Aida

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AIDA GIUSEPPE VER DI

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AIDA GIUSEPPE VERDI (1813-1901)

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DIE HANDLUNG Erster Akt Der Oberpriester Ramfis, ein enger Vertrauter der ägyptischen Königsfamilie, berichtet dem jungen Offizier Radamès, dass ein neuer Krieg gegen die Äthio­ pier bevorsteht und der Name des Truppenführers bald bekannt gegeben wird. Radamès hofft, als Feldherr der Ägypter in den Krieg ziehen zu dürfen. Er träumt von Sieg und Ruhm und seiner heimlichen Liebe zur äthiopischen Königs­tochter Aida, die als Sklavin am Königshof lebt. Ihr will er nach einem Sieg über die Äthiopier eine Krone aufs Haupt setzen und einen Thron nahe der Sonne bauen. Amneris, die Tochter des ägyptischen Königs, liebt Radamès und hat die Hoffnung, ihn für sich zu gewinnen. Als sie ihn in euphorischer Stimmung antrifft und Aida hinzukommt, ahnt sie die Liebe zwischen Aida und Radamès, die beide zu verbergen versuchen. Der König schwört sein Volk auf einen Krieg gegen Äthiopien ein, nachdem ein Bote vom Einmarsch der äthio­ pi­schen Truppen berichtet hat. Radamès wird zum Feldherrn ausgerufen. Kriegsbegeisterung bricht aus. Sie kulminiert in dem allgemeinen Schlachtruf «Ritorna Vincitor!» (Als Sieger kehre heim!), in den auch Aida begeistert ein­ stimmt. Aida erschrickt darüber, dass sie dem Mann den Sieg wünscht, der gegen ihr Volk in den Krieg zieht. In der Not, sich zwischen ihrem Geliebten und dem Vaterland entscheiden zu müssen, wünscht sie sich den Tod. Die Priesterinnen und Priester rufen ihren Gott um Beistand an. Radamès wird in einer feierlichen Zeremonie auf den Krieg vorbereitet und mit den heiligen Waffen ausgestattet.

Zweiter Akt Die Frauen warten auf die Rückkehr der siegreichen Männer aus dem Krieg. Amneris träumt von einer gemeinsamen Zukunft mit Radamès. Aber sie ist eifersüchtig auf Aida und versucht herauszufinden, ob diese Radamès ebenfalls liebt. Sie lügt Aida vor, Radamès sei tot. Aida ist entsetzt und verrät dadurch, was sie für Radamès empfindet. Amneris gibt sich siegessicher als Rivalin zu

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erkennen. Radamès kehrt aus dem Krieg zurück. Er vernimmt den Jubel des ägyptischen Volks. Zum Dank für seinen Sieg verspricht der König dem Feld­ herrn jeden Wunsch zu erfüllen. Radamès bittet um die Freilassung der äthio­ pischen Gefangenen. Unter den Gefangenen erscheint als einfacher Kämpfer verkleidet Amonasro, der äthio­pische König und Vater Aidas. Die Priester for­ dern den Tod der Äthiopier. Das Volk bittet um Gnade für sie. Ramfis schlägt einen Kompromiss vor: Nur Aida und ihr Vater bleiben in der Hand der Ägyp­ ter. Als Belohnung für seinen Sieg gibt der König seine Tochter Amneris Ra­ damès zur Frau. Amneris triumphiert.

Dritter Akt In der Nacht vor der Hochzeit bitten Amneris und Ramfis um die Gunst der Götter. Ohne jede Zukunftshoffnung wartet Aida auf Radamès. Sie erinnert sich an die Schönheiten ihrer Heimat. Anstatt ihres Geliebten erscheint zunächst Amonasro. Der appelliert an seine Tochter, ihr Vaterland nicht im Stich zu lassen und verlangt von ihr, ihrem Geliebten die geheimen ägyptischen Kriegspläne zu entlocken. Radamès trifft auf Aida. Er gesteht ihr seine Liebe, die sie zwar erwidert aber für vollkommen hoffnungslos hält. Sie überredet ihn zur gemein­ samen Flucht und fragt ihn im letzten Augenblick, auf welchem Weg das ägypti­ sche Heer unterwegs ist. Radamès gibt das Staatsgeheimnis preis. Amonasro hat ihn belauscht und gibt sich zu erkennen. Amneris und Ramfis treten hinzu. Radamès erkennt seinen Geheimnisverrat und ergibt sich dem Oberpriester.

Vierter Akt Radamès ist des Verrates angeklagt. Amneris versucht verzweifelt ihn von seinem Geständnis abzubringen und ihn für sich zu gewinnen. Er lehnt ab. Die Priester sitzen über Radamès zu Gericht und fällen das Urteil: Lebendig wird der Ver­ räter begraben. Amneris verflucht die Priester und ihre Urteile. Eingemauert erwartet Radamès den Tod und entdeckt plötzlich Aida. Sie ist zu ihm gekom­ men, um gemeinsam mit ihm zu sterben. Aida und Radamès sagen der Erde «Lebe wohl». Sie sehen, wie sich ihnen der Himmel öffnet und ihre Seelen ins Licht der Ewigkeit fliegen. Amneris bittet um Frieden für das Paar.

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ES GEHT UM DAS FREMDSEIN IN DER WELT Ein Gespräch zwischen der Regisseurin Tatjana Gürbaca, dem Bühnenbildner Klaus Grünberg und dem Dramaturgen Claus Spahn

Claus Spahn: Aida spielt in Ägypten. Was hat Giuseppe Verdi an diesem Schauplatz interessiert? Tatjana Gürbaca: Er hat seine Stücke oft an abenteuerliche Plätze verlegt. Alleine von Un ballo in maschera gibt es drei Fas­sungen, und eine davon spielt bei den Eskimos. Verdi sucht sich historische Stoffe und liest sie aus seiner Gegenwart heraus. Auch mit Aida zielte er auf seine eigene Zeit ab und we­ni­ger auf ein historisches Ägypten. Es gibt Briefe von ihm, die erkennen lassen, dass er mit der imperialistischen ägypti­schen Gesellschaft, die er in der Oper entwirft, das Preussen seiner Zeit meinte, das ihm so verhasst war. Indem Verdi die Opernstoffe in seine Gegenwart übersetzt, verleiht er ihnen überzeitliche Relevanz, und deshalb erzählt Aida aus sich selbst heraus auch wahnsinnig viel über unser Heute. Man schaut sich die gesellschaftlichen Situationen und Gefühlslagen der Hauptfiguren an und denkt: Ja genau, kenn ich gut. Spahn: Die Oper vor Pharaonenpalästen und Pyramiden spielen zu lassen, ist also ein Missverständnis? Klaus Grünberg: Für mich ist es offensichtlich, dass Verdi nicht an der Abbildung eines authentischen Ägyptens inter­essiert war. Verdi schaut mit seiner Musik die ganze Zeit hinter die Fassaden! Dem muss man Rechnung tragen.

