Boris Godunow

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BORIS GODUNOW

MODEST MUSSORGSK I


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BORIS GODUNOW MODEST MUSSORGSKI (1839-1881)

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HANDLUNG Im Hof des Nowodewitschi-Klosters Russland ist ohne Regentschaft und leidet unter Gesetzeslosigkeit. Das Volk wird von einem Beamten des Zarenreiches dazu gezwungen, Boris Godunow, der sich in ein Kloster zu­rückgezogen hat, durch Bittgesänge für die Krone zu erweichen. Der Geheimschreiber der Duma, Schtschelkalow, verkündet jedoch, dass sich Boris noch immer weigere, Zar zu werden. Schtschelkalow fordert das Volk auf, Gott um Hilfe für das leidende Russland anzuflehen. Am nächsten Tag sollen sich alle im Kreml einfinden und auf weitere Anordnungen warten. Krönung – Platz im Moskauer Kreml Boris wird gekrönt. Düstere Vorahnungen holen ihn ein. Pimens Zelle – Moskauer Tschudow-Kloster Der Mönch Pimen schreibt eine Chronik über Russland. Er nähert sich dem letzten Kapitel: der Ermordung des kleinen Zarewitsch Dimitri durch Boris’ Schergen in Uglitsch. Pimen erzählt dem jungen Mönch Grigori Otrepjew, dass Dimitri heute so alt wie Grigori wäre. Befeuert durch den lebhaften Bericht Pimens, fasst Grigori den Entschluss, die Identität Dimitris anzunehmen und Boris vom Thron zu stürzen. Schenke Grigori Otrepjew ist aus dem Kloster geflohen und wird steckbrieflich gesucht. Zusammen mit zwei Bettelmönchen, Missail und Warlaam, erreicht er eine Schenke nahe Litauen. Die Schenkwirtin weist ihm den weiteren Weg. Als ihm die Polizei auf die Spur kommt, gelingt Grigori die Flucht. Moskauer Kreml – Zarengemach Boris Godunows Tochter Xenia trauert um ihren verstorbenen Bräutigam. Sein Sohn Feodor studiert eine Karte von Russland. Boris zieht eine traurige Bilanz

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seiner bisherigen Regierungszeit: Die Sympathie des Volkes vermochte er nicht zu gewinnen, Hungersnöte und Feuersbrünste setzten dem Land zu. Das Gerücht, wonach er den Zarewitsch Dimitri umbringen liess, bleibt an ihm haften. Ein Leibbojar berichtet Boris von Verschwörungen, die bis nach Polen führen und an denen auch Fürst Wassili Schuiski beteiligt sei. Schuiski erscheint selbst. Er erzählt Boris, dass an der russischen Grenze ein Thronanwärter unter dem Namen Dimitri aufgetaucht sei. Boris lässt sich von Schuiski erneut bestätigen, dass er das in Uglitsch getötete Kind mit eigenen Augen gesehen habe und es sich um den Zarewitsch Dimitri gehandelt habe. Dessen Leichnam sei unverwest geblieben, so Schuiski. In einem Anfall von Wahnsinn glaubt Boris, das blutende Kind vor sich zu sehen. Polen – Schloss von Sandomir Die polnische Prinzessin Marina Mnischek will Zarin von Russland werden. Dazu soll ihr der falsche Dimitri – ehemals Grigori Otrepjew – verhelfen, der ihr längst erlegen ist. Der Jesuit Rangoni verfolgt ähnliche Interessen: Er verlangt von Marina, Dimitri dazu zu bringen, den katholischen Glauben in Russland zu verbreiten. Bei einer Begegnung gesteht Marina Dimitri, dass sie nur an Russlands Krone interessiert sei. Sie schwenkt um, als Dimitri Marina entsetzt von sich weist. Nun gibt sie vor, ihn ebenfalls zu begehren. Rangoni ist sich sicher, dass sein Plan aufgehen wird. Moskauer Kreml Schtschelkalow verkündet der Bojaren-Duma, dass Boris das Parlament ersuche, den Usurpator unter dem Namen Dimitri zu verurteilen. Dessen Truppen haben Moskau bereits umstellt. Fürst Schuiski, der eine Intrige gegen Boris plant, berichtet von Boris’ Wahnvor­stellungen und seiner Unfähigkeit, weiter zu regieren. Als Boris selbst erscheint, führt ihm Schuiski den Mönch Pimen zu, der von Wundern am Grab des ermordeten Zarewitsch Dimitri erzählt. Diesen Schlag erträgt Boris nicht mehr. Er versucht, seinem Sohn die Macht zu übergeben und stirbt.

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Wald bei Kromy Der Bojar Chruschtschow wird vom aufständischen Volk stellvertretend für Boris gequält. Warlaam und Missail berichten von albtraumhaften, chaotischen Zuständen im Land. Zwei Jesuiten aus dem Lager Dimitris werden vom orientierungslosen Volk fast getötet. Der falsche Dimitri erscheint, und das Volk schliesst sich ihm als neuem Führer an. Der Gottesnarr sieht für Russlands weitere Geschichte «dunkle, undurchsichtige Dunkelheit» voraus.

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HISTORISCHER HINTERGRUND David Lloyd-Jones

Am 15. Mai 1591 wurde der neunjährige Zarewitsch Dimitri, der jüngste Sohn Iwans IV. (des Schrecklichen) und einzige Erbe seines Stiefbruders, des schwachsinnigen Zaren Fjodor I., von einem Messerstich tödlich verwundet im Hof des Palastes zu Uglitsch aufgefunden, einer etwa zweihundert Kilometer nördlich von Moskau gelegenen Stadt. Nach Aussage gewisser Zeugen hatte er sich während eines epileptischen Anfalls versehentlich getötet; andere behaupteten, er sei auf Befehl des Bojaren [i.e. die altrussischen Adeligen unterhalb des Ranges eines Fürsten] Boris Godu­ now, der ein Schwager Fjodors I. und damals der einflussreichste Mann in dessen Verwaltung war, getötet worden. Sobald die Nachricht von Dimitris Tod Moskau erreichte, sandte die Regie­ rung eine Untersuchungskommission unter der Leitung des Prinzen Wassili Schuiski nach Uglitsch, um einen auf das Verhör von Zeugen und beteiligter Personen gegründeten Bericht anzufertigen. Der Bericht der Kommission erbrachte keinen direkten Beweis für Boris’ Mitschuld, und nach eingehender Prüfung erklärte der Rat der Bischöfe offiziell, dass der Tod des Zarewitsch Dimitri ein Akt Gottes gewesen sei. Nach dem Tod Fjodors I. im Jahre 1598 wurde Boris Godunow überredet, die Krone anzunehmen – Boris hatte bereits als Günstling lwans IV. eine steile politische Karriere gemacht, was schon zu Lebzeiten des Zaren den Neid und Hass der Bojaren provozierte, da Boris nicht dem russischen Hochadel, sondern einem alten Tartarengeschlecht entstammte. Seine siebenjährige Regierung zeichnete sich durch wohlgemeinte Bemühungen um das Wohl seiner Untertanen aus, aber Hungersnot und innenpolitische Kämpfe untergruben seine Autorität und Popularität.

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In seinem letzten Jahr sammelte ein Prätendent auf den russischen Thron mit der Behauptung, er sei der Zarewitsch Dimitri, eine Streitmacht in Polen und marschierte in Russland ein. Boris starb im April 1605, zwei Monate bevor der sieg­ reiche Prätendent in Moskau einzog, den Sohn von Boris – jetzt Fjodor II. – ermordete und sich des Thrones bemächtigte. Kurz danach heiratete der angebliche Dimitri Marina Mnischek, die Tochter seines wichtigsten polnischen Anhängers. Im folgenden Jahr wurde er abgesetzt und nach einer Verschwörung unter Anführung des Prinzen Wassili Schuiski ermordet. Dieser wurde für die nächsten vier Jahre Zar, bis auch er abgesetzt und verbannt wurde.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben

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PARANOIA UND SCHLAFLOSIGKEIT Regisseur Barrie Kosky über «Boris Godunow», einem Polit-Thriller von Shakespearehaften Dimensionen Barrie, die Salzburger Festspiele und die Staatsoper Hamburg haben ihre Neuproduktionen von Boris Godunow in dieser Spielzeit wegen Corona ver­schoben, du hast dich hingegen bereit erklärt, dieses Projekt in Zürich trotzdem zu verwirklichen. Gehört dazu auch eine Portion Verrücktheit, oder liebst du ganz einfach die Herausforderung? Beides. Dazu kommt, dass ich ja nicht nur Regisseur bin, sondern auch Intendant an der Komischen Oper Berlin, und als Intendant musste ich mich sehr früh mit der Frage beschäftigen, ob und wie Musiktheater in dieser Pandemie möglich ist. Ich habe daher schnell auch über neue Lösungen für den Zürcher Boris Godunow nachgedacht und unser Konzept, das ich mit meinem Team während drei Jahren entwickelt habe, in meinem Kopf hin und her gewälzt und nach neuen Ansätzen gesucht. Andreas Homoki und ich waren uns einig, dass wir unbedingt versuchen müssen, diesen Boris auf die Bühne zu bringen. Es ging uns auch darum, ein Zeichen zu setzen und zu unseren Sängerinnen und Sängern zu stehen. Für mich ist es sehr wichtig, in dieser schwierigen Zeit pragmatisch und kreativ zu sein. Dennoch kamen für Andreas und mich eine neue, reduzierte Fassung von Boris für kleines Orchester, vielleicht in der Tradition von Strawinskys Les Noces mit Klavier und Schlagzeug im Graben, bei diesem Stück nicht in Frage. Von Boris Godunow heisst es immer wieder, der eigentliche Protagonist dieser Oper sei das russische Volk. Einen Chor auf der Bühne zu haben ohne Ein­haltung der Abstandsregeln, ist momentan aber nicht möglich. Als mir Andreas von der Lösung erzählte, dass Chor und Orchester vom Orchesterproberaum am Kreuzplatz live ins Opernhaus übertragen werden

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sollen und er mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, eine Inszenierung ohne Chor auf der Bühne zu machen, habe ich ihn um 24 Stunden Bedenkzeit ge­beten. Ich hatte bereits ein paar Ideen, aber sie waren noch sehr abstrakt. Unser Konzept spielt sowie­­so in einem zeitlosen Raum, in einer Bibliothek. Ich habe mir gesagt: Was wäre, wenn wir hier noch radikaler werden und unser Konzept zuspitzen? Ich will jetzt nichts verraten, aber es hat sich in den ersten Probetagen gezeigt, dass die blosse vokale Anwesenheit des Chores im Raum, als innere Stimme hochinteressant ist. Dass dieses Experiment klappen kann, hängt aber auch mit der Dramaturgie des Stücks zusammen: Der Chor agiert sowieso ziemlich unabhängig von den Haupt­ darstellern. Mussorgski denkt in grossen Tableaux. Das Volk ist in dieser Oper für das politische Spiel der Mächtigen sowieso irrelevant. Das Volk ist ein eigener Kosmos. Das gilt aber auch für die Hauptdarsteller, deren Wege sich zum Teil nie kreuzen – ganz anders als in Opern von Mozart, Puccini oder Janáček, die von den Interaktionen der Figuren leben. Das macht es für uns geradezu zum perfekten Corona-Stück. Durch die Abwesenheit des Chores und das Fehlen des Spektakels wird die Einsamkeit der Figuren noch deutlicher, denn diese äussern sich hauptsächlich in Mo­ nologen. Sie sind einsame Planeten, von Melancholie und Trauer umgeben. Mussorgski interessiert das persönliche Schicksal dieser Individuen, deren Emotionen. Seine Musik ist für mich die Musik der Träume und Halluzinatio­nen. Mussorgski träumt russische Geschichte, ohne uns eine trockene Geschichtslektion zu verpassen. Er malt eine Landschaft aus Angst, Paranoia, Misstrauen und Schlaflosigkeit, einen Polit-Thriller ganz ohne Dogma. Ich habe mir für Zürich die lange Fassung mit dem Polen-Akt und dem Re­volutionsbild gewünscht, in der Instrumentation von Mussorgski. Hier ent­wirft Mussorgski ein breites gesellschaftliches Panoptikum. Wir erleben den Zaren mit seinen Kindern im Palast, tauchen in die religiöse und politische Welt ein, eine Wirtin erscheint, dann eine polnische Prinzessin, allesamt verlorene Menschen. Man fühlt die Last der Geschichte auf den Schultern dieser Menschen.

