MAG 37: King Arthur

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MAG 37

Wolfram Koch spielt Kรถnig Arthur


Licht an. In der Halle 1.

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Editorial

Kampf um Emmeline Verehrtes Publikum, zu den schönen Momenten des Eltern- und Grosselterndaseins gehört es, die Kinder heimlich beim Spielen zu belauschen. Wenn sie sich unbeobachtet fühlen und ganz in ihre Fantasiewelt eingesponnen sind, verwenden sie manchmal diesen magischen Konjunktiv: «Du wärst jetzt das Kind und ich die Mutter.» Oder: «Ich hätte ein Schwert und du würdest gegen mich kämpfen.» Ist dieser kindliche Konjunktiv nicht der Ur­sprung allen Theaterspiels? Die Möglichkeitsform lässt aus dem Nichts eine Welt ent­stehen. Zum Beispiel so: Ich wäre der sagenhafte König Artus, der die blinde Emmeline liebt, und du wärst der furchtbare Sachsenkönig Oswald, der ebenfalls in sie verliebt ist. Und dann würden wir wegen Emmeline Krieg führen, und die mächti­ gen Zauberer Merlin und Osmond, der zarte Luftgeist Philidel und der finstere Erd­ geist Grimbald würden uns zur Seite stehen. So ungefähr geht die Geschichte des früh­barocken britischen Dramatikers John Dryden, zu der Henry Purcell seine berühm­te Musik geschrieben hat. King Arthur, das Werk, das Dichtung und Musik, Schauspiel und Oper kombiniert, hat am 27. Februar an unserem Opernhaus Premiere. Und Herbert Fritsch, der Regisseur unserer Neuproduktion, sagt: «Die Zuschauer sollen das Stück erleben, als wären sie noch einmal Kinder.» Fritsch und seine Künstlerfamilie sind die ideale Truppe, um diesem Anspruch gerecht zu werden: Sie denken ein Stück wie King Arthur nicht um fünf dramaturgi­ sche Ecken und benötigen keine aufwendigen Bühnenbildkonstruktionen, um ihm ein Form zu geben. Der blanke Theaterbretterboden und ganz viel schauspielerischer Urinstinkt genügen ihnen, um so eine Geschichte zu erzählen. Ein paar Ritterrüstungen, Schwerter und umschnallbare Luftgeistflügel brauchen sie freilich schon – all das also, was in einem mit viel Fantasie gefüllten Kinderzimmer herumliegen würde. Und schon beginnt das Spiel: «Manchmal frage ich mich», sagt Herbert Fritsch, «wo eigent­lich die Gesten der Schauspieler herkommen. Es scheint mir, als wären sie gar nicht von uns gemacht, sondern immer schon da. Ich mache die Inszenierung nicht, sie ent­steht einfach.» Das mag vielleicht nicht die ganze Wahrheit sein, aber es ist eine schöne Vorstellung vom Entstehungsprozess einer Inszenierung. Ohne das Allerwichtigste wäre sie freilich undenkbar: Erst die Musik, erst Henry Purcells Songs, seine Chöre, Ensembles und instrumentalen Zwischenspiele schaffen die Magie, die eine solche Semi-Opera zusammenhält. Der englische Barockmusikexperte Laurence Cummings, der in Zürich schon bei unserem Händelprojekt Sale am Dirigentenpult stand, und unser Orchestra La Scintilla sind die musikalischen Partner eines charakterstarken Solistenensembles aus Sängern und Schauspielern. Unserem Haus eng verbundene Sänger wie Anna Sté­phany, Deanna Breiwick, Mélissa Petit und Mauro Peter spielen zusammen mit Schauspiel-Koryphäen wie Corinna Harfouch, Wolfram Koch oder Jean-Pierre Cornu. Feiern Sie gemeinsam mit uns dieses barocke Purcell-Fantasie-Fest: Sie wären das Publikum, und ein Haufen Theaterverückter, die im Moment sehr viel Spass in den Proben haben, wären Ritter, Zauberer und Geister. Claus Spahn MAG 37 / Februar 2016 Unser Titelbild zeigt Wolfram Koch, ein Interview mit dem Schauspieler finden Sie auf Seite 30 (Foto Florian Kalotay)

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Inhalt

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Gab es König Arthur wirklich? Der Literaturprofessor Andrew James Johnston begibt sich auf Spurensuche vom Mittelalter bis heute

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Dirigent Laurence Cummings und Regisseur Herbert Fritsch stürzen sich ins Abenteuer einer Neuinszenierung von John Drydens/Henry Purcells King Arthur. Ein Gespräch

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Corinna Harfouch spielt in King Arthur den Zauberer Merlin. Volker Hagedorn hat die Ausnahmeschauspielerin getroffen

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Der Tänzer Tars Vandebeek übernimmt die Titelpartie in Christian Spucks Woyzeck. Ein Porträt von Elisabeth Feller

Opernhaus aktuell — 6 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? — 7 Drei Fragen an Andreas Homoki — 9 Die geniale Stelle — 34 Meine Rolle — 44 Der Fragebogen — 46 Kalendarium und Serviceteil — 47 Sibylle Berg — 52

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Mal schön eine rauchen... Anne Ratte-Polle, Schauspielerin in unserer «Hamletmaschine», raucht im Opernhaus. Darf sie das? Auf keinen Fall! Nichts ist so streng verboten wie Rauchen im Theater. In vielen Inszenierungen wird trotzdem gequalmt, was die Lunge hergibt. Wie geht das? Moderne «kalte» Elektro-Zigaretten machen es möglich. In ihnen wird Glyzerin erhitzt, und das erzeugt theaterwirksamen poetischen Rauch. Kann man sogar auf Lunge rauchen.


Fotos: Florian Kalotay


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Opernhaus aktuell

«La Scintilla» spielt Bach

Brunch-/Lunchkonzert

In seiner Zeit als Kapellmeister am Köthener Hof hatte Johann Sebastian Bach ein vorzügliches musikalisches Ensemble zur Verfügung. Neben seinem berühmten Doppelkonzert für zwei Violinen in d-Moll BWV 1043 entstanden dort vermutlich auch seine vier Orchestersuiten, die den kunstvollen Aus­klang dieser aus Frankreich stam­men­den Gattung bilden. Mit zehn Tanzsätzen ist die Suite Nr. 1 in C-Dur BWV 1066 die umfangreichste. Die Suite Nr. 2 in h-Moll BWV 1067 ist durch die Mitwirkung einer Soloflöte geprägt und endet mit der virtuosen Badinerie. Höfischer Glanz kommt auf, wenn die Mitglieder des Orchestra La Scintilla (Solisten: Hanna Weinmeister, Ada Pesch, Philipp Mahrenholz und Maria Goldschmidt) sich unter der Leitung von Laurence Cummings diesen Meisterwerken Bachscher Orchestermusik widmen.

Der Spiegelsaal des Opernhauses Zürich ist wie geschaffen für Konzerte in in­ timer kammermusikalischer Besetzung. Im März spielen die Geigerinnen Hanna Weinmeister und Lisa Gustafson, der Cellist Daniel Pezzotti und der Cembalist Naoki Kitaya im Rahmen unserer beliebten Brunch- und Lunch­ konzerte Violin- und Triosonaten von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel. Das Brunchkonzert am Sonntag ist bereits ausverkauft. Für das Lunchkonzert am Montag gibt es noch Karten.

Montag, 21. März, 19 Uhr Opernhaus

Liederabend Krassimira Stoyanova Die bulgarische Sopranistin Krassimira Stoyanova singt an der Weltspitze – doch der Medienrummel ist nicht ihr Ding; es geht ihr immer um die Kunst. Ihr Debüt als Marschallin im Rosen­ kavalier der Salzburger Festspiele 2014 kam einer Sensation gleich. Sie ist als Opernsängerin und Konzertsolistin gleichermassen an allen grossen Häusern gefragt. Am Opernhaus Zürich war sie zuletzt als Rusalka zu erleben. Ende März kehrt sie mit einem Liederabend auf unsere Bühne zurück, es stehen Lieder von Giacomo Puccini, Ottorino Respighi, Modest Mussorgsky und Sergej Rachmaninow auf dem Programm. Am Klavier begleitet sie Ludmil Angelov. Mittwoch, 30. März, 19 Uhr Opernhaus

Sonntag, 13. März, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Montag, 14. März, 12 Uhr, Spiegelsaal

Ballettgespräch Zu Gast im zweiten Ballettgespräch dieser Spielzeit ist Tars Vandebeek, der im März in der Titelrolle von Christian Spucks Woyzeck zu erleben sein wird. Ein Porträt des belgischen Tänzers finden Sie auf Seite 38. Ausserdem be-

grüsst Michael Küster mit Daniel Mulli­ gan einen weiteren cha­ris­ma­ti­schen Tänzer des Balletts Zürich, und getanzt wird natürlich auch. Sonntag, 28. Februar, 11.15 Uhr Ballettsaal A

Familienführung mit «Squillo» Der italienische Compositore Gioachi­no Rossini weiss viel über Musik zu er­ zählen. So zum Beispiel, unter welchen Umständen seine Märchenoper La cenerentola entstanden ist. Im Opernhaus Zürich findet sich der Komponist hingegen nicht so gut zurecht. Zum Glück kommt ihm der Ohrwurm «Squillo» zu Hilfe. Dieser wohnt schon seit über hundert Jahren in einer Wandritze des Opernhauses, kennt jeden Winkel und viele Geschichten... Samstag, 27. Februar, 14 Uhr Treffpunkt Billettkasse, Dauer: 1.5 Stunden weitere Termine auf der Homepage

Krassimira Stoyanova


Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Hochempfindliche Tutus Es gibt Dinge, mit denen kenne ich mich absolut überhaupt nicht aus. Ein Bereich ist das Kostümwesen. Ich bin zwar der Vorgesetzte unserer Kostümdirektorin, Verena Giesbert, doch in Realität steuert Verena die Kostümabteilung alleine durch die Wogen, und ich habe eher die Rolle eines staunenden Passagiers. Wir tauschen uns zwar über aktuelle Probleme aus, und bei manchen Personalfragen habe ich einen Rat für sie, doch meistens sind die Probleme schon gelöst, wenn ich von diesen erfahre. Natürlich lernt man im Laufe der Jahre ein paar wichtige Dinge über Kostümteile, die für tech­ ni­sche Direktoren wichtig sind, etwa dass bestimmte Färbemethoden von Schuhsohlen dazu führen, dass diese Schuhe direkt den Bühnenboden anmalen; oder dass sich viele Stoffe beim Imprägnieren gegen Feuer verfärben, aber trotzdem noch leicht entzündlich bleiben. Bei unserem Schwanensee allerdings sind die meisten der fast 300 Kostüme so auf­fallend schön dekoriert und so besonders, dass ich dieses Mal zu Verena gegangen bin und sie gefragt habe: «Wie machen Sie das, Frau Giesbert?» Nun weiss ich, dass die Schwanentutus nicht mit Schwanenfedern dekoriert sind, sondern mit «Gänseschul­ tern» und «Hahnenschlappen»: Es sind Tausende von Federn, handverlesen und von Hand auf die Tutus genäht worden. Diese Tutus sind überhaupt handwerkliche Meister­werke, der Schnitt wurde von unserer erfahrenen Ballett-Tutu-Expertin und Ersten Gewandmeisterin Bettina Enke nach alten Fotos und den Angaben des Kostüm­ bildners entworfen. Sie stehen nicht fest und scheibenartig vom Körper ab, sondern fallen anschmiegsam und schwingen melodiös um die Tänzerinnen herum. Die Deck­ schicht des Stoffes ist auch nicht aus Tüll, sondern aus Chiffon, einer hauchzarten Seide, fast wie ein Nebelschleier. Da diese Tutus einen Durchmesser von knapp einem Meter haben und kaputt gehen, wenn man sie zu stark zusammendrückt oder stapelt, müssen sie ganz besonders vorsichtig gelagert werden. Allein dazu werden zehn Klei­ derständer gebraucht! Und auch hier habe ich wieder einiges dazu gelernt: Die Kleider auf dem Ständer dürfen an keiner Stelle über den Ständer hinaus schauen, ansonsten bleibt der Stoff an einer rauen Wand oder auch nur an dem Stoff einer vorbeieilenden Person hängen und verliert Fäden oder bekommt Laufmaschen. Die Kostümabteilung hat extra Plastikplanen über die Kostümwagen gezogen, damit nichts an die Tutus stossen kann. Ein grosses Problem stellte dann auch die Bühnendekoration dar: Die Tutus sind so zart, dass sich der Stoff beim Vorbeilaufen an rauen Stellen verfing und Fäden ver­ lor bzw. zusammensteppte. Unserem Bühnenmeister blieb nichts anderes übrig, als an vielen Orten Kanten abzuschleifen, um so die empfindlichen Kostüme zu schützen. Die Bühnenbildbäume verloren dabei das eine oder andere spitze Sperrholzblatt, doch da der Bühnenbildner und der Kostümbildner ein und dieselbe Person war, gab es da für einmal keinen Streit.

