MAG 14: Fidelio

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MAG 14

Anja Kampe singt Leonore


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Editorial 1

Es weihnachtet Verehrtes Publikum, ist alles für die Weihnachszeit vorbereitet? Haben wir genügend schöne Sachen, um sie unter den Baum zu stellen? Das sind die Fragen, die im Augenblick jeden beschäftigen, auch ein Opernhaus. Wir haben deshalb vor dem ersten Advent noch einmal die Geschenkekammer aufgeschlossen, um nachzusehen, ob auch wirklich alles passt, was wir vorbereitet haben. Und festgestellt: Eigentlich müsste für jeden etwas dabei sein. Das grösste Paket ist unsere Neuproduktion, die am 8. Dezember Premiere hat: Beethovens Fidelio, inszeniert von unserem Intendanten Andreas Homoki und dirigiert von unserem Generalmusikdirektor Fabio Luisi. Es ist das erste Mal, dass die beiden am Opernhaus Zürich zusammenarbeiten. Beethovens Oper kreist um die grossen Themen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, passt also perfekt in die Adventszeit. In unserer aktuellen MAG-Ausgabe informieren wir Sie ausführlich über die Themen und Hintergründe zu dieser Produktion und stellen Ihnen die Künstler vor. Dann haben wir natürlich etwas für die Kinder und für die ganze Familie im Programm – Das Gespenst von Canterville als grossen Theaterzauber, an den kein noch so attraktives adventliches Fernsehprogramm heranreicht. Unser Ballett tanzt Woyzeck im Dezember und gibt den dreiteiligen Junior-Ballettabend auf der grossen Bühne. Zwei Tage vor dem Heiligen Abend dirigiert dann Fabio Luisi ein Philharmonisches Konzert (im Opernhaus, nicht in der Tonhalle) mit einem wahrlich festlichen Programm: Sergej Rachmaninows zweitem Klavierkonzert (mit Lise de la Salle als Solistin) und Tschaikowskis Pathétique.

MAG 14 / Dezember 2O13 Unser Titel zeigt Anja Kampe, ein Porträt finden Sie auf Seite 20 (Foto Florian Kalotay)

Eine Produktion allerdings möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen. Es ist die womöglich weihnachtlichste überhaupt – die Wiederaufnahme von Sale, inszeniert von Christoph Marthaler. Die Musik stammt von dem in der besinnlichen Zeit ja immer hochgeschätzten Georg Friedrich Händel. Und das Thema kennt jeder, der sich jetzt wieder auf die Hatz nach Geschenken begibt: Es geht um den Konsumwahn unserer Tage, von dem am Ende nur eine grosse andächtige Leere des Geistes und der Regale übrig bleibt. Geben Sie also am 14. und 17. Dezember, nachdem Sie Kaufhäuser gestürmt haben, ihre Geschenketaschen einfach an der Garderobe des Opernhauses ab und lassen Sie den Einkaufsstress zwei Stunden lang bei einem abgründig entschleunigten Marthaler-Abend hinter sich. Der Höhepunkt des Stücks ist die finale Grablegung des Konsumwahns. Die Beerdigungsgesellschaft gibt dann Händels berühmteste Arie Lascia ch’io pianga als Endloskanon, reiht sich mit ernsten Mienen zu einem Kondolenzzug und wirft dem verröchelten Ausverkaufs-Spass ein Schäufelchen Billigwaschmittel ins Kassengrab hinterher. Das passt zum Fest wie der elektrisch beleuchtete Rentierschlitten aufs Dach der einsamen Berghütte. Das MAG-Team wünscht Ihnen schöne Weihnachten und viel Vergnügen bei der Lektüre. Claus Spahn


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Inhalt 3

Andreas Homoki inszeniert Fidelio von Ludwig van Beethoven. Ein Gespräch

14 Starke Frau: Die Sopranistin Anja Kampe singt Leonore. Ein Probenbesuch

20 Der Amerikaner Brandon Jovanovich debütiert als Florestan. Ein Porträt

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Opernhaus Jung. Ein Interview mit unserem Musiktheaterpädagogen Roger Lämmli

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6 Oper aktuell 7 Drei Fragen an Andreas Homoki 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 32 Die geniale Stelle

Das Filzstift-Porträt 36 Vorhang zu! 38 Kalendarium, Serviceteil 39 Sibylle Berg geht in die Oper 44


Blindtext 4

GESPENSTISCHE RÜSTUNGEN

Foto: Danielle Liniger

Für «Das Gespenst von Canterville» hat Andreas Gatzka, Leiter Theaterplastik, Ritterrüstungen ausgetüftelt, die auf einen Wink des Gespensts marschieren können. In Wirklichkeit sind die Rüstungen allerdings nicht magisch, sondern werden von Statistinnen über eine komplizierte Mechanik gesteuert.


Blindtext 5


Oper aktuell 6

Verdi- und Puccini-Interpretationen setzten Massstäbe. Im Dezember dirigiert er am Opernhaus die Wiederaufnahme von Puccinis La bohème. «La bohème» 22, 26, 28 Dez 2013, 3 Jan 2014

Scintillante

Ab Januar steht Georges Bizets Oper Les Pêcheurs de perles in der hochgelobten Inszenierung von Jens-Daniel Herzog wieder auf dem Spielplan. Das orientalisch gefärbte, dramatische Werk, das einige regelrechte Opernhits enthält, erfordert eine starke Besetzung – und wir haben sie: Marina Rebeka und Pavol Breslik debütieren als Léïla und Nadir, Michael Volle kehrt als Zurga auf die Bühne des Opernhauses zurück und Scott Conner singt den Nourrabad. Die musikalische Leitung übernimmt Patrick Fournillier.

in sein Sängerleben. Der deutsche Bariton zählt zu den gefragtesten Sängern seines Fachs. 1999 bis 2007 gehörte er zum Ensemble des Opernhauses Zürich, bevor er an die Bayerische Staatsoper in München wechselte. Im vergangenen Sommer sang er den Hans Sachs bei den Salzburger Festspielen. In Zürich war er zuletzt als Almaviva und Wolfram zu erleben und wird in dieser Spielzeit als Posa in Verdis Don Carlo auftreten. Montag, 13 Jan, 19 Uhr, Restaurant Belcanto

Kunstpreis 2013

14, 19, 22, 25, 30 Jan, 1 Feb 2014

Michael Volle Noch bevor er am Opernhaus den Zurga singt, gibt Michael Volle in einem Montagsgespräch Einblick

Wir gratulieren! Maestro Nello Santi wurde der Kunstpreis 2013 der Stadt Zürich verliehen. Der aus Italien stammende Dirigent war von 1958 bis 1969 Musikdirektor am Opernhaus Zürich und ist dem Haus bis heute eng verbunden. Insbesondere seine

Brunchkonzert: 8 Dez, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: 9 Dez, 12 Uhr, Spiegelsaal «La Scintilla» im KKL 30 Dez 2013, 19.30 Uhr weitere Infos unter: www.kkl-luzern.ch

Foto: Suzanne Schwiertz

Les Pêcheurs de perles

Zum Jahresende gastieren das «Orchestra La Scintilla» und unsere Ensemblemitglieder Anna Stéphany und Mauro Peter im KKL Luzern. Unter William Christie bringen sie Konzertarien, das Hornkonzert in D-Dur (Solist: Glen Borling), Serenaden sowie die Motette Exsultate, jubilate von Wolfgang Amadeus Mozart zur Aufführung. Mauro Peter, der mit diesem Konzert in seine Heimatstadt zurückkehrt, ist ein junger, aufstrebender Mozart-Tenor. Im Frühjahr 2014 ist ein da Ponte-Zyklus unter Harnoncourt in Wien geplant. Anna Stéphany war in der letzten Spielzeit u.a. als Cherubino und Dorabella am Opernhaus Zürich zu erleben. Unter dem Titel «La Scintilla goes chamber music» wird zudem eine Barockformation des Orchesters im Rahmen der Brunch- und Lunchkonzerte im Opernhaus Zürich konzertieren. Anna Stéphany und Julia Riley singen Ausschnitte aus Händels Giulio Cesare und Serse sowie aus Charpentiers Medée und Monteverdis Poppea. Überdies erklingt die Triosonate BWV 527 von J. S. Bach. Das Konzert leitet Laurence Cummings am Cembalo.