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Was ist für dich das Besondere an Mussorgski als Komponist? Mussorgski hat dieses atemberaubende Verständnis für psychologische Vorgänge. Er ist der einflussreichste russische Komponist überhaupt, am ehesten noch mit Strawinsky im 20. Jahrhundert vergleichbar. Alle waren sie von ihm fasziniert: Rimski-Korsakow, Schostakowitsch, auch Tschaikowski insgeheim, obwohl ihm Mussorgski wohl zu radikal erschien. Mussorgski galt zu seinen Lebzeiten als ein Komponist, der sein Handwerk nicht richtig verstand, dessen chaotischen Arbeitsprozess man beargwöhnte, und der angeblich nicht für Stimmen komponieren konnte. Die sehr besondere harmonische Struktur, die seltsame Klangwelt und ungewöhnliche Orchestrierung seiner Werke verstörten. Aber Mussorgski war seiner Zeit voraus und vermittelt uns einen Hauch von dem, was dann später im 20. Jahrhundert richtig explodieren wird. In Boris Godunow experimentiert Mussorgski mit einer Theaterform, die gegen die Belcanto-Tradition geht, gegen die Barock­-Tradition, gegen den Wagnerismus. Er erschafft etwas vollkommen Neues, auch wenn er natürlich aus der russischen Oper kommt und in der Tradition von Glinka steht: Das Stück ist eine Kombination aus russischem Verismo und einem Parlando-­Ton, den Debussy und Janáček im 20. Jahrhundert weiterentwickeln sollten. Eine der unkonventionellsten Szenen in Boris Godunow ist die Krönungs­ szene. Während Boris die Zarenkrone erhält, erleben wir ihn nicht als strahlenden Helden, sondern Mussorgski lenkt den Blick in dessen Inners­tes: Boris’ Seele «zittert». In dieser Deutlichkeit steht das nicht bei Puschkin, dessen gleich­namiges Theaterstück Mussorgski als Vorlage diente. Das ist eben die Genialität Mussorgskis und ein Beweis für seinen Theater­instinkt. Man erwartet den grossen Auftritt von Boris, das ganze Spektakel mit den Glocken und den Jubel-Rufen des Chores – und was macht Mussorgski? Boris hebt an mit einem melancholischen Monolog, gewissermassen seiner Winterreise. Wir er­leben einen verängstigten, misstrauischen Menschen, der zum Zeitpunkt der Inthronisation bereits gescheitert ist. Gleichzeitig ist der Jubel der Menge ja nicht ungebrochen, wie es in Opern von Borodin

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oder Glinka der Fall wäre, sondern die «Slava»-Rufe sind genauso vorgespielt. Das Volk wurde zum Jubeln gezwungen. Die Menschen haben Angst – alle haben Angst. Boris ist ein Machtmensch, der Sünden auf sich geladen hat und ver­ mutlich mit dem Zarewitsch Dimitri ein Kind getötet hat. Und dennoch entsteht die paradoxe Situation, dass wir mit ihm leiden und Sympathie für ihn empfinden. Das ist purer Shakespeare, wie wir es von seinem Richard II., Richard III. oder Macbeth kennen: Durch die emotionale Ehrlichkeit, durch die Komplexi­ tät der psychologischen Dimension wird ein zunächst unsympathischer Typ zu einem Menschen, dessen Leid wir teilen. Der historische Boris hat für Russland ja auch viele gute Dinge gemacht, aber auch viele furchtbare, wie fast alle Diktatoren. Mussorgskis Boris hat mehrere Gesichter. Er ist ehrgeizig und ein Manipulator, ein skrupelloser Machtmensch und gleichzeitig be­ sorgter Staatsmensch. Ein Zweifler, dessen schlechtes Gewissen und Schuld ihn niederdrücken. Damit kann er nicht um­gehen. Das ist eben Mussorgskis Genie, dass er eine historische Geschichte schreibt – die Geschichte von Boris Godunow, die aber letztendlich eine sehr persönliche und tieftragische Geschichte ist. In dieser Oper wird Geschichte nicht nur leibhaftig erlebt, sondern durch die Figur des Mönchs Pimen auch aktiv niedergeschrieben. Welcher andere Komponist würde sich trauen, eine fast 20-minütige Szene über einen alten Mönch zu schreiben, der an der Chronik Russlands sitzt? Was für eine kühne Idee! Ich kenne nichts Vergleichbares in der Opernliteratur. Dramatisch passiert eigentlich nichts. Und trotzdem ist kein einziger Takt belanglos, sondern alles ist hochemotional und hochkomplex. Als Zuschauer sitzt man gebannt auf der Stuhlkante. Das Dokumentieren des Erlebten hat sich Pimen zu seiner Lebens­aufgabe gemacht. Er weiss, dass er bald sterben und mit seinem Opus magnum wohl nie zu Ende kommen wird. Die Szene führt uns aber zu einer noch viel grösseren Frage, die dieses Stück aufwirft, nämlich: Wer schreibt eigentlich Geschichte und für wen? Wie wird

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sie interpretiert und wie erinnert? Was ist die Wahrheit? Geschichte ist nie objektiv. Geschichte ist für mich wie eine Parade von Geistern. Es ist eine theatralische Metapher und die Protagonisten der Geschichte gleichsam die Geister auf dieser Bühne, die ihre Versionen der Ereignisse zu artikulieren versuchen. Gemeinsam mit meinem Bühnenbildner Rufus Didwiszus sind wir daher auch auf die Bibliothek als Raum gekommen, einem magischen Ort. Und da kann es durchaus sein, dass die Bücher, dass die Geschichte zu singen anfängt... Boris Godunow spielt in der sogenannten «Zeit der Wirren», eine Zeit der Destabilisierung der Gesellschaft und der instabilen Machtverhältnisse. Gibt es für dich Parallelen zu heute? Wir spielen dieses Stück während der schlimmsten Pandemie der vergangenen 100 Jahre – da gibt es ein ähnliches unsicheres Grundgefühl. Kommt dazu, dass wir mitten in der Probenzeit von den Ereignissen in Weissrussland eingeholt wurden. Man geht nach Hause, sieht im Fernsehen die Bilder, hört, was die Menschen dort sagen, was Lukaschenko sagt – es ist fast eins zu eins das, was wir auch im Boris erleben. Ich muss das in meiner Inszenierung nicht aktualisieren, denn die Worte und die Situationen sprechen für sich selbst. Zeitlosigkeit ist immer ein Zeichen von grosser Kunst. Das sehen wir bei Shakespeare, Euripides, Tschechow, den guten Brecht-Stücken, bei Mozart, Verdi, Wagner oder Janáček. Mussorgski geht mit dem letzten Bild der langen Fassung, der Szene bei Kromy, noch einen Schritt weiter, indem er eine Art Apokalypse be­ schreibt – eine Szene, die bei Puschkin nicht vorkommt. Ein ausgelassener Mob tobt, die Mönche Missail und Warlaam werden zu apokalyptischen Wanderpredigern: Die Welt sei «ins Wanken geraten». Das Bild von Kromy ist eine dystopische Beschreibung einer Gesellschaft, die komplett auseinanderbricht. Eine verkehrte Welt, eine Welt der Selbstjustiz, der sinnlosen Gewalt und des Chaos. Dass nach der atemberaubenden Todesszene von Boris überhaupt noch etwas kommen kann, ist eigentlich unvorstellbar. Aber in Kromy kollidiert alles auf einer höheren Ebene. Am Ende singt dann der Narr. Eine fast vierstündige Oper über Boris Godunow und über

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ein Kapitel russischer Geschichte – und wer hat das letzte Wort? Der Narr. Einfach genial. Welche persönliche Bedeutung hat Boris Godunow für dich? Mein Grossvater kam aus Weissrussland. Von ihm habe ich als Teenager alte russische Schallplatten geerbt, darunter war auch die berühmte Aufnahme mit Schaljapin als Boris aus den 1920er-Jahren. Man kann sich heute kaum vorstellen, welcher Star Schaljapin damals war und welch ein hervorragender Darsteller! Schaljapin hat sogar Filme gedreht, russische Schauspieldirektoren wollten ihn für ihre Stücke engagieren. Seine Deklamation war unerreicht. Er hat sich nicht davor gefürchtet, ungewöhnliche oder unmusikalische Töne zu produzieren. Die Halluzinationen, wenn Boris das tote Kind vor sich sieht, die Todesszene, die Schaljapin so grandios gesungen hat, haben mich damals absolut verzaubert. Durch diese Stimme habe ich Mussorgski, ja die Oper insgesamt, kennen- und liebengelernt. Meine ungarische Grossmutter hat Schaljapin übrigens noch selbst auf der Bühne in Budapest erlebt! Was schätzt du an Michael Volle, der jetzt den Zürcher-Boris singt? Es war mein Wunsch, Michael dafür anzufragen. Ich musste ihn dazu richtiggehend überreden, denn sein Einwand war natürlich sofort, dass Boris eine Rolle für einen Bass sei und also nicht für seine Stimmlage. Doch das ist ein Missverständnis. Mussorgski schrieb die Rolle ursprünglich für einen Bariton oder Bassbariton, denn bei der Uraufführung wurde Boris von Iwan Melnikow verkörpert, der auch Graf Tomski in Tschaikowskis Pique Dame sang – eine Baritonpartie. Mussorgskis Intention war wahrscheinlich, Boris’ Stimme irgendwo zwischen Pimen, der die eigentlich grosse Bassrolle in diesem Stück ist und Warlaam, anzusiedeln. Wären alle drei Bässe, würde es eindimensional. Für mich bringt Michael etwas auf die Bühne, was kein Bassist, der normalerweise Philipp II. aus Don Carlos singt, erfüllen kann: Michael hat einen Wotan, einen Hans Sachs und einen Fliegenden Holländer in seiner Seele. Das ist eine Dimension, die man nicht inszenieren kann. Das Gespräch führte Kathrin Brunner

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MUSSORGSKI URTEILT NICHT Ein Gespräch mit dem Dirigenten Kirill Karabits Kirill, Modest Mussorgskis Boris Godunow begleitet dich schon lange. Was macht seine Faszination für dich aus? Ich habe die Oper zwar bereits in der Schule kennengelernt, aber erst mit der Zeit habe ich verstanden, warum es ein so wichtiges Werk ist und wie aktuell es ist. Wenn man sich heute die Nachrichten anschaut, sieht man ähnliche Probleme. Als Ukrainer kann ich ein Lied von der Problematik zwischen Russland und der Ukraine singen. Im Stück sind dieselben Schwierig­keiten und Spannungen beschrieben, die territorialen Fragen, die Machtstrukturen. Das Volk, das von Mächtigen manipuliert werden kann und das sich dann mobilisieren lässt, um gegen «Feinde» zu kämpfen. Auch Mussorgskis Charaktere: Ich kenne diese Typen aus meinem Alltag, man trifft sie in der Ukraine oder in Russland auf den Strassen an, verzweifelte, traurige, ein wenig labile Charaktere, Menschen, die aus dem Kloster geflohen sind und vielleicht ein wenig trinken – Mussorgski hat die DNA dieser Menschen verstanden. Er war ganz nah an den Menschen. Mussorgski war ein genialer Musikdramatiker. Sein Spiel mit den Klangfarben ist umwerfend, jedes einzelne Bild in Boris Godunow hat eine unverwechselbare musikalische Atmosphäre. Damals hat man gedacht, die Partitur von Boris Godunow sei un­spielbar. Mussorgski übertreibt vielleicht manchmal ein wenig, das stimmt... Kannst du ein Beispiel geben? Er verlangt beispielsweise ein dreifaches Forte für die Holzbläser und gleichzeitig ein Piano für die Streicher. Man neigt dazu, das als Fehler zu begreifen und die Dynamik anzupassen. Aber je länger ich mich mit dieser Partitur auseinandersetze, desto besser verstehe ich, dass diese Eigenheiten Sinn machen und ganz schön raffiniert sind. Mussorgski will eben eine

