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19 Premissima im Gespräch mit Hans-Joachim Wunderlich von der IHK Chemnitz.
Wer fordert, sollte zuerst fragen, was er selbst tun kann
Premissima-Interview mit Hans-Joachim Wunderlich, scheidender Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz
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Am 30. Juni 2022 wechseln Sie vom Amt des Hauptgeschäftsführers der IHK Chemnitz in den wohlverdienten Ruhestand. Sicher mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ganz persönlich, welches lacht, welches weint?
Keines von beiden. Alles im Leben hat ein Ende. Für mich beginnt nun eine Zeit mit anderen Schwerpunkten: mehr Beschäftigung mit Familie und Enkelkindern, mehr Sport und Freizeit sowie noch einige zusätzliche Betätigungsfelder. Über spezielle Prioritäten hatte ich noch keine Zeit nachzudenken.
Am 1. Juli 1991 wurden Sie Geschäftsführer der IHK-Regionalkammer Plauen, am 1. Juli 2005 übernahmen Sie die Hauptgeschäftsführung der IHK Chemnitz. An welche Höhepunkte Ihrer beruflichen Laufbahn erinnern Sie sich besonders gerne, gab es auch Tiefpunkte?
Der erste gewisse Höhepunkt in Plauen war die Rückübertragung unseres Kammergebäudes an die IHK bereits im Jahr 1992, als eine der ersten Immobilien in den neuen Bundesländern. Ein weiterer Höhepunkt war zweifelslos die Umbenennung der IHK Südwestsachsen in IHK Chemnitz in Verbindung mit der Installation unserer fünf Regionalkammern und der Verankerung dieser wichtigen Basisstrukturen in unserer Satzung und vor allem im Ehrenamt. Natürlich gibt es fast tägliche Höhepunkte, wenn man in einem guten, hochmotivierten und engagierten Team arbeitet. Tiefpunkte gab es immer dann, wenn ich mich von tollen Persönlichkeiten verabschieden musste. Ein ganz besonderer Tiefpunkt ist allerdings der russische Überfall auf die Ukraine sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf alle Bereiche der Wirtschaft und unseres gesamten Lebens.
Beim Amtsantritt in Chemnitz hatten Sie sich unter anderem Bürokratieabbau auf Ihre Agenda geschrieben. Was konstatieren Sie dazu heute?
Jeder Mensch, der gegen Bürokratie ankämpft, fühlt sich irgendwann wie Don Quijote. Bürokratie ist eine Volkskrankheit und wir alle tragen eine gewisse Mitschuld, indem wir viel zu oft nach Einzelfallgerechtigkeit rufen. Bürokratieabbau heißt Mut zur Lücke. Ein Einsehen, dass nicht alles regelbar ist. Sicherlich haben wir da und dort kleine Erfolge erreicht, die aber letztlich für unsere Unternehmer aufgrund des Bürokratieaufwuchses an anderer Stelle nicht wirklich zur Entlastung per Saldo geführt haben. Zumindest hausintern in der IHK Chemnitz kann ich sagen, dass für uns grundsätzlich die Lösung beziehungsweise der Lösungsprozess im Vordergrund stehen und Hierarchien bei der Problemlösung sekundär sind. Jeder, der etwas beizutragen hat, ist wichtig und wird mit allen anderen gleich behandelt.
Corona, Ukraine, Fachkräftemangel und viele andere negative Fakten belasten derzeit direkt oder indirekt die sächsische Wirtschaft. Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt Hoffnung auf bessere Zeiten?
Hier halte ich es ganz glasklar mit Wolf Biermann: „Warte nicht auf bessere Zeiten!” Es gibt immer Hoffnung. In jeder Situation liegen Chancen. Nur mit diesem Blickwinkel bleibt man gesund und leistungsfähig.
Was fordert die IHK Chemnitz von der Politik, was kann die Kammer selbst beeinflussen?
Was wir von der Politik fordern, kann man in unseren wirtschaftspolitischen Positionen und Pressemitteilungen – gerne auf unserer Internetseite – nachlesen. Wer etwas fordert, sollte grundsätzlich zuerst auf die eigenen Füße schauen. Also


Hans-Joachim Wunderlich (rechts) und sein Nachfolger Christoph Johannes Neuberg, seit 2017 Wunderlichs Stellvertreter. Foto: IHK K. Schmidt
sich fragen, was er selbst tun kann. Gerade im Zuge der Coronapandemie hat die Kammer ganz erheblich an Beratungskompetenzen gewonnen. Wir haben uns im Interesse unserer Unternehmen zu einer gut funktionierenden Beraterkammer an allen Standorten entwickelt. Dazu gehört ein gutes Team, das sich schnell auf neue Situationen einstellen kann und zu jeder Tageszeit handlungsfähig ist. Das haben wir gelernt und in der Kammer fest verankert. Was geben Sie Ihrem Nachfolger in schwierigen Zeiten mit auf den Weg?
Jeder muss seine eigene Spur legen. Wie Francois Truffaut sagte: „Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt”. Ich übergebe ein funktionstüchtiges Haus und, was am allerwichtigsten ist, ein tolles Team. Und – in einer IHK mindestens genauso wichtig – ein hoch engagiertes und motiviertes Ehrenamt an unserer Seite. Freuen sie sich auf die Gestaltungskraft meines Nachfolgers Christoph Neuberg.
Sicher wird Ihr Ruhestand ein Unruhestand, verraten Sie uns Ihre Zukunftspläne?
Mal sehen. Auf jeden Fall mehr Familie, mehr Sport, mehr Kultur und dann noch einige Kleinigkeiten…
Mit Hans-Joachim Wunderlich sprachen Sven Günther und Uwe Tippner.