Die lustige Witwe

Page 1

DIE LUSTIGE WITWE

FRANZ LEHÁR


Charged for new adventures. Mit vielfältigen Ladeoptionen wie Home Charging. Der rein elektrische Audi SQ8 Sportback e-tron. Vorsprung fühlen. Future is an attitude

Mehr unter audi.ch Audi SQ8 Sportback e-tron, 503 PS, 25,5 kWh/100 km, 0 g CO₂/km, Kat. C.


DIE LUSTIGE WITWE FRANZ LEHÁR (1870-1948)

Partnerin Opernhaus Zürich






HANDLUNG Vorgeschichte In Pontevedro verlieben sich Hanna, eine junge Frau aus einfachen Verhältnis­ sen, und Danilo, ein ebenso junger Graf, leidenschaftlich ineinander. Eine Hei­ rat kommt aufgrund ihrer Standesunterschiede aber nicht in Frage. Die beiden verlieren sich aus den Augen...

1. Akt Ein Vierteljahrhundert später in Paris. In der Gesandtschaft von Pontevedro wird ein Fest gefeiert. Der Gastgeber Mirko Zeta fürchtet jedoch den Bankrott seines Staates. Er will die verwitwete Millionärin Hanna Glawari, die soeben in Paris angekommen ist, durch eine Heirat ans Vaterland binden. Damit ihre Millionen auf keinen Fall an einen Pariser verlorengehen, will er seinen umtrie­ bigen Sekretär Danilo auf sie ansetzen, den er aus dessen Stammlokal, dem «Maxim», her­bei­ordert. Dass seine eigene Frau Valencienne eine Affäre mit dem Pariser Camille de Rosillon hat, entgeht Zeta. Die Millionenerbin Hanna Glawari kommt an und wird heftig umworben. Danilo trifft übernächtigt ein. Als er und seine ehemalige Geliebte Hanna sich begegnen, flammt die alte Liebe aufs Neue auf. Von Hannas Millionenerb­ schaft irritiert, schwört Danilo jedoch, ihr nie zu sagen: «Ich liebe dich!» Hanna nimmt dies als erotische Kampfansage ... Den Auftrag Zetas, Hanna Glawari zu heiraten, lehnt Danilo vehement ab. Er verspricht hingegen, die Pariser Männer von Hanna und ihren Millionen fern zu halten, was ihm prompt gelingt: Während Hanna sich auf einem rauschenden Ball provokativ umwerben lässt, vertreibt er die Männer, indem er ihnen den Tanz, den ihm Hanna gewährt, zu einem überzogenen Preis anbietet. Allein ge­blieben, können Hanna und Danilo ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten und tanzen miteinander.

8


2. Akt Hanna Glawari lädt zu einem rauschenden Fest ein, auf dem die Bräuche der pontevedrinischen Heimat zelebriert werden. Zeta erhält den Hinweis, dass Camille de Rosillon heimlich in eine Dame verliebt sei. Er will herausfinden, um wen es sich handelt ... Hanna versucht Danilo, der seinem Vorsatz, Hanna nicht zu verfallen, treu bleibt, ein Liebesgeständnis abzuringen. Als ihr dies nicht gelingt, weckt sie seine Eifersucht, indem sie vorgibt, einen Anderen heiraten zu wollen. Camille de Rosillon gelingt es indessen, Valencienne, die die riskante Affäre mit ihm eigentlich aufgeben will, in einem Pavillon zu verführen. Zetas Diener Njegus sieht die beiden gemeinsam verschwinden. Als Zeta im Pavillon den drohenden Staatsbankrott besprechen will, ver­ hindert Njegus im letzten Moment, dass er seine Frau dort mit Camille erwischt: Durch die Hintertür vertauscht er Valencienne mit Hanna. Hanna und Camille treten vor der versammelten Festgesellschaft aus dem Pavillon und geben ihre Verlobung bekannt. Die Verwirrung ist gross, besonders bei Danilo, der sich, rasend vor Eifersucht, ins «Maxim» begeben will.

3. Akt Hanna, die diese Wendung bereits vorausgeplant hat, überrascht Danilo mit seinen Liebschaften aus dem Maxim, den Grisetten, die sie auf ihr Fest einge­ laden hat. Wenn Hanna tatsächlich Camille heiratet, droht Pontevedro unvermeidlich der Staatsbankrott. Im Auftrag von Zeta sucht Danilo deshalb das Gespräch mit Hanna und erfährt, dass sie im Pavillon nur Valencienne aus einer peinlichen Situation helfen musste. Zeta ahnt nun, was im Pavillon vorgefallen ist. Er will sich von Valencienne scheiden lassen und selbst um Hannas Hand anhalten. Als Hanna Zeta eröffnet, dass sie ihr ganzes Geld im Fall einer Wiederverheiratung verliert, bricht Danilo endlich sein Schweigen und gesteht Hanna: «Ich liebe dich!» Ihr Geld, fährt Hanna daraufhin fort, wird in diesem Fall nämlich in den Besitz ihres Gatten übergehen.

9






DIE TIEFE DARF MAN NICHT SPIELEN Der Regisseur Barrie Kosky im Gespräch über seine Inszenierung Barrie, mit der Lustigen Witwe inszenierst du erstmals eine Operette in Zürich, ein Genre, das du als Intendant der Komischen Oper Berlin intensiv und mit grossem Erfolg gepflegt hast. Woher kommt deine Liebe zur Operette? Ich bin mit diesem Genre in Berührung gekommen lange bevor ich 2013 mit Ball im Savoy meine erste Operette in Berlin inszeniert habe. Meine erste Begegnung hat mit meiner Grossmutter zu tun: Sie kommt aus einer gut­ bürgerlichen un­garischen Familie und ist 1935 nach Australien ausgewandert. In Budapest und Wien hat sie viele Operetten erlebt, eine Kunstform, die vor dem Zweiten Weltkrieg nicht als minderwertig galt, sondern ein gross­ artiges eigenes Fach war. In der deutschsprachigen Welt waren die Operetten damals oft bekannter als die Opern. Stars wie Fritzi Massary oder Richard Tauber waren berühmt und haben dank Verfilmungen, Aufnahmen und Tourneen oft besser verdient als die Opernsängerinnen und -sänger. Meine Grossmutter hat mir Aufnahmen aus dieser Zeit vor­ge­spielt, die ich bis heute sehr liebe! Später wollte ich lange nichts mit diesem Genre zu tun haben. Die Inszenierungen der Fledermaus, der Lustigen Witwe oder der Gräfin Mariza, die ich als Teenager in Melbourne gesehen habe, fand ich furchtbar und verstaubt. Als ich aber 2008 mit den Planungen für die Intendanz an der Komischen Oper begonnen habe, war der richtige Zeitpunkt für meine Auseinandersetzung mit der Operette gekommen. Berlin war im frühen 20. Jahrhundert neben Wien die Operettenstadt schlechthin, und die DNA der Komischen Oper ist Operette. Als ich erfuhr, dass Franz Lehár, Oscar Straus, Emmerich Kálmán und Paul Abraham alle an der Komischen Oper dirigiert hatten und dass viele grossartige Werke seit der Zeit der Weimarer

