährstoffbecken am Leben erhalten wird und ich in einer virtuellen Welt als ewig junger Mensch täuschend echte Abenteuer erlebe. So zumin-

Idest stelle ich mir die Zukunft im Metaverse vor, also so ähnlich wie im Hollywood-Klassiker „Matrix“. Oder im Buch „Ready Player One“, in dem sich die Menschheit im Jahr 2045 aus ihrer tristen Realität in die virtuelle Realität der OASIS füchtet. Das Wort Metaverse liest man das erste Mal in diesem Zusammenhang beim Schriftsteller Neal Stephenson, der 1992 das Buch „Snow Crash“ schrieb. Darin geben Weltkonzerne den Ton an und haben die Rolle des Staates übernommen. (Ein Gruß an Elon Musk an der Stelle.) Menschen mit viel Geld können in „Snow Crash“ ins Metaverse füchten. Das alles liest sich ganz schön düster und dystopisch.

Ready, Player Marc?

Als mich die Redaktion des Red Bulletin Innovators anruft und fragt, ob ich einen Selbstversuch im Metaverse machen möchte, sage ich aber: „Ja, klar, fand ich schon immer spannend, das Thema.“ Um nach dem Auflegen erst mal kleinlaut zu googeln: „Was ist das Metaverse?“ Es folgen weitere Suchanfragen wie „Wie komme ich ins Metaverse?“ und „Was brauche ich fürs Metaverse?“ Ich öffnete mehr und mehr Webseiten, aber bleibe ratlos. Mal heißt es, man solle auf die Plattform „Decentraland“, da wäre das Metaverse, dann schreibt jemand, man müsse zu „Sandbox“ oder zu „Roblox“, und irgendwie scheint ebenso der Videospielshooter „Fortnite“ schon das Metaverse zu sein. Eine VR-Brille ist kein Muss, lese ich, aber doch irgendwie wichtig – und ich erfahre, dass die führende VR-Brille namens Quest 2 in Deutschland zwei Jahre lang überhaupt nicht verkauft werden durfte – aus Datenschutzgründen.

Dieses ganze Metaverse bleibt vage, mutet mehr nach früher BetaPhase an denn nach ausgereifter Technologie. Nur 15 Prozent der Generation Z, geboren zwischen 1995 und 2012, waren bereits im Metaverse – und die Umfrage fand unter Gamern und Gamerinnen statt. Und in meiner Generation X sind es nur acht Prozent. Ich bin Teil der 92 Prozent, obwohl ich seit 1997 im Internet bin, schon 2009 mit Augmented Reality gearbeitet habe und auch mal furchtlos eine VR-Achterbahn gefahren bin, also eine echte Achterbahn mit Loopings – mit Virtual-Reality-

UNSER META-TESTER

Marc Baumann, 45, lebt als freier Autor in München und schreibt u. a. für das „Süddeutsche Zeitung Magazin“. Derzeit widmet er sich den Chancen und Marotten des Metaverse.

Spielen, plaudern, einkaufen, arbeiten – das Metaverse soll das alles ermöglichen.

Software-Expertin

Johanna Pirker (re.) sagt aber auch: „Wir kopieren unsere realen Probleme in die virtuelle Welt.“

„Mit wem redest du so laut mitten in der Nacht?“, höre ich meine Freundin fragen. Ich nehme die Datenbrille ab und sage: „Mit einer Erdnuss.“
Selbstversuch 52 INNOVATOR GIAN
LOZZA,
STOCK
PAUL
ADOBE
INNOVATOR 53

Brille auf dem Kopf. Und ich hätte auch fast mal einen VR-Flugsimulator auf einer großen Tech-Messe ausprobiert. Aber der Geschäftsmann, der vor mir dran war, sah so bescheuert aus, wie er da in der Horizontalen auf einer Art beweglichen Fitnessbank lag und mit seiner Datenbrille auf dem Kopf Flugbewegungen simulierte. Was seine Hose nach unten und sein Unterhemd nach oben rutschen ließ, wodurch sein nackter Po zu sehen war, was er im VR-Rausch aber nicht mitbekam. Das Metaverse mag visionär sein, revolutionär und spannend – aber cool ist es nicht.

Schon als Facebook-Gründer Mark Zuckerberg im Oktober 2021 mit einem YouTube-Video der Welt seine großen Metaverse-Pläne eröffnete, war der Auftritt ziemlich: cringe

In dem 10:35 Minuten kurzen Film verwandelt sich Zuckerberg in seinen eigenen Mark-Zuckerberg-ComicAvatar und verkündet, dass seine Firma jetzt Meta heißt. Der Clip geht dann so weiter, dass Zuckerberg auf einer Weltraumstation seine AvatarFreunde trifft und sie zusammen Karten spielen. Dabei sagt Mark Z. zu einem Kollegen: „Hey, ich wollte doch der Roboter sein!“ Und dann lachen alle. So wie man lacht, wenn der Chef einen Witz gemacht hat. Dieses YouTube-Video, das man als den offziellen Startschuss zum Metaverse betrachten darf, macht leider extrem wenig Lust aufs Metaverse –und sieht eher so aus, als hätten einen die Eltern gezwungen, mit dem kleinen Bruder eine Runde NintendoWii zu spielen. Einige Wochen später postete Zuckerberg einen Screenshot vor dem Eiffelturm aus einem derart mies animierten Metaverse-Paris, dass Twitter voller Spott über sein Großprojekt war.

Hype, Hype, Hurra

Dafür gibt er Milliarden aus und riskiert die fnanzielle Gesundheit von Facebook (wie manche Angestellte dort anonym warnen)? Zum Glück stoße ich auf den Podcaster Thomas Riedel, der über sich den schönen Satz sagt: „Ich befürchte, ich bin Deutschlands führender MetaverseJournalist.“ Dass ich die Eingangstür zum Metaverse vergeblich suche, fndet Riedel netterweise gar nicht peinlich. „Bin total froh, dass Sie so irritiert sind“, sagt er, „ich bin näm-

Zahlen & Fakten zum Metaverse

Im Metaverse sollen virtuelle, erweiterte und physische Realität zusammenfinden. Wir erklären einige der wichtigsten Begriffe.

Definition

Das Metaverse ist ein virtuelles Pendant unserer realen Welt.

Endgeräte

Am Metaverse kann man mit Smartphone, Laptop, Tablet oder VR-Brille teilnehmen – Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) sind eine Option, aber nicht unbedingt notwendig.

Digitale Ökonomie

Eines der Kernziele des Metaverse ist es, eine eigene digitale Ökonomie aufzubauen, in der virtuelle Güter mit eigenen Währungen gehandelt werden.

Branchen & Firmen

Investitionen im Bereich Metaverse werden von großen TechFirmen wie Microsoft sowie auch von Fashionbrands wie Nike, Adidas und H&M getätigt.

In Echtzeit

Das Metaverse läuft immer weiter, alles passiert in Echtzeit. Es kann nicht pausiert, zurück gesetzt oder beendet werden.

14

Metaverse-Plattformen kann man 2023 bereits betreten. Facebook-Mutter Meta entwickelt aktuell zwei davon.

1992

wurde der Begriff Metaverse das erste Mal erwähnt – und zwar im Sci-Fi Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson.

63 Milliarden $

an Marktkapitalisierung hatte der Metaverse-Markt laut Schätzungen im Jahr 2022.

1–12 Billionen $

sollen die im Metaverse befindlichen Güter 2029 laut der Bank JP Morgan wert sein –fast eine Verzwanzigfachung.

450.000 $

wurde 2021 für ein Stück Land im Metaverse „The Sandbox“ bezahlt – in der (virtuellen) Nachbarschaft von Snoop Dogg.

62 %

allen aktuell verfügbaren virtuellen Landes befindet sich im Metaverse „The Sandbox“, das ursprünglich als Spiel startete.

54 INNOVATOR

lich der festen Überzeugung, dass es noch gar kein Metaverse gibt.“ Wie bitte? „Das Metaverse ist ein Medienhype, bei dem jeder Geld machen will – und das dann einfach Metaverse nennt“, erklärt Thomas Riedel. Okay, dann hier jetzt Abbruch, ich rufe die Redaktion an, dieses Metaverse-Ding gibt es gar nicht, lasst mich den Selbstversuch in fünf Jahren noch mal probieren, bis dahin: Tschüss! Moment, sagt Thomas Riedel. Es ist so: Das Metaverse wird ein Netzwerk aus Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Erfahrungen sein, die alle miteinander verbunden sind. Die Frage sei, wer nun zuerst die alles umgebende virtuelle Hülle dafür baut. Mark Zuckerberg versuche also gerade eine Art „html“ fürs Metaverse zu bauen. Das mag noch fünf oder zehn oder zwanzig Jahre Entwicklungszeit brauchen, die einzelnen Teile davon – ob in der Virtual oder der Augmented Reality oder einfach nur auf dem Bildschirm –kann man ja schon mal ausprobieren. Ich unternehme einen zweiten Virtual-Reality-Ausfug und versuche es mit Bergsteigen. Das viel gelobte Spiel „The Climb“ bietet annähernd fotorealistische Grafk, so hatte ich mir das Metaverse viel eher vorgestellt. Also nach den üblichen drei, vier Minuten Ladezeit – moderne VR-Brillen kosten rund 500 Euro, der niedrige Preis soll möglichst viele Käufer anlocken, entsprechend sind die Datenbrillen keine High-EndComputer. Man startet „The Climb“ auf einer kleinen Plattform mitten am Berg, unter einem ein Abgrund. Mit den Controllern greift man nach schmalen Felsvorsprüngen und zieht sich Meter um Meter nach oben. Wer abrutscht, stürzt tief, und ich zucke beim Aufprall wirklich kurz zusammen. Noch ein VR-Spiel: „Medal of

Honor“, dort wacht man als britischer Soldat im Zweiten Weltkrieg verletzt auf einem Schlachtfeld auf, zwei Kameraden bringen einen zum Arzt. Wenn man im Krankenbett seine Controller als täuschend echte Hände sieht, ist das schon faszinierend. Nur beim ersten Gefecht wird mir schlecht, wenn mein Soldat ballernd durch die Gegend rennt, ich aber im Wohnzimmer still stehe. Das Phänomen heißt „motion sickness“ und verhindert den großen VR-Durchbruch derzeit noch. Nach 90 Minuten VR-Welt brauche ich eine Pause, nehme die Datenbrille ab und gehe auf die Terrasse. Für ein, zwei Minuten wirkt alles so seltsam animiert, selbst Bäume und mein Hund. Noch eine seltsame Beobachtung, oder vielleicht Einbildung: Wenn ich die Datenbrille aufsetze, fühlt sich mein Herzschlag komisch an.

Oben: ein virtueller Gesprächspartner unseres Autors bei seinem Meeting im Metaverse. Unten: unser Autor als schwebender Avatar

JJe mehr Zeit ich im Metaverse verbringe, desto mehr möchte ich danach in die Natur, ich gehe zum ersten Mal seit langer Zeit ohne Handy mit dem Hund Gassi. Wird sich der Körper an das Hin- und Herspringen zwischen echter Welt und täuschend echter Fantasywelt gewöhnen? Oder wird alles verschwimmen, wie in diesen Sekunden nach dem Aufwachen, wenn man noch halb im Traum ist und sich fragt, ob man schon wach ist? „Mehr als zwei Stunden hält man mit der VR-Brille nicht durch“, sagt Thorsten Hennig-Thurau. Der Professor für Marketing und Medien lehrt in Münster und London, er hat Teile der Uni Münster in der virtuellen Realität nachgebaut mit seinem Lehrstuhl und arbeitet an ersten reinen VR-Vorlesungen mit Datenbrillen. Ich treffe ihn in seinem Büro am Meer. Wobei der Strand hinter dem Fenster nur im Computer existiert, eigentlich steht er mit seiner Datenbrille in Münster und ich in München. Aber wir treffen uns als Avatare, sitzen einander am selben virtuellen Tisch direkt gegenüber, und als ich daheim in München meine Beine ausstrecke, habe ich kurz Sorge, ich könnte seine Beine unterm Tisch treffen – bis mir einfällt, dass ja gut 600 Kilometer

zwischen uns sind. Wir sind auch nur Comic-Avatare unser selbst, noch dazu ohne Unterkörper animiert (spart Rechenleistung) – aber das Treffen ist erstaunlich immersiv. Der Professor zeigt mir, wie ich die Controller weglegen und nur mit Handgesten arbeiten kann, dann gehen wir gemeinsam an eine Tafel und schreiben darauf. Er steht direkt vor mir, und ich fühle mich ihm tatsächlich körperlich nah. Hennig-Thurau hat eine neue VR-Brille, die anders als mein Modell auch die Mimik erkennt –wenn er lacht, dann lacht sein Avatar mit, ist eine Frage kompliziert, sieht man den Avatar die Stirn runzeln. Verglichen zu all den Zoom-Meetings der letzten Pandemie-Jahre, wo man sich als kleine Videofenster sieht, wirkt ein VR-Meeting mit Avataren tatsächlich „echter“. So könnte die Zukunft des Homeoffce aussehen. Oder doch ganz anders. Denn niemand weiß, wie diese Welt wirklich aussehen wird, so wie man 1992 zwar schon eine E-Mail schicken konnte, aber keine Vorstellung davon

„Das Metaverse ist ein Medienhype, bei dem jeder Geld machen will – und das dann einfach Metaverse nennt.“
NETZ-EXPERTE THOMAS RIEDEL
Selbstversuch INNOVATOR 55

hatte, 2023 im Bus zur Arbeit auf dem Smartphone Katzenvideos und Weltnachrichten im selben SocialMedia-Feed zu lesen. Noch ist alles denkbar beim Metaverse – übrigens auch die düstersten Szenarien. „Im Moment kopieren wir all unsere realen Probleme in das Metaverse: eine künstliche Immobilienkrise, weil virtuelle Grundstücke bereits zu absurden Preisen verkauft werden, es gibt Rassismus, sexuelle Belästigung und erste VR-Apps mit Schutzräumen für Frauen“, sagt Johanna Pirker, die an der Technischen Universität in Graz als Softwareentwicklerin interaktive Systeme und Data Science erforscht. „Das Coole an der virtuellen Welt ist dafür, dass man im Cyberspace endlich ausgeschlossene Menschen integrieren kann, Menschen mit Behinderungen, mit wenig Geld, aus allen Kulturen.“

Bedingungen benutzt werden darf und es Gesetze gibt, die verhindern, dass Verbrechen ungeahndet bleiben wie derzeit etwa im Darknet. Die nächsten Jahre werden entscheiden, wie düster oder hell unsere virtuelle Zukunft aussieht. Bis dahin sollte man das Metaverse vielleicht sehen wie Ost-Berlin nach dem Mauerfall 1989: als eine total improvisierte, leicht durchgeknallte und spannende Großbaustelle.

