MAG 13: Faust

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MAG 13

Pavol Breslik singt Faust


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Editorial 1

Lebemänner und Gespenster Verehrtes Publikum, erinnern Sie sich noch an Ben Gunn aus der vergangenen Spielzeit? Das war der genial durchgeknallte, schweizerdeutsch sprechende Waldschrat, der als lebendes Dschungelkraut durch unsere Familienoper Die Schatzinsel tobte und am Ende als Einziger wusste, wo der sagenumwobene Goldschatz vergraben war. Die Kinder haben ihn geliebt und in nahezu jeder Vorstellung aus tausend Kehlen «Zugabe» geschrien, wenn er am Ende zur Verbeugung vor den Vorhang trat. Ben Gunn und seine rustikale Piraten-Rabaukentruppe standen dafür ein, dass Oper nicht nur eine Kunstform für Eingeweihte ist. Siebzehn Mal haben wir Die Schatzinsel in der vergangenen Spielzeit erfolgreich gespielt, so oft wie kein anderes Stück. Und Die Schatzinsel hat auf allerfröhlichste Weise eingelöst, was wir uns am Opernhaus Zürich fest vorgenommen haben: Wir wollen die Oper für neue Publikumsschichten öffnen. Deshalb gibt es auch diesen Herbst eine neue Familienoper, wieder im grossen Haus, wieder mit dem ganzen Theaterzauber, den ein Opernhaus zu bieten hat, und wieder ist es eine Auftragskomposition, die eigens für Zürich geschrieben wurde – Das Gespenst von Canterville in Anlehnung an die Erzählung von Oscar Wilde. Man darf unsere Gespensteroper durchaus als Kontrastprogramm zu der Halloween-Mode verstehen, die jeden Herbst in die Kinderzimmer schwappt und immer weitere Kreise zieht. Dem vom Kommerz getriebenen Halloween-Partytreiben stellt das Opernhaus ein Theatererlebnis entgegen, das mehr bietet als ausgehöhlte Kürbisköpfe und wohlfeile Gruselschockeffekte. Was freilich nicht heisst, dass es bei uns nichts zum Gruseln gäbe: Unser technischer Direktor Sebastian Bogatu

MAG 13 / November 2O13 Unser Titel zeigt Pavol Breslik, ein Porträt finden Sie auf Seite 24 (Foto Florian Kalotay)

hat angekündet, dass es die Bühnentechnik im Gespenst von Canterville mit den Harry-Potter-Kinofilmen aufzunehmen versucht (Seite 9), und er ist eigentlich kein Mann leerer Versprechungen. Bevor aber die Gespenster fliegen, bringen wir einen französischen Lebemann namens Faust auf die Bühne. Er hat nur bedingt Gemeinsamkeiten mit dem deutschen Gelehrten, der in Goethes Schauspiel ergründen will, was die Welt im Innersten zusammenhält. Er ist die Titelfigur in Charles Gounods gleichnamiger Oper und kein Mann des philosophischen Tiefsinns sondern des ungezügelten Amüsements. Gounods Oper ist im 19. Jahrhundert in der Zeit des französischen Zweiten Kaiserreichs entstanden, einer Epoche voller Libertinage und Doppelmoral, was unser MAG-Team auf die Idee brachte, einmal den Widerspruch zwischen der hedonistischen Konsumlust unserer Tage und einer gleichzeitig immer präsenteren Verbotskultur zu thematisieren. Unsere Neuproduktion von Faust wird getragen von durchweg jungen Protagonisten: Der deutsche Regisseur Jan Philipp Gloger, dessen Blitzkarriere ihn schon bis nach Bayreuth führte, inszeniert zum ersten Mal am Zürcher Opernhaus. Der Dirigent Patrick Lange dirigiert seine erste Neuproduktion in Zürich und der Tenor Pavol Breslik wagt den Sprung ins französische Repertoire und gibt ein mit Spannung erwartetes Rollendebüt als Faust. Viele Themen, die wir in eine umfangreiche MAG-Ausgabe gepackt haben. Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Claus Spahn


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Inhalt 3

Tatjana Gürbaca ist «Regisseurin des Jahres»

6 Jan Philipp Gloger inszeniert Faust von Charles Gounod. Ein Gespräch

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Wiederaufnahme: Jenůfa von Leoš Janáček

28 Familienoper: Das Gespenst von Canterville. Komponist Marius Felix Lange und Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic im Gespräch

36 6 Oper aktuell 7 Drei Fragen an Andreas Homoki 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 30 Die geniale Stelle

Filzstiftporträt 44 Vorhang zu! 46 Kalendarium und Serviceteil 47 Sibylle Berg geht in die Oper 52


KALORIEN FÜR DEN KRAFTAKT Essen Tänzer eigentlich in der Kantine oder knabbern sie nur Salatblätter in der Garderobe? Wir haben Mitgliedern unserer Ballettcompagnie auf den Teller geschaut und festgestellt: Auch sie lieben Hackbraten. Benoît Favre isst ihn mit Gemüse, Juliette Brunner mit Penne Gorgonzola und Katja Wünsche mit Salat. Nur William Moore, dem Stärksten, reichen Toastbrot, Mandarinen und eine überreife Banane.


BenoĂŽt Favre

Katja WĂźnsche

Juliette Brunner

Fotos Stefan Deuber

William Moore


Oper aktuell 6

Gedenkmatinee Gratulation! Tatjana Gürbaca wurde im Rahmen der Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt als «Regisseurin des Jahres» ausgezeichnet. Dazu Andreas Homoki, der sie letzte Spielzeit erstmals nach Zürich einlud: «Ich gratuliere Tatjana von Herzen. Ihren Zürcher Rigoletto halte ich für eine der gelungensten Inszenierungen der letzten Jahre. Glaubwürdige Figuren, Einfachheit und Konzentration auf das Wesentliche zeichnen diese hervorragende Arbeit aus. Ich freue mich, dass Zürich für sie zu einem wichtigen Standbein wird.» Im Frühling wird Tatjana Gürbaca hier Verdis Aida inszenieren. Auch Victoria Behrs Auszeichnung als «Kostümbildnerin des Jahres» freut uns – auschlaggebend waren u.a. ihre Kostüme für unsere Produktion von Péter Eötvös’ Drei Schwestern. Tatjana Gürbaca

Der ungarische Bass László Polgár gehörte während vieler Jahre zum Ensemble der Oper Zürich und blieb dem Haus bis zu seinem Tod vor drei Jahren eng verbunden. Er hat hier zahlreiche Rollen seines Fachs auf unvergessliche Weise gesungen und dargestellt. In der Gedenkmatinee bringen die ungarische Sopranistin Andrea Rost und die Pianistin – und Tochter des Sängers – Judit Polgár Lieder aus seiner Heimat, von Bartók, Kodály und Ligeti sowie von Schumann, Mozart und Strauss zur Aufführung. 10 Nov, 11 Uhr, Spiegelsaal

Strings for Holiday Das Leben der Jazz-Ikone Billie Holiday (1915-1959) war kurz und intensiv. In frühen Jahren musste sie den Hintereingang benutzen, wenn sie gemeinsam mit weissen Künstlern auftrat. Mitte des Jahrhunderts hatte sie ihre grosse Zeit und trat in der Carnegie-Hall, der MET und auf einer Europa-Tournee auf. 1959 starb sie in New York – angeblich mit 70 Cent auf dem Konto. Doch ihre Musik bleibt unvergessen. Im nächsten Brunch-/Lunchkonzert interpretieren Daniel Schnyder (Saxophon), Heiri Känzig (Bass), Toni Renold (Drums) und Streicher der Philharmonia Zürich Standards von Billie Holiday.

Ohrwurm «Squillo» Der italienische Compositore Gioachino Rossini weiss viel über Musik zu erzählen. Zum Beispiel über die Entstehung seiner Märchenoper La cenerentola. Im Opernhaus, wo seine Stücke aufgeführt werden sollen, findet sich der Compositore hingegen nicht so gut zurecht. Zum Glück kommt ihm der Ohrwurm «Squillo» zu Hilfe. Dieser wohnt schon seit über hundert Jahren in einer Wandritze des Opernhauses und kennt jeden Winkel und viele Geschichten... Unterwegs mit Ohrwurm «Squillo»: unser Musiktheaterpädagoge Roger Lämmli begleitet 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern auf einem Rundgang durchs Opernhaus. 16, 30 Nov, 14 Uhr, Treffpunkt Billettkasse

Weitere Termine finden Sie auf der Homepage

Büchner-Ballette Nach der erfolgreichen Premiere von Christian Spucks Ballett Woyzeck steht ab dem 15. November auch wieder dessen beliebte Leonce und Lena-Choreografie auf dem Spielplan. Damit zeigt das Ballett Zürich gleich zwei Stücke nach Werken von Georg Büchner, dessen 200. Jahrestag in diesem Jahr gefeiert wird. «Woyzeck»

Brunchkonzert: 3 Nov, 11.15 Uhr,

25, 27 Okt, 2, 8, Nov, 3, 13, 15, 19, 21 Dez 2013

Bernhardtheater

«Leonce und Lena»

Lunchkonzert: 4 Nov, 12 Uhr Spiegelsaal

15, 17, 21 Nov 2013, 17, 19 Jan 2014


Drei Fragen an Andreas Homoki 7

Foto: Stefan Deuber

Am 23. November hat das Gespenst von Canterville Premiere. Nach der Schatzinsel in der vergangenen Spielzeit ist es bereits die zweite abendfüllende Kinderoper Ihrer Intendanz. Warum ist Ihnen dieses Genre so wichtig? Zunächst, weil es ganz einfach Spass macht! Kinder sind in ihrer direkten und unverfälschten Art ein dankbares, aber auch ein sehr anspruchsvolles Publikum. Es ist wichtig, dass sich die Oper nicht nur gegenüber allen gesellschaftlichen Schichten öffnet, sondern auch gegenüber allen Altersstufen. Kinder sollten Oper schon früh lieben lernen und erkennen dürfen, dass sie eine Bereicherung in ihrem Leben sein kann, und dass Oper ein Medium ist, das uns unterhält, erheitert, anrührt und zum Nachdenken bringt. Was macht eine gute Kinderoper aus? Ob die Musik nun aus Liedern, Schlagermusik, Salsa, Jazz oder Zwölftonmusik besteht, ist nicht so relevant. Wichtig ist, dass wir eine spannende Geschichte erzählen und glaubwürdige Figuren auf der Bühne haben. Nie sollte der Gedanke aufkommen, dass hier ein Sänger steht, der etwas Schwieriges zu singen hat! Das Besondere der Figur muss in den Vordergrund treten, die Figur muss mich interessieren. Es gibt ja immer wieder Bemühungen, einen bei Erwachsenen beliebten Opernstoff für Kinder zu adaptieren und dadurch eine Brücke zum späteren Opernkenner zu schlagen. Diesen Weg finde ich falsch, da die Kinder nicht wirklich ernst genommen werden. Das ist ein zu durchschaubarer Bildungsanspruch. Natürlich bilden wir auch, aber wir wollen vor allem gutes Theater machen. Und Theater ist viel mehr als Bildung, Theater ist etwas Allumfassendes! Ich finde es wichtig, nach Geschichten zu suchen, die Kinder interessieren: Abenteuergeschichten, Piratengeschichten, Märchenstoffe

oder wie in dieser Spielzeit: Gespenstergeschichten. Das Gespenst von Canterville, das auf einer Novelle von Oscar Wilde basiert, ist streng genommen keine Kindergeschichte, wendet sich aber an alle jung gebliebenen Menschen. Es ist eine sehr philosophische Erzählung, die tiefgründige Fragen nach dem Leben und dem Tod beinhaltet, jedoch in einer sehr witzigen Form. Wir haben die Novelle etwas modernisiert, Szenen vereinfacht, Figuren anders gefärbt und sie auch unserem Standort Zürich angepasst: So ist die ursprünglich amerikanische Familie jetzt eine Schweizer Familie geworden. Die Musik dazu hat der Komponist Marius Felix Lange geschrieben, dessen Kinderoper Opernschiff mich in Köln sehr überzeugt hat: Es ist eine unverkrampfte Musik, die auch interessante lateinamerikanische Elemente einbezogen hat. Die neue Spielzeit hat gerade erst begonnen, und schon gab es eine positive Überraschung: Zimmermanns Soldaten haben Publikum und Presse gleichermassen überwältigt. Was freut Sie an diesem Erfolg besonders? Mich freut zuallererst, dass es eine grossartige Inszenierung und eine in jeder Hinsicht kraftvolle Aufführung geworden ist. Die Entscheidung, das Orchester auf die Bühne zu setzen, erwies sich als goldrichtig – auch was die Akustik angeht. Der Abend ist geprägt durch eine enorme Ensembleleistung. Und es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Frage «modern» oder «nicht modern» völlig uninteressant ist. Es gibt nur einen Unterschied: die Qualität. Da freue ich mich sehr, dass das Zürcher Publikum erneut so offen reagiert hat und uns ausverkaufte Vorstellungen beschert hat. Dass der gefürchtete «Skandalregisseur» Calixto Bieito mit dieser hochseriösen Arbeit sich zum «Liebling der Zürcherinnen und Zürcher» gewandelt hat, ist eine erfreuliche Ironie.



Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 9

Fliegende Gespenster Die technische Umsetzung von Die Schatzinsel und Der fliegende Holländer stellte uns in der letzten Spielzeit vor das Problem, dass Piraten und Geisterschiffe durch den Film Pirates of the Caribbean besonders eindrücklich gezeigt worden sind. Ein Schiff so zu bauen, dass es alt und verwittert aussieht, ist für unsere Werkstätten kein Problem. Es aber durch Wellengang und Sturm mit donnernden Kanonen auf den Zuschauer zufahren zu lassen, während eine Krake ihre Fangarme darum schliesst und Darsteller aus den Wanten fallen – das ist auf der Bühne nicht so realistisch umzusetzen. Im Film behilft man sich mit der digitalen Nachbearbeitung – das ist auf der Bühne nicht möglich. Bei der Schatzinsel und im Holländer haben wir deshalb bewusst auf realistische Effekte verzichtet. Für Das Gespenst von Canterville hingegen geben wir alles: Fliegende Geister, schwebende Kerzen, ein lebendiges Porträt, bewegte Fackelhalterungen, ein Kaminfeuer, Fledermäuse, überdimensionale Ritterrüstungen, ein magischer Blutfleck, fahrende Sessel – kurz: Hier versuchen wir es mit den Harry Potter-Filmen aufzunehmen! Dass dies möglich wird, verdanken wir dem Einfallsreichtum unserer Mitarbeitenden. Herausragend sind der Erfindergeist und das persönliche Engagement von Andreas Gatzka, dem Leiter unserer Theaterplastik, der in monatelanger Arbeit Rüstungen zum Leben erweckt hat.

Der Entwurf des Bühnenbildners Paul Zoller sieht vier Rüstungen vor, die an den Seitenwänden montiert sind und Arme, Beine und den Kopf bewegen sollen. Die Komplexität liegt darin, dass die Rüstungen frei auf Sockeln stehen und die Bewegungen somit ferngesteuert werden müssen. Die Bedienung erfolgt verdeckt über Hebel, die einige Meter von den Rüstungen entfernt hinter den Seitenwänden des Bühnenbildes angebracht sind. Von dort laufen Drahtseile gebündelt von unten durch den Sockel in die Rüstungen und können ähnlich einem Muskel die gelenkig gelagerten Arme, Beine und den Kopf bewegen. Um alle möglichen Bewegungen gleichzeitig auszuführen, müssen bis zu neun Hebel pro Rüstung gesteuert werden – das ist eine riesige Herausforderung für unsere Statisterie, die diese Aufgabe übernimmt. Für die Rüstungen wurde in unserer Metallwerkstatt ein Stahlskelett mit vielen Gelenken gebaut. Dieses wurde in der Theaterplastik mit tiefgezogenen Rüstungsplatten aus Kunststoff belegt, die wiederum in der Theatermalerei silbern angemalt wurden. Ich freue mich schon jetzt auf die glänzenden Augen unserer jungen Gäste, wenn wir sie in diese fantastische Welt entführen können – dafür geben wir gerne alles! Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich und hat drei Kinder


Foto Michael Christopher Brown / Magnum Photos


Alles ist erlaubt!


Foto Michele Limina / Keystone


Alles ist verboten!


Faust 14

Der drohende Zeigefinger In Charles Gounods Oper «Faust» lässt eine zügellose Amüsiergesellschaft die Puppen tanzen. Zugleich herrscht eine strenge Moral: Marguerites uneheliches Kind ist eine Schande. Heute ist das kaum anders – der Lust am Genuss steht eine strenge Verbotskultur gegenüber. Eine Polemik von David Signer

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anche sagen, wir seien noch nie so frei gewesen wie heute, und es existiere vermutlich keine andere Gesellschaft, die es in puncto Freiheit mit der unseren aufnehmen könne. Es gibt vieles, was für diese Ansicht spricht. Zugleich beschleicht uns jedoch manchmal das Gefühl, wir würden von immer mehr Verboten und Verhaltensnormen eingekreist. Schauen wir uns ältere Filme an oder reisen in andere Länder, kann uns Neid ergreifen: Leben andere Gesellschaften nicht intensiver, sorgloser und ungezügelter als wir in unserer wohltemperierten Sicherheitszone? Es gibt einen seltsamen Widerspruch: Einerseits sind wir stolz auf unseren Individualismus und Liberalismus. Selbstverwirklichung und Selbstverantwortung gelten als höchste Tugenden. Andererseits gibt es eine unübersehbare Tendenz zur Bevormundung des Einzelnen und zu sozialpädagogischem Moralisieren. Wir geben uns zwar gerne als hedonistische Genussmenschen. Medien und Werbung suggerieren uns permanent, dass wir selber blöd sind, wenn wir uns nicht alles, was Spass macht, schnappen, und zwar sofort. Heutzutage haben wir kein schlechtes Gewissen, wenn wir unseren Gelüsten nachgeben, sondern wenn wir ihnen nicht nachgeben. Die Angst ist gross etwas im Leben zu verpassen, das alle anderen

schon genossen haben. Zugleich erscheinen jedoch Tabak, Alkohol und andere Drogen zunehmend nur noch in einem gesundheitsschädlichen oder psychopathologischen Kontext. Kürzlich wurde ein 75-Jähriger durch ein Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf nach 40 Jahren aus seiner Wohnung geworfen. Sein Vergehen: Er hatte in den eigenen vier Wänden geraucht. Da hatten die Mieter in Premnitz noch Glück. Weil sie sich auf dem Balkon regelmässig ein paar Zigaretten gönnten, beschwerten sich die Nachbarn. Der Richter befand, von einer Belästigung könne man erst ab 20 Zigaretten pro Tag sprechen. Man ahnt es schon: Spätestens in ein paar Jahren ist auch in Premnitz fertig lustig. In Australien ist man schon einen Schritt weiter: Dort wurde entschieden, dass Kinder nicht mal mehr Kerzen auf dem Geburtstagskuchen ausblasen dürfen. Wegen der Keime, die so verbreitet werden. Ist es trotz allem irgendwann irgendwo mal möglich, zu einer Zigarette zu greifen, kommen wir nicht am Anblick von zerstörten Lungen, Fixerspritzen, toten Föten und der Mahnung «Rauchen tötet» auf der Packung herum. Essen galt einst als Privatsache. Tempi passati. Fleisch und Fisch zu essen gilt vielen bereits per se als mörderisch, selbstmörderisch oder beides zugleich. Im Rahmen der


Faust 15

generellen Problematisierung des Essens wurde in Dänemark nun eine Fettsteuer eingeführt. 16 Kronen, also etwa 2,60 Franken pro Kilo, um genau zu sein. Es handelt sich dabei natürlich um eine pädagogische Massnahme: Die Dänen sollen weniger böses Fett essen. Die Konsumenten reagierten allerdings vorerst ungesund: Es kam zu gigantischen Hamsterkäufen. Und die Produzenten sprechen von einem bürokratischen Albtraum. Denn sie müssen nicht nur das Fett in den jeweiligen Lebensmitteln bestimmen, sondern auch beispielsweise das bei der Zubereitung benutzte Frittieröl. Das Lustige ist, dass selbst die Fachleute nicht ernstlich davon ausgehen, dass eine solche Strafmassnahme das Ernährungsverhalten ändert. «Wenn die Leute einen Kuchen kaufen wollen, dann kaufen sie ihn», lautet der Tenor. Egal, Ungarn zieht nach und hat eine Spezialsteuer nicht nur für Fett, sondern auch gleich noch für Zucker und Salz eingeführt. In Schottland können übergewichtige Kinder den Eltern entzogen werden. In der Schweiz ist man noch nicht ganz so weit. Aber auch hier riskieren Kinder und ihre Eltern scharfe Zurechtweisungen von der Schule, wenn die Kleinen ein Gipfeli, Süssmost oder Grosis Quittenschnitten im Znünitäschli verstecken. Jeder weiss schliesslich, dass Weissbrot und Zucker schädlich sind. Auf dem Zürichsee wurde kürzlich ein Vater in Handschellen gelegt, weil er trotz Essverbot seinem Sohn einen Apfelschnitz in den Mund steckte. Da hat man Lust, die Flucht zu ergreifen. Aber Achtung! Fliegen und Autofahren sind unökologisch; wer zwei Mal zu schnell gefahren ist, wird als Raser, ja potentieller Mörder gebrandmarkt und mit horrenden Bussen bestraft. Reisen und Tourismus sind strenggenommen sowieso unmoralisch: Sie zerstören fremde Kulturen.

Wir wollen Bier ohne Alkohol, Rahm ohne Fett und Sex ohne Körper Was noch? Partys, laute Musik und sogar Kinder werden zunehmend unter der Kategorie «Lärmemission», Ruhestörung und Erregung öffentlichen Ärgernisses wahrgenommen. Ist ein Kind in der Schule besonders lebhaft, wird es zwar nicht mehr mit der Rute gezüchtigt, aber in die psychologische Abklärung geschickt und mit Ritalin abgefüllt. Wer im Garten oder auf dem Balkon grillt, ist eine Zumutung, wer in der Tram laut telefoniert ein Egoist. Und und und. Diese Mimosenmentalität führt dazu, dass wir, wie der slowenische Philosoph Slavoj Žižek sagt, Rahm heute vorzugsweise ohne Fett, Cola ohne Kalorien, Bier ohne Alkohol,

Kaffee ohne Koffein und Sex ohne realen Körper serviert bekommen. Bei der Sexualität wird der Widerspruch besonders deutlich. Einerseits sind wir einer permanenten medialen Reizüber flutung ausgesetzt. Andererseits hat «reale» Sexualität rasch den Ruch von Belästigung, Missbrauch oder Ausbeutung. Auf Seitensprünge reagiert man – insbesondere in den USA – geradezu hysterisch. Der Golfstar Tiger Woods musste sich reumütig und öffentlichkeitswirksam in eine Klinik begeben, um seine «Sexsucht» zu behandeln. Dies

Alles muss heute problematisiert werden scheint die zeitgenössische Version von Beichte, Pranger und Selbstkasteiung zu sein. Die Dämonisierung der Prostitution ist schon so weit gediehen, dass in Schweden ein Freier das Gefängnis riskiert; in Frankreich macht sich eine Frau, die in einem Minirock und mit Kondomen in der Handtasche an einer Bushaltestelle steht, potenziell strafbar. In den USA führen der Belästigungsfuror und die sogenannte «Verhandlungsmoral» soweit, dass sich manche Colleges einen eigenen Verhaltenskodex auferlegt haben. Bei Zärtlichkeiten soll man sein Gegenüber bei jedem Schritt um Erlaubnis fragen: «Ist es okay für dich, wenn ich dich nun auf den Hals küsse? Darf ich dir nun an den Po fassen? Versprichst du mir, mich nicht zu verklagen?» Gibt es eigentlich noch harmlose Vergnügungen? Vielleicht Zeichentrickfilme? Falsch! Kürzlich wurde in einer Zeitung «SpongeBob» problematisiert. Amerikanische Forscher fanden heraus, dass bereits ein neunminütiger Konsum der beliebten Zeichentrickserie Kinder dumm, unruhig und aggressiv mache. Vierjährige schauten sich Schwammkopf ein paar Minuten an und konnten dann angeblich bereits nicht mehr richtig lernen. Natürlich sollte man Kleinkinder nicht stundenlang vor den Fernseher setzen, aber bei solchen «Studien» sind es die Erwachsenen, die für dumm verkauft werden. Alles, alles muss heute problematisiert werden. Problematisiert! Man müsste mal das Wort «problematisieren» problematisieren. Wir befinden uns in einem krankmachenden Double Bind, das heisst, wir sehen uns zwei Anforderungen gegenüber, die sich eigentlich ausschliessen: «Geniesse mehr, tu es, hol es dir, überschreite jede Grenze, mach, was du schon immer machen wolltest, sei du selbst, akzeptiere keine Einschränkungen!» versus «Tue nichts, was dir oder irgendjemandem Schaden zufügen könnte, achte darauf, deine Reinheit durch nichts beschmutzen zu lassen, stirb am besten dereinst kerngesund!». Würden wir in einem totalitären, repressiven


Faust 16

Regime leben, wäre der Fall immerhin klar. Dann könnte man sich heimlich treffen und den Aufstand proben. Hier hingegen ist der Fall komplizierter: Erstens leben wir in einer Demokratie, und die um sich greifende gouvernantenhafte Hysterie wird weitherum akzeptiert. Oft ist es die Bevölkerung selbst, die immer noch mehr Repression fordert und grimmig darüber wacht, dass sich auch jeder duckt. Und zweitens wiegen wir uns entgegen der immer engmaschigeren Kontrolle in der Illusion einer einzigartigen Freiheit. Aber vielleicht ist gerade dies das Raffinierte am «Zivilisationsprozess» und an der zunehmenden Disziplinierung: Sie geht einher mit einer Unbewusstmachung. Entgegen der wachsenden Repression glauben die Leute, es sei noch nie so zügellos zu und her gegangen wie heute, es sei dringend nötig, wieder mal ein bisschen aufzuräumen und die Wüstlinge – auch in ihrem eigenen Interesse! – an die Kandare zu nehmen.