14


Republik dort nicht mehr gespielt worden waren, wusste ich, dass wir dieses Repertoire zurück auf die Bühne bringen müssen. Um die Lustige Witwe und die Fledermaus hast du damals einen grossen Bogen gemacht. Warum? Weil diese Stücke wirklich oft genug inszeniert worden sind. In Berlin wollte ich mich ausschliesslich auf die Stücke konzentrieren, die dort eine Geschichte haben – und das hat richtig etwas entzündet... Der Erfolg war enorm. Paul Abrahams Ball im Savoy haben wir zehn Jahre lang gespielt! Andererseits will ich diese Berliner Stücke auch nicht ausserhalb von Berlin zeigen, und so ist es gekommen, dass ich jetzt direkt nacheinander die Fledermaus in München und die Lustige Witwe in Zürich inszeniere. Es ist ein bisschen merkwürdig, diese beiden sehr berühmten Stücke direkt im Anschluss zu inszenieren, aber man merkt dabei deutlich, wie un­terschied­lich sie sind.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Du sagst, die Lustige Witwe steht mit einem Fuss im 19. und mit dem www.opernhaus.ch/shop anderen im 20. Jahrhundert. Was meinst du damit? Im direkten Vergleich zeigt sich, dass die Fledermaus ganz aus dem Wiener oder Vorstellungsabend Geistam heraus gedacht und mit dem Walzer als typischem Stilmittelim fest Foyer im 19. Jahr­hundert verankert ist. Die Lustige Witwe vereint hingegen ganz unter­ schiedliche musikalische Stile. Jacques Offenbach, den auch Johann des Opernhauses erwerben Strauss sehr verehrt hat, und die französische Boulevardkomödie spielen in der Lustigen Witwe noch immer eine Rolle, und natürlich ist das Stück ohne die Fledermaus und den Einfluss des Wiener Walzers undenkbar. Aber Lehárs Partitur ist viel kosmopolitischer. Es gibt Einflüsse aus Osteuropa, die später bei Kálmán und Abraham wichtig werden. Im dritten Duett und der Romanze zwischen Valencienne und Camille ist aber auch der Einfluss von Giacomo Puccini unüberhörbar, mit dem Lehár befreundet war. Diese Szene erinnert mich an den Schluss des 1. Bilds von La bohème. Zudem fühlt man über allem bereits einen Hauch von Jazz, noch ohne ihn zu hören. Als ob Lehár hier etwas in der Luft gerochen hätte. Die ganzen witzigen und klamaukigen Momente, die es in der Lustigen Witwe gibt, eilen fast vorüber und man fühlt, dass sich darunter etwas viel Ernsthafteres verbirgt.

15


Rosalinde und Eisenstein aus der Fledermaus sind ziemlich simple Komödien­ charaktere. Es geht um eine kaputte Ehe, um Betrug, Lügen und um Ver­ zeihung. Zwischen Hanna Glawari und Danilo, den beiden Hauptfiguren in der Lustigen Witwe, gibt es hingegen eine Vorgeschichte und eine tiefere Verbindung, die sich unter der Ober­fläche verbirgt. Das Stück ist durchzogen von einer Sehnsucht nach etwas, das in der Vergangenheit war und hoffent­ lich in der Zukunft sein wird. Das heisst, Hanna und Danilo sind komplexe, moderne Charaktere. Sie kommen 1905 auf die Bühne, kurz nachdem Sigmund Freud seine zentralen Schriften veröffentlicht hat. Erklärt das auch, warum die Lustige Witwe innert kürzester Zeit ein Welt­erfolg wurde? Lehár hat mit diesem Stück absolut den Zeitgeist getroffen. Die Menschen waren sehnsüchtig nach dem 19. Jahrhundert und zugleich fasziniert von der Moderne, die damals anbrach. Da waren das elektrische Licht, das Telefon, die Schallplatten… Die nationalen Hauptstädte entwickelten sich zu kosmo­ politischen Weltstädten. Lehár surfte auf dieser Welle und – das muss man noch einmal extra betonen – steht dabei in einer Linie mit den grossen Mel­odikern der Musikgeschichte wie Mozart, Offenbach oder Gershwin: Jede einzelne Nummer aus der Lustigen Witwe ist ein Hit!

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Die Handlung spielt nicht in Wien, sondern in der angesagten Metropole Paris. In der Botschaft eines ver­schuldeten und fiktionalisierten Balkanstaates wird Hanna Glawari empfangen, eine Millionenerbin. Damit ihr Geld nicht an einen Pariser verloren geht, setzt der Botschafter seinen amüsierlustigen Sekretär Danilo auf Hanna Glawari an … Wer ist diese Frau, und wo steht sie in der Tradition der Operette? Dieses Bild einer klugen und emanzipierten Frau, die im Zentrum des Stücks steht, geht auf die Operetten von Jacques Offenbach zurück. In Orpheus in der Unterwelt hat er Eurydike in den Fokus gestellt, und zwar als eine gescheite und gewitzte Frau, die am Ende nicht mit Orpheus zurückgehen will! Die Männer in dieser Ope­rette sind impotent und blöd. Bei Offenbach beginnt hier eine Reihe von Stücken, in denen die Männer weit hinter den

16




Frauen zurückstehen. In den 1860er-­Jahren hat er damit einen grossen Kontrast zum vorherrschenden Frauenbild in der Oper geschaffen, wo die Frauen krank, verrückt oder Mörderinnen waren. Man kann Offenbachs Operetten durchaus als frühe feministische Stücke bezeichnen. Johann Strauss hat das dann ein bisschen verharmlost, obwohl auch Rosalinde und Adele in der Fledermaus kluge, aber letztlich unsympathische Frauen sind. Hanna Glawari ist dann wieder vielmehr mit diesen Offenbach-Frauen verbunden. Sie ist vielleicht nicht ganz so frech, aber man merkt ab ihrem ersten Auftritt, dass sie eine Frau ist, die weiss, was sie will. Und es wird sie niemand stoppen. Sie hat die Zügel in der Hand und weiss genau, welche Verehrer es nur auf ihr Geld abgesehen haben. Selbst Danilo, zu dem sie eine tiefe Verbundenheit spürt, lässt sie schmoren, bis er die Worte «Ich liebe dich!» schliesslich von selbst über die Lippen bringt. Hanna Glawari ist also auch alles andere als eine Femme fatale, wie sie Richard Strauss zur selben Zeit mit seiner monströsen Salome auf die Bühne bringt. Die Mischung aus selbstbewusstem Charme und Ernsthaftigkeit, die Hanna Glawari zu einer modernen Frau machen, ist ein einzigartiges Merkmal der damaligen Operette.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am im Foyer Dabei heisst esVorstellungsabend heute oft, die Operette sei misogyn. Eine berühmte Marsch-­Nummer aus der Lustigen Witwe hat etwa den Refrain: «Ja, das Studium Weiber ist schwer» … desder Opernhauses erwerben Die Männer singen diese Nummer, weil sie frustriert sind. Ich finde das nicht misogyn, sondern eigentlich das Gegenteil: Diese Männer lieben die Frauen, aber sie fühlen, dass sie ihnen nicht gewachsen sind – und damit haben sie ganz recht! Man muss diese Texte schon richtig lesen. Männer, die über Frauen sprechen und umgekehrt, das ist ein Hauptthema des Theaters von der griechischen Komödie über Shakespeare und Goldoni bis heute … Und in der Wiener Moderne, in der Sigmund Freud gerade über die Sexualtheorie nachdenkt und das Buch Geschlecht und Charakter von Otto Weininger für Aufsehen sorgt, ist es nicht verwunderlich, dass dieses Thema in einer modernen Operette seine Spuren hinterlässt. Solche Texte als misogyn zu lesen oder gar nicht mehr zu spielen, finde ich falsch. Wir sollten nichts canceln, was tiefmenschlich ist.