Illustration: Laura Jurt

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Die Musik weist den Weg

Foto: Stefan Deuber

Herr Homoki, nach Rihms Hamletmaschine und Sciarrinos Lohengrin stehen auch in Purcells King Arthur Schauspieler auf der Opernbühne in Zürich. Steckt dahinter eine programmatische Absicht? Nein, überhaupt nicht. Wir haben King Arthur angesetzt, um im Bereich der alten Musik unser Repertoire zu er­­­ weitern, einfach weil Henry Purcell am Opern­haus Zürich seit über 40 Jahren nicht mehr gespielt wurde. Typisch für diesen Komponisten ist die Semi-­Opera als spezifisch englische Form der Ba­rock­­ oper, die zu je fünfzig Prozent aus Musik und gesprochenem Drama be­steht. Eine solche Mischform ist eine grosse Herausforderung für jeden Regis­seur, weswegen wir dafür Herbert Fritsch engagiert haben, der vordringlich im Schau­­­ spiel arbeitet. Es ist aber nicht so, dass ich es grundsätzlich für be­­sonders innovativ halte, mit Schauspielern zu arbeiten oder wichtige Impulse für das Musik­ theater aus dem Schauspiel zu holen. Herbert Fritsch hat bei der Vorstellung seines King-Arthur-Konzepts gesagt, er mache keinen Unterschied zwischen Sängern und Schauspielern, alle seien Darsteller. Da hat er sicher Recht. Obwohl Sänger und Schauspieler komplett andere Arbeitsweisen haben. Ein Schauspieler hat einerseits mehr Freiheit seine Figur zu gestalten, besitzt aber andererseits viel weniger Informationen über sie. Er ist im Probenprozess im Austausch mit dem Regisseur darauf angewiesen, immer wieder verschiedene Varianten auszuprobieren, um herauszufinden, was seiner Figur entspricht und zur jeweiligen szenischen Situation passt. Anders der Sänger: eine Opernfigur ist ja durch die musikalische Ausgestaltung vom Komponisten bereits sehr vorgeprägt, was den Interpretationsspielraum automatisch stärker eingrenzt. Da ist es die Aufgabe des Regisseurs, gemeinsam mit dem Sänger einen zur Musik passen-

den szenischen Ausdruck zu finden. Darüber hinaus entstehen beim Singen gewisse körperliche Notwendigkeiten, bei denen die physische Anstrengung in einen überzeugenden Gestus überführt werden muss. Was der Sänger an körper­licher Energie aufbringt, sollte er körpersprachlich so verwandeln, dass letztlich etwas Kreatürliches und Naturhaftes entsteht. Gesang und szenische Darstellung sollen beim Zuschauer zu einem untrennbaren Gesamteindruck verschmelzen. Wenn nicht, steht der Sänger verloren an der Rampe. Mit Christoph Marthaler, Sebastian Baumgarten und Herbert Fritsch arbeiteten in dieser Spielzeit gleich drei Regisseure am Opernhaus, die auch im Schauspiel inszenieren. Versprechen Sie sich von diesen schauspielerprobten Regisseuren Besonderes? Ich verspreche mir von jedem unserer Regisseure etwas Besonderes! Die genannten Kollegen arbeiten zwar auch im Schauspiel, ich schätze sie aber gerade wegen ihrer spezifischen Qualitäten als Opernregisseure. Mit Operndebüts von Schauspielregisseuren bin ich ei­gent­­lich sogar sehr vorsichtig. Bei Herbert Fritsch habe ich vor drei Jahren mit Tri Sestri eine Ausnahme gemacht, weil ich seine Arbeiten für das Sprech­ theater als ausgesprochen opernhaft wahrgenommen habe. Er sagt ja auch seinen Schauspielern Dinge wie «Du musst die Szene spielen, als würdest Du eine Arie singen!» Ansonsten halte ich nicht so viel davon, jeden Regisseur, der im Schauspiel von sich reden macht, sofort in der Oper auszuprobieren. Für mich muss ein Regisseur fähig sein, auf die Musik zu hören und zu reagieren. Er darf sie nicht als Hindernis wahrnehmen, sondern sollte sie als eine Form begreifen, an der er sich reiben und die er sich zunutze machen kann. Sie weist ihm den Weg, auch wenn sie ihm manchmal andere Wege versperren mag.

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Foto: Jonathan Hession / Touchstone Pictures / Everett Collection / Keystone


Ein Ritter für die Ewigkeit König Artus verkörpert wie keine andere Sagenfigur die Tugenden von Heldentum und Ritterlichkeit. Er ist eine Wunschfigur, die sich jede Epoche neu erschafft. Ein Streifzug durch 1500 Jahre Artus-Geschichten. von Andrew James Johnston


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Foto: Collection CSFF / Rue des Archives / Keystone

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önig Artus gehört wie Robin Hood zu den Legenden des Mittelalters, die bis heute kulturell überlebt haben. Ein Grund, warum Artus noch immer präsent ist, liegt in seiner Wandelbarkeit. Schon im 12. Jahrhundert, als seine literarische Karriere begann, gab es nicht nur den einen Artus, sondern viele. Artus blieb lebendig, weil er sich stets an neue politische und kulturelle Kontexte anpassen liess. Und er war so wandelbar, weil er immer schon als Figur aus einer vergangenen Zeit galt. Er entstammt einer Epoche vermeintlich grossen Heldentums oder idealer Ritterlichkeit, die eben deshalb so vorbildlich sein konnte, weil sie längst vorüber war. Historisch gehört Artus in die Völkerwanderungszeit, was jedoch nicht viel be­ sagt. Denn alle Versuche, ihn auf einen spezifischen historischen Zeitpunkt oder eine bestimmte historische Figur zu beziehen, sind zum Scheitern verurteilt. Skeptische Wissenschaftler bezweifeln, dass es ihn überhaupt gegeben hat. Unsere Kenntnis von ihm verdanken wir viel späteren Quellen, die keine faktische Gewissheit bieten. Von Anfang an stossen wir bei Artus auf ein Wunschbild, das auf die Nebelwand einer nos­talgisch verklärten Vorzeit projiziert wird. Im Kern der Legende steckt ein romani­ sierter christlicher Kelte, der die britischen Überreste des Römischen Reiches gegen heidnisch-germanische Invasoren aus dem heutigen Norddeutschland verteidigt: Angeln, Sachsen und Jüten. Damit fällt Artus in die Zeit des späten fünften oder frühen sechsten Jahrhunderts nach Christus. Er ist eine Figur des Untergangs wie des Übergangs und konfliktreicher kultureller Kontakte. Der ritterliche Artus, an den wir heute zuerst denken, wenn wir seinen Namen hören, begegnet uns deutlich später, im Hohen Mittelalter. Der britische Kleriker Geoffrey von Monmouth machte die Artus-Figur in seiner Chronik Historia Regum Britanniae (Geschichte der Könige Britanniens) aus dem Jahr 1136 bekannt und passte sie der zeitgenössischen Vorstellungswelt an. Zwar war auch Geoffreys Artus ein christ­ licher Kelte aus Britannien, aber zugleich eine grandiose Herrscherpersönlichkeit, die sogar das Römische Reich eroberte, bevor sie durch Verrat ums Leben kam. Mit der Artus-Figur lieferte Geoffrey auch einen wichtigen Begründungsmythos der europäischen Monarchien des Mittelalters, deren Struktur er Vergil entlehnte. Wie der römische Dichter das Imperium Romanum mythologisch als Fortsetzung Trojas gedeutet hatte, konstruierten die Geschichtsschreiber des Mittelalters spätestens seit Geoffrey eine ähnliche Entstehungsgeschichte: Britannien war demzufolge von Brutus, einem Sohn oder Enkel des Trojaners Aeneas gegründet worden und Artus dessen Nachkomme. Geschichte wurde als genealogische Kontinuität gedacht. Freilich bestand diese Kontinuität nur im Reich der Imagination und sollte helfen, die vielen Brüche in der Geschichte der britischen Inseln zu übertünchen, denn Britannien war ursprüng­ lich von Kelten besiedelt und von den Römern, den Angeln und Sachsen, den dänischen Wikingern und den französischen Normannen erobert worden und im 12. Jahrhundert den aufstrebenden Grafen von Anjou in die Hände gefallen. Kaum war der Artus-Stoff in Europa bekannt, wechselte er das Genre und wander­te von der Geschichtsschreibung in die neue Gattung des höfischen Romans weiter. Die höfische Umformung des Artus-Stoffs in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts leistete vor allem der französische Dichter Chrétien de Troyes. Er verwandelte den kriegerischen Heldenkönig in eine zwar ritterliche, allerdings auch etwas passive Ideal­ figur, an deren Hof, Camelot, sich die besten Ritter der Christenheit in der Tafelrunde vereinen. An die Stelle der politisch-kriegerischen Handlung tritt das Abenteuer des einzelnen Ritters, der auszieht, um sich zu bewähren, und sich dabei den Widersprüchen der ritterlichen Normen stellen muss. In dieser höfischen und märchenhaften Welt fördern vor allem Frauen die ethische Entwicklung der Ritter. Dem Verhältnis der Geschlechter, primär der höfischen Liebe (mittelhochdeutsch: Minne), gilt daher besondere Aufmerksamkeit. Anfang des 13. Jahrhunderts wird die Problematik, die sich aus dieser Perspektivenverschiebung ergibt, in einer Reihe französischer Prosaromane, dem sogenannten «Lancelot-Gral»-Zyklus ausgelotet. Der Untergang von Artus gilt nicht mehr als politisches Resultat eines Verrats, der von der imperialen Über­spannung der Kräfte zeugt, sondern folgt aus der Dynamik der höfischen Liebe,


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Seite 10 – 11: Clive Owen reitet kampf­entschlossen in die Schlacht, Szene aus dem «King-Arthur»Kinofilm von 2004 unten: Monty Pythons «Ritter der Kokosnuss» stolpern durchs Mittelalter und geben das Rittertum der Lächerlichkeit preis

in der ein Ritter eine für ihn meist unerreichbare, höher stehende verheiratete Dame begehrt: In diesem Fall ist der Ritter Lancelot und die Dame die Königin Guinevere, Artus’ Frau. Ein Teil der durch die Dreiecksbeziehung motivierte Handlung kreist um die Versuche von Lancelots Feinden, den König dazu zu bringen, sich das einzuge­ stehen, was zu sehen er sich weigert, obwohl es jedermann weiss – nämlich dass ihn seine Königin mit seinem liebsten Ritter betrügt. Mit dem Wechsel vom Kriegerischen zum Höfischen beginnt der Artus-Stoff zu wuchern. Jedem Ast der Tradition entspringen neue Zweige, die mal enger, mal locke­ rer mit der Burg Camelot verbunden sind und immer neue Abenteuer und Liebesgeschichten schildern, so das Schicksal von Tristan und Isolde oder die Geschichte vom Heiligen Gral. Während die kontinentaleuropäische Dichtung vor allem den höfischen Artus pflegte, lebte in England auch die politisch-kriegerische Variante des Stoffes fort – wegen ihrer nationalen Bedeutung. Mitte des 15. Jahrhunderts verfasste Sir Thomas Malory eine grosse Synthese der Artus-Geschichten, indem er die Traditionen des Lancelot-Gral-Zyklus in einen englisch-nationalen Kontext einbettete. Für die englischsprachige Welt wurde dieser Text, der sich gegenüber seinen französischen Vorbildern bewusst schlicht gibt, zur zentralen Deutung. In der Renaissance bröckelte das Ansehen von Artus. Schon Giovanni Boccaccio bezweifelte die historische Existenz des Heldenkönigs, worin ihm weitere Humanisten folgten. In England jedoch blieb die Artus-Tradition populär, nicht zuletzt weil sich das Herrscherhaus Tudor seiner walisischen Herkunft wegen mit dem Mythos schmückte.

Die Artussage inspirierte Richard Wagner, Hollywood und die Monty Python-Komiker

Die Mittelalter-Begeisterung der Romantik und die daraus hervorgehende Philologie des 19. Jahrhunderts brachten die Welt des König Artus wieder auf die kultu­ relle Tagesordnung etwa auf Richard Wagners Opernbühne mit Parsifal oder Tristan und Isolde. Elemente des Artus-Stoffes finden sich jedoch auch in der Fantasy-Litera­ tur des 20. Jahrhunderts. Tolkiens Herr der Ringe greift das Thema der Rückkehr des Königs auf. Auf dieses Motiv trifft man in mehreren mittelalterlichen Mythen, es ver­bindet sich neben Artus auch mit den deutschen Staufer-Kaisern. Bei Artus herrschte die Vorstellung, der verwundete Herrscher sei gar nicht gestorben, sondern auf die Insel Avalon gebracht worden, wo er auf seine Rückkehr warte. Die Insel Avalon wurde in England mit der Abtei Glastonbury gleichgesetzt. Bis heute ist Glastonbury Schauplatz eines Musik- und Kulturfestivals, das sich unter anderem dem Fortleben keltischer Bräuche und Magie widmet und auch der esoterischen New Age-Bewegung der sieb­ziger Jahre Impulse verdankt. Indem Motive und Themen wie die verborgene Insel Avalon oder die keltische Mythologie in den Vordergrund rückten, wurde Artus im 20. Jahrhundert für neue Kontexte erschlossen. In ihrem Roman Die Nebel von Avalon (1982) bot die Amerikanerin Marion Zimmer Bradley eine feministische In­ ter­pretation des Stoffes, die den Untergang der Artus-Welt mit dem Sieg eines männlich geprägten Christentums über eine weibliche keltische Magie verknüpfte und der oft geschmähten Halbschwester von Artus, der Zauberin Morgana Le Fay, zu neuer Ehre verhalf. Auch Hollywood griff den Artus-Stoff auf, etwa mit dem historischen Monumentalfilm Die Ritter der Tafelrunde (1953), der sich auf die tragische Dreiecksbeziehung konzentrierte. Im Jahre 1967 konnte man Richard Harris, Vanessa Redgrave und Franco Nero gar in einer Musicalversion des Stoffes, Camelot, bewundern. Dass das tragische Dreieck Artus – Guinevere – Lancelot gegen Ende des 20. Jahrhunderts nur noch bedingt funktionierte, zeigte Hollywoods Der Erste Ritter (1995), wo Artus (Sean Connery) Guinevere aus Pflichtgefühl heiratet und ein deutlicher Generationen­ unterschied zwischen Arthur auf der einen und Lancelot (Richard Gere) und Guinevere (Julia Ormond) auf der anderen Seite das Thema der sexuellen Untreue zusätzlich motiviert. Auch die Ritterromantik tritt hier zurück: Der König und seine Getreuen


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Andrew James Johnston ist Professor für englische Literatur des Mittelalters und der Renaissance an der Freien Universität Berlin

links: Stanley Baker war der böse Mordred in der ersten HollywoodVerfilmung der «Ritter der Tafelrunde» von 1953 rechts: Ava Gardner war im gleichen Film die Artus-Gattin Guinevere. In ver­­ botener Liebe ist sie dem Artus-Ritter Lancelot (Richard Taylor) zugetan

