MAG 75: Iphigénie en Tauride

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MAG 75

StĂŠphane Degout singt Orest


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Editorial

Ein starkes Stück Verehrtes Publikum,

MAG 75 / Jan 2020 Das Titelbild zeigt Stéphane Degout, den Orest unserer Neuproduktion. Lesen Sie ein Porträt über ihn auf Seite 25. (Foto Florian Kalotay)

es gibt viele Gründe, warum Sie unsere Neuproduktion von Christoph Willibald Glucks Oper Iphigénie en Tauride nicht verpassen sollten. Da ist natürlich Cecilia Bartoli, die sich hier mit einer ganz besonderen Partie im französischen Repertoire präsentiert. Da ist die Inszenierung von Andreas Homoki, die gerade in einem faszi­ nierend schlichten wie theatralisch wirkungsvollen Bühnenraum von Michael Levine entsteht. Da sind Stéphane Degout und Frédéric Antoun als ausdrucksstarke Gesangs­ partner an der Seite von Cecilia Bartoli und der überaus empfindsame Dirigent Gian­ luca Capuano, der das Orchestra La Scintilla und den Chor des Opernhauses Zürich leitet. Aber es gibt noch etwas, das alleine den Besuch lohnt: Das ist das Stück selbst! Glucks Iphigénie en Tauride ist ein Meisterwerk, berührend in seiner schlichten Emo­ tionalität, tiefgründig in den mythologischen Konflikten, die es thematisiert. Und als formvollendeter kompositorischer Höhepunkt im Schaffen des Opernreformers Gluck bildet es stilistisch ein Kraftzentrum von ausserordentlicher Bedeutung für die Ge­ schich­te der Oper. Vielfältige Entwicklungslinien der Operndramatik laufen in der 1779 uraufgeführten Iphigénie en Tauride zusammen und führen folgenreich von ihr weg. Gluck hat das Formschema von Rezitativ und Arie aufgelöst, das bis dahin die Werkstruktur prägte. Sein Weg führt weg von der Ausdrucksverdichtung der DaCapo­-Arien, hin zu einem kontinuierlichen dramatischen Sog in fliessendem Legato. Er integriert den Chor als neues starkes Ausdrucksmittel der Oper in die Handlung und gebietet dem barocken Sängerstarkult Einhalt, indem er die Musik ganz in den Dienst des Dramas stellt. Glucks Opern, und insbesondere Iphigénie en Tauride, üben, bis weit ins 19. Jahr­hundert, eine grosse Faszinationskraft auf nachfolgende Komponistengeneratio­ nen aus. Mozart schätzte Gluck sehr, sein Idomeneo wäre ohne dessen Einfluss nicht denkbar. Hector Berlioz hat seine Fantasie nicht zuletzt an Gluck entzündet, und auch Richard Wagner sah in Gluck einen entscheidenden Erneuerer, dessen Reform­ ideen freilich seiner Meinung nach erst in seinen, Wagners Werken zur Vollendung fanden. Das Einnehmende an Iphigénie en Tauride ist, dass es kein Stück für das musik­ wissenschaftliche Seminar ist, sondern seine Besonderheit in jeder Phrase sinnlich mit­teilt. Die Verschmelzung von verlangsamtem Handlungsfluss und tastender Seelen­ erkundung übt einen grossen Sog aus. Traumversunken, wie in einer anderen Welt, erscheinen die Figuren. Was sie tatsächlich auch immer wieder sind: Iphigénie träumt den grauenvollen Untergang ihrer Familie, Orest wird im Schlaf von den Rachefurien bedrängt. In seiner berühmten Arie im zweiten Akt legt sich Orest schlafen und singt, dass der Frieden nun in sein Herz zurückgekehrt sei, aber im Orchester vernehmen wir ein unnachgiebig bohrendes Motiv der Unruhe, das einfach nicht aufhört. Auch da schafft Gluck Neues: Das Orchester emanzipiert sich von Text und Stimme und kommentiert, statt zu begleiten. Man kann seitenlang über diese Oper schreiben. Man kann sie aber auch einfach erleben. Am 2. Februar hat sie am Opernhaus Zürich Premiere. Claus Spahn

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TONHALLE MAAG, ZÜRICH

Mittwoch, 4. März 2020 19.30 Uhr Tonhalle-Orchester Zürich Kristiina Poska Leitung Julia Hagen Violoncello Aimi Kobayashi Klavier Pjotr Tschaikowsky «Rokoko-Variationen» op. 33 Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 «Aus der Neuen Welt»

Vorverkauf

Veranstalter

Billettkasse Tonhalle Maag

Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten www.orpheum.ch

Telefon 044 206 34 34 www.tonhalle-maag.ch

In Zusammenarbeit mit der


Inhalt

10 Wovon erzählt der Fluch des Atridengeschlechts? Ein Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen. 16 Andreas Homoki über seine Inszenierung von Christoph Willibald Glucks Oper «Iphigénie en Tauride». 22 Von aufgewühlt bis zärtlich – Cecilia Bartoli und die extremen Emotionen der Iphigénie. 32 Groteskes Puppenspiel – Alban Bergs «Wozzeck» kehrt in den Spielplan zurück.

Opernhaus aktuell – 6,  Drei Fragen an Andreas Homoki – 7, Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9,  Volker Hagedorn trifft … – 28,  Die geniale Stelle – 31,  Meine Rolle – 36,  Der Fragebogen – 40,  Kalendarium – 41,  Beni Bischof erklärt … – 44

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So geht das aber nicht! Organisation ist alles an einem Opernhaus. Jeder Handgriff muss sitzen, jedes Ding an seinem Platz liegen, damit der Laden läuft. Aber manchmal ist das Perfekte nicht perfekt genug. Dann wird bei der Ordnung nachgebessert auf Zetteln, Schildern, Plakaten. Unsere Fotografin Danielle Liniger ist bei einem Rundgang durch das Theater auf interessante Fundstßcke gestossen. Ist das noch Ablaufoptimierung oder schon Schweizer Ordnungswahn?


Opernhaus aktuell

Liederabend

Benjamin Bernheim In Zürich hat alles angefangen! Der Weg des französischen Tenors Benjamin Bernheim führte vom Internationalen Opernstudio direkt ins Ensemble des Operhauses Zürich, dem er bis 2015 angehörte. Für die Chicago Tribune ist er heute «der grosse lyrische Tenor, auf den die Opernwelt schon lange gewartet hat», und inzwischen wird er auf den grossen Bühnen der Welt gefeiert. Gerade erst hat er sein Rollendebüt als Duca di Mantova in Verdis Rigoletto an der Bayerischen Staatsoper gegeben. In den kommenden Monaten ist er u.a. als Chevalier Des Grieux (Manon) an der Opéra Bastille in Paris, als Alfredo (La traviata) an der Wiener Staatsoper und als Rodolfo (La bohème), ebenfalls in Paris, zu erleben. Für seinen ersten Zürcher Liederabend hat Benjamin Bernheim ein klug ausgewähltes, anspruchsvolles Programm vorbereitet. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht – neben Liedern von Clara Schumann – Hector Berlioz’ Liederzyklus Les Nuits d’été auf Texte von Théophile Gautier, der nur selten von Männerstimmen zu hören ist. Thematisch geht es in den romantischen Gedichten um die Liebe: vom fröhlichverspielten Beginn und ihrer schwärmerisch-leidenschaftlichen Intimität über den Tod der Geliebten, die darauf folgende lang anhaltende Trauer bis hin zur Bereitschaft, sich auf eine neue Liebe einzulassen. Im zweiten Teil des Abends verbinden Benjamin Bernheim und seine Pianistin Carrie-Ann Matheson dann berühmte Lieder von Richard Strauss mit weniger bekannten Preziosen des Franzosen Henri Duparc sowie der englischen Komponisten Ralph Vaughan Williams, Benjamin Britten und Frank Bridge. Montag, 10. Feb 2020, 19 Uhr, Hauptbühne

4. Philharmonisches Konzert

Fabio Luisi und Beatrice Rana

Generalmusikdirektor Fabio Luisi und die Pianistin Beatrice Rana setzen ihre erfolgreiche Zusammenarbeit im Februar mit einem weiteren Klavier­ konzert des diesjährigen Jubilars Ludwig van Beethoven fort. Dessen Viertes Klavierkonzert G-Dur gehört zu den Höhepunkten der Gattung. Entstanden 1805 und damit zeitgleich zu Beet­ hovens Fünfter und Sechster Sinfonie,

ist das Klavierkonzert ganz vom sinfoni­ schen Gestus durchdrungen. Die All­ gemeine Musikalische Zeitung in Leip­zig befand, es sei das «wunderbarste, ei­gen­ tüm­lichste und schwierigs­te» von allen Klavier­konzerten Beet­hovens. Nach der Pause stehen zwei Haupt­werke des 20. Jahrhunderts auf dem Programm. Claude Debussy begann sein beliebtes Orchester ­werk La Mer (1905) nicht etwa in unmittelbarer Nähe zum Meer, sondern zwischen Weinbergen im Burgund, doch arbeitete er «mit un­zäh­ ligen Erinnerungen» an das Wasser. La Mer ist weit entfernt von Programm­ musik, sondern ist eine Ode an die Natur – der Mensch scheint darin nicht vorzukommen. Gezackte, glatte, ge­ kräuselte Wellenformen erklingen, eine Welle, die gerade noch aufschäumt, verebbt im nächsten Moment. Debussys

Wellen füh­ren uns dann in ein weiteres Wiegen und Wogen, nämlich in das Auf und Ab des Walzers: La Valse von Maurice Ravel aus dem Jahr 1919, das ein Auf­trags­werk von Sergei Diaghilew war, dem Direktor der Pariser «Ballets russes». «Wien und seine Walzer» sollte das Thema sein, doch Ravel, der noch ganz unter dem Eindruck des 1. Welt­ krie­ges litt, beschreibt keine ungetrüb­te Walzer­welt, sondern lässt den Drei­vier­ tel­­takt immer wieder diabolisch aus dem Tritt geraten, verzerrt ihn fratzenhaft, bis am Ende alles aus den Fugen gerät. Sonntag, 23 Feb 2020, 11.15 Uhr, Hauptbühne

Ballett Zürich

Ballettgespräch Spannende Gäste werden im zweiten Ballettgespräch dieser Spielzeit er­ wartet. Giulia Tonelli, Erste Solistin des Balletts Zürich, erzählt, wie sich Tanz­ karriere und Mutter-Sein miteinander vereinbaren lassen. Chef­masken­bildner Wolfgang Witt erklärt, worauf es bei Frisuren im Tanz ankommt. Ausserdem sprechen Dramaturg Michael Küster und Ballettdirektor Christian Spuck mit Jan Casier, der in der jüngsten Kritiker­ umfrage der Fachzeitschrift tanz zum «Tänzer des Jahres» gekürt wurde. Sonntag, 2 Feb 2020, 11.15 Uhr, Ballettsaal A

Opernhaus Jung

Honk Honk, ein Schwan vom Zürichsee, schummelt sich ins Opernhaus und mischt sich unter die Balletttänzerinnen aus Tschaikowskis Schwanensee. Ob das gut geht? In unserem Format «Märchen auf dem Klangteppich» wird Honks Geschichte von einem Schauspie­ler und einer Tänzerin des Balletts Zürich erzählt und mit Ballettmusik umrahmt. 8, 9 Feb 2020, jeweils 15.30 Uhr Ballettsaal A