So arbeiten wir an unserer eigenen Infantilisierung und merken es nicht einmal. Es ist fünf vor Zwölf; höchste Zeit, die Sau rauszulassen – bevor sie stirbt. David Signer ist NZZ-Redaktor, Ethnologe und Autor. Zuletzt erschien von ihm «Weniger Verbote! Mehr Genuss! – Ein Aufruf gegen die Entmündigung.»


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Dieser Faust will nur Genuss Jan Philipp Gloger inszeniert zum ersten Mal am Opernhaus Zürich. In Gounods Oper «Faust» kann er nicht viele Gemeinsamkeiten mit dem Goethe-Drama erkennen

Und dann rief auch schon Katharina Wagner aus Bayreuth an? Nicht sofort, aber es ging wirklich ziemlich schnell, dass ich Verträge für Alcina an der Semperoper, Idomeneo an der Oper Frankfurt und eben den Fliegenden Holländer in Bayreuth hatte. Das war ein guter Start, weil ich auf diese Weise nicht nur in kurzer Zeit Erfahrungen mit sehr verschiedenen Komponisten und Opernformen, sondern auch mit ganz unterschiedlichen Opernhäusern sammeln konnte. Und irgendwann bot mir Andreas Homoki an, hier in Zürich Gounods Faust zu inszenieren, und ich habe natürlich sofort zugegriffen. Warum? Was hat Sie an diesem Angebot so gereizt? Natürlich zunächst einmal die Arbeitsmöglichkeit an so einem bedeutenden Opernhaus mit seinen fantastischen Bedingungen. Dann natürlich die Chance, die Arbeit in der Oper kontinuierlich fortzusetzen. Aber am wichtigsten ist für mich immer das Stück, das man mir anbietet, egal ob ich ein Schauspiel oder eine Oper inszeniere. Wenn das Angebot kommt, nehme ich mir den Text oder die Partitur vor und schaue nach, ob ich da etwas finde, das mich interessiert. Da bin ich zunächst ganz offen und ohne Vorurteile. Wenn mir jemand vorschlagen würde, das Telefonbuch auf die Bühne zu bringen, würde ich auch erst einmal schauen, was es hergeben könnte, und es machen, wenn sich herausstellte, dass da Möglichkeiten für spannendes Theater vorhanden sind. So war das auch damals beim Figaro. Mich hat die Geschichte und die Art, wie sie erzählt wurde, fasziniert, und ich wusste bald, dass ich das machen will. Und beim Faust ging es

Fotos Stefan Deuber

Herr Gloger, wie sind Sie zum Opernregisseur geworden? An der Wiege wurde Ihnen das ja nicht gesungen… An der Wiege sicher nicht, aber tatsächlich verhält es sich so, dass ich über den Umweg der Musik zur Schauspielregie gekommen bin. Für mich war eigentlich schon immer Musik in allen Formen, vor allem auch klassische Musik, eine hochspannende Sache. Während meiner Schulzeit bin ich bei einer freien Theatergruppe eingestiegen und habe dort für die Bühnenmusik gesorgt, also Sachen komponiert und auch selbst gespielt. Irgendwann fanden die Leute, dass ich so viele szenische Vorschläge mache und mich so viel in die Regie einmische, dass ich das doch mal selbst probieren sollte. Das habe ich gemacht und fand die Arbeit des Regisseurs sofort faszinierend. Ich habe mich dann in die Welt des Sprechtheaters gestürzt, aber auch mit freieren Formen der theatralischen Darstellung befasst. Studiert habe ich zunächst am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft Giessen bei Heiner Goebbels und dann, weil mich auch die Auseinandersetzung mit traditionelleren Formen reizte, an der Zürcher Hochschule der Künste. Nach dem Studienabschluss lag es nahe, dass ich erst einmal vier Jahre ausschliesslich als Schauspielregisseur gearbeitet habe, bis mir dann die Intendantin des Augsburger Theaters eine Operninszenierung anbot. Ich hatte in Augsburg schon einige Schauspielinszenierungen gemacht, und wir hatten auch über meine Liebe zur Musik gesprochen, und das hat sie wohl angeregt, mir dieses Angebot zu machen. So inszenierte ich dort Le nozze di Figaro, was ein grosses und aufregendes Erlebnis war.


Jan Philipp Gloger probt mit Amanda Majeski eine Szene aus Gounods ÂŤFaustÂť


Amanda Majeski (Marguerite) und Pavol Breslik (Faust)

mir ebenso. Das ist natürlich ein ganz anderes Stück, aber es erzählt eine grosse Geschichte, und zwar auf eine Weise und mit einer durch die Musik vermittelten Kraft, die einen sofort in den Bann zieht. Und wenn das alles zusammenkommt, muss man zuschlagen. Unterscheidet sich aus Ihrer Sicht die Arbeit des Regisseurs in der Oper von derjenigen im Schauspiel? Ja, ich glaube, das sind einfach zwei verschiedene Berufe, die ich da ausübe. Schauspieler und Sänger stellen an den Regisseur ganz verschiedene Anforderungen, was mit der Spezifik ihrer Tätigkeit zu tun hat. Während die meisten Schauspieler sich beschweren, wenn man ihnen zu viel vorgibt, wollen Sänger sehr konkret wissen, was sie tun sollen, um davon ausgehend dann ihren eigenen Weg zur Figur zu finden. Was mir bei der Arbeit mit Sängern immer sehr gefällt, ist die grosse Präzision, mit der sie die Vorgänge auf der Grundlage der Musik und in genauer zeitlicher Abstimmung mit ihr spielen und immer wieder zuverlässig reproduzieren können. Für diese präzise Koordination der szenischen Vorgänge mit den musikalischen Abläufen ist die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten sehr wichtig. Wie kommen Sie mit Patrick Lange zurecht? Das ist in der Tat ein heikler Punkt für viele Opern-

produktionen. Aber nicht bei dieser. Die Arbeit mit Patrick Lange ist schon deshalb ganz wunderbar, weil er buchstäblich bei jeder Probe dabei ist, sodass wir in jedem Moment die szenische und die musikalische Interpretation abstimmen und justieren können. Hinzu kommt, dass Patrick Lange nicht nur ein wunderbarer Musiker, sondern auch ein leidenschaftlicher Theatermann ist. Er will als Operndirigent nicht einfach nur schöne Musik machen, sondern mit seinem Dirigat seinen Beitrag zu einem gelungenen Theaterereignis leisten. Deshalb besprechen wir immer wieder gewisse musikalische Details, etwa harmonische Übergänge oder dynamische Kontraste, um herauszufinden, durch welchen szenischen Vorgang diese Effekte ausgelöst und begründet werden. Wir sind uns beide einig, dass Oper nicht einfach Schauspiel plus Musik ist, sondern dass sich beide Ebenen – Szene und Musik – so durchdringen müssen, dass sie gemeinsam die Geschichte erzählen und letztlich nicht mehr voneinander zu trennen sind. Wäre es Ihnen als Schauspielregisseur nicht lieber gewesen, Goethes statt Gounods Faust zu inszenieren? Nein, ganz und gar nicht. Goethes Schauspiel hätte ich ja nicht an diesem wunderbaren Haus inszenieren können. – Aber im Ernst: Der Faust ist ein grandioser Text, den ich unbedingt irgendwann einmal inszenieren möchte, aber


Faust 21

ich glaube, das hat noch ein bisschen Zeit. Goethes Stück hat in seiner Komplexität und philosophischen Tiefe etwas Einschüchterndes, während mich die Direktheit und Griffigkeit, mit der Gounod die Geschichte erzählt, sehr anzieht und inspiriert. Das ist ein ungeheuer kraftvolles Stück, das die Figuren bis an die existenziellen Grenzen auslotet und dabei heftige Gefühlseruptionen und erschütternde Konfliktsituationen nicht scheut. Theaterleute lieben so etwas. Als ich es zum ersten Mal hörte, war ich von der starken Emotionalität gleichzeitig angezogen und unangenehm berührt. Manches kam mir doch recht vordergründig, auch wenig glaubwürdig vor. Aber beim näheren Hinsehen bemerkte ich, dass das Stück dieses Aufgesetzte und Schwelgerische zum Thema macht, also die Äusserung der Emotionen selbst auf ihre Substanz und Tiefe befragt. Das heisst, dass eigentlich jede Situation einen doppelten Boden hat und in sich gebrochen ist. Das auf die Bühne zu bringen und sichtbar zu machen, ist eine Aufgabe, die mich sehr reizt.

Aber hat das noch viel mit Goethe zu tun? Gounods Stück hat mit dem von Goethe die Umrisse der Handlung gemeinsam und hier und da kommen im Text auch Goethe-Verse vor, aber es ist eine ganz eigenständige Oper. Der Vergleich mit der Vorlage führt zu nichts, viel besser ist es, sich mit dem zu befassen, was Gounod gemacht hat, und es als das zu nehmen, was es ist. Gounod hat nämlich eine Geschichte vertont, die von der ursprünglichen entscheidend abweicht. Man sieht das schon an der Titelgestalt. Das ist kein Wissenschaftler, der mit Hilfe des Teufels die höchsten Gipfel der Welterkenntnis erstürmen will. Gounods Faust will nicht mehr wissen, sondern mehr erleben. Er will den vollen Lebensgenuss, den er bisher nicht gefunden hat. «Ich will Jugend, Genuss, junge Frauen», singt er, wenn der Teufel ihn nach seinen Wünschen fragt. Und so bricht er in die Welt auf und sucht nach dem, was er für den Lebensgenuss hält. Gounod erzählt also die tragische Geschichte von einem, der glaubt, dass im zügellosen Genuss der Sinn und

Kyle Ketelsen (Méphistophélès) und Pavol Breslik (Faust)


Faust 22

die Freude des Lebens zu finden seien. Beim Versuch, das zu erlangen, scheitert er und reisst mehrere Menschen mit sich in den Abgrund. Durch diese Veränderung der Perspektive auf die Titelgestalt ist es Gounod gelungen, ein Werk zu schaffen, das ein erstaunlich präzises Porträt seiner eigenen Zeit bietet und heute ebenso aktuell ist wie um 1860. Inwiefern ein Porträt seiner Zeit? Spielt die Geschichte nicht im Mittelalter? Und was ist Ihrer Meinung nach daran für uns heute – im Zürich des Jahres 2013 – noch relevant? Gounods Stück entsteht während der Zeit des Zweiten Kaiserreichs. Das ist eine Zeit des sich rasant entwickelnden Kapitalismus in Frankreich. Das ist ein gewaltiger wirtschaftlicher Aufschwung, bei dem Geld, das Bankenwesen, Aktienspekulationen plötzlich eine wesentliche Rolle spielen, wo aber auch pure Lebenslust, Rausch, Prostitution usw. um sich greifen. Die Zeit ist von einem Gefühl des «Was kostet die Welt?» geprägt, aber auch von der ständigen Angst vor dem Absturz. Es ist ein orgiastischer Tanz auf dem Vulkan. Frankreich sieht sich als führende Kulturnation nicht nur der westlichen Welt. Ausdruck dafür sind die Weltausstellung, der Eiffelturm, aber natürlich in erster Linie und mit der grössten Ausstrahlung in die Welt die Varietés und Amüsierbetriebe, zu denen in gewissem Sinne auch die Oper gehörte. Gegen diesen allgemeinen Hang zum grenzenlosen Amüsement versuchte die katholische Kirche ihre restriktive Moralauffassung zu behaupten, um sich vor dem Untergang zu retten. Die Folge ist eine allgemeine Bigotterie: Abends geht man ins Bordell, morgens mit frommem Augenaufschlag in die Kirche. Diese Welt ist es, die Faust, den wir uns als einen wohlsituierten Familienvater denken, der alles erreicht hat, was das normale bürgerliche Leben bieten kann, unwiderstehlich anzieht. Und diese Welt, wie sie das Stück vor uns ausbreitet, hat verblüffende Ähnlichkeiten mit unserer Zeit, mit ihrem Drang zum Konsum und ihrer Übersexualisierung. Wird die Inszenierung diese Analogie zu unserer Zeit auch optisch betonen? Wir haben uns entschlossen, das Stück in Gounods Zeit spielen zu lassen. Eine Übertragung in unsere Gegenwart verbietet sich meiner Ansicht nach, weil es zu viele Handlungsmotive gibt, die heute kaum mehr glaubhaft zu machen sind. Dazu gehört zum Beispiel Marguerites offensichtliche Unwissenheit über die sie umgebende Welt ebenso wie die Tatsache, dass sie von allen Leuten

geächtet wird, weil sie ein uneheliches Kind erwartet. Die Übertragung der Vorgangsstrukturen auf unsere eigene Lebensumwelt ist etwas, was man den Zuschauern durchaus zutrauen kann und soll. Ich finde es auch interessant und aufschlussreich, wie viele Parallelen es zwischen den beiden scheinbar so verschiedenen Gesellschaften gibt. Und wer mit offenen Augen durch die Welt geht und in der Oper nicht vergisst, was er draussen gesehen hat, wird sich, da bin ich überzeugt, in vielen Situationen wieder finden. Und er wird nicht einfach eine fotografisch genaue Nachbildung seiner Lebenssituation finden, sondern eine verfremdete Darstellung, die das scheinbar Alltägliche «zur Kenntlichkeit verändert«, wie es Brecht ausgedrückt hat, und damit auf unterhaltsame und bewegende Weise Erkenntnisse ermöglicht, die das Leben verändern können. Und das ist, glaube ich, wenn auch nicht die einzige, aber doch eine sehr wichtige Aufgabe des Theaters. Das Gespräch führte Werner Hintze