Das Metaverse in der Interpretation unseres Illustrators. Unser Autor brauchte nach 90 Minuten eine Pause in der freien Natur.

Musik, Filme, Software & Pizza

Die Idee für das Metaverse wurde in einem Sci-FiRoman geboren. Bis heute sind Popkultur, Hollywood und Gaming-Firmen Ideengeber für das Silicon Valley.

„Snow Crash“ (1992)

In Neal Stephensons Roman ist das Metaverse ein Rückzugsort aus einem dystopischen US-Amerika, wo nur noch „Musik, Filme, Software und HighspeedPizzalieferung“ gut sind.

DDas Metaverse könnte ein Ort werden, in dem der virtuelle Raum von allen gestaltet wird, in dem jeder sein Haus baut und das Metaverse nur die lange Straße ist, die einmal um die Welt geht, auf der wir uns alle besuchen können. Genau so wird das Metaverse nämlich im Roman „Snow Crash“ beschrieben: als eine Straße. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Straße dann von allen zu fairen

Einmal laufe ich als HühnchenAvatar in eine virtuelle McDonald’sFiliale, in der ein Putzwagen quer in der Luft schwebt, vielleicht ein Animationsfehler, vielleicht ist man gerade auch nur verrückt geworden. Ich schaue auf das Menü hinter dem Tresen und fnde Chicken McNuggets irgendwie beleidigend, so als VRHuhn, nehme dann einen herumliegenden Pappbecher und „trinke“, was natürlich gar keinen Sinn ergibt, so per Datenbrille. Wieder draußen auf dem Parkplatz, stehen plötzlich mehrere Avatare herum, darunter eine große Katze und ein düsteres Monster, das mich nach ein paar Minuten einlädt, mit auf eine VRChat-Party zu kommen. Als ich etwas später als Huhn auf einer recht spärlich besuchten Tanzfäche zu tanzen beginne, falle ich dabei in der echten Welt über meinen schlafenden Hund und lande unsanft auf dem Boden. Die Brille bleibt heil, mein Knie nicht. Ein blauer Fleck, den die virtuelle und die echte Welt zusammen erschaffen haben.

Second Life (2003)

Schon seit 20 Jahren existiert das von Linden Lab entwickelte ProtoMetaverse Second Life. Bis zu 200.000 User nutzen die Plattform täglich.

„World of Warcraft“ (2004)

Mit über acht Millionen aktiven Spielern monatlich hält „WoW“ den Rekord für das beliebteste Multiplayer-Online-Rollenspiel (MMORPG).

„Ready Player One“ (2011 bzw. 2018)

Steven Spielbergs Verfilmung von Ernest Clines Roman machte die virtuelle Welt OASIS cool – trotz der sie umgebenden dystopischen Welt.

Selbstversuch 56 INNOVATOR ADOBE STOCK

GROSSES GRILLKINO SO KLEIN IST

Grillen ist ein Synonym für Geselligkeit. Es steht fürs Teilen, Zelebrieren und die Freude. Kurzum: Grillen geht einfach immer! Das unterstreicht auch der neue Lumin Elektrogrill, denn das neue Multitalent von Weber ermöglicht selbst auf kleinstem Raum großes Grillkino!

GRILLMEISTERIN

YULIA HAYBÄCK EMPFIEHLT:

Der Elektrogrill, der alles kann. Dank seiner kompakten Größe passt der Lumin auf den kleinen Stadtbalkon, die eigene Terrasse oder den geteilten Innenhof und steht mit seinen vielen Funktionen einem Kohlegrill oder Gasgrill in nichts nach. Die Vielzahl der neuen Funktionen des Lumin überzeugen jeden Elektrokritiker: Das Dämpfen bringt Gemüse auf den Punkt. Dank der Maximaltemperatur von mehr als 315 Grad ermöglicht der Lumin scharfes Angrillen und schöne Grillmuster, mit der Räucherfunktion sind auf dem Elektrogrill sogar Raucharomen wie bei einem Smoker möglich. Die Auftau- und die Warmhaltefunktion runden das Portfolio ab. So können sich die Gäste entweder wie bei einem Buffet selbst bedienen oder einen Nachschlag holen und auch Nachzügler kommen noch in den Genuss warmen Grillguts.

Auch die Grillmeisterin und Partyköchin Yulia Haybäck setzt in ihrer Stadtwohnung auf den neuen Elektrogrill von Weber. Für sie dürfen alle Arten von Grills ihre Besonderheiten haben – aber die Qualität muss stimmen. Ihr Motto: Freu(n)de findet man am Feuer!

LANGES VERGNÜGEN

Hält die Speisen warm, damit sich die Gäste selbst bedienen können.

KOMPAKT

Das kompakte Design hat auf kleinstem Raum genügend Platz.

RICHTIG HEISS

Der Lumin erreicht Temperaturen über 315 Grad.

SOFORT LOSLEGEN

Tiefgekühltes Grillgut kann während des Vorheizens aufgetaut werden.

VIELSEITIG

Kann scharf angrillen, räuchern und smoken.

weber.com

WEBER ANZEIGE

Sie fährt, segelt und fliegt. Aber wie? Wir gingen an Bord der AC75-Yacht des Alinghi Red Bull Racing-Teams. Und stießen auf den ultimativen Mix aus Teamwork und Hightech.

Der Kniff mit dem Luft-Schiff

America’s Cup
TEXT Andy Rice FOTOS Samo Vidic / Alinghi Red Bull Racing
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Die Alinghi Red Bull Racing AC75 auf einer Trainingsfahrt vor Barcelona. Die Yacht geht beim America’s Cup an den Start.

DDer America’s Cup ist der Inbegriff der Segelregatta – und außerdem eine Fallstudie der Widersprüche. Einerseits handelt es sich um den ältesten Yachtwettbewerb überhaupt, der gegen jeden Zeitgeist immer noch nach Regeln funktioniert, die 1852 festgelegt wurden. Andererseits verschiebt er regelmäßig die Grenzen moderner Möglichkeiten in Sachen Bootdesign und -leistung. An Bord der AC75-Yachten – aerodynamischer, 22 Meter langer Einrumpfboote mit Hydrofoils – befnden sich Computer auf dem neuesten Stand technologischer Innovation, die die Tragfügel ebenso unter Kontrolle haben wie die Hydraulik. Im Automatikbetrieb dürfen diese Maschinen aber nicht laufen. Das Protokoll schreibt vor, dass auch die modernsten Yachten der Welt von Menschenhand betrieben werden

müssen. Der Mix aus Kybernetik (Selbstregulierung) und Organik (i n dem Fall: Regulierung durch den Menschen) hat einen Namen: Cyborg.

Es gibt nichts zu beschönigen: In einem geradlinigen Beschleunigungsrennen würde ein vollautomatischer, unbemannter AC75-Rennbolide wahrscheinlich jeder Acht-MannBesatzung davonsegeln. Wenn also Menschen ins Spiel kommen, sollten diese ft und smart sein. Manche werden wegen ihrer außerordentlichen Muskelkraft und Sauerstoffkapazität angeheuert – sie betreiben den Maschinenraum. Bei anderen gibt Köpfchen den Ausschlag, die Fähigkeit, blitzschnell schwierige Entscheidungen zu treffen. Immerhin gibt es sehr wohl Momente, in denen der „Faktor Mensch“ gegenüber den derzeit bestehenden Rechnersystemen die Nase vorn hat.

Nicolas Charbonnier, einer der Steuermänner bei Alinghi Red Bull Racing, an Bord der AC75-Segelyacht bei einem Training vor der Küste Barcelonas

America’s Cup
„Man lernt, wie man den Wind auf dem Wasser erkennt, und entwickelt einen sechsten Sinn für die Umgebung.“
MAXIME BACHELIN, STEUERMANN
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Bis zu 1,5 Meter weit heben die Hydrofoils (li. u. re.) die AC75 ­Yacht aus dem Wasser, was ihr ermöglicht, Geschwindigkeiten von bis zu 40 Knoten (74 km/h) zu erreichen.

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So geht

Foiling

Es fliegt, es fliegt – ein Segelschiff. Die Technologie dahinter ist dieselbe, die auch Flugzeuge abheben lässt.

Foiling ist eine Technik, die es Segelyachten ermöglicht, sich aus dem Wasser zu heben und auf „Hydrofoils“ (also Unterwasserflügeln) zu fahren. Diese erzeugen Auftrieb und verringern den Luftwiderstand, was das Boot über dem Wasser dahingleiten lässt. Die dadurch erreichte erhöhte Geschwindigkeit (bis zu 40 Knoten, also 74 km/h) und Effizienz ermöglichen der Crew eine ruhigere Fahrt.

Das Schweizer Unternehmen Alinghi ist ein Vorreiter der Foiling­Technologie in der Segelwelt. Die Alinghi Red Bull Racing AC75 verwendet beispielsweise T­Foils und ein dynamisches Stabilitätssystem, um selbst bei stürmischem Wetter ein stabiles und effizientes Foiling zu erreichen.

Alinghis innovativer Ansatz in der Segeltechnologie hat dem Team zu zahlreichen Siegen bei großen internationalen Segelwettbewerben verholfen, unter anderem beim America’s Cup.

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Sobald die gigantischen Segel den Wind einfangen und das Boot mehr als 18 Knoten (gut 33 km/h) erreicht, erzeugen die Hydrofoils genügend Auftrieb, um den 6,5 Tonnen schweren Rumpf aus dem Wasser zu heben. Daraufhin fällt der Strömungswiderstand auf einen Bruchteil herab, und die AC75 beschleunigt auf über 40 Knoten (74 km/h). Das Boot balanciert nun an der Grenze zur Unkontrollierbarkeit, und die Segler müssen reagieren, um die Stabilität zu wahren. Die Segeln gehören neu eingestellt, „getrimmt“, wie es heißt, der Winkel der Tragfächen muss binnen Sekundenbruchteilen in Position gebracht werden, um einen gleichmäßigen Halt auf und über dem Wasser zu gewährleisten. Jedes Mitglied aus der achtköpfgen Besatzung muss sich auf seinen eigenen Aspekt des Bootes konzentrieren, die Prioritäten der anderen aber im Hinterkopf haben. Ein guter Vergleich kommt überraschenderweise nicht aus dem Sportbereich: „Es ist wie ein Orchester“, sagt Pietro Sibello, Segelberater bei Alinghi Red Bull Racing (ARBR), einem der beiden Teams, die nächstes Jahr in Barcelona zum 37. America’s Cup antreten werden. „Jedes Instrument ergänzt die anderen, Takt, Tempo und Höhe stimmen sich genau aufeinander ab.“

Um das harmonische Verhältnis zwischen Mensch und Mensch sowie zwischen Mensch und Maschine besser zu verstehen, hat das Red Bulletin mit Mitgliedern des Teams von Alinghi Red Bull Racing gesprochen. In diesem Text zeigen wir, was es heißt, ein lebender „Bauteil“ einer AC75Rennyacht zu sein.

„Es ist wie ein Orchester. Jedes Instrument ergänzt die anderen. Takt, Tempo und Höhe stimmen sich aufeinander ab.“
America’s Cup 62 INNOVATOR OLAF PIGNATARO/RED BULL CONTENT POOL
PIETRO SIBELLO, SEGELBERATER

Die AC40-Segelyacht wird im Hafen von Barcelona vor ihrem ersten Einsatz „getauft“. Das Schiff ist eine kleinere Version der AC75 für Trainingszwecke.

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1 2 3 7 8 4 5 6 64 INNOVATOR ALEX PANG

Die Positionen einer AC75-Crew

Für den America’s Cup 2024 wurden die Besatzungen auf acht Personen beschränkt (2021 waren es noch elf). Es gilt also, die Aufgaben kreativ zu verteilen. Die hier beschriebenen Rollen sind illustrativer Natur und nicht repräsentativ für ARBR oder ein anderes Team.

STEUERGRUPPE

Sie hält sich eher im hinteren Teil des Bootes auf. Sie kontrolliert das Steuer und die Höhe über Wasser, außerdem passt sie ständig die Segel an, um die Höchstgeschwindigkeit herauszuholen. Taktische Entscheidungen, wie man sich auf dem Kurs positioniert und wann man sich mit den Gegnern anlegt, werden hier getroffen.

1 2 Steuermann

Der Steuermann steuert, klar. Er ist mit den anderen über Funk verbunden und übernimmt daher auch oft Aufgaben eines Kapitäns, der das Kommando innehat, Manöver ansagt und koordiniert. Historisch gab es immer nur einen Steuermann, der zwischen zwei Lenkungen von einer Seite des Bootes zur anderen wechselt, während der Lotse vorübergehend die Steuerung übernimmt. 2021 überraschte das italienische Team Luna Rossa mit zwei Steuermännern, einem auf jeder Seite. Pietro Sibello – früher Stratege bei Luna Rossa, nun bei ARBR – erklärt: „Wenn man während eines Manövers auf der Rückseite einer AC75 herumrennt, kann man schon leicht von Bord gehen.“ Die Doppelbesatzung schmälert zwar dieses Risiko, wirft aber ein neues Problem auf: Wer

hat wann das Kommando?