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Gut ausbalanciert Herr Homoki, im Geschäftsbericht legt das Opernhaus jährlich seine wirtschaftliche Bilanz offen. Für die vergangene Saison 2018/19 ist dieser Bericht nun veröffentlicht. Wie steht das Opernhaus Zürich da? Unsere Bilanz ist auch für diese Spielzeit wieder sehr gut ausgefallen. Wir konnten die hohe Auslastung, die in der Saison davor einen kräftigen Sprung nach oben gemacht hatte, bestä­ tigen. Jetzt haben wir 90,2 Prozent­ punkte gegenüber 90,0 im Jahr zuvor. Die Zahl bezieht sich auf unsere Vorstellungen auf der Hauptbühne. Das ist schon ein sehr hoher Wert, wenn man bedenkt, wie viel wir spielen, und welche Preis­struktur wir haben. Ich finde, darauf darf das Haus durchaus ein bisschen stolz sein. Die Auslastung zeigt, dass die Menschen zu uns ins Opern­ haus kommen und unsere künstlerische Arbeit annehmen. Im Ballett war praktisch wieder jede Vorstellung aus­ verkauft, egal ob wir Nussknacker oder einen an­spruchs­vollen mehrteiligen Abend gespielt haben. Aber auch die Oper hat auf hohem Niveau noch einmal zu­gelegt. Hier sind wir jetzt bei einer Platzbelegung von 88,9 Prozent an­ gekommen. Das spornt uns natürlich an, den eingeschlagenen künstlerischen Weg konsequent und mit Leidenschaft weiter zu gehen. Was sind die Gründe für diesen Erfolg? Ich glaube, dass es die Summe von ganz vielen Aspekten ist, die wir bei der Spiel­plangestaltung im Blick haben und über die Jahre hinweg immer diffe­ren­ zier­ter ausbalancieren: Die Vielfalt bei der Auswahl unserer Stücktitel; die stilistische Bandbreite der Inszenierungsund Choreografieästhetiken, die wir zur Diskussion stellen; die Qualität der Künstler, die auf der Bühne stehen; die Seriosität der von mir sehr sorgsam ausgewählten Regisseurinnen und Regisseure; die Tatsache, dass jede ein­

zelne Repertoirevorstellung unseren hohen szenischen und musikalischen Qualitätsansprüchen genügen muss und deshalb nur nach intensiver szenischer wie musikalischer Probenarbeit auf die Bühne darf. Wenn man das alles über viele Spielzeiten mit Nachdruck ver­ folgt, stellt sich ein Grundvertrauen des Publikums ein, das wir hier in Zürich stark spüren und das uns auch in einer Besucherumfrage, die wir kürzlich durch­geführt haben, eindrucksvoll be­ stätigt wurde: 88 Prozent der Besu­che­ rin­nen und Besucher sind mit dem Opernhaus zufrieden. Das ist ein sehr hoher Wert. Wir haben allerdings dabei den grossen Vorteil, dass unser Haus so produktiv ist, dass wir mit zwölf Premieren so viele Neuproduktionen herausbringen wie nur ganz wenige an­ dere Häuser weltweit. Das eröffnet uns künstlerische Spielräume, denn wir müssen weniger streng entscheiden, ob wir in einer Saison lieber einen Titel aus dem Kernrepertoire des 19. Jahr­ hunderts spielen, eine Barockoper aus­ graben oder ein anspruchsvolles zeit­ge­ nössi­sches Musiktheaterprojekt reali­ sieren – wir können das alles machen. Wer den Geschäftsbericht genau liest, wird sich über eine Zahl wundern: Das Opernhaus weist in 2018/19 einen Gewinn von über 46 Millionen Franken aus. Wie kommt das? Das ist natürlich zu schön, um wahr zu sein. Die Zahl hat damit zu tun, dass der Kanton uns angehalten hat, die Rechnungslegung umzustellen. Nach der neuen Rechnungslegung fliesst erstmals eine Bewertung unserer Immo­ bilien in die Bilanz ein, auch alle stillen Reserven mussten aufgelöst werden. Dies hat zu diesem einmaligen, ausser­ ordentlichen Gewinn geführt, der je­ doch nur eine Zahl für die Buchhaltung ist. Das Opernhaus wird sein Theater natürlich nie verkaufen und somit diesen Gewinn auch nie realisieren.

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IM UMGEBAUTEN RIFFRAFF

NEUGASSE 57 / 63, 8005 ZÜRICH

MEHR PLATZ FÜR DEINE BEINE


Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Besser aussehen mit Glatze Unser Don Pasquale hat eine wunderschöne Glatze. Der Bariton Johannes Martin Kränzle sieht in den Vorstellungen so gut darin aus, dass sich bestimmt alle Herren im Publikum insgeheim auch so eine Glatze wünschen. Deshalb verrate ich hier das Rezept unseres Leiters der Maskenbildnerei, Wolfgang Witt. Sie brauchen Folgendes: 1 offenes Fenster, 1 Porzellankopf, 1 Topf «Glatzan», 1 Töpfchen Glatzentrennpuder, 2 kleine Töpfchen Wasserschminke blau und rot, 2 Naturschwämme, 1 Puderquaste, 1 Glatzenauftrags­pinsel, 1 Tube Mastix, ausserdem Schminke und etwas Alkohol. Vorbereitungszeit: ca. 16 Stunden. Montagezeit: 30 Minuten (wenn Wolfgang Witt die Glatze macht); bis zu 3 Stunden (wenn ich sie machen müsste). Sie stellen den Porzellankopf ans offene Fenster (Glatzan enthält Lösungsmittel) und tragen mit dem Glatzenauftragspinsel eine Schicht Glatzan auf den Porzellankopf auf. Dabei müssen Sie natürlich beachten, dass Sie die Glatze nicht über den Ohren und im Gesicht haben möchten – diesen Bereich sollten Sie frei lassen. Dann lassen Sie das Glatzan trocknen. Sie tupfen nun mit dem Schwamm die blaue Farbe unre­ gelmässig auf das Glatzan auf und lassen diese trocknen. Bitte einmal mit der Puder­ ­quas­te abpudern, bevor Sie die nächste Lage Glatzan auftragen. Nach dem Trocknen verfahren Sie mit der roten Farbe genau gleich, lassen diese trocknen und pudern wieder ab. Nun folgen zwei weitere Schichten Glatzan – wobei Sie nun an den Rän­ dern nur noch sehr wenig Glatzan auftragen, damit es später zwischen Ihrer Haut und der Glatze keine Kante gibt. Je nach Hauttyp können Sie auch mit Schminke den Farbton der Glatze noch stärker Ihrer Haut anpassen. Nachdem die Schichten (am Besten über Nacht) komplett getrocknet sind, pudern Sie diese sorgfältig ab und lösen die Glatze vorsichtig vom Porzellankopf. Wenn Sie alles richtig gemacht haben, sollte die Konsis­tenz ungefähr die einer Badekappe sein, und durch die Farbschichten sieht sie bereits wie Ihre Haut aus. Bevor Sie sich die Glatze aufsetzen, sollten Sie Ihre eigenen Haare (soweit vorhanden) möglichst gleichmässig auf dem Hinterkopf verteilen und feststecken – sonst haben Sie später eine recht unförmige Glatze. Nun ziehen Sie sich die Glatze wie eine Badekappe über. Die Glatze sollte über Ihren Haaransatz hinweggehen, damit Ihr Haar komplett abgedeckt ist. Nun kleben Sie einfach mit einem in Mastix getauchten feinen Pinsel die Glatzenränder rundum an Ihrer Haut fest und kaschieren den Ansatz nach Bedarf noch mit Schminke. Der grosse Vorteil einer Glatze ist natürlich, dass sie sich nicht ständig die Haare waschen und frisieren müssen – lediglich die Ränder der Glatze müssen Sie ab und zu wieder mit Mastix ankleben. Der Nachteil: Man schwitzt darunter. Sollten Sie kein Fenster haben oder die Herstellung misslingen, können Sie eine Glatze auch direkt im Internet für 20 Franken bestellen. Natürlich nicht so kunstvoll eingefärbt und auf Ihren Hauttyp angepasst. Kleben müssen Sie diese natürlich auch. Den Alkohol brauchen Sie übrigens, wenn Sie die Glatze ohne Schmerzen wie­ der ablegen möchten – der Mastixkleber lässt sich damit sehr gut entfernen. Die Glatze können Sie natürlich beliebig wiederverwenden oder auch verleihen.

Illustration: Anita Allemann

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Befreiung aus tödlichen Zwängen Christoph Willibald Glucks «Iphigénie en Tauride» hat am 2. Februar Premiere. Die Oper handelt von einem bekannten Mythos der Antike, dem Mordfluch des Atridengeschlechts. Wovon erzählt er und wie kann man ihn heute lesen? Ein Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen

Frau Bronfen, Glucks Oper Iphigénie en Tauride geht zurück auf ein Drama von Euripides, das wiederum eine Geschichte aus der griechischen Mytho­logie aufnimmt. Diese Geschichten wurden zunächst mündlich über­liefert und dann um 800 vor Christus erstmals von Homer aufgeschrieben. Lässt sich heute noch sagen, wo diese Geschichten ihren Ursprung hatten? Wurden sie mit einer bestimmten Intention erzählt? Um es mit dem Philosophen Hans Blumenberg zu sagen: Man erzählt sich Geschich­ ten, um die Furcht zu bannen. Die griechischen Mythen beziehen sich auf die Religion in der Antike, in der man sich Götter vorgestellt hat, die sehr viel menschli­ cher waren, als wir das aus der judäo-christlichen Religion kennen. Der Familien­streit der antiken Götter spiegelt den Streit der Menschen auf der Erde, die göttlichen Geschlechterverhältnisse spiegeln das Geschlechterverhältnis unter den Menschen, und das Verhältnis von Herrscher und Beherrschtem spiegelt eben diese Verhältnisse unter den Menschen. Wir sehen also in den mythischen Geschichten, wie über­ höhte Figuren das erfahren, was die Menschen in den Familien, in grösseren, die Gemeinschaft betreffenden Einheiten oder im Kampf zwischen Nationen durch­ leben. Die mythologischen Geschichten bieten im doppelten Sinn Lösungen, weil innerhalb des antiken Denkens die Idee des Schicksals ganz entscheidend ist – die Menschen sind nicht selbst verantwortlich für das, was sie tun. Sie können Ent­ scheidungen gar nicht selbst treffen, sondern müssen erst das Orakel befragen. Die Verantwortung wird also an eine höhere Instanz abgegeben. Zudem spielen die Mythen Probleme durch und zeigen häufig Lösungen, die es in der Realität nicht gibt, eben durch das Eingreifen der Götter. Das ist übrigens auch die Analogie, die man zwischen den alten Mythen und unseren heutigen fiktionalen Erzählungen ziehen kann, sei es im Theater, im Kino oder eben in der Oper: Es wird an einem anderen Schauplatz ein Problem dargestellt... ...und wir als Publikum erkennen uns in diesem Problem wieder...


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...wissen dabei aber immer, dass es überhöhte Geschichten sind, die tragische oder positive Lösungen durchspielen – und nicht die Realität. In der heutigen Realität wäre es ja auch eher unwahrscheinlich, dass meine Tochter von meinem Mann geopfert wird, damit er in den Krieg ziehen kann, wie es in der Vorgeschichte von Iphigénie en Tauride geschieht. Da bin ich mir nicht so sicher! Ich schaue im Moment gerade die Fernsehserie Succession, darin geht es um den sehr mächtigen Besitzer eines Medienkonzerns und um die Frage, wer sein Nachfolger werden soll. Hier werden auch Kinder geopfert, indem das eine Kind gegenüber dem anderen bevorzugt wird, oder indem ein Kind gezwungen wird, den Konzern zu übernehmen, statt die eigenen Träume zu leben. Warum muss es denn innerhalb des Iphigenien-Mythos die Tochter sein, die geopfert wird und nicht der Sohn? Banal gesagt: Den Sohn opfert man besser nicht, denn den braucht man ja als Krieger an seiner Seite. Die Tochter kann man eher entbehren. Töchter sind in der Antike und bis weit ins 19., ja bis ins frühe 20. Jahrhundert Teil des Tausch­ materials zwischen Männern. Wenn Töchter gegen ihren Willen verheiratet werden, um ein Machtbündnis zwischen Männern zu festigen, ist das auch eine Opferung oder sogar eine Form von Tod. Bei Iphigenie ist es ein Tausch zwischen dem Vater und einer Gottheit, bei dem die Tochter statt ins Ehebett auf den Altar kommt. Die Tochter ist der Besitz des Vaters, über den er seine Macht etablieren kann. Geht es auch darum, die eigene Familie gegenüber der Gemeinschaft und dem grossen Ganzen zurückzustellen? Kulturgeschichtlich sind es die Frauen, also die Mütter und Gattinnen, die auf den partikularen Interessen beharren. Durch das Opfer beweist Agamemnon, dass er aus der Position des Vaters und Ehemanns in die Position des Generals über­getreten ist, und dieses Opfer hält das Heer zusammen. Denken wir an die Geschichte von Lucrezia, die vergewaltigt wird und dann Selbstmord begeht: Ihre Leiche wird benutzt, um die Männer zusammenzuschweissen, die später die römische Republik gründen. Über dem toten Frauenkörper kommen Männer zusammen, um eine von Tötungslust und Nationalismus geprägte Kampfeinheit zu bilden. Das hat eine lange Tradition. Agamemnon war bereit, die eigene Tochter zu opfern; wie kann Iphigenie mit diesem Trauma weiterleben? Iphigenie ist das Lieblingskind Agamemnons, seine älteste Tochter. Das ist also auch eine Liebes- und Vertrauensgeschichte. Gleichzeitig sieht sie, dass der Vater bereit ist, sie zu zerstören. Das bedeutet nicht nur eine Infragestellung des Ver­hältnisses der Tochter zum Vater, sondern auch einer jungen Frau zu einem älteren, von ihr geliebten Mann. Psychoanalytisch könnte man sagen, es geht hier – in sehr stark überhöhter Weise – um etwas, das alle Töchter erfahren müssen: Sie müssen sich von ihrem Vater, mit dem sie meist die wichtigere Beziehung haben als mit der Mutter, trennen. Man kann es also auch als eine notwendige Trennungs­ geschich­te verstehen. Die Tochter muss erkennen: Mein Vater ist nicht mein geliebtes Gegenstück, sondern er ist ein von mir abgetrenntes Wesen, das seine eigenen Interessen meinen Interessen gegenüber privilegiert. Das hat natürlich auch etwas mit dem Erwachsenwerden zu tun. Dann wäre also die Opferung der Iphigenie durch ihren Vater ein Bild für einen natürlichen Vorgang und gar nicht so grausam, wie sie auf den ersten Blick erscheint? Oder ist dieser «natürliche» Vorgang umgekehrt im Grunde ein sehr grausamer?

Unsere Illustration auf der Seite 10/11 zeigt Iphigenie in dem Moment, in dem sie Orest opfern will und ihn als ihren Bruder er­ kennt. Im Hintergrund drohen die schreck­ lichen Eumeniden, die den Muttermörder Orest verfolgen. Der international bekannte Graphic-Novel-­Künst­ ler Thomas Ott hat sie als subjektive Inter­­ pretation der Szene exklusiv für unser Magazin entworfen.