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bestimmte musikdramatische Geste und versucht das durch das Orchester in Töne zu übersetzen – wenn er das Lachen imitiert, braucht er dafür eben eher die Holzbläser als die Streicher. Man muss als Dirigent vielleicht manches etwas adaptieren, aber niemals korrigieren. Genau das hat ja Nikolai Rimski-Korsakow getan, als er das Werk zwei­ mal neu instrumentierte. Er sprach von «groben Harmonien», von «ab­gerissenen melodischen Phrasen», «bescheidener Instrumentation» und «technischer Schwäche» bei Mussorgski… Er hat Mussorgskis Partitur mit seiner Version das Interessanteste wegge­ nommen! Die Schärfe und Radikalität fehlen komplett. Das war dann später wiederum die Motivation für Schostakowitsch, nochmals eine neue Instru­­men­tierung zu schreiben. Schostakowitsch hat das Drama auf seine Weise wieder ins Stück zurückgeholt. Das Romantische des 19. Jahrhunderts fällt bei Schostakowitsch aber vollkommen weg, denn stilistisch gibt es Momente in Mussorgskis Partitur, die eindeutig ins 19. Jahrhundert gehören, auch wenn das Werk avantgardistisch wirkt. Stilistisch ist also auch Schosta­kowitsch weit weg von Mussorgski. Man muss Rimski-Korsakow aber für seine Ver­ sionen dankbar sein, denn er hat Boris Godunow für uns gerettet. Seine zweite Version, die er für Sergej Diaghilews Saison Russe 1908 in Paris geschrieben hat, brachte dem Werk dann endlich auch den internationalen Erfolg ein. Das Moskauer Bolschoi-Theater spielt Boris Godunow übrigens bis heute ausschliesslich in der Fassung von Rimski-Korsakow – das Werk wurde dort noch kein einziges Mal in der Instrumentierung von Mussorgski aufgeführt. Für mich ist es aber wichtig, zur Originalsprache zurückzufinden und herauszu­finden, was Mussorgski wichtig war und was er wollte.

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Bei Mussorgski hat man den Eindruck, er sei wie ein Meteorit auf die Welt gefallen. Seine Musik ist so authentisch und mit nichts zu ver­gleichen. Wie erklärst du dir diese künstlerische Eigenständigkeit? Das kann man nicht erklären. Mussorgski war einfach ein begabter Mensch. Er war ja Autodidakt und besuchte kein Konservatorium. Seine Freundschaft zu Rimski-Korsakow und zu den anderen Kollegen des Mächtigen Häufleins

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hatte anfangs natürlich einen grossen Einfluss auf ihn. Sie haben intensiv miteinander kommuniziert und voneinander gelernt. Aber Mussorgski stand dennoch immer abseits. Was ihn besonders interessierte, war die russische Identität und Kultur. Daher hat er auch für seine beiden grossen Opern Boris Godunow und Chowantschtschina diese merkwürdige historische Zeit der «Smuta» ausgesucht, was man am besten mit «chaotische Zeit» übersetzt – das Ende des russischen Mittelalters. Es ist eine Epoche, in der nicht klar war, was richtig ist, was falsch, wer recht hat, wer gut ist und wer schlecht. Mussorg­ski wählte diese Zeit, um an die Wurzeln des russischen Wesens zu gelangen und durch die Vergangenheit seine eigene Zeit zu verstehen. Das war seine wichtigste Motivation. Woher kommen die Probleme? Warum stehen wir da, wo wir heute stehen? Das sind die Fragen, die er in den Raum stellt. Aber Mussorgski urteilt nie. Ob Boris bei Mussorgski ein positiver Zar ist oder nicht, wissen wir nicht. Mussorgski zeigt uns alles Gute und Schlechte im Menschen gleichzeitig. Mussorgski vertrat klare ästhetische Positionen. So ging es ihm immer um den Wahrheitsgehalt, um die Wahrhaftigkeit, und nie um blosse Schönheit in der Kunst. Das unterscheidet ihn auch diametral von Tschaikowski, der primär die Schönheit gesucht hat, auch wenn er Dramen schrieb. Tschaikowski hat Mussorgski aber auch nie wirklich verstanden. Er hatte die Partitur von Boris in der Hand – aber sie sprach nicht zu ihm. Mussorgski suchte die Wahrhaftigkeit auch in der vokalen Linie. Sie sollte so gestaltet sein, wie Menschen sprechen. Und die singen keine Arien... Das war für ihn ein zentraler Punkt! In seiner frühen Oper Die Heirat nach Gogol hat er richtiggehend herumexperimentiert, was die Sprache angeht. Er hat die menschliche Rede gleichsam durch Melodien imitiert. Mussorgski wollte, dass alles so natürlich wie möglich klingt und dass Musik, Sprache und Sprachinhalt eng miteinander verbunden bleiben. Das ist etwas völlig Neues, das es in dieser Form noch nie gegeben hat. Diese verschiedenen Sprach­mas­ ken hört man auch in Boris Godunow: Jede Figur hat ihren eigenen Tonfall.

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Von Boris Godunow gibt es nicht nur die eine Oper, sondern Mussorgski hat mehrere Fassungen erstellt – in der revidierten Neuausgabe von Michael Rot, die unserer Zürcher Aufführung zugrunde liegt, liegen ins­ gesamt sechs vollständige Fassungen vor. Welche Kriterien waren für dich und Barrie entscheidend bei eurer Version für Zürich? Barrie wollte unbedingt die gesamte Musik von Mussorgski präsentieren, also auch den Polen-Akt und «Waldlichtung bei Kromy». Da wir in der Rolle des Zarewitsch Fjodor einen Knabensopran haben wollten, was etwas sehr Besonderes ist, haben wir uns auf die Urfassung von 1869 als Grundfassung geeinigt, da in der späteren Version von 1872 diese Rolle für einen Mezzo­ sopran umgeschrieben wurde. Diese Urfassung haben wir dann mit dem Polen-Akt und dem letzten Bild «Kromy» von 1872 ergänzt.

Das komplette Programmbuch Mussorgskis erste Fassung wurde von der Kommission des kaiserlichen können Sie auf Theaters mit der Begründung abgelehnt, dass man nicht nur Arien, sondern auch eine weibliche Hauptrolle vermisse. Mussorgski liess sich dann www.opernhaus.ch/shop von seinen Freunden zu weiteren Umarbeitungen überreden. Es entstand u.a. der Polen-Akt, der die Geschichte des Prätendenten Di­ oder Vorstellungsabend im Foyer mitriam weiter erzählt. Die Puristen unter den Mussorgski-Anhängern rümpfen gerne die Nase über diesen Polen-Akt und argumentieren, dass Mussorgski ein Zugeständnis an die Opernkonvention gemacht des hier Opernhauses erwerben habe. Diese Aufgabe hat er aber mit Kunst und Begeisterung gemeistert! Man spürt nicht, dass dies für Mussorgski eine blosse Pflichtübung gewesen wäre. Natürlich gibt es viele schöne Melodien und mit Marina Mnischek auch eine Frauenstimme inmitten dieser vielen tiefen Männerstimmen. Aber was für Klangfarben erfindet er in diesem Akt! Das geht schon sehr in die Richtung des französischen Impressionismus und muss auch Debussy angezogen haben, der ja ein glühender Verehrer dieser Oper war. Es ist klar: Mussorgski wollte seine Musik auf der Bühne erleben und nicht, dass sie im Schreibtisch in Vergessenheit gerät. Meiner Meinung nach hat er die Urfassung in sich aber einfach weiterentwickelt. Pläne zum zweiten Bild des Polen-Aktes hatte Mussorgski übrigens bereits von Anfang an.

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Auch inhaltlich ist dieser Polen-Akt ja nicht konventionell angelegt. Wir erleben keine typische Liebesgeschichte zwischen Dimitri und Marina, sondern Mussorgski zeigt die toxische Verbindung von Erotik, Politik und – durch die zwielichtige Jesuiten-Figur Rangoni – der Kirche. Es ist einfach durch und durch wahr, was Mussorgski hier schreibt. Er hat keine Angst vor der Wahrheit, und das ist der Grund, warum diese Musik heute so modern klingt. Ein grosses Thema dieses Stücks ist auch die Frage, wie sich die Menschen zur Macht verhalten und was sie auslöst. Boris ist als Machtinhaber er­ schütternd einsam. Ja. Da hat ein mächtiger Mensch einfach alles, was er will, aber er kann nicht glücklich sein. Interessant ist doch, dass Boris’ Macht sofort dahinschmilzt, wenn es um Verantwortung und Schuld geht. Boris bewegt sich stets zwischen diesen Extremen. Du hast ja als Dirigent auch eine Machtposition... Dirigent zu sein, bedeutet für mich aber nicht in erster Linie, Macht auszuüben. Es ist klar, dass eine so grosse Oper wie Boris Godunow nicht ohne Dirigent funktionieren kann. Daher hat der Dirigent selbstverständlich die Macht, Leute zu koordinieren – aber mehr Macht brauche ich nicht. Was ich brauche, ist eine Atmosphäre, in der ich die Ausführenden motivieren kann und zu einem interessanten Ergebnis komme. Das gelingt mir aber nicht ohne Hilfe des Orchesters und der SängerInnen. Ich bin genauso von ihnen abhängig. In der aktuellen Situation ist deine Abhängigkeit coronabedingt von an­ deren Menschen noch extremer. Du stehst als Dirigent nicht im Graben, sondern in unserem Orchesterprobensaal am Kreuzplatz und leitest von dort aus über eine Live-Schaltung die Aufführung. Wie ist das für dich? Es geht in diesem Falle nicht nur um mich. Ich mache, was ich machen muss, für den Rest gibt es viele wunderbare andere Leute hier am Haus. Es ist unglaublich, was sie alle geschafft haben, besonders die Tonabteilung. Ich

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hatte von Anfang an vollstes Vertrauen in sie und möchte mich in ihr Metier nicht einmischen. Wenn alle ihr Bestes geben, können wir zu einem hoch­ interessanten Ergebnis kommen. Wir müssen einander vertrauen. Um nochmals auf Boris zurückzukommen: Vertrauen in andere Menschen hat Boris nicht. Vertrauen kann er erst, wenn er schon sehr schwach ist und eigentlich keine andere Wahl mehr hat – wie traurig. Das Gespräch führte Kathrin Brunner

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DAS OPFER F. M. Dostojewski

«Stelle dir einmal vor», sprach Iwan, «du selber leitetest den Aufbau des Menschheitsschicksals in der Absicht, schliesslich alle Menschen zu beglücken, ihnen allen endlich Frieden und Ruhe zu geben; die unbedingte und unausweichliche Vorbedingung zur Erreichung dieses Zieles wäre aber – so stelle dir einmal vor –, dass du, wenn auch nur ein einziges, winziges Geschöpfchen quälen müsstest, nehmen wir an, gerade dieses selbe Kindchen, das sich mit seiner kleinen Faust an die Brust schlug, um auf seinen ungesühnten Tränen diesen Bau aufzurichten, würdest du unter diesen Bedingungen einverstanden sein, der Bauherr dieses Baues zu sein? Sprich und sage die Wahrheit! «Nein! Ich würde nicht damit einverstanden sein», sprach leise Aljoscha. «Und kannst du dich denn bei dem Gedanken beruhigen, dass die Menschen, für die du baust, selber damit einverstanden wären, ihr Glück in Empfang zu nehmen auf Grund des nicht gerechtfertigten Blutes des kleinen Märtyrers, und dass, wenn sie es unter solchen Umständen angenommen hätten, sie nun auch auf ewig glücklich bleiben?» «Nein, dabei kann ich mich nicht beruhigen, Bruder», sprach plötzlich mit funkelnden Augen Aljoscha.