Eine kommunikationstechnische Denksportaufgabe mit Vor­ und Nachteilen.

3 Lotse

Der Lotse kümmert sich um den Tragfächenwinkel auf jeder Seite des Bootes. Meistens befndet sich nur das leeseitige Foil (also jenes auf der dem Wind abgewandten Seite) im Wasser, das luvseitige, also windzugewandte, schwebt darüber und balanciert den Wind gegen die Segel aus. Bei langsamen Manövern liegen jedoch beide Tragfächen im Wasser, um zusätzlichen Auftrieb zu ermöglichen. In fachem Gewässer zu segeln erfordert weniger häufge Kalibrierung, in rauen Gewässern hingegen gibt es ständig etwas anzupassen.

4 Großsegeltrimmer

Kleine Segelkunde: Die wichtigste Quelle für Windkraft auf einer AC75 ist das doppelseitige Großsegel. Es hat eine Fläche von 145 Quadrat metern und ist auf einem 26,5 Meter hohen Kohlefasermast gehisst. Vorn auf dem Boot befndet sich ein mit 90 Quadratmetern deutlich kleineres Segel: die Fock. Die Lücke zwischen Fock­ und Großsegel wird als „Schlitz“ bezeichnet. Luft beschleunigt durch den Schlitz hindurch über die Leeseite des Großsegels und steigert die Wirkung des Windes auf der anderen Seite. Die Trimmer müssen die Beziehung

zwischen Groß­ und Focksegel jederzeit unter Kontrolle haben, ebenso wie die Form des Großsegels, damit Gleichgewicht und Geschwindigkeit optimal passen. Bei leichteren Winden geben die Trimmer den Segeln Tiefe, aber wenn die AC75 in den Foilingmodus übergeht, also über dem Wasser fiegt, fällt der Strömungswiderstand abrupt ab, und das Boot wird von den Segeln übermannt. Der Trimmer verengt nun rasch das Profl des Großsegels, damit dieses den Wind durchschneiden kann.

KRAFTGRUPPE

Die immensen Sauerstoffreserven und körperlichen Kräfte dieser Gruppe müssen ständig über Handwinschen in Energie für die Hydraulik des Bootes übersetzt werden. Je größer die Wattleistung, desto exakter kann die Steuergruppe die Segel trimmen.

5 6 7 8

Grinder/Radfahrer

Sie heißen „Grinder“, weil die Griffe, mit denen sie die Winschen (Handseilwinden) zum Trimmen der Segel und zur Bewegung des Baumes antreiben, aussehen und klingen wie riesige Kaffeemühlen. Seit dem America’s Cup 2017 ist aber alles anders. Damals entwickelte das Emirates Team New Zealand (ETNZ) heimlich ein pedalbetriebenes Boot mit Standfahrrädern an Deck. Die Radfahrer erzeugten mit ihren Beinen eine circa 20 Prozent höhere Wattleistung und hatten dabei die Hände frei, um Segel zu bedienen. Nach dem Sieg des ETNZ wurde Beinkraft für 2021 verboten, aber 2024 kehrt sie zurück. Beim Trainingslager der Briten wurden Drehzahlen gemessen, die der Tour de France nahekommen. Das Schweizer Team ARBR hält sich noch bedeckt, hat aber bereits einen Olympia­Radsportler an Bord, und die Crew trainiert bereits regelmäßig auf Rädern.

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America’s Cup INNOVATOR 65

Mit seinen knapp 25 Jahren ist Steuermann Maxime Bachelin der Jüngste im Team. Zum ersten Mal segelte er mit acht, es handelte sich um ein winziges 2,4-Meter-Dingi (Boot mit EinMann-Betrieb) mit der Bezeichnung Optimist, eine schwimmende Schuhschachtel im Vergleich zur geschmeidigen ARBR AC75, über die er jetzt Herr ist. Dennoch: Die Grundlagen guten Steuermannhandwerks stammen alle aus dieser prägenden Zeit. „Im Optimist lernt man das Gespür für ein Boot“, sagt Bachelin. „Man lernt, wie man den Wind auf dem Wasser erkennt, und entwickelt fast einen sechsten Sinn für die Umgebung.“ Seit damals hat er sich allmählich aufwärts bewegt. In 4-Meter-Dingis mit 2-Mann-Besatzung lernte er die Bedeutung von Kommunikation und einer gewissen Telepathie zwischen Steuermann und Crew. Für 10 Knoten reichte das völlig, doch bei 50 Knoten geht die Freiheit, taktische Besprechungen abzuhalten, gegen null. Deshalb trainieren Segler wie Bachelin ihre Reaktionszeit ähnlich wie Formel-1-Fahrer. „Wir verbringen Stunden im Simulator und üben Situationen, die uns im Bewerb begegnen könnten –zum Beispiel für die Reaktion auf Lichtwechsel. Alles, was uns schneller macht, ist gut für unsere Leistung auf dem Wasser.“

Genau kann er sich nicht erinnern, aber Bryan Mettraux vermutet, dass er schon vor seinem ersten Geburtstag mit dem Segeln begann. „Mein Vater hat uns immer auf seinem Segelkreuzer mitgenommen“, erzählt der heute 32-Jährige.

„Sportlich habe ich dann in einem 420er angefangen.“ Das ist ein 4,2-Meter-Übungsdingi.

Seinen ersten hochkarätigen Bewerb bestritt Mettraux, als er einem Übungszentrum beitrat und dort an Eins-gegen-einsMatches teilnahm, wie sie auch im America’s Cup stattfinden.

„Meistens bin ich auf der GC32 gesegelt, einem Katamaran mit Hydrofoils. Dieses Boot ist nicht so schnell oder so fortschrittlich wie die ARBR AC75, aber gut geeignet, die eigene Reaktionszeit zu verbessern.“

Mettraux bereitet sich sowohl

Ab 2024 dürfen nur noch acht Crew-Mitglieder eine Yacht im America’s Cup zum Fliegen bringen.

auf die Rolle des Lotsen als auch auf die des Großsegeltrimmers vor. „Das hilft dir, zu verstehen, wie deine Funktion mit anderen an Bord zusammenpasst“, sagt er. „Und es ist immer besser, wenn Leute mehr als eine Sache können.“ Wird beispielsweise der Lotse zur Energieerzeugung benötigt, kann der Steuermann die Tragflächen ausrichten. Beim Trimmen, meint Mettraux, sei etwa die Hälfte Instinkt und die andere ein Blick auf die Daten auf dem Bildschirm, im Laufe der Zeit zunehmend Ersteres. Die Daten würden schließlich nur die jüngste Vergangenheit abbilden. Viel wichtiger sei es, im Eifer des Gefechts zu erahnen, was die nahe Zukunft bringt: „Manchmal spürt man einfach, was das Boot braucht.“

3 4 Lotse/Trimmer Bryan Mettraux 1 Steuermann Maxime Bachelin
„Beim Trimmen ist etwa die Hälfte Instinkt und die andere ein Blick auf die Daten auf dem Bildschirm.“
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BRYAN METTRAUX, LOTSE/TRIMMER

Seine prägenden Segeljahre verbrachte Nils Theuninck als Einzelkämpfer. Er begann im Optimist und arbeitete sich dann zum schwergewichtigen 4,5-Meter-Finn vor, einem Dingi, das Seglern brachiale Kraft und Intelligenz abverlangt und so manchen America’s-Cup-Rekruten geformt hat. 2021 übernahm Theuninck die Führung in der Finnsegler-Weltrangliste und errang Bronze bei den Europameisterschaften. Zwar platzte sein Traum, die Schweiz bei den Olympischen Spielen in Tokio zu vertreten, doch für den nächsten America’s Cup ist der 26-Jährige fest entschlossen, sein Heimatland stolz zu machen. „Da tritt man gegen die besten Segler der Welt an, auf den fortschrittlichsten Booten, die je gebaut wurden“, sagt er. Um im Maschinenraum der ARBR AC75 sein Bestes geben zu können, trimmt er sich zu immer höheren Graden der Fitness und der Kraft. Als Hüne mit 1,94 Metern und 93 Kilo weiß er, dass alles vom richtigen Leistungsgewicht abhängt. Außerdem braucht es einen klaren Kopf, um taktische Entscheidungen zu treffen und das Boot zu Bestleistungen anzutreiben. Im Finn-Dingi konnte er sich darauf perfekt vorbereiten.

Der America’s Cup 2024 wird in Barcelona ausgetragen. Das ARBR-Team trainiert vor Ort.

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5 Kraftgruppe Nils Theuninck

Augustin Maillefer

Früher hasste Augustin Maillefer den Wind. In seiner früheren Sportart, dem olympischen Rudern, war das der Feind. Jetzt, als Segler, hat er eine gute Brise zu schätzen gelernt. Nachdem er bei Olympia 2012 und 2016 die Schweiz vertreten hatte –in Rio schrammte er knapp an der Medaillenchance vorbei –, rekrutierte ihn ARBR. In den vier- oder achtköpfigen Rudermannschaften sei Gleichtakt das Wichtigste, sagt Maillefer, auf der ARBR AC75 erlebe er aber noch viel stärker die Symbiose der Teamarbeit. „Beim Rudern verschwendet man keine Energie darauf, sich über die anderen im Boot Gedanken zu machen, man konzentriert sich darauf, das Beste aus sich rauszuholen“, erklärt der Neuzugang in der Kraftgruppe, der im April dreißig wird. „Beim Segeln müssen wir uns viel genauer bewusst machen, was die anderen für eine Funktion haben, wie sich das auf die Gesamtleistung auswirkt und was wir tun können, um einander die Arbeit zu erleichtern. Am Ende des Tages bin ich einfach hier, um meine Kraft zur Verfügung zu stellen. Dank meiner Rudererfahrung ist mein Körper gewohnt, auch bei Schmerzen Leistung zu erbringen.“

Leistungsdatenanalytikerin

Andrea Emone

Die 26-jährige Andrea Emone ist für die Telemetriedaten verantwortlich, die die vielen Sensoren rund um die ARBR AC75 sammeln. „Ich bin in der olympischen Windsurferklasse angetreten, habe Luft- und Raumfahrttechnik studiert und bin Master in numerischer Strömungsmechanik“, sagt sie. Ihre Expertise verleiht ihr auch Gewicht in einer heiklen Frage: Ist die ARBR AC75 noch ein Boot? „Es ist kein Flugzeug“, sagt sie, „und es ist auch kein traditionelles Boot. Das Segeln beruhte immer schon auf der Erzeugung von Auftrieb, aber mit vertikalen Segeln. Die ARBR AC75 erhebt sich auch horizontal aus dem Wasser. Aber sie ist und bleibt ein Boot.“ Ein Boot, sollte man hinzufügen, das sich doppelt so schnell fortbewegen kann wie die Gebrüder Wright beim ersten Motorflug der Welt 1903.

Segelberater Pietro Sibello

Ein Computer kann in einer Sekunde Tausende von Berechnungen durchführen. Ein Mensch?

Eine oder zwei. Deshalb, so Pietro Sibello, sei der Computer auch viel besser in der Flugsteuerung als der Mensch. „Eine ARBR AC75 zu segeln ist, wie ein Flugzeug zu fliegen“, findet der 43-jährige Italiener. „ Aber da wir nicht mit Computern arbeiten dürfen, teilen wir die Arbeit auf die Crewmitglieder auf. Sie müssen perfekt im Takt sein.“ Womit wir wieder beim Orchestervergleich wären. „Rechner können präziser und unmittelbarer reagieren, und natürlich wären wir oft schneller, wenn alle Systeme automatisiert wären. Ein Mensch ist dort besser, wo es auf Erfahrung ankommt: Wiedererkennen von Situationen, Vorwegnehmen von Bewegungen, Identifizieren des Windverhaltens anhand des Wassers. Daher gewinnt immer noch der Mensch das Rennen. Vorerst zumindest.“

6 Kraftgruppe
„Beim Rudern konzentriert man sich einfach darauf, das Beste aus sich rauszuholen“
AUGUSTIN MAILLEFER, KRAFTGRUPPE
America’s Cup 68 INNOVATOR OLAF PIGNATARO/RED BULL CONTENT POOL
Entwickelt in der Schweiz, im Einsatz auf den Weltmeeren – ARBR-Yachten sind ein Aushängeschild für Schweizer Spitzentechnologie.

Um die Energiewende zu schaffen, muss mehr und mehr Strom aus erneuerbaren Quellen stammen. Was das Klima schützt, macht eine stabile Stromversorgung aber gleichzeitig herausfordernder. Denn gerade die Energie aus Wind und Sonne steht nicht immer konstant zur Verfügung. Der Strom muss aber genau das tun. Deswegen ist der Ausbau von Speichern und Netzen dringend notwendig.

Bis 2030 verfolgen wir das Ziel, rund 15 Mrd. Euro in die Energiewende zu investieren, genauer gesagt: in Wasser-, Wind- und Sonnenkraft, grünen Wasserstoff und nicht zuletzt in den Ausbau unserer Netze. Nur wenn viele Faktoren zusammenspielen, können wir Österreich sicher und unabhängig mit Energie versorgen – egal ob Industrie und Betriebe, öffentliche Einrichtungen oder private Haushalte.

Das erreichen wir unter anderem mit modernen Möglichkeiten, Windund Sonnenenergie zu sammeln, wenn sie verfügbar ist, und für später zu speichern.

Die Energiewende gelingt uns nur zusammen. Deswegen arbeiten wir unermüdlich am Gelingen der Energiewende in Österreich und Europa. Denn: Gemeinsam sind wir die Kraft der Wende.