19


Du hast dir für diese Inszenierung explizit Marlis Petersen und Michael Volle gewünscht. Warum? In vielen Inszenierungen, die ich gesehen habe, waren Hanna und Danilo ent­weder zu jung oder zu alt. Für mich funktioniert beides nicht, weil die Vorgeschichte dieses Paars wichtig ist: Hanna und Danilo haben sich bereits einmal geliebt, aber unter anderen Bedingungen. Sie war damals eine junge Frau ohne Geld und durfte ihn aus Standesgründen nicht heiraten. Ich möchte in dieser Beziehung die Tiefe unterstreichen und ein Paar zeigen, das sich vielleicht 20 Jahre nach einer explo­si­ven Affäre wieder trifft. Nun flammt die Liebe unter neuen Vorzeichen wieder auf. Beide sind aufs Neue hinge­ rissen voneinander, haben sich aber auch ver­ändert und prüfen den anderen insgeheim. Marlis und Michael gehören zu meinen absoluten Lieblingssängern. Marlis war die Marschallin in meinem Rosenkavalier und Michael der Hans Sachs in meinen Meistersingern in Bayreuth. Sie sind eine Klasse für sich und haben genau die richtige Portion Sinnlichkeit, Melancholie und Zer­brech­ lichkeit, die ich mir für dieses Stück wünsche – und sie haben beide Ironie und Erotik in der Stimme! Wenn das fehlt, ist man in der Operette verloren. Und wie beeinflusst diese Besetzung dein Regiekonzept? Der Ausgangspunkt für die Inszenierung ist für mich die gemeinsame Vergangenheit, die Hanna und Danilo haben. Ich möchte eine Welt zeigen, die es nur auf der Bühne des Opernhauses Zürich gibt, also weder eine historische noch eine moder­ne, sondern eher eine märchenhafte Welt. Als ich nach historischen Auf­nahmen des Stücks gesucht habe, bin ich auf YouTube auf die Aufnahme einer Klavierwalze gestossen, die Franz Lehár selber eingespielt hat. Er spielt darauf ein Arrangement der Lustigen Witwe. Ich war von der rhythmisch freien Art seines Spiels, die sich mit dem leicht me­chani­schen Gestus der Walze mischt, begeistert und habe mir überlegt, die Handlung aus diesem historischen Klang heraus zu beginnen. Als ob alles wieder aus der Erinnerung heraus entstehen würde... Dieses gespenstische Gefühl, dass Lehár mit uns im Raum ist, hat mich veranlasst, weiter in diese Richtung nachzudenken und zu Ernst Lubitschs Verfilmung der Lustigen Witwe geführt…

20


Ernst Lubitsch wurde in Berlin geboren, ist in den 1920ern in die USA ausgewandert und feierte grosse Erfolge in Hollywood. 1934 verfilmte er eine eigene Version der Lustigen Witwe, die auf Lehárs Operette basiert. Was gefällt dir daran? Die Figuren in diesem Film sind wie Erscheinungen, wie schöne Geister, die die Handlung mit einer unglaublichen Leichtigkeit zum Leben erwecken. Lubitsch ist für mich einer der grossen Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine erfolgreichen Hollywood-Komödien sind fast wie Operetten ohne Musik. Ich empfehle Ope­ret­ten­darstellern daher immer, Lubitsch-Filme anzuschauen. Sein Stil ist clever, schnell und dabei unglaublich charmant und von einer augenzwinkernden Frechheit. Das Tiefsinnige ist bei ihm ganz versteckt, aber es ist da. Er zeigt den Subtext nie. Man muss ihn selber spüren und fühlen. Das ist genau die richtige Herangehensweise an die Operette: Man spielt immer mit der Fassade und der Oberfläche. Die Tiefe soll man in der Nase riechen, in den Ohren hören und in den Augen der Darsteller ablesen können. Aber gespielt wird sie nicht.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop Wichtig ist dir aber auch der Klamauk … oder am Vorstellungsabend Es kann nie genug Klamauk geben in der Operette. Ich mache jaim keinen Foyer Lubitsch! Der Rest ist vom Vaudeville und von den Marx Brothers inspiriert. Ich des bringe denOpernhauses Lubitsch-Touch und den Klamauk erwerben gleichzeitig auf die Bühne. Das ist die Kosky-­Technik.

Du hast zu Beginn von den Operettenaufnahmen aus dem frühen 20. Jahr­ hundert gesprochen, die du sehr liebst. Was ist das Besondere daran? Man darf nie unterschätzen, was 1933 passiert ist. Neunzig Prozent der Autoren und Komponisten dieses Genres waren jüdischer Herkunft. Franz Lehár ist da eine Ausnahme. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde ein grosser Teil des Repertoires komplett verboten. Viele Künstler mussten emigrieren oder wurden ermordet. Das war ein furchtbarer Schicksalsschlag für diese Kunstform, von dem sie sich nie wieder erholt hat. Ich frage mich immer, was aus dem Genre geworden wäre, wenn es diese furchtbare Zeit nicht gegeben hätte … Die Rezeptions­­geschichte der Operette ist davon natürlich

21


schwer betroffen. In der Nachkriegszeit haben Opernsängerinnen und -sänger mit viel zu schweren Stimmen dieses Genre übernommen und es zu etwas ganz anderem gemacht. Es wurden riesige Orches­trierungen arrangiert, der ganze Jazz der 20er- und 30er-Jahre war verschwunden. Ich sage immer, die Operette hat einen zweiten Holocaust durchgemacht: Erst wurde sie verboten und dann durch die Aufführungspraxis vernichtet. Heute denkt man glücklicherweise stärker über die historische Aufführungspraxis nach … Angeblich konnte Joseph Coyne, der 1907 in London als Danilo besetzt war, gar nicht singen. Er hat seine Texte gesprochen. Und dennoch war gerade diese Aufführungsserie in London ein riesiger Erfolg … Niemand im Uraufführungscast der Lustigen Witwe war ein grosser Opern­ sänger! Hortense Schneider, die grosse Muse von Jacques Offenbach, war ein Burlesque-­Star und hat auf der Bühne improvisiert. Und zu ihren grossen Nachfolgerinnen und Nachfolgern, die man heute noch auf Aufnahmen hören kann, zählen für mich Fritzi Massary, Rosy Barsony, Joseph Schmidt und Richard Tauber. Man soll sie heute nicht nachahmen, aber was man in ihren Stimmen hört, ist alles, was wir hier besprochen haben: Ironie, Erotik, Intelligenz und ein Augenzwinkern.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer Und was ist nun die tiefere Aussage, die sich inerwerben der Lustigen Witwe hindes Opernhauses ter diesem Augenzwinkern verbirgt? Am Ende kommen Hanna und Danilo, diese beiden hochinteressanten, vom Leben gezeichneten Menschen, zusammen und entscheiden sich für die Gegenwart: Wir sind hier und heute verliebt und dafür leben wir. Was morgen passiert, ist uns egal. Für einen Theaterabend in unserer Zeit finde ich so eine Botschaft nicht schlecht. Das Gespräch führte Fabio Dietsche

22



EIN GESCHLECHTERKAMPF MIT UMGEKEHRTEN VORZEICHEN Hannas Verwandlung von einem Mädchen aus einfachen Verhältnissen zur unabhängigen Millionenerbin lässt Danilo verstummen. Stefan Frey

Die emanzipierte Hanna Glawari und der ihre Unabhängigkeit nur schwer ertragende Danilo, beide unfähig, ihre Gefühle zu zeigen, trafen den Nerv einer neuen Generation. Hier war eine moderne Frau, finanziell und gesellschaftlich unabhängig, von Männern umschwärmt; dort ein leichtsinniger, stolzer Mann mit den lässigen Allüren eines Dandys, erschöpft von den Frauen im «Maxim». Und es gab eine gemeinsame Vorgeschichte, von den Librettisten neu erfunden, eine alte Operettengeschichte von unglücklicher, erster Liebe dieses Mannes zu einem armen Mädchen namens Hanna, die er wegen Vermögens- und Standes­ schranken nicht heiraten konnte. Das bemerkenswerte an der Lustigen Witwe jedoch ist gerade, dass solche sozialen Hindernisse keine Rolle mehr spielen. Vielmehr will die Gesellschaft die Verbindung von Hanna und Danilo um jeden Preis. Immerhin steht der pontevedrinische Staat auf dem Spiel. Ungeniert werden angesichts kapitalistischer Notwendigkeiten alle bürgerlichen Moralbe­ griffe vorerst verabschiedet. Nicht mehr die Gesellschaft verhindert die Liebe, sondern die Liebenden selbst. Beim unverhofften Wiedersehen flammt beider Leidenschaft aufs Neue heftig auf, aber es ist der Widerspruch zu ihrer jetzigen, ungebundenen Lebens­ weise, der es unmöglich macht, es dem anderen einzugestehen. Provozierend bietet das Mädchen Hanna dem Grafen Danilo an, woran die damalige Verbin­ dung gescheitert ist: Geld. Damit dreht sie die Geschlechterkonstellationen um.