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«Die Göttin Diana erkennt in Iphigenie ein Modell weiblicher Konfliktlösung. Das würde ich potenziell feministisch nennen.»

Wenn man den Mythos als Familiengeschichte liest, wird deutlich, wie grausam dieser natürliche Vorgang ist. Diese Trennung kann von den Kindern durchaus als eine Form von Opferung verstanden werden. Denn sie begreifen, dass sie dem Vater nicht absolut vertrauen können, nicht von ihm geschützt werden, Zutrauen und Liebe nicht mehr an ihm festmachen können. Erwachsenwerden heisst, zu verstehen: Der Vater ist kein Übermensch, der Vater ist sowohl gut als auch böse, er wird mich nie schützen können. Tod und Opferung sind in der Mythologie Chiffren. Man darf das nicht immer wörtlich nehmen und muss es übersetzen: Es geht um Begeisterung, Hingabe, Abtrennung, Lust. Diese Geschichten lassen sich sehr zeitgenössisch lesen. Glucks Iphigénie en Tauride hat Ereignisse zum Thema, die lange nach der Opferungsszene stattfinden, denn Iphigénie wurde auf dem Opferaltar im letzten Moment von der Göttin Diana gerettet und lebt nun seit 15 Jahren als Priesterin der Diana auf Tauris. Dort sieht sie im Traum die Gewalt, die ihre Familie in der Zwischenzeit zerstört hat. Ihr Bruder Orest wird – ebenfalls im Traum – von den Eumeniden verfolgt, den Rachegöttinnen, die ihm den Mord an seiner Mutter Klytämnestra vorwerfen. Welche Rolle spielen Träume in dieser Geschichte? Innerhalb der Antike ist Wachen und Träumen nicht so strikt voneinander getrennt wie bei uns. Oft geht es dabei um Prophezeiungen, in denen die Götter mit den Menschen sprechen. Bei Gluck geht es darum, dass wir in unseren Träumen unsere Ängste, unsere positiven oder negativen Erwartungen oder unsere Schuld durch­ spielen, Dinge, die wir so direkt nicht ausdrücken können. Es ist wie eine Geschichte, die man sich selbst erzählt, es kommen Dinge zum Ausdruck, die wir im Licht des Tages nicht zulassen würden. Es ist chiffrierte Fantasiearbeit, Theater im Theater oder auch ein inneres Theater, das sowohl die Theatersituation reflektiert als auch die Theatralität unseres Seins in der Welt. Wir beobachten uns hier selbst. Interessant ist, dass die Grenzen zwischen Realität, Traum, Erinnerung, Fantasie in Glucks Oper sehr fliessend zu sein scheinen. Für mich ist auch der Krieg letztlich eine Fantasie. Es hat etwas geradezu Rausch­ haftes, wenn die Männer als eine Einheit gegen Troja ziehen, und es hat auch etwas Rauschhaftes oder Traumartiges, wenn der Vater die Tochter nicht mehr als Tochter sieht und bereit ist, sie für diesen Krieg zu opfern. Neben den Träumen ist auch die Todessehnsucht der Hauptfiguren auffallend. Iphigénie möchte lieber sterben, als weiter auf Tauris Menschen zu opfern. Orest wird so sehr von seiner Schuld gequält, dass er den Tod herbeisehnt, und Pylades, Orests Freund, möchte lieber selbst geopfert werden, als seinen Freund dem Tod zu überlassen. Selbstmord scheint aber für keine dieser Figu­ren eine Option zu sein. Zur Zeit Glucks beginnt sich zu zeigen, dass in der bürgerlichen Familie etwas nicht stimmt: Es geht nicht nur um das Verhältnis zwischen Gatte und Gattin, sondern auch um das zwischen Eltern und Kindern und zuweilen auch Schwestern und Brüdern. Die Todessehnsucht der verschiedenen Figuren kann man sehen als Er­ lösungsfantasie aus der Unmöglichkeit heraus, sich zurechtzufinden in einem System, in dem mir so vieles vorgeschrieben und in dem mein Begehren nicht mit meinen Pflichten zu vereinbaren ist. Damit wird diese Todessehnsucht auch zu einer Kritik an der Familieneinheit: Diese bürgerliche Familie, die stark von der Auf­­ klärung, von einem paternalen, rationalen Denken und von ebensolchen Gesetzen getrieben ist, hat etwas Zerstörerisches. Ich denke da immer an den Streit zwischen der Königin der Nacht und Sarastro in der Zauberflöte: Er setzt mit absoluter Brutalität auf Aufklärung, während sie noch dem magischen Denken verhaftet ist. Dieser Streit zwischen den Eltern frisst die Kinder auf. Deren Todessehnsucht wird


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dreissig Jahre nach Gluck in der Romantik bei Novalis, Kleist und anderen ihre grosse Blütezeit haben. Der Fluch der Familienmorde, von dem Agamemnons Geschlecht nicht loskommt, wird durch die Göttin Diana gelöst. Es sind also wiederum nicht die Menschen, die eigenverantwortlich Entscheidungen treffen, sondern die Götter müssen eingreifen, um eine Lösung herbeizuführen. 1779, als Glucks Oper entstanden ist, konnte man noch akzeptieren, dass nur die Götter in der Lage sind, eine Lösung herbeizuführen. Zehn Jahre später, nach der französischen Revolution, wird man sich dann nicht mehr vorstellen können, dass die Menschen zu keiner eigenen Entscheidung fähig sein sollen – dann häufen sich übrigens auch die Selbstmorde oder Liebestodfantasien wie etwa in Wagners Tristan und Isolde. Zur Zeit Glucks gibt es für die Erkenntnis des Un­be­hagens an der bürgerlichen Familie und an den bürgerlichen Gesetzen mit all ihren Zwän­ gen nur auf der Ebene der Götter eine Lösung. Umgekehrt könnte man auch sagen, das Eingreifen der Göttin ist wie die letzte Feier des noch nicht mündigen individuellen Subjekts. Das absolut mündige individuelle Subjekt gipfelt im revolutionären Subjekt, das dann später in Frankreich den König umbringt. Hier wird eine Art Umbruchphase markiert. Eine solche Umbruchphase scheint sich auch in dieser Oper zu spiegeln: Iphigénie trifft selbständig die Entscheidung, einen der beiden Gefangenen frei zu lassen. Dann geht sie noch einen Schritt weiter und entscheidet – als sie erkennt, dass der zweite Gefangene ihr Bruder ist –, diesen auf keinen Fall zu opfern. Sie ist also durchaus zu einer selbstbestimmten Handlung fähig. Die Göttin Diana erscheint erst, als die wichtigste Entscheidung bereits getroffen ist, sie ist also strenggenommen gar keine Dea ex machina mehr. Hier treffen zwei Denksysteme aufeinander, und es ist interessant, dass es die Frau ist, also das weibliche Subjekt, das auf ihrer Handlungsbefähigung insistiert und im Gegensatz zu ihrem Vater die Göttin herausfordert. Die Figur Iphigénie ist in dem Moment, in dem sie geopfert werden soll – also noch in der Vorgeschichte der Oper – dem Willen der Götter und dem Willen ihres Vaters ausgeliefert, entwickelt sich aber im Laufe der Oper zu einer aktiven, selbst handelnden Figur. Dass die Göttin am Schluss noch einmal auftritt, das wirkt wie eine Konzession an die Konvention, von der man aus heutiger Perspektive sagen könnte, dass sie sogar als Konvention ausgestellt wird. Die Dea ex machina wird dekonstruiert und bleibt ein leerer Gestus. Die Tochter erhält die Handlungsbefähigung und durchbricht den Kreislauf der Gewalt. Und die Göttin erkennt die Handlungsfreiheit Iphigénies an und verzeiht. Am Anfang und am Ende der Geschichte steht die Göttin, aber die wandelt sich und insistiert nicht mehr auf dieser auf Gewalt basierenden Wiederholungsschleife von «Frauenraub fordert Krieg fordert Frauenopfer fordert noch mehr Krieg». Sie insistiert deshalb nicht, weil sie in einer Tochter etwas sieht, was ihr ein anderes Modell vorgibt. Das würde ich potenziell feministisch nennen. Das Gespräch führte Beate Breidenbach Elisabeth Bronfen ist Kulturwissenschaftlerin und Professorin für Anglistik. Ihr Habilitations­thema vor 18 Jahren lautete: «Nur über meine Leiche. Tod, Weiblichkeit und Ästhetik»


Regisseur Andreas Homoki probt mit StĂŠphane Degout als Orest die Opferszene


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Gluck lässt der Regie viele Freiheiten Zum zweiten Mal in seiner Karriere inszeniert Andreas Homoki eine Oper von Christoph Willibald Gluck. An «Iphigénie en Tauride» schätzt er die Offenheit der Handlung und die Ausgewogenheit zwischen dramatischen und kontemplativen Momenten Fotos Danielle Liniger

Andreas, vor einigen Jahren hast du an der Oper in Genf Christoph Willibald Glucks Orphée et Euridice inszeniert, nun folgt Iphigénie en Tauride am Opernhaus Zürich. Was für eine Beziehung hast du zu diesem Komponisten, der in der Musikgeschichte häufiger für seine berühmte Opernreform erwähnt wird als für seine Werke selbst? Ich würde Gluck als einen eher unaufgeregt komponierenden Musiker beschreiben, der unglaublich souverän Geschichten erzählt und dabei den Zuständen seiner Figuren sehr viel Raum gibt. Die Handlung steht oft eher still, aber häufig geht es auch gar nicht so sehr um die äussere Handlung, sondern viel mehr um die Innen­ welten der Figuren. Es gibt in Glucks Opern keine Milieuschilderungen, die Stücke spielen an einem nicht genau festgelegten Ort, was mir als Regisseur eine grosse Freiheit gibt, Bildmetaphern zu finden. Mir gefällt auch das sehr ausgewogene Ver­ hält­nis zwischen dramatischen und kontemplativen Momenten. Das ist für mich das Wesen der Klassik: das Ebenmass, der Verzicht auf übermässige barocke Orna­ mentierung, die Einfachheit. Genau das war ja auch Glucks erklärtes Ziel: die schematischen Strukturen der italienischen Metastasio-Opern zu überwinden und – im Verein mit den französischen Enzyklopädisten, allen voran Diderot und Rousseau – im Paris der 1770er Jahre zu einer neuen Form der Oper zu finden, die von Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit des Ausdrucks geprägt ist. Das ist ihm also gelungen? Ja, absolut. Man spürt bei Gluck sehr viel Empathie für seine Figuren, er zeichnet sie mit einer grossen Menschenliebe. Diese Menschen sind geprägt durch eine Empfindsamkeit, die natürlich für diese Zeit typisch ist – sie verhalten sich sehr no­ bel, verzichten zugunsten des anderen... Hat uns diese Empfindsamkeit, dieses Verzichtenwollen heute überhaupt noch etwas zu sagen? Das sind nicht unbedingt Eigenschaften, die unsere Zeit


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Von Tantalos bis Orest Der Fluch des Atridenge­ schlechts in der Antike In der Familiengeschichte des Atridenge­ schlechts, dem auch Iphigenie entstammt, ist viel Blut geflossen. Begonnen hat die endlose Kette der Gewalt mit Tantalos, dem Urahn der Familie: Er wollte die Allwissenheit der Götter auf die Probe stellen und setzte ihnen seinen eigenen Sohn zum Mahl vor. Die Götter durch­ schauten ihn und verbannten Tantalos zur Strafe in die tiefsten Tiefen der Unterwelt, wo er seither unvorstellbaren Qualen ausgesetzt ist, den sprichwörtlichen Tantalosqualen. Die Götter verfluchten zudem seine Nachkommen: Jeder seiner Nachfahren solle bis in alle Ewig­ keit ein Familienmitglied töten und immer wei­ ter Schuld auf sich laden. Als eines Tages der Aufbruch des Heeres in den trojanischen Krieg kurz bevorstand, ver­ sammelte sich das griechische Heer in Aulis. Der Heeresführer Agamemnon ging auf die Jagd und tötete dabei eine Hirschkuh. Diese war der Göttin Artemis jedoch heilig, und Aga­ memnon wurde von ihr mit Windstille bestraft. Daraufhin befragten die Griechen einen Seher. Dessen Vision zeigte, dass Agamemnon seine Tochter Iphigenie der Göttin Artemis opfern müsse; zum Wohle seines Heeres war Agamem­ non dazu auch bereit. Doch die Göttin verspür­ ­te Mitleid mit dem Mädchen, und kurz bevor das Messer des Vaters Iphigenie traf, rettete sie diese und brachte sie nach Tauris. Vor Agamem­non aber lag nun eine Hirschkuh, und er glaub­te, die Tochter für immer verloren zu haben. Der Fluch des Tantalos hatte also in Aga­ memnons Familie ein neues Opfer gefordert. Weitere sollten folgen: Klytämnestra, Aga­ memnons Frau, verzieh ihrem Mann die Opfe­ rung der Tochter nie und ermordete ihn. Um den Tod seines Vaters zu rächen, brachte Orest seine Mutter Klytämnestra um. Seitdem wird Orest von grausamen Rachegöttinnen verfolgt. Um sich von seiner quälenden Schuld zu be­ freien, befragt Orest das Orakel Apollos. Dieses rät ihm, er solle auf der Insel Tauris die Statue der Artemis holen und nach Athen bringen. Auf Tauris, wo das barbarische Volk der Taurier unter der Herrschaft des Königs Thoas lebt, muss Iphigenie seit ihrer Rettung durch