FAUST Oper von Charles Gounod (1818-1893) Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Choreinstudierung Choreografie Dramaturgie Faust Méphistophélès Valentin Marguerite Siébel Marthe Wagner

Patrick Lange Jan Philipp Gloger Ben Baur Karin Jud Franck Evin Ernst Raffelsberger Ramses Sigl Werner Hintze Pavol Breslik Kyle Ketelsen Elliot Madore Amanda Majeski Anna Stéphany Irène Friedli Erik Anstine Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich

Premiere 3 November 2013 Weitere Vorstellungen 6, 9, 14, 17, 29 Nov, 1, 6, 11 Dez 2013


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Faust 25

Zwischen Engel und Teufel Pavol Breslik gibt sein Debüt als Faust. Mephistos Verjüngungszauber braucht er nicht. Der slowakische Tenor bringt die nötige Jugendlichkeit von Natur aus mit. Text Bruno Rauch, Foto Stefan Deuber

K

erkerszene. «Viens, viens, Marguerite». Und nochmals mit allem Nachdruck: «Viens, viens, fuyons!» Aber Gretchen, die in einer französischen Oper natürlich Marguerite heisst, widersteht dem Drängen Fausts. Sie widersteht – die Geschichte verlangt es nun mal so – auch dem verführerischen Timbre des Tenors Pavol Breslik, obwohl der alles daransetzt, sie – Amanda Majeski – von der Dringlichkeit ihrer gemeinsamen Flucht aus finsterer Kerkerhaft zu überzeugen, zumal bereits die Schergen bereitstehen, um die Kindsmörderin aufs Schafott zu führen. Wieder und wieder lässt Jan Philipp Gloger die kurze, aber bedeutsame Szene aus Charles Gounods Oper Faust nachspielen, bis sie an Intensität seiner Vorstellung entspricht. Glogers Faust, Pavol Breslik, sieht nicht aus wie ein Stubengelehrter, der «mit heissem Bemühn» um die Erkenntnis ringt, «was die Welt im Innersten zusammenhält». Und so haben auch Gounod und seine Librettisten Barbier und Carré den faustischen Helden nicht dargestellt. Der slowakische Tenor sitzt mir auf der Pritsche einer winzigen, kargen Garderobe der Probebühne am Escher-Wyss-Platz – dem Kerker Marguerites nicht unähnlich – gegenüber: T-Shirt, Jeansjacke, Jeanshose, modische Frisur, Viertagebart. «Für mich», sagt Pavol Breslik, «ist Faust ein Mensch, der im Widerstreit seiner Gefühle und Triebe lebt – wie wir wohl alle mehr oder weniger. Er ist ein skrupelloser Hedonist, der zwischen zwei Mächten steht – dem Guten, dem Reinen, das von Marguerite verkörpert wird, und dem Bösen

in der Gestalt von Mephisto. Die beiden sitzen wie winzige Einflüsterer, ein Engel und ein Teufelchen, auf seinen Schultern und tuscheln ihm von beiden Seiten ins Ohr.» Der faustische Zwiespalt der Zwei-Seelen-ach-in meiner-Brust, den der Dichter seinem Helden zuschreibt, findet hier eine sinnlich-konkrete Auslegung, was sich auch in der Akzentuierung der sogenannten Gretchen-Szenen zeigt. Pavol Breslik hat seinen Faust gelesen und sich im Vorfeld auch mit der historischen Vorlage des schwäbischen Schwarzkünstlers befasst. Es helfe ihm für das Verständnis einer Bühnenfigur, auch ihren historischen oder literarischen Hintergrund zu kennen. Bei Probenbeginn aber, meint er, müsse man sich als Darsteller von den eigenen Vorstellungen weitgehend verabschieden, um sich frei zu machen für das jeweilig Regiekonzept: «Ein spannender, jedoch nicht immer leichter Moment, zu erfahren, wie eine Bühnenfigur aus anderer Sicht neu entsteht.» Musikalisch sei der Faust für ihn neues Terrain. Er wolle ihn eher lyrisch interpretieren, in der Tradition von Jussi Björling, Nicolai Gedda, Alfredo Kraus. Der innere Aufruhr dürfe einen lyrischen Sänger nicht zum Forcieren verführen. Die Herausforderung dieser Partie sei die Verbindung von lyrischem Schmelz mit kontrollierter Emotionalität. Dagegen widerspricht er dem immer wieder gehörten Vorurteil, dass Französisch eine unmögliche Sprache zum Singen sei. Deutsch empfindet er als schwieriger; wie oft habe er beim Studium des Tamino den Klavierauszug in die Ecke geschmissen!


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Pavol Breslik kam 1979 in Bratislava zur Welt. Seine Eltern sind keine Musiker, aber gesungen wurde zuhause, «seit ich mich erinnern kann – an Hochzeiten, Geburtstagen, immer!» Die Mutter hätte sich gewünscht, dass ihr Sohn Akkordeon spielt, das hätte so perfekt zu diesen familiären Festivitäten gepasst – «aber ich habe es gehasst!» Zufällig stiess er in der öffentlichen Bibliothek auf eine LP mit Puccini-Arien, gesungen von seinem Landsmann Peter Dvorský. Der PucciniWohllaut traf offenbar das Epizentrum des Halbwüchsigen, jedenfalls begann er sämtliche Arien nachzusingen, von «O soave fanciulla» über «Recondita armonia» bis «Nessun dorma». Damit war der Keim gelegt, der Junge wollte Musik zu seinem Beruf machen und begann am Konservatorium seiner Heimatstadt zu studieren. Darauf folgten diverse Meisterkurse und das Studium am Centre National d’ Ar tistes Lyriques in Marseille. Neben Dvorský als Auslöser seiner musikalischen Passion nennt Pavol Breslik heute auch Fritz Wunderlich als tenorales Vorbild – «Gibt es Tenöre, die das nicht tun?» fragt er lachend. An ihm bewundert er die Kunst der Phrasierung, die lyrische Schlankheit, die sich mühelos mit heldischer Attitüde paart: «Nur schon ein paar Prozent seiner Technik und seines Ausdrucks zu erreichen, wäre schön.» So erstaunt es nicht, dass wie bei Wunderlich auch für Breslik die grossen Mozart-Partien im Zentrum seines Repertoires stehen – Tamino, Ottavio, Ferrando, dann auch Belmonte und Idamante; Idomeneo muss noch warten; die etwas konstruierte, schwächliche Herrscherfigur des Titus mag er nicht. Doch eines ist klar: «Jeder junge Sänger sollte Mozart singen. Das ist neben der wunderbaren Musik für die Stimme die beste Schule, wenn auch eine harte. Klangkultur, Legato, Phrasierung, elegante Tongebung ohne Vulgarität – alles kann man bei ihm lernen. Es ist fatal, wenn man zu früh in die dramatischen Partien einsteigt, denn dann gibt es kein Zurück. Auch wenn ich Lenski, Nemorino oder Macduff gesungen habe, die ja noch vergleichsweise leichtere Partien sind, kehre ich immer wieder zu Mozart zurück. Zur Kontrolle! Wenn das funktioniert, weiss ich, dass ich nichts falsch mache. Mozart ist Medizin für die Stimme.» Mit Wunderlich verbindet Breslik auch die Liebe zum Lied, obwohl das in seiner Heimat «ein unbekanntes Land» war, wie er sagt. Das Interesse galt mehr den Liedern von Dvořák, Rachmaninow oder Tschaikowsky als beispielsweise Schubert. Zu Beginn habe er das deutsche Lied als ausgesprochen intellektuell empfunden, «heute habe ich einen ‹Herzensdraht› zu diesen wunderbaren Liedern gefunden». Schliesslich habe man die Lieder in einem intimen Rahmen unter Freunden vorgetragen und nicht in einem wissen-

schaftlichen Symposium. «Die Lieder sind so voll von Emotionen, von Liebe und Leid, das darf man nicht mit dem Kopf singen. Aber es ist eine ganz andere Herausforderung als auf der Opernbühne, man steht ganz nackt da – wie in einem Brennnesselfeld.»

Ich möchte nicht, dass meine Stimme einmal sagt: Ich mache nicht mehr mit. Lied und Oper befruchten sich gegenseitig, Breslik möchte keine der beiden Gattungen missen – «obwohl ich sehr gern auf der Bühne stehe. Schminke, Perücke, Kostüm sind ja sehr hilfreiche Stützen.» Apropos Oper: Im Jahr 2013 drängt sich die Frage auf: Verdi oder Wagner? Ohne Zögern: «Verdi! – Ich bewundere die Sänger und Musiker, die Wagner hinkriegen, aber mich berührt es nicht. Mit patriotischem Gedankengut dieser Art tu’ ich mich schwer.» Und wie steht es mit Britten, der dieses Jahr ebenfalls Geburtstag hat und eine spezielle, sozusagen persönliche Affinität zur Tenorstimme hatte? Die Antwort kommt ebenso rasch und eindeutig: «Seine Serenade für Tenor und Horn – wunderbar. Auch seine Lieder. Und Peter Grimes, auf den freue ich mich ganz besonders.» Als sein gegenwärtiges musikalisches Zuhause bezeichnet Breslik neben Mozart und dem italienischen Belcanto, Bellini, Donizetti, die lyrischeren Verdi-Partien. Rossini hört er sich gerne an, sagt aber mit entwaffnender Offenheit: «Für meine Stimme zu viele Noten in zu wenig Zeit! Ich glaube, die Beweglichkeit für diese Koloraturen ist, zumindest ein Stück weit, Naturbegabung. Ich habe sie nicht, voilà.» Grundsätzlich findet er, dass Sänger, vor allem junge, lernen müssen «Nein» zu sagen. Die Angebote, das Geld, der Ruhm seien mitunter schon verlockend, man dürfe sich nicht verführen lassen, sondern die Rollen behutsam angehen. «Ich möchte nicht erleben, dass meine Stimme eines Tages zu mir sagt: ‹Du hast mich so viele Jahre überstrapaziert, jetzt mache ich nicht mehr mit.› Der Prinz in Rusalka ist so eine Partie, bei der mir der Verstand signalisiert, dass es zu früh ist.» Im Blickfeld aber hat er das französische Repertoire mit Rollen wie Roméo, Des Grieux und, irgendwann mal, Werther und vielleicht Pelléas. Seit einiger Zeit lebt Pavol Breslik in Zürich. Und er lässt gleich einen Werbespot vom Stapel, der Zürich Tourismus freuen wird: «Die Stadt, der See, die nahe Natur, das Kulturangebot – toll.» Sogar die Leute morgens im Tram findet er nicht so muffig, wie oft behauptet – «da sollten Sie mal die Berliner sehen! Der Tramführer wartet hier zwar nicht auf dich, aber dafür kommt das nächste Tram in wenigen


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Minuten.» In Zürich hat er sogar die vegetarische Küche entdeckt. Vor der Vorstellung aber braucht er nach wie vor ein kräftiges Steak. Und mindestens einmal die Woche steht Suppe auf dem Speisezettel, die er selbst zubereitet: «Karotten schnetzeln ist so was von entspannend.» Nicht ganz so locker geht der junge Künstler dagegen mit der eigenen Leistung um. Er ist ständig auf der Suche nach dem noch Besseren, noch Perfekteren – eigentlich wie Faust: Verweile doch, du bist so schön, scheint für ihn keine Maxime zu sein. Er bestätigt es ohne Koketterie: «Ich finde nach jedem Auftritt immer noch etwas, was ich hätte besser machen können. Wir Sänger sind ja gottlob keine Maschinen, da ist jeder Auftritt anders. Perfektion gibt es nicht, und das ist gut so. Ich habe jedoch gemerkt, dass ich die Kritiken in der Zeitung besser nicht lese, es blockiert mich. Es ist ja so: Die guten Kritiken verwendet man für die Website, die schlechten vergisst man. Aber wer sagt, er lese sie gar nicht,

www.gutzumdruck.landesmuseum.ch

der lügt. Doch inzwischen weiss ich, dass da sehr viele Faktoren mitspielen, die gar nichts mit meiner Performance zu tun haben – in Russland gilt das Sprichwort: Du bist kein Euro, dass du jedem gefallen musst. Singen ist ein lebenslanger Prozess des Suchens nach der passenden Phrasierung, dem idealen Klang, dem berührenden Ausdruck.» Wer immer strebend sich bemüht… Da sind wir wieder ganz nahe bei Faust, dem goetheschen und dem breslikschen.