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DIE BIBLIOTHEK VON BABEL Jorge Luis Borges

Das Universum, das andere die Bibliothek nennen, setzt sich aus einer undefinierten, womöglich unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen, mit weiten Entlüftungsschächten in der Mitte, die mit sehr niedrigen Geländern eingefasst sind. Von jedem Sechseck aus kann man die unteren und oberen Stockwerke sehen: grenzenlos. Zwanzig Bücherregale, fünf breite Regale auf jeder Seite, verdecken alle Seiten ausser zweien: ihre Höhe, die sich mit der Höhe des Stockwerks deckt, übertrifft nur wenig die Grösse eines normalen Bibliothekars. Eine der freien Wände öffnet sich auf einen schmalen Gang, der in eine andere Galerie, genau wie die erste, genau wie alle, einmündet. Links und rechts am Gang befinden sich zwei winzig kleine Kabinette. In dem einen kann man im Stehen schlafen, in dem anderen seine Notdurft verrichten. Hier führt die spiralförmige Treppe vorbei, die sich abgrundtief senkt und sich weit empor erhebt. In dem Gang ist ein Spiegel, der den äusseren Schein verdoppelt. Die Menschen schliessen gewöhnlich aus diesem Spiegel, dass die Bibliothek nicht unendlich ist; ich gebe mich lieber dem träumerischen Gedanken hin, dass die polierten Oberflächen das Unendliche darstellen und verheissen… Licht spenden ein paar kugelförmige Früchte, die den Namen «Lampen» tragen. Es gibt deren zwei in jedem Sechseck, seitlich angebracht. Das Licht, das sie aussenden, ist unzureichend, unaufhörlich. Wie alle Menschen der Bibliothek bin ich in meiner Jugend gereist; ich habe die Fahrt nach einem Buch angetreten, vielleicht dem Katalog der Kataloge; jetzt können meine Augen kaum mehr entziffern, was ich schreibe; ich bin im Begriff, nur ein paar Meilen von dem Sechseck, wo ich geboren ward, zu sterben. Wenn ich tot bin, wird es nicht an mitleidigen Händen fehlen, die mich über das Geländer werfen werden; mein Grab wird die unauslotbare Luft sein; mein Leib wird immer tiefer sinken und sich in dem von dem Sturz verursachten Fallwind zersetzen und auflösen.

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DIE WAHRHEIT DES NARREN Wieviel «Volksoper» steckt in der Puschkin-Vertonung «Boris Godunow» von Modest Mussorgski? Marco Frei

Seine Worte sind hochbrisant und zeitlos aktuell. «Fliesset, fliesset, bitterliche Tränen, / weine, weine, rechtgläubige Seele. / Denn der Feind kommt bald /  und das Dunkle kommt, / dunkle Dunkelheit / undurchsichtige. / Wehe, Russi­ sches Reich, / weine, weine, russisch Volk, / du hungernd Volk!» Das singt, in wört­­licher Übersetzung, der «Jurodiwy» in der Zaren-Oper Boris Godunow von Modest Mussorgski nach der gleichnamigen, 1831 publizierten Tragödie von Alexander Puschkin. In Russland avancierte diese Klage zu einer heimlichen Hymne, ähnlich wie in Italien der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi. Diese kurze Klage bringt tatsächlich die Geschichte Russlands als langes, leidvolles Kontinuum auf den Punkt. In dieser Lesart ist die Puschkin-Vertonung Mussorgskis eine «Volksoper» und der «Jurodiwy» die Stimme des Volkes. Genau das hat die Rezeption dieses Werks lange massgeblich geprägt, und zwar nicht nur im einstmals kommunistischen Osten Europas. Es sind Zweifel angebracht, und das beginnt schon mit dem «Jurodiwy». Er ist zuallererst eine Besonderheit der russischen Kultur und als solche fraglos eine Schlüsselfigur: sowohl in der Vorlage Puschkins als auch in Mussorgskis Oper. Er ist nicht einfach ein «Schwachsinniger», wie er oft in deutschsprachigen Übersetzungen benannt wurde, sondern ein «Gottesnarr». Allein das Wort impliziert den religiös-kulturellen Hintergrund. Seine Wurzeln reichen bis weit in das 15. Jahrhundert zurück. Schon 1589 findet sich eine Beschreibung russischer Gottesnarren, aus der Feder des englischen Wander-Dichters Giles Fletcher. Demnach gebe es in Russ-

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land «gewisse Eremiten, die splitternackt herumlaufen, abgesehen von einem Lappen um den Bauch, und ihr Haar hängt ihnen lang und wild über die Schul­ tern. Und viele von ihnen haben die Halseisen oder eine Kette um den Hals und um den Bauch, und das auch im tiefsten Winter.» Sie würden von den Russen für «Propheten oder Männer von grosser Heiligkeit» gehalten, so Fletcher weiter. Ihnen sei die Freiheit gegeben «zu reden, was sie unkontrolliert von sich geben». Der «Jurodiwy» steht in der Tat für die visionäre Verkündung der Wahrheit. Er drückt aus, was andere nicht sagen dürfen oder sich nicht zu sagen ge­trauen. Mehr noch: Er ahnt, was anderen komplett verborgen bleibt. Wer die Worte des «Jurodiwy» verstehen möchte, muss sich allerdings erst durch ein kryptisches Gewirr aus grotesken Skurrilitäten mühen. Dahinter verbirgt sich die nackte Wahrheit. Der Gottesnarr spielt den Toren, um vielfach das Böse und Ungerechte aufzudecken. In diesem Sinn ist er fast schon ein Anarchist, zumal er jedweder Konvention spottet. Bei Puschkin und Mussorgski spricht der Gottesnarr aus, was allgemein ge­tuschelt wird. «Ich darf nicht beten für den Zar Herodes! Unsre Gottes­mutter duldet’s nicht.» [Das Zitat stammt aus der Szene St. Basilius-Ka­the­drale, die in der Zürcher Fassung nicht vorkommt, Anm. d. Red.] Damit klagt der Gottes­ narr nicht nur den Zaren Boris öffentlich als Kindsmörder an, sondern dringt zugleich tief in dessen Psyche ein. Der Gottesnarr ist eben nicht nur einfach die Stimme des – unterdrückten – Volkes, sondern vielmehr des – kollektiven wie auch persönlichen – Gewissens. Das ist ein erheblicher Unterschied. «Aus Spöttern werden oft Propheten», lässt William Shakespeare in der Dritten Szene des Fünften Aktes aus King Lear die Königstochter Regan aussprechen, und hier knüpft Puschkin mit seinem Gottesnarren an. Nicht nur die Integration des Narren, sondern der Boris-Stoff schlechthin scheint einer Machtund Königstragödie von Shakespeare entsprungen. Das ganze persönliche wie kollektive Boris-Drama dreht sich um die eine zentrale Frage: Hat Godunow, der Schwiegersohn Iwan des Schrecklichen, dessen jüngsten Sohn Dmitri Iwanowitsch in Uglitsch ermorden lassen? Wenn ja, dann tat er es, um nach dem Ableben des schwachsinnigen Zaren und Dimitri-Bruders Fjodor Iwanowitsch die Macht an sich zu reissen. Wenn nein, dann wäre der «Falsche Dmitri» oder auch «Pseudo-Demetrius» tatsächlich nur ein polnisches Täuschungsmanöver.

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Diese Frage wird von Puschkin wie auch von Mussorgski klar bejaht, weil sie ihrerseits der Darstellung von Nikolai Karamsins Geschichte des Russischen Reiches von 1818 folgen. Sie geht von der Blutschuld Boris’ aus, und demzufolge ist sein tragisches Ende unabänderlich. Es geht um Macht und Machtmissbrauch, Schuld und Sühne, Sinn und Wahnsinn. In diesem gefährlichen Gebräu erscheint der Gottesnarr allgemein wie ein Seelen-Chronist. Den Gottesnarren hat Puschkin erstmals in die «Hohe Kunst» Russlands eingeführt, um damit eine ganze Tradition einzuläuten. Es geht um die kritische «Wächter-Funktion» der Kunst in der Gesellschaft, nicht immer zum Wohlgefallen der Mächtigen. Diese gesellschaftskritische Rolle der Kunst ist genauso ein Spezifikum der russischen Kultur wie der Gottesnarr. Sie lässt sich nachweisen vom Zarenreich über den Sowjet-Kommunismus bis hin zum heutigen Russland. Der Slawist Kay Borowsky spricht auch von einer «Stellvertreter-Funktion». Es werde nämlich ausgedrückt, was den «Sprachlosen, weil mundtot Gemachten» auszudrücken nicht möglich sei: eine «unwillkürliche Parteinahme für die Erniedrigten und Beleidigten». Ob der damit angespielte Fjodor Dostojewski oder Anton Tschechow, Nikolai Gogol oder Daniil Charms, Anna Achmatowa oder Marina Zwetajewa, Marc Chagall oder Michail Soschtschenko, Dmitri Schostakowitsch oder in unserer Zeit die Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch: Sie alle stehen in dieser Tradition. Manche von ihnen, allen voran der doppeldeutig komponierende Schostakowitsch oder der Satiriker Soschtschenko, wurden zeitlebens direkt als Gottesnarren charakterisiert. Und Mussorgski? Er war fraglos ein Aussenseiter, ähnlich wie ein «Jurodiwy», aber das gilt im Grunde auch für Boris. Je tiefer man in den Charakter dieses glücklosen Zaren taucht, desto staunenswerter sind manche Parallelen zu Mussorgski. Ein Rückblick: Im Winter 1856/57 lernt der 17-Jährige die Komponisten César Cui und Mili Balakirew kennen sowie den einflussreichen Kritiker Vladimir Stassow. In Komponisten-Kreisen gilt Mussorgski bald als «idiot savant», also jemand, der zwar auf seinem Spezialgebiet – hier die Musik – überdurchschnittlich begabt ist, sonst aber wenig intelligent. Selbst als Teil des «Mächtigen Häuflein» oder auch «Gruppe der Fünf» – ein Petersburger Komponistenzirkel, dem neben Mussorgski, Cui und Balakirew