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Spahn: Der Blick auf die ägyptische Kultur war zu Verdis Zeit voll von Pro­jektionen. Das Ausgrabungsfieber am Nil war getrieben von kolonialen Er­oberungsfantasien und einer Sehnsucht nach vergangener Grösse. Die Pharaonenpaläste und Königsgräber, die da plötzlich aus dem Wüstensand auf­­­tauchten, standen vor den Europäern wie eine Stein ge­wordene Fata Morgana. Eine Orientfantasie des 19. Jahr­hun­derts. Gürbaca: Verdis Ägypten zeigt ein Machtsystem, das in seiner inneren Ver­fasst­heit hohl und erstarrt ist. Es wird dominiert von alten Männern und ist ge­kennzeichnet durch eine enge Verzahnung von politischer und religiöser Macht. Verdi hat in Aida zum Beispiel viele Rituale komponiert, deren Funktion es ist, das herrschende politische System zu zementieren. Dieses Ägypten agiert nur noch, um seinen Status quo zu erhalten. Es lenkt von seinen Problemen im Inneren ab, indem es Krieg gegen einen äusseren Feind führt.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Grünberg: Man erkennt eine saturierte, in ihren Strukturen festgefahrene www.opernhaus.ch/shop Wohlstandsgesellschaft – also etwas, das uns heute sehr vertraut vorkommt. Und es gibt eine junge Generation, die hochbefähigt ist und etwas erreichen oder am will im Leben, Vorstellungsabend in dieser Gesellschaft aber nicht zum Zug kommt.im Es ist Foyer für sie unmöglich, aus der Statik der Verhältnisse aus­zu­brechen. Sie lebt im Wohlstand Eltern. Es ist nicht ihre Welt, sondern eine ererbte. desderOpernhauses erwerben Gürbaca: Gleichzeitig fokussiert das Stück andauernd ferne Fluchtpunkte und Sehnsuchtsorte. Alle wollen weg und wo­anders hin. Es werden ständig Orte besungen, an denen man gerne wäre. Einmal ist es der Thron an der Sonne, der Radamès Aida errichten will. Dann heisst es wieder: Komm, wir gehen in die Wüste. Die Realität kippt ständig in Wunsch- und Traumwelten. Grünberg: Und alle befinden sich in einer merkwürdigen Wartesituation. Die Elterngeneration, repräsentiert durch den König und Ramfis, suggeriert, alles sei erreicht und es fehle an nichts. Aber genau das ist für die junge Gene­ration ein Riesenproblem, weil sie im Grunde gar nicht gebraucht wird. Sie wartet vergeblich auf eine Aufgabe und wird einfach übergangen.

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Gürbaca: Die Frauen noch mehr als die Männer. Amneris, die Königstochter, ist auf dem Gipfel ihrer Jugend, ihrer Schönheit und ihrer Fähigkeiten und kann trotzdem nur auf Radamès warten und hoffen, dass er sie zur Frau nimmt. Schrecklich. Aber Radamès nimmt sie nicht. Spahn: Die Verschiebung von Traum und Wirklichkeit, die in dem Stück eine grosse Rolle spielt, beginnt gleich mit der ersten Arie. Was passiert mit Radamès im berühmten «Celeste Aida»?

Gürbaca: Ich habe in den Vorbereitungen oft gedacht, dass das Stück eigent­ lich Radamès und nicht Aida heissen müsste, weil er am meisten zwischen zwei Welten und divergierenden Wünschen hin und her gerissen ist. In «Celeste Aida» kommt das zum Ausdruck: Er will eine Aufgabe und Erfolg haben und ein Abenteuer bestehen. Zugleich gibt es die Liebe zu dieser Frau, die total realitätsfern ist. Er sieht nicht, dass er mit Aida schon aus gesellschaft­ lichen Gründen gar nicht zusammen kommen kann. Er singt, dass er ihr einen Thron an der Sonne bauen will. Aber er setzt sie an den falschen Himmel! Verdi hat diesen Realitätsverlust sehr genau kompo­niert. Die Gesangs­linie steigt hoch hinauf, und in der Begleitung folgen ihr flirrend nur die hohen Orchester­instru­mente. Der Traum hat schon alleine musikalisch überhaupt kein Fundament. Radamès wird als hochempfindsamer, verletzlicher Träumer erkennbar. Man hört in der Musik gewissermassen schon sein schwaches Nervenkostüm durch. Er scheint in Aida auch viel mehr zu suchen als eine Partnerin, die zu ihm passen könnte. Ich vernehme da auch eine Sehnsucht nach etwas Mütterlichem und Beschützendem. Vielleicht sieht er in ihr auch eine Art afrikanische Urgöttin, der er einen Thron im Himmel bauen will. Spahn: Ausgerechnet die vermeintlich prächtigste und ausstattungssüchtigste Verdi-Oper erzählt immerzu von höchst fragilen und komplizierten Seelen­ lagen. Grünberg: Genau. Verdi fährt auf den ersten Blick einen rie­sigen Repräsen­ tationsapparat auf, der dann aber überraschend viel Freiraum lässt, auf die

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Rückseite zu schauen und zu beobachten, was in den privaten Räumen dahin­ ter stattfindet. Gürbaca: Das ist schon im Vorspiel angelegt in dem intimen Ton, der da angeschlagen wird und den sehr zarten Linien. Ich finde es auch bezeich­ nend, dass Verdi in Aida zwar für den ganz grossen Chor schreibt, aber vieles davon nur hinter der Bühne erklingen lässt. Es gibt ja eigentlich nur zwei wirklich grosse Chormomente: Das ist einmal die «Guerra, Guerra»-Szene im ersten Akt, in der alle in den Krieg wollen und dem zukünftigen Sieger zujubeln. Und dann eben im zweiten Akt die Triumphszene, die jeder kennt. Spahn: Ich finde, die «Guerra»-Szene erzählt viel über den (Anti-)Realismus in Verdis Opern. Bis sie losbricht, ist das Stück immer nah dran an den Figuren. Amneris, Aida und Radamès besingen im Terzett ihre unterschiedli­ chen Liebes­hoffnungen. Und dann schlägt wie aus dem Nichts die Stim­mung um. Plötzlich steht ein riesiger Chor auf der Büh­ne, peitscht sich hoch in frenetische Kriegslust und Jubel­hysterie, und ehe man sich versieht, ist die emotionalisierte Masse auch schon wieder verschwunden, und wir erleben etwas ganz anderes – die Einsamkeit von Aidas «Numi Pietà»-Arie. Das wirkt sehr surreal. Grünberg: Wenn die ganz grossen Momente kommen, ist der Umschlag bei Verdi oft so abrupt, dass man das Gefühl hat, da kann gar kein realistischer Szenenwechsel gemeint sein. Das sind Bilder, die nebeneinander stehen oder ineinander geblendet sind. Man fragt sich in Aida  immer wieder: Was ist hier eigentlich real? Radamès wird feierlich zum Feldherrn gekürt. Schnitt. Plötzlich ist der Krieg vorbei, und alle warten auf die Rückkehr des Siegers. Sehr merkwürdig. Gürbaca: Für mich ist ganz klar, dass Verdi, würde er heute leben, Film­ regisseur wäre. Er komponiert ständig Gegenschnitte, Kamerafahrten, Close-ups und Zooms. Auch in der Triumphszene gibt es so einen Moment: Alle singen, der Chor, die Solisten, und plötzlich hören sie auf, und es gibt

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diese ausgedehnte Solokadenz von Aida. Man weiss gar nicht: Warum singt sie das? Zu wem singt sie das? Hört das jemand? Spahn: Verdi changiert permanent zwischen äusserer und innerer Wirklichkeit. Gürbaca: Das ist über Verdi hinaus auch etwas Urromantisches. Das Stück hat ja unverkennbare Parallelen zu Tristan und Isolde. Die Paare steigen, indem sie in den Tod gehen, aus einer Gesellschaft aus, die für die freie grosse Liebe keinen Raum lässt. Spahn: Was ist beim Cineasten Verdi dann die richtige Kameraeinstellung für den Triumphmarsch, ist es die Totale?

Das komplette Programmbuch Gürbaca: Die erlebt man ja in vielen Inszenierungen. Aber ich finde, es können Sie auf ergibt wenig Sinn, die Musik szenisch zu ver­dop­­­peln und genau das zu zeigen, was man hört. Ich über­lasse es gerne der Fantasie des Zuschauers, www.opernhaus.ch/shop sich das auszumalen, was nicht gezeigt wird. Und deshalb wollten wir auch in der Triumphszene nahe heran an die Figuren. Mich hat die Frage interessiert: oder amVerfassung Vorstellungsabend In welcher kommt Rada­mès zurück, und wie geht es im ihm mit Foyer diesem Sieg? des Opernhauses erwerben Spahn: Hat man denn eine Chance nahe heran zu kommen an die Figuren, wenn 120 Chorsänger auf der Bühne stehen? Macht die schiere Masse an Priestern, Sklaven und Volk nicht jede differenzierte Regie unmöglich?