PAVOL BRESLIK Montagsgespräch mit Pavol Breslik 11. November 2013, 19 Uhr, Restaurant Belcanto Liederabend Pavol Breslik mit Werken von Schumann, Dvořák und Liszt. Amir Katz, Klavier 16. Dezember 2013, 19 Uhr, Hauptbühne Opernhaus


Wiederaufnahme 28

Jenůfa Im November steht Janáčeks packende Oper in der erfolgreichen Inszenierung von Dmitri Tcherniakov wieder auf unserem Spielplan. Die Titelrolle singt erneut Kristīne Opolais, als Küsterin ist wieder Michaela Martens zu erleben.


JENŮFA Oper von Leoš Janáček

Fotos Monika Rittershaus

Musikalische Leitung Inszenierung und Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Choreinstudierung Dramaturgie Jenůfa Küsterin Alte Buryja Laca Klemen Steva Buryja Altgesell Dorfrichter Seine Frau Karolka Magd Barena Jana

Patrick Lange Dmitri Tcherniakov Elena Zaytseva Gleb Filshtinsky Ernst Raffelsberger Beate Breidenbach Kristīne Opolais Michaela Martens Hanna Schwarz Christopher Ventris Pavel Cernoch Cheyne Davidson Pavel Daniluk Irène Friedli Ivana Rusko Alexandra Tarniceru Hannah Bradburry Susanne Grosssteiner Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich

Wiederaufnahme 22 November 2013 Weitere Vorstellungen 27, 30 Nov, 4, 7 Dez 2013



Die geniale Stelle 31

Abgesang Ein Trugschluss in Richard Wagners «Die Meistersinger von Nürnberg» Richard Wagner sei der «Meister des ganz Kleinen» schrieb Friedrich Nietzsche in seiner Fröhlichen Wissenschaft, die man gar nicht oft genug zitieren kann. Es war wohl der Zorn auf den einst so verehrten Meister, der ihm den Blick für das Wesen der Wagnerschen Kunst geöffnet hat. Es lohnt sich, immer wieder einzelne Vorgänge aus den monumentalen Werken herauszugreifen und wie ein Juwelier seine in vielen Facetten schimmernden Edelsteine quasi mit der Lupe zu betrachten. Im dritten Akt der Meistersinger von Nürnberg erleben wir mit, wie Hans Sachs dem Ritter Walther von Stolzing dazu verhilft, das Lied zu schaffen, mit dem er das Wettsingen und damit seine geliebte Eva gewinnen wird. Hingerissen vom melodischen Schwung des Liedes, kann der Zuschauer leicht eine Stelle überhören, die zu den anrührendsten dieser genialen Komödie gehört. Am Schluss des ersten Bars, der ersten dreigliedrigen Strophe seines Liedes, hat Walther in seinem Schaffensrausch das ekstatische Bild seiner Geliebten entworfen, die ihm die Frucht vom Baum des Lebens reicht, da geschieht musikalisch etwas Unerwartetes. Statt der das Gelingen bestätigenden Kadenz in C-Dur, die man erwartet, wendet sich die Musik nach a-Moll, leicht dissonant eingetrübt durch die hinzugefügte Sexte. Damit einher geht ein Farbwechsel in der Musik, eine sanfte aber deutliche Verdunkelung des Klangs. Ein erstaunlicher Effekt, der fast filmisch wirkt: wie ein Schnitt vom Protagonisten der Szene auf die Grossaufnahme einer anderen Person. Wagner hatte die Möglichkeiten der Kamera nicht zur Verfügung, aber durch seine ausgefeilte Arbeit mit den Grundthemen (für den gern benutzten Begriff «Leitmotiv» hatte er nur Hohn und Spott übrig) kann er den Blick des Zuschauers lenken. Nach einem Moment der Verunsicherung über die unerwartete harmonische Wendung erfährt der Zuhörer aus der Linie des Horns, die sich zart aus dem Klang heraushebt, was hier geschehen ist. Sachs begreift, dass es

ihm gelingt, den genialen Schwung Stolzings in die richtigen Bahnen zu lenken, dass der junge Feuerkopf mit seiner Hilfe das Ziel seiner Wünsche erreichen wird, was aber auch bedeutet, dass Sachs seine Hoffnung auf Eva endgültig aufgeben muss. Er weiss sehr wohl, dass der Gedanke absurd war, und doch wird es ihm schwer, sich endgültig damit abzufinden, dass er für die letzten Jahre seines Lebens allein bleiben muss, dass für immer sein Haus leer sein wird, wenn er hinausgeht, dass nie Licht brennen wird, wenn er abends nach Hause kommt. Aber er ist nicht der Mann, der gleich in Tränen ausbricht. Das kommt später. Jetzt kann er sich noch mit einem selbstironischen Kommentar aus der Affäre ziehen: «Das nenn’ ich mir einen Abgesang!» Mit diesem Aperçu, das ihn aus der Situation rettet, fasst er in aphoristischer Verkürzung zusammen, was hier geschehen ist: Der letzte Teil der Strophe, die Stolzing gerade geschaffen hat, heisst «Abgesang». Sachs lobt also das Gelingen dieser Passage, nutzt aber gleichzeitig den Doppelsinn des Wortes aus. Es ist ein Abgesang für ihn, auf seine Hoffnung auf Glück. Und es ist ein Abgesang auf die alte Kunst der Meistersinger, die Sachs im Kreise seiner Handwerkerkollegen betrieben hat, die nun durch das Neue, das Stolzing bringt, zum alten Eisen geworfen werden wird. Aber Sachs weiss, dass es richtig so ist: Es ist richtig, dass die jungen Leute zusammenkommen, und es ist richtig, dass die Entwicklung weitergeht. Der Schusterpoet erkennt, dass der junge Feuerkopf ihm als Mann und Dichter überlegen ist und dass er deshalb nun zurücktreten muss. Das tut weh, aber weil Sachs ein wahrer Künstler ist, kann er sich an der Schönheit des «Abgesangs» freuen, der alles zu Grabe trägt, was ihm einst teuer war. Werner Hintze


Foto Bertrand Carrière / Agence VU / Keystone


Gespenster gibt es nicht


Das Gespenst von Canterville 34

Oder etwa doch? Wir haben Kinder zwischen fünf und neun Jahren gefragt, ob sie schon mal ein Gespenst gesehen haben.

Ich habe im Traum ein Gespenst gesehen. Es war rot, weiss, grün und blau. Und durchsichtig. Es war ein Zaubergespenst und konnte fliegen. Es ist zu mir gekommen und wollte mit mir ein Abenteuer erleben: Deshalb hat es mich genommen, und wir sind zusammen weggeflogen. Danach hat es mich wieder in mein Bett gezaubert und ist aus dem Fenster geflogen, zurück in sein Schloss. Leo, 7 Jahre

Ich habe mal von einem Gespenst geträumt, das war weiss mit blauen Augen und hatte eine Kette. Es wollte uns immer Streiche spielen – Fenster aufmachen, Möbel knacken lassen, Bücher runterfallen lassen, das ging bis am Morgen, bis die Sonne aufging. Dann ist das Gespenst durchs Fenster weggeflogen. Es heisst Rasli und kommt immer wieder. Dann freue ich mich. Yarona, 7 Jahre

Gesehen habe ich noch keins, aber ich habe mir schon oft ein Gespenst vorgestellt. Es ist weiss, hat schwarze Augen und wohnt in einem Geisterhaus mit anderen Gespenstern zusammen. Es ist böse und macht immer fiese Sachen, mich vom Bett runterschubsen oder den Schrank umstossen. Emiriona, 7 Jahre

Gespenster wohnen in einem alten Schloss. Dort erschrecken sie die Leute, die ins Schloss kommen. Wenn das Gespenst einen anfasst, dann wird es einem ganz komisch. Wenn mich ein Gespenst klauen und in sein Schloss mitnehmen würde, dann hätte ich Angst. Alina, 7 Jahre

Im Traum habe ich schon Gespenster gesehen. Sie waren weiss wie ein Leintuch mit schwarzen Augen. Einmal ist eins in mein Zimmer gekommen, aber ich hatte keine Angst. Es hat mir immer die Decke weggezogen, und ich habe sie mir zurückgeholt. Das war nicht so einfach, aber ich habe es geschafft! Bis morgens um drei war das Gespenst bei mir, dann ist es aus dem Fenster geflogen. In ein Schloss, das man noch nicht erforscht hat. Dort trinkt es Bier und spielt mit seinen Freunden. Ich würde gern mal dorthin gehen. Mohan, 7 Jahre

Gespenster gibt es nur in meiner Fantasie. Sie sind megaweiss, ganz hell, mit einem weissen Büschel auf dem Kopf und Wellen am Bauch und an den Armen. Einmal war da ein Gespenst, das hat «hu hu» gemacht und mich erschreckt. Dann war es auf einmal unsichtbar. Das war ein Spiel. Es hat mich an der Hand genommen, und wir sind beide in sein Schloss geflogen. Es war ein ganz liebes Gespenst, ich hatte überhaupt keine Angst. Lucy, 7 Jahre


Plötzlich stehen sie hinter einem und machen «buh»! Dani, 6 Jahre

In meinem Traum habe ich ein grosses weisses Gespenst gesehen. Es war sehr lieb und hat mit mir Verstecken gespielt. Das Gespenst hat gewonnen. Es war die ganze Nacht bei mir. Am Morgen war es plötzlich weg. Loreen, 8 Jahre

Das Gespenst, das ich mal im Traum gesehen habe, ist weiss gewesen und hatte immer den Mund offen, weil es die Leute erschreckte. Ich war im Bett und habe geschlafen, als es mich aufgeweckt hat. Da habe ich gesagt: «Schlaf, Gespenst, ich will auch schlafen!» Ich hatte das Gespenst gern und habe ihm auch einen Namen gegeben: Hippi-Gspenschtli. Am Morgen um 1 ist es wieder gegangen, denn am Tag muss es schlafen. Es wohnt in einem weissen Schloss im Himmel. Amelie, 6 Jahre

Ich habe schon mal von einem Gespenst geträumt. Das war weiss und konnte sich auch unsichtbar machen. Es ist mir hinterher gelaufen und hat mich erschreckt. Als der Traum fertig war, war es wieder weg; wahrscheinlich ist es zu einem anderen Kind gegangen. Es hat sich bewegt, wie wenn es aus Schleim wäre. Es konnte normal reden, aber auch «hu, hu» machen. Ein bisschen Angst hatte ich schon. Ich habe das Gespenst Mimi genannt. Mimi kommt im Traum immer wieder zu mir. Manchmal spielen wir zusammen. Emily, 7 Jahre

Ich habe schon ein Gespenst gesehen, in der Nacht, zuhause in unserer Wohnung. Es war weiss mit einem Tuch drüber und hatte nur zwei Augen, keinen Mund. Es konnte laufen und fliegen. Ich habe das Gespenst umgebracht, bin einfach auf das Gespenst draufgesprungen. Ich hatte nur ein bisschen Angst. Das war kein Traum! Die Gespenster wohnen bei meinem Freund Morris im Haus, da ist ganz oben eine Wohnung frei. Dort haben sie aber nicht so gutes Essen, deswegen kommen sie zu uns. Die Gespenster essen Spinnennetze und so. Jakob, 5 Jahre

Ein Gespenst gesehen habe ich noch nie, aber ich kann mir vorstellen, wie es aussieht: weiss mit schwarzen Augen. Wenn ich einem Gespenst begegnen würde, hätte ich grosse Angst! Aber eigentlich glaube ich nicht an Gespenster. Es gibt sie nur in Geschichten. Ich kenne sehr viele Gespenstergeschichten. Da wohnen die Gespenster oft in einer alten Burg, in alten Truhen mit Spinnweben im Keller. Sie kommen nur in der Nacht raus und schreien «hu hu, hu hu». Geisterstunde ist um Mitternacht. Benjamin, 9 Jahre


Das Gespenst von Canterville 36

Neue Emotionsräume für Kinder Komponist Marius Felix Lange und Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic im Gespräch über die neue Kinderoper «Das Gespenst von Canterville»

Marius, du hast mir kürzlich erzählt, es sei schon lange ein Traum von dir gewesen, Das Gespenst von Canterville als Opernstoff zu vertonen. Was faszinierte dich so an dieser Geschichte? Marius Lange: Ich glaube, dass Leseerfahrungen, die man als Kind gemacht hat, einen durchs gesamte Leben tragen, ja dieses sogar entscheidend prägen können. Als ich etwa neun Jahre alt war, hat mich die Erzählung Das Gespenst von Canterville von Oscar Wilde sehr in ihren Bann geschlagen. Zum einen rührte mich das Erbarmen Virginias mit dem Gespenst, zum anderen konnte ich mich sehr mit den wilden Zwillingen Leon und Noël identifizieren, da ich selbst auch einen Zwillingsbruder habe (wir waren nicht ganz so wild, glaube ich). So habe ich schon immer eine besondere Verbundenheit zu diesem Stoff gefühlt. Jasmina, warum eignet sich dieser Stoff aus deiner Sicht für eine Familienoper? Jasmina Hadziahmetovic: Der Stoff von Oscar Wilde eignet sich deswegen so sehr für eine Familienoper, weil er eine grosse Vielfalt mitbringt – einerseits diese Spukeffekte, die für jüngere Kinder interessant sind, andererseits die Liebesgeschichte zwischen David und Virginia, dann aber auch die Frage, wie Kinder mit dem Verlust eines Elternteils umgehen, denn Virginia und die Zwillinge haben vor einem Jahr ihre Mutter verloren. In diesem Zusammenhang tauchen Fragen auf wie: Was bedeutet Sterben? Gibt es Gespenster oder Geister? Was heisst Erlösung? Solche Themen beschäftigen auch ältere Kinder und Erwachsene.