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auch Nikolai Rimski-Korsakow und Alexander Borodin angehörten, mit Stassow als Mentor – wird er teils abschätzig belächelt. In Briefen von Balakirew und Stassow aus den 1860er Jahren wird Mussorgski, nichtsahnend und unwissend, als «wirklicher Idiot» oder «fast ein Idiot» diffamiert. Eine echte Anerkennung bleibt ihm bis zuletzt verwehrt. In weiten Teilen der Öffentlichkeit gilt Mussorgski als «komponierender Dilettant». Sein visionäres Neuerertum wird grösstenteils verkannt. Was folgt, sind furchtbare Selbstzweifel, Einsamkeit und Depressionen, die Mussorgski zusehends mit Alkoholexzessen und ausufernden Saufgelagen zu betäuben versucht. Vergebens. Schon im Herbst 1865 wird bei ihm ein «Delirium tremens» diagnostiziert. Bei diesem «Psychosyndrom», eine Folge schwerer Suchterkrankungen, werden die Wahrnehmung, das Gedächtnis, das Gefühlsleben wie auch der Schlaf-Wach-Rhythmus schwer angegriffen. Die Betroffenen leiden unter schizoiden Halluzinationen, und das alles kann tödlich verlaufen: wie bei Mussorgski. Stassow fleht Balakirew in einem Brief geradezu an, sich Mussorgskis als dessen einstmaliger Mentor anzunehmen. «Vor unseren Augen geht er zugrunde, versinkt langsam im Wasser, buchstäblich wie ein Schiff, in dessen Boden verfluchte Würmer ein Loch gebohrt haben», schreibt Stassow im August 1878. Was folgt, ist ein beschämend zynisches, herzloses Antwortschreiben von Balakirew. Es datiert vom Oktober 1878. «Insgesamt kann ich gar nicht darauf hoffen, dass aus Mussorgski ein leben­ diger, energievoller Mensch und Komponist wird. Er ist physisch zu sehr zerstört, um nicht die Leiche zu werden, die er jetzt ist.» Knapp drei Jahre später, im März 1881, ist Mussorgski tot. In dieser Zeit, vom Beginn des «Delirium tremens» bis zu seinem Ableben, entstehen grosse Meisterwerke: darunter ab 1868 Boris Godunow. «Ich lebte als Boris und im Boris», bekennt Mussorgski, und damit scheint er sich selbst in der Psyche des tragischen Zaren wiederzuer­kennen. Trotzdem gilt Mussorgski in Kreisen der russisch-sowjetischen Intelligenz als Gottesnarr. Das hat vor allem äussere Gründe, denn: Damit soll die offizielle Lesart doppeldeutig konterkariert werden. Im Marxismus-Leninismus gilt nämlich die Vertonung Mussorgskis genauso als Volksoper wie die Vorlage Puschkins als Volksdrama. Die «Neue sowjetische Ära» sollte ideologisch als Befreiung des

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russischen Volkes von der Knechtschaft des Zarentums dargestellt werden, und dazu passt der Boris-Stoff vorzüglich. Noch dazu haben beide, Puschkin und Mussorgski, den Terminus «Volksdrama» selbst gebraucht – wenn auch mit anderen Intentionen. Dafür spricht schon allein die Vorlage Puschkins. Zwar benennt Puschkin in seiner Tragödie den Chor dezidiert als «Volk», und fraglos ist die Präsenz dieses «Volkes» in den dramatisch entscheidenden Momenten nicht zu ver­ken­ nen. Allerdings hat Puschkins Volk nichts mit den revolutionierenden Massen gemein, die die sowjetischen Partei-Ideologen in den Stoff gerne hineinorakelten. «Es tritt vielmehr als moralische Instanz auf, in deren Stimmung der jeweili­ ge Stand des Gewissenskampfes Godunows gespiegelt wird», bemerkt der Slawist Reinhard Lauer. «Man kann darin eine neuartige Lösung jenes Problems erblicken, das sich der dramatischen Dichtung der Zeit zu stellen schien: der Reintegrierung des antiken Chors in die Tragödie. Shakespeare, antike und klassizistische Elemente sind in Puschkins Tragödie vereinigt.» Bei Mussorgski ist die Frage des Chores und des Volkes komplexer. Selbst ein kritischer Geist wie Iwan Sollertinski, neben Boris Assafjew der führende Musikpublizist der frühen Sowjetunion, überdies Begründer der modernen russischen Musiksoziologie im Geiste Paul Bekkers sowie inspirierender Weggefährte des jungen Schostakowitsch, erblickte in Mussorgskis Boris Godunow eine «Volksoper». Wenn Puschkin, so Sollertinksi in einer Rezension zu einer Aufführung des Ur- und Original-Boris am Petersburger Maly-Theater 1939, eine «wirkliche historische Volkstragödie» geschaffen habe, so sei Mussorgski dieser «originalen Konzeption» gefolgt, um sie eigens zu bereichern. Damit meint Sollertinski «speziell die dramaturgische Führung des Volkes». In der Tat stammt beispielsweise die Szene «Waldlichtung bei Kromy» von Mussorgski. Sie findet sich nicht in der Vorlage Puschkins. Sollertinski nennt sie die «einzige Darstellung eines Volksaufstands in der klassischen Oper Russlands». Damit suggeriert Sollertinski zugleich, dass Mussorgski in dieser Szene mit dem Volk sympathisiere, doch genau das tut er nicht unbedingt. Vielmehr erscheint hier die Menge auch als sich verroht und destruktiv gebärdender Pöbel. Das mit der Knute bedrohte Volk begehrt nicht auf, sondern ist selbst aktiver

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Teil eines unheilvollen, abgründigen Spiels. Es lässt sich willfährig manipulieren, mit demagogischen, populistischen Tricks, und hierin gibt es eine tiefe Verbindung zwischen Puschkin und Mussorgski. Daran ändert auch der eingangs zitierte Klagegesang des Gottesnarren auf das arme, hungernde Volk Russlands nichts. Auch diese Klage findet sich nicht direkt bei Puschkin. Mit ihr lässt Mussorgski seine Boris-Fassung von 1872/74 enden. Es scheint, als vertone er hier gewissermassen die letzten Regie-Anweisungen in Puschkins Drama. «Das Volk, entsetzt, schweigt», heisst es da, und schliesslich: «Das Volk bleibt stumm.» In diesem Moment erkennt nämlich die Menge auch, was sie selbst angerichtet hat. Der Vorhang fällt, das Spiel ist aus. Bei Mussorgski ist auch die Klage des Gottesnarren auf die desolate Situation nicht unbedingt eine Sympathiebekundung für das Volk. Sie ist, ganz nüchtern, die Beschreibung eines Ist-Zustandes. Nicht mehr und nicht weniger. Die nackte, ungeschönte Wahrheit des Gottesnarren kann in­dessen unerträglich sein. In vielen Inszenierungen wird der Gottesnarr nach seiner Klage getötet, mitunter sogar aus dem Volk heraus. Soweit muss man nicht gehen, um verständlich zu machen, dass der Gottesnarr weder einer der Mächtigen ist noch jemand aus dem Volk. Er steht über den Dingen, hält der gesamten Gesellschaft einen Spiegel vor: egal ob Unterdrücker oder Unterdrückter. Selbst die originäre Instrumentation von Mussorgski lässt im Grunde erkennen, dass die Charakterisierung seines Boris einzig als «Volksoper» zu kurz greift. Es ist paradoxerweise Sollertinski selbst, der dies durchaus erkennt: aller­ dings ohne Konsequenz. In der besagten Rezension von 1939 attestiert Sollertinski dem Orchester Mussorgskis eine «extreme Beschränkung der Mittel» und den «totalen Verzicht auf jegliche entbehrliche, äusserliche Klang- und Timbre­ schwelgerei». Die originäre Boris-Instrumentation von Mussorgski erscheint in ihrer kammermusikalischen Reduktion und Kargheit vielfach tatsächlich dezidiert nach innen gekehrt. Darin ähnelt sie grundsätzlich der Orchestrierung des späten Robert Schumann. Beide, Schumann und Mussorgski, mussten sich schon zeitlebens den Vorwurf gefallen lassen, schlechte Orchestrierer zu sein. In beiden

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Fällen wurden Werke später von anderen «aufgepäppelt», mit fragwürdigem Ergebnis: weil die originären Intentionen gar nicht erfasst wurden. Bei Boris Godunow gilt das nicht nur für den besonders fragwürdig agieren­ den Rimski-Korsakow, sondern auch für die Neuorchestrierung Schostakowitschs von 1939/40. Vieles, wenn nicht gar alles, steht und fällt mit der «Krönungsszene». Während Sollertinski 1939 das Original von Mussorgski als Be­freiung von jedweder Dekoration lobt, moniert Schostakowitsch einen Mangel an dramatischer Durchdringung und sinfonischer Spannung. «Das Glockengeläute klingt wie eine klägliche Parodie», rüffelt Schostakowitsch 1941 in einem Artikel. Er distanziert sich zudem von Boris Assafjew, wonach die «Krönungsszene» von Mussorgski ganz bewusst in diesem Stil gesetzt worden sei, um zu unterstreichen, dass das Volk einen Boris als Zar nicht wolle. Hier ist Schostakowitsch beizupflichten, sonst aber wirkt seine Neuorchestrierung ziemlich farben- und effektreich. Auch das Cellokonzert von Schumann hat Schostakowitsch 1963 auf ähnliche Weise «frisiert». Dabei ist es gerade das karge, schroffe, dumpfe, konsequent ungeschönte Kolorit der Original-Orchestrierung Mussorgskis, die in der «Krönungsszene» das ganze Drama hörbar macht. Für Puschkin war Boris Godunow vor allem eine «Tragödie des schlechten Gewissens», so der Komparatist Peter Brang, ähnlich wie Shakespeares Macbeth, und diese Intention ist auch bei Mussorgski erkennbar. Indem die Zürcher Produktion coronabedingt den Chor live zuspielen lässt, er also nicht sichtbar ist, wird dies umso deutlicher. Der Chor wird zur Stimme des Gewissens, und genau das berührt seine originäre Funktion bei Puschkin. Eines steht jedenfalls fest: Beide, Puschkin und Mussorgski, feiern im Boris Godunow keine Helden. Nicht den Zaren, nicht den Gottesnarren, auch nicht das Volk. Genau das macht ihre Kunst wahrhaftig und ehrlich.

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KÖNIG RICHARD III. William Shakespeare

König Richard schreckt aus seinem Traum auf.

Gebt mir noch ein Pferd! Verbindet meine Wunden ! Hab Erbarmen, Jesu! Still! Ich habe nur geträumt. Oh, Feigling Gewissen, wie du mich quälst! Die Lichter brennen blau. Es ist nun tiefe Mitternacht. Kalte, angstvolle Tropfen stehen auf meinem zitternden Fleisch. Was! Fürchte ich mich vor mir selbst? Es ist sonst keiner hier: Richard liebt Richard; das heisst: ich bin ich. Ist hier ein Mörder? Nein, ja, ich: dann flieh: was! vor mir selbst? Grosser Grund warum: damit ich mich nicht an mir selbst räche. O weh! Ich liebe mich. Für irgend etwas Gutes, das ich selbst mir selbst getan habe? Oh! Nein! Ach! Ich hasse mich vielmehr für hassenswerte Taten, begangen von mir selbst. Ich bin ein Schurke. Doch ich lüge; ich bin es nicht.