In Windenergie zu investieren bringt gar nichts. Wenn wir nicht auch in ein stabiles Netz investieren.

Gesichter der Wende

Smarte Minikraftwerke, energiegeladene Parkplätze, Öko-Check per Mausklick …

Diese acht Menschen machen unseren Strom sauber.

1 Greta Ziegler, Green Tech Valley 2 Martin Lublasser, Anywhere.Solar 3 Barbara Schmidt, Oesterreichs Energie 4 Thomas Suppan, doro Turbinen
Trendsetter 70
5 Markus Auferbauer, Blue Power 6 Elisa Gramlich, Wien Energie 7 Kristijan Jarc, Salzburg AG 8 Jürgen Rechberger, AVL
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GREEN TECH VALLEY CLUSTER, REGINA HÜGLI, MICHAEL JURTIN PHOTOGRAPHY

Green Tech

Greta Ziegler

Die 27-jährige Greta Ziegler ist eine Visionärin – überzeugt davon, dass Technologie die Welt verändern kann. Auch weil das ganz einfach ihr Job ist. „Der Großteil der Menschheit lässt sich von unterschiedlichsten Ängsten leiten. Ich nicht. Ich versuche, mich auf das zu fokussieren, was ich tun kann, um die Zukunft auf dieser Erde besser zu machen“, so Ziegler.

Ziegler ist noch keine dreißig, hat aber bereits einen beeindruckenden beruflichen Werdegang vorzuweisen, der sie zum Job der Projektleiterin für Start-ups im Green Tech Valley geführt hat,

Name

Funktion

Projektleiterin

Projekt

Der Green Tech Valley Cluster initiiert und unterstützt grüne Innovationen in der Steiermark und Kärnten, wo mehr als 300 globale Green-Tech-Pioniere und -Leader werken und forschen.

einem Technologie-Hotspot für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft in der Steiermark und in Kärnten. „Für mich muss die Arbeit, die ich leiste, Sinn ergeben“, sagt Ziegler. „Sinnvolle Arbeit bedeutet für mich, zu etwas Größerem beitragen zu können, ein Ziel vor Augen haben zu dürfen und damit etwas zum Besseren wenden zu können. Natürlich darf die Arbeit auch Spaß machen.“

Grüne Weltmarktführer

Während ihres Studiums der Umweltsystemwissenschaften bewarb sich Ziegler mit ihrer eigenen Start-up-Idee beim Academic Startup Accelerator der Gründungsgarage in Graz. Beim Green Tech Valley Cluster vernetzt sie grüne Start-ups mit größeren Firmen und Investoren, wodurch sie das Wachstum der Jungunternehmen vorantreibt und so deren Erfolge sichtbar macht.

Ökologische wie auch soziale Nachhaltigkeit sei für Ziegler die Basis und der Grund, weshalb sie viele Dinge im Leben tue oder auch nicht tue. Ziegler: „Daher war mir schon sehr lange klar, dass ich in einem Unternehmen arbeiten möchte, das zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt und diese vorantreibt.“

Und das Green Tech Valley hat fraglos beeindruckende Zahlen vorzuweisen: 300 Unternehmen und Forschungseinrichtungen sind Mitglied, davon zwanzig globale Technologieführer. Mehr als 2300 Forscherinnen und Forscher arbeiten an den grünen Lösungen von morgen, von denen bereits 600 als konkrete Produkte am Markt reüssieren. Von einem neuartigen Recycling-Wärmekraftwerk, das eine Papierfabrik von Norske Skog in Bruck befeuert, bis zu den jeweils größten Solarthermie- und Photovoltaikanlagen Österreichs wird die Energiewende zur Realität.

„Vergesst das Silicon Valley! Im Süden Österreichs, im Green Tech Valley, entsteht die Zukunft“, sagt Greta Ziegler.

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72 INNOVATOR FOTOSTUDIO HELMUT JOKESCH

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Parkplatz an der Sonne Martin Lublasser

Funktion

Co-Gründer & CEO

Projekt

Anywhere.Solar will Flächen aller Art als Solarkraftwerke nutzen – mit Photovoltaikanlagen, die leicht über Parkplätzen und Äckern installiert werden können.

Parkplätze assoziiert man wenig überraschend mit Autos und damit Dingen, die der Umwelt schaden. Doch als CEO von Anywhere.Solar ist Martin Lublasser auf einer Mission: seine Umwelt durch die Nutzung von Solarenergie auf Flächen, die bereits bewirtschaftet oder genutzt werden, nachhaltiger zu gestalten. „Wir haben Systeme entwickelt, die hoch effzient erneuerbare Energie bereitstellen und dabei die ursprüngliche Nutzung der Fläche mindestens erhalten und in vielen Fällen sogar verbessern“, erzählt Lublasser. Bei diesen Flächen handelt es sich speziell um Parkplätze und landwirtschaftliche Nutzfächen: „Unser System für Parkplätze ermöglicht es, Energie für bis zu 90.000 E-Auto-Kilometer zu erzeugen, während unsere Lösung für landwirtschaftliche Nutzfächen, verankert auf nur einem halben Quadratmeter Ackerfäche, Strom für bis zu acht österreichische Haushalte erzeugen kann – beides pro Jahr“, so Lublasser. Die Systeme von Anywhere.Solar sind in rückbaubare Leichtbaufundamente eingelassen, was den Boden schont. Dank Sensorik rotiert das Solarmodul, was den Stromertrag optimiert und Autos oder Traktoren größere Flexibilität gibt.

Nachhaltigkeit ist für Lublasser nicht nur ein berufliches Anliegen. Auch in seinem privaten Alltag achtet er auf einen ökologischen Lebensstil. „Ich habe mich diesbezüglich in den letzten Jahren

massiv umorientiert und einen früher sehr konsumorientierten Alltag in weiten Teilen hinter mir gelassen“, sagt er. „Meine Tochter ist siebzehn und ein Musterbeispiel für einen minimalistischen und nachhaltigen Lebensstil. Um unseren CO²-Footprint zu reduzieren, essen wir zu Hause größtenteils vegan, achten auf nachhaltige Mobilität, vermeiden unnötigen Konsum und verzichten auf Flugreisen.“

Lublasser gibt zu, dass es ihm nicht immer leichtfällt, nachhaltig zu leben. Aber: „Ich bin überzeugt davon, dass jeder Verantwortung für Nachhaltigkeit übernehmen sollte – im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber nicht nur im Rahmen der eigenen Komfortzone. Es ist klar, dass sich gerade jetzt nicht jeder ein neues Elektroauto inklusive PV-Anlage leisten kann – aber einmal alternativ das Rad zu nehmen oder generell weniger zu fahren ist oft durchaus zumutbar“, sagt er.

Einen Schritt voraus Lublasser hat auch den eigenen CO²-Footprint reduziert. „Ich hab herausgefunden, dass es meine Achtsamkeit erhöht, wenn ich mich nicht auf Materielles fokussiere und verzichte. Ich fühle mich dann auch wohler“, sagt er. „Ich glaube, das ist etwas, was wir unseren Kindern beibringen können: dass der Einfuss auf ein glückliches Leben viel mehr im bewussten Erleben liegt als im ressourcenintensiven Konsum. Wenn man die aktuellen Entwicklungen weiterspinnt, werden unsere Kinder mit weit weniger Ressourcen auskommen müssen, als wir es gewohnt sind. Wir können sie jetzt darauf vorbereiten.“

Er hofft darauf, dass künftige Technologien noch einiges wettmachen werden, was an Umweltschäden bereits entstanden ist.

„Die Menschen sind die am weitesten entwickelte Spezies, wir haben schon viele Gefahren gemeistert. Es wäre doch absurd, wenn wir an etwas scheitern, wovon wir seit Jahrzehnten wissen. Ich gebe die Hoffnung auf ein global koordiniertes und starkes Handeln nicht auf.“

Trendsetter
„Auf unseren SolarParkplätzen können wir Energie für 90.000 E-AutoKilometer erzeugen.“
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Meisterhaft

sparen

ruhige mein Gewissen damit, dass in Wien alles verbrannt wird und als Fernwärme zum Einsatz kommt.“

Dass das Bewusstsein zum Energiesparen erst jetzt in vielen Privathaushalten angekommen ist, fndet Schmidt bedauerlich: „Ich bin in den Siebzigern aufgewachsen, als es völlig normal war, mit Energie sorgsam umzugehen – so war es klar, dass wir das Licht abdrehen, sobald wir das Zimmer verlassen. Schlimm genug, dass erst ein Krieg kommen musste und die deshalb gestiegenen Energiepreise dazu geführt haben, dass Energiesparen jetzt zur Selbstverständlichkeit geworden ist.“

und Unwetter und Trockenheit immer mehr zunehmen? Wir können nicht darauf warten, dass jemand anderer unsere Probleme löst.“

Eine der großen Hürden sieht sie in der Akzeptanz. Schmidt: „Die meisten Menschen in Österreich sind für Klimaschutz. Wenn aber ein Windpark oder ein Wasserkraftwerk in direkter Nähe entstehen soll, schwindet diese Zustimmung schnell. Mehr Offenheit für diese Veränderungen, die für eine gute Zukunft notwendig sind, würde unsere Welt etwas besser machen.“

Erst im vergangenen Dezember wurde die Kleine Neugasse zwischen dem 4. und 5. Wiener Gemeindebezirk neu gestaltet und fahrradfreundlicher gemacht. Dort radelt Barbara Schmidt nun fast täglich zur Arbeit. „Ich fahre in Wien fast ausschließlich mit dem Rad oder nutze die öffentlichen Verkehrsmittel“, sagt die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Dienstreisen innerhalb Österreichs erledigt sie mit der Bahn. „Unser Auto ist ein klassisches ‚Stehzeug‘, wir nutzen es nur im Urlaub“, fährt Schmidt fort. „Wir versuchen auch, Strom zu sparen. Wir heizen seit Jahren mit einer Wärmepumpe – heuer allerdings um zwei Grad weniger warm als die letzten Jahre.“

Oesterreichs Energie ist die Interessenvertretung der österreichischen Energiewirtschaft. Als deren Generalsekretärin vertritt Schmidt 140 Mitglieder, die bis zu 90 Prozent des österreichischen Stroms herstellen.

Offen für Veränderung

Bei Schmidt zu Hause kommt aus Energiespargründen der Wäschetrockner nicht mehr zum Einsatz. Wo es möglich ist, gestaltet die Juristin ihr Leben nachhaltig –auch wenn das nicht immer perfekt klappt. Schmidt: „Schwer fällt es mir, Verpackungen zu vermeiden. Im Supermarkt ist fast alles in Plastik verpackt. Ich be­

Schmidt beschäftigt sich seit 25 Jahren mit dem Thema – zuerst als Referentin im Parlament, dann bei der Regulierungsbehörde E­Control und seit fast 16 Jahren nun bei Oesterreichs Energie. Die Jahre haben sie pragmatisch werden lassen: „Um die Erde mache ich mir keine Sorgen, der Planet ist widerstandsfähig. Aber wie wird es den Menschen ergehen, wenn die Biodiversität abnimmt

Funktion

Generalsekretärin

Projekt

Im Jahr 2021 erzeugten die Mitglieder von Oesterreichs

Energie 70 TWh Strom, 75 Prozent davon aus erneuerbaren Quellen.

Trendsetter
Energie
Barbara Schmidt 3
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4

Minikraftwerk am Bach Thomas Suppan

In dem Dorf, aus dem ich komme, waren wir nur vierhundert Einwohner“, erzählt Thomas Suppan, Geschäftsführer der doro Turbinen GmbH. „Daher kannte ich praktisch jeden. Alle im Dorf hatten einen enormen Gemeinschaftssinn. In meiner Kindheit habe ich gelernt, nicht nur mit Menschen, sondern auch mit anderen Lebewesen und der Natur respektvoll umzugehen.“

Was in der Kindheit begann, zog sich bis in das Studium und das Berufsleben des heute Dreißigjährigen. Thomas Suppan ist ein Mann mit einer Leidenschaft für Nachhaltigkeit und Innovation. Seine Freizeit verbringt er gerne mit seiner Familie und im Garten, wo er sich um seine Obstbäume und Beete kümmert. Und in seiner Arbeit konzentriert er sich auf die Entwicklung von Technologien, die die Welt ein Stückchen grüner machen.

Der Stufen-Plan

Die doro Turbinen GmbH hat in den letzten Jahren eine Wasser turbine entwickelt, die bei kleinen natürlichen Stufen in Flüssen eingesetzt werden kann. Um die Nutzung der Wasserkraft einfacher zu machen, hat das Unternehmen als Ergänzung zur Turbine ein Kleinwasserkraftwerk entwickelt.

Dieses kann ohne Großbaustelle verbaut werden und so bis

Name Thomas Suppan Funktion COO Projekt doro Turbinen baut umweltfreundliche kleine Wasserkraftwerke ohne Beton, die bis zu sechzig Haushalte mit Strom versorgen können.

zu sechzig durchschnittliche Haushalte rund um die Uhr mit grünem Strom versorgen. Es ist darüber hinaus bewusst so konstruiert, dass es auch in Entwicklungsländern zum Einsatz kommen kann.