Artemis der Göttin alle dort Gestrandeten op­ fern. Der König hatte nämlich die Vision, dass ein Fremder ihn eines Tages umbringen werde. Kaum auf der Insel eingetroffen, werden Orest und sein Freund Pylades sogleich ent­ deckt und als Opfer zum Tempel geführt. Die Priesterin Iphigenie erfährt, dass Orest aus ihrer Heimatstadt kommt, und fragt ihn sogleich nach Agamemnons Familie, ohne zu wissen, dass es ihr Bruder ist, der vor ihr steht. Sie bit­ tet ihn, zurück zu segeln und ihrer Familie einen Brief zu überbringen. Doch Orest fleht Iphige­ nie an, Pylades zu schicken, denn sein Freund verdiene den Tod viel weniger als er selbst. Um sicherzugehen, dass die Botschaft ankommt, erzählt die Priesterin den Griechen, was in dem Brief steht: «Iphigenie lebt.» Da erkennt Orest seine Schwester. Nun plant Iphigenie die Flucht: Sie be­ richtet dem König Thoas von den blutigen Taten der beiden Griechen. Sie seien unrein und müssten im Meer gereinigt werden. So auch die Statue, da Orest diese berührt habe. Thoas bleibt zurück, weil er das heilige Ritual nicht stören will, und die Fliehenden haben genug Zeit, um das griechische Schiff zu erreichen. Doch der Wind treibt sie zurück, und Thoas er­fährt von dem Verrat. Bevor die Taurier den Strand erreichen, erscheint die Göttin Athene. Unter ihrem Schutz soll die Statue der Artemis nach Athen gebracht werden. Ausserdem be­ freit sie Orest von seiner Schuld. Thoas akzep­ tiert das Urteil der Göttin und lässt die Grie­ chen mit der Statue fortsegeln. Glucks Oper «Iphigénie en Tauride» weicht vom Mythos ab. Pylades segelt mit dem Brief nicht zurück nach Griechenland, sondern versteckt sich auf der Insel, um seinen Freund zu retten. Iphigénie bricht die Opferung ab, als sie ihren Bruder Orest erkennt. Wütend eilt Thoas zum Tempel, doch bevor er die Geschwis­ ter umbringen kann, stürmt Pylades hinein und tötet den König. Ein Krieg bricht aus. Da er­ scheint die Göttin Diana (griechisch Artemis), schlichtet den Streit und befreit Orest von seiner Schuld. Dieser soll bis zu seinem Tod als König über Mykene herrschen, und Iphigénie wird als Priesterin in Athen leben. Laura Minder


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charakterisieren... Umso mehr müssen wir sie einfordern und auf dem Theater zeigen! Anders gefragt: Was ist für dich das Moderne an diesem Stück? Das Thema ist zeitlos! Es geht um eine Familie, konkret die exemplarische Familien­ tragödie des Altertums – die Familie von Agamemnon und Klytämnestra. Diese Familie ist gefangen in einem Kreislauf von Mord und Rache, der damit beginnt, dass Agamemnon gezwungen wird, seine eigene Tochter Iphigenie zu opfern. Erst am Ende dieses Stückes wird der Fluch gelöst. Die Familie sollte eigentlich ja eine glückliche Keimzelle der Gesellschaft sein, das Familienleben wird – auch in der Werbung – oft als Idylle dargestellt; aber das Leben zerrt an den Menschen, die Wirklichkeit sieht häufig anders aus. Familienkonflikte können zu starken Reibungen und im schlimmsten Fall sogar zu Mord und Totschlag führen. Gerade wenn in einer patriarchalen Gesellschaft mächtige Väter beteiligt sind, wie in unserem Fall Agamemnon, der König von Mykene ist und Feldherr im Krieg gegen Troja. Also geht es hier neben dem familieninternen Konflikt auch um den Konflikt zwischen der Familie und der Gesellschaft? Ja, und dieser Konflikt kommt im Altertum immer wieder vor. Er hat mit der Ent­ ste­hung der Polis zu tun, also mit der Entstehung von Strukturen, die es not­wendig machen, dass Menschen aufgrund des gesellschaftlichen Fortschritts in im­ mer grösseren Gemeinschaften zusammenleben, weil der Familienclan als Ord­ nungs­prin­zip nicht mehr ausreicht. So entsteht dieses Motiv – auch in der Bibel mit der Geschichte von Abraham und Isaak – des kindlichen Opfers für den Gott oder die Göttin, wobei ich Gott ganz allgemein verstehe als ein Bild für etwas, das über die eigene Existenz hinausgeht. Agamemnon kann seiner Funktion und seiner Verantwortung als Heerführer nur gerecht werden, wenn er seine Tochter Iphigenie opfert. Damit tut er sich zunächst schwer, und letztlich ist es die Tochter selbst, die den Konflikt löst, indem sie sagt, ich verstehe das Problem und bin bereit, in den Tod zu gehen. Agamemnon tötet daraufhin Iphigenie und besteht damit die Prüfung im Sinne der Gottheit. Aber die Opferung Iphigenies führt innerhalb dieser Familie zu einem schweren Trauma... Dieses Trauma ist mit dem Fluch des Tantalos beschrieben. Weil dieser Schuld auf sich geladen hat, haben die Götter verfügt, dass jeder seiner Nachkommen ein Mitglied der eigenen Familie umbringt. Dieser Fluch führt in der Folge dazu, dass die Mutter Klytämnestra ihren Ehemann Agamemnon tötet und selbst wiederum von ihrem Sohn Orest umgebracht wird. Soweit die Vorgeschichte. In der Oper selbst wird Orest seiner Schwester Iphigénie wiederbegegnen, die von der Göttin Diana gerettet wurde; sie ist jetzt Priesterin des Diana-Tempels und wird von Thoas, dem Gewaltherrscher auf Tauris, gezwungen, jeden Fremden, der hier landet, umzubringen. Die Geschwister erkennen sich zunächst nicht, weil sie seit ihrer Kind­heit getrennt waren; erst im letzten Moment, als Iphigénie im Begriff ist, das grausame Opferritual auszuführen, erfährt sie, dass es ihr Bruder Orest ist, den sie im Begriff ist zu töten, und verweigert das Opfer.

«Wir brauchen Blut!» Thoas (Jean-François Lapointe)

Der Iphigenie-Stoff ist häufig bearbeitet worden, unter anderem auch von Johann Wolfgang von Goethe; Iphigenie wird hier zum Denkmal der alle Gewalt überwindenden Humanität stilisiert. Wie hat Gluck sie charakterisiert? Iphigénie ist natürlich auch bei Gluck eine ausgesprochen humanistische Figur, aber sie ist zugleich auch sehr leidenschaftlich; wir sind ja schliesslich in der Oper! Das Stück beginnt mit einem Sturm im Orchester, und wir werden als Zuschauer direkt mit dem Seelenzustand Iphigénies konfrontiert; in der anschliessenden Arie sagt sie selbst: Der Sturm auf dem Meer ist vorüber, aber nicht der Sturm in


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meinem Inneren. Es geht also von Anfang an um Iphigénies Inneres. Mozart hat das übrigens wenige Jahre später in Idomeneo aufgegriffen, dort singt Idomeneo in seiner Arie: Zwar bin ich dem Sturm entkommen, doch ich habe den Sturm bzw. das Meer in mir. Iphigénie kann sehr leidenschaftlich sein, aber auch sehr elegisch. Sie verfügt über eine grosse emotionale Bandbreite und ist eine Frau aus Fleisch und Blut, wie übrigens alle Figuren in dieser Oper. Alles andere wäre auch uninter­ essant auf der Bühne. Diana hatte also Mitleid mit Iphigénie und hat sie gerettet; zu Beginn der Oper lebt Iphigénie bereits seit 15 Jahren als Priesterin der Diana auf Tauris. Was ist dieses Tauris für ein Ort? Zunächst mal ist es ein Ort, der sowohl geografisch als auch kulturell sehr weit von Iphigénies griechischer Heimat entfernt ist. Und auf gewisse Weise scheint es ein Ort zu sein, der Menschen anzieht, die traumatisiert sind, ein Ort, an dem Trau­ ma­ti­sierte aufeinandertreffen. Dieser Ort, der von Gewalt und Barbarei beherrscht wird, ist für meinen Ausstatter Michael Levine und mich kein wirklicher Ort, sondern eine Art Unterwelt oder ein Fegefeuer. Iphigénie ist ja für ihre Familie tot, denn nie­mand weiss, dass sie gerettet wurde. Ihr Bruder Orest ist dem Tode nahe, denn die Rachegöttinnen verfolgen und quälen ihn; er trägt eine grosse Todes­ sehnsucht in sich. Die Bühne, die wir entwickelt haben, vermeidet konkrete Örtlich­ keiten. Im Zentrum des Stückes stehen für uns die Geschwister Iphigénie und Orest, dazu kommt der Freund des Orest, Pylades, der nicht zur Familie gehört. Alle Figuren sind dem Gewaltherrscher Thoas ausgesetzt. Die beiden Hauptfiguren durchleben an diesem Ort immer wieder albtraumhaft ihr Trauma; deshalb erschien uns Thoas als eine Art verzerrter, übersteigerter Reflex Agamemnons, der sei­ne Tochter umgebracht hat und von dem Trauma dieser Tat allmählich seelisch zu­grun­de gerichtet wurde. Am Schluss der Oper erscheint die Göttin Diana; deren Vergebung löst den Fluch schliesslich auf. Dies steht für uns für die Vergebung, die Orest von seiner toten Mutter Klytämnestra nie wird erhalten können und die er daher umso mehr ersehnt. Die Figuren Agamemnon-Thoas und Klytämnestra-­ Diana werden sich in unserer Inszenierung so ineinander spiegeln, dass der Eindruck entsteht, das Personal des Stückes bestünde letztlich nur aus diesen vier Figuren: den beiden Kindern und ihren Eltern. Interessant ist ja, dass in dieser Oper keine konventionelle Liebesgeschichte vor­kommt; neben der Geschwisterliebe gibt es allerdings noch die sehr be­ sondere Freundesliebe zwischen Orest und Pylades. Die Beziehung zwischen Orest und Pylades ist unglaublich liebevoll gezeichnet, fast homoerotisch; auf jeden Fall geht sie weit über eine normale Männerfreundschaft hinaus. Dass es in dem Stück keine konventionelle Liebesbeziehung gibt, dient der Klarheit und ist nur konsequent. Zu den Hauptfiguren kommt dann noch der Chor, den wir aber auch als Spiegelungen oder Vervielfachungen einerseits von Iphigénie, andererseits von Thoas sehen; der Chor wird ja die meiste Zeit über in Männerchor und Frauenchor getrennt eingesetzt, es wird nie eine gemischte Gesell­ schaft gezeigt. Wir fokussieren die Geschichte auf die Familie in einem klaustro­ phobischen, tunnelartigen Raum, der nur ab und zu aufbricht und grelles Licht ein­lässt; innen ist es beklemmend, aber aussen ist es möglicherweise noch bedrohli­ cher. Es gibt eigentlich keinen Ausweg aus dieser albtraumhaften Innenwelt. Wie siehst du dann den Schluss des Stückes – immerhin vergibt ja Diana Orest seine Schuld und schickt ihn als König zurück nach Mykene? Ja, es gibt dieses «lieto fine», der Fluch wird gelöst und die Figuren entkommen ihrem Gefängnis. Wie erfolgreich sie ihr weiteres Leben nach all den seelischen Beschädigungen meistern werden, bleibt natürlich dahingestellt, aber wir werden hier nicht versuchen, eine Antwort zu geben.