Gürbaca: Überhaupt nicht. Es ist zunächst einmal ein gross­artiger Kontrast: Den Figuren steht Öffentlichkeit gegenüber. Wenn Masse anwesend ist, erzeugt die auch einen enormen Druck, das finde ich bei Verdi immer hoch­spannend. Der Einzelne steht in einem Kontext und wird dadurch definiert. Spahn: Und wie geht es nun Radamès mit diesem Sieg? Grünberg: Er kommt aus dem Krieg als ein anderer zurück. Das unterscheidet

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ihn von allen anderen Ägyptern. Der Krieg, der weit weg ist und in der Oper gar nicht stattfindet, hat nichts verändert oder politisch bewirkt. Mir kommt er seltsam folgenlos vor. Gürbaca: Ich glaube doch, dass er grosse Veränderung her­vorruft. Die ist im Triumphmarsch nur noch nicht sichtbar. Da ist noch alles, wie es erwartet wurde. Die Schlacht ist ge­wonnen, Radamès kehrt als Gewinner zurück und wird Amneris heiraten. Die Rechnung von Ramfis scheint aufzugehen. Aber dann kommen ja noch zwei Akte, in denen sich zeigt: Mit einer gewissen Verzögerung hat der Krieg eben doch alles verändert. Mir kommt das vor wie bei einem schweren Seebeben, wenn sich die Katastrophe erst einmal zurückzieht, bevor sie mit voller Wucht anbrandet. Spahn: Ist die finale Grabkammer als realer Ort zu verstehen? Gürbaca: Sie ist der Punkt, auf den am Ende alles zuläuft. Sie stellt einen Gegenentwurf zur existierenden Gesellschaft dar. Die Musik gewinnt plötzlich eine unglaubliche Ruhe und Weite, es werden ganz grosse Bögen gespannt. Ich habe das Gefühl, dass die Figuren dann endlich befreit sind. Ich höre da kein qualvolles Ersticken, sondern Tod und Verklärung zugleich. Spahn: Man wundert sich, dass in Aida alles so resignativ auf den Tod zu­läuft. Da ist nichts mehr zu spüren von der gesellschaftskritischen Auflehnung, die Verdis frühere Opern geprägt hat. Gürbaca: Das stimmt. Wahrscheinlich ist Aida die passivste Hauptfigur der Operngeschichte überhaupt. Erst ihr Vater Amonasro bringt sie mit seinem Au­f­tritt dazu, zumindest für einen vorübergehenden Moment etwas für sich zu erreichen. Grünberg: Die Resignation ist auch bei Radamès und Amneris zu spüren. Sie haben sich in das System gefügt und versuchen gar nicht erst auszubrechen. Das macht die Oper aus meiner Sicht unheimlich aktuell. Denn dieses Gefühl,

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dass es unmöglich geworden ist, die Verhältnisse grundsätzlich in Frage zu stellen, kennen wir doch alle sehr gut. Spahn: Aidas Passivität ist dem Umstand geschuldet, dass sie in einem fremden Land lebt. Erzählt Aida von kultureller Entwurzelung? Gürbaca: Ich denke, es geht um das Fremdsein in der Welt überhaupt, denn wahrscheinlich würde sich Aida auch in ihrer äthiopischen Heimat nicht mehr zu Hause fühlen. Wir wissen ja nicht, wie lange sie schon in Ägypten lebt. Aber bestimmte Anzeichen deuten darauf hin, dass sie schon sehr lange dort ist. Wenn Amneris sagt, sie sei ihr wie eine Schwes­ter oder eine Freundin, möchte ich dem erst einmal Glauben schenken. Aida hängt zwischen allen Welten, wie wir das in der modernen Welt auch andauernd erfahren. Wir leben in einer Zeit, in der der Begriff der kulturellen Identität immer kompli­ zierter wird. Die Globalisierung bringt es mit sich, dass wir unser Leben nicht mehr an dem Ort verbringen, an dem wir geboren wurden. Ich begegne ständig Leu­ten, die von irgendwo kommen und Partner von woanders finden. Meine Erfahrung ist, dass sich Identität im Leben permanent weiter entwickelt und nicht festlegbar ist. Und die Probleme unter den Menschen beginnen, wenn man Identität zu fixie­ren versucht und sagt: Hey, du bist doch Ausländer! Du gehörst doch gar nicht in dieses Land. Ich kann Aida durch meine eigene Biografie sehr gut verstehen, denn ich wurde in Deutsch­ land geboren, meine Eltern jedoch stammen beide nicht aus Deutschland. Da gibt es zum Beispiel am Ende der «Guerra-Szene» bei «Ritorna vincitor» den Moment, in dem Aida mitjubelt und gleich hinterher über das erschrickt, was sie da aus dem Moment heraus mit Überzeugung gesagt hat. Für wen bin ich eigentlich? Da erfährt man viel über Identi­tätsbrüche. Ich finde, Aidas Gefühlslagen sind total modern.

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Oh mein Vaterland, wieviel kostest du mich?



VOM ANDERSSEIN DER IMMIGRANTEN Amin Maalouf

Bevor man zum Immigranten wird, ist man Emigrant; bevor man in einem Land ankommt, hat man ein anderes verlassen müssen, und die Gefühle eines Men­ schen gegenüber dem Ort, den er verlassen hat, sind niemals einfach. Letztlich ist man fortgegangen, weil es Dinge gab, die man abgelehnt hat – Repression, Un­sicherheit, Armut, Perspektivlosigkeit. Oft jedoch ist diese Ablehnung mit Schuldgefühlen verbunden. Da sind die Angehörigen, die man zurückgelassen hat, ein Haus, in dem man aufgewachsen ist, unzählige angenehme Erinnerun­ gen. Und es gibt Bindungen, die nicht abreissen, zu einer Sprache, einer Reli­ gion, auch zur Musik, zu den Gefährten des Exils, den Festen, der heimischen Küche. Nicht minder ambivalent sind auch die Gefühle, die man gegenüber dem Gastland empfindet. Hierhergekommen ist man, weil man sich ein besseres Leben für sich und die Seinen erhoffte; doch diese Erwartung findet ihr Pendant in ei­­ner Furcht vor dem Unbekannten – zumal die Kräfte ungleich verteilt sind: man fürchtet, zurückgewiesen, gedemütigt zu werden, und wird hellhörig für Verhaltensweisen, die Verachtung, Ironie oder Mitleid verraten. Der erste Impuls besteht nicht darin, seine Andersheit herauszustreichen, sondern darin, nicht aufzufallen. Der geheime Traum der meisten Migranten ist es, für Landeskinder gehalten zu wer­den. Sie sind anfänglich versucht, ihre Gastgeber zu imitieren, und manchmal gelingt es ihnen. Meistens jedoch nicht. Sie haben nicht den richtigen Akzent, nicht die richtige Hautfarbe, weder den richtigen Vor- oder Nachnamen noch die richtigen Papiere, die dazu nötig sind, und ihre List fliegt sehr schnell auf. Viele wissen, dass es die Mühe nicht lohnt, es zu versuchen, und tragen aus Stolz oder aus Trotz ihre Andersheit deutlicher zur Schau, als es der Wirklichkeit ent­spricht. Einige gehen sogar noch weiter; ihre Frustration entlädt sich in brutalem Protest.

