PREMISSIMA
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„MAN MUSS MUT HABEN UND AUCH BEI GEGENWIND STANDHAFT BLEIBEN” Premissima-Interview mit Frank Vogel, scheidender Landrat des Erzgebirgskreises Am 12. Juni 2022 wird der neue Landrat des Erzgebirgskreises gewählt. Für Sie beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Was hat Sie in Ihrer Amtszeit am meisten gefreut und was am meisten geärgert? Mit Eintritt in den Ruhestand am 1. August 2022 enden für mich zugleich 32 Jahre Kommunalpolitik in verantwortlicher Position. Dabei waren die letzten 14 Jahre, in denen ich das Amt des Landrates im Erzgebirgskreis begleiten durfte, zweifelsohne die spannendste und mitunter auch aufregendste Zeit. Es gibt vieles, woran ich mich gerne erinnere. Hervorzuheben ist da für mich beispielsweise die große Geschlossenheit, mit der der Kreistag, den ich kraft Gesetzes als Vorsitzender leiten durfte, von Anfang an handelte. Keine regionalen Eifersüchteleien, keine Neiddiskussionen, immer den gesamten Erzgebirgskreis im Blick. Damit legten die Damen und Herren Kreisräte der ersten Wahlperiode den Grundstein für das schnelle Zusammenwachsen der vier Altlandkreise. Wir schufen damit Rahmenbedingungen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung unserer Region. Die zum 1. Januar 2012 vollzogene Fusion der drei „Altsparkassen” zur Erzgebirgssparkasse war ein ebensolcher Meilenstein. Damit entstand nicht nur die viertgrößte Sparkasse Ostdeutschlands, sondern vor allem ein leistungsfähiger Finanzpartner für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen gleichermaßen. Dieser Prozess hatte auch Schließungen von Filialen zur Folge. Das konnten
die Kunden zurecht misslich finden, jedoch stand dabei stets der Erhalt der Leistungsfähigkeit unserer Sparkasse insgesamt im Vordergrund. Das ganze Sparkassen- beziehungsweise Bankenwesen in Deutschland muss sich den Herausforderungen dieser Zeit stellen. Hier wirken letztlich Mechanismen auf den Finanzmärkten, die wir nicht zu entscheiden haben, denen wir aber ausgesetzt sind. Zu nennen ist weiterhin die im vergangenen Jahr getroffene Entscheidung zur Fusion unserer vier sich in Landkreisträgerschaft befindlichen Krankenhäuser Annaberg, Stollberg, Zschopau und Olbernhau zum Erzgebirgsklinikum. Damit entstand ein großes kommunales Klinikum mit über 2.200 hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 1.000 stationären Betten, das als Dienstleister für die Gesundheit der Erzgebirgerinnen und Erzgebirger und Aufrechterhaltung unserer Lebensqualität fungiert. Auch das ist eine zukunftsorientierte Entscheidung für den Erhalt des Gesundheitswesens im ländlichen Raum und macht dieses attraktiv für benötigte Fachkräfte. Viele Kreisstraßenbauprojekte, erhebliche Investitionen in den in unserer Trägerschaft befindlichen Berufs- und Förderschulen und Gymnasien einschließlich der dazu gehörenden Sporthallen und Freiluftanlagen, der Bau des Erzgebirgsstadions aus Eigenmitteln – wir sind der einzige Landkreis deutschlandweit, der Investor und Eigentümer einer solchen Immobilie ist – runden den Gesamtblick ab. Insgesamt kommt da
schon ein dreistelliger Millionenbetrag zusammen. Die Aufzählung ließe sich sicherlich noch fortsetzen. Welche Entscheidung würden Sie heute nicht mehr oder anders treffen? Alle Entscheidungen traf ich immer auf den zum jeweiligen Zeitpunkt bekannten Fakten, unter Beachtung und Abwägung der Rahmenbedingungen und nach gründlicher Überlegung. Dabei gingen diesen Entscheidungen durchaus auch Gespräche und Diskussionen im politischen Raum voraus. Lebendige Kommunalpolitik heißt, offen zu sein für Kompromisse, den eigenen Blickwinkel schärfen beziehungsweise auch ändern, wenn sich bessere Alternativen anbieten. Insofern ist es in meinen Augen müßig, heute darüber nachzudenken, welche Entscheidung hätte anders getroffen werden können. Wichtig war und ist mir immer, dass Entscheidungen getroffen weden. Keine Entscheidung zu treffen, ist oftmals ein noch viel größerer Fehler und bedeutet Stillstand. Aus welchen Gründen folgten Sie nie den Einladungen, sich an den Kabinettstisch zu setzen? Kommunalpolitik finde ich spannender. Als direkt gewählter Landrat, wie das in Sachsen der Fall ist, hat man unmittelbaren Kontakt zur Bürgerschaft und vor allem auch zu den Unternehmen. Das eröffnet einem unterschiedlichste Sichtweisen, stellt einen vor verschiedenartige Herausforderungen, erfordert