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Narr, sprich von dir selbst gut: Narr, schmeichle nicht. Mein Gewissen hat tausend verschiedene Zungen, und jede Zunge bringt eine andere Geschichte vor, und jede Geschichte verurteilt mich als Schurken. Meineid, Meineid im höchsten Mass: Mord, grausamer Mord im grässlichsten Mass; alle verschiedenen Sünden, alle in jedem Mass begangen, drängen zur Schranke und rufen alle: «Schuldig, schuldig!» Ich werde verzweifeln. Es gibt kein Geschöpf, das mich liebt; und wenn ich sterbe, wird mich keine Seele bemitleiden: nein, warum sollten sie, da nicht einmal ich selbst in mir selbst Mitleid mit mir selbst finde? Mir schien, als kämen die Seelen all derer, die ich ermordet habe, zu meinem Zelt; und jede einzelne drohte Richards Kopf die Rache des morgigen Tages an. Akt V, Szene 3


KÖNNEN POTENTATEN GLÜCKLICH SEIN? Pierre Bayle, 1697

Es ist gewiss, dass diejenigen, welche Menschen finden wollten, die mehr Glück als Unglück empfunden haben, sie viel eher unter den Bauern oder bei all den schlechtesten Handwerksleuten antreffen würden als unter den Königen und Fürsten. Man lese folgende Worte eines grossen Mannes: «Also glaubt ihr, dass sich das Missvergnügen, und der tödlichste Schmerz nicht unter dem Purpur verstecke, oder dass ein Königreich ein allgemeines Mittel wider alle Übel sei; ein Balsam, der sie lindere, eine Anmut, welche entzückt? Da vielmehr, vermöge eines Ratschlusses der göttlichen Vorsehung, welche den allererhabensten Ständen ihr Gegengewicht zu geben weiss, diese Grösse, die wir von ferne als etwas Übermenschliches bewundern, weniger reizt, wenn man darin geboren ist, oder sich selbst in ihrem Überflusse verwirret; und dagegen unter der Hoheit eine neue Empfindlichkeit gegen das Missvergnügen entsteht, deren Schlag um so viel härter ist, je weniger man vorbereitet ist, denselben auszuhalten.» Die zwei Quellen von dem Unglücke der Grossen sind: Der beständige Genuss der schönen Seite ihres Standes macht sie gegen das Gute unempfindlich, und gegen das Böse höchst empfindlich. Man bringe ihnen drei gute Nachrichten, und eine böse: so empfinden sie fast nichts von dem Glücke, das sich in jenen findet, und empfinden das Unglücke lebhaft, das in dieser ist. Kann es ihnen also am Verdrusse fehlen? Begeg­ nen ihnen Glückseligkeiten, welche von keiner Widerwärtigkeit gestört werden? Wie viel Feldherrn gibt es nicht, welche die Nacht nach vollkommenen Siegen übel zubringen? Sie empfinden, dass sie nicht alles getan haben, was hätte getan werden können. Sie befürchten die Glossen der Erfahrenen und die boshaften Betrachtungen ihrer Feinde. Mit einem Worte, sie können sich selbst

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weder ein gutes Zeugnis noch innerlich den Lobsprüchen Beifall geben, welche man ihnen gibt. Dieses beunruhiget und quält sie. Ihr Gewissen, welches manch­mal in Absicht auf die Übertretung der göttlichen Gesetze eingeschlafen ist, wird erstaunlich lebhaft. Was man hier von den Königen gelesen hat, kann in gewissem Verhältnisse von allen denjenigen gesagt werden, welche die Vorsehung zu ansehnlichen Ämtern erhoben hat, und die auf die eine oder andere Art an der Hoheit teilhaben. Ihr Schicksal ist eine Vermischung, wo das Böse mehr Gelegenheit zu herrschen findet. Die grosse Wissenschaft, und ein grosser Verstand befreien nicht von diesem notwendigen Unglücke. Man suche vielmehr unter dem allerdümmsten Pöbel, als unter den in der Gelehrsamkeit berühmten Männern, einen glücklichen Zustand: der Ruhm der berühmten Schriftsteller und Redner befreiet sie nicht von tausenderlei Ver­ driess­lichkeiten. Er setzt sie dem auf zweierlei Art sehr beschwerlichen Neide aus: Sie haben Nebenbuhler, welche sie verfolgen, und sie ihrerseits sind eifer­ süch­tig über die Lobeserhebungen, welche andere verdienen; ein Druckfehler macht ihnen mehr Unruhe, als ihnen vier Briefe voll Lobsprüche Vergnügen geben. Der Ruhm, den sie erworben haben, vermindert ihre Empfindlichkeit gegen den Mangel der Lobsprüche, gegen den Tadel, gegen die Teilung des Rufs usw. Nicht zu gedenken, dass sie, je mehr sie Einsicht haben, umso viel mehr erkennen, dass ihre Werke unvollkommen sind. Wenn sie sich vor den Schwachheiten der Vorurteile und deren Hindernissen hunderterlei kleiner Leidenschaften verwahren, und ihre Sprache und Aufführung nach diesem Zustande ihrer Seele einrichten wollen: so werden sie verhasst, und dürfen nun den äusserlichen Gemächlichkeiten nur gute Nacht sagen.

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MACHT MACHT EINSAM Niels Boeing, Sven Stillich

Viele Mächtige – egal, ob sie ein Land oder ein Unternehmen leiten – haben ein Problem: Sobald ihnen jemand hilft oder etwas schenkt, werden sie misstrauisch. Warum der Gefallen? Vielleicht will sich das Gegenüber nur selbst einen Vorteil verschaffen? Psychologen haben dazu Experimente gemacht. In einem davon mussten die Versuchspersonen vom letzten Gefallen erzählen, an den sie sich erinnern konnten – und davon, wer freundlich zu ihnen war. Ihre Familie etwa oder Nachbarn. Die hatten sie vom Flughafen abgeholt oder auf ihre Kinder aufgepasst. Dann musste ein Teil der Gruppe Sätze aus kraftvollen Wörtern bilden, die mit «Macht» zu tun hatten – wodurch sie selbst sich immer machtvoller zu fühlen begannen. Danach wurden diese Probanden noch einmal nach dem ursprünglichen Gefallen gefragt – nun beurteilten sie Familie und Freunde plötzlich kritischer. In einem anderen Experiment sollten die Teilnehmer gemeinsam mit einem Partner eine Aufgabe lösen. Dieser war entweder ein Kollege oder ein untergeordneter Mitarbeiter. Kurz vor Ende des Versuchs erhielten die Probanden von ihrem Partner ein Geschenk. Danach sollten sie Angaben darüber machen, was sie von ihm hielten. Das Ergebnis: Kam das Ge­ schenk von dem Kollegen, vergaben sie höhere Persönlichkeitswerte. Schenken­ de Mitarbeiter hingegen wurden von den Probanden als wenig vertrauenswürdig eingeschätzt. Die Autoren der Studie How power corrupts relationships haben fünf Gründe für die Einsamkeit der Mächtigen identifiziert: Erstens verändert Macht die Einstellung gegenüber anderer Leute Grosszügigkeit. Zweitens zerstört Macht auf Dauer die Fähigkeit, anderen zu vertrauen, und fördert den Zynismus. Drittens leidet die Verbindlichkeit gegenüber anderen Menschen (was, ins Pri­ vat­leben übertragen, auch Liebesbeziehungen und Ehen betreffen kann). Und viertens: Macht schädigt Beziehungen in dem Moment, in dem sie das grösste Potenzial hätten, sich zu entwickeln. Denn die kritischen Überlegungen liefen meist nicht wissentlich ab, sondern unbewusst und in Sekundenbruchteilen.

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«Mächtige sind nicht die ganze Zeit misstrauisch», schreiben die Autoren, «aber in dem Moment, in dem jemand versucht, Nähe durch Freundlichkeit herzustellen, kommt ihnen die Macht dazwischen.» Und wozu führt das? Politiker, Unternehmer, leitende Angestellte: Sie alle treffen, reden, beraten sich am liebsten mit ihresgleichen, bilden Machtzirkel und Netzwerke ohne Einfluss von aussen. Sie schotten sich ab. Oder wie die Forscher schreiben: «Sie werden zu Architekten ihrer eigenen Einsamkeit.» «Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut», mahnte Lord Acton bereits 1887. Vielerlei Kontrollinstrumente wurden erfunden, um Macht in Schranken zu weisen, zum Beispiel die Gewaltenteilung. Und das aus gutem Grund: Wird Macht nicht kontrolliert, droht sie zu pervertieren. (...) «Insbesondere Macht, die gegenüber anderen nicht gerechtfertigt werden muss, wird leicht missbraucht», sagt Joris Lammers von der Universität Tilburg. Sie braucht deshalb ein Gegengewicht, wenn sie förderlich sein soll für ein Land oder ein Unternehmen. Macht muss bedroht sein, oder wie es der Organisations­ forscher Fritz B. Simon formuliert: «Ein guter Machthaber hat die Fähigkeit, sich Widerspruch zu organisieren.» Bestenfalls institutionalisierten Widerspruch – ein Verfassungsgericht, einen Aufsichtsrat, regelmässige Evaluationen. «Macht funktioniert nur, wenn es die Möglichkeit gibt, den Machthaber zu entmachten», fährt Simon fort. Gerade wer Macht habe, müsse aus der Geschichte lernen: Legitimation wirke stabilisierend. «Machthaber brauchten langfristig immer die Zustimmung der Machtunterworfenen.»

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DIE AHNENGALERIE DER TYRANNEN Despotische Regierungsstrukturen haben in Russland eine lange Geschichte. Zu den Hintergründen dieser Tradition von Boris Godunow bis Wladimir Putin Ulrich Schmid

Die berühmteste Regieanweisung in der russischen Theatergeschichte lautet: «Das Volk schweigt.» Sie steht ganz am Ende von Alexander Puschkins Drama Boris Godunow, als die Menge aufgefordert wird, dem neuen Herrscher zu huldigen. In unüberbietbarer Präzision beschreibt diese Formel das Verhältnis von Machthaber und Untertanen in Russland. Anders als in Westeuropa gab es in Russland keine nachhaltige Entwicklung eines demokratischen Staatsaufbaus mit der Sicherung individueller Menschenrechte. Politische Denker haben sich bereits sehr früh zur Architektur der Macht geäussert. Die erste Staatsideologie wurde von Abt Joseph Sanin von Wolokolamsk im 15. Jahrhundert entworfen. Joseph erkannte zwar die Menschen­natur des Monarchen an, die Macht des Zaren war aus seiner Sicht aber göttlich. Für die Ausübung der Herrschaft gab es keine Grenzen. Joseph erlaubte sogar ausdrücklich Intrigen und Täuschungen, um die Orthodoxie im Zarenreich zu schützen. Der im 16. Jahrhundert herrschende Iwan der Schreckliche stützte seine Regentschaft auf diese absolutistische Konzeption. Der Zar war zwar keinem politischen Gremium Rechenschaft schuldig. Umso strenger fiel aber seine Abhängigkeit von der Gnade Gottes aus, die seinen Herrschaftsanspruch begründete. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg legte der Regisseur Sergej Eisen­ stein mit dem zweiteiligen Film Iwan der Schreckliche eine filmische Parabel auf die Einsamkeit des absoluten Herrschers vor. Jossif Stalin erkannte sich sehr wohl in dieser historischen Allegorie. Am 26. Februar 1947 lud der Diktator den Regisseur und den Hauptdarsteller in den Kreml ein, um ihnen seine Eindrücke