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Wenn ich hier näher auf den Gemütszustand der Migranten eingehe, dann nicht nur, weil mir dieses Dilemma persönlich vertraut ist, sondern auch, weil die Folgen identitärer Konflikte in diesem Bereich weit verheerender ausfallen kön­ nen als in anderen. In zahlreichen Ländern, in denen heute eine autochthone Bevölkerung und Trägerin der örtlichen Kultur mit einer erst kürzlich zugewanderten Bevöl­ke­ rung in Berührung kommt, die andere Traditionen mitbringt, treten Spannun­gen zutage, die das Verhalten jedes einzelnen, das soziale Klima und die politische Diskussion belasten. Um so wichtiger ist es daher, einen besonnenen und ge­ lassenen Blick auf diese emotionsgeladenen Fragen zu werfen. Die Besonnenheit ist eine Gratwanderung, der schmale Pfad zwischen zwei Abgründen, zwei extremen Auffassungen. Hinsichtlich der Immigration besteht das eine Extrem darin, das Gastland als ein unbeschriebenes Blatt anzusehen, auf dem jeder eintragen kann, was er möchte, oder schlimmer, als ein Niemands­ land, auf dem sich jeder mit Sack und Pack niederlassen kann, ohne an seinen Verhaltensweisen und Gewohnheiten das mindeste ändern zu müssen. Das ande­ re Extrem besteht darin, das Gastland als eine bereits abgeschlossene Seite zu betrachten, als ein Land, dessen Gesetze, Werte, religiöse Überzeugungen, kulturelle und menschliche Eigenheiten ein für allemal festgeschrieben sind und das den Imigranten keine andere Möglichkeit lässt, als sich anzupassen. Beide Auffassungen erscheinen mir gleichermassen wirklichkeitsfremd, un­ sinnig und schädlich. Sollte ich sie überzeichnet haben? Wohl kaum, leider. Und selbst wenn ich es getan hätte, wäre es kein Schaden, da Karikaturen jedem Ge­ ­legenheit bie­ten, sich die Absurdität der eigenen, hier zu äusserster Konsequenz getriebe­nen Position vor Augen zu führen; während einige weiter an ihr fest­ halten wer­den, dürften verständigere Menschen der doch wohl konsensfähi­gen Einsicht ein Stück näher rücken, dass nämlich das Gastland weder ein un­be­ schrie­­benes noch ein volles Blatt ist, sondern eines, das gerade geschrieben wird.

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DIE UNDANKBARE FREMDE Irena Brežná

Mein Name gehörte mir nicht mehr. Stotternd sprach man ihn aus, falsch klang er, schwerfällig. Ein stetiger Anlass, mich unpassend zu fühlen. Und meine Sprechweise in der neuen Sprache war verdächtig zerklüftet. Ein Fehler geschah, ein Loch tat sich auf. Die Einheimischen mochten geglättete Verhältnisse, zu­ betonierte Löcher. Der Lehrer lockte: «Pass dich an. Stell dir vor, du gehst auf der Strasse und alle denken, du seiest von hier.» Doch ich wusste: Mein flaches Mondgesicht würde mich verraten. Und wenn schon. Ich wollte es nicht in die Länge pressen und mich hier als Weizen­ korn verwurzeln. Die Wiesen waren zerstückelt durch stromgeladene Zäune, Kühe weideten hinter Privatschildern. Bei uns gab es weite Felder bis zum Todesstreifen. Die hiesigen Weiher gehörten nicht uns allen, auch Fische waren private Dinge. Wo könnte ich losrennen bis zur Sonne und bis zum Umfallen privatlos schreien? (...) Keine Waschmaschine wusch mein altes Ich so rein, dass ich ein unbefleck­ tes Leben beginnen könnte. Dankbar sollte ich sein, hier leben zu dürfen. Und stets pünktlich. Wem und wofür sollte ich pünktlich dankbar sein, dass es mir in der besseren Welt so schlecht ging? Zuhause ist dort, wo man motzen darf, aber ich hatte kein Zuhause.

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Irena Brežná, die in die Schweiz emigrierte Schriftstellerin, schreibt in ihrem Roman «Die undankbare Fremde» über eine junge Frau, die in ein reiches Land flieht und gegen die fremden Verhältnisse rebelliert.

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Sei willkommen, Retter des Vaterlandes!


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KRITIK AN DER STAATSAKTION Warum der Triumphmarsch in Verdis «Aida» nicht so triumphal ist, wie er gerne wahrgenommen wird Holger Noltze

Eine Zeitlang war er in Fussballstadien zu hören, wenn die eigene Mannschaft ein Tor geschossen hatte. Auch die Werbung für ein Stärkungsmittel zum Triumph über bestimmte Alterserscheinungen wählte als musikalisches Erken­ nungszeichen, was als «Triumphmarsch aus Aida» weltberühmt wurde. Im No­ ten­text heisst er gar nicht so. Es handelt sich um ein eher kurzes Intermezzo, das im «Gran finale secondo» zweimal auftaucht: einmal zwischen dem Eingangs­chor «Gloria all’Egitto» und einer Ballettmusik, die mit etwas irritie­ render Leichtfüssigkeit ausmalt, wie Tänzerinnen die Schätze der besiegten Äthiopier vor die Augen der triumphierenden Ägypter tragen, dann mit dem ganzen Orchester am Aktende. Beim ersten Mal erscheint der «Triumphmarsch» als Bühnenmusik, als Teil einer Siegesfeier als Staatsaktion, vorgetragen von sechs «ägyptischen Trompeten», die als «Aidatrompeten» bekannt, aber gemessen an den Ansprüchen historischer Korrektheit nicht eben sehr ägyptisch sind. Verdis Ehrgeiz, in Ausstattung und Ausführung seiner ägyptischen Oper möglichst «original» zu sein, stiess an Grenzen. Über altägyptische Trompeten etwa war zu wissen, dass sie in militärischen und religiösen Zusammenhängen be­­nutzt wurden und ungefähr so klangen, wie Esel schreien. So steht es bei Plu­tarch. Wie sie ausgesehen haben könnten, ging aus ein paar Wandreliefdarstel­ lungen nur vage hervor, und zu Verdis Zeit war lediglich ein einziges reales Objekt erhalten. Erst im 20. Jahrhundert fanden sich im Grab des Tut-enchAmun etwa 60 cm lange, leicht gebogene, konische Trompeten mit kleinem Schalltrichter.

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Auf dieser schwachen Wissensgrundlage gab Verdi in der Werkstatt des Mailän­ der Instrumentenbauers Giuseppe Pelitti die irgendwie antiken Trompeten in Auftrag, klanglich fielen sie eher unbefriedigend aus. Für die Pariser Aida 1880 fertigte Adolphe Sax dann Modelle mit zwei Ventilen an, doppelt so lang wie die Fundstücke aus dem alten Ägypten. Auch die Recherchen zu musikalischem Originalmaterial brachten keine brauchbaren Ergebnisse: Aida lässt sich als Zeugnis der herrschenden «Ägyptomanie» lesen und überhaupt nicht als Ar­ chäo­logie in Opernform. «Ich werde nie ein Wissenschaftler der Musik sein, immer ein Pfuscher bleiben», schreibt Verdi im November 1871 an Giulio Ricor­di, und darin steckt bestimmt Ironie, auf jeden Fall Genervtheit: Er hätte es vielleicht gern «authentischer» gemacht. Am Ende aber sah er die Notwendig­ keit, sein Aida-Ägypten selbst erfinden zu müssen und zwar so, dass es einem zeitgenössischen Publikum hinreichend echt erschien. Der «Triumphmarsch», das populärste Melodiekürzel in Verdis Aida ist auch nicht zu verstehen ohne den Blick auf den europäischen historischen Hintergrund, vor dem sie entstand. Am 19. Juli 1870 hatte Napoleon III. auf nationalistische Provokationen des Preussenkönigs Wilhelm I. mit einer Kriegs­ erklärung geantwortet. Der deutsch-französische Krieg endete Anfang 1871 mit der Proklamation Wilhelms zum deutschen Kaiser in Versailles. Es ist die Zeit des Sieges von Sedan am 2. September 1870, der ersten Kapitulation Frankreichs, der Belagerung von Paris, in der Verdi an der Musik zu Aida ar­ beitet. Schwer vorstellbar, dass die martialischen Rufe «Guerra! Guerra! Ster­ minio all’invasor!» («Krieg, Krieg! Vernichtung den Invasoren!») im ersten Akt nicht unter dem Eindruck der gleichzeitigen Militäroperationen komponiert wurden. Dass die Preussen siegen, erlebt Verdi als tiefe Schmach. Im September klagt er in einem Brief an die Freundin Clara Maffei: «Dieses Unheil Frankreichs bringt auch mein Herz, wie das Eure, zur Verzweiflung!» Und es folgt ein hefti­ ger antigermanischer Ausbruch: «Mögen unsere Literaten und unsere Politiker ruhig die Bildung, die Wissenschaften und selbst (Gott vergebe es ihnen) die Künste dieser Sieger rühmen; aber wenn sie etwas ins Innere blickten, würden sie sehen, dass in deren Adern noch immer das alte Gotenblut fliesst, dass sie von masslosem Stolz, hart, unduldsam gegen alles sind, was nicht germanisch ist,