ML: Ich erinnere mich, dass mich als Kind die Tatsache, dass man sterben muss, sehr beschäftigt hat und oftmals nicht schlafen liess. Die grossen Fragen um Leben und Sterben machen auch vor Kindern nicht halt. JH: Das Tolle an diesem Stoff und auch an deiner Komposition ist ja, dass das Sterben hier so positiv dargestellt wird, als etwas, vor dem man keine Angst zu haben braucht; für das Gespenst ist das Sterben schliesslich eine Erlösung, die Möglichkeit, endlich zur Ruhe zu kommen. ML: Für Virginia ist es eine entscheidende Erkenntnis, dass das Gespenst – Sir Simon – sterben will, denn für Sir Simon, der dazu verdammt ist, hunderte von Jahren durch das Schloss zu spuken, ist der Tod etwas sehnsüchtig Erhofftes. Virginia kann, als sie dies erfährt, mit dem Tod ihrer Mutter besser zurechtkommen. Das Schlaflied, das ich für Virginia komponiert habe, steht dafür als Symbol. Am Ende des ersten Aktes rettet sie sich traurig und alleingelassen aus der soeben erfolgten Konfrontation mit ihrem Vater in den Gedanken an ihre Mutter, die dieses Lied immer für sie gesungen hat; zum Schluss des zweiten Aktes hören wir erneut seine Melodie, wenn Virginia David erzählt, dass das Gespenst sie gelehrt habe, was das Leben sei und was der Tod bedeute und warum die Liebe stärker als beide ist; Virginia denkt in diesem Moment auch an ihre Mutter, jedoch versöhnt und nicht mehr so wütend und traurig. Aber natürlich geht es in dieser Oper nicht primär um den Tod! Das ist nur einer von vielen Aspekten. Vor allem ist enorm viel los, die Zwillinge Leon und Noël sprechen in rap-artigen Reimen und wirbeln alles durcheinander, es treten sehr schräge und überzeichnete Figuren auf, wie zum Beispiel Frauke-Beeke Hansen aus Sauensiek bei Buxtehude, die neue Freundin von Virginias Vater, die als schrille und hysterische Nervensäge sicher ein «Liebling» der Kinder werden wird. JH: Das Verhältnis zwischen Virginia und ihr ist nicht besonders gut, Virginia kann die neue Freundin ihres Vaters gar nicht leiden – das fängt die Musik sehr schön ein, wenn die beiden Sängerinnen sich auch musikalisch messen: Wer singt höher, wer singt lauter? Als zeitgenössischer Komponist möchtest du, Marius, ja auch zeitgenössische Musik schreiben; zugleich musst du aber auch an dein Publikum denken, wenn du für Kinder schreibst, die Musik für eine Kinderoper soll ja doch auch verständlich sein. Ist das ein schwieriger Balanceakt für dich? Schreibst du für Kinder anders als für Erwachsene?


Das Gespenst von Canterville 38

ML: Für mein Empfinden ist das gar nicht so ein Balanceakt. Zum einen will ich meine Musik ja auch selber gerne verstehen, ich versuche also immer wieder, sie quasi «von aussen» zu hören, so als hörte ich sie zum ersten Mal und als sei sie nicht von mir geschrieben. Und ich hoffe, dass die Musik, wenn ich sie dann verstehe, auch von den Kindern (und von deren Eltern) verstanden wird. Zum anderen versuche ich beim Komponieren, die Tonsprache zu finden, die mir das Libretto nahelegt. Ich fühle mich da als Erfüller des Stoffes. So habe ich die Erfahrung gemacht, dass jede der Kinderopern (oder Familienopern, wie ich lieber sage), die ich bisher geschrieben habe, ihre ganz eigene Farbe hat, ihre eigene Harmonik, ihre eigenen Melodien. Das hängt sehr von der Sprache des Librettos und der Handlung ab. Die musikalische Sprache muss so sein, dass man das Gefühl hat, sie sei mit der Handlung und dem Text verheiratet. Das ist etwas, das sich irgendwann von selbst einstellt, und ich frage mich manchmal: woher kommt das jetzt? Als ob das Stück selbst einem sagt, in welche Richtung man mit ihm gehen soll.

Die Oper trägt den Untertitel «Gruseloper»; wie schaffst du, Marius, mit musikalischen Mitteln eine gruselige Atmosphäre? ML: Da gibt es sehr viele klangliche und instrumentatorische Möglichkeiten! Tremoloeffekte in den Streichern, knarzende Bogengeräusche, Flatterzunge in den Blasinstrumenten, mit dem Bogen gestrichenes Vibraphon, besondere Instrumente wie Windmaschine oder Donnerblech für Gewitteratmosphäre usw. Fast wichtiger als diese klanglichen Elemente ist mir aber die harmonische Sprache. So habe ich viel Zeit darauf verwendet, Harmoniekombinationen und Themen zu finden, die eine unheimliche Atmosphäre erzeugen. Überhaupt empfinde ich das Entwickeln einer persönlichen und emotional eindeutigen harmonischen Sprache als eine der grössten Herausforderungen an mich als Komponisten. Ein richtig packender Grusel in der Oper – wie übrigens auch im Film – entsteht aber vor allem dann, wenn er formal gut aufgebaut ist. Das kann sich beispielsweise entweder über einen längeren Zeitraum erstrecken und langsam

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Edvard Munch 150 Grafische Meisterwerke 4.10.2013 — 12.1.2014

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Truus und Gerrit van Riemsdijk Stiftung Edvard Munch, Angst, 1896, Privatsammlung © The Munch Museum/The Munch-Ellingsen Group/2013, ProLitteris, Zürich


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steigern oder aber ganz plötzlich in eine eigentlich harmlose Szene einbrechen. In unserem Stück fällt der Grusel aber relativ schnell in sich zusammen, weil niemand das arme Gespenst so richtig ernst nimmt. JH: Die ersten fünf Minuten sind schon sehr gruselig, und auch später versucht das Gespenst ja immer wieder, die neuen Schlossbewohner zu erschrecken. ML: Der Anfang ist sogar richtig gruselig! Da könnten die Eltern vielleicht denken, das sei zu viel für ihr Kind. Aber ich kann sie beruhigen: Das ändert sich sehr im weiteren Verlauf der Oper. So wie sich ja auch die Erzählung ändert: Am Anfang ist sie sehr ironisch und zeitkritisch, und gegen Ende wird sie sehr anrührend. Da geht die Musik sehr genau mit. Wenn Virginia sich mit dem Gespenst unterhält und seine Lebensgeschichte kennenlernt, wird sie ganz weich. An der Entwicklung von Virginia sieht man die Entwicklung der ganzen Geschichte: am Anfang ist sie ein bisschen hysterisch, versucht, die Mutterrolle in der Familie zu übernehmen, ist genervt, dass der Vater seine Freundin mitbringt und

so weiter. Das Gespenst bringt sie dazu, zu sich selbst zu kommen. Sie wird durch das Gespenst verwandelt – im Gegensatz zu ihrem Vater Dr. Bürkli, der am Schluss der Geschichte immer noch derselbe ist, der er am Anfang war. JH: Virginia verliebt sich in David, den Sohn der Haushälterin, und beschliesst, erst mal im Schloss zu bleiben, als ihre Familie wieder in die Schweiz zurück fährt. Das Gespenst hat ihr einen Spiegel vorgehalten, es sagt: Schau mal, du bist ja genauso wie Frauke, die Freundin ihres Vaters, du zickst hier auch rum und sagst den Zwillingen, was sie tun und was sie lassen sollen. Da erschreckt sich Virginia, denn so nervig und schrecklich wie Frauke möchte sie natürlich auf keinen Fall sein. Kinder haben eine sehr genaue Vorstellung davon, wie ein Gespenst aussieht, was es kann, wie es die Leute erschreckt. Mit was für einem Gespenst haben wir es in der Oper zu tun? JH: Unser Gespenst hat das Problem, dass es seit 450

«Manchmal fährt der falsche Zug zum richtigen Ort.»

Irrfan KHAN

«Slumdog Millionaire», «Life of Pi»

Nimrat KAUR

a film by Ritesh BATRA

«Ein Feel-Good-Movie, der das Herz berührt» VARIETY

www.filmcoopi.ch

Ab 14. November in den Kinos Riffraff und Bourbaki


Das Gespenst von Canterville 40

Jahren spuken muss und nicht schlafen beziehungsweise sterben kann. Dazu kommt, dass es seine grosse Zeit lange schon hinter sich hat – niemand ausser Mrs Umney, der Haushälterin, erschreckt sich noch vor dem Gespenst. Familie Bürkli glaubt nicht an Gespenster; Dr. Bürkli sagt, wenn man ein Gespenst sehen will, dann muss man einen Blockbuster-Film im Kino anschauen. Das ist für unser Gespenst natürlich tragisch. ML: Das Gespenst hat ja ein schweres Verbrechen auf sich geladen: Es hat seine Frau umgebracht, weil sie ihn genervt hat und nicht kochen konnte... JH: ...und deshalb wurde es vor 450 Jahren in einem Kerker angekettet. Diese Ketten muss es jetzt immer mit sich rumtragen, wenn es durch das Schloss spukt, und mit denen rasselt es natürlich auch ganz gewaltig. Zur Strafe für den Mord muss es so lange spuken, bis ein Kind sich seiner erbarmt, für es betet und für es weint – und genau das tut Virginia und erlöst das Gespenst damit von seinem Dasein, so dass es endlich sterben kann. Was kann Oper eurer Meinung nach besser als Film? JH: Film kann bestimmte Effekte benutzen, aber Musik kann viel mehr: Den Emotionen wird viel mehr Raum gegeben, sie werden erlebbarer. ML: Für mich ist ein entscheidender Unterschied, dass Film ein zweidimensionales, vorproduziertes, quasi fotografisches Medium ist, in der Oper hingegen viele Menschen «live» spielen und vor allem singen. Eine beseelte und schöne Gesangsstimme ist für mich das Grösste und Berührendste, was es überhaupt gibt. Bei keinem Instrument werde ich emotional so mitgenommen – und das sage ich, obwohl ich Geiger bin und dieses Instrument liebe. Die Oper kombiniert diesen musikalischen Aspekt nun mit einer je nachdem rührenden, lustigen oder spannenden Geschichte. Im Idealfall, wie meines Erachtens auch im Gespenst von Canterville, bietet die Geschichte von allem etwas. Früher habe ich einige Jahre lang Filmmusik komponiert, da hat die Musik eine eher untergeordnete Dienstleistungsrolle. In der Oper ist die Musik die Hauptsache; sie kann Emotionsräume öffnen, die ohne Musik nicht zu öffnen sind. Ich hoffe, dass auch für Kinder Menschen, die mit «Opernstimme» singen, nicht etwas Unnatürliches sind, sondern dass sie an dieser Art des Singens Geschmack finden. Ich selbst bin der Oper mit acht Jahren verfallen, und seitdem hat sie mich nicht mehr losgelassen! Das Gespräch führte Beate Breidenbach


DAS GESPENST VON CANTERVILLE Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin Uraufführung Musikalische Leitung Francesco Angelico/ Jochen Rieder (7, 10, 11 Dez; 21 Apr) Regie Jasmina Hadziahmetovic Bühnenbild Paul Zoller Kostüme Gideon Davey Lichtgestaltung Martin Gebhardt Choreinstudierung Lev Vernik Dramaturgie Beate Breidenbach Sir Simon, das Gespenst Yuriy Tsiple/ Alex Lawrence Georg Bürkli, Immobilienmakler Reinhard Mayr/ Valeriy Murga Virginia, seine Tochter Ivana Rusko/ Susanne Grosssteiner Leon, sein Sohn, Zwilling von Noël Florian Steiner Noël, sein Sohn, Zwilling von Leon Fabian Guggisberg Mrs Cecilia Umney, Haushälterin im Schloss Judith Schmid/Irène Friedli David Umney, ihr Sohn Dmitry Ivanchey / Roberto Ortiz Frauke-Beeke Hansen, Assistentin von Georg Bürkli Rebeca Olvera/ Deanna Breiwick Philharmonia Zürich Chor-Zuzüger der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 23 Nov 2013 Weitere Vorstellungen 1, 7, 10, 11, 17, 26, 27, 29 Dez 2013 1, 2 Januar, 21 April, 9, 28 Juni 2014 ab 6 Jahren, in deutscher Sprache Figurinen von Gideon Davey


Das Gespenst von Canterville


Im Schloss spukt es!