Foto: Friedrich / Interfoto / Keystone

wirken wie FBI-Agenten und ihr Gegner Malagant wie der Anführer einer internatio­ nalen Terrororganisation, deren Mitglieder Armbrüste tragen, die Uzi-Maschinenpisto­ len gleichen. Dass es Ende des 20. Jahrhunderts schwierig geworden war, den höfisch-­ ritterlichen Artus überzeugend auf die Leinwand zu bannen, liegt gewiss auch an der brillanten Parodie, die die Monty Python-Komiker 1975 vorlegten – Die Ritter der Kokosnuss. Dem grotesken Humor des Films gelingt es, jedwede Mittelalterroman­ tik der Lächerlichkeit preiszugeben. Artus’ tumbe Ritter vergiessen sinnlos Blut, stol­ pern von einer absurden Szene in die nächste, um schliesslich von der Polizei des 20. Jahrhunderts verhaftet zu werden, weil sie einen modernen Historiker getötet haben. Der Artus-Stoff verliert mit dem Auftritt der modernen Ordnungshüter selbst noch den letzten schützenden Schleier: die Unantastbarkeit der märchenhaft-fernen Vergangenheit. Neben diesen Fortsetzungen der höfischen Artus-Tradition folgten Film und Fernsehen jedoch auch einem anderen Trend, der sich im letzten Drittel des 20. Jahr­ hunderts deutlich abzeichnete –der Hinwendung zu den vermeintlichen Ursprüngen der Legende. Während der höfische Artus an Attraktivität verlor, kehrte der keltische Völkerwanderungsheld zurück. Ein britischer Privatsender strahlte 1972 und 1973 die Fernsehserie Arthur of the Britons mit dem Schweizer Schauspieler Oliver Tobias in der Hauptrolle aus, der dem keltischen Helden die Ästhetik eines Rockstars verlieh. Das neue Jahrtausend brachte weitere Filme, die den römisch-keltischen Kontext thematisierten. So gab Clive Owen in King Arthur (2004) den römisch-keltischen Artorius Castus, der mit sarmatischen Söld­nern gegen die germanischen Eroberer zu Felde zieht. In Die Letzte Legion (2007) wiederum bringen Merlin (Ben Kingsley) und der Römer Aurelius (Colin Firth) den letzten römischen Kaiser Romulus Augustulus, ein Kind, vor den Germanen nach Britannien in Sicherheit, wo es zum Vater des künftigen Königs Artus heranreift. Hier leistet sich das moderne Kino genau die Art von Kontinuitätsfanta­sie, die schon das Mittelalter so liebte. Ein letzter Blick auf eine Fernsehproduktion jüngerer Zeit illustriert die Vielfalt moderner Interpretationsmöglichkeiten, die das Höfisch-Politische mit dem Magischen verbinden: die britische Fantasy-Fernsehserie Merlin (2008-2012) handelt von der Freundschaft des jungen Zauberers mit Artus als Prinzen. Diese Serie widmet sich der Spannung zwischen dem Märchenhaften und dem Politischen, die die ganze Geschichte des Artus-Stoffes durchzieht, indem sie den Zauberer an einem Hof aufwachsen lässt, an dem die Magie verboten ist und vor dem König verheimlicht werden muss. So ab­ surd diese Konstellation auch klingen mag, sie zeigt, warum der Artus-Stoff bis heute populär geblieben ist: Es ist immer wieder gelungen, neue Dynamik aus den Widersprüchen zu entwickeln, die dem Artus-Stoff von Anfang an innewohnten.


Foto: DILTZ / Rue des Archives / Keystone


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Der Traum, ein He Erstmals ist ab 27. Februar am Opernhaus «King Arthur», eine Semi-Oper von John Dryden und Henry Purcell, zu sehen. Ein Gespräch mit Dirigent Laurence Cummings und Regisseur Herbert Fritsch über Musik im Text, Drama in der Musik und das Spiel mit Illusion und Wirklichkeit. Probenfotos Danielle Liniger

Laurence Cummings, Herbert Fritsch, König Arthur ist Held unzähliger Sagen und Geschichten, und auch Filme wie Excalibur, Ritter der Tafelrunde und viele andere gehen auf den legendären König aus dem Mittel­ alter zurück. Wann und in welchem Zusammenhang seid Ihr dieser Figur zum ersten Mal begegnet? Laurence Cummings: König Arthur ist mir seit meiner Kindheit ein Begriff; für uns Briten ist er eine der wichtigsten Figuren unserer Mythologie und unserer Kultur. Bis heute ist man in Gross­bri­ tannien verrückt danach, die Orte zu be­ suchen, an denen Arthur angeblich gewesen ist, sei das nun Cornwall oder Somerset oder was auch immer – es gibt sehr viele Orte, die für sich in Anspruch nehmen, Schauplatz der Ge­ schich­ten um König Arthur gewesen zu sein. Arthur ist ein Symbol für «Britishness» ganz allgemein, das war im 17. Jahrhundert so, als Purcell seine Musik komponierte, und das ist bis heute so geblieben, wie man an den immer neuen Filmen und Fernsehserien sehen kann. Purcells King Arthur bin ich zum ersten Mal 1995 begegnet, als im Pariser Chatelet der 300. Todestag des Komponisten mit einer Neupro­duk­ tion dieses Stücks begangen wurde; William Christie hatte die musikalische Leitung, und ich war sein Assistent. Seit­ her habe ich einige konzertante Auf­ führungen der Musik dirigiert, aber nie die Möglichkeit gehabt, eine szenische Produktion zu leiten. Nun ist es endlich so weit, das finde ich sehr aufregend! Herbert Fritsch: Auch in meiner Kindheit hat die Sagenwelt der Ritter


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eld zu sein Die Schlacht ist gewonnen: Szene mit Werner Eng, Wolfram Koch, Mauro Peter und Jan Bluthardt


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oben: Mélissa Petit als Luftgeist Philidel unten: Herbert Fritsch

eine grosse Rolle gespielt – besonders wichtig war für mich Prinz Eisenherz. Mein Onkel hatte viele Bücher über Prinz Eisen­herz, die habe ich nicht gelesen, dazu war ich zu faul, aber ich habe immer wieder die Bilder angeschaut, und da kam auch König Arthur vor. Als Kind habe ich oft davon geträumt, als Ritter mit Schwert und Rüstung zu kämpfen. Mit dem Stück von Dryden und Purcell kam ich zum ersten Mal in Berührung, als ich am Theater Oberhausen inszenierte und der Intendant uns zum Essen einlud. Dann legte er eine CD auf, das war die Musik zu King Arthur. Damals sagte ich: Falls ich jemals Oper machen sollte, dann muss es unbedingt King Arthur von Purcell sein! Dieser Wunsch geht jetzt hier am Opernhaus in Erfüllung. King Arthur changiert ständig zwischen Komik und Ernst. Wir haben sehr viel Spass auf den Proben, wollen aber unbedingt auch die ernsten, existentiellen Momen­te herausarbeiten. Was glaubt Ihr, was macht diese bis heute ungebrochene Popularität der Figur König Arthur aus?

LC: Ich denke, wir alle haben Sehnsucht nach dem Guten im Menschen. Arthur ist in diesem Stück sehr menschlich; er muss Prüfungen bestehen, sein Leben ist nicht einfach. Aber er bewältigt all das, denn er ist ein guter Mensch, und er glaubt an das Gute. Das ist natürlich auch der Grund, warum Mythen so wichtig sind – weil sie den Kindern etwas darüber erzählen sollen, wie man sein Leben leben soll. Darüberhinaus hat dieser Mythos auch einen religiösen Aspekt: Arthur kommt mir ein bisschen vor wie Jesus in der Wüste: die Prüfungen, die er bestehen muss, haben etwas von den biblischen Plagen, und die Schlachten, die er schlagen muss, sind Schlachten gegen das Böse schlechthin. Es ist auch die Sehnsucht nach Ge­ rechtigkeit, die in Geschichten wieKing Arthur eine Rolle spielt – der Gute soll gewinnen, der Böse massvoll bestraft werden. In den grossen Mythen geht es immer auch um allgemeine menschliche Ideale. HF: Da stimme ich Laurence zu. Wenn Kinder spielen, dass sie in einer Schlacht kämpfen, dann wissen sie nichts über die Toten dieser Schlacht, nichts über das


Sterben. Sie wollen stark sein, sie wollen einen Helden verkörpern. Wir, die wir in Europa geboren und aufgewachsen sind, wissen schon lange nicht mehr, wie das ist, im Krieg zu kämpfen, wir haben keine persönlichen Erfah­ rungen mit Krieg. Deshalb wirkt es auf mich schnell lächerlich, wenn Schauspieler auf der Bühne in realistischer Art und Weise einen Krieg darzustellen versuchen. Wir können lediglich einen Eindruck davon vermitteln; in unserer Inszenierung agieren wir deshalb auf der Bühne wie Kinder, die Krieg spielen – mit Holzschwertern! Für mich hat King Arthur sehr viel mit dem Traum von Don Quichotte zu tun, der in einer Fan­ tasiewelt lebte und sich vorstellte, er wäre ein Ritter, der für seine Dulcinea kämpft. Das Verhältnis von Arthur zu Emmeline kommt mir sehr ähnlich vor. Aber Don Quichotte ist natürlich nur ein Aspekt dieser Figur. Das Ganze ist ein Traum – ein Traum, Held zu sein, aber festzustellen: Ich will eigentlich gar kein Held sein, was ist das überhaupt, ein Held? Ich möchte dem Publikum mit diesem Stück keine Lektion darüber erteilen, was Krieg ist. Die Zuschauer sollen das Stück erleben, als wenn sie nochmal Kinder wären.

In diesem Krieg wird nicht nur mit Waffen gekämpft, sondern auch mit Magie: Auf der Seite der Briten kämpft Merlin mit seiner Zauber­ kraft für den Sieg Arthurs, auf der Seite der Sachsen der Zauberer Osmond. Welche Bedeutung hat die Magie in diesem Spiel mit Illusion und Wirklichkeit? HF: Für mich ist das ganze Stück magisch, und auf den Proben erlebe ich eine ganze Menge Magie, jeden Tag. Manchmal frage ich mich, wo eigentlich die Gesten, das Spiel der Schauspieler herkommen, und es scheint mir, als wären sie gar nicht von uns gemacht, sondern schon immer da, und wir würden sie nur erfahren. Ich mache die Inszenierung nicht, sie entsteht einfach. Ich denke nicht nach, wenn ich in­ szeniere, ich versuche nicht, zu erklären. Ich lasse es passieren. Wenn wir Glück haben, entsteht Magie. LC: Das Übernatürliche ist etwas, das Geschichtenerzähler immer wieder faszi­ niert; wir alle möchten gern an Magie glauben, weil wir uns andere Erfahrungen im Leben wünschen, manchmal auch flüchten möchten aus der Realität. Dieses Stück entführt uns in eine ganz andere Welt, nimmt uns mit auf eine Reise in eine andere Zeit, es hat nichts mit unserem Alltag zu tun und ist gerade deshalb so faszinierend; es entführt uns vielleicht auch zurück in unsere Kindheit, weil es ein Gefühl in uns wach­ ruft, das wir hatten, als wir ein Kind waren. Für Dryden bestand die Magie vor allem in Flüchen und Ritualen. Purcell hat dafür ganz aussergewöhnliche musikalische Effekte geschaffen – im King Arthur gibt es Musik, wie ich sie sonst nirgends bei Purcell gefunden habe. Ein Beispiel dafür ist die Opfer­ szene im ersten Akt, wenn die Sachsen ihren Göttern Tiere und auch Menschen

King Arthur Semi-Oper von John Dryden/ Henry Purcell Fassung: Sabrina Zwach Musikalische Leitung Laurence Cummings Inszenierung und Bühne Herbert Fritsch Kostüme Victoria Behr Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Jürg Hämmerli, Michael Zlabinger Dramaturgie Sabrina Zwach Beate Breidenbach Arthur Wolfram Koch Oswald Florian Anderer Conon Jean-Pierre Cornu Emmeline Ruth Rosenfeld Mathilda Carol Schuler Merlin Corinna Harfouch Osmond Annika Meier Grimbald Hubert Wild Aurelius Jan Bluthardt Albanact Werner Eng Guillamar Simon Jensen Philidel Mélissa Petit Eine Schäferin, Amor, Nereide, Die Ehre Deanna Breiwick Priesterin der Sachsen, Philidels Geist, Eine Sirene, Eine Frau Hamida Kristoffersen Eine Sirene, Venus Anna Stéphany Ein Britischer Held, Ein Schäfer Mauro Peter Priester der Sachsen, Philidels Geist, Ein Schäfer Spencer Lang

Der Zauberer Merlin sagt im Stück einmal zu Arthur: «Erinn’re dich, ’s ist alles Illusion»... HF: Daran schliesst sich für mich eine weitere Frage an, nämlich: Was heisst es eigentlich, blind zu sein, und was heisst es, sehen zu können? Emmeline sagt ja, obwohl sie blind ist, könne sie alles sehen. Ich muss in diesem Zusammenhang immer an Ödipus denken, der sich blendet, als er erkennen muss, dass die Voraussagen des Teiresias einge­trof­ fen sind, und sagt, er habe bis zu diesem Moment nie wirklich gesehen. Für mich bedeutet das in Bezug auf Em­ meline: Nimm nicht alles so ernst, jedes Leben beinhaltet die Möglichkeit, glücklich zu sein! Das Erstaunliche an Purcells Musik ist ja, dass sie zwar von Schlachten erzählt, uns beim Zuhören aber dennoch glücklich macht. LC: Träume sind nur für denjenigen real, der sie träumt. Ich kann meinen

Traum jemand anderem erzählen, aber es wird sich wie Unsinn anhören, während es für mich selbst ein sehr reales Gefühl war. Es ist also durchaus nicht immer leicht zu sagen, was Illusion ist und was Wirklichkeit, was Traum und was Realität, was blind sein heisst und was es bedeutet, zu sehen.