24


Die Kühnheit dieser Umkehrung war eine der Sensationen dieser Romanze und konnte von Danilo nur mit einer weiteren Umkehrung beantwortet werden: Verweigerung – ein Geschlechterkampf mit umgekehrten Vorzeichen. Dabei ist den Gefühlen nicht mehr zu trauen: die echten geben sich falsch, die falschen echt. Während ihre Sehnsucht nur die falschen Worte findet, spricht die Musik umso beredter davon, wenn auch in der Maske des Märchens. Hannas ViljaLied, Danilos Ballade von den Königskindern sind verschlüsselte Botschaften. Erst im Tanz aber enthüllt sich das Triebhafte wirklich. Als Louis Treumann, der Danilo der Uraufführung, mit seiner Partnerin Mizzi Günther den berühm­ ten Walzer tanzte, wurde er vom Schriftsteller Felix Salten als Ausdruck einer Ekstase empfunden, «die ihn über das Wort, über den Gesang hinaus zum Tanz fortreisst. Er schleudert sich in den Tanz, wie einer, der von Gluthitze versengt ist, sich in ein kühlendes Bad wirft... Er scheint auch alles zu riskieren, Sturz oder Fall, oder jähen Verlust des Gleichgewichts... Charakteristisch, wie die blonde Behaglichkeit der Günther an seiner Glut in Brand gerät». Wenn Danilo im ersten Finale die tanzende Gesellschaft von der Operet­ tenbühne vertrieb, war das symptomatisch für den neuen Operettenstil. Der Tanz galt nicht mehr wie bei Johann Strauss einem tanzenden Kollektiv, sondern der Zwiesprache zweier Individuen, die sich mit Worten nicht mehr verständi­ gen können. Was «alle Schritte sagen», wird zum eigentlichen Dialog. Im Schlusswalzer der Lustigen Witwe fand der Sprachskeptizismus der Epoche eine glücklichere Lösung als sich Hugo von Hofmannsthal träumen liess – Danilo, Der Schwierige der Operette. Bei seinem ersten Auftauchen ist der Walzer laut Carl Dahlhaus «gerade darum beredt, weil er textlos bleibt; und der Text, den er als Duett im dritten Akt erhält (‹Lippen schweigen...›), besteht nicht aus Worten, die Hanna und Danilo sagen, sondern aus einem Kommentar über den Inhalt ihres Schweigens. Bereits mit seinen ersten Worten verleugnet der Text, paradox genug, sich selbst.»

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

25


Ist in der «Lustigen Witwe» der buffoneske Ton, der aus der Operetten-Tradition stammt, Ausdruck von Nähe, Präsenz und greifbarer Realität, so soll der Volkston – gerade als zitierter, aus der Erinnerung heraufbeschworener – für eine zeitlose Sphäre stehen. Dort, wo die innere Handlung an­ge­siedelt ist, scheint die Zeit stillzustehen, gleichgültig, wie überstürzt die Intrige, in die sie verflochten ist, sich im Vordergrund fortbewegt. Alles ist immer schon vorent­ schieden, und zwar, wie im Märchen, zum Guten. Carl Dahlhaus





VOM EUROPÄISCHEN GLEICHGEWICHT Im Libretto der «Lustigen Witwe» spiegeln sich die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen des beginnenden 20. Jahrhunderts. Barbara Denscher

«Das Grammophon lässt auf mancher Alp schon seine klirrenden Töne erschal­ len, die Lustige Witwe hört man in weltabgeschiedenen Bergwirtshäusern bald mehr als die Ländler, deren besonders die Innerschweiz so zahlreiche und melo­ diöse aufzuweisen hätte», klagte der Basler Kunstkritiker Jules Coulin 1913 in der Zeitschrift Heimatschutz (Heft 8, August 1913). Doch an der Popularität der Lustigen Witwe war da nichts mehr zu ändern. Über das damals noch relativ neue Medium Schallplatte und vor allem durch eine Vielzahl von Aufführungen war sie längst zu einem internationalen Sensationserfolg geworden. Von Wien, wo die Operette am 30. Dezember 1905 uraufgeführt worden war, bis London und New York, von Zürich, wo die Lustige Witwe am 2. Dezember 1906 ihren ersten Auftritt hatte, bis Sydney und Havanna wurde sie von einem vieltausend­ fachen Publikum bejubelt. Allerdings waren hin und wieder auch vehemente Stimmen gegen das Werk zu vernehmen, bei denen es nicht nur, wie für Jules Coulin, um die Gefährdung «echten Volkstums» ging. «Die politische Lustige Witwe» betitelte die Österreichische Land-Zeitung am 23. April 1909 einen Artikel, in dem berichtet wurde, dass geplante Auffüh­ rungen der Lustigen Witwe in Triest und in Pula «aus politischen Rücksichten verboten» worden waren. Man hatte Ausschreitungen befürchtet, wie es sie zuvor schon in anderen Städten gegeben hatte, so etwa im März 1908 in Sara­ jevo. Dort hatten Kundgebungen gegen die Aufführung der Operette zu hef­ tigen Strassenschlachten zwischen mehreren hundert Demonstranten und der Polizei geführt.

30


Die Proteste gegen das Werk kamen stets von serbischer Seite, meist waren es Studenten, die in der Lustigen Witwe eine «Beleidigung der serbischen Nation und des montenegrinischen Thrones» (Pilsner Tagblatt, 22. Februar 1907) sahen. Tatsächlich war es für das zeitgenössische – nicht nur serbische – Publikum leicht erkennbar, dass der Name des fiktiven Balkanstaats «Pontevedro», in dessen Pariser Botschaft der 1. Akt der Operette spielt, eine Verballhornung von «Montenegro» war. Dies war auch der ursprünglich von den Librettisten Victor Léon und Leo Stein geplante Name gewesen. Doch die Zensurbehörde, der die Lustige Witwe – so wie alle Bühnenwerke jener Zeit – vor der Uraufführung zur Genehmigung vorgelegt werden musste, hatte gefordert, dass der Landesname und jener der damaligen montenegrinischen Hauptstadt Cetinje durch «unver­ fängliche Ausdrücke ersetzt werden» müssten. Es war allerdings kaum weniger «verfänglich», dass Cetinje dann für die endgültige Librettofassung in «Letinje» umbenannt wurde. Deutliche Assoziationen zu Montenegro fanden sich noch bei weiteren Namen – vor allem bei jenen der männlichen Hauptfigur und des Botschaftsfaktotums, Danilo und Njegus. Denn Danilo hiess der damalige mon­ tenegrinische Thronfolger, der aus der in Montenegro seit Langem sehr mächti­ gen serbischen Adelsfamilie Petrović-Njegoš stammte. Auch der im Operetten­ staat Pontevedro drohende Staatsbankrott liess das zeitgenössische Publikum wohl an Montenegro denken, das sich in jenen Jahren in einer schweren finan­ ziellen Krise befand. Von serbisch-nationalistischen Kreisen wurde all dies – in jener Zeit der zunehmenden politischen Spannungen auf dem Balkan – als Provokation emp­ funden. Es wirkt in diesem Zusammenhang fast prophetisch, wenn die Wiener Neue Freie Presse am 20. März 1908 anlässlich der Kundgebungen in Sarajevo vermerkte, dass «die Tendenzen, die bei der Demonstration gegen die Lustige Witwe zum Ausdrucke kamen», in der Region sehr verbreitet seien und man befürchten müsse, «die Explosion könne in einer ernsteren Sache viel gefährli­ cher werden». Der befürchtete Ernstfall trat wenige Jahre später, am 28. Juni 1914 ein, als das Attentat eines serbischen Studenten auf den österreichischen Thronfolger zum Auslöser des Ersten Weltkriegs wurde.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