Drei Fragen an Andreas Homoki 7

Foto: Stefan Deuber

Mit der Neuproduktion von «Fidelio» sind Sie einmal mehr als Regisseur am eigenen Haus tätig. Welche Herausforderungen stellen sich einem «regieführenden Intendanten»? Die Herausforderung besteht darin, beide Bereiche genügend voreinander zu schützen. Besonders grossen Schutz braucht der Regisseur in mir, denn der ist empfindlich und zerbrechlich. Wenn ich Regie führe, muss ich genügend Ruhe für meine Arbeit haben. Daher ist es wichtig, meine Aufgaben, die ich als Intendant habe, so einzuteilen, dass ich mir bei den Proben den nötigen Freiraum leisten kann. Man muss in dieser Phase nicht nur sehr gut strukturiert und organisiert sein, sondern auch ein hervorragendes Team haben, das einem den Rücken freihält. Umgekehrt ist es wichtig, dass ich im Vorfeld meine Hausaufgaben als Regisseur gemacht habe. Mein Regiekonzept muss vom ersten Probentag an stehen, so dass ich während des Probenprozesses nicht mehr allzu viel zusätzlich vorzubereiten habe. In meiner Funktion als Intendant wiederum darf ich die bei einem Regisseur latent vorhandene Egomanie nicht zulassen. Ich muss als Intendant über einen breiten Horizont verfügen und für jede Produktion den bestmöglichen Regisseur finden, auch wenn er oder sie eine andere Handschrift hat. Ich bin definitiv kein Regisseur, der niemand anderen neben sich gelten lässt. Fehlendes Handwerk akzeptiere ich natürlich nicht, aber andere Ästhetiken machen mir grossen Spass. Als Intendant können Sie sich das Stück, die Sänger und den Dirigenten selber aussuchen. Besteht da nicht die Gefahr, dass man sich selbst bevorzugt? Das meine ich jetzt sehr ernst: Ich kann es nicht ausstehen, wenn der Chef besondere Vorzüge geniesst. Als Gastregisseur kenne ich den Theaterbetrieb seit vielen Jahren auch

von der anderen Seite und weiss, wie wichtig gute Bedingungen für Regisseure, Dirigenten und Sänger sind. Wenn ich von einem Künstler eine Spitzenleistung erwarte, muss ich ihm auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Das bedeutet nichts anderes, als die Leute in ihrer künstlerischen Tätigkeit zu respektieren – worauf ich grossen Wert lege. Ich finde es sehr bedenklich, wenn ein Betrieb dem Chef bessere Voraussetzungen gibt, nur damit dieser nicht merkt, dass sein Haus eigentlich gar nicht so gut bestellt ist. Ein Opernhaus sollte auf keinen Fall ein Potemkinsches Dorf sein! Erhalten Sie durch das Regieführen am eigenen Haus einen besonderen Zugang zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Selbstverständlich entsteht beim Inszenieren zu Bühnentechnikern, den Werkstätten oder anderem künstlerischen Personal sofort eine grosse Nähe, die ich als Intendant so vielleicht nicht aufbauen könnte. Intendant ist ja kein Beruf, den man erlernen kann; jeder, der diese Tätigkeit ausübt, macht das von der Seite aus, von der er ursprünglich herkommt. Ich habe hier das grosse Glück, dass der kaufmännische Direktor und ich uns sehr gut ergänzen. Meine persönliche Kernkompetenz ist und bleibt das Regieführen, was per se eine sehr komplexe Angelegenheit ist, in der musikalische, darstellerische und technische Aspekte zusammenkommen. Im Grunde genommen agiert man da bereits als eine Art Intendant mit begrenzterem Radius. Intendant zu sein bedeutet für mich daher nichts anderes als die Verlängerung dieser Grundkompetenzen – bloss mit ein paar Projekten mehr auf dem Schreibtisch, die man zu betreuen hat. •


Ostern in Berlin mit Weltstars the club

Argerich, Barenboim, Domingo, Harteros, Seiffert 1 7 . 0 4 . - 2 1 . 0 4 .2 014

Viele Reisehöhepunkte

Viele Leistungen

Erleben Sie Ostern in Berlin mit vielen musikalischen, kulturellen und kulinarischen Höhepunkten. Die Festtage der Staatsoper sorgen auch 2014 wieder für Sternstunden: Marta Argerich, Simone Boccanegra mit Anja Harteros und Placido Domingo sowie Peter Seiffert als Tannhäuser stehen auf dem Programm.

17.04.2014: Simone Boccanegra (Verdi) D. Barenboim (D), F. Tiezzi (I); A. Harteros, P. Domingo, F. Sartori, D. Belosselskiy 18.04.2014: Gala-Konzert Philharmonie D. Barenboim, P. Domingo, Staatskapelle 19.04.2014: Klavier-Rezital Philharmonie Marta Argerich und Daniel Barenboim 20.04.2014: Tannhäuser (Wagner) D. Barenboim (D), S. Waltz (I); M. Prudenskaja, M. Poplavskaya, P. Seiffert, R. Pape

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 9

Illustration: Laura Jurt

Klappt es? Manchmal wache ich nachts auf und finde keinen Schlaf, weil die Gedanken nur um das Eine kreisen: Wird es so funktionieren, wie wir uns das am Planungstisch ausgedacht haben? Was machen wir, wenn es nicht so läuft, wie wir es dem Regisseur oder dem Bühnenbildner versprochen haben? Und wieder drehe ich mich im Bett herum, weil mir keine andere Lösung einfällt. Stunden später schreibe ich diesen Text über eine technische Lösung, obwohl ich nicht sicher bin, ob diese Lösung noch aktuell ist, wenn das MAG gelesen wird. Beim Fliegenden Holländer habe ich in der letzten Spielzeit über eine langsame Bewegung der Wände geschrieben, die wir mit Hydraulikzylindern realisieren wollten. Leider hat das System nicht wie erhofft funktioniert, und wir mussten in letzter Sekunde die Bewegung über schiebende Techniker und Seilumlenkungen mit unserer Zuganlage lösen. Bei unserer Fidelio-Neuproduktion muss es im wahrsten Sinn des Wortes klappen: Der grösste Teil der Bühnenfläche soll während der Aufführung senkrecht gestellt werden und den Raum nach hinten verschliessen. Wenn diese Klappe unten ist, spielt der ganze Chor darauf. Während sie langsam schliesst, versuchen immer noch einzelne Darsteller auf der Schräge zu bleiben, bis sie unweigerlich hinabrutschen. Damit die Klappe den statischen Ansprüchen gerecht wird, musste sie sehr stabil gebaut werden. Sie wiegt ca. vier Tonnen, dazu

kommen nochmal vier Tonnen Belastung durch Chor und Solisten. Die Klappe ist vorne gelenkig im Boden verankert. Von unten, etwas weiter hinten, drücken wir mit den Bühnenpodien die Klappe hoch, so dass diese – ähnlich einer Laderampe beim Lastwagen – schliesst. Die Podien sind ein fest eingebauter Bestandteil unseres Bühnenbodens und gemäss den Herstellerangaben in der Lage, 10.4 Tonnen hochzuheben. Aber ob es diese dann tatsächlich schaffen, die Klappe zuzudrücken, ob sie dabei Geräusche machen oder anfangen zu schwingen und dann sicherheitshalber anhalten – das wissen wir nicht. Gewissheit werden wir erst drei Wochen vor der Premiere nach dem Aufbau auf der Bühne haben. An einem Opernhaus gleicht kaum je ein Bühnenbild dem anderen. Immer wieder müssen wir Lösungen für neue theatertechnische Aufgaben finden. Wir bauen Prototypen, die gleich beim ersten Mal serienreif sein müssen. Das macht die Arbeit anspruchsvoll und spannend. Manchmal so spannend, dass wir uns auch mitten in der Nacht damit auseinandersetzen müssen. • Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich


Blindtext 10


Wo bleiben die Utopien? Beethoven träumt im Finale des «Fidelio» vom Glück der Menschheitsverbrüderung. Die Oper steht damit quer zu einer Gegenwart, in der uns die Visionen abhanden gekommen sind Ein Essay von Claus Spahn