Priester der Sachsen, Grimbalds Geist Nicholas Scott Priester der Sachsen, Pan, Ein Mann Andri Björn Róbertsson Philidels Geist Charles Dekeyser Kältegeist, Sturmgeist Nahuel Di Pierro Orchestra La Scintilla Chorzuzüger Statistenverein der Oper Zürich Premiere 27 Feb 2016 Weitere Vorstellungen 1, 3, 11, 16, 18, 20, 28 März 1 Apr 2016 Unterstützt von

opfern, um sie für die Schlacht günstig zu stimmen. Die dramatischen Akkorde, mit denen diese Szene beginnt, hätte Purcell niemals für Westminster Abbey schreiben können. Das ist eine ganz andere Art, Musik zu schreiben. Auch die Musik für den Luftgeist Philidel kommt aus einer ganz anderen Welt, sie ist luftig und zart. Und natürlich die Arie der Venus, die vom Himmel herabsteigt, oder die berühmte Frost-Szene. All das ist fantastische Musik, die im Kopf des Zuhörers eine Geschichte entstehen lässt. King Arthur wird ja auch als Semi-­ Oper bezeichnet; es ist ein Schauspiel von John Dryden mit Musik von Henry Purcell, in dem weder der Held, Arthur, singt, noch seine Ge­ lieb­­te Emmeline, noch sein Gegen­ spieler Oswald, der König der Sach­ sen; dafür gibt es singende Sirenen und Waldgeister sowie einen Erdgeist und einen Luftgeist, die singend ge­ geneinander kämpfen... Wie kommen Text und Musik zusammen? HF: Wir sind gerade dabei, das heraus­ zu­­finden. Ich würde sehr gern Text und

Musik eng miteinander verschränken und wünsche mir, dass uns das Orchester in wichtigen dramatischen Momenten mit Geräuschen unterstützt. Diese strik­te Trennung in Schauspieler und Sänger gibt es für mich ausserdem gar nicht. Für mich sind alle, die auf der Bühne agieren, sowohl Schauspieler als auch Sänger und sogar Tänzer. Abge­ sehen davon inszeniere ich auch Schauspiel, wie wenn es Oper wäre – ich liebe grosse Gesten und grosse Gefühle! LC: Die grosse Herausforderung in diesem Stück ist es, Musik im Text zu finden und Drama in der Musik. Ob das, was wir uns ausdenken, wirklich das ist, was wir wollen, werden wir erst wissen, wenn wir zum ersten Mal das ganze Stück durchlaufen lassen. Es ist ein Abenteuer! Denn in einem bestimmten Kontext, mit einer bestimmten Musik kann sich die Bedeutung einer Szene plötzlich völlig verändern. Aber das ist es natürlich auch, was den Reiz der Arbeit an dieser Semi-Oper ausmacht. Laurence, ist eigentlich diese Gattung der Semi-Oper typisch britisch?


King Arthur 21

LC: Der King Arthur und die anderen Semi-Opern von Purcell entstanden zu einer Zeit, als das Theater in London kurz davor war, zu explodieren. Man hatte einen grossen Appetit auf Musik im Theater; bis dahin hatte es hauptsäch­ lich Musikstücke zu Schauspielaufführungen gegeben. Anfang des 17. Jahr­ hunderts veränderte sich die Gesellschaft, London wurde merkantil, und so veränderte sich auch das Theater. Durch den Handel begann man, sich der Welt ausserhalb Englands bewusst zu werden. Es war eine faszinierende, intensive Zeit, die sich auch in King Arthur widerspiegelt. 15 Jahre später wurde mit Händel die Oper in London die wichtigste musikalische Gattung, und das Schauspiel ging wieder seine eigenen Wege. Natürlich gibt es andere Stücke, in denen gesprochen wird und auch Musik erklingt. Aber Purcells Semi-­Operas sind einzigartig, weil die Musik in Masques stattfindet – das heisst, die Musik illustriert die Gefühle, die in der Szene vorher aufgekommen sind, aber sie bringt die Handlung nicht weiter voran. Am Schluss von King Arthur erklingen 20 Minuten Musik, die nichts mehr mit der Handlung zu tun haben, sondern eine Werbever­ an­stal­tung für die Vorzüge Grossbritanniens sind – als würden sich die Zuschauer selbst auf die Schulter klopfen und sagen: Ja, wir sind grossartig! Gefeiert wird der englische Fisch, die fantastische Wolle – und die britische Trinkfestigkeit... und leider muss ich sagen, dass wir Engländer bis heute dafür bekannt sind, dass wir gern und viel trinken. Laurence, die originale Partitur von King Arthur ist nicht erhalten; auf welchen Quellen beruht unsere Spiel­ fassung, und welche Entscheidungen musstest Du als Dirigent treffen? LC: Es sind verschiedene Partituren über­liefert; das ist einerseits sehr inte­res­sant, andererseits auch sehr verwirrend, weil sie sehr unterschiedliche Informationen enthalten. Man muss seine eigene Fassung erstellen; und das hat durchaus auch etwas Befreiendes. Die Musik wurde geschrieben, um einen

bestimmten dramatischen Zweck zu erfüllen; und so lange die Musik dem Drama dient und den Zweck erfüllt, eine dramatische Situation zu verstärken, kann sie auch an einer anderen Stelle des Dramas erklingen. Selbstverständlich respektieren wir die Musik, das Stück und die Geschichte, die wir erzählen wollen. Die Situation ist ähnlich wie bei Monteverdis Krönung der Poppea – wir wissen, dass mehrere Leute an dieser Partitur beteiligt waren, auch hier sind verschiedene Fassungen überliefert. Dadurch fühlen wir uns autorisiert, mit der Musik spielerisch umzugehen. HF: Sabrina Zwach hat den englischen Originaltext neu übersetzt und eine eigene Fassung für unsere Inszenierung erstellt; die gesungenen Passagen werden aber alle in der englischen Originalsprache erklingen. LC: Am Schluss wird niemand mehr darüber nachdenken, ob nun in Englisch oder Deutsch gesungen wurde, denn die Welt, die auf der Bühne entsteht, ist so aussergewöhnlich, dass man die verschiedenen Sprachen ohne weiteres akzeptieren wird. Mir persönlich gefällt es sogar, dass wir diesem ohnehin ziemlich verrückten Stück durch die verschiedenen Sprachen eine zusätzliche Schicht Verrücktheit hinzufügen! Herbert, Du hast auch das Bühnen­ bild zu dieser Produktion entworfen und Dich entschieden, nicht etwa das barocke Maschinentheater nach­ zuempfinden, sondern mit einem sehr einfachen Bühnenbild zu arbei­ ten – warum? HF: Mein Bühnenbild besteht aus einer einzigen grossen Projektionsfläche. Es ging mir vor allem darum, viel Raum zu schaffen für die Darstellerinnen und Dar­steller. Die Projektionen bieten nur einen optischen Reiz, mehr nicht. Die Magie entsteht aus der Aktion der Darsteller, die dabei natürlich unterstützt werden von den fantastischen Kostümen, die Victoria Behr entworfen hat. Vieles bleibt aber auch der Imagination der Zuschauer überlassen. Das Gespräch führte Beate Breidenbach

oben: Laurence Cummings links: Wolfram Koch, Jean-Pierre Cornu, Jan Bluthardt, Werner Eng, Mélissa Petit


Wenn die Fantasie aus allen Nähten platzt Foto: Thomas Aurin

Kostüme von Victoria Behr sind spektakuläre Bühnenereignisse. Ob an der Volksbühne Berlin, am Wiener Burgtheater oder am Opernhaus Zürich – das Publikum kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn die deutsche Kostümbildnerin ihre Arbeiten auf die Bühne bringt. In Zürich stattet sie unsere Neuproduktion von «King Arthur» mit ihren verrückten Ideen aus



S

oll man da noch von Kostümen sprechen oder ist das schon in Falten gelegter Wahnsinn? Die Arbeiten der Kostümbildnerin Victoria Behr sind so raffiniert und exzessiv, so üppig und lustvoll künstlich, dass man sich mit beschreibenden Worten schwer tut. Diese Materialien, diese Farben, diese Silhouetten! Mal glaubt man eine Commedia-dell’arte-Figur zu erkennen, mal eine verstaubte Rokoko-Marionette. Dann wieder betreten überschminkte Stummfilm-Nosferatus die Szene oder quietschbunte Plastik-Menschen aus der Welt des Modellbaus. Victoria Behr liebt den grossen Faltenwurf und verleiht ihm gern einen Zug ins Katastrophische. Chemikaliengelbe Rüschen-Tsunamis lässt sie über ihre Figuren hinwegfluten oder tote Haarstrünke wie nach einer schlimmen Dürrekatastrophe aus den Köpfen wachsen. Ganzkörperpomade legt sich auf glänzende Leiber wie nach einer schweren Öltanker-Havarie. Puffärmel und Tüllunterröcke explodieren. Wer glaubt, das alles sei mit der grossen Theater­nadel nur grob zusammengenäht, irrt: Victoria Behrs Kostüme sind detailgenau ent­worfen und bis in den letzten Bordüren-Zierrat von den Kostümabteilungen der Theater lie­be­voll ausgearbeitet. Trotzdem sind ihre Kostüme keine der Sorte «Rühr-michnicht-­an», die nur wie rohe Eier durchs Bühnenbild balanciert werden dürfen. In Herbert Fritschs exaltiertem Körpertheater müssen sie viel mitmachen. Da wird gefuchtelt, gestürzt und sich gewälzt, bis die Reifröcke knacken. Aber sie halten das aus. Es ist also kein Zufall, dass Victoria Behr in den letzten fünf Jahren viermal von den Schauspielkritikern zur «Kostümbildnerin des Jahres» gewählt wurde. 2013 hat sie am Opernhaus Zürich, ebenfalls mit Herbert Fritsch, die Oper Tri Sestri von Peter Eötvös ausgestattet. Auch dafür wurde sie (dieses Mal von den Opernkritikern) zur «Kostümbildnerin des Jahres» gekürt.


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vorige Seite: Szene aus Molières «Die Schule der Frauen» am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (2014) linke Seite: Szene aus Molières «Der eingebildete Kranke» am Burgtheater Wien (2015) rechts oben: Szene aus Ibsens «Nora» am Theater Oberhausen (2010)

Fotos: Reinhard Werner, Burgtheater / Thomas Aurin / Monika Rittershaus

rechts unten: Szene aus Mozarts «Don Giovanni» an der Komischen Oper Berlin (2014)


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King Arthur 27

linke Seite: Szene aus Mozarts Oper «Don Giovanni» an der Komischen Oper Berlin (2014) rechts oben: Szene aus «der die mann» an der Volksbühne Berlin (2015)

Fotos: Monika Rittershaus / Thomas Aurin / Hans Jörg Michel

rechts unten: Szene aus «Tri Sestri» von Peter Eötvös am Opernhaus Zürich (2013)


28 Volker Hagedorn trifft…

Corinna Harfouch Corinna Harfouch spielt in unserer Neu­­produk­ tion von Henry Purcells «King Arthur» den Zau­berer Merlin. Am Zürcher Schau­ spielhaus war sie in Herbert Fritschs Inszenierung von Dürrenmatts «Die Physiker» als Fräulein von Zahnd zu sehen. Neben ihrer Theater­ arbeit spielte Corinna Harfouch auch in zahl­reichen Kinofilmen, u.a. die Magda Goebbels in Bernd Ei­chin­gers «Der Unter­gang». Für ihre künst­le­rische Arbeit erhielt sie wichtige Aus­­­­zeichnungen, so 2007 die Goldene Kamera als beste deutsche Schau­ spielerin.

Der Regisseur hat Grippe, er kommt heute nicht. Trotzdem irrlichtert es sanft auf der Probebühne, der Korrepetitor klimpert am Cembalo den «Schwan» aus dem Karneval der Tiere, Schauspielerin Annika Meier ulkt: «Lieber morgens Spinett als abends Spinat», Hubert Wild testet schrille Sangestöne, rückt sich den Schafspelz zurecht, nach und nach erobern vier Akteure den Raum. Es ist diese magische, irreale Phase zwischen Geplänkel und Probe, als eine zierliche Frau an den Tischen der Assistenten und Dramaturgen entlangschlendert, grinst und mit herber Stimme ruft: «Geht es jetzt mal los mit diesem Teil?» Es geht los. Während auf der Fläche ein «Ritual» choreografische Konturen gewinnt, ohne Worte, übt sie am Rand einen Dialog mit der Sängerin Mélissa Petit. Leise, ohne Darstellung, nur die Worte, sehr frei nach John Drydens Text zu Henry Purcells King Arthur. Dann wendet sie sich an mich: «Gehen wir einen Kaffee trinken?» Klar. Ich wollte schon immer mal Kaffee mit Corinna Harfouch trinken. Genauer gesagt, ich hätte es mir nicht träumen lassen. Je präsenter einem ein Gesicht ist, desto entrückter ist es auch. Und selbst wer sich eher selten ins Sprechtheater verirrt, kennt dieses Gesicht aus dem Kino. Sie ist kein bisschen entrückt. Sie ist derartig geerdet, dass unser Gespräch gewis­ ser­­massen im Wald enden wird, auch wenn wir die ganze Zeit im Büchercafé nahe der Probebühne an der Züricher Hardturmstrasse sitzen. Am Abend vorher habe ich mir Der Untergang von 2004 angesehen, bis zu dem Moment jedenfalls, als Magda Goeb­bels im Führerbunker ihren Kindern das Gift reicht. «Wer fängt an?» fragt Frau Goeb­bels lächelnd. «Heidi, du bist doch immer die Tapferste…» Da war es nicht mehr auszuhalten. Corinna Harfouch durchdringt diese Frau so kapillarenfein, dass man in deren Realität gerät. Das lässt man nicht so leicht hinter sich. Da ist es gut, sie jetzt normal zu treffen. Sehr offen, sehr empathisch. Wir sprechen zuerst gar nicht über The­­ater, son­dern über Lottogewinne. Sie erzählt von Verwandten, für die sich ein Rie­­sen­gewinn geradezu als Fluch erwies. «Die meisten Menschen haben ja keine Vision», meint sie, «ausser so blöde Träume: Ich jette nach sonstwo und kaufe mir einen Ferra­ ­ri.» «Die Super­reichen», sage ich, «haben auch nicht besonders viele Visionen…» «Ich habe neu­­lich eine Reportage über Wolfgang Joop gesehen. Da sind diese Mädels, die 4000-­Euro-Kleider kaufen.» Sie schweigt kurz und sieht sie im Geiste an: «Es ist krass. Gru­selig, absolut!» Natürlich könnte sie auch so ein «Mädel» spielen, eine dieser Luxusfrauen. «Ich kann Tiere spielen, Gräser, Blätter, Männer, Frauen, selbst Babys», hat Corinna Har­ fouch in einem Interview vor zwei Jahren gesagt. Sie war Müllers Hamlet und Zuck­ mayers General Harras, sie war Vera Brühne und, ganz früh, Lady Macbeth, sie stand als Ibsens Frau vom Meer anno 1993 erstmals mit Herbert Fritsch auf der Bühne, in der Regie von Frank Castorf, als «lichter, schöner Fremdling» neben Fritsch, dem «zu allem entschlossenen Exhibitionisten», wie der Theaterkritiker Benjamin Henrichs da­mals in der ZEIT schrieb. Später inszenierte Fritsch selbst. «Vor drei Jahren haben wir hier in Zürich die Physiker gemacht, meine erste Arbeit mit ihm als Regisseur», sagt sie, «ich war geradezu beseelt. Ich liebe diese expressive sportliche Art zu spielen. Kindlich, aber nicht kindisch. Ich neige ja ein bisschen zum Grübeln und befreie mich im Spiel, aber meistens handelt es sich um diese psychologischen Rollen. Fritsch hat eine ganz andere Richtung.» Wir sitzen im sonnigen Wintergarten neben dem Café, ein Paradies für Raucher, unterm Glasdach tschilpen Vögel. «Man könnte sich fast wundern», wage ich zu sagen, «dass eine kontrollierte Schauspielerin gerade die Un­ berechenbarkeit von Fritsch so mag.» «Ich weiss ja nicht, wovon Sie ausgehen», meint