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In dieser Produktion gibt es ein Wiedersehen mit Cecilia Bartoli, die dem Zürcher Opernhaus seit 30 Jahren verbunden ist; nun arbeitest du zum ersten Mal als Regisseur mit ihr zusammen. Eine Produktion mit Cecilia ist natürlich immer etwas Besonderes; es ist nicht so wie sonst, dass man sich ein Stück überlegt und dann eine Künstlerin fragt, ob sie frei ist, sondern man sucht mit ihr gemeinsam eine Periode und überlegt mit ihr, welches Stück passen könnte. Dieses Stück hatte ich mir aber schon länger gewünscht, und ich habe mich gefreut, dass es sie ebenfalls interessiert hat. In der Probenarbeit gehört sie zu den wenigen Sängerinnen oder auch Sängern, bei denen jede gesangliche Äusserung von einem Maximum an Ausdruck erfüllt ist. Die Dynamik, die textliche Ausgestaltung, die Agogik – alles dient dem maximalen musikalisch-dramatischen Ausdruck. Cecilia ist auf den Proben in jedem Moment präsent, zeigt immer vollen körperlichen und emotionalen Einsatz und hat un­ glaublich viel zu geben. Sie besitzt eine starke szenische Intuition und erfindet auf der Probe immer wieder auch für mich überraschende Dinge. Als Kollegin ist sie eine echte Teamplayerin. Aber auch die übrigen Rollen sind mit Stéphane Degout, Frédéric Antoun, Jean-François Lapointe und Birgitte Christensen wirklich hervor­ ragend besetzt. Alle in diesem Ensemble engagieren sich kraftvoll und kompromiss­ los. Das ist grossartig und macht sehr viel Spass. Das Gespräch führte Beate Breidenbach Andreas Homoki und Cecilia Bartoli auf der Probe (oben); Cecilia Bartoli und Stéphane Degout (unten)


Iphigénie hat in dem Fremden ihren tot­geglaubten Bruder Orest erkannt: Cecilia Bartoli und Stéphane Degout auf der Probe

Die nackte Seele zeigen Cecilia Bartoli singt die Titelrolle in Glucks «Iphigénie en Tauride», die eine extreme Bandbreite an Emotionen verlangt. Ein Gespräch über den Opernreformer Gluck, die Bedeutungstiefe seiner Musik und die Arbeit mit ihren künstlerischen Partnern am Opernhaus Zürich Foto Danielle Liniger


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Cecilia Bartoli, mit der Titelrolle in Iphigénie en Tauride treten Sie hier am Opernhaus zum ersten Mal in einer Oper von Christoph Willibald Gluck auf. Sie sind bekannt als eine Künstlerin, die ihre Projekte sehr sorgfältig auswählt. Was macht diesen Komponisten für Sie interessant? Ich verehre Gluck sehr und kehre immer wieder gern zu ihm zurück. Iphigénie en Tauride war 2015 bei den Salzburger Pfingsfestspielen die erste Gluck-Oper, die ich gesungen habe. Ich bin sehr glücklich, dass wir dieses wunderbare Stück nun hier in Zürich auf die Bühne bringen. Gluck war ein sehr besonderer Komponist, denn er hat die Oper revolutioniert! Sein Anliegen war es, die Oper zu ihrem wahren Ursprung zurückzuführen: zu den Menschen und ihren Geschichten. Er wandte sich gegen die Gier der Zuschauer nach musikalischem und szenischem Feuerwerk und brachte die Schönheit des Dramas ins Zentrum der Oper zurück. Aber Glucks Iphigénie en Tauride ist nicht nur einfach ein schönes Stück, sondern theatralisch und musikalisch-dramatisch sehr aufregend; und es ist für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung! Glucks Ziel war ja – ganz im Sinne Rousseaus – eine neue Natürlichkeit in der Oper; dramatische Wahrheit war ihm wichtiger, als seinen Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit zu geben, in langen Koloraturarien ihre Virtuosität unter Beweis zu stellen. Das ist einer der Gründe dafür, dass Glucks Gegner seine Musik als langweilig und melodisch un­interessant bezeichnet haben. Können Sie das nachvollziehen? Als Sängerin kann ich in dieser Gluckschen Reformoper tatsächlich nicht auf die gleiche Art und Weise mit vokaler Virtuosität brillieren, wie ich das in einer seiner frühen barocken italienischen Opern könnte. Gluck wollte einen Schlusspunkt setzen hinter die Virtuosität der Kastraten und Primadonnen seiner Zeit, und in Iphigénie en Tauride ist es vor allem die Expressivität, die zählt. Es geht hier in erster Linie um die Bedeutung des Textes. Gluck konzentrierte sich ganz auf die Ge­ schichte und auf die Emotionen der Figuren, auf die genaue Textausdeutung und die Balance von Musik und Text. Er gibt der Oper auf diese Art und Weise eine unvergleichliche Tiefe. Was für ihn zählt, ist die Intensität der Geschichte. Warum ist es jetzt – an diesem Punkt Ihrer künstlerischen Entwicklung – der richtige Moment für Sie, Gluck zu singen? Gluck verlangt von einem Sänger bzw. einer Sängerin, sich total zu exponieren; das ist der Grund, warum viele Sängerinnen sich nicht an seine späten, dramatische­ ren Werke wagen. In Iphigénie en Tauride muss ich als Sängerin bereit sein, dem Publikum meine nackte Seele zu zeigen. Die Rolle fordert sehr viel. Iphigénie kann sehr wütend, geradezu wild sein, aber auch zärtlich. Das ist aufwühlend, und die Stimme muss in der Lage sein, eine sehr grosse Bandbreite an Emotionen auszu­ drücken. Um eine Figur wie Iphigénie darzustellen, darf man sich nicht scheuen, sich selbst voll und ganz in die Rolle hineinzugeben, und dafür braucht man Mut. Und für diesen Mut wiederum ist eine gewisse Reife nötig, die ich nicht hatte, als ich 20 Jahre alt war. Aber ich finde es immer wieder erstaunlich, dass sowohl die Sänger als auch das Publikum sich mit Glucks Musik unglaublich wohl fühlen, wenn sie auf diese emotionale Reise gehen – trotz der ausserordentlichen Expressi­ vität und Gefühlstiefe dieser Musik. Sie haben sich ja mit der Partie bereits 2015 in Salzburg auseinandergesetzt; können Sie Iphigénies Charakter noch genauer beschreiben? Die Iphigenie, die wir aus Goethes Drama kennen, ist das Idealbild einer klassischen griechischen Heroine. Als Figur erscheint sie mir hier eher statisch und passiv, getrieben von ihrem Schicksal. Bei Gluck dagegen ist sie eine äusserst lebendige Fi­ gur, leidenschaftlich und sogar rebellisch in dem Moment, in dem sie sich der Auto­rität des Königs Thoas widersetzt. Sie durchlebt Sehnsüchte, Erinnerungen und


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tiefe Verzweiflung. Glucks Iphigénie ist also keineswegs eine kalte griechische Statue, sondern eine Frau voller Gefühle und Zweifel. Die Hauptquelle für die Geschichte ist die griechische Mythologie. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet, haben Sie viel gelesen? Ich liebe es, in neue Welten einzutauchen, mich in den Tiefen der Archive zu verlieren, alte Aufführungspraxis zu studieren. Die Vorbereitung auf Iphigénie en Tauride war eine fantastische Gelegenheit für mich, die griechische Mythologie zu studieren, aber auch, mich in Goethes Iphigenie zu vertiefen. Ausserdem habe ich mich natürlich intensiv mit Gluck beschäftigt und damit, wie er die Oper seiner Zeit revolutioniert hat. Was macht diese Oper Ihrer Meinung nach für ein heutiges Publikum inter­ essant? Das Stück erzählt von Tod, von Trauer und von der Zerstörung einer Familie. Dennoch ist die Darstellung dieser dramatischen Situationen nicht exhibitionistisch. Gluck beschreibt das Leiden seiner Figuren sehr respektvoll und sensibel. Dadurch kann sich das Publikum auch heute, 200 Jahre nach der Uraufführung, immer noch sehr gut in diese leidenden Menschen hineinversetzen. Gluck will nicht be­ eindrucken; er will sein Publikum berühren. Diese Oper ist verstörend. Sie berührt uns tief im Innern. In letzter Zeit haben Sie sehr intensiv mit dem Dirigenten Gianluca Capuano zusammengearbeitet. Was schätzen Sie an ihm? Ich gehe sehr gern mit ihm auf musikalische Expeditionen, denn wir teilen das In­ter­esse an historischer Aufführungspraxis. 2016 habe ich das Barockensemble «Les Musiciens du Prince – Monaco» gegründet, das auf historischen Instrumenten spielt. Letztes Jahr wurde Gianluca Chefdirigent dieses Orchesters – eine unglaubli­ che, einzigartige Konstellation! Gemeinsam erforschen wir nicht nur das barocke Repertoire, sondern auch den Belcanto. Das ist eine intensive, interessante Arbeit, die uns immer wieder neue Möglichkeiten für die Interpretation eröffnet. Und Gian­­luca ist genau der Richtige, um das Publikum mitzunehmen auf eine Reise durch die musikalische Revolution Glucks. Mit Andreas Homoki arbeiten Sie dagegen zum ersten Mal zusammen. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit? Er ist ein fantastischer Regisseur und mittlerweile auch ein guter Freund. Er ist immer offen für Ideen, und wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich schätze ihn und das Zürcher Opernhaus sehr. Es ist mein zweites Zuhause. Sie sind die designierte Intendantin der Oper von Monte-Carlo. Werden Sie sich mit dieser neuen Aufgabe in Zukunft von der Bühne zurückziehen? Die Intendanz der Oper von Monte-Carlo zu übernehmen, ist eine neue Phase in meiner Karriere, und zugleich ist es die Erfüllung eines Traums. Ich werde die erste Frau sein, die diese Position übernimmt. Ich sprudele vor Ideen und freue mich sehr darauf, die Monegassische Kulturszene mit meiner Kreativität und meiner Leidenschaft für die Musik zu bereichern. Ich freue mich auch deswegen so sehr auf meine Aufgabe an diesem Haus, weil mich mit der Oper von Monte-Carlo eine ähnlich lange Geschichte verbindet wie mit dem Zürcher Opernhaus. Aber keine Sorge, ich bleibe eine leidenschaftliche Sängerin und werde auch in Zukunft singen! Das Gespräch führte Beate Breidenbach


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Von Furien verfolgt Stéphane Degout gibt als Orest in Glucks «Iphigénie en Tauride» sein Debüt am Opernhaus Zürich. Der von Wahn getriebene Charakter wirft Fragen auf bei dem Bariton, der in seinem Heimatland als «Prinz des französischen Gesangs» bezeichnet wird Text Fabio Dietsche

Es ist Mittagspause auf der Probebühne am Escher-Wyss-Platz. Nur der nacht­ schwar­ze, weit in die Tiefe gehende Büh­ nenraum lässt etwas von der Tragik des Stücks erahnen, das hier geprobt wird. Am Klavier unterhält sich der Sänger Stéphane Degout mit dem Dirigenten Gianluca Capuano. Aber der von Rachefurien be­ drängte Muttermörder Orest, den Degout in der Zürcher Neuproduktion von Glucks Iphigénie en Tauride gibt, ist weit weg: Die beiden sprechen über Essen. Der Fran­ zo­se empfiehlt dem Italiener die besten Restaurants und Brasserien von Lyon. Der französische Sänger als schwär­ merischer Gourmand – das mag wie ein Klischee wirken, ist bei Stéphane Degout aber nur Ausdruck von Heimatliebe, denn er lebt in Lyon und ist in dieser Stadt, die für ihre Gastronomie berühmt ist, gross ge­worden. Und er pflegt ein inniges Ver­ hält­ nis zur Kultur seines Heimatlands auch jenseits der Haute Cuisine. Begonnen hat das schon zur Schulzeit mit Stéphanes Begeisterung für die französische Sprache: «Wir mussten damals regelmässig Ge­ dich­te auswendig lernen und aufsagen. Ich habe es geliebt!», erinnert er sich. Um an Theaterworkshops teilzunehmen, zieht Stéphane vom Land nach Lyon. Dort singt er bald auch im Chor und wird von seinem Lehrer ermutigt, Gesangsunter­ richt zu nehmen. Die Stimme entwickelt sich erfolgreich: Stéphane wird Student

am Conservatoire National Supérieur de Musique de Lyon und anschliessend Mit­ glied im Atelier Lyrique, dem Nachwuchs­ programm der Opéra de Lyon, wo er bald auch zum ersten Mal auf der Opernbühne steht. Seinen ersten grossen Erfolg erlebt er beim Festival d’Aix-en-Provence aller­ dings mit einer ganz und gar unfranzösi­ schen Partie, nämlich als Vogelfänger Pa­ pageno (dem Feinschmecker!) in Mozarts Zauberflöte. «Als Stéphane Lissner 1998 die Leitung des Festivals übernahm», er­ zählt Degout, «gründete er dort eine Aca­démie, die zur Nachwuchsförderung bestimmt und bis heute ein wichtiger Be­ standteil des Festivals ist.» Degout hatte das Glück, zu den ersten Mitgliedern zu gehören, zu den Lehrenden gehörten da­ mals Sängerinnen wie Régine Crespin und Gundula Janowitz – für Stéphane eine prä­gende Erfahrung – «wenn auch sprach­ lich sehr herausfordernd, denn Papageno wird ja meist von Muttersprachlern ge­ sun­­gen und gerne mit Wiener Dialekt ge­sprochen.» Mit seiner Liebe zu sprachlichen De­ tails hängt es wohl zusammen, dass der Bariton heute besonders das französische Repertoire intensiv pflegt und stetig er­ weitert. Seit er im vergangenen Jahr bei den «Victoires de la musique» als Sänger des Jahres geehrt wurde und für seine Alben mit Musik von Debussy, Berlioz,