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und von einer Gier, die keine Grenzen hat. Menschen mit Kopf, aber ohne Herz; eine starke, aber nicht gesittete Rasse. Und jener König, der immer den lieben Gott und die Vorsehung im Munde führt und mit ihrer Hälfte den besten Teil Europas zerstört…» So schäumt er noch lange weiter. Verdi fürchtet als Folge des Aufstiegs Deutsch­lands zum Kaiserreich mit imperialen Ambitionen nicht weniger als den Untergang seiner Welt und Kultur, zu der auch die französische gehört, so fremd ihm die Pariser Szene auch ist. Auf den ersten Blick erscheint das Triumphmarschfinale bloss triumphal. Doch wie subtil hier die Perspektiven nicht nur der ägyptischen Sieger und der leidenden Äthiopier, sondern auch die individuellen Intentionen, Befindlichkei­ ten, Seelenzustände der Protagonisten, die Vorzeichen der sich anbahnenden Katastrophen in den Sog eines Grand Finales eingewoben sind, das ist in der Opernliteratur des 19. Jahrhunderts bis dahin unerreicht. Dass der Pomp der Massen­szenen die Liebestragödie erschlage, gehört zu den kritischen Einwänden, die Verdis Aida immer schon begleiteten. Dabei wird hier in einem verblüffend modernen gesellschaftsanalytischen Verständnis das Private unter dem Druck des Politischen gezeigt. Das Volk preist Radamès als Retter des Vaterlands, Aida erkennt unter den Gefangenen ihren Vater Amonasro, den König der Äthiopier. Die Gefangenen, Sklavinnen und Aida bitten um Erbarmen, die Priester ver­ langen vom König die Vernichtung der Feinde, dem tritt das Volk entgegen: «gli sdegni placate», beruhigt euren Zorn. Man darf das als Einspruch der Menschlichkeit gegen die Gnadenlosigkeit des religiös-militärischen Komplexes verstehen und einmal mehr Verdis kirchen­ kritische Sicht zur Kenntnis nehmen. Aida war ein Auftrag aus Kairo, jenseits der italienischen Zensurgrenzen; das ermöglichte, deutlicher denn je eine Kritik an einer von Hass und Inhumanität geleiteten religiösen Orthodoxie zu formu­ lieren, an einem Machtkartell der Priester und Krieger, und dies im Pompfinale einer prestigepolitisch kommissionierten Grossen Oper. Mitten in die spektakuläre Staatsaktion exponiert eine genaue Regie der Blicke das zentrale Beziehungsdreieck: Radamès «fixiert» Aida, Amneris beob­ ach­­tet Radamès. Verdi war nicht ohne Grund stolz auf die komplexe Konstruk­ tion dieser Finalszene, die viel mehr ist als nur eine monumentale Über­ wältigungs­lösung für den Pausenschluss einer grandiosen Festoper. Das ist sie

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fraglos auch, und das effektstark Monumentale solcher Staatsaktion ist uns aus guten Gründen verdächtig. Doch wo Verdi stand, was er von Kriegsrhetorik hielt, die militärische Machtpolitik mit religiösen Zeichen verbrämte, und wie sehr die aktuelle poli­ tische Situation in das Kulissen-Ägypten der Pharaonenzeit hineinragte, lässt sich aus einem Brief an Antonio Ghislanzoni vom 8. September 1870 ablesen. Für das Triumphfinale wünschte er sich von seinem Librettisten zunächst, «dass der Chor ein bisschen das Lob Ägyptens und des Königs, ein bisschen auch das des Rada­mès singt.» Der Chor der Frauen passte ihm gut, aber dann sollen noch acht Verse «für die Priester dazukommen: ‹Wir haben gesiegt mit Hilfe der gött­lichen Vorsehung. Der Feind hat sich ergeben. Gott helfe nun weiter.› (Siehe die Tele­gramme des Königs Wilhelm!)» Damit spielte Verdi auf die Depeschen des preussischen Königs an, in denen dröhnend verkündet wurde, der deutsche Sieg sei göttlich vorbestimmt gewesen. Wenn sich für den Komponisten in der Musik der ägyptischen Sieger der preussische Triumphalismus nach dem Sieg über Frankreich am Sedanstag sechs Tage zuvor spiegelt, dann muss man den Pomp des Finales auch so hören: als Kritik, und man mag zum Beleg für die Hohlheit solcher menschenverachten­ der Staatsaktionen eben jenen «Triumphmarsch» nehmen, der gern für den Monumentalismus des ganzen Stücks herangezogen wird. Und auf den zweiten Blick und für feiner gestimmte Ohren klingen die «Aidatrompeten» dann doch eher dünn als martialisch, und die Modulation von As-Dur nach H-Dur, über ein unisono und etwas banal unvermitteltes Fis klingt doch weniger pathetisch als vielmehr unmissverständlich: jämmerlich. Die Raffinesse des (nicht nur hier zu beobachtenden) Verfahrens, entschiedene, ja ätzende Kritik zu verbinden mit den auf Affirmation zielenden Konventionen der Gattung, damit eine von Anlässen, Zensur, theaterpraktischen Begrenzungen unabhängige «doppelte Les­bar­keit» zu eröffnen, zeigt den Musikdramatiker Verdi in seiner ganzen Grösse. Er lieferte zur Zufriedenheit des Khediven ebenso wie des bürgerlichen Publikums der Scala, und liess zugleich keinen Zweifel, warum die Liebe zwi­ schen Aida und Radamès unter diesen Weltbedingungen und Machtverhältnis­ sen nicht sein durfte.