Volker Hagedorn trifft… 29

sie da skeptisch. «Kontrollierter Mensch… das wäre eine sehr segmenthafte Wahrneh­ mung!» Es scheint mir unangemessen, ausgerechnet jetzt den Untergang zu erwäh­ nen, jetzt, da sie an der Rolle des Zauberers Merlin in Purcells Semi-Opera King Arthur arbeitet. Magda Goebbels, das passt gar nicht. Ich murmele etwas von «Kino», und sie meint, das sei eine vollkommen andere Arbeitsart. Okay, gehen wir von etwas anderem aus, nämlich dem Anfang in Grossenhain, der sächsischen Kleinstadt, in der sie aufwuchs, 1954 im thüringischen Suhl geborene Tochter einer Lehrerfamilie. «Eine Kleinstadt ist mörderisch. Die einen bleiben da und die anderen wollen weg, zu denen hab ich natürlich gehört. Dieses ausgesprochen unangenehme Gefühl im Zusammenleben, diese Enge, dieses Beobachtetwerden, das Gemeine, was da ist, das Unfreie, die gegenseitige Kontrolle… Wenn man es geschafft hat, das zu verlassen, dann reicht der Negativschub eine ganze Weile. Danach nutzt man andre Kräfte…» Wie aber führte dieser Schub, nach einer Ausbildung zur Krankenschwester und dann, in Dresden, als Textilingenieurin, sie zum Theater, an die Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch? Es geht auf eine frühe Erfahrung im Kindertheater zurück. «Ich hab da gemerkt, das ist mein Raum, meine Freiheit, da bin ich auch gut, oder nicht mal gut – da bin ich zu Hause, auf der Bühne! Das ist bis heute wie eine Sucht. Ein begrenzter Raum, der ist gefährlich, wenn man so will, aber nicht so gefährlich wie der Rest ringsum. Man ist ganz aufgehoben, man kann komplett loslassen, in Extreme gehen, Dinge er­leben, die man in diesem anderen, uferlosen Leben nicht erlebt.» Und in diesem Raum sei es «befreiend, wie der Fritsch die Sprache aus ihrer Konvention löst, weil er sehr unpsychologisch da heran geht. Sprache wird ja sonst immer wieder herunter­ gebrochen auf Informationen über Menschen.» Weil sie «Simpelhaftigkeit» nicht mag, liebt sie den Teilzeit-Zürcher James Joyce. Mehrfach ist sie mit der Tram 6 hinauf zum Friedhof Fluntern gefahren, wo an Joyces Grab das coolste Raucherdenkmal der Welt steht. «Ich finde diesen Friedhof sowas von schön! Diese Vielfältigkeit. Was da für Leute leben, nein, wohnen, also…», sie lacht, «begraben sind!» 2012 erschien das gewaltige Hörbuchprojekt, in dem Klaus Buhlert den Ulysses auf viele Stimmen, auch die von Corinna Harfouch, verteilte, «es ist ein Raum geschaffen worden, wo einem dieser Text fantastisch klar gemacht wird.» Wenn sie selbst spielt, vorträgt, inszeniert, versucht sie, um den Text «den Raum rund zu machen». «Ich lese viel, viel, viel», sagt Corinna Harfouch, und erzählt von einem Buch, das sie begeistert, Das verborgene Leben des Waldes von David Haskell. «Ein Sachbuch, aber dieser Mann hat die Fähigkeit zu schreiben wie ein grosser Schriftsteller. Ein Biologe, er hat sich ein Waldstück in Tennessee ausgesucht, einen Quadratmeter gross, ein Mandala nennt er das, was er ein ganzes Jahr lang betrachtet.» Sie erzählt vom Sehvermögen der Meisen, das viel grösser als das menschliche ist, so ausführlich, als habe sie sich jedes Wort eingeprägt. «Wir haben nur eine begrenzte Fähigkeit, die Welt zu sehen! Für diese Vögel hat sie ganz andere Farben als für uns. Es begeistert mich und macht mich demütig.» Der Wald ist ihr sowieso nahe, in ihrem Haus auf dem Land bei Berlin. Im Wald erlebe sie mitunter mehr als auf Reisen. «Aber da haben Sie kein Publikum!» «Auf der Bühne ist man ja auch wieder im Wald, so ein bisschen», meint sie. «Wir können ja mal zurückgehen und gucken, was da los ist.» Wie sieht sie denn als Merlin aus? «Ich hab einen langen weissen Bart und lange graue Haare, ein grosses Glitzerkleid und Haare auf den Händen. Hoffentlich unheimlich!» Auf dem Smartphone zeigt sie mir den Trailer zu Der Auftrag von Heiner Müller in Hannover, wo sie auch mitspielt. «Wenn Sie da schon wohnen!», sagt Corinna Harfouch und lacht wieder. «Nicht immer nur in die Oper gehen!»


Tatort Mittelalter Der Schauspieler Wolfram Koch ist auf den Theaterbühnen von Berlin bis Zürich zu sehen und seit zwei Jahren «Tatort»-Kommissar. Nun spielt er als König Arthur erstmals in einem Opernhaus. Ein Gespräch über die Arbeit mit Herbert Fritsch, über Komik, Tragik – und Schichtkäse


King Arthur 31

Wolfram, Du bist Schauspieler und spielst hier am Opernhaus in Purcells/ Drydens Semi-Oper den Arthur – was für eine Beziehung hast Du zur Oper? Mit 11 Jahren fing ich in meiner Heimatstadt Bonn an, Theater zu spielen; mein erster richtiger Theaterbesuch als Kind war die Operette Die Fledermaus. Ich war wahnsinnig aufgeregt und hatte sogar meine kratzige Flanellhose angezogen, um schön auszusehen. Weil ich kein Opernglas besass, hatte ich ein riesiges altes Fernglas von meinem Vater dabei, mit dem ich auf die Bühne schaute. Seitdem wollte ich immer mal den Frosch spielen, das hat leider bis jetzt noch nicht geklappt. Aber ich habe mit vielen Regisseuren gearbeitet, die Oper und Schauspiel nicht so strikt trennen. Es gab also von meiner Seite aus keine Berührungsängste. Für mich gibt es nur Theater. Und Oper ist Theater mit Gesang. Also empfindest Du es gar nicht als so ungewöhnlich, jetzt als Schauspieler in der Oper zu arbeiten? Doch, da gibt es schon einiges, das neu ist für mich, zum Beispiel der Proben­ rhythmus – hier wird zweimal pro Tag drei Stunden probiert, im Schauspiel haben wir meistens eine lange Probe, da kommt man in einen ganz anderen Rhythmus. Und natürlich arbeiten die Sänger anders. Für uns Schauspieler ist der Text erst mal Material, mit dem wir auf den Proben alles Mögliche anstellen; die Sänger dagegen kommen zu Probenbeginn mit fertig einstudierten Partien, damit wird dann ge­arbeitet. Ausserdem musste ich erst mal lernen, wer alles zum Team gehört, vor allem auf der musikalischen Seite – Dirigent, Chorleiter, Maestro suggeritore – also Souffleur –, Korrepetitor... Aber es macht mir grossen Spass, mit so tollen Sängern zusammenzuarbeiten.

Foto: Florian Kalotay

Hat Dich der König-Arthur-Stoff in Deiner Kindheit interessiert? Ein paar Ritterromane habe ich als Kind gelesen. Ich bin früher mit meiner Familie oft in die Bretagne gefahren, dort gibt es den Wald «Le Roi Arthur». Die Bretonen sagen, dass Arthur dort sein berühmtes Schwert Excalibur aus dem Stein gezogen hat, während die Briten diese mythische Figur ganz für sich reklamieren. Das Schwert und den verzauberten Wald fand ich schon sehr magisch, diese düstere, unheimliche Welt hat mich fasziniert. Und heute bin ich natürlich Fan von Monty Pythons Film Die Ritter der Kokosnuss. Das ist eine Art der Auseinander­ setzung mit dem King-Arthur-Stoff, wie sie nur die Briten beherrschen. Was ist König Arthur in der Inszenierung von Herbert Fritsch für eine Figur? Der Arthur in John Drydens Text ist nicht der Arthur, den man aus Filmen und anderen Bearbeitungen des Stoffes kennt. Aber ich habe mich nie mit Begleitmaterial zugeschüttet, wenn ich mich auf eine Rolle vorbereitet habe. Ich lasse mich gerne davon überraschen, was auf den Proben passiert, lasse mich treiben von Pannen, Blödsinn, unlogischen Dingen; ich mag es, erst mal nicht linear zu denken. Auf den Proben ist alles an Assoziationen erlaubt, später kann man dann aus­ dünnen und verdichten. Dass wir jetzt das Gefühl haben, König Arthur hat viel mit Don Quichotte zu tun, das ist auf den Proben entstanden durch die abgewetzte, fragmentarische Rüstung, die ich als Probenkostüm bekommen habe und die etwas Trauriges hat. Es kommt mir so vor, als würde dieser Arthur in drei oder vier Sätzen eine Fantasiewelt behaupten, die dann gleich wieder in sich zusammenbricht. Die Geschichte ist ja schnell erzählt: Es gibt einen Bösewicht, eine Frau, um die gekämpft wird, böse Mächte, die den Bösewicht unterstützen, und am Ende gewinnt dann das Gute. Spannend ist das, was dazwischen verhandelt wird. Und das hat eben viel mit Don Quichotte und seinem Kampf gegen die Windmühlen zu tun, der vielleicht nur ein Zauber ist, vielleicht aber auch nicht; womöglich fragt sich Arthur die ganze Zeit: Ist das real, was ich erlebe, existiere ich wirklich? Wenn wir in diese Richtung weitergehen, wird es vielleicht ein zugleich komischer und trauriger, einsamer und berührender Abend.

«Arthur hat in unserer Inszenierung viel mit Don Quichotte zu tun»


32 King Arthur

Auf den Proben konnte ich beobachten, dass Du den Slapstick liebst und gern Komisches ausprobierst; liegt Dir die Komik besonders? Das kann ich so nicht sagen. Mal spielt man die jungen Helden, mal die Bösewichte, mal die Volltrottel – was ich gemacht habe, war sehr gemischt. Mich interessiert die Komik im Ernsten und der Ernst im Komischen. Die Leute lachen nur, wenn es existentiell wird. Aber auch wenn es im Theater den ganzen Abend nur ernst ist, stimmt etwas nicht. Der grosse Theatermann George Tabori hat mal gesagt, Realität ist die Summe von Widersprüchen. Das kann ich nur unterschreiben. Mit Herbert Fritsch verbindet Dich eine längere Zusammenarbeit, Du warst in Murmel, Murmel, der die mann – das gerade zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde – und auch Die Physiker hier am Schauspielhaus Zürich besetzt; was ist für Dich das Besondere an der Arbeit mit diesem Regisseur? Herbert kenne ich, seit wir zusammen in Der Selbstmörder von Nikolaj Erdmann in der Regie von Dimiter Gotscheff an der Berliner Volksbühne auf der Bühne standen. Meine erste Arbeit mit Herbert als Regisseur war Die (s)panische Fliege an der Volksbühne als totale Superklamotte. Das hat damals richtig eingeschlagen; als nächstes kam dann Murmel, Murmel von Dieter Roth – 170 Seiten Dialoge, Monologe, die nur aus dem Wort «Murmel» bestehen. Dann kam Ohne Titel Nr. 1, ein eigentlich trauriger, verzweifelter Abend, in dem wir kein einziges deutsches Wort sprechen, sondern Sprachen erfunden haben. Mit Herbert gehen wir sehr naiv auf extreme Reisen und haben grossen Spass dabei. Oft ist es so, dass wir uns etwas vornehmen, und dann entsteht plötzlich etwas völlig anderes. Mich inte­ ressiert es sehr, auf die Sicherheit eines wie in Stein gemeisselten Konzepts zu ver­ zichten und zu schauen, was passiert. Das bedeutet nicht, dass eine Aufführung von Herbert beliebig wäre; im Gegenteil, Herbert ist sehr streng in der Form; aber innerhalb dieser Form haben wir als Schauspieler eine sehr grosse Freiheit. Neben dem Theater machst Du auch Filme, und nun bist Du auch als Frank­ furter Tatort-Kommissar zu sehen; wie verträgt sich Theater und Film? Es war immer meine Bedingung, dass ich weiter Theater machen kann. Ich brauche das Theater! Zurzeit mache ich zwei Tatorte pro Jahr, daneben Lesungen, Hörspiele und eben Theater – der Schauspielerberuf ist vielseitig, und ich lasse mich immer wieder gern überraschen. Ich bin sehr viel unterwegs, und wenn ich für den Tatort drehe, kann ich zuhause in Frankfurt sein – das ist ein grosser Vorteil. Du lebst also in Frankfurt, spielst zurzeit aber in verschiedenen Stücken in Berlin am Deutschen Theater und an der Volksbühne, am Schauspielhaus Zürich und nun auch am Opernhaus; wie schaffst Du das alles? Ich nenne es Schichtkäse – man muss eine Schicht nach der anderen abtragen, sonst dreht man durch. Manchmal weiss ich, wenn ich aufwache, nicht gleich, wo ich bin. Aber ich weiss immer, in welchem Theater ich bin, denn jede Aufführung hat ihren eigenen Geruch, ihre eigene Atmosphäre; und ich habe für jedes Stück vor der Vorstellung ein anderes Ritual. Es ist ja irgendwie absurd, was wir Schauspieler machen – erwachsene Menschen spielen für andere erwachsene Menschen Theater, dafür muss man sich in eine Art Rausch-Zustand begeben, der losgelöst ist vom Alltag. Ein Kollege von Dir hat mal gesagt: «Das Auffallendste an Wolfram ist seine gute Laune.» Woher kommt die? Manchmal geht mir das Reisen und das Probieren schon auch auf die Nerven. Vorstellungen liebe ich mehr als Proben, das gebe ich gerne zu. Vielleicht kommt die gute Laune daher, dass ich das, was ich tue, freiwillig mache, und momentan frei bestimmen kann, was ich treibe; das ist ein grosser Luxus.