„Unsere Wasserturbine und unser Kleinwasserkraftwerk doro­C sind die Grundlage für eine leistbare, dezentrale und sichere Energieversorgung“, so Suppan. „Die rasant steigenden Energiekosten führen derzeit zu einer großen Unsicherheit in allen Bereichen. Deshalb ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern eine unumgängliche Notwendigkeit für die Energiewende.“

Im Grunde seines Herzens ist Suppan Optimist: „Ich glaube beispielsweise, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens noch erreichen können. Die Regierungen müssen aufhören, nach Fehlern der anderen zu suchen, und stattdessen weltweit zusammenarbeiten. Und Unternehmen müssen einen Teil ihres Profts dafür einsetzen, nachhaltige Projekte zu unterstützen. Da haben wir alle länger etwas davon.“

„Unsere Wasserturbine erzeugt für sechzig Haushalte grünen Strom.“
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REGINA HÜGLI, MICHAEL JURTIN PHOTOGRAPHY

Windkraft im Kleinen

Ich bin kein Ideologe und werde auch nie einer sein“, verspricht Markus Auferbauer gleich zu Beginn. Für den gebürtigen Waldviertler war es immer klar, dass er Nachhaltigkeit fördert. Allerdings: „Ich mache das leise und unverkrampft“, so Auferbauer. „Das beginnt bei perfekter Mülltrennung und reicht bis zum Interesse für und Unterstützung von Öko­Technologie. Ich bin kein Fan von Verboten und Unterlassungen, sondern freue mich über kleine Beiträge, die ich und andere zu leisten bereit sind.“

Auferbauer wuchs in einem Dorf auf. Schon als Kind war ihm die Natur dadurch sehr nahe und wichtig: „Jedes kleine Detail in unserer natürlichen Umwelt hat seinen Sinn. Deswegen ist das Zauberwort für mich Wertschätzung“, erzählt Auferbauer. Heutzutage würden viele Themen stark polarisieren, fndet der 55­Jährige: „Was den Kindern in Form von Schwarz­Weiß­Malerei alles als Muss in Sachen Nachhaltigkeit verkauft wird und wie man die jungen Menschen mit Schüren von Ängsten für Einseitigkeit gewinnt, dient nur der

Name Markus Auferbauer

Funktion Vertriebs-Coach & Investor

Projekt

Blue Power stellt Windturbinen mit Mantel her, die sogar für den urbanen Einsatz taugen und die mit 1 kW Leistung an sehr guten Lagen bis zu 2000 kWh im Jahr produzieren können.

Durchsetzung von verkürzten Ideologien.“ Eine komplexe Welt brauche eine differenzierte Sicht auf die Dinge. Auferbauer: „Die Sehnsucht nach einfachen Antworten – das betrifft auch die Nachhaltigkeit – begünstigt Einseitigkeit und Dummheit. Darum sind auch jene, die aufhetzen, ähnlich erfolgreich wie die, die sich gerne als moralische Instanzen aufspielen. Alles gehört zusammen – in der Natur und in der Gesellschaft geht’s nur gemeinsam und ohne große Aufregung.“

Auferbauer arbeitete in der Unternehmensberatung. Vor über einem Jahr stieg er als Klein­

investor bei Blue Power ein. Das Start­up wurde 2016 gegründet und ist auf Kleinwindkraftanlagen spezialisiert, die vielerorts aufgestellt werden können: bei jedem Haus, bei jeder Almhütte und bei jedem Gewerbegebäude. Auferbauer: „Der Wind weht noch mit enorm ungenutztem Potenzial. Ich fnde das Konzept genial. Denn mit Wind können wir Strom produzieren, auch wenn die Sonne nicht scheint.“

Optimismus & Hausverstand

Operativ unterstützt Auferbauer das Team in Vertriebsagenden, beim Netzwerken und als Repräsentant im „politischen“ Kontext, denn „der Markt ist unterentwickelt und wird von den großen Energiegiganten teilweise sehr erfolgreich behindert“, fndet Auferbauer. Für Österreich wünscht er sich weniger Regulierungen und mehr Eigenverantwortlichkeit. „Das fördert den Hausverstand“, meint Auferbauer, „und den wird jeder von uns brauchen. Ich bin Optimist: Wir schaffen das! Denn am Ende bleibt uns eigentlich nur eins: der Wille zur Gemeinsamkeit. Man muss sich nur an den funktionierenden alten Dorfgemeinschaften orientieren. Das freut dann auch die Umwelt.“

Trendsetter
„In der Natur und in der Gesellschaft geht’s nur gemeinsam.“
Markus Auferbauer 5
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Ich wünsche mir, dass wir eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen gestalten, ohne dabei die Möglichkeiten unseres Planeten zu überschreiten.“ Wenn jemand genaue Vorstellungen hat, dann ist es Elisa Gramlich. Die Dreißigjährige ist Teamleiterin im Bereich Nachhaltigkeit bei Wien Energie. Außerdem ist sie Co-Gründerin von inoqo, einem Start-up, das Nahrungsmittelund Getränkeherstellern mit künstlicher Intelligenz dabei hilft, den sozialen und ökologischen Einfuss ihrer Produkte und Zutaten zu berechnen und so ihre Produktpalette zu optimieren.

Name

Elisa Gramlich

Funktion

Teamleiterin & Co-Gründerin

Projekt

Bei Wien Energie leitet Gramlich den Bereich Nachhaltigkeit, ihr Start-up inoqo macht die Lebensmittelproduktion mittels KI ökologischer und sozialer.

„Natürlich versuche ich, meinen CO²-Fußabdruck zu reduzieren und andere in meinem Umfeld zu inspirieren, nachhaltiger zu leben“, so Gramlich. „Ich bemühe mich, nur zu kaufen, was ich brauche, und mich verstärkt, pfanzenbasiert zu ernähren“, sagt sie. Am schwersten fällt es ihr, ihre Flugreisen zu reduzieren, da sie sehr gerne reist. Die Lösung? „Öfter in Österreich Urlaub zu machen und den Zug zu nehmen“, so die studierte Umweltwissenschaftlerin.

Klimaneutral bis 2040

In ihrer Rolle bei Wien Energie setzt sich die Teamleiterin stark für Nachhaltigkeit ein. „Der Erfolg des Klimaschutzes wird sich in den Städten entscheiden, denn diese sind für knapp 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich“, so Gramlich. „Um den CO²-Ausstoß drastisch zu reduzieren, muss sich viel bewegen. Deshalb investiert Wien Energie in den nächsten Jahren massiv in Klimaschutz, Versorgungssicherheit und den Ausbau erneuerbarer Energien.“

Wien Energie ist Österreichs größter regionaler Energiedienstleister und deckt als solcher Bedürfnisse in den Bereichen Strom, Gas, Wärme und Kälte ab. Gramlich: „Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden und Maßnahmen zu realisieren, damit Wien weiter die lebenswerteste Stadt der Welt bleibt. Dabei achten wir auf den Ausgleich von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen.“

Dazu gehören für Gramlich etwa die Reduktion des Ressourcenverbrauchs und die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft, aber auch ein gutes Bildungssystem und gleiche Chancen für alle Menschen. „Ich möchte mitverantworten, dass Unternehmen ihren Beitrag für die Gesellschaft und die Umwelt schultern. Die Welt wird besser, wenn wir mehr kooperieren und Politik, Wirtschaft und Konsumentinnen Hand in Hand miteinander arbeiten.“

Elisa
Das Ökohirn
Gramlich
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Energie-Coach

Kristijan Jarc

Kristijan Jarc begann seine Karriere in der deutschen Industrie. Fast 20 Jahre verbrachte er im Bereich Industrial Robotics, bis er 2018 in die österreichische Energiewirtschaft wechselte. Seitdem hat er sein Wissen und seine Erfahrung in die Entwicklung von innovativen digitalen Lösungen eingebracht.

Als Teil des Teams Digital Solutions der Salzburg AG konzipiert, entwickelt und testet Jarc neue Ideen, um Energie effzienter einzusetzen. „Wir arbeiten mit Fokusgruppen und Kundenpanels, um schnelles Feedback zu erhalten und unsere Lösungen dann an die

Name Kristijan Jarc

Funktion

Chief Digital Officer

Projekt der intelligente Energie- Coach AVA sowie die Plattform Enox.Share für erneuerbare Energiegemeinschaften

Bedürfnisse des Kunden anzupassen“, so Jarc. Ein Beispiel ist AVA, ein intelligenter EnergieCoach, der Kunden dabei hilft, Energie zu sparen und Kosten zu reduzieren. Ein weiteres Produkt ist Enox.Share, eine Plattform, die es erneuerbaren Energiegemeinschaften ermöglicht, dass sie ihre Energieproduktion steuern und verteilen können.

„Je stärker man sich mit den Herausforderungen unserer Zeit beschäftigt, desto klarer wird, dass wir einen Beitrag leisten müssen“, sagt Jarc. „Ich wollte und ich will mein Know­how, mein Wissen in sinnstiftende Lösungen für Generationen nach uns einbringen. Wenn nicht wir, die Experten und Entscheider, als Vorbild und Lösungsfnder agieren – wer dann?“

Schneller und mutiger Ein besonderer Schwerpunkt von Jarcs Team ist dabei Konnektivität, also die Verbindung verschiedener Elemente der Energieinfrastruktur. Energie wird oft als Angelegenheit von großen Bauprojekten und schwerer Infrastruktur diskutiert – von gigantischen Wasserkraftwerken über Atommeiler zu Gaspipelines oder, heutzutage, Windrädern und Solarpaneelen. Jarc betont hingegen, dass Software ganz entscheidend ist, um unsere Netze und die Energieversorgung fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

Sein Team besteht aus Entwicklern, UI/UX­Designern, Platform Engineers, IoT­Architekten, Data Engineers und Innovation Managers. Von ihnen entwickelte Produkte wie Enox.Share oder AVA können dabei so viel Energie einsparen, wie ganze Kohlekraftwerke produzieren – und das oft sogar schneller, als es mit dem Neubau erneuerbarer Energiequellen möglich wäre.

Jarc sieht Europa auf dem richtigen Weg, meint aber, wir müssten „schneller und mutiger“ werden. „Wir sollten die Angst vor Veränderung aufgeben und Veränderungen als Chancen sehen und gemeinsam gestalten.“

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78 INNOVATOR JORJ KONSTANTINOV, SALZBURG AG

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WasserstoffHeld Jürgen Rechberger

Jürgen Rechberger ist Vice President Hydrogen & Fuel Cell bei AVL und leitet das globale Geschäft im Bereich Wasserstoff. Er treibt innovative und kosteneffziente Lösungen für alle Anwendungen voran, von traditionellen über Hybrid- bis hin zu Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Seit 2004 ist Rechberger bei AVL, wo er im damals neu gegründeten Bereich Wasserstoff & Brennstoffzelle tätig war und ab dem Jahr 2012 die technische Leitung der Entwicklung von Wasserstofftechnologien innehatte. Im Jahr 2021 wurde er schließlich zum Vice President Hydrogen & Fuel Cell ernannt.

ist Fliegen aktuell leider unerlässlich. Um das zu kompensieren, bemühe ich mich intensiv um eine Lösung dieses Problems anhand der Entwicklung von nachhaltigen Kraftstoffen für Flugzeuge.“

Technologie als Lösung

Name

Jürgen Rechberger

Funktion

Vice President

Hydrogen & Fuel Cell

Projekt

Entwicklung von Technologien rund um die Brennstoffzelle, von Wasserstoff über Hybrid bis hin zu batteriebetrieben

„Ich habe mich schon in meiner Jugend für den Tierschutz und Umweltschutz engagiert und war aktives Mitglied in einigen Organisationen“, sagt Rechberger. Im Studium wurde sein Interesse für nachhaltige Lösungen im Energie- und Mobilitätskontext geweckt. Rechberger erkannte den dringenden Bedarf für eine komplette Energie- und Technologiewende und entschied sich, in der Automobilindustrie zu arbeiten. Rechberger: „Und das, obwohl ich wirklich kein emotionales Naheverhältnis zu Autos habe. Ich fahre im Schnitt weniger als 5000 Kilometer pro Jahr.“

Er geht lieber viel zu Fuß, zum Beispiel täglich zur Arbeit, was immerhin drei Kilometer sind. Dass seine globale Funktion in der AVL immer wieder Flugreisen erfordert, empfndet er als problematisch. „Aufgrund meines Jobs

Rechberger hat klare Vorstellungen von seiner Arbeit und dem Zweck seines Engagements. Sein Antrieb liegt in der Sorge um den Planeten, den er seinen Kindern und Enkelkindern hinterlassen wird. „Mir erscheint es sehr wichtig, unsere Kinder über die Folgen von diversen Verhaltens- und Konsumentscheidungen aufzuklären. Ich denke, dass sie viel offener und aufgeklärter damit umgehen als manche Menschen vor ihnen und auch bereit sind, ihr Verhalten anzupassen. Wie sehr dieser Generation das Thema am Herzen liegt, sieht man ja an vielen Beispielen und fast täglich in den Medien.“

Das größte Hemmnis zur Bekämpfung der Klimaproblematik sieht Rechberger in der globalen Uneinigkeit, das Problem zu adressieren. Rechberger: „Am Papier wäre es relativ einfach, aber leider gibt es dazu nur Ansätze für Insellösungen in vereinzelten Regionen. Ich würde mir eine globale Einigkeit wünschen, die über den Minimalkonsens auf Klimakonferenzen hinausgeht und ein Framework an Maßnahmen defniert, um in einem Zeitraum von 20 Jahren aus fossilen Energien auszusteigen.“ Rechberger bleibt Optimist: „Die Lösung für den Großteil unserer Probleme in den Bereichen Energie und Mobilität sind Innovation und Technologie und nicht Verzicht. Ich möchte meiner Tochter eine Welt hinterlassen, in der es sich zu leben lohnt und die zu erkunden Freude bereitet.“

Trendsetter
„Die Lösung für Energie und Mobilität sind Innovation und Technologie, nicht Verzicht.“
INNOVATOR 79

Kann dieser Mann Atomkraft sicher machen?

TEXT Nicole Thurn FOTOS Florian Voggeneder
80 INNOVATOR

In der Steiermark wird am Prototyp des gefahrlosen Reaktors getüftelt –mit Flüssigsalz und Thorium aus Kärnten. Weit mehr als ein Hirngespinst, aber immer noch ein Hoffnungsspiel.