31


«’s ist etwas faul im Staate Dänemark» Mit Pontevedro war es dem Librettistenduo Léon-Stein allerdings nicht um eine vordergründige Verulkung des südslawischen, zu einem bedeutenden Teil ser­ bisch besiedelten Fürstentums Montenegro gegangen, sondern um ein ironisch verfremdetes Bild eines politisch rückständigen, von autoritären Strukturen ge­ prägten Landes. Vieles bezieht sich dabei auf Österreich-Ungarn, das zu nennen jedoch sicher nicht von der Zensur genehmigt worden wäre. Besonders anspie­ lungsreich ist jene Szene, in der Danilo seine Meinung in Sachen Ehe darlegt: «Ein Zweibund sollte stets sie sein, Doch bald stellt sich ein Dreibund ein – Der zählt oft nur nach schwachen Stunden! Vom europäischen Gleichgewicht, Wenn einer sich verehelicht, Von dem ist bald nichts mehr zu spüren, Der Grund liegt meistens nur darin, Es gibt Madame zu viel sich hin Der Politik der off’nen Türen! Jawohl, ich schild’re nicht zu stark, ’s ist etwas faul im Staate Dänemark!» Dem Publikum der Uraufführungszeit der Lustigen Witwe lieferte er damit eine verschlüsselte, aber leicht zu decodierende Analyse der aktuellen politischen Situation: Der «Zweibund» war ein 1879 zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn geschlossener Vertrag, der zur gegenseitigen Unterstützung im Fall eines russischen Angriffs verpflichtete. 1882 wurde der Zweibund dann durch den Beitritt Italiens zum Dreibund erweitert. Durch diese Bündnispoli­ tik sollte, mit einem Schlagwort der Zeit, ein «europäisches Gleichgewicht», ein Ausgleich der Mächte, hergestellt werden, der allerdings vor allem zu vermehr­ ter militärischer Aufrüstung führte. Es waren dies, ebenso wie die «Politik der offenen Türen», bei der es um Handels- und Arbeitsmarktpolitik ging, intensiv und sehr kontrovers diskutierte Themen. Danilo fand also sicher einige Zustim­ mung, wenn er meinte, dass er «nicht zu stark» schildere und dass «etwas faul im Staate Dänemark» sei – und mit diesem aus Shakespeares Hamlet entlehnten

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

32




Zitat eine Formulierung verwendete, die in den Zeitungen häufig gebraucht wurde, um auf öffentliche Missstände hinzuweisen. Auch die «Damenwahl» im Finale des 1. Aktes ist eine Szene mit realen politischen Bezügen. Denn wenn es heisst, dass die Frauen zwar «schon lange um das nämliche Recht mit dem Mann» kämpften, Hanna aber, die sich nicht an der Damenwahl beteiligen will, nichts mit ihrem «Wahlrecht» anfange, so wird damit die Frauenrechtsbewegung satirisch apostrophiert, vor allem aber zielen die Anspielungen auf die damals heftig geführte Debatte um das allge­ meine Wahlrecht. Denn durch das in Österreich-Ungarn geltende Kurienwahl­ recht hatten grosse Teile der Bevölkerung nur ein eingeschränktes oder gar kein Wahlrecht. Erst 1907 wurde ein allgemeines Wahlrecht eingeführt, das jedoch nur für Männer galt, das allgemeine Frauenwahlrecht gibt es in Österreich erst ab 1918. Gerade in den Wochen vor der Uraufführung der Lustigen Witwe war es in zahlreichen Städten Österreich-Ungarns zu Massenkundgebungen für eine Wahlrechtsreform gekommen. Das Thema war also im allgemeinen Bewusstsein sehr präsent, und vermutlich entsprach es der Stimmung von Teilen des Publi­ kums der Lustigen Witwe, wenn Hanna auf das «Agitieren» und «Affichieren» mit den Worten reagiert: «Verhasst ist mir Politik, verdirbt sie beim Mann den Charakter, so raubt sie uns Frauen den Chic.»

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben «Ganz nach Pariser Art»

Der Gegenpol zum «Vaterland», das, wie Danilo in seinem Auftrittslied betont, «genügend Müh’ und Plag» macht, ist Paris, das nicht nur in der Lustigen Witwe, sondern in der weitverbreiteten Einschätzung jener Zeit als der Inbegriff von Modernität und Liberalität galt. Paris war somit der ideale Schauplatz, um das zentrale Thema des Werkes – die Beziehung zwischen den Geschlechtern – in einer dramatischen Handlung umzusetzen. Das furiose Signal dafür gibt der sogenannte «Weibermarsch» mit seiner Refrainzeile «Ja, das Studium der Weiber ist schwer». Das brachte klare Assozia­ ­tionen zum damals aufkommenden Geschlechterdiskurs, zu Debatten um eman­ zipatorische Bestrebungen und auch jenen misogynen Haltungen, wie sie in

35


Wien besonders vehement vom Philosophen Otto Weininger, aber auch von dem mehrfach gegen die Lustige Witwe polemisierenden Schriftsteller Karl Kraus ver­ treten wurden. In der Operette werden einander zwei Frauen gegenübergestellt, die völlig konträre Weiblichkeits- und Beziehungskonzepte vertreten: Hanna und Valencienne. Hanna ist die emanzipierte Frau, die für sich durchaus provo­ kativ einen «flotten Ehestand» fordert, bei dem – «ganz nach Pariser Art» – «je­ der seine Wege» gehen könne. Sie will selbstbestimmt und unabhängig agieren, und wäre dies nicht möglich, «säh’ die Ehe anders aus», dann würde sie sich nicht darauf einlassen. Hanna ist somit nicht nur, wie ihr versichert wird, «scheidungs­ fähig», sondern vor allem auch fähig, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Valencienne nimmt die Gegenposition zu Hanna ein, ihr Idealbild von der Ehe ist ganz anders beschaffen, sie schwärmt vom «Zauber der stillen Häuslich­ keit». Die «stille Häuslichkeit» war eine zu jener Zeit häufig verwendete Meta­ pher für die traditionelle Rollenbeschränkung der Frau auf den privaten Bereich, ohne Teilhabe am öffentlichen Leben. Dieses in der konservativen Gesellschaft jener Zeit dominierende Bild der «anständigen Frau» wird auch von Valencienne vehement für sich beansprucht – obwohl sie, verheiratet mit dem pontevedri­ nischen Botschafter, sich die «stille Häuslichkeit» mit ihrem heimlichen Gelieb­ ten erträumt. Doch sie ist weder «scheidungsfähig» noch entscheidungsfähig. Es war dies eine in der Literatur jener Zeit häufig thematisierte Doppelmoral, die half, traditionelle Ehekonzepte abzusichern.

Vom «Attaché d’ambassade» zur «Lustigen Witwe» Victor Léon und Leo Stein hatten sich für ihr Libretto von der Komödie L’Attaché d’ambassade des französischen Dramatikers Henri Meilhac inspirieren lassen. Auch diese spielt in Paris, auch in dieser sind die Protagonisten eine reiche Witwe und ein Botschaftsattaché. Allerdings haben Léon und Stein in ihrer Version des Stoffes andere Gewichtungen vorgenommen, was bereits die Titeländerung deutlich macht: Ging es bei Meilhac um eine Charakterstudie des Attachés, so steht in der Lustigen Witwe die emanzipierte Frau im Fokus.