«Im Theater ist man schnell ein Möbelstück»


King Arthur 33

Du hast viel erreicht in Deiner Karriere, kannst Dir die Engagements aussuchen; gab es auch harte Zeiten? Sicher, die gab es auch. Ich habe vier Kinder, und die Entscheidung, im Jahr 2000 mein sicheres Festengagement in Bochum aufzugeben und nur noch frei zu arbeiten, war nicht einfach. Ich hatte aber nie Angst, dass es nicht mehr weitergehen könnte – auch wenn im Urlaub der Geldautomat mal kein Geld mehr ausgespuckt hat. Ich dachte immer, es ist wichtiger, das zu machen, was ich wirklich machen will. Im Theater ist man ganz schnell ein Möbelstück, wird immer wieder in ähnlichen Rollen besetzt; ich langweile mich schnell vor mir selbst. Hast Du nie Sehnsucht nach einem festen Haus mit einem festen Ensemble? Natürlich muss man seine Leute finden, Kollegen, die wie eine Familie sind, in der man sich gut kennt und schätzt, so dass man sich nicht in jeder Produktion neu beweisen muss. Aber das muss kein festes Ensemble sein. Mich haben nie bestimmte Orte interessiert, sondern Menschen – Regisseure und Schauspielerkollegen, mit denen ich arbeiten wollte. Was würdest Du in Deiner Karriere, in Deinem Leben gern noch erreichen? Wenn mein Körper weiterhin mitmacht und ich gesund bleibe, reicht mir das erst mal. Aber etwas gibt es schon, das ich gern machen würde: Ich bin ja teilweise in Frankreich aufgewachsen und hätte grosse Lust, mal in Frankreich ein Stück auf Französisch zu spielen, am liebsten in Paris. Das wird sicher irgendwann kommen. Das Gespräch führte Beate Breidenbach

The one and only.

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Die geniale Stelle 35

Das Leben ein Rondo Zwei Takte aus Georges Bizets «Carmen» für Stella Doufexis Frasquita und Mercédès vertreiben sich die Zeit, indem sie die Karten nach der Zukunft befragen. Das Orchester untermalt die Vorbereitungen mit einer raschen Streicher­ figur, bei der man sich für einen Moment an das Seil der Wagnerschen Nornen erinnert fühlen mag. Aber ganz anders als bei Wagner (und den allermeisten anderen Dich­ tun­gen und Kompositionen zu diesem Thema) wird hier die Frage nach der Zukunft nicht mit tiefem Ernst als eine existenziell-schwerwiegende vorgestellt, sondern kommt in einem verblüffend leichten Ton daher. Diese anderen Nornen wissen nur zu gut, wel­chen Hokuspokus sie sonst den Kunden vormachen, die bereit sind, für Auskünfte über ihre Zukunft zu zahlen. Also gehen sie ohne Umschweife zur Sache und tun, was sie für ihre leichtgläubigen Klienten immer tun: Nach einer kurzen parodistischen Beschwörung im reinsten Operettenton weissagen sie sich, was sie gern hören wollen. Die eine verspricht sich ein Liebesabenteuer mit einem kühnen Räuberhauptmann, die andere die kurze Ehe mit einem alten Herrn, der ihr ein stattliches Vermögen hin­terlässt. Und schon sind sie am Ende der ersten Runde, kehren kurzerhand zu ihrer albernen Beschwörung der Karten zurück und wollen gerade die nächste Runde star­ten, da unterbricht Carmen das Spiel. Der Klang verdüstert sich, die beiden Kolle­ ginnen verstummen, ein abstürzender Lauf mündet in einen grellen Bläserakkord. Carmen hat Karo und Pik aufgedeckt: Das bedeutet Tod. Ist Carmen abergläubischer als ihre Kolleginnen? Gewiss nicht. Auch sie liest in den Karten nur, was sie schon vorher wusste. Der Unterschied ist: Für sie ist die Sache sehr ernst. Sie hat José verlassen und weiss, dass er sie dafür töten wird. Die Musik fällt nun in einen radikal anderen Ton: Aus einigen leisen Streicher-Akkorden in düs­ terem f-Moll erhebt sich der Gesang vom Unausweichlichen: vom Tod, von jener letzten Grenze, die jeder überschreiten, jener letzten Herausforderung, der sich jeder stellen muss, und die nur die Wahl lässt, sich im Untergang tapfer zu bewähren oder in ängst­licher Verzagtheit dahinzugehen. Die Gesangslinie – nach dem Willen des Komponisten «sehr gleichmässig und schlicht» vorzutragen – zeichnet ein Bild unendlicher Trauer, für die es keinen Trost gibt, der Licht von jenseits des Todes leuchtet, einer Trauer aber auch, an der jeder falsche Trost abperlt – es ist die Trauer derer, die dem Unausweichlichen ins Auge sehen können. Am Ende dieses Abschnitts aber vollzieht sich ein Wunder. Zwei Takte, ein paar Achtel­noten in aufsteigender Linie, mehr braucht Bizet nicht, um das Dunkel zu ver­ treiben, das Rätsel des Todes zu lösen und den einzigen Trost zu spenden, der ihm standhält: Ohne Ruck, durch einen gleitenden Übergang vermittelt, kehrt der Refrain zurück, und was bisher ein Duett in simpler A-B-A-Form mit angehängter Arie der Protagonistin zu sein schien, wird zum Rondo. Carmens Todes-Gesang er­weist sich als eine Episode unter anderen in einem Gesamtgebilde, das nichts schwer nimmt: Das Leben, ist ein Reigen, ein Ring, in dem sich Anfang und Ende berühren, ein Rondo freilich mit schwerwiegenden Variationen, zum Beispiel, wenn jemand plötzlich nicht mehr da ist. Wenn aber Carmen in die Wiederkehr des Refrains immer wieder das Wort «Tod» hineinsingt, als hätte sie sich an ihm festgebissen, werden ihre Einwürfe zu einem Kontrapunkt zu den beiden anderen Stimmen, die nun wie das Schicksal selbst klingen, «ohne Ausdruck, kalt und fremd wie die Sterne», wie es Theodor W. Adorno ausgedrückt hat. Beide Ebenen klingen in spannungsvoller Harmonie zusam­men: das Leben, das der Tod nicht besiegt, weil beide untrennbar verbunden sind. Werner Hintze


36 Wiederaufnahme

Nachdem wir diese Spielzeit mit Alban Bergs Oper Wozzeck eröffnet haben, kehrt nun auch Christian Spucks, ebenfalls auf Georg Büchners Dramenfragment basie­ren­­des Erfolgs­ballett Woyzeck in den Spielplan zurück. Mit begeisterter Re­so­nanz war es in jüngster Zeit auch in Mexiko und Spa­nien zu sehen. In der Neufassung seiner 2011 für das Norwegi­sche Nationalballett entstandenen Arbeit übersetzt Christian Spuck die metaphorisch dichte, präg­ nan­­te Sprache Büchners in eindringliche cho­reo­grafische Bilder. Das Schicksal des immer wieder gedemütigten Soldaten Woyzeck, der seinen kärglichen Sold mit entwürdi­gen­­den Zusatztätigkeiten aufbessern muss und im Fieberwahn der Eifersucht seine Liebste ersticht, wird in Christian Spucks Choreografie zu Musik von Alfred Schnittke, Philip Glass und György Kurtág auf be­wegende Weise in Szene gesetzt. Neu ist die Besetzung der Titelrolle: an der Seite von Katja Wünsche als Marie ist der belgische Tänzer Tars Vandebeek zu erleben. Wiederaufnahme 13 März 2016 Weitere Vorstellungen 24 März, 5, 8, 20 Apr 2016

Foto: Judith Schlosser

Woyzeck



38 Ballett Zürich

Ich folge meinem Bauchgefühl D

iese Stiefel. Schwer sind sie und drückend. Jedenfalls sind sie ein auffälliges Zeichen für einen jungen Mann. Zwar bewegen sich dessen Füsse vor und zurück; nach links und rechts – jedoch so, als ob sie mit Blei be­ schwert wären. Dabei haben die anfäng­ lich sanften Spieldosen-Klänge aus Philip Glass’ Music Box zunächst Leichtig­keit und Unbeschwertheit vorgegaukelt. Aber die aus der Schwärze der Bühne auf­tau­ chenden Trommler verkünden das Gegen­ teil. Ihre Sprache ist laut; vor allem aber getrie­ben von einem peitschenden Rhyth­ mus, zu dem sich der junge Mann krümmt und in aberwitzigem Tempo salutiert. «Heavy», sagt Tars Vandebeek dazu und doppelt lachend: «Das ist schon ein heftiger Auftakt, nicht wahr?» Der 23-­jährige Tänzer aus Belgien freut sich, dass die Reporterin bei die­ser Eingangs­ szene zu Christian Spucks Woyzeck Gänse­ ­haut bekommen hat. «Ja, die Musik hilft, den Charakter zu verstehen. Und bei Woyzeck gewinnt man den Eindruck, dass die Musik je länger sie dauert, umso ‹ver­ rückter› wird. Damit aber passt sie exakt zur Titelfigur, die im Stückverlauf ständig irrer wird.» Tars Vandebeek weiss, wovon er spricht, wenn er von den ersten Minuten dieses Balletts erzählt und damit von jener

vibrierenden Spannung, die unabdingbar sei, «um die ungemein intensive Geschich­ ­te» erzählen zu können. Bisher hat er den Woyzeck dreimal auf einer Tournee in Spanien getanzt, nun stellt er ihn in Zürich vor. Auch diesmal habe er grossen Respekt vor der Aufgabe: «Ich werde mich erneut fragen, wie ich diese Geschichte um einen verzweifelten, am Ende seine Geliebte Marie mordenden Mann stemmen und dem Publikum vermitteln kann.» Die be­ geisterten Reaktionen in Spanien haben gezeigt: Er kann es, «obwohl die dortigen Zuschauer mit Georg Büchners berühm­ ter Vorlage nicht so vertraut sind wie die deutschsprachigen.» Dass Vandebeek für die Rolle des schlaksigen, nie dem klassischen Ideal von Ballett-Eleganz folgenden Woyzeck sehr viel Kraft braucht, versteht sich. Liegen des­halb auf dem Teller mit dem grünen Pasta-Gericht zwei riesige, orangene Ka­ rot­ ten als vitaminreiche Kraftspender? «Nein, nein. Ich mag Karotten einfach», sagt er und beisst herzhaft zu. Gelassen, offen und neugierig wirkt dieser junge Tänzer, dem Zürichs Ballettdirektor Christian Spuck mit Woyzeck die zweite Hauptrolle anvertraut hat. Die erste war Lewin, der Gutsbesitzer in Spucks Anna Karenina, der Kitty liebt, von dieser aber erst zurückgewiesen wird, bevor er sie

Foto: Danielle Liniger

Der belgische Tänzer Tars Vandebeek ist der Woyzeck in der Wiederaufnahme von Christian Spucks gleichnamigem Ballett. Ein Porträt von Elisabeth Feller



40 Ballett Zürich

«Hinter einem Bürotisch wollte ich nicht landen»

schliesslich heiraten kann. Tars Vandebeek hat diesen Lewin – «Meine erste, richtige Charakterrolle» – warmherzig, mit ver­ träumtem Bubencharme und Gesten vol­ ler Sehnsucht so getanzt, dass ein deut­ scher Kritiker über ihn schrieb: «Er ent­ wickelt sich in seiner ersten Hauptrolle zu einem Sympathieträger des Zürcher Bal­ letts.» Tars Vandebeek sagt zu diesem Satz erst einmal gar nichts. Dann lächelt er und schüttelt seinen rötlich-blonden Locken­ kopf: Natürlich kenne er diese Rezension, und dass ihn ein solches Lob freue und ansporne, sei doch klar. Lewin bleibt dem Zürcher Publikum aber nicht nur als Tänzer, sondern auch als Velofahrer in Erinnerung – in jener Szene, als er mit Kitty (Katja Wünsche) un­beschwert Kreise dreht. Ein schwieri­ ges Unterfangen? «O ja. Man muss sich sehr konzentrieren, weil der Platz auf der Bühne begrenzt ist.» Aber es habe Spass gemacht. Nicht (nur) Spass, sondern vor allem Freude, ja Erfüllung bereitet dem sympa­ thischen Tänzer der Beruf. Dabei steuerte der in Gent aufgewachsene Belgier keines­ wegs schnurstracks auf eine Tänzerlauf­ bahn zu. «Ich habe mich für Theater in­ te­ressiert, habe viel Sport getrieben und Cello und Kontrabass gespielt.» Aber: Bis er fünfzehn war, besuchte er eine normale Schule, wobei er bereits erste Erfahrungen mit Ballettstunden gemacht hatte. Ein Lehrer habe ihm dann geraten, eine Bal­ lett­schule zu besuchen. «Mit fünfzehn war ich für eine Ausbildung zum Tänzer aber ziemlich spät dran», bekennt Tars Vande­ beek, «doch ich wusste: Hinter einem Bürotisch wollte ich nicht landen. Glück­ licherweise erhielt ich von der Royal Ballet School of Antwerp eine Chance». Gab es damals Vorbilder für ihn, denen er nach­ eifern wollte? «Wer immer danach ge­fragt wird, erwähnt Nurejew oder Barysh­nikov, also ganz grosse Tänzerpersönlichkeiten. Das könnte ich auch, doch ich hatte nie ein Idol. Und zwar ganz ein­fach deshalb nicht, weil ich der Meinung war und bin: Jeder Tänzer hat etwas zu sagen, denn jeder ist unverwechselbar.» Nach der mehrjährigen Ausbildung in Antwerpen ging es Schlag auf Schlag: Beim Internationalen Tanzwettbewerb im französischen Biarritz gewann Vandebeek