Fidelio 12

Gott! Welch ein Augenblick!» singt Leonore im Finale des Fidelio, wenn sie ihrem Gatten Florestan die Ketten der Gefangenschaft endlich löst, und der Chor bricht einige Takte später in strahlendem C-Dur in einen nicht enden wollenden Jubel aus. So gewaltig und triumphal klingt der Fidelio-Schlusschor, dass man sich in jeder Aufführung aufs Neue fragt: Was ist das eigentlich für ein Augenblick, den Beethoven da pathetisch beschwört? Was motiviert den eminenten musikalischen Aufwand? Die Geschichte ist doch schon viel früher an ihr gutes Ende gekommen: Die couragierte Leonore, die sich als Mann verkleidet in die kleinbürgerliche Welt des Kerkermeisters Rocco eingeschlichen hat, um ihren inhaftierten Gatten Florestan zu befreien, hat ihr Ziel längst erreicht: Das Unrecht ist aufgedeckt, das Kerkerdunkel, in dem der zweite Akt beginnt, ist dem Licht der Befreiung gewichen. Und plötzlich bricht dieser unbeschreibliche Freudentaumel aus, der viel mehr meint als die glückliche Vereinigung eines Ehepaares. Die Musik sprengt hier den Formrahmen der Oper. Die Zeit scheint stillzustehen. Die Handlung erstarrt zum Oratorium. Und die Liebe wird nicht allein als privates Glück gefeiert, sondern wächst ins Überpersönliche: Beethoven zelebriert das finale Loblied auf die Gattenliebe als Apotheose der Freiheit, in der die Ideale der französischen Revolution mitklingen und Menschheitsverbrüderung schlechthin zum Thema wird. Viel ist über diesen Fidelio-Schluss reflektiert worden. Beethoven sei der erste Komponist der Geschichte, der die Musik als moralische Instanz aufrichte, schrieb der Musikessayist Dietmar Holland, und im Fidelio-Finale spreche er «ex cathedra». Seine Botschaft sei, Mut zu machen, dass um Freiheit zu kämpfen sich lohne. Der Philosoph Ernst Bloch nannte das Finale ein «Wunschbild des erfüllten Augenblick» mit Betonung auf «Wunsch». Und Theodor W. Adorno konstatierte: «Freiheit ist real bei Beethoven nur als Hoffnung.» «Vielleicht ist das Nicht-Veralten Beethovens», so der deutsche Philosoph, «nichts anderes, als dass seine Musik noch nicht von der Wirklichkeit eingeholt ist.» Das bedeutet: Das Glück der Freiheit, das Leonore durch ihre Rettungstat herbeigeführt hat, wird zwar in der Oper als erreicht gefeiert, bleibt aber über das Werk hinaus eine uneingelöste Forderung. Beethovens gleissende C-Dur-Vision von der Lösung aller Ketten erklingt als Utopie. Spricht ein Werk so eindringlich zur Welt wie Beethovens Fidelio, drängt sich natürlich die Frage nach der Verfasstheit der Welt auf, an deren Ohr dieser Menschheitsappell dringt. Ist die Moderne der Gegenwart überhaupt empfänglich für Beethovens pathetische Grundsatzansprache? Utopie – der Begriff erscheint seit langem nur noch

wie das ferne Wetterleuchten aus einer anderen Zeit. Die Vision von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen – da fällt manchem aktuell vor allem der Satz des deutschen Altbundeskanzlers und Erzrealisten Helmut Schmidt ein, der politischen Träumern zu entgegnen pflegt: «Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.» Utopien, so scheint es, stehen im 21. Jahrhundert nicht sehr hoch im Kurs. Als Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts der eiserne Vorhang gefallen und der sogenannte real existierende Sozialismus zusammengebrochen war, lautete eine weit verbreitete These, dass nun grundsätzlich Schluss sein müsse mit den politischen Menschheitsbeglückungsutopien, die – verwirklicht – am Ende alle in Unfreiheit und Knechtschaft endeten. Joachim Fest, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, rief damals in einer Streitschrift das «Ende des utopischen Zeitalters» aus. Im endgültigen Verschwinden grosspolitischer Heilspläne sah man einen Segen für die Menschheit, und mit der Kritik am Staats-Sozialismus wurden auch gleich allen anderen linken

Die Kunst öffnet den Horizont für die grossen Freiheitsträume Träumereien von einer besseren Welt die Absage erteilt. Der Kapitalismus wurde alternativlos, und sein Versprechen war der Liberalismus des Marktes, der auf lange Sicht Wohlstand und sozialen Ausgleich schaffe und die Menschheit in die beste und gerechteste aller denkbaren Welten führe. Die Optimisten sahen ein Leben ohne Utopien und fiebrige Zukunftsvisionen heraufdämmern, unideologisch arrangiert im Pragmatismus der Gegenwart, in sich ruhend auf den weichen Kissen von Konsum und individueller Freiheit, unter der nie untergehenden Sonne einer florierenden Ökonomie. Aber es ist dann doch anders gekommen. Nach dem Ende des Kalten Kriegs sind neue geostrategische Konflikte aufgebrochen und haben die Illusion einer friedlich geeinten Weltgesellschaft schnell wieder platzen lassen. Die Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, Energieressourcen und Klimawandel stellen sich dringlicher denn je. Die Stürme der Globalisierung kippen Volkswirtschaften aus der Balance. Der Finanzkapitalismus ist an seiner Gier irre geworden. Die Freiheitsversprechen des Internets erweisen sich als trügerisch usw. Über Politiker, Wirtschaftsführer und Intellektuelle rollt eine Herausforderung nach der anderen hinweg, atemlos kommen sie im Bearbeiten der Konflikte und Krisenszenarios kaum nach. Für den weiten Blick in die Zukunft, für die geöffnete Perspektive, für visionär utopisches Denken scheint ihnen die Zeit, der Überblick und die Unabhängigkeit des Handelns zu fehlen. Der Utopieverlust

Foto: imago

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der Gegenwart hat nicht zuletzt mit Überforderung zu tun. Die Komplexität der Moderne verstellt den Blick über die Gegenwart hinaus in die Zukunft. Die Welt, so weit sie überhaupt steuerbar ist, kann nur noch auf Sicht gefahren werden. Früher, so hat der ZEIT-Journalist und Gegenwartsdiagnostiker Thomas Assheuer vor einiger Zeit geschrieben, seien soziale Utopien aus einem Stillstand der Verhältnisse heraus entstanden und hätten sich gegen den Mangel an Zukunft gerichtet. Heute verhalte es sich umgekehrt: Es gebe zu viel an Zukunft. Unablässig bedränge sie die Gegenwart, nehme von ihr Besitz und lasse die Grenze zwischen heute und morgen verschwinden. Während das alte Bewusstsein, in einem stabilen Zeit-Raum zu leben, verschwinde, verwandele sich die Gegenwart in den Durchlauferhitzer der Zukunft und die Permanenz des Übergangs: «Die Zukunft stirbt, weil sie immer schon da ist.» Aus diesem Zeitgefühl entstehe eine auf Abwehr gepolte Haltung, die die politische Fantasie ersticke. Natürlich hat sich inzwischen längst eine Gegenbewegung wider den Utopieverlust formiert. Der Mensch kann nicht leben, ohne über seine Gegenwart hinaus zu träumen. Das zarte Pflänzchen wird wieder bewässert. Aber es sind weniger die grossen Gesellschaftsentwürfe, über die nachgedacht wird, sondern eher kleine Projekte und punktuelle Fantasien von einem besseren, gerechteren und zukunftssichernden Leben, denen sich neue Utopisten wie der Soziologe Harald Welzer verschrieben haben. Die von ihm gegründete Stiftung mit dem passenden Titel FUTURZWEI etwa forscht über alternative Lebensstile und Wirtschaftsformen jenseits von Wachstumsideologie und ökologischem Raubbau. An der grundsätzlichen Visionsarmut der Gegenwart ändern solche Initiativen vorerst freilich wenig. Was bleibt, ist die Kunst. Sie bewahrt, was der Gesellschaft abhanden zu kommen droht: Sie öffnet den Horizont für die grossen Träume von Freiheit, beschwört die Macht der Liebe, nährt die Sehnsucht nach Menschlichkeit und gibt der Möglichkeitsform einen Raum. In seinem Fidelio hat Beethoven dem Glauben Ausdruck verliehen, dass der Mensch zur weltrettenden Tat fähig ist, wenn er nur wie die mutige Frau und grosse Liebende Leonore das Äusserste zu wagen bereit ist an Courage, Selbstlosigkeit und Verantwortungsbewusstsein. «Wer du auch seist, ich will dich retten!» singt sie und löst die Ketten des Mannes, der zwar ihr Gatte ist, aber auch jedes andere Opfer von Unmenschlichkeit sein könnte. Der Philosoph Ernst Bloch vernahm im Fidelio den Nachhall des Sturms auf die Bastille und fand, die Oper

habe «die Revolution schlechthin als Handlungsraum». Eine solche Wahrnehmung mag uns heute wie der Blick durch ein umgedrehtes Fernglas vorkommen – alles ganz weit weg. Aber sie offenbart die Grösse des Themas, an dem Beethoven sich an seiner einzigen Oper abgearbeitet hat. Mehrmals hat er sie umgearbeitet, ohne je zu einer einheitlichen Werkgestalt zu gelangen. Der Versuch, eine deutsche Spieloper und ein Ideendrama, einen problematischen Text und hochfliegende Musik zusammenzuzwingen, der gewagte szenische Dreischritt von der «Ruhe stiller Häuslichkeit» hinein in ein apokalyptisches Weltdunkel, hinauf zum Licht der Freiheit, die Rätselhaftigkeit des Spielorts zwischen einem hermetischen Innen und einem unbestimmten Aussen – das alles will sich zu keiner Einheitlichkeit fügen und verleiht der Oper eine Querständigkeit, die nicht zuletzt in ihrem Fragmentcharakter und an ihren Bruchkanten Beethovens utopischen Anspruch markiert. Der Augenblick, der im Fidelio-Finale besungen wird, ist eben ein ganz besonderer Moment. •