Atom-Unternehmer und Tierfreund: Florian Wagner (li.) lebt mit 21 Katzen und 3 Hunden in Graz und züchtet in seiner Freizeit Kröten. Hier im Bild: seine RagdollKatze „Dior“.

Nur ein Esslöffel Thorium (ca. 10 g) soll genügen, um 250 Einfamilienhäuser ein Jahr lang mit Strom zu versorgen – ohne die Gefahr eines Super-GAUs.

Forschung

Atomkraft – allein das Wort löst bei den meisten automatisch Ablehnung aus. Man denkt unweigerlich an Hiroshima, Tschernobyl und Fukushima, den Kalten Krieg und Raketen, die rund um ukrainische Atommeiler einschlagen. Und an Bond­Filme, in denen Dr. No und Blofeld die Welt mit radioaktiven Waffen und nuklearem Krieg bedrohen. Und dann tritt dieses Duo auf den Plan!

Ein fndiger Unternehmer, der in einer weißen, futuristischen Villa am Hügel mit 21 Katzen und drei Hunden lebt und in seiner Freizeit Kröten züchtet. Und ein früherer Green­

Apeace­Aktivist und Nuklearphysiker. Gemeinsam wollen sie die Welt vor dem Klimawandel retten – und zwar mit „guter“ Atomkraft. Der Unternehmer heißt Florian Wagner und ist 43. Der Physiker heißt Mario Müller und ist um zehn Jahre älter.

Zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens hatte sich Florian Wagner gerade mit seinem neuen Start­up Emerald Horizon im Green Tech Cluster des Grazer Science Tower eingemietet. Wagner, ein stattlicher Mann mit energiegeladener Sprache, hatte mit Freunden während seines Medizinstudiums nach dem Platzen der Dotcom­Blase im Jahr 2002 die Investmentfrma QBasis Invest ge­

Bild unten: Seit 1962 gibt es nahe dem Wiener Prater einen Versuchsreaktor. Physiker Mario Müller (li.) und Florian Wagner nutzen ihn zur Forschung.

gründet und sie zu einem MillionenHandelsplatz ausgebaut. Er war auf der Suche nach Investments im alternativen Energiebereich. Nur: Ihm fehlte wissenschaftliches Know­how. Doch dann kam Müller. Der hatte sich schon als Jugendlicher an der HTL für Elektrotechnik begeistert. Als junger Mann studierte der heute 53 ­ Jährige Physik, engagierte sich für Greenpeace und forschte einige Jahre am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung bei Genf. Dort kam er mit dem Nobelpreisträger Carlo Rubbia in Kontakt, der in den 1980ern ein utopisches Teilchenbeschleuniger­Konzept für Atomkraftwerke entwickelt hatte. Diese Idee sollte später für Emerald Horizon ein wichtiges Puzzleteil werden.

Dr. Yes und der ADES-Amplifier

Florian Wagner hatte bereits zu Reaktoren der vierten Generation recherchiert und war bei Ansätzen zur Atommüllverwertung hängen geblieben. Nur: „Jeder Ansatz für sich hatte vielversprechende Teillösungen, war aber insgesamt nicht zufriedenstellend“, sagt er. Also beschloss er mit Müller, die besten Teillösungen zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen. „Best of the past“, so Müller, der somit als Head of R&D, also als Leiter für Forschung und Entwicklung, an Bord kam. 2019 wurde das Start­up gegründet, im April 2020 begann die Arbeit an einem digitalen Modell, 2021 startete das Unternehmen mit seinem Team die Grundlagenforschung im Labor.

Herausgekommen ist der „ADES Amplifer“: ein Verstärker, der als Kraftwerk auch selbst Energie produzieren kann. Mit einer Leistung von bis zu 25 Megawatt soll ein

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Modul 5000 bis 10.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. Ein unterirdisches Thorium-Flüssigsalz-Kraftwerk, klein und modular, ohne Gefahr einer Kernschmelze, mit dem schwach radioaktiven Thorium als Energielieferant und mit einem bahnbrechenden kleinen Teilchenbeschleuniger, dessen Technologie in der medizinischen Forschung zur Krebsbekämpfung eingesetzt wird. Am renommierten Jožef-StefanInstitut im slowenischen Ljubljana werden Komponenten des Amplifer entwickelt und getestet.

Physiker Müller

zeigt ein MiniModell des ADESReaktors. Die große Version soll als Prototyp noch 2023 in den Probebetrieb gehen.

Kernspaltung via Knopfdruck

In der Realität soll der ADES-Amplifer recht unspektakulär aussehen: ein grauer kleiner Kasten für die Steuerung, daneben große Gehäuse für die Strom- und Wasserstofferzeugung. Die eigentliche Energiefreisetzung spielt sich im Verborgenen unter der Erde in einem verschlossenen und abgedichteten Container ab. Der größte Unterschied von ADES im Vergleich zum herkömmlichen Atomkraftwerk liegt darin: „Kernreaktoren von klassischen AKW sind immer kritisch. Das bedeutet: Man muss die massive Energieentwicklung im Zaum halten und Aufwand betreiben, damit das Ding nicht überhitzt und wie eine Atombombe in die Luft fiegt“, sagt Müller.

ADES selbst hingegen laufe „unterkritisch. Eine Kernschmelze –und damit ein GAU oder Super-GAU – ist unmöglich. Man kann ihn von außen ein- und ausschalten, bei unwahrscheinlichen Störfällen schaltet er sich schneller als in einer Millionstelsekunde von selbst ab“, sagt Wagner. Und: „Mit dem Teilchenbeschleuniger kann man punktgenau die Wärmeentwicklung steuern und muss vorab kein Uran oder Plutonium zuführen.“ Genau genommen passe auf den ADES auch die Bezeichnung Reaktor nicht, „da wir ihn von außen steuern – vielleicht sollten wir ihn ‚Modul zur kontrollierten Ernte von Kernenergie‘ nennen“, denkt Wagner laut nach.

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Anders als bei herkömmlichen AKW bleiben keine hoch radioaktiven Transurane wie Plutonium übrig, aus dem man Atombomben bauen kann.

Konkret funktioniert es im Container-Inneren so: Der Teilchenbeschleuniger wird über die Steuerung von außen aktiviert und schießt gezielt einen Teilchenstrahl in einen mit Thorium und Flüssigsalz gefüllten Ring. Aus dem schwach radioaktiven Thorium wird Uran-233 transmutiert und so ein Zwischenzustand angeregt, der es erlaubt, enorme Mengen von Energie und Wärme freizusetzen. Energie und Hitze bis zu 900 Grad entstehen. Anders als bei herkömmlichen AKW bleiben keine hoch radioaktiven Transurane wie Plutonium übrig, aus dem man Atombomben bauen kann. „Es bleiben geringe Mengen von radioaktiven Reststoffen wie seltenen Erden oder Silber übrig“, sagt Müller.

Ganz neu ist die Idee nicht. Thorium-Flüssigsalzreaktoren wurden bereits in den 1960ern entwickelt und scheiterten – die Korrosionsgefahr der Behälter durch das aggressive Flüssigsalz war zu hoch. Daher wird das Flüssigsalz im ADES über eine Zirkulationspumpe ständig in einem Ring in Bewegung gehalten, damit es sich nicht absetzt. Der Ring besteht aus korrosionsbeständigem Keramik-Siliziumkarbid und ist von einem Schutzmantel umgeben. Sollte das Flüssigsalz doch austreten, fießt es in eine Wanne und erstarrt sofort an der Luft. „Das fnale ADES-Modul wird nicht serviceanfällig sein“, sagt Müller. Eine sogenannte Safety Security Environment Software soll die sichere Steuerung gewährleisten.

Wie funktioniert das?

Das Team von Emerald Horizon will einen Flüssigsalzreaktor „made in Austria“ bauen, das sogenannte ADES-Modul.

Nach dem Einschalten wird der Teilchenbeschleuniger 1 aktiviert: Er beschießt den mit Thorium und flüssigem Salz gefüllten Ring („Loop“ 2 ) mit Protonen und erzeugt hochenergetische Neutronen. Eine Zirkulationseinheit 3 hält das Flüssigsalz im Ring in Bewegung. Das Thorium transmutiert und zerfällt, wodurch

Energie freigesetzt wird. Die gewonnene Hitze wird über Wärmetauscher 4 zu zwei außenliegenden Containern transportiert ( 5 u. 6 ), dort erzeugen eine Dampfturbine und ein Generator Strom oder Wasserstoff. Ein Teil des Stroms kann wieder zurückgeleitet werden: Dadurch wird aus dem Verstärker ein Kraftwerk. ADES kann via On/O≠Funktion ein- und ausgeschaltet werden und schaltet sich im Störfall automatisch ab.

SSchluss mit verstörend – und verstrahlend? Nikolaus Müllner, der an der Universität für Bodenkultur in Wien am Institut für Risiko- und Sicherheitswissenschaften forscht, ist skeptisch. Der Forscher hat etwa Sicherheitsanalysen für das argentinische Atomkraftwerk Atucha und Forschungsberichte zur Entsorgung von Atommüll erstellt. Start-ups wie Emerald Horizon und Ideen für die nächste Generation der Atomkraft würden derzeit auch international wie Pilze aus dem Boden schießen (siehe Seite 87). „Keiner weiß, wie eine neue Technologie tatsächlich in der Praxis reagiert. In der Theorie

Was kann Thorium?

Das grauweiße Metall wurde 1828 in Norwegen entdeckt und ist nur gering radioaktiv. Benannt ist es nach dem nordischen Gott des Donners, Thor.

Laut IAEA-Schätzungen gibt es weltweit sechs bis elf Millionen Tonnen Thorium. Das Vorkommen in Kärnten soll 25.000 bis 100.000 Tonnen umfassen

– und wäre somit das größte Mitteleuropas. Mit 2,6 Kilo Thorium in einem ADESReaktor könnten 10.000 Haushalte ein Jahr lang mit Energie versorgt werden. Rechnerisch ließen sich mit bestehenden Vorkommen also sämtliche Haushalte der EU hunderte Jahre lang versorgen.

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Unternehmer Florian Wagner plant die AtomRevolution made in Austria.

Mario Müller ist Forschungsleiter bei Emerald Horizon. Für den geplanten ADESReaktor baut er in Graz am Reaktorring und forscht am Versuchsreaktor der TU Wien an den Salzlösungen.

und im Labor kann alles funktionieren, aber im dauerhaften Betrieb kann es trotzdem zu unvorhergesehenen Störungen kommen“, gibt Müllner zu bedenken.

Florian Wagner lässt sich von solchen Warnungen in seinem Enthusiasmus nicht bremsen. „Wir bauen keine Großanlage mit ungewissem Ausgang, sondern eine Maschine – diese lässt sich exakt testen, unkompliziert adaptieren und zur Serienreife führen“, sagt er. Für maximale Sicherheit und Kontrolle verbleiben die Module im Besitz von Emerald Horizon, über Contracting sollen die Kunden lediglich die Energiebezugskosten von 12 Cent pro Kilowattstunde bezahlen: „Wie wir es schon jetzt mit unseren PhotovoltaikAnlagen machen“, sagt Wagner.

Die steirischen Atomic Twins sind sogar so optimistisch, dass sie den ursprünglich für das Jahr 2039 angepeilten Start der ADES-Serienproduktion um gut sieben Jahre früher schaffen: „Wir bauen demnächst den Demonstrator, denn dank des digitalen Zwillings und der bisherigen Tests wissen wir bereits recht genau, was funktioniert und was nicht“, sagt Wagner. 250 Millionen Euro werden der Bau des Demonstrators und das Zulassungsverfahren kosten. Die Hälfte davon soll von Partnern kommen, die gleichzeitig auch künftige Abnehmer sind: „Stromproduzenten, Industriekonzerne, Krankenhäuser, Schiffsbau – sogar eine Insel hat Interesse und möchte mit ADES energieautark werden“, sagt Wagner.

Dass der Zeitplan von Emerald Horizon mit Produktionsstart 2029 hält, glaubt Forscher Nikolaus Müllner nicht: „Weil der Ansatz noch so neu

ist, was Materialien und Umsetzung betrifft. Auch wenn alle Sicherheitsund Materialtests gut gehen, dauern sicherheitsbedingte Genehmigungen aufgrund der komplexen Gesetzeslage Jahrzehnte. Meist sind das Startups mit branchenfernen Gründern, die die extreme Langwierigkeit bei solchen Vorhaben unterschätzen.“

Auch hier will sich Florian Wagner nicht beirren lassen – gerade die Branchenferne könne auch für innovativere Lösungen sorgen. Mit diversen Kooperationspartnern und der Einbindung der Wirtschaft soll ADES rasch in Serie produziert werden. Für Forschung und Entwicklung hat

„Wir bauen keine Großanlage mit ungewissem Ausgang, sondern eine Maschine. Diese lässt sich exakt testen und zur Serienreife führen.“
PHYSIKER MARIO MÜLLER
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Comeback der Atomkraft in Europa

Viele europäische Länder investieren wieder in verbesserte nukleare Technologien. Andere halten an ihren alten Reaktoren fest. Eine Übersicht.

Österreich steht als überzeugter Atomkraft-Gegner in Europa mittlerweile recht allein da:

1 In Finnland wurde im Frühjahr 2022 nach einer zwölfjährigen Verspätung das Atomkraftwerk Olkiluoto 3 eröffnet – das erste in Europa seit 15 Jahren.

2 Die Slowakei baut derzeit den dritten und vierten Block des AKWs Mochovce aus.

3 Seit Oktober 2022 fährt Frankreich abgeschaltete AKW wieder hoch und plant den Bau kleiner modularer Atomkraftwerke (sogenannter SMRs) ab 2030.