eine Goldmedaille sowie den Biarritz City Award. Engagements beim Cannes Jeune Ballet und bei der ausschliesslich zeitge­ nössischem Tanz verpflichteten Compag­ nie Gauthier Dance in Stuttgart folgten. Dort entdeckte ihn Christian Spuck. «Er interessierte sich für meine Arbeit, ich für seine», so Tars Vandebeek. Nach einer Spielzeit im Junior Ballett ist der Belgier nun seit 2014/15 Mitglied des Balletts Zürich. Hier fasziniert ihn die Möglichkeit in unterschiedlichste Stile einzutauchen und sich darin auszuprobieren. Tatsäch­ lich kann das Publikum dem 23-Jährigen ebenso in Giselle wie in Alexei Ratmanskys Rekonstruktion von Schwanensee, in Mar­ tin Schläpfers Forellenquintett, Marco Goeckes Deer Vision, Jiří Kyliáns Gods and Dogs oder in den bevorstehenden fünf Vor­stellungen von Christian Spucks Woyzeck begegnen. Ist das, was er als Tänzer tut, Hoch­ leistungssport? Tars Vandebeek antwortet so schnell, als habe er die Frage vorausge­ ahnt: «Aber sicher. Deshalb essen wir Tän­ zer ja auch so viele Vitamine», antwortet er lachend und nimmt sich die zweite, schon deutlich verkürzte Karotte vor. Nur ein gesunder Körper ist den vielen an­ spruchsvollen Aufgaben einer Solotänzer­ karriere gewachsen. Was aber, wenn der Körper – von Krankheiten oder Verletzun­ gen geplagt – streikt? 2015 war für Tars Vandebeek ein Jahr, das er wohl gerne aus seinem Ge­ dächt­ nis löschen würde. Er erlitt eine Schulterverletzung bei der Probe und brach sich später, privat, den Fuss. «Eine Verletzung kann einfach passieren. Ich wusste aber: eine Schulteroperation hätte einen monatelangen Ausfall bedeutet. Glücklicherweise gab es eine andere Lö­ sung.» Nach langer Abwesenheit jedoch wieder einen Neuanfang wagen – das sei nicht leicht. «Es ist eine mentale Sache. Man muss in sich hineinhorchen und sich fragen: Was willst du? Bis man zu jenem Punkt gelangt, wo man fühlt: Jetzt bin ich dazu bereit: Ich will zurück auf die Büh­ ­ne.» Selbst wenn er noch ganz jung sei, so der nachdenkliche Tänzer, sei das Be­ wusstsein für die Anfälligkeit des Körpers seit dem letzten Jahr gewachsen. Dass er


Ballett Zürich 41

deswegen aber den Woyzeck mit gebrems­ ter Kraft tanzen würde? Nein, das auf keinen Fall. Er lebt für den Tanz und den intensiv ausgekosteten Moment. Er will ihn geniessen, ohne an das Morgen und Übermorgen zu denken. «Tänzer haben nur eine kurze Karriere. Deshalb ist es wichtig, offen zu sein und sich immer wieder neu zu orientieren. Ich plane nicht jahrelang voraus; ich werde meinem Bauch­gefühl folgen.» Natürlich sei das Älterwerden für Tänzer nicht leicht. «Aber ich habe keinen Plan B. Ich könnte deshalb genauso gut Choreograf oder Bäcker werden.» Um in ferner Zukunft Ballettfans am Sonntag mit einer Spezialkreation zu überraschen – gebackenen Ballettschuhen? Die Vorstel­ lung amüsiert Tars Vandebeek: «Weshalb nicht?» Ausprobieren kann er das nicht, denn dafür hat er keine Zeit. Eine Fünf­ tage­woche oder lange Ferien kennt er nämlich nicht, «deshalb nehmen Hobbies nicht sehr viel Raum ein». Sein Cello ist

aller­dings immer dabei. Denn eines, be­ tont er, sei ihm ganz wichtig: «Man muss sich Inspirationen von aussen holen.» Welche waren es für Woyzeck? Das bleibt ein Geheimnis. Kein Geheimnis allerdings ist, dass der Belgier diese tragische Figur mit er­ grei­­ fender Verletzlichkeit tanzen wird. Gänsehaut garantiert. Nicht zuletzt des­ halb, weil Tars Vandebeek 23 Jahre alt ist – und damit genauso alt wie Georg Büch­­­ner, als dieser seinen Woyzeck schrieb.

Pipilotti Rist, Video for Miklos Rozsa’s ‘Andante for Strings, Op. 22a’, 2015, Standbild Courtesy the artist, Hauser & Wirth and Luhring Augustine


Foto: Jeff Rabillon


Wiederaufnahme 43

Le Comte Ory Gioachino Rossinis Le Comte Ory ist ein Meisterwerk der musikalischen Komik. Im Zentrum der Geschichte steht der liebestolle Graf Ory, der sich die kriegs­ bedingte Abwesenheit vieler Ehemänner im Land zunutze macht, um sich an die Frauen heranzumachen, welche ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben. Höchst vergnüglich ist die Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier, die die mittelalterliche Handlung ins ­lustfeindliche Ambiente eines fran­zö­si­ schen Dorfes in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts verlegt haben. An­­ geführt von dem jungen Tenor Edgardo Rocha (siehe auch «Meine Rolle» auf S. 44) und Cecilia Bartoli, die als sit­ten­ strenge Comtesse Adèle in einer ihrer Parade­rollen agiert, vereint die ge­feierte Inszenierung erfah­re­ne Rossini-­ Sänger. Erstmals arbeitet der Dirigent Jean-­Christophe Spinosi in dieser Wieder­aufnahme mit unserem Orchestra La Scintilla zusammen. Wiederaufnahme 6 März 2016 Weitere Vorstellungen 9, 12, 17, 19 März 2016


44 Meine Rolle

Ein sympathischer Wüstling

Der junge Tenor Edgardo Rocha hat schon einige Rossini-Rollen am Opernhaus gesungen, zuletzt war er in «Il viaggio a Reims» als Belfiore zu er­leben. Nun debütiert er als Comte Ory an der Seite von Cecilia Bartoli (Comtesse Adèle) und Rebecca Olvera (Isolier).

Den Comte Ory singe ich zum ersten Mal, und es ist eine absolute Traumrolle! Endlich ist einmal ein Buffotenor der Protagonist in einer Rossini-Oper, denn normalerweise stehen bei Rossini sonst immer die Frauen oder der Bariton im Mittelpunkt des Geschehens. Der Ory gehört zu den schwierigsten und technisch anspruchvollsten Rollen überhaupt. Es gibt immer wieder grosse Intervallsprünge und viele hohe Töne in dieser Partie. Rossini wollte damit sicher auch das Temperament dieses spritzigen, jovialen Charakters zum Ausdruck bringen, der mit seinen hohen Tönen alle zu be­ ein­drucken versucht. Ory ist ein grosser Verführer. Ihm geht es aber nur um das Ver­ gnü­gen, um den Akt des Eroberns, nie um wirkliche Liebe. Er ist ein Draufgänger und noch sehr jung – ich empfinde ihn zum Beispiel viel jünger als Almaviva aus dem Barbiere di Siviglia. Alle im Ort kennen Ory und seinen Ruf als Frauenheld. So muss er sich immer wieder verkleiden, alle täuschen und belügen, um an sein Ziel zu kommen. Zunächst erleben wir ihn als alten Eremiten, der sich auch als Wunderheiler und Seelenarzt ausgibt. Als ihn Comtesse Adèle aufsucht, um sich in Liebesdingen beraten zu lassen, fängt Ory sofort Feuer. Adèle ist eine Frau, die durch ihren sozialen Status ein begehrtes Objekt für Ory ist. Sie ist umso spannender für Ory, als er weiss, dass auch sein Page Isolier ein Auge auf Adèle geworfen hat. Das stachelt seine Eroberungslust zusätzlich an. Als Adèle Ory anvertraut, dass sie Isolier liebt, nutzt Ory die Situation gnadenlos aus und eröffnet ihr, dass dieser Isolier ein Abgesandter des Wüstlings Ory sei. Es gelingt ihm, dass Adèle – enttäuscht von Isoliers vermeintlich doppeltem Spiel – nichts mehr von Isolier wissen möchte. Die Idee, sich als Nonne verkleidet Zugang zu Adèles Schloss zu verschaffen, stammt ursprünglich von Isolier, und Ory macht sie sich zu eigen. Gemeinsam mit sei­nen Kumpanen, die sich als fromme Pilgerinnen ausgeben, versucht Ory als «Schwester Colette» das Vertrauen Adèles zu gewinnen. Seine Eroberungskünste kulminieren schliesslich im traumhaft schönen Terzett des zweiten Aktes. «Schwester Colette» versucht zu Adèle ins Bett zu steigen, aber Adèle und Isolier haben das Spiel inzwischen durchschaut. Sie drehen den Spiess um – ganz wie bei Mozarts Figaro: Isolier gibt sich unter dem Deckmantel der Nacht als Comtesse aus. Als Ory erfährt, wen er da gerade erobern wollte, muss er sich geschlagen geben. Im Grunde ist Ory die ganze Zeit über ein Loser, er erreicht seine Ziele nie. Wie ein unbeholfener Don Giovanni. Man darf jedoch vermuten, dass Ory auch nach dem Ende der Oper das Gleiche nochmals tun wird. Ein Wiederholungstäter eben! Es ist eine wunderbare Geschichte voller Situationskomik und eine grossartige szenische Umsetzung durch Moshe Leiser und Patrice Caurier. Ich habe diese Inszenierung 2011 sogar zweimal gesehen, während ich in Zürich in Rossinis Otello gesun­ gen habe. Ich freue mich wirklich sehr, in diese Wiederaufnahme einzusteigen. Aber es ist auch eine grosse Herausforderung, in die Fussstapfen von Javier Camarena zu treten, der die Premierenserie damals gesungen hat. Die Anlage der Rolle ist sehr auf Javier zugeschnitten, weshalb ich die eine oder andere Facette wohl auch auf meine Art werde machen müssen. Aber vielleicht sehen das Moshe Leiser und Patrice Caurier anders. Ich sollte ihnen einmal eine E-Mail schreiben... Edgardo Rocha

Illustration: Lina Müller

Der Uruguayaner Edgardo Rocha über den Verführer Ory



46 Fragebogen

Cornelius Meister Was fällt Ihnen auf, wenn Sie in Zürich ankommen? Ich liebe die Sprache, überzeuge mich sobald wie möglich von der Wasser­ temperatur im See und freue mich im Opernhaus darauf, ausser meiner eigenen Produktion viele andere Proben und Aufführungen zu besuchen. Was würden Sie sofort verändern, wenn Sie König der Schweiz wären? Ich würde das Königtum wieder abschaffen. Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Gibt es das? Was wäre das grösste Unglück? Darüber müsste ich länger nachdenken. Aber dass wir Menschen die Erde einst zerstören könnten, scheint leider nicht ausgeschlossen. Welche musikalische Erfahrung hat Sie entscheidend geprägt? Mein Vater, der mich als Klavierprofes­ sor zwanzig Jahre lang unterrichtet hat. Was sind Ihre Lieblingsschriftsteller? Platon, Shakespeare, Ibsen, Urs Widmer, die Reihe «C.H.Beck Wissen»; aber auch in einer qualitätvollen Zeitung lese ich gern.

Cornelius Meister ist Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des ORF Radiosymphonieorchesters Wien. Am Opernhaus Zürich gab er sein Debüt in der letzten Spielzeit mit dem Dirigat von Mozarts «Zauberflöte». Nun kehrt er für die Wiederaufnahme von Bizets «Carmen» ans Pult der Philharmonia Zürich zurück.

Ihre Lieblingsfilme? Wenn überhaupt, mehr die Komödien als die tiefgründigen. Im Kino suche ich das, was manch andere Leute in der Oper suchen: einen netten, unbe­ schwerten Abend. Ihr liebstes Laster? Unmengen von kalter und heisser Trink­schokolade sind doch wohl kein Laster, oder?

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Auch wenn sie vielleicht nicht wirklich überflüssig sind: die bodentiefen Fenster. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren künstlerischen Partnern? 1. Dass sie in jeder Sekunde mitbe­ kommen, was die anderen Beteiligten gerade anbieten. 2. Dass sie über ihr Fachgebiet hinaus grosse Persönlichkeiten sind. 3. Dass sie stets sprühen voller Motiva­ tion und Lust. Welche menschlichen Schwächen entschuldigen Sie am ehesten? Unkonzentrierte Väter in den Wochen nach der Geburt. Aber generell: Wenn mich jemand aufrichtig um Ent­ schuldigung gebeten hat, habe ich sie ihm, so hoffe ich, noch nie verwehrt. In was verlieben Sie sich bei einem Menschen? Wer meine Frau kennt, weiss es. Worum geht es für Sie in Bizets Carmen? Um die Liebe und den Tod natürlich – wie in fast jeder guten Oper. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Ihr seid lustig: Da gibt es doch mindes­ tens hundert Gründe!


