BOTANIK
die passauer
BLATT
№4
mauerblümchen
STEINFEDER Asplenium trichomanes
W
ie Rosshaar sehen die dunkelbraunen Blattspindeln aus, an denen die kleinen, eiförmigen Blätter dieses wunderbaren, grazil wachsenden Farns erscheinen. Die Wuchsform der korrekt als Brauner Streifenfarn bezeichneten Pflanze erinnert an Federn – daher der umgangssprachliche Name. Im angelsächsischen Raum heißt die Pflanze Maidenhair, also Mädchenhaar; und tatsächlich erinnern die Triebe dieses botanisch zu den Aspleniaceae (Streifenfarnen) gehörenden Gewächses an Rapunzels wallendes, herunterhängendes Haar. Je nach Zustand seiner Mauern könnte auch der Turm, in dem Rapunzel gefangen gehalten wurde, Lebensraum für die Steinfeder geboten haben – nur waren die Gebrüder Grimm keine Botaniker, sondern Märchenerzähler, weshalb sie nicht näher auf den eventuell vorhandenen Mauerbewuchs eingegangen sind. Jedenfalls bevorzugt die Steinfeder schattige bis halbschattige Plätze und freut sich besonders über Spritzwasser und Gischt von Bächen und Flüssen. Deshalb
gedeiht sie häufig an bachnahen Stützmauern, an Wehren und Schleusen oder an Brückenpfeilern. Von all diesen Konstruktionen haben wir ja reichlich in Passau – und wer aufmerksam durch das Mühltal oder das Lindental spaziert, wird bestimmt die eine oder andere Steinfeder entdecken. Beste Voraussetzungen sind bröckeliger Mörtel zwischen Natursteinen, alte Baumstümpfe oder Felsspalten – und eben viel Feuchtigkeit. Als Zierpflanze eignet sich die Steinfeder besonders für naturnahe Gärten, Japangärten, Waldgärten, wohl fühlt sie sich zudem an schattigen Teichrändern sowie in sonnenabgewandten Bereichen des Steingartens. Aufgrund ihrer Robustheit und geringen Größe bereitet ihr auch die Haltung in Töpfen und Kübeln keine Probleme. Die Steinfeder ist je nach Witterungsverhältnissen wintergrün bis immergrün. Erst einmal eingewachsen, bleibt sie lange Zeit an ihrem Platz, ist pflegeleicht, anpassungsfähig, langlebig, robust und vollkommen winterhart.
till gabriel
SOMMER 2016
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