Kein Miteinander

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VINSCHGER GESELLSCHAFT aufmerksam verfolgt. Das Interesse an gesundem Obst ohne Rückstände wächst bei den Konsument*innen ja stetig an. Der kuriose Effekt Ihrer Anzeigen ist doch, dass über die umfassende Verwendung von Fungiziden, Insektiziden und auch Herbiziden im Obstanbau in Ihrem Verantwortungsbereich zunehmend berichtet wird. Die Zeit und die Ressourcen, welche Sie in dieses Verfahren investieren, können von allen Beteiligten dafür genutzt werden, konstruktive Lösungen für den Konflikt um Pestizide in den Apfelplantagen Südtirols zu finden und umwelt- und bestäuberfreundliche Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz voranzubringen. Die Bereitschaft dazu haben bereits einige Akteure wie die Südtiroler Grünen und Bioland Südtirol erklärt. Südtirol hat als eines der wichtigsten Obstanbaugebiete Europas die Chance, zum Pionier bei Pestizidreduktion und nicht-chemischem Pflanzenschutz zu werden, entsprechend der Ziele in der neuen EU-Strategie ‚Vom Hof auf den Tisch’. Voraussetzung für einen ehrlichen und konstruktiven Dialog und Zusammenarbeit für dieses Ziel ist aber, dass alle aktuell drohenden Klagen gegen Kritiker des pestizidlastigen Anbaumodells

endgültig abgewendet sind. Wir möchten Sie mit diesem Brief bitten: Hören Sie auch den kritischen Stimmen zu und öffnen Sie sich für einen echten Dialog auf Augenhöhe. Sorgen Sie dafür, dass alle anhängigen Verfahren gegen Kritiker des pestizidintensiven Anbaus in Südtirol schnellstmöglich eingestellt werden. Und lassen Sie uns gemeinsam an Wegen für einen umwelt- und gesundheitsschonenden Pflanzenschutz in Europa arbeiten. Wir sind sicher, dass dies die Zukunft der Obstbauern sichert. Weil Obst aus dem Vinschgau dann für Produkte steht, die auf die Gesundheit der Bäuerinnen und Bauern, Bewohner*innen und Konsument*innen achtet. Und auf eine intakte, vielfältige Natur, die ja die unabdingbare Voraussetzung für ein gutes Leben der nachfolgenden Generationen ist.“ Berlin, 08.10.2020

zur Verminderung der Abdrift gesetzt wurden, vor allem in Form einer moderner Sprühtechnik, und dass auch Bemühungen in Richtung einer Ökologisierung der Landwirtschaft in Südtirol im Gang sind, meinte Renate Künast zum der Vinschger: „Die EU hat das Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2030 50 % der Pestizide einzusparen. Alle Politikerinnen und Politiker sind also gefordert dafür zu sorgen, dass die Bäuerinnen und Bauern dieses Ziel auch umsetzen können. Dafür müssen die Strukturen grundlegend geändert werden, neue Spritztechnik allein wird nicht ausreichen. Für den Vinschgau braucht es ein mit Bauern und anderen Fachleuten erarbeitetes Gesamtkonzept, das das Image noch toppt, indem wirklich ökologisiert wird. Gute Produkte, vielfältige Natur und auskömmliche Bedingungen für Bauern und Tourismus kann ein zukunftsfähiges Ziel sein.“ SEPP

„Neue Spritztechnik allein reicht nicht“ Zur Feststellung, dass sich die Obstwirtschaft schon seit Jahren darum bemüht, nur das Notwendigste an Pflanzenschutzmitteln auszubringen, dass technische Maßnahmen

Oliver Wallnöfer verzichtet auf Mandat SCHLANDERS - Der Gemeinderat der Süd-Tiroler Freiheit, Oliver Wallnöfer, der als BM-Kandidat angetreten war, verzichtet auf sein Gemeinderatsmandat in der Gemeinde Schlanders. „Ich wäre gerne bereit gewesen, für das Wohl unserer Gemeinde Verantwortung zu übernehmen“, so Wallnöfer, „es

gibt jedoch eine Unvereinbarkeit meiner Person mit dem Amt eines Gemeinderatsmitgliedes.“ Diese Unvereinbarkeit sei ihm vorher nicht bekannt gewesen. Wallnöfer will weiterhin hinter den Kulissen für die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit arbeiten. „Mit Esther Tappeiner rückt eine kompetente Person

an meine Stelle“, so Wallnöfer. Sie habe bereits einige Erfahrung in der Gemeindepolitik gesammelt und habe es sich verdient, mit 189 Vorzugsstimmen im Gemeinderat zu sein. Auf harsche Kritik stößt Wallnöfers Verzicht bei der Liste „Zukunft Schlanders - Silandro Futuro“, die ihrerseits von der Süd-

Tiroler Freiheit wegen eines fragwürdigen Polit-Manövers (siehe der Vinschger Nr. 34/2020) scharf angegriffen worden war. Die erste Sitzung des neuen Schlanders Gemeinderates, die am 15. Oktober um 18 Uhr im Kulturhaus stattfindet, verspricht spannend zu werden. SEPP

AUFGESPÜRT & AUSGEGRABEN (53)

Es muss nicht immer Corona sein Tagein, tagaus, Corona überall. Und das Ende scheint noch fern. Gibt es denn keine anderen Themen? Die Cholera zum Beispiel? In den vergangenen zwei Jahrhunderten ist die Erde von sieben Cholera-Pandemien heimgesucht worden. Die zweite Pandemie dauerte 15 Jahre lang von 1826 bis 1841. Ausgebreitet hatte sich die Krankheit zunächst von Mekka über Ägypten bis nach Europa. Binnen weniger Jahre wurden alle europäischen Länder erfasst. Auch Tirol war davon betroffen. Eingeschleppt wurde der Erreger – Ironie der Geschichte – ausgerechnet aus der Lombardei. Der bekannte Tartscher Arzt Bernhard Matzegger zog damals für kurze Zeit nach Verona, um die Krankheit zu studieren. Opfer der Seuche waren vorwiegend einkommensschwache Bevölkerungsschichten. Kirchenbücher und Gedenksteine auf heimischen Friedhöfen zeugen noch heute davon. Die Cholera-Welle im Sommer 1836 war hier besonders schlimm. In wenigen Monaten starben 216 Menschen in Bozen, 162 in Untermais, 111 in Algund, 100 in Schlanders und

etwa 50 in Mals. Die kirchlichen Aufzeichnungen in Schlanders lassen erahnen, wie verheerend die Seuchenwelle war. Als vorherrschende Todesursachen stechen damals Abzehrung, Lungensucht und ähnliche Erkrankungen ins Auge. Am 6. und 10. August stirbt dann ein Ehepaar an der Ruhr bzw. Brechruhr, eine alte Bezeichnung für die Cholera. Wenig später wird Pfarrer Joseph Pohl diese Todesursache zu „wie oben“ kürzen – und seitenweise eintragen müssen. Ob nur wenige Monate oder schon 87 Jahre alt, die Opfer waren der Seuche gnadenlos ausgesetzt. Als Jahrzehnte später erneut eine Pandemie ausgebrochen war, veröffentlichten lokale Tiroler Zeitungen – ähnlich den heutigen Übersichten – z.T. täglich einen „Cholera-Bericht“ mit genauen Angaben über Erkrankungen und Todesfälle. Wir erleben Z folglich nichts wesentlich Neues.

DER VINSCHGER 35/20

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