FIDELIO Oper von Ludwig van Beethoven (1770-1827) Musikalische Leitung Fabio Luisi Thomas Rösner (8, 11 Jan) Inszenierung Andreas Homoki Bühnenbild Henrik Ahr Kostüme Barbara Drosihn Lichtgestaltung Franck Evin Video Alexander Du Prel Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Werner Hintze Der Minister Don Pizarro Florestan Leonore Rocco Marzelline Jaquino Erster Gefangener Zweiter Gefangener

Ruben Drole Martin Gantner Brandon Jovanovich Anja Kampe Christof Fischesser Julie Fuchs Mauro Peter Alessandro Fantoni Christoph Seidl Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich

Premiere 8 Dez 2013 Weitere Vorstellungen 12, 15, 18, 20, 29 Dez 2013 1, 5, 8, 11 Jan 2014

Ein Kulturengagement der


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Ein Stück von radikaler Grösse Ein Gespräch mit Andreas Homoki zu seiner Inszenierung von Beethovens Oper «Fidelio» Fotos Danielle Liniger

Sie erzählten kürzlich das ein Journalist Sie gefragt habe, ob Sie Beethovens Fidelio tatsächlich «freiwillig» inszenieren. Können Sie diese Frage nachvollziehen? Ja, weil es eine Zeit gegeben hat, zu der ich vermutlich genauso reagiert hätte. Das war allerdings vor einer intensiven Beschäftigung mit dem Fidelio, als ich das Stück nur aus eher unbefriedigenden traditionellen Aufführungen kannte. Das begann sich zu ändern, als ich während meiner Assistenzzeit mit Studenten einen Teil des ersten Akts inszenieren sollte. Ich habe mich da entsprechend schwer getan etwa mit der Biederkeit dieses Singspiels oder den sperrigen Dialogtexten. Dieses kleinbürgerliche Milieu des Kerkermeisters und seiner Familie schien mir nicht zu passen zu dem besonders im zweiten Teil so stark artikulierten politischen und ethischen Anspruch Beethovens. Erst später wurde mir bewusst, dass die formalen Schroffheiten – das, was viele Opernbesucher immer noch als Zeichen für Beethovens mangelndes Theatergespür ansehen – durchaus keine Mängel, sondern Stärken sein können: dass Beethoven gar nicht die Absicht hatte, die Konventionen der Oper zu erfüllen, sondern rücksichtslos das gemacht hat, was ihm richtig schien, und dass gerade diese verstörende Radikalität das Grosse an diesem Stück ist. In meiner Aufführung mit den Studenten konnte ich diese Gedanken noch nicht wirklich berücksichtigen, weil das ein gründlich ausgearbeitetes neues Konzept erfordert hätte, nicht eine eher geradlinige Nach-

erzählung des Librettos, wie sie von mir gefordert war. Aber seitdem hat mich die Frage nicht mehr losgelassen, auf welche Weise ich als Regisseur die spezifischen Qualitäten des Stücks auf der Bühne besser hervortreten lassen könnte. Das heisst, Sie inszenieren das Stück jetzt freiwillig? Nicht nur freiwillig, sondern ich habe mir sogar schon seit längerem eine Gelegenheit gewünscht, mit diesem Nachdenken zu einem Ergebnis zu kommen und es in der praktischen Arbeit zu erproben. Ich freue mich sehr, dass es nun endlich so weit ist. Und das kleinbürgerliche Milieu schreckt Sie nun nicht mehr? Das Milieu nicht, denn der Gegensatz zu dem ansonsten hohen moralisch-ethischen Anspruch des Werks ist bewusst gesetzt. Ein Gegensatz, der allerdings gewaltig ist und an dem viele Aufführungen des Werks scheitern. Man muss sich also genau überlegen, an welchem Ort man eine Aufführung dieses Stück ansiedelt. Wo liegt das Problem? Die Frage beantwortet doch das Libretto: Ein Staatsgefängnis in der Nähe von Sevilla. Das ist tatsächlich eine sehr klare Aussage, aber sie hilft uns nicht weiter. Jeder kann ja für sich einmal die Frage durchspielen, wie denn ein solches Gefängnis auf der Bühne


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aussehen könnte. Eine historische Dekoration eines Kerkers läuft Gefahr, entweder unglaubwürdig oder verharmlosend zu wirken. Ein moderneres Setting, etwa in einem heutigen Hochsicherheitstrakt oder in Guantanamo wiederum muss unweigerlich an dem singspielhaften Gestus des Werkes scheitern. Ich bin überzeugt, dass der Weg gerade in die entgegengesetzte Richtung gehen muss: weg von einer naturalistischen Nachbildung, hin zur Abstraktion und zur Überhöhung, zu den philosophisch-politischen Inhalten, die Beethoven vermitteln wollte, und die uns ungleich mehr interessieren sollten. Wobei diese Inhalte auf eine durchaus problematische Weise vermittelt werden. Denn selbst wenn wir von der ästhetischen Frage absehen, wie man mit dem Spielort umgehen kann, hat das Stück aber auch noch andere Schwierigkeiten, für die es berüchtigt ist… Ja, dazu gehören in erster Linie die schon angedeuteten formalen Unstimmigkeiten. Fidelio beginnt wie ein deutsches Singspiel, dann finden wir uns unversehens im Bereich der grossen tragischen Oper und schliesslich mündet das Geschehen in eine monumentale Kantate, die eigentlich nichts mehr mit Theater zu tun hat. Und dieses Konglomerat widersprüchlichster stilistischer Strukturen soll auch noch zusammengehalten werden durch Dialoge, deren sprachlicher Duktus uns heute doch etwas zu betulich und verstaubt vorkommt, um dem inhaltlichen Anspruch des Werks gerecht zu werden. Wenn man es mit einem solchen Gebilde zu tun hat, kann man entweder den Versuch unternehmen, die Brüche zu kitten und so tun, als handele es sich trotz allem um ein rundes, in sich geschlossenes Werk. Oder man muss versuchen, gerade aus dieser Brüchigkeit eine Konzeption zu entwickeln, die dem Werk dann hoffentlich eher entspricht. Die dritte Möglichkeit wäre, das Stück einfach zu den Akten zu legen… Als Regisseur und Künstler kann ich mich um eine Stellungnahme zu Fidelio nicht vorbeimogeln. Das Werk liegt wie ein gewaltiger Felsbrocken auf der Strasse, da muss man ran. Diese Wucht speist sich natürlich aus Beethovens Musik, die in ihrem Höhenflug das Libretto weit unter sich zurücklässt. Von diesem gewaltigen Unterschied der Dimensionen von Musik und Libretto ausgehend, haben wir in den Gesprächen mit meinem Inszenierungsteam irgendwann den Gedanken durchgespielt, was eigentlich geschieht, wenn man die Dialoge ganz weglässt. Beethovens Stück ist radikal, da braucht es radikale Lösungen. Die Idee hat mir schnell gefallen, und