36


Bezeichnend ist auch, dass der skurrile Kleinstaat, der durch die Millionen der Witwe vor dem Bankrott gerettet werden soll, bei Meilhac das kleine deutsche Fürstentum Birkenfeld war. Für das französische Publikum des 1861 uraufge­ führten Stückes war dies, in einer Zeit zunehmender Spannungen zwischen Frankreich und den deutschen Staaten, eine deutliche politische Anspielung. In diesem Zusammenhang ist es ein bemerkenswerter historischer Zufall, dass L’Attaché d’ambassade neun Jahre vor dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 uraufgeführt wurde – und Die lustige Witwe neun Jahre vor dem Aus­ bruch des Ersten Weltkrieges. Doch dieser Zufall macht deutlich, dass derartige Werke der Populärkultur durchaus auch als aufschlussreiche Indikatoren im Rahmen einer Mentalitätsgeschichte gelesen werden können.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

37





LEHÁRS MEISTERWEK MACHT MODE Die «Lustige Witwe» löste innert kurzer Zeit ein weltweites Operettenfieber aus und nahm auch den Alltag des Publikums in Besitz. Stefan Frey

«Damals, als orgiastische Begeisterungswut sich aller Teilnehmer bemächtigt hatte, war die künstlerische Herrschaft der Operette besiegelt.» Gemeint war nicht die Uraufführung der Fledermaus, sondern die 400. Aufführung von Franz Lehárs Lustiger Witwe am 27. April 1907 im Theater an der Wien. Thomas Manns Schwager, der Musikkritiker Klaus Pringsheim, glaubte gar einem Er­ eignis «von wahrhaft heidnisch-religiösem Charakter» beizuwohnen. Diese Art von Kult, verbunden mit einem bisher unbekannten kommerziellen Erfolg, war neu und stellte selbst den Operettenenthusiasmus des 19. Jahrhunderts in den Schatten. Im Nachhinein zur «Goldenen Ära» der Wiener Operette verklärt, war diese Epoche geprägt von gediegenen Kapellmeisterkomponisten rund um die Ausnahmeerscheinung Johann Strauss – wie etwa Franz von Suppé oder Carl Millöcker, welche trotz ihrer internationalen Erfolge noch tief in der Wie­ ner Theater- und Musiktradition verwurzelt waren. Nach deren Tod schien zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch das Genre selbst am Ende zu sein, bevor dann jene im Nachhinein als «silbern» abgewertete Ära so überwältigend anhob, dass sie besagte Zuschreibung der Edelmetalle, zumindest was ihren Geldwert betraf, ad absurdum führte. Denn diesbezüglich war das «silberne» unzweifelhaft das goldene Zeitalter der Wiener Operette. Es begann am 30. Dezember 1905 mit einem Paukenschlag: der Urauffüh­ rung von Franz Lehárs Lustiger Witwe, mithin jener Operette, die eine der grössten Theaterepidemien der Geschichte auslöste. Das Ausmass ihrer Rezep­ tion entsprach bereits dem echter Massenkultur. Sowohl die geografische als

41


auch die quantitative Ausbreitung innerhalb kurzer Zeit ist bezeichnend. Bis Ende 1909 erlebte die Lustige Witwe über 18 000 Aufführungen in 422 deut­ schen, 135 englischen und 154 amerikanischen Städten, und es ist kein Zufall, dass gerade der amerikanische Erfolg entscheidend für den internationalen wur­ de. Allein am Broadway spielte sie in 416 Vorstellungen über 1 Million Dollar ein, was zur Folge hatte, dass der Broadway vor dem Ersten Weltkrieg von europäischen Operetten dominiert wurde. Und Lehárs Meisterwerk machte in Amerika richtiggehend Mode. Es gab Merry Widow-Schuhe, -Korsetts und -Cremes, ja Merry Widow-Hotels und -Restaurants, mit Merry Widow-Cakes, -Schnitzeln und -Likör auf der Speisekarte, nach denen man sich eine Merry Widow-Cigar gönnte. Der Gipfel dieser Mode aber war der wagenradgrosse Merry Widow-Hat, den Lily Elsie in ihren 778 Londoner Vorstellungen getragen hatte und den Ethel Jackson dann für New York übernahm: «Ein Hut? Nein, ein HUT! Sein Anblick versetzte jede Frau sofort in Ekstase, verbunden mit dem dringenden Wunsch, selbst so schnell wie möglich exakt denselben zu besitzen», so heisst es in einer englischsprachigen Lehár-Biografie. Als das Ma­ nagement des New Amsterdam Theatre den Besucherinnen der 275. Vorstellung diesen Wunsch tatsächlich erfüllen wollte, kam es zu einem wilden Handge­ menge, das als «The Battle of the Hats» in die Annalen des Broadway einging. Die New York Times berichtete von Angriffen «mit einer Wucht, die einer Welt­ meisterin im Frauenringkampf würdig gewesen wäre», und von älteren Damen, deren «Eifer, sich ins Gedränge zu werfen, ihre Töchter mehr als verhätschelt aussehen liess». Schlagender konnte die Funktion des Genres, dem «Fetisch Ware» zu huldigen, kaum zum Ausdruck kommen. Dass die Operette aber den Alltag ihres Publikums derart exzessiv in Besitz nahm, markiert einen Wende­ punkt ihrer Rezeptionsgeschichte. Denn damit war die Operette eines der ersten modernen Massenmedien geworden. Dass Lehárs «noch halbbewusstes Gespür für die Bedürfnisse eines anbrechenden Medienzeitalters andererseits eine Marktlücke ausfüllen halfen, die 1905 erst im Begriff war zu entstehen», so der Musikwissenschaftler Dieter Zimmerschied, verweist auf einen grundlegenden Umbruch der Vergnügungs­ industrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wie Wien mit einem Male zur Mil­ lionenstadt geworden war, war aus dem sozial homogenen, noch lokal verwur­

42


zelten bürgerlichen Publikum eines Johann Strauss ein sowohl sozial als auch lokal mobiles Grossstadtpublikum geworden, dessen Rezeptionsverhalten sich ebenso radikal verändert hatte wie die Stadt selbst. Am Prägnantesten manifes­ tierte sich das in den damals aufkommenden, mitunter jahrelangen Aufführungs­ serien. Damit es überhaupt dazu kommen konnte, musste es laut Karl Kraus «in den ersten 50 Aufführungen Leute geben, die sechs-, sieben- bis achtmal hin­ eingehen». So wurde die Operette zum kulturellen und sozialen Ritual ihrer Zeit, deren Kultstätten die zahlreichen damals neu erbauten Theater waren, so dass beispielsweise in Berlin «ein halbes Dutzend Theater von der Operette leben könnte, während ihr in Wien vier Musentempel ganz, die Volksoper sowie zwei Varietés wenigstens teilweise geweiht sind», wie der Journalist Joseph Stolzing feststellte. Dabei wurde keineswegs mehr komponiert als früher – im Gegenteil, das Repertoire beschränkte sich aufgrund langer Aufführungsserien vielmehr auf einige Zugstücke.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

43






ZEITTAFEL 1858

1898

Victor Léon (eigentlich: Victor Hirschfeld), Librettist der Lustigen Witwe, wird am 4. Januar als Sohn eines Rabbiners im slowakischen Senica geboren.

Der Opernball von Richard Heuberger (Libretto: Victor Léon) wird am 5. Januar am Theater an der Wien mit nachhaltigem Erfolg uraufgeführt. 1899

1861

Leo Stein (eigentlich: Leo Rosenstein), der das Libretto der Lustigen Witwe zusammen mit Victor Léon verfasste, wird am 25. März in Lemberg (Lwiw) geboren. L’Attaché d’ambassade von Henri Meilhac, die Vorlage zum Libretto der Lustigen Witwe, wird im Pariser Théâtre du Vaudeville uraufgeführt. 1870

Franz Lehár wird am 30. April im österreichischungarischen Komorn als Sohn eines Militärkapell­ meisters geboren.