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Rameau und Gluck einen «Grand Prix» der Académie Charles Cros erhalten hat, wurde er in den französischen Medien gar als «Prince du chant français» bezeichnet. Es fasziniert Degout, wie konsequent man die musikalische Entwicklung seiner Muttersprache durch die Jahrhunderte hindurch verfolgen kann: «Jeder Kompo­ nist nutzt die klanglichen Möglichkeiten der Sprache auf ganz unterschiedliche Weise», sagt er, und nennt als Beispiel Jean-Baptiste Lully, bei dem die Sprache beinahe rezitiert wird wie in der gespro­ chenen Tragödie. «Auf ihn folgen die gros­sen Neuerer Rameau und Gluck, dann Berlioz, der mit den Nuits d’été einen ers­ten französischen Liederzyklus mit Or­ chesterbegleitung komponierte, und schliess­lich Debussy, der sich wiederum mit dem Sprachgebrauch Rameaus ausei­ nandersetzte.» Auch bei Glucks Tragédie Iphigénie en Tauride kommt er gleich auf den «qualitativ hochstehenden» Text des Librettisten Nicolas-François Guillard zu sprechen. Mit Sprachen, die er weniger gut kennt als seine eigene, ist Stéphane vor­ sichtig, mit fremdsprachigen Opernrollen entsprechend wählerisch. Zu den wenigen italienischen Partien, die er in letzter Zeit gesungen hat, zählt der Graf Almaviva in Mozarts Le nozze di Figaro (2019 am Théatre des Champs-Élysées). Im kom­ men­den Frühjahr wird er mit Jeletski in Tschaikowskis Pique Dame erstmals eine russische Partie singen. «Vor zwei Jahren habe ich als Marquis Posa meine erste Verdi-Oper gesungen. Ich habe dieses An­gebot aber nur angenommen, weil der Don Carlos in Lyon in der originalen französischsprachigen Fassung auf die Bühne kam.» Ganz frei sei man natürlich nicht in der Wahl der Rollen, sagt Degout, es sei ihm aber stets wichtig, der natürlichen Entwicklung und den Möglichkeiten sei­ ner Stimme zu folgen – und das bedeutet auch, sich zur rechten Zeit von Partien zu verabschieden. So hat er beispielsweise 2016 beim Festival d’Aix-en-Provence zum letzten Mal Debussys Pelléas gesun­ gen – immerhin in einer Inszenierung von Katie Mitchell, die er als Regisseurin be­ sonders schätzt, «das hat es einfacher ge­macht, diese wichtige Partie gehen zu

lassen». Andere Theatermacher, die er als besonders prägend in Erinnerung hat, sind die beiden verstorbenen Regisseure Patri­ce Chéreau, in dessen legendärer Inszenie­ rung von Così fan tutte er 2005 den Gug­ lielmo sang, oder Klaus Michael Grüber, mit dem er 2002 Don Giovanni erarbei­ te­te, «obwohl ich damals eigentlich zu jung dafür war...». Ausserdem nennt er den französischen Regisseur und Drama­ tiker Joël Pommerat. Mit seiner ganz be­­sonderen Art, Theater zu machen habe der ihn mit zeitgenössischer Musik in Ver­ bindung gebracht. Am Opernhaus Zürich hat Stéphane Degout bisher noch nicht gesungen. Jetzt steht er hier als Orest auf der Probebühne. Regisseur Andreas Homoki probt eine Szene aus dem dritten Akt: Orest und sein Freund Pylades (gesungen von Frédéric Antoun) streiten sich geradezu um das Vor­ recht, für den anderen sterben zu dür­fen. Stéphane hat die Partie bereits in Wien und Paris auf der Bühne gesungen – aber er gesteht, dass es für ihn immer noch un­gelöste Fragen zu diesem komplexen mythologischen Charakter gibt. Das Schicksal Orests ist auf der Opernbühne vor allem durch Richard Strauss’ Elektra bekannt: Um seinen Vater Agamemnon zu rächen, bringt Orest dort seine eigene Mutter Klytämnestra um. Seither wird er von Rachegöttinnen verfolgt, die ihn in einen andauernden Wahnzustand verset­ zen. In Glucks Oper trifft Orest auf seine totgeglaubte Schwester Iphigénie. Doch die Geschwister erkennen sich zunächst nicht. «Iphigénie hat als Priesterin den Auftrag, Fremdlinge, die sich dem Ort Tauris näheren, zu opfern», erklärt Sté­ phane, «und geopfert zu werden, bezie­ hungsweise endlich zu sterben, ist eigent­ lich das einzige Verlangen, das Orest in seiner verzweifelten Situation noch hat». Dann fügt er hinzu: «Ich frage mich manch­mal, warum Orest seine Todessehn­ sucht nicht einfach selbst befriedigt, und sich umbringt. – Oder war das in der An­ tike verboten?» Hätte Orest sich umge­ bracht, gäbe es freilich den inneren Zwie­ spalt nicht, den diese Figur so stark macht, sein Kampf mit den Eumeniden, seine Schuldgefühle, die Verzweiflung – und genau aus diesen extremen Empfindungen speist sich die musikalische Gestaltung


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Iphigénie en Tauride Tragédie von Christoph Willibald Gluck

riton interpretiert hat. Neben Musik von Gluck sind das auch Ausschnitte aus Opern von Jean-Philippe Rameau.» Auch dieses furiose Album ist ein Beispiel dafür, wie detailliert sich Stéphane Degout mit der Geschichte und den musikalischen Traditionen und Entwicklungen der fran­ zösischen Oper beschäftigt. Wenn Stéphane nach der Probe den Klavierauszug zugeklappt hat und den Orest samt den mit ihm verbundenen Fra­gezeichen darin ruhen lässt, wird er sich vermutlich ein Glas Beaujolais und eine gute Mahlzeit gönnen. Schliesslich muss er seinem Ruf gerecht werden. Auf seinem Twitter-Profil beschreibt er sich nämlich als «Chevalier de la Fourchette, souvent en vadrouille, rarement le ventre vide – Ritter der Gabel, oft auswärts, selten mit leerem Magen».

Musikalische Leitung Gianluca Capuano Inszenierung Andreas Homoki Ausstattung Michael Levine Lichtgestaltung Franck Evin Choreografische Mitarbeit Jean-François Kessler Choreinstudierung Janko Kastelic Dramaturgie Beate Breidenbach Iphigénie Cecilia Bartoli / Birgitte Christensen (16, 20, 23, 28 Feb) Oreste Stéphane Degout Pylade Frédéric Antoun Thoas, König von Tauris Jean-François Lapointe Diane Birgitte Christensen / Justyna Bluj (16, 20, 23, 28 Feb) Femme Grecque Katia Ledoux Orchestra La Scintilla Chor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 2 Feb 2020 Weitere Vorstellungen 4, 6, 8, 11, 16, 20, 23, 28 Feb 2020 Mit freundlicher Unterstützung der Kühne-Stiftung

Foto: Jean-Baptiste Millot

Glucks, die Degout sehr bewundert: «Die Umsetzung von Orests Wahnsinn durch Gluck ist genial! Seine Musik ist, mit Aus­ nahme einer kurzen Schlaf­szene im zwei­ ten Akt, immer völlig aufgebracht, oft bei­nahe schreiend, fast naturalistisch ver­ zweifelt. Erst im vierten Akt, wenn Orest glaubt, dass er nun endlich geopfert wird und sterben kann, scheint er auf einmal gelöst und seine Musik wird ganz ruhig.» Auf dem Album Enfers, das Stéphane Degout gemeinsam mit dem französi­ schen Dirigenten Raphaël Pichon zusam­ mengestellt und aufgenommen hat, sind Ausschnitte der Orest-Partie zu hören. «Dieses Album ist eine Art Hommage an Henri Larrivée, der in der Uraufführung von Glucks Iphigénie en Tauride den Orest gesungen hat. Wir haben dafür Nummern aus verschiedenen Werken kombiniert, welche dieser damals sehr bekannte Ba­­


28 Volker Hagedorn trifft …

Gianluca Capuano Gianluca Capuano hat in Zürich bereits Haydns «Orlando pala­di­ no», Mozarts «La finta giardiniera» und in dieser Spielzeit «La Cene­ren­ tola» geleitet. Ausserdem dirigierte er 2016 «Nor­ ma» mit Cecilia Bartoli in der Titel­rolle zur Er­ öffnung des Edinburgh Festi­val, gefolgt von Auf­ führungen in Paris und Baden-Baden sowie «Ariodante», «La donna del lago» und «Alcina» bei den Salzburger Fest­ spielen, «La Cenerentola» in Barcelona, «Orfeo ed Euridice» in Rom und «L’elisir d’amore» in Ma­ drid. Als Forscher widmet sich Gianluca Capuano, der auch ein Studium der Theoretischen Philo­ sophie absolviert hat, hauptsächlich der Musik­ ästhetik.

Brüssel zur Rushhour, ein Winternachmittag mit Sonne, die Strassen sind ebenso voll wie die Bürgersteige. Wo ist denn nur der Haupteingang des Palais des Beaux Arts, das sie einfach «Bozar» nennen? Die runde Ecke hier an der Rue Ravenstein? Mit Shops und Cafés hinter den Glastüren? Schnell mal eine SMS schreiben. Zwei Sekunden nach der Antwort «coming» sehe ich einen Mann aus dem Gebäude treten, der könnte es sein. Er ist es auch. Sie sollten bei der Agentur mal das Foto aktualisieren, ich hatte mit einem Mittzwanziger gerechnet. Gianluca Capuano schätze ich auf Anfang vierzig. Mittelgross, schlank, bärtig, freundlich, mit wachem Blick und einem Zigarillo in der Rechten. Den raucht er noch zu Ende und freut sich, dass ich mir auch eine anzünde. Auf wie verschiedene Weisen man sich mit Künstlern treffen kann! Manche habe ich auf der Bühne erlebt, andere nur kurz in der Probe, mal trifft man sich in der Kantine, mal geht man spazieren. Von den einen gibt es meterweise Archivmaterial und dreissig Mitschnitte bei Youtube. Bei anderen ist es, als vermieden sie es, allzu breite Spuren zu hinterlassen. Zu ihnen zählt Capuano, der doch mehr als gut beschäf­ tigt ist von Hamburg bis Salzburg und jetzt gerade mit Cecilia Bartoli durch Europa tourt. Dann kommt Zürich, wo er Glucks Iphigénie en Tauride dirigieren wird. «Wir können gern deutsch reden», sagt er, während wir reingehen und einen Platz im Café suchen. Da ist es zu voll und zu laut. Tiefer hinein ins Gebäude. Deutsch hat der Mailänder in Freiburg gelernt, während eines zweijährigen Stu­ diums der Philosophie. «Bei Freiburg und Philosophie fällt einem Halbgebildeten erstmal Heidegger ein», sage ich, Capuano lächelt. «Seinetwegen war ich auch da. Ich wollte bei Heideggers letzter Schülerin promovieren – aber dann wurde es mit der Musik zu viel.» Wir gehen durch immer leerere Flure, bis wir seine Garderobe erreicht haben. Er füllt an der kleinen Kaffeemaschine zwei Tassen. «Ich habe es immer geliebt, mit Stimmen zu arbeiten», meint er. «Die mysteriöse Welt der Stimmen hat viele philosophische Implikationen. Musik und Sprache sind sich in ihr so nah. Hier liegt der Schlüssel, um Musik zu verstehen. Es fasziniert die Philosophen, wie die Stimme, dieses Immaterielle, so viele Bedeutungen haben kann.» Er empfiehlt mir Flatus vocis von Corrado Bologna und verschweigt, dass er auch ein Buch publizierte. Darauf stosse ich viel später, als ich seinem Tipp nachgehe und Bologna zitiert finde in diesem Band von 220 Seiten: I segni della voce infinita (Die Zeichen der unendlichen Stimme – Musik und Schrift), vor siebzehn Jahren in Mailand erschienen. Dort kam Capuano 1968 zur Welt, und dort fand er noch vor der Philo­ sophie zur Musik. An seinen «total nicht musikalischen» Eltern lag das nicht, eher schon an einer Grossmutter, «die eine grosse Leidenschaft für die Oper hatte. Ich nehme an, das ist der Ursprung meines Interesses für Stimmen.» Und es gab einen Nachbarn, der Orgel spielte. Als der achtjährige Gianluca ihn in einem Konzert hörte, «war das die Offenbarung. Ich habe gesagt, das ist mein Instrument. Es gab Privatunter­ richt, und mit dreizehn, vierzehn habe ich im Konservatorium weitergelernt.» Zur Alten Musik führte ihn seine Liebe zu Bach und Buxtehude, «von da ging ich rückwärts zum Italien des 17. Jahrhunderts», und zwar an der wichtigsten Adresse für Italiener, die das Spiel in historischer Aufführungspraxis lernen wollen: Die ehr­ würdige Mailänder Civica Scuola di Musica, genauer, deren Institut für «Musica Anti­ca». Hier begann vor ihm auch Giovanni Antonini seinen Weg, der Flötist und Gründer von Il Giardino Armonico, und beider Wege würden sich später sinnreich kreuzen… Zunächst aber gründete Capuano, inzwischen versierter Cembalist und Barockorganist, sein Ensemble Il canto di Orfeo, und er spielte mit bei den Barocchisti, die 2012 mit Cecilia Bartoli das Album Mission mit Musik von Agostino Steffani auf­nahmen. Lassen