inzwischen können wir auf den Proben erleben, dass sie tatsächlich funktioniert. Aber versteht man noch die Handlung, wenn die Dialoge fehlen? Die Handlung der Oper ist doch eigentlich recht simpel und baut auf Situationen auf, die leicht darstellbar und für jeden ebenso leicht nachvollziehbar sind: Ein Mädchen hat sich in einen jungen Mann verliebt, und ihr Freund ist deshalb eifersüchtig. Der vermeintliche Nebenbuhler ist aber eine Frau, die sich ins Gefängnis eingeschlichen hat, um ihren verschwundenen Mann zu suchen. Der Vater und die beiden jungen Leute merken das nicht, und so entfaltet sich erst einmal eine Komödienhandlung. Aber dann bleibt die Handlung zum ersten Mal richtig stehen, und es kommt ein ganz aussergewöhnliches Musikstück: das Kanon-Quartett «Mir ist so wunderbar». Hier beherrscht plötzlich die Musik die Szene und transzendiert augenblicklich die kleinlichen Vorgänge in der Familie des Kerkermeisters. Die Musik spricht nur noch von der Innenwelt der Figuren, ihrer Sehnsucht, ihrer Liebesfähigkeit, ihren Träumen vom Glück. Solche Momente gibt es in dem Stück immer wieder, auf solche dramaturgischen Brüche kam es Beethoven offenbar an, nicht die Details von Rechnungen, Rabatten, Kettenreparaturen usw. Und das ist es, was eine Aufführung erlebbar machen muss. Wenn das gelingt, wird niemand eine Schilderung des Milieus in allen Einzelheiten vermissen. Immerhin setzt Ihre Inszenierung einen drastischen Eingriff in die Struktur des Werkes voraus. Ist das nicht riskant? Theater ist immer riskant, und auch wenn man alles brav an seinem Platz lässt, ist das Gelingen keineswegs garantiert – im Gegenteil! Allerdings begibt man sich mit einem solchen Eingriff natürlich auf dünnes Eis und lädt sich einen zusätzlichen Legitimationsdruck auf. Wir sehen aber auf den Proben, dass sich die neue Struktur zum Glück ganz natürlich entfaltet und man nicht das Gefühl hat, dass etwas fehlt. Um ganz ehrlich zu sein: Es funktioniert besser, als ich gehofft habe. Ich habe manchmal sogar den Eindruck, das Stück habe geradezu darauf gewartet, dass man so damit umgeht. Allein indem die Kontraste zwischen den Musiknummern viel stärker hervortreten, wenn sie direkt aufeinander treffen, entsteht eine kraftvolle theatralische Wirkung. Natürlich muss die Inszenierung dafür sorgen, dass sich trotzdem eine neue Kontinuität der Fabelerzählung ergibt, jedoch ohne die Lücken und Schroffheiten unnötig zu glätten.


Anja Kampe, Andreas Homoki und Mitglieder des Damenchores

Lässt sich so noch die Geschichte erzählen, die das Libretto vorgibt, oder wird es eine andere? Ich glaube, dass schon Beethoven eine andere Geschichte erzählt hat als seine Librettisten. Im Grunde sprengt seine Komposition ja fortwährend die Form der Oper, an der das Libretto noch ängstlich klebt. Das führt dazu, dass viele Zuschauer und Theatermacher das Stück als unbefriedigend empfinden: weil es sich nicht zu einem Ganzen fügt, keine «richtige Oper» ist. Von hier ist es nicht weit zum beliebten Topos der Foyergespräche: dass Beethoven eben nicht für das Theater komponieren konnte usw. Ich halte das für Unsinn. Bei jeder einzelnen Probe erweist es sich, dass Beethoven sehr wohl in der Lage war, genau für die Szene zu komponieren, den Sprach- oder Bewegungsgestus eines bestimmten Vorgangs sehr präzise in Musik zu übertragen und die Szenen musikalisch zu organisieren. Wenn sich sein Stück nicht widerstandslos mit den Rezeptionsgewohnheiten versöhnen lässt, dann also offenbar nicht, weil er das nicht gekonnt hätte, sondern weil er es nicht wollte, es ihn für das, was er zu sagen hatte, schlicht nicht interessierte. Ich möchte noch einmal auf Ihre Bemerkung vom Anfang zurückkomen: Warum kann man ein Gefängnis nicht auf die Bühne bringen? Ich habe in vielen Aufführungen gesehen, wie der Chor als ausgemergelte Häftlinge geschminkt auf die Bühne kommt und uns unaussprechliches Elend vorspielen soll,

und ich habe das immer als unglaubwürdig empfunden. Stellen wir uns vor, gesunde Chorsänger, die von einem virtuos spielenden Orchester begleitet perfekt singen, kommen als KZ-Häftlinge verkleidet auf die Bühne und singen das Fidelio-Finale. Ich fände das obszön. Egal, welche guten Absichten dahinter stecken mögen. Ich glaube, dass die hochartifizielle Form der Oper hier tatsächlich an die Grenzen ihrer Darstellungsfähigkeit stösst. Das bedeutet nicht, dass der Inhalt nicht vermittelbar wäre, aber man muss einen anderen Weg suchen, der dieser speziellen Künstlichkeit der Gattung entspricht, und folglich nicht über eine oberflächliche Nachbildung der Wirklichkeit gehen kann. Ist das ein opernspezifisches Problem? Ich denke schon. Der Film beispielsweise verfügt da über ganz andere Möglichkeiten. Selbst das Schauspiel hat es nicht ganz so schwer. Aber die Rezeptions-Situation in einem Opernhaus ist eine sehr besondere. Und der müssen wir eben Rechnung tragen. Also kein Gefängnis, weder naturalistisch abgemalt, noch eine abstrahierte Version davon. Da erhebt sich noch einmal die Frage: Wie lässt sich dann das Stück erzählen? Setzt die Handlung nicht voraus, dass Florestan in einem Gefängnis versteckt wird, in das sich Leonore einschleicht? Der Bühnenraum muss den Ort der Handlung nicht


Andreas Homoki und Mitglieder des Damenchors

unbedingt nachbilden, damit er in der Aufführung vorhanden ist. Er kann sich auch aus der Aktion und Interaktion der Darsteller ergeben. In diesem Sinne haben wir uns zu einer radikal experimentellen Lösung entschlossen: Die Darsteller agieren praktisch ohne Requisiten auf einer leeren Bühne, so dass sich das Geschehen ausschliesslich aus der Konfrontation der Figuren und ihrem Zusammenspiel entwickelt. Letztendlich tritt so noch viel deutlicher hervor, wie die äusseren Verhältnisse das Handeln der Personen bestimmen. Nehmen wir Leonore in ihrer Beziehung zu Marzelline und Rocco. Wenn sie ihr Ziel erreichen und ihren Mann retten will, muss sie nicht nur das Vertrauen dieser beiden Menschen, sondern auch die Liebe, die Marzelline für sie empfindet, für ihre Zwecke missbrauchen. Dieser moralische Konflikt, der Leonore sehr belastet, kann in einer naturalistischen Detailmalerei leicht untergehen, wohingegen er in der reduzierten Spielweise, wie wir sie anstreben, mit grosser Klarheit in Erscheinung tritt. Damit tritt aber auch die Zwangssituation stärker ins Bewusstsein, und das Gefängnis als Ort, der allen die dort leben müssen, Gewalt antut, ist vielleicht sogar stärker präsent als in einer herkömmlichen Darstellungsweise. Hinzu fügen wir immer wieder Text-Projektionen, die den originalen Regieanweisungen der Partitur entnommen sind. So ist das Gefängnis – wenn auch unsichtbar – auf verschiedenen Ebenen doch immer gegenwärtig.

Aber was bleibt vom Stück übrig, wenn man es um die Einzelheiten der Handlungsvorgänge und die Milieuschilderung des Bühnenraums beschneidet? Es bleibt der die ganze Menschheit umfassende und betreffende Appell, den Beethoven gestaltet hat und der diese Oper so einzigartig macht. Es bleibt das grosse und beeindruckende weil wirklich aus tiefer Überzeugung kommende Pathos, mit dem Menschlichkeit, Solidarität, Liebe und Verantwortungsbewusstsein aufgerufen werden, das grosse Pathos, mit dem vom Freiheitswillen der Menschen gesprochen wird, von ihrem Glücksanspruch – letztendlich von Beethovens grossem Traum von einer Welt, in der sich all dies verwirklicht und das Leben der Menschen durchdringt und bestimmt. Und das Stück wagt die ungeheuerliche Aussage, dass so eine Welt möglich ist, dass wir sie erreichen können. Und zwar durch Solidarität und Nächstenliebe. Ist die Zeit für solche Appelle heute, nach dem Scheitern des Kommunismus und dem Ende aller Utopien, nicht allzu naiv, vollkommen veraltet und eigentlich lächerlich? Ich denke, die von Anfang an problematische These vom «Ende aller Utopien» hat sich inzwischen wohl erledigt. Nach dem Ende des Kalten Krieges mag es Leute gegeben haben, die nun ein Zeitalter der Stabilität und des ruhigen Geniessens der Erfolge angebrochen sehen, in dem