4 Das ungarische AKW Paks erhält wie sein britisches Pendant 5 Hinkley Point nationale Fördermillionen – die EU hat dazu kürzlich eine Klage der Republik

Österreich abgeschmettert. Andere setzen auf Kraftwerke der vierten Generation:

6 Tschechien plant derzeit Europas kleinstes Atomkraftwerk im Atompark Temelín: Es soll in der ersten Hälfte der 2030er-Jahre gebaut werden.

7 Polen plant, 2033 in die Nutzung der Atomenergie einzusteigen. Bis 2043 sollen insgesamt 6 Blöcke mit einer Gesamtkapazität von 6 bis 9 GW entstehen.

Außerhalb Europas baut China derzeit in Wuhei an einem kleinen Thorium-Flüssigsalzreaktor. Auch Bill Gates will mit seiner Firma TerraPower bis 2050 hunderte kleine Atomkraftwerke mit Natrium-Kühlung produzieren. Der erste Reaktor entsteht derzeit um 180 Millionen Euro in Wyoming und soll 2028 in Betrieb genommen werden.

man bereits einige Partner wie die Bernard Gruppe und die TU Graz an Bord. Mit einem eigens aufgelegten Green Bond will Wagner „die Wallstreet-Milliarden in die österreichische Industrie bringen.“

Die Milliarden kommen also aus Manhattan, aber wohin geht der Müll? Auch ADES produziert radioaktiven Atommüll, allerdings müsse der „nur“ 300 Jahre gelagert werden, schon nach 50 Jahren soll das Material an Gefährlichkeit stark eingebüßt haben. Bei Plutonium sind es dagegen 240.000 Jahre, bei anderen Transuranen gar Millionen Jahre. Thorium weist laut Florian Wagner sogar eine hohe Energieverfügbarkeit bei wenig Abfall auf: „Man kann 80 Prozent von Thorium zur Energiegewinnung nutzen – bei Uran sind es nur drei Prozent.“ Wie passend, dass im November des Vorjahres in Kärnten das angeblich größte Thorium-Vorkommen Mitteleuropas entdeckt wurde: Zwischen 25.000 und 100.000 Tonnen sollen es laut Schätzungen der Internationalen Atombehörde sein. Die ADES-Module sollen in einem nächsten Schritt sogar den Atommüll herkömmlicher AKW entschärfen, so Wagners Vision. Vorerst sollen sie aber zur Energieproduktion und Verstärkung von Wind- und Wasserkraftanlagen eingesetzt werden.

DDas wichtigste Anliegen von Emerald Horizon ist aber: die alte Atomkraft mit der neuen Kernenergietechnik zu ersetzen und den Ausstieg aus veralteten Atomkraftwerken gerade rund um Österreich zu forcieren. Kann die „Operation Austrotom“ die Atomkraft also sicher machen? „Österreich war immer gegen AKW, ist ein neutrales, atomkraftfreies Land und Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Und jetzt sitzen wir auch noch auf einem unglaublichen Thorium-Schatz“, sagen Wagner und Müller. „Welches Land wäre da als Ausgangslage für eine Gamechanging Technology besser geeignet?“

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redbull.com/wingfnder „Meine größte Stärke ist meine Intuition.“ Finde auch du heraus, worin deine wahren Stärken liegen und lerne diese mit gezieltem Coaching auszubauen.
Give wings to your career
Fernanda Maciel, Ultraläuferin

Guide

von richtig guten Leuten

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INNOVATOR 89 GETTY IMAGES PREMIUM ACCESS

Auch Reden macht die City schön

Öffis ohne Abgase, Städte ohne Emissionen: Der Wiener Gerald Babel-Sutter hat Urban Future, eine Konferenz für nachhaltige Metropolen, gegründet. Und die boomt.

the red bulletin innovator: Die Urban Future ist die wichtigste Konferenz für nachhaltige Stadtentwicklung in Europa. Was macht euch so besonders?

Gerald b abel­Sutter: Unser Fokus. Jedes Jahr ist eine andere innovative Stadt Gastgeberin der internationalen Veranstaltung. Expertinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bündeln ihr Know-how und ihre Leidenschaft, damit in unseren Städten endlich Veränderung passiert. Heuer fndet die Konferenz in Stuttgart statt und damit in einer superspannenden Region, die selbst vor großen strukturellen Veränderungen steht.

Wie kommt man darauf, eine solche Konferenz zu gründen?

Eigentlich war das so was wie ein „Unfall“. Begonnen hat alles 2014 mit einem

Workshop zum Thema Mobilität in Graz, bei dem sich Expertinnen und Experten über ihre Projekte und Herausforderungen austauschen sollten. Plötzlich hatten wir 1000 Gäste aus mehr als 30 Nationen zu Gast, was uns total überrascht hat. Wir hatten wohl einen Nerv getroffen. Üblicherweise geht es bei Konferenzen um das Was. Uns geht es um das Wie: Wie machen wir aus einer Idee, einer Vision eine Realität? Welche Stolpersteine gibt es? Wie überwinden wir sie? Das sind die Themen, um die es auf der Urban Future geht.

Gibt es etwas, was Städte in den letzten zehn Jahren begonnen haben, sie deutlich besser zu machen? Ja, erfreulicherweise hat sich einiges getan. Viele der weltweit größten Städte haben sich zusammengetan und gemeinsame Abgasregulative für die Einfahrt

Der gebürtige Wiener, 49, ist Mitgründer und CEO von Urban Future, einer jährlichen Konferenz, die Entscheidungsträger von Städten weltweit mit Changemakern verbindet. Frühere Stationen: Head of Conferences cb brand, Head of Business Development & Marketing CMS, Marketing Manager Steiner Optics.

Events
Gerald Babel-Sutter
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Gerald Babel-Sutter ist Mitgründer der Urban Future Global Conference.

Teilnehmer bei der Urban Future Global Conference 2019 in Oslo

in ihre Städte erstellt. Ein anderes Beispiel sind die „C40 Cities“, eine Koalition von Städten, die bekannt gegeben haben, ab 2025 nur noch emissionsfreie Busse für den öffentlichen Nahverkehr zu kaufen. Dieses neue Selbstverständnis führt auch zu mehr Handlungsspielraum.

Was können Städte tun, um rasch nachhaltiger zu werden?

Städte stehen vor riesigen Transformationsprozessen in nahezu allen Bereichen. Bei der Mobilität geht es um mehr Öffs, Fahrrad, Sharing. Bei Gebäuden haben nachhaltiges Bauen und die energetische Sanierung Priorität. Und bei der Energie gilt sparen, sparen, sparen, lokale erneuerbare Energien ausbauen und aus Kohle, Öl und Gas aussteigen.

Was sind städtische Erfolgsbeispiele?

Wichtig sind eine gemeinsame Zielsetzung, Innovation und Kreativität sowie das Forcieren von Zusammenarbeit. Erfolgreiche Projekte sind beispielsweise das Konzept der Schwammstadt Rotterdam. Dabei geht es darum, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten. Die autofreie Innenstadt von Oslo, die Grazer Überlaufkanäle für StarkregenEreignisse oder auch Tokio mit seiner gigantischen Infrastrukturmaßnahme zur Prävention von Überschwemmungen sind weitere Best­Practice­Beispiele.

Gibt es globale Unterschiede in der Herangehensweise von Städten?

Defnitiv! Während europäische Städte exzellent im Optimieren und der strategischen Planung sind, beeindrucken afrikanische und lateinamerikanische Städte durch ihre Kreativität und ihre pragmatische Herangehensweise.

Neben Talks bietet die Urban Future auch Workshops, interaktive Touren und vieles mehr.

Wie ist die Lage in Österreich, Deutschland und der Schweiz? Der öffentliche Verkehr im deutschsprachigen Raum zählt zu den besten der Welt. Dies ist ein riesiges Asset. Doch die starren Strukturen, die verkrustete Verwaltung und die langen Entscheidungsprozesse führen dazu, dass wir bei der Transformation von Städten kaum vom Fleck kommen. In vielen Fällen gilt immer noch „Bewahren statt verändern“.

Was ist entscheidend, um einen Wandel herbeizuführen?

Letztlich liegt der größte Hebel für mehr Nachhaltigkeit meist bei den handelnden Akteurinnen und Akteuren. Wenn die „richtigen“ Führungskräfte und leidenschaftliche Teams am Werk sind, ist es egal, wo auf der Welt sie ihre Städte verändern – sie werden einen Weg fnden.

Urban Future Global Conference

21. bis 23. Juni 2023

Stuttgart

Alle Infos: urban-future.org

Was wünschen Sie sich für die nachhaltige Stadtentwicklung in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren?

Ein neues Denken der Führungskräfte, besser gesagt: der neuen Führungskräfte, mehr junge Menschen in Entscheidungspositionen und mehr Diversität in den städtischen Führungsteams – vor allem mehr Frauen. Ziel ist, dass Nachhaltigkeit keine Abteilung mehr ist, sondern eine Grundhaltung für uns alle wird.

INNOVATOR
INNOVATOR 91 GEIR
ANDERS RYBAKKEN Ø RSLIEN BENJAMIN WOLF

Biohacking - Gadget

„Drück deinen Arm, steigere die Kraft“

Biohacker Andreas Breitfeld zeigt uns Gadgets, die unser Leben verbessern. Dieses Mal: wie dir eine smarte Manschette zu sichtbar mehr Muskeln verhilft.

Wachstumshormone sind ein Schlüssel zu Muskelwachstum, schnellerer Regeneration und glatterer Haut. Deshalb ist es sinnvoll, beim Training die Ausschüttung dieser Hormone zu stimulieren. Das kann man mit schweren Gewichten tun, die Gelenke, Bänder und Sehnen belasten; oder man kann den Effekt auch durch dosiertes Reduzieren der Durchblutung bei niedrigerem Trainingsgewicht (–75 %) und hoher Wiederholungszahl (20 – 40) erzielen.

Warum? Die stärkere Durchblutung nach dem Krafttraining führt neben der optischen Aufwertung durch den „Pump“

zu verstärkter Hormonproduktion als Belohnung für die Mühe im Gym. Eine Reihe von Studien besagt mittlerweile, dass das beste Ergebnis erreicht wird, wenn die akute Blutversorgung durch Bänder oder Manschetten kurzfristig verringert wird. Wichtig ist, dass wir hier stets von Durchfussreduzierung sprechen, nicht von Abschnüren. Dementsprechend empfehle ich ausschließlich spezifsche Lösungen wie B Strong, nicht etwa den Einsatz von Gummibändern –die können nämlich zu Nervenschäden oder Schlimmerem führen.

B­Strong­Spezialmanschetten gibt es für Oberarm und Oberschenkel in verschiedenen Größen inklusive einer App, die den Druck berechnet, mit der sie (ähnlich einer Blutdruckmanschette) den Blutdurchfuss reduzieren. 489 Euro; win.gs/B-Strong

Herzstück des Trainingstools B Strong: die Manschette für den Oberarm zur „Blood Flow Restriction“

Andreas Breitfeld

nimmt als Biohacker seine Gesundheit selbst in die Hand und in seinem Labor Gadgets auf den Prüfstand. Für uns bewertet er diese Gadgets – hier und in seiner Video-Serie. Code scannen und ansehen:

Gadget-O-Meter für jedermann für Freaks 10 10 0 0 Wissenschaft Esoterik Schnäppchen Luxus 10 0 92 INNOVATOR KLAUS PICHLER,
NORMAN KONRAD

1.

Aus welchem

Buch hast du am meisten gelernt?

Aus „Krieg und Frieden“ von Leo Tolstoi – das ist einfach zeitlos. Man versteht dadurch das Leben und die Tiefe menschlicher Beziehungen. Je diverser die Charaktere und Beziehungen der Protagonisten, desto tiefer kann man auch sich selbst analysieren und verstehen. Durch dieses Buch kann man über das eigene Leben reflektieren.

2.

Welchen Newsletter liest du bis zum Ende?

„Cee Cee Berlin“ –diesen Newsletter über das kulturelle Leben in der deutschen Hauptstadt liebe ich einfach, ich bin schon seit 2015 Leserin – und, na klar, den „WAA Podcast Newsletter“.

3.

Welchen InstagramAccount likst du am häufigsten?

Definitiv „This Place“ – eine Clean Cosmetics Brand, die von einer meiner Podcast-Gäste, Laura Simonow, gelauncht wurde. Ich liebe sowohl die Ästhetik als auch die Qualität der Produkte und auch das echte Gefühl von Community.

Tipps, Tricks und Frauenpower

4.

Bei welchem Podcast verpasst du keine Folge?

Schwierige Frage, da mir kaum Zeit bleibt, neben meinem eigenen Podcast selbst noch weitere zu hören. Aber wenn ich es schaffe, dann „Fast & Curious“ von Verena Pausder und Lea-Sophie Cramer – ein sehr dynamisches Duo, das mit frischen, persönlichen Insights aus der Business- und Karrierewelt punktet und mich inspiriert.

5.

Welche App hast du zuletzt für dich entdeckt?

Kürzlich hatte ich die Chance, Artikel zu den Themen Passion Economy und Sidepreneurship für die App „Informed“ zu kuratieren – das fand ich sehr spannend.

6.

Welche „Guilty Pleasure“ erlaubst du dir?

Die Suche nach Secondhand- oder Vintagemöbeln auf „Cocoli“. Das wird bei mir immer gleich eine kleine Schatzsuche.

Daria Suvorova

ist die Gründerin und Gastgeberin des Women Authors of Achievement (WAA) Podcasts, in dem sie die Geschichten erfolgreicher Frauen aus allen Bereichen des Lebens erzählt. Zudem arbeitet sie als Launch Managerin für das europäische Fintech Klarna und lehrt als Gastdozentin an der Popakademie Baden-Württemberg. Thema: Power of Podcasting. Den Women Authors of Achievement (WAA) Podcast gibt es auf allen gängigen Podcast-Plattformen zu hören.