Johann Strauss (3. Juni) und Carl Millöcker (31. Dezember), die beiden bedeutendsten Wiener Operettenkomponisten des 19. Jahrhhunderts, sterben. 1902

Mit Wiener Frauen (21. November, Theater an der Wien) und dem Rastelbinder (20. Dezember, Carl-Theater) werden in Wien Lehárs erste Operetten uraufgeführt. Den Auftrag zum Rastelbinder verdankt er Victor Léon. Das Stück ist auch wegen Louis Treumann in der Rolle des Wolf Bär Pfefferkorn ein Erfolg, der später der erste Danilo in der Lustigen Witwe ist.

ab 1882

Lehár studiert Violine am Prager Konservatorium und wird 1888 Geiger am Theater Barmen-Elber­ feld (heute Wuppertal). Im Alter von 20 Jahren wird er der jüngste Militärkapellmeister der k. u. k. Armee. Diese Karriere führt ihn durch weite Teile der österreichisch-ungarischen Monarchie und schliesslich nach Wien.

1903

1896

1905

Lehárs Oper Kukuška wird am 27. November in Leipzig uraufgeführt, findet aber nur geringe Beachtung.

Richard Heuberger, der ursprünglich als Kompo­ nist der Lustigen Witwe vorgesehen war, überzeugt die Theaterleitung nicht, woraufhin Lehár den Auftrag erhält.

Lehár lernt Sophie Meth kennen, die Tochter eines jüdischen Kaufmanns, die mit Heinrich Meth verheiratet ist. Die beiden werden ein Paar. Die Ehe von Sophie und Heinrich Meth wird 1904 geschieden. Lehár heiratet Sophie aber erst zwanzig Jahre später.


Die Uraufführung der Lustigen Witwe findet am 30. Dezember im Theater an der Wien mit Lehár als Dirigent, Mizzi Günther als Hanna Glawari und Louis Treumann als Danilo statt. 1906

Am 3. März bringt das Hamburger Neue Operet­ tentheater die Lustige Witwe als erste deutsche Bühne heraus. Am 1. Mai ist die Lustige Witwe erstmals in Berlin zu sehen und ein grosser Erfolg. Die Produktion wird dort en suite über 600 Mal gespielt. Am 2. Dezember ist die Lustige Witwe erstmals im Stadttheater Zürich zu sehen. 1907

Am 24. April findet im Theater an der Wien die 400. Aufführung der Lustigen Witwe statt. Am 8. Juni kommt The Merry Widow im Daly’s Theatre in London erstmals auf Englisch auf die Bühne. Die 778 Vorstellungen tragen ent­ scheidend zum weltweiten Erfolg des Stücks bei. Tourneen durch das Vereinigte Königreich und seine Kolonien machen Lehárs Operette rund um den Globus bekannt. Am 21. Oktober hat die Lustige Witwe in New York Premiere. Dort feiert das Stück seine grössten Erfolge.

1921

Leo Stein stirbt am 28. Juli in Wien. 1928

Erik Charell inszeniert die Lustige Witwe am Berliner Metropol-Theater als Revue-Operette. Fritzi Massary singt die Titelpartie. 1934

Ernst Lubitsch verfilmt eine eigene Fassung der Merry Widow mit Jeanette MacDonald und Maurice Chevalier in Hollywood. 1938

Adolf Hitler besucht zu Silvester die Revue-In­ szenierung der Lustigen Witwe von Fritz Fischer im Gärtnerplatztheater München. Der Danilo dieser Aufführung ist Johannes Heesters. Hitler ist von dem Werk begeistert, seit er es in der Wiener Originalproduktion mit Louis Treumann als Danilo gesehen hat. Lehárs Frau Sophie wird zur «Ehrenarierin» erklärt. Dennoch kann Lehár ihre Deportation einmal nur knapp verhindern. 1940

Victor Léon stirbt am 23. Februar in Wien. Zuvor wurden er und seine Frau dank einer Intervention Lehárs vor der Deportation bewahrt.

1909

Ab dem 28. April ist La Veuve Joyeuse schliesslich auch in der Stadt Paris ein Erfolg, in der die Handlung spielt.

1942

1912

1948

Zu grossem Reichtum gekommen, erwirbt Lehár seine Villa in Bad Ischl.

Franz Lehár stirbt am 24. Oktober in Bad Ischl.

Louis Treumann wird nach Theresienstadt deportiert, wo er am 5. März 1943 stirbt.


DOCH IHR MÄNNER ... Zur zweiten Strophe des «Weibermarschs» im Libretto der «Lustigen Witwe» und in der Inszenierung von Barrie Kosky Fabio Dietsche

Als «Weibermarsch» ist die schmissige Nummer aus dem 2. Akt der Lustigen Witwe bekannt geworden, in der sieben Männer ihren Frust darüber äussern, wie schwer es doch sei, die Frauen zu verstehen. Wenn man, wie der Entertainer Peter Alexander in einer Filmadaption aus dem Jahr 1962, einen sexistischen Blödelschlager aus dieser Nummer macht und dabei mackerhaft einer Frau den Hintern versohlt, ist das aber eine einseitige Lesart des originalen Texts. Dass die Beziehungen zwischen den Geschlechtern komplexer sind, zeigt sich im Libretto von Victor Léon und Leo Stein deutlich: Auf die erste Strophe, in der besungen wird, «wie man die Weiber behandelt», folgt dort eine zweite Strophe, in der die Männer auch sich selbst kritisieren: «Despoten» seien sie oft, «zu Seitensprüngen» geneigt, und immer wieder beschwipst. In der Praxis ist diese zweite Strophe allerdings selten anzutreffen, und auch auf den bekannten Ein­ spielungen der Lustigen Witwe ist sie in der Regel gestrichen. Eine ganz eigene Fassung, in der auch die Männer auf die Schippe genom­ men werden, hat der Operettenstar Fritzi Massary 1928 in der Revuefassung der Lustigen Witwe von Erik Charell am Berliner Metropol-Theater gesungen und aufgenommen. Hanna singt in dieser Version den «Weibermarsch» selber und frotzelt dort im zweiten Teil mit einem Ensemble von Frauen über die Macken der Männer. In der Fassung von Barrie Kosky wird die zweite Strophe des «MarschSeptetts» ebenfalls von Hanna gesungen. In einem Arrangement des Dirigenten Patrick Hahn erklingt sie am Ende der Operette, wo der Refrain «Ja, das Stu­ dium der Weiber ist schwer» in der Partitur ohnehin vorgesehen ist, als eine kleine Szene aus dem Ehealltag von Hanna und Danilo.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

50




DIE LUSTIGE WITWE FRANZ LEHÁR (1870-1948) Operette in drei Akten Libretto von Victor Léon und Leo Stein nach der Komödie «L’Attaché d’ambassade» von Henri Meilhac Uraufführung: 30. Dezember 1905, Theater an der Wien Fassung Barrie Kosky, Opernhaus Zürich 2023/24

Personen

Baron Mirko Zeta pontevedrinischer Gesandter in Paris Valencienne seine Frau Graf Danilo Danilowitsch Gesandtschaftssekretär, Kavallerieleutnant i.R. Hanna Glawari Camille de Rosillon Vicomte Cascada Raoul de Saint-Brioche Bogdanowitsch ponteverdinischer Konsul Sylviane seine Frau Kromow ponteverdinischer Gesandtschaftsrat Olga seine Frau Pritschitsch pontevedrinischer Oberst in Pension Praškowia seine Frau Njegus Kanzlist bei der pontevedrinischen Gesandtschaft Lolo, Dodo, Jou-Jou, Frou-Frou, Clo-Clo, Margot Grisetten Pariser und pontevedrinische Gesellschaft, Guslaren, Musikanten, Dienerschaft

Die Handlung spielt in Paris um 1900.


