politikorange Eingemischt

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Zwischen Engagement und Werbung

Wie Lobbycontrol versucht, faire Verhältnisse für Verbraucher zu schaffen und BP sein gesellschaftliches Engagement unter Beweis stellt Von Sophia von Eicken

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ie Aussichten in Berlin sind grau, wolkig und windig. Dennoch sind die Teilnehmer des Jugendmedienworkshops auf einem lobbykritischen Streifzug unterwegs. Der Veranstalter „Lobbycontrol“ will die Manipulation durch Interessenverbände einschränken. Denn Lobbyisten tun nichts anderes, als ihre Interessen gegenüber Politikern zu vertreten. Ein Beispiel ist die „Initiative für neue soziale Marktwirtschaft“, deren Ziel es ist, neoliberale Denkweisen zu verbreiten. Sie nutzt Unterrichtsmaterial für Schüler, um für eigene Interessen zu werben. Somit beeinflusst die „Initiative für neue soziale Marktwirtschaft“ die Auffassung junger Menschen gegenüber der Wirtschaft. „Lobbycontrol“ fordert, dass die Beziehungen zwischen Parlamentariern und Lobbyisten in einem Register offengelegt wird.

Eine fruchtbare Symbiose? Auch „British Petroleum“ (BP) engagiert sich für die Öffentlichkeit. Gemeinsam mit dem „Bundesnetzwerk für bürgerschaftliches Engagement“ (BBE) hat der Mineralölkonzern das Projekt „Civil Academy“ entwickelt.

Mit der Academy sollen dynamische Junge, aber auch „Engagement-Junkies“ angesprochen werden, sagt Political Adviser und Projektverantwortliche Brigitte Wortmann von BP. Junge Frauen und Männer zwischen 18 und 27 Jahren können sich mit ihrer Projektidee um einen Platz bei der „Civil Academy“ bewerben und dadurch unternehmerische Kompetenz entwickeln. Dazu gehören Finanzierungsplan und Zeitmanagement. Die ehemalige Teilnehmerin Rebecca Thuns erzählt von ihrer Initiative „Musikbox“, die sozial benachteiligten Kindern Musik näher bringt. Auch Andreas Hellstabs Projekt „Show Racism the Red Card“ wurde gefördert. Es klärt über Rassismus und Diskriminierung im Sport auf und gibt Tipps, wie man diese bekämpfen kann. Neben der Civil Acadamy unterstützt BP auch das Engagement von Mitarbeitern in ihrer Freizeit. Dafür erhalten sie einen Bonus von 3650 Euro im Jahr. Für Wortmann ist das eine Möglichkeit, Bürger und Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden und das Image aufzubessern. Tu Gutes und rede darüber – das sei das Prinzip.

Teilnehmer bei der Stadtführung mit „Lobbycontrol“

Foto: Pia Döhler

Die Kehrseite der Medaille Doch es gibt Schattenseiten! Die neu entstandenen Projekte werden von BP gefördert und sind von dem Unternehmen abhängig. BP ist wahrlich nicht ganz lupenrein: Ölkatastrophen und Umweltverschmutzungen sorgten für Schlagzeilen. So stellt sich die Frage, ob BP wirklich beste unternehmerische Kompetenzen an junge Menschen weiter vermitteln kann?

Sophia von Eicken 18, Siegburg ... hat in Berlin eine aufregende Woche erlebt und interessante Einblicke in Politik und Journalismus erhaschen können!

Bürger unter sich

Teilnehmer des 9. Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag im Gespräch mit Sabine Werth von der Berliner Tafel, Marija Stojavonic vom StraSSenmagazin „street mag“ und dem Politikwissenschaftler Malte Tepe zu der Frage: „Wo hinterlässt der Staat Lücken?“ Von Judith Klauke

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ine große graue Fläche aus Asphalt, unzählige hin- und herfahrende Gabelstapler und ein durchdringender Fischgeruch, der die Luft erfüllt. Mitten auf dem Gelände des Berliner Großmarktes sammeln sich zehn Teilnehmer des 9. Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag; nicht ganz ausgeschlafen, aber mit vielen kritischen Fragen im Gepäck. Ihr Ziel ist der Konferenzraum der Berliner Tafel, einem Verein dessen Hauptaufgabe es ist, überschüssige Lebensmittel von Supermärkten einzusammeln und diese an Bedürftige zu verteilen. Drei Gesprächsteilnehmer diskutieren mit den Jugendlichen zum Thema „Bürger unter sich“ und fragen nach, wo der Staat Lücken hinterlässt. Neben der Verteilung von Lebensmitteln informiere die Tafel auch über gesunde Ernährung, sagt Sabine Werth,

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Vorstandvorsitzende der Berliner Tafel. Sie stellt jedoch nicht nur die Vorteile des Vereins dar, sondern geht auch auf mögliche Kritikpunkte ein. Ein Problem sieht Werth darin, dass sich der Staat und die Menschen auf die Tafeln verließen, woraus „eine Gesellschaft entsteht, die sich wenig Gedanken um sich selbst und ihre Zukunft macht.“ PolitikwissenschaftlerMalte Tepe ist ähnlicher Meinung: „Der Staat zieht sich hier viel zu sehr zurück. Dadurch wird zu viel Verantwortung auf die Tafeln übertragen.“ Wichtig sei, nicht nur Symptome sondern auch Ursachen von Armut zu bekämpfen, sagt er.

Dialog durch StraSSenmagazin Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt auch Marija Stojavonic, Gründerin und Chefredakteurin der Berliner Straßen-

zeitung „street mag“ ihre ehrenamtliche Arbeit vor. Mit der regelmäßigen Ausgabe des Straßenmagazins möchte sie für einen dauerhaften Dialog zwischen Obdachlosen und Nicht-Obdachlosen sorgen. Achsuthan Thiruketheeswaran ist begeistert von der Diskussion. Der 19-jähige Teilnehmer des Jugendmedienworkshops findet es besonders gut, dass beide Seiten der ehrenamtlichen Arbeit beleuchtet wurden: „Es hat mich erstaunt, wie offen die Gesprächsteilnehmer auch auf die Kritik eingegangen sind“, sagt er. Bei der anschließenden Führung durch die Räumlichkeiten der Tafel erklärt Werth den Jugendlichen die Arbeit der Ehrenamtlichen. Julia Kitzmann, ebenfalls Teilnehmerin des 9. Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag, ist von dem Raum, in dem die ankommenden Lebensmittel sortiert werden, beeindruckt: „Hier sind so viele Menschen,

die sich ehrenamtlich engagieren, das ist wirklich toll“, meint die 17-Jährige. Vor dem Gebäude der Tafel fällt der Blick von Sabine Werth auf eine Kiste gelber Tulpen. „Wir verteilen auch Blumen“, erklärt sie. Denn: „Eine Blume bringt mehr Lebensfreude als keine Blume.“

Judith Klauke 17, Wetter (Ruhr) ... überlegt, das Reichstagsgebäude zu kaufen, steht bezüglich der Finanzierung aber noch in Verhandlung mit ihren Eltern.


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