Kalendarium 47

Februar 2O16 17 Mi Lohengrin Konzertante Aufführung

19.00

Salvatore Sciarrino Studiobühne, CHF 50/35

18 Do Rigoletto

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Wahl-Abo, Preise E

19 Fr Restless

19.00

Choreografien von William Forsythe, Sol León /Paul Lightfoot, Douglas Lee und Filipe Portugal Ballett-Abo klein, Preise B

28 So Ballettgespräch 11.15

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Der fliegende Holländer

14.00

Oper von Richard Wagner Sonntag-Abo B, Preise E

Familien-Workshop

14.30 «Schwanensee»

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Schwanensee

20.00

Ballett von Marius Petipa und Lew Iwanow, Musik von Pjotr I. Tschaikowski, Rekonstruktion von Alexei Ratmansky Sonntag-Abo C, Preise D

2O Sa Führung durch das Opernhaus 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Der fliegende Holländer

19.00

Oper von Richard Wagner Misch-Abo A, Preise E

21 So Schwanensee

14.00

Ballett von Marius Petipa und Lew Iwanow, Musik von Pjotr I. Tschaikowski, Rekonstruktion von Alexei Ratmansky Ballett-Abo Gross, Preise D

März 2O16 Di King Arthur 1

19.00

Oper von Henry Purcell Premieren-Abo B, Preise E

So   Prokofjew / Rachmaninow

20.00

5. Philharmonisches Konzert Gianandrea Noseda, Dirigent, Jean-Efflam Bavouzet, Klavier, Philharmonia Zürich, Konzert-Abo, Preise P1

24 Mi Liederabend Michael Volle

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Franz Schubert: Winterreise D 911 Lieder-Abo, CHF 60

Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com

25 Do Der fliegende Holländer

20.00

Oper von Richard Wagner Preise H AMAG-Volksvorstellung

26 Fr Schwanensee

19.00

Ballett von Marius Petipa und Lew Iwanow, Musik von Pjotr I. Tschaikowski, Rekonstruktion von Alexei Ratmansky Freitag-Abo A, Preise D

14.00

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familien-Workshop 14.30

«Schwanensee» Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

King Arthur Premiere

19.00

Oper von Henry Purcell Premieren-Abo A, Preise F

Belseta-Fuchs-Wendemantel

27 Sa Unterwegs mit Ohrwurm Squillo


48 Kalendarium Mi Schwanensee 2

19.00

Ballett von Marius Petipa und Lew Iwanow, Musik von Pjotr I. Tschaikowski, Rekonstruktion von Alexei Ratmansky Misch-Abo A, Preise D

Do 3  King Arthur

19.00

Oper von Henry Purcell Donnerstag-Abo B, Preise E

Sa 5  Opernball Zürich

14 Mo Lunchkonzert

12.00

«Händel / Bach» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

16 Mi King Arthur

19.00

Oper von Henry Purcell Mittwoch-Abo A, Preise E

17 Do Le Comte Ory

18.00 Spezialpreise

19.00

So 6  Le Comte Ory

18 Fr King Arthur

19.00

Wiederaufnahme Oper von Gioachino Rossini Misch-Abo C, Preise F

Mi 9  Le Comte Ory

19.00

Oper von Gioachino Rossini Mittwoch-Abo B, Preise F

Fr 11  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

King Arthur 19.00

Oper von Henry Purcell Freitag-Abo B, Preise E

19.00

Oper von Gioachino Rossini Donnerstag-Abo A, Preise F

Oper von Henry Purcell Wahl-Abo, Preise E

19 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballette entdecken

14.30 «Schwanensee»

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Geschichten erzählen

15.30

«Die Zauberflöte» Studiobühne, CHF 12/20

12 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshops 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung durch das Opernhaus 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Geschichten erzählen 15.30

«Die Zauberflöte» Studiobühne, CHF 12/20

Musik eröffnet Welten. Auch für behinderte Menschen.

Le Comte Ory

19.30

Oper von Gioachino Rossini Samstag-Abo, Preise F

13 So Brunchkonzert

11.15

«Händel / Bach» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch Spiegelsaal, CHF 60

Das verzauberte Schwein

Geschichten erzählen

14.00

15.30

Kindermusical von Jonathan Dove Kindervorstellung, CHF 20–60

«Die Zauberflöte» Studiobühne, CHF 12/20

Woyzeck 19.30

Wiederaufnahme Ballett von Christian Spuck nach dem Dramenfragment von Georg Büchner Ballett-Abo Gross, Preise C

Dank Ihrer Spende ermöglicht die Stiftung Cerebral behinderten Menschen Musiktherapie. Unterstützen Sie das Musiktherapie-Projekt der Stiftung Cerebral für cerebral bewegungsbehinderte Menschen. Sie sind auf Hilfe angewiesen: Auf jede Spende, auf alle, die mit einem Legat über ihr Leben hinaus Gutes tun wollen, und auf Unternehmen, welche einzelne Projekte finanzieren. Die Stiftung Cerebral unterstützt Betroffene und ihre Familien in der ganzen Schweiz.

Helfen verbindet

Schweizerische Stiftung für das cerebral gelähmte Kind Erlachstrasse 14, 3001 Bern, Tel. 031 308 15 15, Postkonto 80-48-4, www.cerebral.ch


Kalendarium 49

19 Sa Le Comte Ory 19.00

Oper von Gioachino Rossini Belcanto-Abo, Preise F

31 Do Carmen

19.30

Oper von Georges Bizet französische Oper Abo, Preise E

2O So Einführungsmatinee

11.15

Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von «Macbeth» Bernhard Theater, CHF 10

King Arthur

14.00

Oper von Henry Purcell Sonntag-Abo A, Preise E

Geschichten erzählen 15.30

«Die Zauberflöte» Studiobühne, CHF 12/20

Restless

20.30

Choreografien von William Forsythe, Sol León/Paul Lightfoot, Douglas Lee und Filipe Portugal Preise H AMAG-Volksvorstellung

21 Mo 2. La Scintilla-Konzert 19.00

Werke von Johann Sebastian Bach Laurence Cummings, Dirigent Scintilla-Abo, Preise H

24 Do Woyzeck

20.00

Ballett von Christian Spuck nach dem Dramenfragment von Georg Büchner, Preise H AMAG-Volksvorstellung

26 Sa Carmen

19.00 Wiederaufnahme

Oper von Georges Bizet Preise H AMAG-Volksvorstellung

28 Mo Schwanensee

14.00 Ballett von Marius Petipa und Lew Iwanow,

Musik vosaikowski, Rekonstruktion von Alexei Ratmansky Preise D

King Arthur

20.00

Oper von Henry Purcell Preise H AMAG-Volksvorstellung

29 Di Restless 19.00

Choreografien von William Forsythe, Sol León/Paul Lightfoot, Douglas Lee und Filipe Portugal, Dienstag-Abo C, Preise B

3O  Mi Führung Werkstätten 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Liederabend Krassimira Stoyanova

19.00

Ludmil Angelov, Klavier Lieder-Abo, Preise A

April 2O16 Fr Führung Kostümabteilung 1

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Führung Bühnentechnik

King Arthur

16.00

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Henry Purcell Freitag-Abo A, Preise E

Sa 2  Das verzauberte Schwein

10.30

Kindermusical von Jonathan Dove Kindervorstellung, Preise K

Führung durch das Opernhaus

Familien-Workshop

14.00

14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

«Die Zauberflöte» Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Führung Maskenbildnerei

Carmen

15.30

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Georges Bizet Preise E

So Brunchkonzert 3

11.15

Britten / Korngold Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch Spiegelsaal, CHF 60

Familien-Workshop

14.30

«Die Zauberflöte» Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Macbeth Premiere

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Premièren-Abo A, Preise F

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag

Die Werkeinführung findet jeweils 45 min. vor der Vorstellung statt.


50 Serviceteil

Billettkasse

Billettpreise und Platzkategorien

Öffnungszeiten: Mo–Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1,5 Stunden vor Vorstellungsbeginn resp. 1 Stunde bei kleinen Produktionen. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.30 – 18.00 Uhr / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

1

2

3

Preisstufe A

92

76

65

43

16

AMAG-Volksvorstellungen

Preisstufe B

141

126

113

56

20

Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-­ Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feier­tag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person.

Preisstufe C

169

152

130

56

20

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

230

192

168

95

35

Preisstufe F

270

216

184

98

38

Preisstufe G

320

250

220

98

38

Preisstufe H

75

59

44

25

15

Kinderoper K

60

50

40

30

20

Preisstufe P1

95

80

65

50

35

Legi (Preisstufen A-K + P1)

35

25

20

18

13

Legi (Preisstufen D-F)

45

33

25

20

15

Opernhaus-Tag  Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50 % Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

Alle Preise in CHF

Club Jung Stark vergünstigte Tickets, Probenbesuche, interessante Einblicke hinter die Kulissen und mit Gleichgesinnten die neuesten Opern- und Ballettproduktionen besuchen: All das und mehr bietet der Club Jung für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und unverbindlich (einmalige Aufnahmegebühr von CHF 20). Club Jung-Mitglieder erhalten Last-Minute-Karten ab 30 Minuten vor der Vorstellung für CHF 15. Auch stehen ihnen bereits im Vor­ verkauf Karten zum Preis von CHF 15 für ausgewählte Vorstellungen zur Verfügung. Spezielle Veranstaltungen wie Probenbesuche oder Workshops geben einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen und sind für Clubmitglieder kostenlos. Der Club Jung-Newsletter informiert regelmässig über die aktuellen Angebote und Aktionen. Details zur Mitgliedschaft im Club Jung und zum aktuellen Programm finden Sie auf www.opernhaus.ch/clubjung.

Ermässigungen  Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

MAG Abonnieren  MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Oscar® 2016 NomiNatioN

Bester fremdsprachiger Film

SON of saul EIN fIlm VON láSzló NEmES

Ab 17. März iM Kino

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Serviceteil 51

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki

Partner

ab

Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Stefan Deuber Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Nathalie Maier Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Laura Jurt Lina Müller

Produktionssponsoren

Notenstein La Roche Privatbank AG

Evelyn und Herbert Axelrod

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

Freunde der Oper Zürich

Else von Sick Stiftung

Walter Haefner Stiftung

Swiss Casinos Zürich AG

Swiss Re Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Förderer Confiserie Teuscher

Projektsponsoren

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

AMAG Automobil- und Motoren AG

Garmin Switzerland

Baugarten Stiftung

Horego AG

Familie Christa und Rudi Bindella

Istituto Italiano di Cultura Zurigo

René und Susanne Braginsky-Stiftung

Sir Peter Jonas

Clariant Foundation

Luzius R. Sprüngli

Freunde des Balletts Zürich

Elisabeth Stüdli Stiftung

Max Kohler Stiftung

Zürcher Theaterverein

Ringier AG Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Swiss Life Zürcher Festspielstiftung Zürcher Kantonalbank Gönner Abegg Holding AG Accenture AG Josef Ackermann Alfons’ Blumenmarkt Allreal Ars Rhenia Stiftung ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Ernst Göhner Stiftung Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Landis & Gyr Stiftung Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Mercator Schweiz Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG


Sibylle Berg denkt über Operngefühle nach

Sehen hilft nichts In Henry Purcells Semi-Opera King Arthur ist Emmeline eine weibliche Hauptfigur, deretwegen der britische König Arthur und der Sachsenkönig Oswald Krieg gegeneinander führen. Emmeline sieht den Krieg nicht, denn sie ist blind. Mal ganz allgemein gefragt: Ist das Verschliessen der Augen eine Lösung? Was nützt denn das Sehen? Das kurzfristige Begreifen eines bakteriell winzigen Teils von dem, was die Welt im Innersten zusammenhält? Was nützt die unglaublich «tiefe» Suche im Internet, die Jagd auf Neues, Erklärendes? Die Verspannung im Körper, die zunimmt, je mehr man weiss und erfährt, endet doch in der Erkenntnis: Wir wissen alle nichts! Manche wissen in ihrem Spezialgebiet sehr viel, aber es gelingt nicht, aus dem Zusammenschluss des vielen Wissens Lösungen zu finden. Vielleicht sind die Probleme der Welt unlösbar geworden. Vielleicht kommt es einem nur so vor, weil es zu viel zu wissen gäbe, das wir nicht verstehen, was keiner versteht. Es ist wie Schwarze-Löcher-Begreifen, eine abstrakte Sache, und die eventuellen Lösungen klam­mern immer den Störfaktor Mensch aus. In angenehmen Zeiten, früher, vor der Globalisierung, vor dem Internet, konnte jeder sich um sich selber drehen. Die Länder hatten Zäune und Schlagbäume, kleine Zellen wirtschafteten scheinbar unbehelligt von dem Rest der Erde vor sich hin. Man grüsste die Apothekerin und die Ärztin auf der Strasse und spielte Boule auf dem Dorfplatz. Das Klima war eine Laune des Himmels, es war die Gnade des Unwissens. Und die gibt es nicht mehr. Jeder weiss. Von abstrusen Zusammenhängen, von Kolo­ nialschuld und Klimawandel, von Rohstoffpreisen und seltenen Erden. Das Natel, das wir wegwerfen, wird irgendwo in Afrika verschrottet. Die seltenen Erden werden von Kindern ausgegraben, die irgendwann aus ihrer Heimat fliehen, weil es dort keine Zu­kunft für sie gibt. Es hängt alles zusammen, es überfordert den Verstand. Das Sehen hilft nichts, denn kaum einer kann begreifen. Es ist wie mit dem Universum, der kleine Ausschnitt Himmel da oben, sehr nett, sehr romantisch, man kann neue Sterne entdecken. Doch wer kann sich Unendlichkeit vorstellen? Je mehr ich vermeintlich erfahre, um so klarer wird mir meine Ohnmacht. Die Begrenztheit meines Verstandes, die zur Gewissheit und zur Versteinerung führt. Sitzen und warten, dass der Tod eintritt, sitzen und gelähmt sein vor Angst wie viele. Immer noch besser als halbwissend krakeelend um die Häuser zu ziehen, aus lauter Überforderung und die Welt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu brechen: Ich bin hilflos. Die anderen sind schuld. Ich will die grünen Wiesen zurück. Ich entwickle entweder Verschwörungsthe­ orien (Der Donnergott oder die Chemtrails sind schuld) oder wähle die SVP, deren Botschaften ich scheinbar begreife. Die andere Variante, dem Unausweichlichen zu begegnen, vom dem ich nicht weiss, wann es eintreten und wie es aussehen und sich anfühlen wird, ist, die Augen zu schliessen, die Ohren mit Musik zu verstopfen oder mit Vogelgesang, sofern der noch geliefert wird, die Nachbarn zu betrachten, Gedichte zu schreiben, einfach weiter zu machen und den Tunnelblick einzuschalten. Leise murmeln: Es hat sich alles immer verändert. Alles ist Kommen und Gehen und Hoffen, dass die Welt noch für die Dauer meines Besuches erträglich bleibt. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit, sie hat mit Revolution und Weltherrschaft zu tun, und endet recht wahrscheinlich in einer Abteilung der Psychiatrie. Sibylle Berg

Illustration: Laura Jurt

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François Berthoud – Opéra 18.3. – 29.5.2016 Das Museum für Gestaltung zeigt in der Eingangshalle des Toni-Areals die ersten 48 Plakate, die François Berthoud für das Opernhaus Zürich geschaffen hat.


Ihre

Leidenschaft

Unsere

Unterstützung

Inspiration für alle

Opernhaus Zürich und Swiss Re – eine inspirierende Partnerschaft. Ideen, Innovation, Inspiration – bewegen uns bei Swiss Re. Die Zusammenarbeit mit Menschen auf der ganzen Welt begeistert uns. Denn gemeinsam entdecken wir immer wieder neue Perspektiven und spannende Horizonte. Darum fördern wir auch kreatives Engagement und kompetente Leidenschaft – und die lebendige Kulturszene in Zürich. Sie regt an, sie berührt, sie lässt uns staunen und nachdenken. Und Gedanken austauschen, denn: Together we’re smarter. swissre.com/sponsoring


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