ERSTER AKT 1. SZENE NR. 1 INTRODUKTION CASCADA

Verehrteste Damen und Herren, Ich halt’ es für Gastespflicht, Den Hausherrn dankend zu feiern, Doch Redner – das bin ich nicht! Ich sag’ darum in aller Kürze, Die bekanntlich immer die Würze: Der Baron gab heute sein Bestes, Wir bringen ihm ein dreifach’ Hoch! CHOR

Dreimal hoch der Geber des Festes! Er lebe dreimal hoch! BARON ZETA

Wenn Beifall dieser Abend findet, Den man mir herzlich dargebracht, So hat dies nicht nur mich als Hausherrn, Auch als Gesandten stolz gemacht! Des Festes höhere Bestimmung Ist nicht nur Amüs’ment allein; Sie gilt dem Geburtstag des Fürsten, Dem patriotisch wir uns weihn! Bin Landesvater per procura, Drum rührt mich patriotisch dies, Denn ich bin also in figura Pontevedro in Paris.

OLGA

Aber, so lass’ mich doch! KROMOW

Kokettiere nicht! VALENCIENNE

Ich muss mit Ihnen sprechen! CAMILLE

Sie machen mich selig! VALENCIENNE

Nicht jetzt! Wenn wir allein sind! Was schreiben Sie da auf meinen Fächer? CAMILLE

Weil Sie mir verbieten, es Ihnen zu sagen, so schreibe ich: «Ich liebe dich!» ZETA

Liebe Valencienne… VALENCIENNE

Ja, mein Schatz? ZETA

Weisst du, ob Frau Glawari schon gekommen ist? BOGDANOWITSCH

Die Glawari kommt? ZETA

Jawohl! Ein diplomatischer Schachzug von mir! KROMOW

CHOR

Als Landesvater per procura Da rührt ihn patriotisch dies, Denn er ist also in figura Pontevedro in Paris!

Exzellenz sind spitz auf die 20 Millionen, die die Witwe hat… BOGDANOWITSCH

Die Witwe mit den 20 Millionen!

KROMOW

CASCADA

Olga!

20 Millionen!

OLGA

ST. BRIOCHE

Was?

20 Millionen!

KROMOW

ALLE

Du kokettierst!

20 Millionen!


VALENCIENNE

Aber das Geld liegt doch sicher auf unserer Staatsbank! ZETA

Das ist auch das einzige Geld, das dort noch liegt. Meine Herren! Konspiration! Unserem geliebten Vaterland droht der Staatsbankrott, wenn Frau Glawari einen von diesen verflixten Parisern heiratet… PRAŠKOWIA

2. SZENE NR. 2 DUETT VALENCIENNE

So kommen Sie, s’ist niemand hier! CAMILLE

Sie sehen den glücklichsten Mann in mir! VALENCIENNE

Sie denkt daran, einen von diesen verflixten Parisern zu heiraten?

Ich habe mit Ihnen zu sprechen!

CASCADA

Ich möchte Ihnen ein Wort nur sagen!

Toll, die werde ich heiraten! PRAŠKOWIA

CAMILLE

VALENCIENNE

O, still! Sie wissen, dass ich dies nicht hören will!

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Die Tochter von einem armen, verschuldeten Gutspächter heiratet einen solchen Geldsack wie den alten Hofbankier, der sie nach acht Tagen zur lachenden Witwe macht! ST. BRIOCHE

CAMILLE

Sag ich’s auch nicht, Sie hören es doch! Nur einmal möchte ich es sagen noch!

20 Millionen!

VALENCIENNE

CASCADA

Ach, liebster Freund, warum sich so quälen? Wir machen ein Ende!

Herr de St. Brioche! ST. BRIOCHE

Vicomte?

CASCADA

Sie wollen die Witwe heiraten? ST. BRIOCHE

Wenn sie mich nimmt… CASCADA

CAMILLE

Ein Ende?

VALENCIENNE

Ich will Sie vermählen! CAMILLE

Vermählen mich? Nie darf das sein! Ich liebe nur dich, nur dich allein!

Mich nimmt sei gewiss!

VALENCIENNE

KROMOW

Ach bitte schön, still! Sie wissen, dass ich dies nicht hören will!

Olga, nicht kokettieren! ZETA

Frau Glawari darf keinen Pariser heiraten! Die 20 Millionen werde ich meinem Vaterland erhalten! Die Erbschaft muss Pontevedro zufallen, und es ist süss, fürs Vaterland zu erben!

Ich bin eine anständ’ge Frau Und nehm’s mit der Ehe genau – Ich will derlei Aventüren um gar keinen Preis mehr riskieren! Es ist ja ein törichtes Spiel, Das niemals uns führt ans Ziel!


Programmheft DIE LUSTIGE WITWE Operette in drei Akten von Franz Lehár (1870-1948)

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Libretto von Victor Léon und Leo Stein

nach der Komödie «L’Attaché d’ambassade» von Henri Meilhac Premiere am 11. Februar 2024, Spielzeit 2023/24 Herausgeber

Opernhaus Zürich

Intendant

Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion

Fabio Dietsche

Layout, Grafische Gestaltung

Carole Bolli

Anzeigenverkauf

Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Handlung, das Gespräch mit Barrie Kosky, der Beitrag von Barbara Denscher und die Notiz zum «Weibermarsch» sind für dieses Programmheft entstanden. Die Zeittafel erstellte Fabio Dietsche u. a. auf der Quelle von: Stefan Frey, Franz Lehár, Der letzte Operettenkönig, Wien 2020. Die beiden Beiträge von Stefan Frey sind vom Autor durchgesehene Ausschnitte aus: Stefan Frey, «Was sagt ihr zu diesem Erfolg», Franz Lehár und die Unterhaltungsmusik im 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1999 sowie Stefan Frey, «O, ihr verfluchten Millionen», Kult und Kommerz der Wiener Operette, in: Marie-Theres Arnbom et al., Welt der Operette,

Studio Geissbühler Fineprint AG

Wien 2012. Weitere Quellen: Carl Dahlhaus, Zur musikalischen Dramaturgie der «Lustigen Witwe», in: Österreichische Musikzeit­ schrift, Band 40, Heft 12, 1985

Bildnachweise: Monika Rittershaus fotografierte die Klavierhauptprobe zur «Lustigen Witwe» am 2. Februar 2024. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Schwyz. PARTNER

PRODUKTIONSSPONSOREN AMAG Atto primo

Freunde der Oper Zürich Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Clariant Foundation PROJEKTSPONSOREN René und Susanne Braginsky-Stiftung Freunde des Balletts Zürich

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung

Ernst Göhner Stiftung

Swiss Life

Hans Imholz-Stiftung

Swiss Re

Max Kohler Stiftung

Zürcher Kantonalbank

Kühne-Stiftung GÖNNERINNEN UND GÖNNER Josef und Pirkko Ackermann Alfons’ Blumenmarkt

KPMG AG Landis & Gyr Stiftung

Familie Thomas Bär

Die Mobiliar

Bergos Privatbank

Fondation Les Mûrons

Margot Bodmer Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung StockArt – Stiftung für Musik Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Elisabeth Weber-Stiftung

Walter B. Kielholz Stiftung FÖRDERINNEN UND FÖRDERER Art Mentor Foundation Lucerne CORAL STUDIO SA Theodor und Constantin Davidoff Stiftung Dr. Samuel Ehrhardt Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG Garmin Switzerland

Elisabeth K. Gates Foundation Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Irith Rappaport Luzius R. Sprüngli Madlen und Thomas von Stockar


Unsere Kundenbeziehungen dauern rund 40 Jahre. Deshalb handeln wir nachhaltig und langfristig.

© UBS 2024. Alle Rechte vorbehalten.

Eine Bank wie die Schweiz

ubs.com/wie-die-schweiz


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.