Fidelio 19

man für solche Dinge wie Utopien keine Verwendung mehr hat. Inzwischen dürfte aber jedem klargeworden sein, dass von Ruhe und friedvollem Genuss keine Rede sein kann, dass wir es, wenn wir die Dinge im globalen Massstab betrachten, mit überaus zahlreichen und höchst brisanten Konflikten ökonomischer, ethnischer, religiöser, politischer Art zu tun haben, für die wir keine Lösungsansätze werden geben können, wenn wir nicht über das Bestehende und Mögliche hinaus und in das scheinbar Unmögliche – also Utopische – hinein denken. Und dazu kann uns ein Mann wie Beethoven, der so vehement darauf bestand, die Traditionen der Aufklärung und die Errungenschaften der Französischen Revolution weiterzutragen, sehr viel geben. Weil Beethoven die ganze Menschheit sieht und uns klarmacht, dass es uns eben nicht genügen darf, dass wir auf der Sonnenseite geboren sind und nicht befürchten müssen, vor Lampedusa zu ertrinken, nur weil wir ein wenig besser leben wollen. Und natürlich genügt es ebenfalls nicht, irgendwelchen Schlepperbanden

die Schuld dafür zu geben, sondern wir sind aufgefordert, die Probleme grundsätzlicher anzugehen, also für gerechtere Lebensbedingungen auf unserem Planeten insgesamt zu sorgen. Das ist nur möglich, wenn wir uns nicht scheuen, das Unmögliche zu denken. Einer, der solche Forderungen stellt, ist natürlich unbequem. Beethoven war es immer, und sein Fidelio stand auch schon damals quer zu allen Erwartungshaltungen. Das ist bis heute so geblieben, und das ist das Verstörende und das Beeindruckende an diesem Werk. • Das Gespräch führte Werner Hintze


Ihre Stärke erwächst aus Verletzlichkeit Anja Kampe ist die Leonore im neuen Zürcher «Fidelio». Schon die Probenarbeit zeigt, dass sie die Partie auf faszinierend vielschichtige Weise verkörpert Text Claus Spahn, Foto Danielle Liniger


Fidelio 21

E

in leerer, geschlossener Raum, drei Menschen, finstere Klänge am Klavier – die Proben zu Beethovens Oper Fidelio sind an ihrem schwärzesten Punkt angekommen: im Kerker, in dem der politische Gefangene Florestan in Ketten liegt und für den seine Gattin Leonore ein Grab schaufeln muss. «Nur hurtig fort, nur frisch gegraben», singt der Kerkermeister Rocco, «es währt nicht lang, er kommt herein.» Aber eine Schaufel und ein Grabloch sieht man auf der Probebühne nicht und Ketten ebenfalls nicht. Der Regisseur Andreas Homoki erteilt dem Realismus in seiner Inszenierung eine Absage. Schwere Opernketten an den Füssen Florestans findet er furchtbar. Umso akribischer widmet er sich den schwankenden Gefühlslagen der drei Figuren. Florestan, der von der Realität abgeschnitten, bangend und hoffend, nicht weiss, wie ihm geschieht. Rocco, der beflissen Dienst tut in einem Unrechtssystem und sich dabei nicht wohl fühlt in seiner Haut und natürlich Leonore, die starke Frau, die es unter falscher Indentität geschafft hat, ihren Gatten zu finden und sich nun am Ziel ihrer Rettungstat wähnt. Brandon Jovanovich, Christof Fischesser und Anja Kampe singen und spielen diese Thrillerszene ausschliesslich mit der Expressivität ihrer Körper. Wie Gestirne umkreisen sie sich zwischen sehnsüchtiger Zuwendung, Handgreiflichkeit und Zurückweisung. Mit jedem Blickkontakt und jeder Armbewegung bauen sie ein neues Energiefeld auf und der Regisseur sucht nach Bildern, um die existenzielle Dringlichkeit der Situation zu verdeutlichen: «Du bist deinem Liebsten ganz nahe und kommst trotzdem nicht wirklich an ihn heran», sagt Andreas Homoki zu Anja Kampe, «das ist die gleiche fürchterliche Situation, die Angehörige von Wachkoma-Patienten erleben: Du siehst den Menschen, der dir so viel bedeutet, und kannst ihn trotzdem nicht erreichen. Lass uns das noch einmal probieren.» Und Anja Kampe legt sich gleich noch spannungsvoller und verzweifelter gegen die Schultern von Christof Fischesser, der sie vor Florestan zurückhält. Obwohl erst die Hälfte der Probenzeit vorüber ist, spürt man, dass hier in der Verkörperung durch Anja Kampe eine Leonore von ganz besonderem Charakterprofil heranwächst. Oft erlebt man sie nur als stämmige Heldin, die im ersten Akt in der Verkleidung als Fidelio bedingt glaubwürdig ist und im zweiten Akt als gepanzerte Prinzipienträgerin für Courage und Freiheitswille zu Statuarik erstarrt. Den Todesmut einer Menschheitsretterin kennt Anja Kampes Leonore auch, aber den Heroinen-Panzer hat sie abgelegt. Sie ist auf eine sehr empfindsame Weise empathiebegabt, dünnhäutig, hellhörig, verletzlich. Ihrem Mut stehen auch berührende Momente der Resignation und der Schwäche entgegen, ihre Entschlossenheit ist schwer errungen. Wenn man sie in den

Proben beobachtet, gewinnt man den Eindruck, dass diese Leonore ihre Kraft nicht aus der Selbstsicherheit eines starken Frauencharakters schöpft, sondern aus dem Zweifel, aus den (Fast-)Zusammenbrüchen und Augenblicken, in denen ihr der Glaube an die grosse Mission schwindet. Die Fähigkeit zur Schwäche ist ihre wahre Stärke – was sich zu einer faszinierend vielschichtigen Persönlichkeitsstruktur fügt. Anja Kampe hat nicht nur die darstellerischen Fähigkeiten, sondern auch die Stimme dafür – einen intensiven und voluminösen dramatischen Sopran, der auch dem Lyrischen viel Raum lässt. Sie sucht die Zwischentöne und zurückgenommenen Nuancen, ist aber trotzdem jederzeit in der Lage, Verzweiflung und Seelennot hochdramatisch in den Raum zu schleudern. So hat sie in der vergangenen Spielzeit ihre Senta im Fliegenden Holländer gegeben und so legte sie beispielsweise auch Wagners Isolde an, mit der sie vor zwei Jahren bei der Ruhrtriennale in der Inszenierung von Willy Decker einen grossen Erfolg feierte. Beethoven hat die Leonoren-Partie alles andere als sängerfreundlich komponiert. Die Querständigkeit, die der ganzen Oper mit ihren mehrfachen Überarbeitungen und der Verkantung zwischen kleiner Spieloper und grossem Menschendrama innewohnt, spiegelt sich auch in der Linienführung der Stimme. Kräftezehrend ist sie, verharrt oft in unangenehmer Lage, fordert Äusserstes im Ausdruck. Aber Anja Kampe hat inzwischen viel Erfahrung mit der Partie. Seit ihrem Fidelio-Debüt beim Glyndebourne-Festival im Jahr 2006 hat sie die Leonore in mehreren Neuproduktionen gesungen, zuletzt an der Bayerischen Staatsoper in einer Regiearbeit von Calixto Bieito. Sie hat die Partie, die ihr zunächst widerspenstig vorkam, immer mehr lieben gelernt im extremen Facettenreichtum der Emotionen, die in ihr zum Ausdruck kommen, in der Tiefgründigkeit, die ihr Beethoven mit seiner Musik eingeschrieben hat, aber auch im Leichten, das der Komponist bei aller Dramatik eben auch zu bedienen versuchte. Da kommt Anja Kampe ihre Mozart-Vergangenheit zugute: Sie stand früher auch als Despina, Susanna und Zerlina auf der Bühne, hat Rossini und Spielopern gesungen, bevor sich ihre Stimme in Richtung dramatisches Fach entwickelte. Die darstellerische Beweglichkeit, die sie sich damals erarbeitete, hat sie sich für das schwere Repertoire bewahrt. So kann man auf den Fidelio-Proben eine Künstlerin beobachten, die auch für die szenisch kniffligsten Situationen eine natürliche darstellerische Umsetzung findet. Das muss man ja erst einmal können: Eine grosse Liebende und leidenschaftliche Frau zu spielen, die in der Verkleidung eines angepassten jungen Mannes auftritt und schliesslich zu einer Hoffnungsträgerin für die ganze Menschheit wird. •


Blindtext Brandon Jovanovich vor der

Foto: Danielle Liniger

22 Probeb端hne am Escher-Wyss-Platz


Fidelio 23

So viel Optimismus Brandon Jovanovich debütiert im «Fidelio» als Florestan. Für die Gesangskarriere hat er den «American Football» aufgegeben. Den Martini mit James Bond hat er nur um ein Haar verpasst