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DER KRIEGSHELD SERGEANT ANDERSSON Da steht er nun. Der Kriegsheld. Auf einem leeren Parkdeck in Houston. Mit einer Pistole an der rechten Schläfe, einer Glock 22. Ein Geschenk vom Vater. Dem Kriegsgegner. Ein Geschenk vom Kriegsgegner für den Krieger. Da steht er also. Sergeant Nils Aron Andersson, 25. Der blonde Mustersoldat von der Westküste. Vor ihm: Downtown Houston. Hauptstadt des Öls. Zehnspurige Highways. Eine Lichterwand aus Wolkenkratzern. Es ist 1.30 Uhr. Die Luft noch warm, der Himmel sternenklar. Eine Nacht wie aus dem Katalog. Seine Hochzeitsnacht. Vor 17 Stunden hat Aron geheiratet. Cassy Walton, Investment­ bankerin von JP Morgan Chase. Soldat heiratet Bankerin. Das war wie im Mär­ chen. Na ja, er ist auch kein gewöhnlicher Soldat. Er ist ein Kriegsheld. Das hat er schriftlich. Träger des Tapferkeitsordens Bronze Star. Des Verwundetenordens Purple Heart. «Ich sollte wieder in den Krieg gehen.» Das schrieb Aron. «Dort hatte ich wenigstens Erfolg.» Aber die Kriege im März 2007 sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Der im Irak gerät ausser Kontrolle und der in Afghanistan gleich mit. Aron greift zum Handy. 1.35 Uhr. So rekonstruiert es später die Polizei. Er wählt die Nummer seiner Braut. Erreicht sie auf seiner eigenen Hochzeitsfeier im Shay McElroy's Irish Pub. Am glücklichsten Tag ihres Lebens. Das haben sie sich gesagt. Vor 17 Stunden erst. Auf dem Standes­ amt. Jetzt sagt er: «Ich bin im Parkhaus am Stadion.» Sie sagt: «Was zum Teufel machst du da?» Er sagt: «Ich bring mich um.» Ihr Aron. Ihr American Hero. Der etwas sensibel erschien, aber nicht labil. Der nie Probleme mit Drogen oder Alkohol hatte. Nicht mal mit dem Töten. Höchstens mit dem Leben nach dem Töten. Und mit dem Krieg. Nicht dem im Irak. Dem im Kopf. Kurz ist Cassy wie erstarrt. In der Hand noch Champagner. Auf dem Tresen Blumen. Eine surreale Szene. Ist das ein Hochzeitsscherz, fragt sie sich. Oder Trunkenheit? Da rennt sie los. Im Hochzeitskleid. «Ich bin glücklich wie lange nicht.» Das sagte Aron seiner Mutter am Handy. Vor 15 Stunden erst. Aber er

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sagte noch etwas Merkwürdiges: «Ich verlasse die Army.» Sie konnte es kaum glauben. Solche Worte sagst du nicht leichten Herzens, wenn du mit dem Mili­ tär verheiratet bist. In die Army ging Aron mit 20. In den Irak mit 21. Dann noch mal mit 23. Er hat Hunderte von Häusern gestürmt. Terroristen getötet. Kame­raden gerettet. Da hast du mehr als deinem Land gedient. Da hast du dich mit deinem Land vereint. Da bist du nicht nur zum Mann geworden. Sondern zum Killer. Retter. Helden. Veteranen. Andere werden in der Zeit zum Bankkaufmann. Die US-Army lehrte ihn alles: Disziplin. Treue. Das Funktionieren. Sie lehrte ihn das Reden. In kurzen Sätzen. In klaren Kommandos. UO. Urban Operations. Türen auf. MG voran. Haus durchsuchen. Türen zu. In Bagdad. In Falludscha. Aber danach ging es weiter. In Albträumen. In Flashbacks. «Du hast wieder gekämpft heute Nacht», sagte Cassy am Morgen. «Gegen wen?» – «Gegen das Sofa.» Manchmal auch gegen Cassy. Aber das war der Krieg. Dies ist Houston. 1.45 Uhr. Über ihm die Milchstrasse. (...)

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Aus einer Reportage von Jan Christoph Wiechmann im «Stern» vom 27.3.2013

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POSTTRAUMATISCHE BELASTUNGSSTÖRUNG Eine posttraumatische Belastungsstörung PTBS ist eine psychische Erkrankung. Einer PTBS gehen definitionsge­mäss ein oder mehrere belastende Ereignisse von aussergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmass voran. Die PTBS tritt in der Regel innerhalb von einem halben Jahr nach dem traumati­ schen Ereignis auf und geht mit unterschiedlichen psychischen und psychoso­ matischen Symptomen einher. Häufig kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit, sowie durch das traumatische Erleben zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses. Die PTBS stellt einen Versuch des Organismus dar, eine traumatische, mit­unter lebensbedrohliche Situation zu überstehen. Daher handelt es sich ur­ sächlich nicht um eine Störung, sondern um eine gesunde und zweckdienliche Reaktion. Viele Menschen haben nach einem Trauma Schwierigkeiten, ihr altes Leben wieder aufzunehmen. Es gibt Statistiken, nach denen jeder vierte Obdachlose auf Amerikas Strassen Veteran eines Krieges ist. Traumatisierte Menschen befinden sich in einer Art ständiger Alarmstim­ mung. Kleinigkeiten, die an das Trauma erinnern, wie uniformierte Menschen, Nachrichten, Lärm, Enge oder Jahrestage einer Verhaftung, so genannte Trigger können körperliche Symptome wie Herzrasen, Zittern, Angstschweiss, Atemnot, Übelkeit und Ohnmachtsanfälle hervorrufen. Aus Wikipedia

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Ach, wenn er mich doch auch lieben kรถnnte!





DIE GROSSE LEERE Das Herz der Oper bilden die persönlichen tragischen Konflikte der Hauptfiguren und nicht die opulente Triumphszene. Die ist schon auch wichtig, aber nicht das Beste in

Aida. Wie Verdi die Figuren charakterisiert und dramatisch auf den Punkt bringt, darin liegt die eigentliche Stärke des Stücks. Nehmen wir zum Beispiel Amneris: In ihr begegnet uns ein Mezzo­sopran, der von Verdi nicht mehr eindimensional gefasst ist. Eine Seelenwelt voller Facetten und Ambivalenzen tut sich in ihr auf, von der Liebenden bis zur Furie. Man darf ihr die ver­meint­l ich negative Energie, die sie antreibt, nicht übel nehmen. Sie ist auch eine Liebende und kämpft um diese Liebe mit ihren Mitteln. Und das sind nun mal die Mittel der Macht, sie ist schliesslich Pharaonentochter. Ich finde Amneris eine faszinierend komplexe und farbige Figur. Gerade das allerletzte Bild ist bezeichnend dafür. Dass sie es ist, die die letzten Worte überhaupt hat und – «pace t’imploro» – um Frieden fleht, ist ein unglaublich süsser Moment. Ein Moment der Einsicht und des resignativen Frieden­schliessens mit der Welt. Amneris singt am Ende nur zwei Sätze, aber was Verdi daraus macht, zeigt uns eine ganze Welt. Der Schluss ist ja überhaupt einer der genialsten Verdi-Momente. Die Oper hört einfach im Nichts auf, im totalen Stillstand. Es gibt keine Handlung mehr. Und Verdi führt mit Amneris vor, wie es im Leben geht: Verzweiflung verharrt am Ende selten in Auflehnung, Wut ist nur eine Zwischenstufe. Am Ende kommt die grosse Leere. Fabio Luisi

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ETWAS GRANDIOSES Zur Entstehungsgeschichte von Giuseppe Verdis Oper «Aida» Fabio Dietsche

Bereits während der Proben zu Verdis Oper Don Carlos an der Grand Opéra Paris mussten an dem überlangen Werk fortlaufend Kürzungen und Streichun­ gen vorgenommen werden. Die Einstudierung stand unter keinem guten Stern. Am 11. März 1867 wurde Verdis wohl vielgestaltigste und experimentellste Oper uraufgeführt. Doch die Genialität dieser Partitur stiess nicht bei allen auf Ver­ ständnis. Georges Bizet schrieb nach der Uraufführung: «Verdi ist kein Italiener mehr. Er macht Wagner.» Wie schon 1855 mit Les Vêpres Siciliennes, seinem ersten Werk für die Grand Opéra, musste Verdi erneut feststellen, dass er an der «Grande Boutique», wie er sie etwas despektierlich zu nennen pflegte, nicht am richtigen Platz war. Verdi sorgte wie kaum ein anderer für die Verbindlichkeit seiner Opernpartituren, indem er deren Verleih ausschliesslich über einen Ver­ leger regelte und sie damit der willkürlichen Behandlung des Impressarios ent­ zog. Dieser Anspruch steht in schroffem Kontrast zur Ausstattungsrevue, die man an der Grand Opéra seit den Werken Giacomo Meyerbeers erwartete. An den Librettisten des Don Carlos und späteren Direktor der Opéra comique, Camille Du Locle schrieb Verdi: «Ich bin für Paris nicht der richtige Komponist. Ich weiss nicht, ob ich Talent habe, ich weiss nur, dass sich meine künstlerischen Ideen stark von den euren unterscheiden. Ich glaube an die Inspiration, ihr glaubt nur an die Faktur». Bereits am Tag nach der Uraufführung reiste er wütend aus Paris ab und schrieb seither keine Oper mehr für diese Stadt. Seit den Erfolgen seiner Opern Rigoletto, Il trovatore und La traviata war Verdi ein weltberühmter Künstler. Als politischer Mensch, der sich für die Ver­ einigung Italiens einsetzte, war er überdies ein nationales Vorbild geworden. Ende der Fünfzigerjahre setzte ein nationaler Verdi-Kult ein, indem sein Name – als Abkürzung für den politischen Führer der Risorgimento-Bewegung – zum