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6 5 INNOVATOR 93 DONYA
Welche Apps und Texte die Gründerin von Women Authors of Achievement, Daria Suvorova, inspirieren.
Favourites
JOSHANI, COCOLI, OMR

Save the Date

So gründest du dein Start-up, so machst du dein Büro zu einem besseren Ort, und hier kriegst du bares Geld: Diese Termine solltest du nicht verpassen!

bis 17. Mai 2023

4Gamechangers ist Infotainment at its best – um den Anglizismen des Festivals treu zu bleiben. Denn jeder der drei Tage, an denen man in der Wiener Marx Halle zusammenkommt, steht unter einem anderen Motto: 4Pioneers, 4Future, 4Gamechangers.

Tipps für Start-ups und Investoren, die Zukunft des Gesundheitswesens, Gespräche über Qualitätsjournalismus, Korruption und Female Empowerment – all das wird hier behandelt.

Über Puls24 und den ORF (Livestream) wird das Programm übertragen und zusätzlich über die App ZAPPN gestreamt.

4Gamechangers

4gamechangers.io

April 2023

Martina Panchyrz (Foto oben) ist vieles: Journalistin, Gründerin des Medienunternehmens M.STORIES, Wahl-Münchnerin, Bücherwurm – und jetzt auch Veranstalterin. Mit dem Female Business Festival lädt sie unter dem Motto „Courage“ erstmals 1500 Teilnehmerinnen nach München ein, um ihnen dabei zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. Von einer Pitch-Bühne und LivePodcasts bis hin zu Yoga-Sessions und Wine-Tastings wird allerhand geboten. Die eigenen Träume zu verwirklichen war noch nie so unterhaltsam.

Female Business Festival martinastories.com

und 10. Mai 2023

Das OMR Festival Hamburg ist das größte deutschsprachige Event seiner Art für digitale Content-Macher. Dieses Jahr schon als Speaker angekündigt: Webvideoproducerin und Influencerin Pamela Reif, Designer Ronnie Fieg (u. a. Gründer der Modemarke Kith) sowie Techund Media-Investor Scooter Braun. In der Hansestadt dreht sich alles um Information, Inspiration und Networking rund ums digitale Business, sowie jede Menge Einblicke in die Welt der Großen. Dranbleiben lohnt sich also. Dabei sein erst recht.

OMR Festival omr.com

und 16. Juni 2023

Das 15 Seconds Festival könnte man in diesem Jahr auch mit den Worten von Arnold Schwarzenegger aus dem Kultfilm „Terminator“ auf den Punkt bringen: „I’ll be back.“ Denn das Event ist nach coronabedingten Änderungen in den letzten Jahren zurück in der Grazer Stadthalle. Und zwar mit voller Power. In Zahlen bedeutet das: 10.000 Besucher, 200 Speaker (wie Snowboarder Xavier de Le Rue, Laura Williams Argilla von Net flix, Profi-Gamerin Jeannail Carter) und 150 Aussteller.

15 Seconds Festival fifteenseconds.com

21. 15. 9.
15.
Eventtipps 94 INNOVATOR LISA
HANTKE, MARCELLA RUIZ CRUZ, FIFTEEN SECONDS/NIKI POMMER/WARDA

April und 25. Mai 2023

Wie sieht der Arbeitsplatz von morgen aus? Wie wichtig wird

Mental Health? Und wie führt man künftig ein Team zum Erfolg?

Das sind nur drei von vielen Fragen, die beim Female Future Festival (u. a. am Bodensee und in München) beantwortet werden. Und zwar von erfolgreichen Speakerinnen und Unternehmerinnen, die es wissen müssen. Der Fokus lautet in diesem Jahr nämlich „Level­up: Neue Arbeitswelten“.

Female Future Festival female-future.com

3. 8.

Mai 2023

Du bist jung, innovativ, hast großartige Ideen und suchst noch nach dem richtigen Partner, um diese Realität werden zu lassen? Dann solltest du dir das Jahresprogramm des Social Impact Award (SIA) mal genauer anschauen – und den 8. Mai rot im Kalender markieren. Im Frühjahr wird es nämlich in ganz Österreich immer wieder Event­ und Workshop­Formate geben, die dir bei der Entwicklung helfen können. Und bis Anfang Mai kannst du dein soziales Projekt oder Konzept einreichen, um ein Ticket für die SIA­Inkubation im Wert von über 20.000 Euro und Zugang zu deren Pool an Mentoren und Experten zu erhalten.

Social Impact Award socialimpactaward.net

und 4. Juni 2023

Bei der Maker Faire ist der Name Programm – und nach drei Jahren Pause die Motivation bei den Veranstaltern von Österreichs größtem Do­ityourself­Festival entsprechend hoch. Um den Blick weiter nach vorne zu richten, widmet man sich in der Wiener METAStadt ganz dem Thema „Makers for Future“, also innovativen Ideen und Lösungen, wie sich die Zukunft aktiv gestalten und optimieren lässt. Zwischen Technologie, Forschung und Handwerk sind Besucher und Hobby­Tüftler dazu eingeladen, selbst Hand anzulegen und zu programmieren, zu löten, zu nähen oder den 3D ­Drucker anzuschmeißen.

Maker Faire Vienna makerfairevienna.com

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20. INNOVATOR

So lehrst du deine Angst das Fürchten

Top-Speaker und Start-upGründer Ali Mahlodji erklärt, wie er seine Ängste zerlegt. Bis sie zu klein zum Fürchten sind. Und zu klein, um der Freiheit im Weg zu stehen.

Es heißt, dass sich hinter unserer Angst die Freiheit versteckt. Wenn ich heute mit – nach außen hin – erfolgreichen Menschen zu tun habe, erlebe ich immer wieder, dass auch diese ihre innere Freiheit gegen Angst getauscht haben. Letztens erzählte mir der Strategiechef einer großen europäischen Bank, dass er seinen Job nicht mag. Ja, er hasse ihn regelrecht, und als ich ihm lapidar sagte: „Dann kündige doch und nimm eine Auszeit“, schnauzte er nur zurück: „Wie stellst du dir das vor? Das geht nicht. Was soll ich danach machen, und was, wenn mich keiner mehr will?“

Er sagte mir, dass er beim Gedanken an eine joblose Zeit wahre Existenzängste verspüre und lieber zuwarte, bis die Lage am Arbeitsplatz wieder besser wird.

Er macht den Job mittlerweile seit mehr als drei Jahren und hatte schon nach sechs Monaten verstanden, dass er nur noch wegwill. Er ist 39 Jahre alt, körperlich topft, tolle Ausbildung, wunderbarer Lebenslauf, keine Kinder, nicht verheiratet, keine Schulden – und einen fnanziellen Polster, bei dem er auch ohne Job bei gleichbleibendem Lebensstil locker eineinhalb Jahre auskommen würde.

Ali Mahlodji ist ein Meister des Wandels: vom Schulabbrecher zum Start-up-Gründer und Unternehmensberater, vom Flüchtlingskind zu einem der Top-Speaker im deutschsprachigen Raum. Der 41-Jährige ist EU-Jugendbotschafter, Podcaster, Autor – und nun auch Kolumnist. Seine Beiträge online: redbull.com/innovator

Sein Lebensstil beinhaltet Urlaube auf Hawaii, mondäne Cocktailpartys und eine 150 ­ Quadratmeter­Dachgeschoßwohnung im Zentrum Wiens. Er hat alles, was sich Menschen ohne Geld wünschen – und trotzdem ist er unfreier als viele weniger begüterte Menschen, die ich kenne. Ich kann sogar sagen, dass meine Eltern, die nicht viel besaßen und alle unsere Klamotten von der Caritas holten, mehr Freiheit empfanden als er.

Er war in die Besitzfalle getappt und hatte sich ein Gefängnis des Wohlstandes erschaffen. Seine Besitztümer hatten von ihm Besitz ergriffen, und er hatte begonnen, seine Lebenssicherheit mit seinem Lebensstandard zu verwechseln.

Panik

oder Nervenkitzel

Auch wenn seine Angst in den Augen von tatsächlich armutsgefährdeten Menschen lächerlich erscheinen mag, so hatte er alle Anzeichen, welche die Angst so mit sich bringt: Panik, schweißnasse Hände und die Tendenz, das Thema zu wechseln. Angst ist immer individuell, und was des einen Angst ist, ist für den anderen vielleicht ein willkommener Nervenkitzel. Dabei ist es wichtig, die Angst eines jeden Menschen zu respektieren, auch wenn wir sie nicht verstehen.

Manche haben Angst vor Hunden, andere davor, vor anderen zu sprechen, und andere wiederum haben Angst vor dem Fliegen. Und gleichzeitig gibt es Hundeliebhaber, Keynote Speaker und Flugjunkies, die kein Billigfug­Angebot auslassen.

Ich erinnere mich noch, als ich nach einem Transatlantikfug voller Turbulenzen panische Flugangst bekommen habe. Über zehn Jahre hinweg waren Flüge eine einzige Achterbahn für mich, egal ob der Flug für andere entspannend war oder nicht. Ich nahm Medikamente, benutzte Sprays, und Atemübungen waren Teil jeder Startsequenz. Doch das alles half nichts, eher im Gegenteil, es wurde gefühlt immer schlimmer.

Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich im Flieger zurück aus Frankreich. Alles wackelt, und das für die Landung in Wien prognostizierte Wetter ist alles andere als gut. Der Kapitän hat gerade durchgesagt, dass wir in dieser Höhe

Kolumne 96 INNOVATOR MATO JOHANNIK

derzeit mit außergewöhnlich starkem

Seitenwind konfrontiert sind und für die nächsten 25 Minuten weitere Turbulenzen erwartet werden.

Während ich das höre und tippe, bin ich entspannt. Sehr sogar. Ich habe gerade mein Abendessen in einigen tausend Metern Höhe gegessen und trinke nebenbei meinen Kaffee. Im selben Flieger sitzen mit hoher Wahrscheinlichkeit derzeit aber auch Menschen, die sich fragen: „Wie kann der Typ da vorn gerade so entspannt sein, obwohl alles wackelt?“

Die Macht des Wissens

Was ist in den letzten zehn Jahren mit mir passiert? Welche Wunderpille ist es, die mich vom Flugangsthasen zum lässig gelangweilten Fluggast mutieren ließ –und das innerhalb nur eines Tages?

Die Lösung ist ganz simpel und unfassbar schwierig zugleich: Ich habe mich der Angst gestellt und mich damit konfrontiert, wovor ich am meisten Angst hatte – also jenen Szenarien, in denen wir in schlimme Turbulenzen kommen und die Sache vielleicht tödlich endet.

Ich fand meine Erlösung bei einer WG-Party, als ich zufällig neben einem Mann saß, der sich als Privatpilot einer Formel-1-Größe herausstellte. Nach einigen Drinks erzählte ich ihm von meiner Flugangst, und er sagte nur. „Das ist wie Busfahren, wobei Busfahren im Straßenverkehr gefährlicher ist.“ Er sah meinen verdutzten Gesichtsausdruck und nahm sich den ganzen Abend und die gesamte Nacht Zeit und ging auf jede Nuance meiner Flugangst ein – und erklärte mir mit der größten Ruhe, wie ein Flugzeug so funktioniert. Er beantwortet mir jede Frage und hatte für alle Befürchtungen eine klare Antwort, die meine Angst durch Wissen ersetzte.

Eine Woche später saß ich wieder im Flieger, diesmal sogar gerne am Fenster, und ich hatte Respekt, aber keine Angst. Und das ist seitdem so geblieben. Indem ich meine Angst ansprach und mir helfen ließ, kam die Freude am Fliegen zurück, und die Angst wanderte dorthin, wo sie hingehört: in die Schublade der vermeintlichen Unsicherheit, die sich nur dann öffnet, wenn wir uns nicht unseren Ängsten stellen.

Herausgeber Andreas Kornhofer

Chefredakteur The Red Bulletin

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Der Weisheit letzter Schluss

Unsere Illustratorin La Razzia – und ihr Blick auf die Welt von morgen

La Razzia

Doris Schamp ist Designerin und Cartoonistin. Sie gewann 2013 den Internationalen Cartoonpreis von Aachen. Schamp, 39, liebt die Abgründe des Humors – und Los Angeles, wo sie einst Cartoonfiguren entwickelte. Wenn sie nicht gerade auf dem Windsurfbrett steht, lebt und zeichnet sie im Salzburger Pinzgau, dem Burgenland und in Wien. Ein Toast auf Doris!

Comic 98 INNOVATOR LA RAZZIA/DORIS SCHAMP

INSPIRING TODAY’S AND TOMORROW’S LEADERS: JOIN EUROPE’S LEADING FUTURE CONFERENCE

FIFTEEN SECONDS FESTIVAL // 15.–16. JUNI 2023 // STADTHALLE GRAZ

Dieses Jahr mit Speaker:innen von: Netfix, Estée Lauder, WhatsApp, 1Password, adidas, YouTube, Warner Bros., Forbes, Tumblr, Coinbase, Fjällräven, ELLE, Fairphone, Morgan Stanley, Pinterest, Red Bull Gaming, Huawei, TikTok, IBM, Google, CERN, Cisco, LinkedIn und vielen mehr.

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WIR NUTZEN DIE KRAFT

DER ERDWÄRME.

Wir machen den nächsten Schritt.

Die OMV ist auch in herausfordernden Zeiten eine verlässliche Partnerin in der Energieversorgung Österreichs. Unser Ziel ist es, langfristig auf alternative und umweltfreundliche Energieformen zu setzen. Darum forschen wir schon heute daran. Wie etwa an geothermischen Verfahren im Wiener Becken, mit dem Ziel emissionsfreie Erdwärme zu nützen.

Erfahren Sie mehr dazu auf: omv.com

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