Im alten Schloss Canterville hat das Gespenst während der nächtlichen Geisterstunde mal wieder alles durcheinandergebracht. Findest du die zehn Unterschiede zwischen den beiden Fotos unseres Bühnenbildmodells? (Lösung S. 51)


Filzstiftporträt 44

Die Fallhöhe dieser Figur ist enorm. Beckmesser will ernst genommen werden, schafft es aber nicht. Natürlich macht es Spass, jemanden darzustellen, der auf einem Regelwerk beharrt, obwohl er und alle anderen wissen, dass es im Grunde Schwachsinn ist. Umso mehr muss Beckmesser wie ein trotziges Kind darauf bestehen, dass es eben doch so ist. Beckmesser kann einfach nicht zugeben, dass er unterlegen ist. Und daraus entsteht die Komik. Es ist mir wichtig, zu zeigen, dass Beckmesser seine Würde hat. Als Stadtschreiber ist er jemand, der sehr gebildet ist und in dieser Gesellschaft auch respektiert wird. Er muss aber etwas in sich tragen, das ihn verunsichert und behindert, wenn es drauf ankommt. Das ist mir sehr sympathisch und ist etwas, das ich gut kenne. Die Schlussszene auf der Festwiese ist ein furchtbarer Albtraum für Beckmesser und im Grunde genommen auch der typische Albtraum, den jeder Sänger irgendwann einmal träumt: Ich muss einspringen, stehe im perfekt sitzenden Kostüm auf der Bühne, weiss aber meinen Text nicht... Meiner Meinung nach wäre Beckmesser durchaus in der Lage, ein Gedicht zu verfassen und es vorzutragen. Da er aber glaubt, den anderen gefallen zu müssen, oder weil er Angst hat, zu versagen, traut er es sich letztendlich doch nicht zu. Er denkt: Lieber mache ich eine Kopie von etwas anderem, dann wird’s schon gehen... Mit Hans Sachs verbindet ihn eine Art Hassliebe. Natürlich bewundert er ihn, denn Sachs ist sehr populär bei den Leuten. Ich glaube aber, dass Sachs nicht in die Tiefen vordringt, die Beckmesser bedienen könnte. Beckmesser ist etwas für spezielle Gemüter, eher etwas für die Intellektuellen. Als Beckmesser fühle ich mich mit Sachs gleichwertig. Ich finde, dass das ganze Spiel nicht funktionieren kann, wenn der eine der grosse Strahlemann ist und der andere der Kasper. Wenn es die Regie zulässt, sollten sich Sachs und Beckmesser auf Augenhöhe begegnen, auch wenn Beckmesser ab und zu «austickt». Auf gänzlich verlorenem Posten steht er allerdings mit seinen Hoffnungen auf Evas Hand. Wahrscheinlich weiss er das auch und versucht deshalb, an Eva über ihren Vater Pogner heranzukommen, also gewissermassen über die Männerschiene. Es war ja damals auch nicht unüblich, dass Eltern ihre Kinder ohne deren Zustimmung verheiratet haben. Aber Beckmesser hat hier definitiv keine Chancen. Da bekommt man dann schon etwas Mitleid mit dem armen Kerl. Für mich als Interpret ist der zweite Akt die grösste Herausforderung. Hier die Energie gut zu bündeln und das richtige Timing zu finden, ist gar nicht leicht. Die Szene, die

in einen reinen Machtkampf zwischen Sachs und Beckmesser mündet, baut sich nämlich langsam auf, und man muss viele Aktionen in einer Zeitspanne erfinden, die in Wirklichkeit sehr lange dauert. Am Ende dieses Aktes ist man dann einfach nur noch kaputt. Aber auch die Festwiese ist darstellerisch äusserst anspruchsvoll. Beim Preislied muss jede Geste sitzen, jede Aktion im richtigen Moment geschehen. Das braucht viel Konzentration. Dass Harry Kupfer am Schluss eine Versöhnung zwischen Sachs und Beckmesser anstrebt und ihn nicht von der Bühne abgehen lässt, finde ich schön. Meine Figur wird dadurch aufgewertet. Martin Gantner

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner Musikalische Leitung Inszenierung Szenische Einstudierung Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Choreinstudierung Choreografie, szen. Mitarbeit Eva Magdalene Hans Sachs Walther von Stolzing Veit Pogner Sixtus Beckmesser David Konrad Nachtigall Kunz Vogelsang Fritz Kothner Balthasar Zorn Ulrich Eisslinger Augustin Moser Hermann Ortel Hans Schwarz Hans Foltz Ein Nachtwächter

Sebastian Weigle Harry Kupfer Nina Russi Hans Schavernoch Yan Tax Jürgen Hoffmann Ernst Raffelsberger Derek Gimpel

Emma Bell Anna Goryachova Albert Dohmen Roberto Saccà Guido Jentjens Martin Gantner Michael Laurenz Krešimir Stražanac Martin Zysset Cheyne Davidson Fabio Trümpy Andreas Winkler Johannes Dunz Dimitri Pkhaladze Christoph Seidl Tomasz Slawinski Erik Anstine Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Wiederaufnahme 10 November 2013 Weitere Vorstellungen 16, 24 November 2013


Foto Hans Jörg Michel

MARTIN GANTNER verkörpert in den «Meistersingern» den pedantischen Stadtschreiber Beckmesser


VORHANG ZU

Foto Stefan Deuber

Geschafft: Überglücklich fallen sich Ballettdirektor Christian Spuck und sein Hauptdarsteller Jan Casier nach der erfolgreichen «Woyzeck»-Ballettpremiere in die Arme.


Kalendarium 47

MI 6 FAUST

OKTOBER 2O13

19.OO

FR 8 WOYZECK

FR 25 WOYZECK 19.OO

Preise C Ballett von Christian Spuck, Musik von Martin Donner, Philip Glass, György Kurtág und Alfred Schnittke

SA 26 OPERN-WERKSTATT 11.OO 15.3O

CHF 1O

2O.OO

14.3O

FAUST, für 16–26 Jährige, Kreuzstrasse

GESCHICHTEN ERZÄHLEN MIT MUSIK

2O.OO

ÖFFENTLICHE FÜHRUNG DIE SOLDATEN

CHF 1O

19.OO

SO 27 GESPRÄCHSKONZERT 11.15

CHF 2O

WOYZECK

19.3O

OTELLO

Preise C Ballett von Christian Spuck, Musik von Martin Donner, Philip Glass, György Kurtág und Alfred Schnittke Preise E

Oper von Giuseppe Verdi

DO 31 LIEDERABEND ANNETTE DASCH 19.OO

CHF 6O Lieder von Mahler, Schönberg, Zemlinsky und Korngold

FR 1 OTELLO

11.OO

19.OO

FAMILIEN-WORKSHOP

11.15

Preise E

Oper von Giuseppe Verdi

16.OO

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG Preise F WIEDERAUFNAHME Oper von Richard Wagner

MO 11 MONTAGSGESPRÄCH 19.OO

19.OO

19.OO

14.15

CHF 6O STRINGS FOR HOLIDAY, Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Bernhard Theater

12.OO

STRINGS FOR HOLIDAY, Spiegelsaal

Ballett von Christian Spuck nach dem Lustspiel von Georg Büchner, Musik von Johann Strauss, Bernd Alois Zimmermann, Amilcare Ponchielli, Alfred Schnittke und Martin Donner

Klangreise im Opernhaus für 6–12 Jährige und ihre Eltern

ÖFFENTLICHE FÜHRUNG

14.OO

19.3O

Preise C Ballett von Christian Spuck nach dem Lustspiel von Georg Büchner, Musik von Johann Strauss, Bernd Alois Zimmermann, Amilcare Ponchielli, Alfred Schnittke und Martin Donner

FAUST Oper von Charles Gounod

Preise F

DO 21 LEONCE UND LENA 19.OO

Preise C Ballett von Christian Spuck nach dem Lustspiel von Georg Büchner, Musik von Johann Strauss, Bernd Alois Zimmermann, Amilcare Ponchielli, Alfred Schnittke und Martin Donner

19.OO

14.3O

Preise E

WIEDERAUFNAHME Oper von Leoš Janáček

SA 23 STÜCKE ENTDECKEN CHF 20

CHF 1O

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG Preise F

FR 22 JENŮFA Preise G

CHF 7/5

SO 17 LEONCE UND LENA

CHF 1O

Oper von Charles Gounod

MO 4 LUNCHKONZERT

Preise F Opernhaustag

Oper von Richard Wagner

Preise C Ballett von Christian Spuck, Musik von Martin Donner, Philip Glass, György Kurtág und Alfred Schnittke

FAUST PREMIERE

Oper von Charles Gounod

FR 15 LEONCE UND LENA WIEDERAUFNAHME Preise C

WOYZECK

Christian Spuck und Michael Küster präsentieren die neuen Ensemblemitglieder 19.OO

CHF 1O

Ein Gespräch mit dem Tenor Pavol Breslik Restaurant Belcanto

DO 14 FAUST

17.OO

CHF 7/5 mit Mini-Workshop für Kinder von 6-12 Jahren und ihre Eltern

BALLETTGESPRÄCH

CHF 2O

LEONCE UND LENA, Ballettsaal A

14.OO

SO 3 BRUNCHKONZERT 11.15

CHF 25

Spiegelsaal

14.3O

SA 2 BALLETT-FÜHRUNG 14.OO

Preise F

SA 16 UNTERWEGS MIT DEM OHRWURM SQUILLO

NOVEMBER 2O13 19.OO

FAUST

SO 1O GEDENKMATINEE LÁSZLÓ POLGÁR

Bernd Alois Zimmermann, Spiegelsaal

14.OO

CHF 2O LEONCE UND LENA, für 6–12 Jährige und ihre Eltern Ballettsaal A

Oper von Charles Gounod

Preise VV

Oper von Bernd Alois Zimmermann AMAG-Volksvorstellung

Preise C Ballett von Christian Spuck, Musik von Martin Donner, Philip Glass, György Kurtág und Alfred Schnittke

SA 9 FAMILIEN-WORKSHOP

LEONCE UND LENA, für 4–9 Jährige und ihre Eltern Ballettsaal A CHF 12 / 2O 16.3O

Preise F

Oper von Charles Gounod

CHF 2O DAS GESPENST VON CANTERVILLE, für 6–12 Jährige Studiobühne


Kalendarium 48

SA 23 OPERN-WORKSHOP für 16–26 Jährige

CHF 2O

SA 3O HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

14.3O

JENŮFA, Probebühne Escher Wyss I

11.OO

ab 5 Jahren, Studiobühne

18.OO

DAS GESPENST VON CANTERVILLE

14.OO

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

Preise K PREMIERE Oper von Marius Felix Lange, nach einem Libretto von Michael Frowin, ab 6 Jahren

14.OO 1O.15

14.3O

STÜCKE ENTDECKEN

19.OO

16.OO

CHF 2O DAS GESPENST VON CANTERVILLE, für 6–12 Jährige Studiobühne

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG Preise F Oper von Richard Wagner

CHF 2O

ab 5 Jahren, Studiobühne

SO 24 EINFÜHRUNGSMATINEE

CHF 1O Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von «Fidelio» Bernhard Theater

CHF 2O

UNTERWEGS MIT OHRWURM SQUILLO Klangreise im Opernhaus für 6–12 Jährige und ihre Eltern

CHF 7/5

JENŮFA

Preise E

Oper von Leoš Janáček

DEZEMBER 2O13

MI 27 STÜCKE ENTDECKEN 14.3O

19.OO

CHF 2O DAS GESPENST VON CANTERVILLE, für 6–12 Jährige Studiobühne

JENŮFA Oper von Leoš Janáček

FR 29 FAUST 19.OO

Preise E Opernhaustag

SO 1 BALLETTGESPRÄCH 11.15

14.OO

CHF 1O Ein Gespräch mit Christian Spuck, Choreografen und Tänzern, Studiobühne

DAS GESPENST VON CANTERVILLE

Preise K

Oper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin, ab 6 Jahren

Preise F

Oper von Charles Gounod 16.OO

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

CHF 2O

ab 5 Jahren, Studiobühne 18.OO

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

CHF 2O

ab 5 Jahren, Studiobühne

Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com

19.3O

FAUST

Preise F

Oper von Charles Gounod

DI 3 WOYZECK 19.OO

Preise C Ballett von Christian Spuck, Musik von Martin Donner, Philip Glass, György Kurtág und Alfred Schnittke

BILLETTKASSE + 41 44 268 66 66 KARTENVORVERKAUF T +41 44 268 66 66, Mo–Sa, 11.30 bis 18.00 Uhr F + 41 44 268 65 55 tickets@opernhaus.ch www.opernhaus.ch

Samtnerz-Mantel nocce

Billettkasse: Mo–Sa 11.00 bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils 1 ½ Stunden vor Vorstellungsbeginn schriftlich: Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich


Serviceteil 49

Ein begrenztes Kartenkontingent für alle Vorstellungen eines Monats geht jeweils am dritten Samstag des Vormonats in den freien Verkauf. Die AMAG-Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feiertag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Bei AMAG-Volksvorstellungen liegt der Maximalbezug bei 4 Karten pro Person. Für schriftliche Kartenbestellungen sowie Bestellungen per Fax und E-Mail wird eine Bearbeitungsgebühr von CHF 8 erhoben. Die Benachrichtigung über die Platzzuteilung erfolgt in Form einer Rechnung, nach deren Begleichung die Karten per Post zugestellt werden. Für AMAG-Volksvorstellungen sind keine schriftlichen Bestellungen möglich. AMAG-VOLKSVORSTELLUNGEN Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu besuchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvorstellungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per Newsletter angekündigt. OPERNHAUS-TAG Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 5O% Ermässigung für die abendliche Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag er worben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter CLUB JUNG Gemeinsame und individuelle Vorstellungsbesuche zu Spezialkonditionen, Last-Minute-Karten für CHF 15, Probenbesuche und kostenlose Workshops, Gleichgesinnte treffen, Kontakt zu Künstlern, Einblicke in das Geschehen hinter der Bühne und vieles mehr. Weitere Infos: www.opernhaus.ch/clubjung ERMÄSSIGUNGEN Für den Bezug von ermässigten Karten ist ein gültiger Foto-Ausweis des entsprechenden Lehrinstitutes, ein AHV- bzw. IV-Ausweis oder der Schüler- oder Lehrlingsausweis sowohl beim Kauf als auch beim Besuch der Vorstellung vorzuweisen. Das Personal der Billettkasse ist befugt, Ausweise ohne Gültigkeitsdatum zurückzuweisen. Ermässigte Eintrittskarten können nur telefonisch und persönlich an der Billettkasse des Opernhauses erworben werden. Mitglieder des Club Jung können ermässigte Karten auch online erwerben. Sämtliche nachfolgend genannten Ermässigungen gelten nicht bei Fremdveranstaltungen, Premieren, Gala- und Sondervorstellungen und Vorstellungen zu G- und K-Preisen sowie bei Volksvorstellungen. – Kinder (6–16 Jahre) in Begleitung einer erwachsenen Person erhalten in sämtlichen Vorstellungen Karten zu Legi-Preisen. – AHV- und IV-Bezüger erhalten für SonntagnachmittagsVorstellungen eine Ermässigung von 50%.