29

wir mal die Frage beiseite, wie und wann er ausser Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch auch noch genug Russisch lernte, um Bulgakows Der Meister und Margarita im Original zu lesen. Er war jedenfalls, dank seiner Liebe zu Stimmen, Chorleiter jener Norma vor fünf Jahren in Salzburg, bei der Antonini La Scintilla dirigierte und Cecilia Bartoli die Titelrolle sang. Und er war auch dabei, als die Produktion in Edinburgh gastierte und im letzten Moment der Dirigent ausfiel. Capuano übernahm und über­ zeugte. «Das war meine erste Erfahrung als Dirigent mit Cecilia, eine grosse Verantwor­ tung. Seitdem mache ich fast alle Produktionen mit ihr. Es gibt eine besondere Chemie. Ich liebe es, wie sie mit dem Text umgeht, das ist einzigartig.» Das heisst viel bei einem, dem die Beziehung zwischen Text und Musik und die Rhetorik so immens wichtig sind. Sie geht weit über die paar Affekte hinaus, die jeder Barockmusiker von heute kennt. «Es ist ein unendlicher Katalog, der auch theologische Aspekte hat. Früher lernten das schon die Kinder, wie Latein. Man findet dieselben Figuren bei Bach und Mozart, Gluck und Rossini, bis zum Belcanto. Man muss nur wissen, was das bedeutet, und auf der Basis musizieren. Das ändert viel, auch in der Instrumentalmusik. Die Zeichen der Komponisten sind natürlich nicht immer unmit­ telbar klar. Und um so schwächer, je weiter man zurückgeht. Unsere Arbeit ist die Hermeneutik der Zeichen, die Auslegung. Die Philosophie ist immer da!» Er lacht. Genau darin sieht er auch einen Weg zur Musik von Gluck, die nach ihrem Pariser Revival durch Hector Berlioz nie wieder anhaltend populär wurde. Bei Mozart, meint der Dirigent, könnten die wunderschönen Melodien den Musikern wie den Hörern «sozusagen ersatzweise» hinweghelfen über das verlorene Wissen, bei Gluck nicht. Der sei aber mit seinen expressiven Rezitativen ein Modell für Mozart und setze auf neue Weise fort, was Monteverdi begann, «dieses Experiment mit Monodie und sprez­ zatura, eine gewisse Freiheit, für die Stimme zu schreiben. Übrigens tat Monteverdi das mit Orfeo im selben Jahr, als in Japan das Kabuki entstand, das moderne Musiktheater. Wirklich erstaunlich!» Bis vorhin hatte ich eigentlich gedacht, in der Alten Musik sei soweit alles klar. Capuano lacht herzhaft. «In der Tat ist nichts klar! Viele Musiker haben das Verhältnis von Text und Musik total vergessen. Für mich ist es wichtig, immer mit Wissenschaft­ lern im Gespräch zu sein. Aber wer sagt, ich habe die Wahrheit gefunden, liegt falsch. Ich mag die Taliban der Alten Musik nicht, die behaupten, so habe es zu sein. Wir kommen nicht an ein Ende. Die letzte Generation hat einer obsessiven Akzentuierung abgeschworen. Man hatte am Anfang ein wenig übersehen, dass es auch eine Hori­ zontalität der Musik gibt. Aber einige Punkte sind fixiert: Bach ohne Darmsaiten kann ich mir nicht vorstellen.» Also ist er selbst doch ein bisschen «Taliban»? «Teilweise.» Er grinst. Und dass Opern meist kein bisschen «historisch» inszeniert werden? «Zum Glück! Es geht um Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, nicht um Authentizität. Wenn wir die Marienvesper von Monteverdi im Konzert hören, entspricht das auch nicht ihrem ursprünglichen Zweck. Mit dem, was man sieht, kann man die Tiefe dessen, was man hört, entdecken und verstärken. Das ist eine Idée fixe von mir. Aber ich kenne viele Kollegen, die Regisseure geradezu verabscheuen – als ob die Musik etwas Reines wäre.» Wie weit reicht sein Repertoire? Ein unhörbares Seufzen. «Jetzt bin ich vor allem Spezialist für Belcanto, natürlich freut mich das. Aber wenn mich jemand fragen würde, willst du Strawinsky oder Alban Berg dirigieren, wäre ich begeistert. Das würde ich gern machen. Auch Zeitgenössisches. Und mehr Monteverdi und Cavalli…» Als ich wieder auf der Rue Ravenstein stehe, haben wir erst 45 Minuten geredet. Wirklich? Die Zeit ist ein sonderbar Ding. Volker Hagedorn


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Olafur Eliasson, Escaped light landscape, 2020; Courtesy of the artist; neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York / Los Angeles; Photo: Alcuin Stevenson / Studio Olafur Eliasson

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Die geniale Stelle 31

Trügerische Ruhe Ein Arioso in Christoph Willibald Glucks «Iphigénie en Tauride»

Illustration: Anita Allemann

«Aber Meister, was ist das? Hier scheint Euch etwas Menschliches widerfahren zu sein. Wenn Orest von der Ruhe singt, die in sein Herz zurückkehrt, wie könnt Ihr das Orchester eine so unruhige Begleitung spielen lassen?» – «Er lügt! Er hat seine Mutter ermordet. Wie könnte er Ruhe finden?» Der sich hier so leidenschaftlich verteidigt, ist Christoph Willibald Gluck, der gerade einem erlesenen Kreis von Musikkennern Teile aus seiner neuen Oper vorgespielt hat. Dieses Gespräch, das in nahezu allen Gluck-Biografien zitiert wird, mag so oder ähnlich abgelaufen sein, die Quellen geben verschiedene Varianten, aber selbst wenn es gar nicht stattgefunden haben sollte, wäre dies eine jener Erzählungen, von denen man sagt: «Wenn sie nicht wahr ist, ist sie gut erfunden.» Denn sie öffnet die Augen für das Originelle, das bis dahin im Wortsinne «Unerhörte» der besagten Stelle, an der sich Gluck als grosser Komponist und kühner Neuerer erweist. Orest ist auf der Flucht vor seinem Gewissen und sucht rastlos nach dem Ort, wo er seiner Schuld ledig werden kann. So geriet er nach Tauris, wo ihm der Tod auf dem Altar der Diana droht und er auch noch seinen Freund Pylades mit in den Strudel der Vernichtung reisst. Als dieser anscheinend zum Tode geführt wird, gerät Orest in wilde Raserei, die in einem Zustand der Schwäche endet, den er für Frieden hält. Gluck gestaltet diesen Moment als ein Arioso, dessen Text von der zurückkehrenden, kaum noch erhofften Ruhe spricht, während die Singstimme mit ihren kleinen Tonschritten und ihrem oft langen Verharren auf einem Ton unmissverständlich hörbar macht, dass es sich um einen Schwächeanfall handelt. Das Orchester umgibt den Gesang mit einem Gewebe, das aus einem Tremolo der Bratschen und einer metrisch unruhigen Begleitung der anderen Streicher geformt ist, wobei die Bratschen fast durchgehend den Ton a spielen, während das Umfeld harmonisch bewegt ist, wodurch sich immer wieder scharfe Dissonanzen ergeben. Eine solche Separation der Ebenen, vor allem ein derartig widersprüchliches Verhältnis zwischen dem Text und seiner Vertonung war seinerzeit vollkommen neu. Gluck hat sich damit eine Möglichkeit geschaffen, tief in die Seele seines unglücklichen Protagonisten einzudringen: in die Seele des Mörders, der seiner Schuld nicht ausweicht, sondern sie auf sich nimmt, der den wohlfeilen Ausweg des «ich habe nur auf Befehl gehandelt» verschmäht, weil er die Welt und sich von der Befleckung wirklich befreien will. Die hochkomplexe psychische Situation, die Gluck zu schildern hatte, liess ihn das Tor für künftige Entwicklungen der Musikdramatik weit aufstossen und eine Technik entwickeln, die über Mozart, Wagner und die «Nervenkontrapunktik» des Richard Strauss bis in unsere Zeit verbindlich geblieben ist. Und gleichzeitig ver­ weist er mit dieser auffälligen Neuerung darauf, dass an diesem Punkt der Handlung der fundamentale ethische Gedanke der Tragödie erkennbar wird: Glucks Taurische Iphigenie ist die Erzählung von drei Menschen, die in der schlimmsten Bedrohung verzweifelt um die Bewahrung ihrer moralischen Integrität und ihrer Humanität ringen und schliesslich, darin zeigt sich Gluck als aufklärerischer Optimist, eine Veränderung der Weltordnung bewirken, so dass sie den Konflikt siegreich bestehen können. Werner Hintze


Wozzeck Die Inszenierung von Alban Bergs «Wozzeck» gehört zu den grössten künstlerischen Erfolgen der Amtszeit von Andreas Homoki. Jetzt kehrt die Produktion wieder in den Spielplan zurück. Erneut ist der Ausnahme­ sänger Christian Gerhaher in der Titelrolle zu er­ leben, für die er vor vier Jahren zum Sänger des Jahres gekürt wurde. Hartmut Haenchen steht am Pult der Philharmonia Zürich.

Andreas Homoki hat sich hier in Sachen Per­sonen­­ regie selbst übertroffen. Tagesanzeiger

Fotos: Monika Rittershaus

Wiederaufnahme 9 Feb 2020 Weitere Vorstellungen 12, 15, 18 Feb 2020


Fabio Luisi und die über alle Massen präsente Philharmonia Zürich legen nichts weniger als ein «Wozzeck»-Ideal vor. Badische Zeitung


Die Rolle des Wozzeck ist wie gemacht f端r Gerhahers lyrischen Bariton. Sunday Times London

Manchmal scheint die B端hne zu tanzen, die Ge足 stalten zu erdr端cken, sie wie Abfall wegzukippen. Die Opernwelt


Christian Gerhaher singt erstmals Alban Bergs «Wozzeck». Das an sich ist schon Erlebnis genug. Doch auch jenseits von Gerhahers sängerischer und schauspielerischer Glanzleistung ist dieser Abend grandios, weil Musik, Szene und Gesang in einer Präzision und einer Wucht zu­sammen­ wirken, wie man es selten erlebt. Süddeutsche Zeitung

Groteske, bizarre Bilder zwischen Komik und Grauen. Frankfurter Rundschau


36 Meine Rolle

Ein seelisch Leidender

Christian Gerhaher gehört zu den wichtigsten Baritonen unserer Zeit. In der Liedinterpretation setzte er neue Massstäbe, für seine Darstellun­gen auf der Opernbühne erhielt er u.a. den Laurence Olivier Award oder den Theaterpreis Der Faust. Zu seinen Partien zählen u.a. Amfortas («Parsifal»), Figaro und Conte («Le nozze di Figaro»), Don Giovanni, Debussys Pelléas, die Titelpartie in Henzes «Der Prinz von Homburg» oder Wolfram («Tannhäuser»). Ein Meilenstein war sein Debüt als Wozzeck 2015 in Andreas Homokis Inszenierung am Opernhaus Zürich. Hier war er zuletzt in der Urauf­füh­ rung von Heinz Holligers «Lunea» zu erleben.

Wozzeck ist in jeder Hinsicht eine unterprivilegierte Figur. Er ist materiell, und was seine Bildung angeht, unterlegen, sogar sexuell, denn er kann seiner Frau nicht bieten, was sie offensichtlich braucht. Dass er ein Underdog ist, berührt mich doch sehr. Im Grunde besteht ja das gesamte Personal des Stücks nur aus Underdogs. Der Herrscher über die Verhältnisse taucht nicht auf. Alle sind Getriebene, die treibende Kraft bleibt anonym. Vieles weist bei Wozzeck in Richtung einer psychischen Erkrankung. Seine Wahnvorstellungen etwa, alles sei hohl, alles schwanke. Es gibt Dinge, die nur er hört und sieht. In der Studierstube des Doktors wird Wozzeck gescholten, dass er an die Wand gepisst hat, er wird ermahnt, seine Bohnen zu essen. Irgendwann bricht es aus Wozzeck heraus, mit Worten, die nicht die seinen sind und die ihm selbst rätselhaft bleiben, weil auch das, was in ihm vorgeht, rätselhaft für ihn ist. «Sehen Sie Herr Doktor, manchmal hat man so ’nen Charakter... so ’ne Struktur... mit der Natur...» Es sind Worte, die nicht zu seinem Verständnishorizont gehören. Er redet, weil sich durch bedrängende Erlebnisse ein enormer Leidensdruck in ihm aufgebaut hat. Das ist typisch für seelisch Leidende. Sie wollen etwas loswerden, sie müssen äussern, was sie in diesem ungemein vielfältigen Erleben bedrängt und beschäftigt. Wozzeck schreibt Wahrnehmungen einen Sinn zu, den andere nicht nachvollziehen können. Er weist auf die «Schwämme» hin, «Linienkreise, Figuren, wer das lesen könnte.» Diese Tragik, etwas stark zu erleben, es aber nicht angemessen äussern zu können, habe ich im Rahmen meines Medizinstudiums oft mitbekommen. Für den Kranken hat solches Erleben eine unglaubliche Bedeutung, aber von der gesellschaftlichen Wirklichkeit ist es ausgeschlossen. Bei Büchner und Alban Berg aber wird plötzlich eine solche Persönlichkeitsstruktur und das dazugehörige Leiden zum Thema. Für mich bleibt offen, ob das, was Wozzeck visioniert, wirklich interessant ist. Wozzecks Wahnwelt ist solipsistisch. Andreas Homoki trägt dem in seiner Inszenierung in starkem Masse Rechnung. Er zeigt die Szenen aus der Sicht der Titelfigur, in surrealer Verzerrung und karikaturistischer Überzeichnung. Im Verlaufe des Stücks durchläuft Wozzeck eine Entwicklung. Am Anfang ist er hilflos und desorientiert. Der Hauptmann fährt ihn an: «Red’ Er doch was!» Wir kennen das doch alle: Wenn man einen Schweigenden anschreit, er soll endlich etwas sagen, dann sagt der erst recht nichts. Der gesamte erste Akt handelt von der maximalen Verunsicherung Wozzecks. In der Hauptmannszene, mit Andres auf dem Feld, dann in der Begegnung mit seiner Frau und dann der Doktor mit seinen unsterblichen Experimenten. Jede Szene exponiert eine existenzielle Unsicherheit Wozzecks. Im zweiten Akt entwickelt Wozzeck dann ein Selbstbewusstsein ex negativo, und das geht in Richtung Hass. Diese Entwicklung nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Wut wächst. Und er erfährt diese zunehmend als das, was seine Person ausmacht, weil er sich in ihr zum ersten Mal als nicht mehr fremdgesteuert wahrnimmt. Er wird dann im dritten Akt tatsächlich zu dem «offenen Rasiermesser», als das ihn der Hauptmann bezeichnet hat. Gleichzeitig nimmt sein Gehetztsein ab. Er ermordet Marie bewusst und planvoll. Das empfinde ich als Wozzecks Tragik: Er mordet als Akt der Selbst-Bewusstwerdung, welche ihm sonst versagt blieb. Christian Gerhaher