W

enn Brandon Jovanovich die Probebühne betritt, wehen auch gleich die «Stars and Stripes» der amerikanischen Unabhängigkeit mit hinein. Gross und gutaussehend ist er, stets gut gelaunt und locker – dass es sich beim Florestan unserer neuen Fidelio-Produktion um einen Amerikaner handelt, daran zweifelt keiner lange. Erklärt ihm der Regisseur Andreas Homoki seine Rolle, schiesst er eine Salve von «okays» zurück. Die Verunsicherung darüber, ob diese Reaktion abwehrend gemeint ist, verfliegt, sobald er anschliessend hell und laut lacht – es handelt sich um pure Begeisterung. Während Homoki mit den anderen Sängern probt, sitzt Jovanovich mit schier endloser Geduld am Rand der Bühne und stellt dabei – zeitweise eher zufällig – einen sehr glaubwürdigen Florestan im Kerker dar: «Ich murre nicht!» Bei so viel Optimismus fällt es nicht schwer, zu glauben, dass es dieser Florestan zwei Jahre lang in einem dunklen Verliess durchgehalten hat. Geboren wurde Brandon Jovanovich in Billings, der grössten Stadt im US-Bundesstaat Montana. Billings wurde 1882 für die Arbeiter der «Northern Pacific Railway» gegründet – im gleichen Jahr, als in Bayreuth Wagners Parsifal uraufgeführt wurde. Auf eine lange Operntradition wie Venedig oder Paris kann die Stadt also nicht zurückblicken. Warum ist es trotzdem zu Jovanovichs Begeisterung für die Oper gekommen? «In meiner Kindheit habe ich keine

Opern gehört», erzählt er, «die einzigen ‹Opern› die ich gekannt habe, waren Bugs Bunny-Cartoons». Seine Mutter spielte Klavier, und besonders um die Weihnachtszeit wurde zuhause viel gesungen. Als Teenager ist er in den Chor gekommen und hat kurz vor dem Highschool-Abschluss erstmals in einem Musical gesungen. Sänger wollte er damals aber noch nicht werden. Seine Leidenschaft galt dem «American Football». Ein Jahr lang trainierte er in North Dakota, doch das Klima war dort so kalt, dass er sich nach einer anderen Schule umsah. Er entschied sich für ein College in Arizona, erhielt jedoch keines der begehrten «Football Scholarships». Deshalb beschloss er, eine Aufnahme von sich als Sänger einzusenden und wurde daraufhin mit einem «Choral Scholarship» aufgenommen. Kennt man Jovanovichs heutige Stimme, erstaunt die Antwort auf die Frage nach seiner ersten Opernpartie: Sarastro habe er gesungen, in Mozarts Zauberflöte – eine der tiefsten Bass-Partien überhaupt. «I didn’t have to warm up», sagt er und lacht! Im Chor habe er sich erst mit den Jahren zum Tenor weiterentwickelt. Nachdem er versucht hatte in New York Fuss zu fassen, lernte er im Jahr 2000 den englischen Tenor Laurence Dale kennen, der die Partie des Don José in Peter Brooks La Tragédie de Carmen gesungen hatte. Durch Dales Vermittlung sang er den Don José in einer Wiederaufnahme von


Fidelio 24

“ ”

Mit gewagter Regie habe ich kein Problem, solange die Geschichte erzählt wird

Brooks legendärer Produktion in Bordeaux. Dieses Engagement verhalf ihm zum Durchbruch. Seither kehrte er immer wieder nach Europa zurück und hat hier an so renommierten Häusern wie der Deutschen Oper Berlin, der Bayerischen Staatsoper München, dem Liceu in Barcelona, der Mailänder Scala und beim Glyndebourne Festival gesungen. 2007 sang Brandon Jovanovich den Cavaradossi in der Tosca-Produktion der Bregenzer Festspiele, die weltweit durch den James Bond-Film Quantum of Solace bekannt wurde. Hat er James Bond getroffen? «I wish!» sagt er, «es war eigentlich geplant und mein Name steht sogar im Abspann des Films». Zehn Opernszenen sollten für den Film gedreht werden und in dreien wäre Jovanovich zu sehen gewesen. Eine Woche bevor er zum Dreh anreisen wollte, erhielt er jedoch einen Anruf: Die Szenen mit ihm seien gestrichen worden. Also kein Martini mit Geheimagent 007 – weder geschüttelt noch gerührt. Zu den Partien, die Jovanovich bisher am häufigsten gesungen hat, gehört der Don José in Bizets Carmen. Doch zwischen einer traditionellen Inszenierung an der Metropolitain Opera in New York und einer Carmen-Inszenierung von Calixto Bieito in Barcelona liegen Welten. Ist es ihm schwer gefallen, sich ans europäische «Regietheater» zu gewöhnen? «Nein, gar nicht», meint er «solange die Geschichte erzählt wird, habe ich damit überhaupt kein Problem». Nach seinem Rollendebüt als Sergej in Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk in der vergangenen Spielzeit – seiner ersten Partie in russischer Sprache – arbeitet er nun für Fidelio zum zweiten Mal mit dem Regisseur Andreas Homoki am Opernhaus Zürich. Homoki sei jemand, der genau wisse, was er wolle: «Er konzentriert sich stark auf die Beziehungen zwischen den Charakteren und arbeitet sehr genau die Emotionen heraus, die im Text oft nicht so genau beschrieben sind, aber auf der Bühne zum Ausdruck kommen müssen.» Jovanovich sagt: «Tenöre verlieben sich immer und sterben immer» – das ist oft richtig, aber auf Florestan trifft diese Aussage ausnahmsweise nicht zu: Florestan wird als politischer Gefangener in einem dunklen Kerker festgehalten. Durch einen gewaltigen Kraftakt gelingt es seiner Frau Leonore, den Gefangenen zu befreien. Liebe und Freiheit

siegen, der Tod hat in diesem Opernfinale für einmal keine Chance. Jovanovich singt diese gefürchtete Tenorpartie in Zürich zum ersten Mal. «Es ist eine unglaubliche Partie – im ersten Akt hat man gar nichts zu tun, der zweite Akt ist relativ kurz aber äusserst intensiv. Die Arie gleich zu Beginn gehört zu den anspruchsvollsten überhaupt. Und dann liegt ein grosser Teil der Partie im Passaggio-Bereich, das ist heikel zu singen.» Er mag diese Rolle aber sehr – und für einmal muss er dafür keine neue Sprache lernen. Obwohl er in Amerika angeblich keinen guten Fremdsprachenunterricht hatte, ist Jovanovich als Sänger geradezu ein Sprachvirtuose. Eine seiner zukünftigen Partien ist der Prinz in Dvořáks Rusalka – in tschechisch. Neben italienischen Partien wie Cavaradossi, Pinkerton, Macduff und Alfredo hat er in den letzten Jahren auch die Titelpartie in Wagners Lohengrin sowie den Siegmund in der Walküre gesungen. Dienen ihm diese Rollen als Vorbereitung für die ganz grossen dramatischen Partien seines Fachs? «Ich glaube, es ist unumgänglich», meint er. Stolzing in den Meistersingern sei bereits geplant, für den Parsifal habe er schon mehrere Anfragen bekommen, die leider nie in seinen Terminkalender gepasst hätten, über den Tristan habe er noch nicht so genau nachgedacht… Und Otello würde er natürlich gerne einmal singen. Aber man müsse das alles gut planen. «Wenn man sich zu sehr von den Emotionen verführen lässt und eine Partie zu früh angeht, dann kann das auch gefährlich sein». Grosse Partien lernt er «in Brocken»: Übersetzen, Durchsingen mit einem Coach, die Partie immer wieder anschauen. Besonders schwierig findet er es aber, eine Partie zu lernen, während er gerade eine andere probt. Und das ist eigentlich fast pausenlos der Fall… – Wird er irgendwann auch den schier unsingbaren Siegfried anpacken? – Darüber schweigt er sich noch aus. • Fabio Dietsche


Blindtext 25

Sale Christoph Marthalers berührender Händel-Abend steht ab Dezember wieder auf dem Spielplan – mit Anne Sofie von Otter als Chefin einer Kaufhausdynastie


Wiederaufnahme 26


Wiederaufnahme 27

SALE Ein Projekt von Christoph Marthaler mit Musik von Georg Friedrich Händel

Fotos: © T+T Fotografie

Musikalische Leitung Inszenierung Szenische Einstudierung Bühnenbild und Kostüme Lichtgestaltung Dramaturgie

Laurence Cummings Christoph Marthaler Victoria Pfortmüller Anna Viebrock Martin Gebhardt Malte Ubenauf, Werner Hintze