– Abonnenten erhalten 10% Ermässigung auf max. 4 Karten pro Vorstellung. – Schüler, Studenten und Lernende erhalten aus einem begrenzten Kontingent ab einer Woche vor der Vorstellung Karten zu Legi-Preisen. – Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber erhalten ab 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn alle noch vorhandenen Karten zum Last-Minute-Preis von CHF 20. Mitglieder des Clubs Jung erhalten diese Karten zum Preis von CHF 15. Platzierungswünsche können bei diesem Angebot nicht berücksichtigt werden. – Club-Jung-Mitgliedern steht online ein Kartenkontingent für ausgewählte Vorstellungen zum Preis von CHF 20 Verfügung. Die Vorstellungen werden den Mitgliedern per Newsletter mitgeteilt. – AHV- und IV-Bezüger können online für ausgewählte Vorstellungen Karten mit einer Ermässigung von 50% erwerben. Das Kontingent ist begrenzt. Die Vorstellungen werden den Mitgliedern per E-Newsletter mitgeteilt. Den Newsletter können Sie abonnieren unter www.opernhaus.ch/newsletter ALLGEMEINE BEDINGUNGEN Für den Verkauf von Karten gelten die AGB der Opernhaus Zürich AG, die Sie an der Billettkasse beziehen oder im Internet einsehen können. SPIELPLANINFORMATIONEN – Ausführliche Informationen über das Haus und den Spielplan mit detaillierten Besetzungen und Biografien, Aufführungsfotos, Opernhaus TV, Beiträgen zu allen Neuproduktionen sowie alle tagesaktuellen News bieten wir auf unserer Website www.opernhaus.ch. – Abonnieren Sie unseren Newsletter für aktuelle Informationen und spezielle Angebote unter www.opernhaus.ch/ newsletter. – Gerne senden wir Ihnen unser Saisonbuch sowie die Monatsspielpläne kostenlos an Ihre inländische Adresse. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch. – MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.



Serviceteil 51

BILLETTPREISE

SPONSOREN

Platzkategorien

1 Preisstufe A Preisstufe B Preisstufe C Preisstufe D Preisstufe E Preisstufe F Preisstufe G Preisstufe VV Kinderoper K Preisstufe P1 Preisstufe P2 Legi (Preisstufen A-C) Legi (Preisstufen D-G)

92 141 169 198 23O 27O 32O 75 6O 95 125 35 45

2

3

4

5

76 126 152 173 192 216 25O 59 5O 8O 1O5 25 33

65 113 13O 152 168 184 22O 44 4O 65 85 2O 25

43 56 56 92 95 98 98 25 3O 5O 65 18 2O

16 2O 2O 32 35 38 38 15 2O 35 4O 13 15

Alle Preise in CHF

IMPRESSUM Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch, T + 41 44 268 64 00, info@opernhaus.ch Intendant Generalmusikdirektor Ballettdirektor Verantwortlich

Redaktion

Gestaltung Fotografie Bildredaktion Anzeigen Schriftkonzept und Logo Druck Illustrationen

Andreas Homoki Fabio Luisi Christian Spuck Claus Spahn (Chefdramaturg) Sabine Turner (Direktorin für Marketing, PR und Sales) Beate Breidenbach, Kathrin Brunner, Fabio Dietsche, Michael Küster, Claus Spahn Carole Bolli, Martin Schoberer, Florian Streit, Giorgia Tschanz Florian Kalotay, Danielle Liniger Stefan Deuber Christian Güntlisberger Marina Andreatta, Tania Cambeiro Studio Geissbühler Multicolor Print AG Laura Jurt (9, 52), Giorgia Tschanz (45)

MAG kooperiert mit dem Studiengang Redaktionelle Fotografie der Schweizer Journalistenschule MAZ

RÄTSEL S. 42/43 Lösung: Schlüssel links /Spinnennetz oben links /Kopf links bei Rüstung/ Bild abgehängt /Blutfleck/Fledermaus im Fenster/Stuhl gedreht / Handabdruck/Morgenstern/Türe offen

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

ab PRODUKTIONSSPONSOREN EVELYN UND HERBERT AXELROD FREUNDE DER OPER ZÜRICH WALTER HAEFNER STIFTUNG SWISS RE ZÜRICH VERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT AG PROJEKTSPONSOREN AMAG AUTOMOBIL- UND MOTOREN AG BAUGARTEN STIFTUNG RENÉ UND SUSANNE BRAGINSKY-STIFTUNG ERNST GÖHNER STIFTUNG FREUNDE DES BALLETTS ZÜRICH GRIBI HYDRAULICS AG RINGIER AG ZÜRCHER FESTSPIELSTIFTUNG ZÜRCHER KANTONALBANK GÖNNER ABEGG HOLDING AG ACCENTURE AG ALLREAL ARS RHENIA STIFTUNG BANK JULIUS BÄR BERENBERG SCHWEIZ ELEKTRO COMPAGNONI AG FITNESSPARKS MIGROS ZÜRICH EGON-UND-INGRID-HUG-STIFTUNG JAISLI-XAMAX AG JT INTERNATIONAL SA WALTER B. KIELHOLZ STIFTUNG KPMG AG KÜHNE STIFTUNG LANDIS & GYR STIFTUNG LINDT UND SPRÜNGLI (SCHWEIZ) AG STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ FONDATION LES MÛRONS NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG THOMAS SABO GMBH FÖRDERER FRANKFURTER BANKGESELLSCHAFT (SCHWEIZ) AG GARMIN SWITZERLAND HOREGO AG SIR PETER JONAS MARSANO BLUMEN AG LUZIUS R. SPRÜNGLI ELISABETH STÜDLI STIFTUNG CONFISERIE TEUSCHER ZÜRCHER THEATERVEREIN


Sibylle Berg geht in die Oper 52

Im Ausnahmezustand Premieren sind immer gleich. Überall auf der Welt – vom kleinsten Off-Theater bis zum dicksten subventionierten Opernhaus. Nimmt man bei den grossen Häusern jene aus, die nur mit der Verwaltung der Kunst beschäftigt sind, indem sie, sagen wir mal, mit Künstlern darüber streiten, ob eine Zugfahrt wirklich nötig war und der Künstler 300 km nicht zu Fuss hätte zurücklegen können (im Zweifel immer: Ja!); nimmt man jene aus, die scheinbar dafür bezahlt werden, dass sie die künstlerische Freiheit, sagen wir mal, eindämmen, ist für alle anderen jede Premiere eine Fahrt in die Hölle. Tänzer, Schauspieler, Sänger, Regisseurinnen, Dramaturginnen, Musiker sind im Ausnahmezustand. Irgendwann während der Proben, die durchschnittlich sechs Wochen dauern, hat jeder ein Gefühl für das, was er da tut, verloren. Egal ob die Probenzeit angenehm oder ekelhaft war, irgendwann zieht man das Ding durch und hofft auf das Wunder. Dass es diesmal gelingt. Das grosse Ding, der fette Wurf, singuläre Kunst. Zu Beginn der Probenzeit ist der Darsteller, Musiker, Tänzer noch ein Mensch mit Kinointeressen, Familie, Sorgen und all dem Menschzeug. Während der Proben mutiert er zum Ding und wird Teil einer ausserirdischen Lebensform. Die Welt verschwindet. Die Produktion wird das Wichtigste und Einzige. Die Nächte werden kürzer, je näher die Premiere rückt, die Ernährung mangelhaft, der Rausch ist perfekt. Am Premierenabend ist jeder im Ausnahmezustand. Taubheit, adrenalinbedingt, Aufregung, Herzrasen, der Blackout naht. Man kann das Gefühl der Premiere vielleicht für Menschen, die nicht auf der Bühne stehen, übersetzen mit: Die erste grosse Rede vor vielen Menschen, das erste Treffen mit jemandem, in den man vollkommen und idiotisch verliebt ist. Die Aufregung verschwindet meist, wenn der Vorhang aufgeht. Dann setzt auf der Bühne etwas Automatisches ein, das die Choreografin, die Regisseurin, der Dramaturg nicht mehr steuern können. Sie müssen zusehen. Viele ertragen es nicht im Publikum zu sitzen, aus Angst.

Manche verdrücken sich in die Technik oder auf meinen Lieblingsplatz bei solchen Anlässen: neben dem Inspizienten. Und dann fertig. Das Ende. Wenn nicht gebuht wird (ich berichtete), wird geklatscht, tosender Beifall ist selten, halbstündiger Beifall auch. Es wird also für das subjektive Empfinden der Künstler immer zu wenig geklatscht. Und die Angst kommt wieder: War alles Murks? Aufgepeitscht durch körpereigene Drogen stehen die Beteiligten anschliessend hinter der Bühne zusammen, umarmen sich, beschwören die Familie, die sie für sechs Wochen waren. Aber etwas ist schon kaputt. Draussen warten die Freunde, die Verwandten, man will weg, und irgendwie auch nicht, die Hormone weichen aus dem Körper, hinterlassen eine triste Leere. Und dann ahnen alle: Es war doch nur wieder Theater, Tanz oder Oper. Es war wieder nur eine Inszenierung, eine Aufführung, und nichts, was die Welt verändern wird. Man wäscht und pudert sich und geht hinaus, wo die anderen warten, die Verwandten, die Freunde, die Kritiker, der Theaterchef, die Operndirektorin. Es muss nun geplaudert werden, getrunken, und im schlimmsten Fall müssen kritische Bemerkungen angehört werden von Menschen, die einem wichtig sind. «Es war irgendwie interessant» heisst: Es war Mist. «Ein erfrischender Abend» heisst: Es war Mist. «Spannende Ansätze» heisst: Es war Mist. «Ich fand das erste Bild sehr schön» heisst: Alles war Mist. «Tolle Musik» heisst: Mist, Mist, Mist. Man plaudert sich durch die Menschen ausserhalb der Probenwelt, versucht den Kontakt mit den Künstlern wieder herzustellen, wird fremden Müttern, Vätern, Ehepartnern vorgestellt, und will das nicht. Man will irgendwann nur noch nach Hause. Vergessen, dass es wieder nicht gelungen ist. Und irgendetwas Neues anfangen. Bis zum nächsten Mal Ihre Frau Berg Die Schriftstellerin Sibylle Berg ist Schweizerin und lebt in Zürich


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Stilvoll wohnen im besten Alter. Egal ob in der Oper oder zu Hause – um den richtigen Ton zu treffen bedarf es vielen Voraussetzungen. Deswegen finden Sie in unseren stilvollen Residenzen alles, was Ihr Herz begehrt. Und das 24 Stunden am Tag. Freuen Sie sich auf Ihr neues Zuhause mit einem der schönsten Panoramen der Welt. · Luxuriös möblierte Residenzen mit eigener Küche (29–290 m2) · Housekeeping- und Wäscheservice · Concierge und 24-Stunden Rezeption · Limousinenservice, fährt Sie in etwas mehr als einer halben Stunde an die Zürcher Oper · Pool-Etage mit Schwimmbad, Sauna und Massage · Frühstück, Halb- oder Vollpension · Room Service · Betreuung auf allen Gebieten der Medizin durch die Hirslanden Klinik St.Anna mit verzugslosem Zugang zu Notfall-Konsultationen RESIDENCE NATIONAL LUZERN Grand Hotel National AG, Haldenstrasse 4, 6006 Luzern, Switzerland T +41 41 419 08 08, F +41 41 419 08 10, info@residence-national.com, www.residence-national.com



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