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über den Film mitzuteilen. Gönner­haft erklärte Stalin den beiden Künstlern: «Iwan der Schreckliche war sehr grausam. Man darf seine Grausamkeit sehr wohl darstellen, aber man muss auch zeigen, warum solche Grausamkeit notwendig war. Einer von Iwans Fehlern bestand darin, dass er fünf Bojaren­familien nicht ganz abgeschlachtet hat. Wenn er diese fünf Familien aus­gelöscht hätte, dann hätte es die Zeit der Wirren später überhaupt nicht gegeben. Aber Iwan der Schreckliche richtete den einen oder anderen hin, bereute seine Taten später und betete lange. Gott störte ihn beim Regieren. Man hätte noch entschlosse­ner vorgehen müssen…» Wahrscheinlich war Stalins historische Spekulation zu optimistisch. Sogar wenn Iwan der Schreckliche ein noch grösseres Blutbad angerichtet hätte, wäre es nach seinem Tod zu einem Machtvakuum gekommen. In der russischen Geschichtsschreibung wird das fünfzehnjährige Interregnum zu Beginn des 17. Jahrhunderts als «Zeit der Wirren» bezeichnet. Die Zeit zwischen dem letzten Rurikiden-Herrscher und dem ersten Romanow-Zaren war von Machtgerangel und Fremdherrschaft gekennzeichnet. Zunächst konnte der Emporkömmling Boris Godunow (1552-1605), der in die Familie Iwans des Schrecklichen eingeheiratet hatte, die Regierungsgeschäfte an sich reissen. Später liess er sich sogar zum Zaren krönen. Seine Herrschaft wurde vom Verdacht überschattet, er habe den rechtmässigen Zarewitsch Dimitri umbringen lassen, um selbst den Thron besteigen zu können. Ob Godunow tatsächlich die Schuld am Tod seines minderjährigen Rivalen trägt, ist historisch nicht gesichert. Allerdings bot allein schon das Gerücht reiche Inspiration für zahlreiche künstlerische Bearbeitungen dieses Stoffes – von Alexander Puschkin bis Alexej Tolstoj und von Friedrich Schiller bis Volker Braun. Stalins rabiate Handlungsanweisung an Iwan den Schrecklichen half auch in seinem eigenen Fall nicht. Die Zahl der Opfer seiner Säuberungen geht zwar in die Millionen, dennoch konnte er sein Schreckensregime nicht etablieren. Nach Stalins Ableben war nicht klar, wer die Herrschaft übernehmen würde. Der ehemalige Geheimdienstchef Lawrenti Beria, der Stalin an Brutalität nicht nachstand, erhob Anspruch auf die Führung. Allerdings ging sein Plan einer deutschen Wiedervereinigung dem Politbüro zu weit. Beria wurde entmachtet und hingerichtet. An der Spitze von Partei und Staat setzte sich der unwahr-

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scheinliche Kandidat Nikita Chruschtschow durch, der ursprünglich nur an fünfter Stelle der Politbüro-Hierarchie gestanden hatte. Es gibt eine ganze Reihe von Parallelen beim historischen Schicksal der beiden Tyrannen. Sowohl Iwan der Schreckliche als auch Stalin hatten ihre Erstgeborenen auf dem Gewissen: Iwan erschlug den Thronfolger im Streit, Stalin weigerte sich, seinen Sohn aus der deutschen Kriegsgefangenschaft auszulösen. Die Todesumstände beider Tyrannen sind nicht restlos geklärt und haben Anlass zu weitläufigen Verschwö­r ungstheorien gegeben. Schliesslich profitierte in beiden Fällen der Nachfolger vom Kontrast, den die eigene Politik gegenüber der alten Schreckensherrschaft markierte. Boris Godunow gilt seit Alexander Puschkins Drama als negative Figur in der russischen Geschichte. Das Image des glücklosen Zaren untermauerte der Komponist Mussorgski mit einem weiteren Schlag: In seiner Oper wird Godunow vom Geist des ermordeten Zarewitsch heimgesucht – damit erscheint seine Schuld als erwiesen. Diese Legende verweist auf ein zentrales Problem russischer Herrschaft: Der Zar wurde vom einfachen Volk aufgrund seiner dynastischen Herkunft anerkannt. Sobald diese Kette der Machtübergabe unterbrochen wurde, bröckelte die Legitimation des Herrschers. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts profitierte die polnisch-litauische Adelsre­ publik von der Schwäche des Zarenreichs und besetzte mit ihrer Armee Moskau. Erst gegen Ende des Jahres 1612 gelang es der russischen Landwehr, die Polen zu ver­treiben. Seit 2005 erinnert der «Tag der Einheit des Volkes», der immer am 4. November gefeiert wird, an dieses historische Ereignis. Präsident Putin war auf der Suche nach einem Ersatz für den diskreditierten Feiertag der Ok­to­ber­ revolution und schwor seine Nation auf den Sieg über die polnische Besatzungsmacht ein. Dieses Ereignis markierte auch das Ende der «Zeit der Wirren», die bis heute als Schreckgespenst durch die Regierungshallen des Kremls geistert. Wie wichtig die dynastische Kontinuität für die Herrschaftssicherung war, zeigen frühe Urkunden des ersten Romanow-Zaren Michail, der sich nach der Thronbesteigung im Jahr 1613 als «Enkel» des Rurikiden Iwans des Schrecklichen bezeichnete. Die Herrschaft der Romanows, die auf die «Zeit der Wirren» folgte, sollte mehr als 300 Jahre dauern – bis zur Februarrevolution 1917. Legitimitätskrisen gab es in dieser langen Zeit relativ selten, aber sie kamen vor.

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So gelangte Katharina die Grosse aufgrund einer Palastrevolte im Jahr 1762 an die Macht – ihr Ehemann, Zar Peter III., kam dabei unter ungeklärten Umständen ums Leben. Ebenfalls einem Putsch fiel Paul I. im Jahr 1801 zum Opfer. Sein Sohn, der spätere Zar Alexander I., gab sein Einverständnis für das Erzwingen der Abdankung und fragte, ob denn auch Gewalt angewendet werden solle. Der Anführer der Verschwörer beschied ihm darauf vieldeutig, dass man Eier zerschlagen müsse, wenn man ein Omelette machen wolle. Eine Ironie des Schicksals wollte es, dass auch nach dem Tod Alexanders I. im Jahr 1825 eine Zäsur in der Fortführung der Zarenherrschaft entstand. Eine Reihe junger Adliger setzte sich für eine republikanische Revolution ein. Allerdings scheiterte der sogenannte Dekabristenaufstand jämmerlich. Die Aufständischen marschierten auf dem Senatsplatz der Hauptstadt St. Petersburg auf und blieben dort stehen, bis sie von regierungstreuen Truppen verhaftet wurden. Das umstehende Volk verstand nicht einmal, was mit der geforderten Verfassung (russ: «konstituzija») gemeint war und feierte in seinen Hochrufen den regulä­ ren Thronfolger Konstantin und «seine Frau Konstituzija». Allerdings war nicht nur das Herrschaftsverständnis des einfachen Volkes mangel­haft ausgebildet. Dasselbe gilt auch für die anachronistische Auffassung des Gottesgnadentums bei den Zaren. Noch kurz vor seiner Abdankung beschied Nikolaus II. dem britischen Botschafter, der ihn auf seine schwindende Popularität ansprach: «Meinen Sie nun, dass ich das Vertrauen meines Volks zu­rück­gewinnen muss, oder meinen Sie nicht vielmehr, dass mein Volk mein Vertrauen zurückgewinnen muss?» Schon nach der ersten russischen Revolution von 1905 hatte Nikolaus II. seinem Volk nur widerwillig ein «Grundgesetz» zugestanden, in dem die Einrichtung eines Parla­ments angekündigt wurde. Allerdings nutzte Nikolaus später jede Gelegenheit, um die Duma aufzulösen. In diesem Sinne war der letzte Zar der beste Komplize Lenins, für den die De­ vise «Je schlechter, desto besser» galt: Je schlechter die Bürger in das politische System eingebunden waren, desto besser standen die Chancen für einen radikalen Machtumsturz. Die «Oktoberrevolution», die später von den Sowjets mit tatkräftiger Hilfe des Regisseurs Eisenstein als Aufstand der empörten Massen gegen eine ungerechte Regierung gefeiert wurde, war jedoch in Tat und Wahrheit ein Staatsstreich.

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Das Verhältnis von Herrschaft und Volk wurde während der Sowjetzeit nicht von der politischen Realität, sondern von der marxistischen Ideologie definiert. Das sowjetische Verständnis von «Demokratie» unterscheidet sich radikal von der aufklärerischen Tradition. Schon bei Marx ist die Demokratie gerade kein Garant für die Ausübung politischer Bürgerrechte, sondern umgekehrt ein Unterdrückungsinstrument in den Händen der kapitalistischen Ausbeuter. Bei allen Sowjetführern lässt sich der verzweifelte Versuch beobachten, dem Westen die angebliche Überlegenheit des eigenen Systems vor Augen zu führen. Besonders deutlich lässt sich das am raschen Wechsel der sowjetischen Verfassungen der Jahre 1918, 1924, 1936 und 1977 ablesen. Die erste Verfassung von 1918 wird in klarer Analogie zur französischen Deklaration der Menschenrechte von 1789 durch eine «Erklärung der Rechte der Werktätigen und Ausgebeuteten» eröffnet. Als Staatsform etabliert sie explizit eine «Diktatur des Proletariats», die kommissarisch von der Kommunistischen Partei ausgeübt wird. Ihr politisches Mandat bezogen die bolschewistischen Herrscher gerade nicht aus einer demokratischen Wahl, sondern aus den ehernen Gesetzen der marxistischen Geschichts­philosophie. Im berühmten «Kurzen Lehrgang», an dem Stalin höchstpersönlich in den dreissiger Jahren mitgeschrieben hat, kann man diesen umfassenden Wahrheitsanspruch nachlesen: «Die Kraft der marxistisch-leninistischen Theorie besteht darin, dass sie der Partei die Möglichkeit gibt, sich in der jeweiligen Situation zu orientieren, den inneren Zusammenhang der um sie herum geschehenden Ereignisse zu verstehen, den Gang der Ereignisse vorauszusehen, und nicht nur zu erkennen, wie und wohin sich die Ereignisse gegenwärtig entwickeln, sondern auch, wie und wohin sie sich künftig entwickeln müssen.» Dieses überbordende Selbstbewusstsein wurde in der Stalin-Verfassung von 1936 kodifiziert. Sie schützte das Eigentum und sah auch ein Erbrecht vor. Auch die Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit war auf dem Papier garantiert, allerdings mit dem entscheidenden Zusatz «in Übereinstimmung mit den Interessen der Werktätigen und zur Festigung der sozialistischen Ordnung». Sogar ein Recht auf Erholung wurde verbrieft. In der Breschnew-Verfassung von 1977 kommt das Wort «Demokratie» konsequenterweise nicht in Reinform vor. Entweder ist von «wahrer Demokra-

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tie» oder von «demokratischem Zentralismus» die Rede. In beiden Fällen verweisen die Formulierungen auf den Anspruch der Partei, den Willen des Volkes besser als das Volk selbst verstehen und umsetzen zu können. Die jahrzehntelange Gängelung der Sowjetbürger zog ein «schweigendes Volk» in Puschkins Sinne heran. Die neunziger Jahre waren von einem erbitter­ ten Kampf um die Staatsmacht geprägt. Boris Jelzin, der Held bei der Abwehr des Moskauer August-Putsches von 1991, entwickelte sich zu einem aufgedunsenen Alkoholiker, der auf Pressekonferenzen auch schon mal Deutschland und Japan als Atommächte bezeichnete und sich am Schluss kaum mehr selbst auf den Beinen halten konnte. Seine Wiederwahl als Präsident im Jahr 1996 kam nur aufgrund von ausgeklügelten «Polittechnologien» zustande, weil man um jeden Preis seinen kommunistischen Rivalen ausschalten wollte. Der Oppositions­ politiker Alexej Nawalny unterstützte da­mals die Beeinflussung der Öffentlichkeit zugunsten von Jelzin. Im Rückblick be­urteilt er sein Verhalten jedoch selbstkritisch: Nawalny glaubt heute, dass ein kommu­nistischer Präsident in einer überschaubaren Amtszeit von vier Jahren wenig Schaden hätte anrichten können. Viel schlimmer sei die nachhaltige Diskreditierung der de­mo­kratischen Institutionen, von der das System Putin bis heute profitiere. Wladimir Putin wurde 1999 von Boris Jelzin selbst auf den Schild gehoben. Seither regiert Putin aus offiziellen und inoffiziellen Positionen das Land mit eiserner Hand. Lange Zeit genoss er hohe Zustimmungsraten, die nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 sogar durch die Decke schossen. Bis vor kurzem beruhte der Gesellschaftsvertrag in Russland auf der Losung: «En­ richissez-­vous, mais ne vous indignez pas!» (Bereichern Sie sich, aber beschweren Sie sich nicht!) Soziologische Langzeit­untersuchungen zeigen, dass in der gesamten Ära Putin jeweils nur gerade zwei bis fünf Prozent der Befragten glauben, einen Einfluss auf die Situation im Land zu haben. Mittlerweile ist der Führung im Kreml ebenfalls klar, dass ihr sorgfältig konstruiertes Modell der «gelenkten Demokratie» nicht nachhaltig funktioniert. Die Verfassungsreform, über die am 1. Juli 2020 abgestimmt wurde, will deshalb in Russland ein «einheitliches System der öffentlichen Herrschaft» etablieren. Der Deal besteht darin, dass die politische Teilhabe der russischen Staatsbürger auf das Vertragsverhältnis einer Sozialversicherung reduziert wird: Die Verfas-

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sung garantiert neu einen Mindestlohn und indexiert die Renten. Dafür wird alle politische Macht an ein straff zentralisiertes Verwaltungssystem delegiert. Eine Ironie des Schicksals will es, dass die Kampagne für die Verfassungsreform ausgerechnet mit Alexander Puschkins Kopf warb: Das russische Volk schwieg sich mit fast 78 Prozent Zustimmung für die Beibehaltung des Systems Putin aus.