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Slogan für den Anschluss an den unabhängigen Nationalstaat Italien wurde: Vittorio Emmanuele Re d’Italia. Wenn Verdi jetzt künstlerisch noch etwas sagen wollte, dann musste es etwas Fundamentales sein. Nach den Pariser Querelen rund um den Don Carlos zog sich Verdi vorerst auf seinen Landsitz in Sant’ Agata zurück und kümmerte sich um seine Land­ güter, deren Umfang er stetig vergrösserte. Für einen Moment schien es, als würde Verdi das «Erbe» des soeben verstorbenen Gioachino Rossini übernehmen und dem Operngeschäft gänzlich abschwören. Ganz so weit sollte es allerdings nicht kommen. Vom Land aus führte er rege Korrespondenz und blieb deshalb auch mit Camille Du Locle im Kontakt, der für die Entstehung von Verdis Aida zu einer wichtigen Vermittlungsperson wurde. Als 1869 in Ägypten der Suezkanal eröffnet wurde, wendete sich der Direk­ tor des neu erbauten Opernhauses in Kairo, Paul Draneth Bey mit der Bitte an Verdi, eine Hymne zur Eröffnung des Kanals zu schreiben. Dieser war jedoch nicht dazu bereit; es sei nicht seine Gewohnheit, «Gelegenheitsstücke zu schreiben». Das unter der Herrschaft des Khediven Ismail Pascha erbaute Kairoer Opern­haus wurde daraufhin am 1. November 1869 mit Verdis Rigoletto eröffnet. Für die zweite Spielzeit wünschte sich Ismail Pascha erneut eine grosse Festoper und liess sich vom erfahrenen Theatermann Camille Du Locle beraten. Als dieser Verdi im Dezember 1869 besuchte und ihm die Pläne des Khediven unterbreitete, lehnte Verdi wiederum ab. Erst als ihm Du Locle einen szenischen Entwurf zusendete, den der renommierte Ägyptologe Auguste Mariette ge­ schrieben hatte, fing Verdi Feuer: Er befand die Skizze für «hervorragend vom szenischen Standpunkt und mit zwei, drei, wenn auch nicht ganz neuen, so doch gut gemachten Stellen». Du Locle legte dem Aida-Entwurf ausser­dem ein Schrei­ben bei, das ihn aus Kairo erreicht hatte. In einem Postscriptum heisst es dort: «Sollte Monsieur Verdi nicht akzeptieren, ersucht seine Hoheit Sie, an eine andere Türe zu klopfen. [...] Man denkt an Gounod oder an Wagner; sollte dieser es tun wollen, so könnte er etwas Grandioses zustande bringen.» Ob Verdi dieser Brief beeindruckt hat? Jedenfalls war er nun zur Komposi­ tion bereit. Die widrigen Umstände der Pariser Don Carlos-Einstudierung hatte er jedoch nicht vergessen. Er stellte deshalb höchste Ansprüche und wollte zu­ nächst die «pekuniären Verhältnisse Ägyptens» abwarten. Der Khedive ging auf

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sämtliche Forderungen Verdis ein und sicherte ihm ein Honorar von 150’000 Goldfrancs zu – fast viermal so viel, als Verdi an der Grand Opéra für seinen Don Carlos erhalten hatte und gleichzeitig bis dahin das höchste Honorar, das je für eine Opernkomposition bezahlt wurde. Verdi machte sich voller Eifer an die Arbeit. Es war ihm wohl bewusst, dass er mit einem solch repräsentativen Auftrag seinen internationalen Ruhm noch einmal bekräftigen konnte. Nachdem er den Stoff mit Hilfe seiner Frau Giusep­ pi­na ins Italienische übersetzt hatte, setzte er sich mit Antonio Ghislanzoni in Verbindung, der ihm bereits bei der Neufassung von La forza del destino gehol­ fen hatte und bat ihn, die Versifizierung des vorliegenden Entwurfs zu überneh­ men. Auf ein persönliches Treffen Verdis mit dem Librettisten folgte ein reger Briefwechsel zwischen den beiden, aus dem auch Verdis musikalische und szeni­ sche Ästhetik deutlich hervorgeht. Verdi wartete – zeitweise ungeduldig – auf den Text. Sobald ihm Ghislan­ zoni den ersten Teil geschickt hatte, begann er mit der Komposition. Er nutzte die Wartezeit jedoch auch, um sich ausführlich über die Geschichte und Geogra­ fie Ägyptens sowie über Religion und Musik der alten ägyptischen Kultur zu informieren. Die Forschungen der Ägyptologie waren damals aber noch nicht so weit fortgeschritten. Verdi fand weder ausführliche geschichtliche Belege, noch fundierte Erkenntnisse zum altägyptischen Kultus und schon gar keine auf­schlussreichen Recherchen zur Musikkultur der alten Ägypter. Auch die Aida-Trompeten, die er für den Triumphmarsch «nach antiker ägyptischer Form» nachbilden liess, erwiesen sich später als fantastische Konstrukte. Wahr­ haft ägyptisches Kolorit findet man in Verdis Aida eigentlich nur in den Regie­ anweisungen. Vielmehr ist die Oper, in deren Zentrum ein kriegerischer Konflikt zwi­ schen Ägyptern und Äthiopiern steht, von ganz aktuellem Zeitgeschehen beein­ flusst: Mitten in der Kompositionsphase, die vom August 1870 bis Januar 1871 – also nur ein halbes Jahr – dauerte, brach der Deutsch-Französische Krieg aus. Trotz der Verstimmungen im Zusammenhang mit der Pariser Grand Opéra war Verdi ein grosser Liebhaber der französischen Kultur und stand dem Aufstieg Preus­sens zur führenden Macht in Mitteleuropa äusserst kritisch gegenüber. Am 1. September 1870 – Verdi steckte mitten in der Arbeit an der Aida – fand

