We Feed The World – Was uns das Essen wirklich kostet

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Gemüse Kampftomaten, Spediteure & hungernde Bauern Die Gemüseecke im Supermarkt ist in gelbes, warmes Licht getaucht. Mattes Schwarz rund um die Auslagen verstärkt die Stimmung, schräg stehende Spiegel vermitteln das Gefühl eines geschlossenen Raumes, der den leckeren Produkten der Natur vorbehalten ist. »Wir lieben Lebensmittel« steht vielleicht über dem Eingang des Supermarktes und noch einmal am Entree zu Gemüse und Obst. Aubergine, Paprika und Tomate glänzen wie von Hand poliert. Die Rucola-Blätter wirken selbst hinter der Klarsichtfolie knackig und gesund. Und auch das immer gleiche Obst macht in dieser Inszenierung eine sehr gute Figur. Hier fasst man gleich Vertrauen, die Präsentation ist genau wie die präsentierte Ware absolut frei von Makel. Dennoch finden sich Risse im Bühnenbild. Die mittelgroßen marokkanischen Tomaten sind gar nicht aus Marokko, wie auf dem Warenschild annonciert, sondern aus dem südspanischen Almeria. Das steht jedenfalls auf der festen Pappkiste, in der sie liegen. Die ganz dicken, hell in der Farbe und wässrig im Geschmack, tummeln sich in einer anderen Kiste, die sie als Ware aus Teneriffa ausweist, das Schild über der Kiste sagt aber, es seien holländische. Ein verdeckter Hinweis? Schließlich werden kanarische Tomaten nicht selten in den Niederlanden verpackt, weil sich so mehr Geld erzielen lässt als mit Gemüse vom afrikanischen Kontinent, obwohl die Kanaren auch zur EU gehören. Wahrscheinlich ist es nur Schlamperei. Sehr wahrscheinlich interessieren sich die Kunden kaum dafür – und deswegen ist es der Marktleitung auch ziemlich gleichgültig, die dafür geltenden Gesetze zu beachten. Fragen kann man hier niemanden, denn den Gemüsebereich hat höchstens die Dame an der Kasse oder die Überwachungskamera im Auge. Lange vorbei ist die Zeit, in der sich geschultes Personal um Ware und Kundschaft kümmerte. Diese Arbeitsplätze sind schon vor mehr als zwei Jahrzehnten abgebaut worden. Ab und zu kommt jemand vorbei, um Plastiktütchen nachzuliefern und die Fehletiketten von der Waage zu kratzen. In Supermärkten, die sich um ein zahlungskräftiges Publikum bemühen, geht regel-

Kapitel I

20.07.2006

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