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Christian Gerhaher über die Titelpartie in Alban Bergs «Wozzeck»



Nussknacker und Mausekönig Mit seiner poetisch-­fantastischen Version von Tschai­kow­skis «Nuss­knacker» gelang Christian Spuck mit dem Ballett Zürich eine von Publikum und Kritik gleichermassen umjubelte Produktion. Dabei geht der Choreograf zurück zur schwarz­ roman­tischen Fantastik, die dem zugrunde­liegenden Märchen von E.T.A. Hoffmann in seiner Original­fassung innewohnt. Aus dem harm­losen Weih­nachts­ ballett-­Stoff wird so ein Vexierspiel, das virtuos mit Schein und Sein spielt und weitere Hoff­ mann-­Figuren ins Geschehen ein­führt wie die böse Frau Mauserinks und die verzauberte Prinzessin Pirlipat. Wiederaufnahme 29 Feb 2020 Weitere Vorstellungen 5, 6, 10, 20, 24, 29 März, 3 Apr 2020 Partner Ballett Zürich

Fotos: Gregory Batardon

ab



40 Fragebogen

Frédéric Antoun Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Aus Montreal, Kanada. Dort ist es etwa 20 Grad kälter als in Zürich! Auf was freuen Sie sich in der Neuproduktion Iphigénie en Tauride? Ich bin sehr neugierig darauf zu sehen, wie das Bühnenbild in dieser Produktion zum Leben erwacht. Es ist fast wie eine eigenständige Figur in dieser Oper: Es bewegt sich, dadurch entstehen Risse im Raum und durch diese Risse fällt grelles Licht ein. Es wird sehr aufregend sein, im Bauch dieser Bestie zu singen! Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Meine Bühnenerfahrung und meine Ge­sangsstunden. Ich hatte grosses Glück, am Curtis Institute of Music in Phi­la­del­phia angenommen zu werden; da­neben durfte ich während drei Jahren an vielen anderen Orten arbeiten. Ich war weniger als sechs Monate pro Jahr in Philadelphia, während ich meine ersten professionellen Rollen auswärts gesungen habe. Trotzdem haben sie mir grosszügigerweise Gesangs­stunden und Coachings und zahlreiche andere praktische Erfahrungen er­möglicht, die für die Vorbereitung auf meine pro­ fessionelle Karriere sehr wichtig waren. Es war ein Segen! Welches Buch würden Sie niemals weggeben? Shogun und Shantaram habe ich sehr gerne gelesen. Die einzigen Bücher, die ich zweimal gelesen habe, waren Der Graf von Monte Christo und Die drei Musketiere von Dumas. Meine Muttersprache ist ja Französisch, und Dumas ist mein Lieblingsschriftsteller, weil seine Texte unglaublich lyrisch sind. Ich kann mich als Opernsänger mit ihm identifizieren! Welche CD hören Sie immer wieder? Brad Mehldaus Live in Marciac und Canadiana Suite vom Oscar Peterson

Trio. Auf der CD Live in Marciac spielt Brad Mehldau alleine für fast zwei Stunden Klavier und improvisiert neben virtuosen Jazz-Kontrapunkten auch lyrische, melancholische Melodien, die den Zuhörer direkt ins Herz treffen. Und Canadiana Suite ist einfach eines der besten Alben dieses grossartigen Montrealers. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Unseren Beamer. Er projiziert das Bild auf eine einfache weisse Wand, und das ist ebenso packend wie angenehm für das Auge. Ich empfehle jedem, statt eines Fernsehers einen Beamer zu kaufen! Mit welchem Künstler würden Sie gerne essen gehen, und worüber würden Sie reden? Sehr schwierige Entscheidung… Ludwig van Beethoven wahrscheinlich. Wir würden natürlich über den kreativen Prozess, die Inspiration und, wieso nicht, über die Bedeutung des Lebens reden. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! 1. Wir sind die Glücklichen auf diesem Planeten. 2. Es gibt immer etwas zu lernen, das deinen Geist und dein Herz öffnen wird. 3. Wenn du die Menschen respektierst, wird das sowohl dein als auch deren Leben besser machen. Harmonie!

Der Tenor Frédéric Antoun ist Kanadier und stammt aus Québec. Am Opernhaus Zürich stand er bereits in «Les Pêcheurs de perles», «Così fan tutte» und «Semele» auf der Bühne. In «Iphigénie en Tauride» singt er den Pylades.


Kalendarium 41

Februar 2O2O Sa Coraline 1

11.00

PATHELIVE

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

15.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

BALLETT

Forsythe

19.00

IM KINO LIVE AUS MOSKAU

Choreografien von William Forsythe Preise C

So 2  Ballettgespräch

11.15

SONNTAG, 23. FEBRUAR | 16:00 UHR

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Brunchkonzert

11.15

«Souvenir de Florence» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Iphigénie en Tauride Premiere

19.00

Oper von Christoph Willibald Gluck Premieren-Abo A, Galapreise

Mo Lunchkonzert 3

12.00

Di 4  Iphigénie en Tauride

19.00

Oper von Christoph Willibald Gluck Premieren-Abo B, Preise G

Mi 5  open space tanz

19.00

Wöchentlicher Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Treffpunkt Billettkasse, Eintritt frei

Do 6  Iphigénie en Tauride

19.00

Oper von Christoph Willibald Gluck Donnerstag-Abo B, Preise G

Fr 7  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Forsythe

19.30

Choreografien von William Forsythe Preise H, AMAG Volksvorstellung

Sa Coraline 8

11.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Märchen auf dem Klangteppich «Honk!»

15.30

TICKETS AB SOFORT ERHÄLTLICH UNTER: pathe.ch

«Souvenir de Florence» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Iphigénie en Tauride

19.00

Oper von Christoph Willibald Gluck Samstag-Abo, Barock-Abo, Franz. Oper-Abo, Preise G

So Fidelio 9

14.00

Oper von Ludwig van Beethoven Sonntag-Abo A, Preise E

Märchen auf dem Klangteppich «Honk!»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Wozzeck Wiederaufnahme

20.30

Oper von Alban Berg Preise H, AMAG Volksvorstellung

1O  Mo Liederabend Benjamin Bernheim

19.00

Carrie-Ann Matheson, Klavier Lieder-Abo, CHF 60

Di 11  Iphigénie en Tauride

19.00

Oper von Christoph Willibald Gluck Dienstag-Abo A, Belcanto-Abo, Preise G

12 Mi Wozzeck

19.00

Oper von Alban Berg Mittwoch-Abo A, Preise E


42 Kalendarium

14 Fr Forsythe 19.00

Choreografien von William Forsythe Freitag-Abo A, Preise C

15 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei

Wozzeck

15.30

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Alban Berg Dienstag-Abo C, Preise E

16  Einführungsmatinee «Arabella» So

11.15

Coraline

14.00

Bernhard Theater, CHF 10

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Iphigénie en Tauride

20.00

Oper von Christoph Willibald Gluck La Scintilla-Abo, Preise H, AMAG Volksvorstellung

18 Di Wozzeck 19.30

Oper von Alban Berg Modern-Abo, Deutsche Oper-Abo, Preise E

24  Mo Mescolare – Dinner mit Musik

19.00

26 Mi open space tanz

19.00

19.00

19.00

Choreografien von William Forsythe Misch-Abo B, Preise C

22 Sa Führung Opernhaus 14.00

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Forsythe

19.00

Choreografien von William Forsythe Ballett-Abo Klein, Preise C

23 So Beethoven / Debussy / Ravel

11.15

4. Philharmonisches Konzert Fabio Luisi, Dirigent; Beatrice Rana, Klavier Konzert-Abo, Beethoven-Abo, Preise Q

Iphigénie en Tauride

18.00

Oper von Christoph Willibald Gluck Sonntag-Abo D, Misch-Abo C, Preise F

Oper von Christoph Willibald Gluck Freitag-Abo B, Preise F

29 Sa Coraline 11.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Märchen auf dem Klangteppich «Der Nussknacker» 15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Nussknacker und Mausekönig 19.00

Ballett von Christian Spuck Samstag-Abo, Preise D

Billettpreise  in CHF

Oper von Christoph Willibald Gluck Donnerstag-Abo A, Preise F

21 Fr Forsythe

Wöchentlicher Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Treffpunkt Billettkasse, Eintritt frei

28 Fr Iphigénie en Tauride

2O  Do Iphigénie en Tauride

19.00

Französischer Abend mit dem Internationalen Opernstudio, Restaurant Belcanto, CHF 95

Preise A Preise B, Kinder Preise B, Erwachsene Preise C Preise D Preise E Preise F Preise G Gala Preise Preise H Preise K, Kinder Preise K, Erwachsene Philh. Konzerte Q Legi (Preise A-C, K, P) Legi (Preisse D-F)

1

2

3

4

5

92 35 141 169 198 230 270 320 380 75 35 60 95 35 45

76 25 126 152 173 192 216 250 320 59 25 50 80 25 33

65 20 113 130 152 168 184 220 280 44 20 40 65 20 25

43 18 56 56 92 95 98 98 120 25 18 30 50 18 20

16 13 20 20 32 35 38 38 45 15 13 20 35 13 15

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


43

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli, Corina Farkas Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Michael Mix Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard Beni Bischof

Partner

Produktionssponsoren

Neue Zürcher Zeitung AG

AMAG

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

Evelyn und Herbert Axelrod

StockArt – Stiftung für Musik

Freunde der Oper Zürich

Elisabeth Stüdli Stiftung

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung

Projektsponsoren

Elisabeth Weber-Stiftung

Baugarten Stiftung

Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung

René und Susanne Braginsky-Stiftung Clariant Foundation

Förderer

Freunde des Balletts Zürich

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

Ernst Göhner Stiftung

Garmin Switzerland

Kühne-Stiftung

Goekmen-Davidoff Stiftung

Ringier AG

Horego AG

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung

Sir Peter Jonas

Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung

Richards Foundation

Swiss Life

Luzius R. Sprüngli

Swiss Re

Madlen und Thomas von Stockar

Zürcher Kantonalbank Gönner Accenture AG Josef und Pirkko Ackermann Alfons’ Blumenmarkt

MAG Abonnieren  MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

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44 Beni Bischof erklärt …

Einspringer sind an einem Opernhaus die Retter in höchster Not. Man engagiert sie kurzfristig, weil eine Sängerin oder ein Sänger krank geworden ist. Fieberhaft wird nach ihnen gefahndet, und manchmal werden sie von sehr weit her geholt: Das Opernhaus Zürich hat in der vergangenen Spielzeit eine Gastsängerin aus dem Urlaub auf Guadeloupe einfliegen lassen, weil kurzfristig kein anderer Ersatz zu finden war. Die Einspringer werden vom Publikum zwar mit Dankbarkeit und Nachsicht bedacht, aber Nerven wie Drahtseile brauchen sie trotzdem: Oft kennen sie weder das Haus, noch den Dirigenten und die Inszenierung. Gestern lagen sie noch am Strand, aber jetzt gleich müssen sie singen...

Illustration: Beni Bischof

Der Einspringer


SALZBURGER FESTSPIELE PFINGSTEN 29. MAI — 1. JUNI 2020

La couleur du temps

Die Farbe der Zeit Pauline Viardot-Garcia (1821—1910)

Das Erscheinen von Mlle Garcia wird als ein Meilenstein in die Geschichte der Kunst, von Frauen ausgeübt, eingehen. George Sand, 1840

OPER Donizetti

DON PASQUALE Detail aus Hippolyte Bayard, [Arrangement of Specimens], 1842, Blaudruck. The J. Paul Getty Museum, Los Angeles

BALLETTOPER Gluck / Berlioz

ORPHÉE

FESTKONZERT

UNE AFFAIRE DE FAMILLE GEISTLICHES KONZERT

Künstlerische Leitung

Cecilia Bartoli

FAURÉ-REQUIEM ARIENKONZERT

ÉCOLE CLASSIQUE LIEDERMATINEE

JEUX D’ESPRIT — „VIVICA & VIARDOT“ www.salzburgfestival.at



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