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die Schlacht von Sedan statt, die für Frankreich in einer schmählichen Nieder­ lage endete. Verdi beklagte «Frankreichs Unglück» und hatte seherische Vor­ ahnungen: «Das ist kein Krieg der Eroberung, des Ehrgeizes mehr; es ist ein Krieg der Rasse, und er wird lange dauern». Verdis Korrespondenz aus dieser Zeit belegt deutlich, wie intensiv er sich mit dem preussisch-französischen Kon­ flikt auseinan­dersetzte. Es liegt deshalb auf der Hand, dass die martialische Kriegsstimmung, die in den ersten beiden Akten von Verdis Aida durchbricht, unter dem Einfluss dieser Eindrücke entstanden ist. Das Aida-Vorhaben wurde jedoch auch aus einem ganz konkreten Grund von den kriegerischen Wirren in Frankreich beeinflusst: Seit dem 19. September 1870 wurde Paris von den Preussen belagert. Auguste Mariette sowie die Kulis­ sen und Kostüme, deren Produktion er überwachte, waren eingeschlossen. Die Arbeiten mussten eingestellt und der ursprünglich im Januar 1871 geplante Premierentermin verschoben werden. Verdi nutzte die Verzögerung um eini­ge Stellen in der Partitur zu überarbeiten und schrieb erst jetzt die berühmte Ro­ manze der Aida zu Beginn des «Nilaktes». Nachdem Frankreich im Januar 1871 endgültig besiegt und Wilhelm I. zum deutschen Kaiser proklamiert worden war, konnten die Vorbereitungen zur Aida-Premiere im Frühjahr fortgeführt werden. Der 24. Dezember 1871 wur­ de als neues Premierendatum festgelegt. Im Mai besuchte Paul Draneth Bey Giuseppe Verdi in Sant’Agata um alle noch offenen Fragen zu besprechen. Ver­ di hatte entschieden, selber nicht nach Ägypten zu fahren. Er wollte der Rekla­ me, die um seine neue Oper mit grossem Aufwand betrieben wurde – und die ihm tief zuwider war – durch den Kult um seine eigene Person keine zusätz­li­­che Nah­r ung geben. Stattdessen kümmerte er sich detailliert um die italienische Erst­ aufführung der Aida, die nur gut zwei Monate nach der ägyptischen Premiere in Mailand stattfinden sollte. Am Heiligen Abend 1871 füllte sich das Kairoer Opernhaus mit einem international geladenen Publikum. Verdis neue Oper feierte einen triumphalen Erfolg und wurde auch von der Kritik wohlwollend aufgenommen. Bei der ersten Aufführung an der Mailänder Scala am 8. Februar 1872 soll Verdi, der sein Werk hier zum ersten Mal auf der Bühne erlebte, Augenzeugenberichten zufolge, zweiunddreissig Mal vor den Vorhang gejubelt worden sein.

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Hier herrscht dort รถffnet sich ei


nur Ungl端ck, n Himmel der Liebe






AIDA GIUSEPPE VERDI (1813-1901) Oper in vier Akten Libretto von Antonio Ghislanzoni Uraufführung: 24. Dezember 1871, Opernhaus Kairo

Personen

Aida, eine äthiopische Sklavin Radamès, Feldherr

Sopran

Tenor

Amneris, Tochter des Königs Ramfis, Oberpriester

Mezzosopran

Bass

Amonasro, König von Äthiopien und Vater Aidas Der König Ein Bote

Bass

Tenor

Eine Priesterin

Sopran

Priesterinnen, Priester, Volk von Ägypten, ägyptische Krieger, äthiopische Gefangene

Bariton


ATTO PRIMO

ERSTER AKT

INTRODUZIONE – SCENA

INTRODUKTION UND SZENE

SCENA I

1. BILD

Sala nel palazzo del Re a Menfi.

Ein Saal im Königspalast von Memphis.

A destra e a sinistra una colonnata con statue

Zur rechten und linken Seite je ein Säulengang mit Statuen

e arbusti in fiore. Grande porta nel fondo, da cui

und blühenden Sträuchern. Im Hintergrund ein grosses Tor,

appariscono i tempii, i palazzi di Menfi e le Piramidi.

durch welches man die Tempel und Paläste von Memphis und die Pyramiden sehen kann.

Radamès e Ramfis in scena, conversando fra loro.

Radames und Ramfis im Gespräch.

RAMFIS

RAMFIS

Sì: corre voce che l’Etiope ardisca

Ja, es geht das Gerücht, dass die Äthiopier sich

sfidarci ancora, e del Nilo la valle

erdreisten, uns zum Kampf zu fordern

e Tebe minacciar.

und das Niltal und Theben zu bedrohen.

Fra breve un messo recherà il ver.

In Kürze wird uns ein Bote Gewissheit bringen.

RADAMÈS

RADAMES

La sacra Iside consultasti?

Hast du die heilige Isis um Rat gefragt?

RAMFIS

RAMFIS

Ella ha nomato dell’Egizie falangi

Sie hat den höchsten Anführer

il condottier supremo.

der ägyptischen Truppen bestimmt.

RADAMÈS

RADAMES

Oh, lui felice!

Oh, der Glückliche!

RAMFIS con intenzione, fissando Radamès

RAMFIS Radames bedeutungsvoll anblickend

Giovane e prode è desso.

Er ist jung und tapfer.

Ora, del Nume reco i decreti al Re.

Ich verkünde nun den Beschluss der Göttin dem König.

esce

er geht ab

ROMANZA

ROMANZE

Radamès

Radames

RADAMÈS

RADAMES 57


Celeste Aida, forma divina,

Himmlische Aida, göttliche Gestalt,

mistico serto di luce e fior,

mystischer Kranz aus Licht und Blumen,

del mio pensiero tu sei regina,

du bist die Königin meiner Gedanken,

tu di mia vita sei lo splendor.

du bist meines Lebens Glanz.

Il tuo bel cielo vorrei ridarti,

Ich will dir deinen schönen Himmel wiedergeben,

le dolci brezze del patrio suol;

die lauen Lüfte des Heimatlandes;

un regal serto sul crin posarti,

dir eine Krone aufs Haupt setzen,

ergerti un trono vicino al sol.

dir einen Thron nahe der Sonne bauen.

Celeste Aida, forma divina,

Himmlische Aida, göttliche Gestalt,

mistico raggio di luce e fior, ecc.

mystischer Strahl aus Licht und Blumen, etc.

sulle ultime battute entra in scena Amneris

Bei den letzten Takten tritt Amneris auf.

DUETTO

DUETT

Amneris e Radamès

Amneris und Radames

TERZETTO

TERZETT

Aida, Amneris e Radamès

Aida, Amneris und Radames

AMNERIS

AMNERIS

Quale insolita gioia nel tuo sguardo!

Welch ungewohnte Freude in deinem Blick!

Di quale nobil fierezza ti balena il volto!

Welch edler Stolz leuchtet auf deinem Gesicht!

Degna d’invidia oh! quanto

Ach, wie beneidenswert wäre die Frau,

saria la donna il cui bramato aspetto

deren ersehnter Anblick

tanta luce di gaudio in te destasse!

ein solches Freudenstrahlen in dir weckte!

RADAMÈS

RADAMES

D’un sogno avventuroso

Mein Herz schwelgte gerade

si beava il mio cuore.

in einem tollkühnen Traum.

Oggi la Diva profferse il nome

Heute hat die Göttin den Namen

del guerrier che al campo

des Kriegers genannt, der die ägyptischen Heere

le schiere egizie condurrà...

aufs Feld führen wird....

Ah! s’io fossi a tal onor prescelto…

Ach! wäre ich doch zu solcher Ehre erkoren…

AMNERIS

AMNERIS

Nè un altro sogno mai

Und ein freundlicherer...

più gentil... più soave…

sanfterer Traum…

al core ti parlò?..

hat nie dein Herz gerührt?..


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Programmheft AIDA Oper von Giuseppe Verdi Premiere am 2. März 2O14, Spielzeit 2O13/14 Wiederaufnahme am 6. Juni 2O15, Spielzeit 2O14/15

Herausgeber

Intendant

Opernhaus Zürich Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Claus Spahn

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli

Titelseite Visual François Berthoud Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon O44 268 64 14, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo

Studio Geissbühler

Druck

Textnachweise: Die Handlung, das Produktionsgespräch, der Beitrag von Hol­ ger Noltze zum Triumphmarsch, die Ausführungen von Fabio Luisi und der Beitrag von Fabio Dietsche zur Entstehungs­ge­ schichte der Oper sind Originalbeiträge für dieses Pro­gramm­ heft. – Amin Maalouf: «Mörderische Identitäten» Suhrkamp, Frankfurt 2000 – Irena Brežná: «Die undankbare Fremde» Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013 – Jan Christoph Wiechmann: «Wie Sergeant Andersson seinen Krieg beendete» Reportage im «Stern», 27.03.2013 Bildnachweise: Monika Rittershaus fotografierte die Klavierhauptprobe am 19. Februar 2014. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nach­­träglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

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