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Missail, Warlaam Sonne und Mond sind erloschen, die Sterne vom Himmel verschwunden, die Welt ist ins Wanken geraten durch die schwere Schuld des Zaren. Seltsame Bestien schleichen umher, gebären seltsames Getier, menschliche Leiber verschlingen sie der Schuld des Zaren zu Ehre. «Boris Godunow», Waldlichtung bei Kromy

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BORIS GODUNOW MODEST MUSSORGSKI (1839-1881) Libretto vom Komponisten nach der gleichnamigen Tragödie von Alexander Puschkin und Nikolai Karamsins «Die Geschichte des russischen Reiches» Zürcher Aufführung: Fassung von 1869 inklusive Polenakt und Wald bei Kromy (1872) Personen

Boris Godunow Fjodor, sein Sohn

Bassbariton Knabensopran

Xenia, seine Tochter Xenias Amme

Sopran

Alt

Fürst Wassili Iwanowitsch Schuiski Andrei Schtschelkalow Pimen

Tenor

Bariton

Bass

Grigori Otrepjew, Prätendent, der falsche Dimitri Marina Mnischek, Tochter des Woiwoden von Sandomir Rangoni, geheimer Jesuit Warlaam, Bettelmönch Missail, Bettelmönch Eine Schenkwirtin Gottesnarr

Mezzosopran

Bariton Bass

Tenor

Mezzosopran

Tenor

Polizeioffizier Leibbojar

Tenor

Bass

Tenor

Lawitzki und Tschernikowski, Jesuiten Mitjucha, Bauer

Bass

Bass

Volk, Bojaren, Strelitzen, Wachen, Hauptleute, Aufseher, Magnaten, Polnische Adlige, wandernde Pilger und Kinder Zeit

1598 bis 1605 in Russland und Polen


NOWODEWITSCHI-KLOSTER Hof des Nowodewitschi-Klosters in der Nähe von Moskau, umgeben von einer Mauer mit kleinen Türmen. Auf der rechten Seite, zur Mitte der Bühne hin. im Vordergrund das grosse Klostertor mit Vordach. Der Vorhang hebt sich, das Volk versammelt sich in kleinen Gruppen vor der Mauer auf dem Klosterhof; die Bewegungen des Volkes sind langsam, der Gang träge. Eine kleine Gruppe aus dem Volk tritt auf. Eine kleine Gruppe Frauen tritt auf. Beide Gruppen ver­­einen sich. Männer treten auf. Das Volk bildet einen Menschenauflauf. Bojaren gehen durch das Bild, vorweg Fürst Wassili Iwanowitsch Schuiski. Sie tauschen Ver­beugungen mit dem Volk aus und bahnen sich einen Weg ins Kloster. Als die Bojaren im Kloster verschwunden sind, beginnt das Volk auf der Bühne umher zu schlendern. Einige, vorwiegend Frauen, werfen verstohlene Blicke hinter die Mauer zum Eingang des Klosters; andere flüstern miteinander, reiben sich ab und zu den Nacken. Ein Polizeioffizier erscheint im Tor. Als das Volk den Polizeioffizier erblickt, versammelt es sich zu einer dichten Menge und verharrt regungslos: Die Frauen – eine Hand an die Wange gelegt, die Männer – mit der Mütze in der Hand. die Arme über dem Bauch gekreuzt und den Kopf gesenkt.

MITJUCHA

Dummköpfe! Woher soll ich das wissen? STIMMEN IM VOLK

Einen Zaren für Russland wollen wir wählen! DREI FRAUEN, SOLO

Ach, zum Teufel! Ich bin ganz heiser! Gute Frau, liebe Nachbarin, hast du nicht ein Schlückchen Wasser für mich! ALTO

Seht her, die Bojarin, was das für eine ist! Hat alle überschrien, soll sie sich doch selbst welches holen! SOLO

He, ihr Weiber, hört auf zu schwatzen! ALTI

Was hast du denn hier zu befehlen? TENORI TUTTI

POLIZEIOFFIZIER tritt auf, zornig, mit einem Knüppel das Volk steht regungslos

Ruhe! Na seht doch nur, er spielt sich auf wie ein Polizeioffizier!

He, was wollt ihr? Was steht ihr hier rum wie Statuen? Los, auf die Knie!

He, ihr Hexen, hört auf zu toben!

Das Volk tritt unentschlossen auf der Stelle.

Wird’s bald! Er droht mit dem Knüppel.

Na, los doch! Was für eine Teufelsbrut! Langsam und der Reihe nach kniet das Volk nieder. DAS VOLK auf Knien, zum Klostertor gewandt

Warum lässt du uns allein, Vater? Ach, warum nur verlässt du uns, Ernährer! Wir sind doch alle deine schutzlosen Waisen, ach, wir bitten dich, wir flehen unter Tränen, unter heissen Tränen: Gnade uns! Der Polizeioffizier geht ab ins Kloster.

Gnade uns! Gnade uns! Bojar, Väterchen! O Vater! Unser Wohltäter! Bojar, Gnade uns! Das Volk bleibt auf Knien. ZWEITE GRUPPE

Mitjuch, Mitjuch, warum schreien wir hier?

MITJUCHA

DAS VOLK SOPRANI

Ach, du Galgenstrick, verfluchter! TENORI

Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha! BASSI

Die Schmeichelei hat ihnen nicht gefallen, hat sie sichtlich schwer getroffen, war nicht angenehm, nicht nach Geschmack. ALTI

Dir sitzt wohl der Teufel im Nacken! SOPRANI

Da ist er ja, der Unchrist! TENORI

Ha, ha, ha, ha, ha, ha. ha!


ALTI

DAS VOLK

Herr, vergib uns, so ein Sünder!

Schon gut!

SOPRANI

POLIZEIOFFIZIER droht mit dem Knüppel

Ach, lasst uns besser meiden, Weiber, im Guten und mit heiler Haut, das Unglück und den Streit!

Nun!

TENORI

Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha! ALTI

Das Unglück meiden, im Guten und mit heiler Haut! Die Frauen erheben sich von den Knien und schicken sich an fortzugehen.

DAS VOLK heult aus Leibeskräften

Warum lässt du uns allein, Vater? Ach, warum nur verlässt du uns, o Lieber! Wir, deine Waisen, bitten dich, flehen unter heissen Tränen: Gnade uns! Gnade uns! Bojar, Väterchen! nach dem Drohen des Polizeioffiziers

O Vater! O Vater! stärker

Wohltäter! stärker

TENORI

Wohltäter!

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Die Hexen haben sich schon auf den Weg gemacht, Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!

Im Klostertor erscheint der Polizeioffizier; als die Frauen ihn erblicken, fallen sie schnell auf die Knie. Die Menge verharrt reglos wie zuvor.

aus Leibeskräften

A-a-aa-a-a-ah!

Bei den letzten Rufen des Volkes erscheint Schtschelkalow, ein Beamter der Duma, im Klostertor. Als der Polizeioffizier Schtschlfkalow sieht, gibt er dem Volk mit der Hand ein Zeichen und geht hastig auf die Menge zu. Das Volk verneigt sich.

POLIZEIOFFIZIER

Was ist los? Warum seid ihr so still? Tut es euch um eure Kehlen leid? Ich werd’ euch...! Euch ist wohl die Peitsche lange nicht mehr über den Rücken spaziert! geht auf die Menge zu

Ich werd’ euch lehren… aber geschwind! DAS VOLK auf Knien SOPRANI

Sei nicht böse, Nikititsch, sei nicht böse, guter Freund! Wir ruhen uns nur ein wenig aus, wir fangen schon wieder an zu schreien. ALTI UND BASSI

Er lässt uns nicht verschnaufen, der Verfluchte. POLIZEIOFFIZIER

Nun los! Schont nur nicht eure Kehlen!

POLIZEIOFFIZIER

Ruhe!

Schtschelkalow steigt langsam und in Gedanken versunken die Vortreppe hinab, geht zum Volk hinaus, nimmt seine Mütze ab, macht eine tiefe Verbeugung.

Steht auf! Der Herr Beamte will etwas sagen. Die Menge erhebt sich. SCHTSCHELKALOW

Rechtgläubige Bürger! Unerbittlich ist der Bojar. Trotz des verzweifelten Aufrufs des Hohen Rates und des Patriarchen will er nichts hören von dem Zarenthron. Welch ein Unglück für Russland… welch eine ausweglose Lage, ihr rechtgläubigen Bürger! Das Land stöhnt unter der schlimmen Gesetzlosigkeit. Werft euch nieder vor Gott dem Herrn,


Programmheft BORIS GODUNOW Oper von Modest Mussorgski (1839-1881)

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Libretto vom Komponisten

Premiere am 20. September 2020, Spielzeit 2020/21

Herausgeber

Intendant

Zusammenstellung, Redaktion

Layout, Grafische Gestaltung

Anzeigenverkauf

Opernhaus Zürich

Andreas Homoki Kathrin Brunner

Carole Bolli

Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Handlung wurde für dieses Heft geschrieben. – Die Interviews mit Barrie Kosky und Kirill Karabits sowie die Artikel von Marco Frei und Ulrich Schmid sind Originalbei­träge für dieses Programmheft. – Pierre Bayle, Können Potentaten glücklich sein? Zitiert nach: «Peter Baylens Philosophisches Wörterbuch oder die Philosophischen Artikel aus Baylens Historisch-kritischem Wörterbuche in deutscher Sprache. Abgekürzt und herausgegeben zur Beförderung des Studiums der Geschichte der Philosophie und des menschlichen Geistes von Ludwig Heinrich Jakob. Bd. 3. Johann Gottfried Ruff, Halle, Leipzig 1797. – Der historische Hintergrund: David Lloyd-Jones, in: Heinz-Klaus Metzger/ Rainer Riehn (Hg.), Musik-Konzepte 21. Modest Mussorg­ ski, Aspekte des Opernwerks, München 1981. – William

Studio Geissbühler

Fineprint AG

Shakespeare, König Richard III., Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 1978. – Niels Boeing, Sven Stillich, Macht macht einsam (Zitat). https://www.zeit.de / zeit-wissen / 2013 / 05 / macht­-­psychologie-hirnforschung/seite-4. – Jorge Luis Bor­ges, Die Bibliothek von Babel (Ausschnitt), Reclams Universal-Bibliothek Nr. 9497, Ditzigen 1974. – F. M. Dostojewski: Die Brüder Karamasow. Frankfurt a. M., 1981. Bildnachweise Monika Rittershaus fotografierte die beiden Klavierhauptproben am 10. September 2020. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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