Mit Anne Sofie von Otter Marc Bodnar Raphael Clamer Malin Hartelius Christophe Dumaux Graham F. Valentine Tora Augestad Catriona Guggenbühl Ueli Jäggi Jürg Kienberger Bernhard Landau Orchestra La Scintilla Wiederaufnahme 14 Dez 2013 Weitere Vorstellungen 17 Dez 2013, 2, 5 Jan 2014


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Opernhaus Jung 29

Man muss die Emotionen spüren In der Vorweihnachtszeit laufen die Aktivitäten des Opernhauses Jung auf Hochtouren. Aber wie begeistert man junge Menschen für Oper und Ballett? Roger Lämmli, der Theaterpädagoge des Opernhauses, gibt Auskunft Fotos Danielle Liniger


Opernhaus Jung 30

Herr Lämmli, interessieren sich junge Menschen für die altmodische Kunstform Oper? Je weniger sie darüber wissen, desto befremdlicher kommt sie ihnen vor. Die meisten haben tatsächlich die Vorstellung, Oper sei altmodisch und etwas für ältere Leute. Wenn sie dann aber mit uns in Kontakt kommen, stellen sie fest, dass Oper zwar anspruchsvoll ist, aber keineswegs verstaubt. Sie spüren, dass die Themen, die in der Oper verhandelt werden, aktuell sein können und etwas mit ihrem Leben zu tun haben. Andreas Homoki legt als Intendant in Zürich ja auch grossen Wert darauf, dass die Oper nicht museal oder nur kulinarisch daherkommt, dass die Produktionen brisante Themen setzen und sie gegenwartsnah auf die Bühne bringen. Unserer Arbeit kommt das entgegen. Müssen Sie gegen starke Widerstände ankämpfen, wenn die Jugendlichen zum ersten Mal mit der Oper in Kontakt kommen? Natürlich müssen wir gegen Vorurteile anarbeiten. Viele Jugendliche denken, dass in der Oper dicke Sängerinnen mit Doppelkinn auftreten, unverständliche Sachen von sich geben und es am Ende ewig dauert, bis sie tot sind. Erst in den Workshops kommen sie an den Punkt, an dem sie die Stärke der Emotionen spüren, die in der Oper wirken – und sind davon beeindruckt! Was wollen Sie in den Workshops vermitteln? Ganz einfach gesagt: Die sinnliche Kraft, die von der Oper ausgeht. Die Annäherung darf nicht über den Kopf laufen, über Informationen und Fakten. Mit der Oper muss ein Erlebnis verbunden sein. Deshalb versuchen wir in den Workshops immer ganz nahe an der Praxis zu arbeiten. Wir laden Sänger und Musiker ein und versuchen uns, wann immer es geht, in Räumen zu bewegen, in denen die Jugendlichen Theaterluft schnuppern. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man ein Stück nur über Texte oder eine CD-Aufnahme wahrnimmt. Oper muss immer real sein. Am stärksten ist das Erlebnis natürlich am Abend in einer Opernvorstellung. Gehen Jugendliche in der Regel vorbereitet oder unvorbereitet in eine Vorstellung? Wenn sie über die Schulen zu uns kommen, und das ist bei unserer Arbeitsweise die überwiegende Zahl, sind sie meist gut vorbereitet. Wir bieten vorab Führungen an und Workshops, in denen sie sich mit dem Werk auseinandersetzen, und wir bringen sie mit Mitarbeitern des Opernhauses zusammen. Wenn sich der Vorhang hebt,

wissen sie dann schon ziemlich genau, um was es geht. Das ist sehr wichtig, denn wenn man mit der gleichen Konsumhaltung, mit der man sich einen Kinofilm reinzieht, in eine Opernvorstellung geht, ist man schnell überfordert. Dann klebt man beispielsweise nur an den Übertiteln und versäumt, sich auf das Gesamterlebnis von Musik und Szene einzulassen. Ein Opernbesuch erfordert aktive Teilnahme. Man muss sich öffnen, Fantasie und eigene Interpretationsideen einbringen, dann entsteht im Kopf jedes Einzelnen ein individuelles und starkes Kunstereignis. Können die Jugendlichen die Vorstellungen des Opernhauses kostenlos besuchen? Wir organisieren die meisten Opernbesuche in Zusammenarbeit mit den Schulen. Volksschüler der Stadt Zürich kommen dann kostenlos in die Vorstellungen, wobei aber das Schulamt der Stadt 75 Prozent des regulären Ticketpreises zahlt. Die Schüler aus dem Kanton Zürich zahlen 15–50 Franken je nach Platzkategorie und der fehlende Betrag wird durch das Opernhaus und die Bildungsdirektion subventioniert. Wieviele junge Menschen haben in der vergangenen Spielzeit das Opernhaus Zürich besucht? Alleine aus dem Kanton Zürich waren über 7000 Schüler in einer Vorstellung, 1300 haben an Workshops und 4000 an einer Führung teilgenommen. Die Zahlen sind erfreulich, aber man darf unsere Arbeit nicht nur an ihnen messen. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Es ist genauso wichtig, zehn Jugendliche dauerhaft für den Tanz zu begeistern, als 100 Jugendlichen zum ersten Mal den Besuch eines Ballettabends zu ermöglichen. Was gehört noch zum Programm des Opernhauses Jung? Für die ganz Kleinen haben wir kindgerechte Veranstaltungsformen wie das Format «Geschichten erzählen», in dem wir vorgelesene Geschichten mit Musik in liebevollen Arrangements kombinieren. Für ältere Jugendliche bieten wir Workshops an, in denen wir uns beispielsweise in eine Figur wie Jenůfa einfühlen: Eine junge Frau bekommt ein uneheliches Kind, was in der Gesellschaft, in der sie lebt, eine Schande ist. Der Mann, den sie liebt, muss zum Militär und geht fremd. So ein Thema spricht sehr stark zu jungen Menschen. Oder Kinder und Jugendliche können in unseren Workshops erfahren, wieviele Menschen an dem Gesamtkunstwerk Oper mitwirken und was da so alles an handwerklichen, technischen


Die Workshops für die Kleinen sind besonders begehrt

und künstlerischen Fähigkeiten zusammenkommt. Das fasziniert sie. Mir ist es wichtig, deutlich werden zu lassen, dass in der Oper jedesmal eine Welt völlig neu und von Grund auf erfunden werden muss. Ich zeige den Jugendlichen die leere Bühne und sage: Schaut euch dieses schwarze Loch an, das müssen der Regisseur und sein Team jetzt mit Fantasie füllen. Im nächsten Schritt versuchen wir dann in den Workshops die eigene gestalterische Kraft zu aktivieren. Die Jugendlichen sollen spüren, dass es auch ihnen möglich ist, mit Fantasie etwas zu kreieren. Welche Workshops sind am erfolgreichsten? Die Zusammenarbeit mit den Schulen läuft hervorragend. Jenseits davon sind alle Angebote für Kinder von vier bis zwölf Jahren besondes begehrt. Da kommt der Impuls mitzumachen noch von den Eltern. An die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es schwieriger heranzukommen. Sie haben weniger Zeit und können aus einem unglaublich breiten Freizeitangebot von Sport bis zum Computerspiel wählen. Ausserdem wird zum Problem, dass Oper und Tanz sehr viel mit Gefühlen zu tun haben. Das geht den Jugendlichen schnell zu nah. Sie finden es dann peinlich, sich auf etwas wie Gesang, Bewegung und Tanz einzulassen. Wie gehen Sie mit dem Problem um? Wir versuchen dranzubleiben. Wir probieren immer wieder neue Ideen aus und setzen auf den langen Atem.

Es dauert seine Zeit, bis sich Jugendliche einer Kuturinstitution wie der Oper öffnen. Am besten läuft das über Kontinuität und menschliche Kontakte, wenn wir junge Erwachsene etwa mit Tänzern aus unserer Ballettcompagnie zusammenbringen, die auch noch sehr jung sind. Und noch etwas ist wichtig – die Qualität der Künstler. Wenn man einen besonders tollen Sänger oder Tänzer auf der Probe beobachten darf, ist das Erlebnis noch viel intensiver, weil künstlerische Qualität einfach eine grosse Kraft entfaltet. Kinder und Jugendliche sind dafür sehr sensibel und in ihrem Urteil direkt und unverfälscht. Wenn der Vortrag nicht so toll war, spüren sie es und finden es langweilig. Ist er gut, ist Spannung da. Diese Erfahrung mache ich immer wieder. Ich nehme einen Sänger mit in eine Schulklasse und es wird zunächst gekichert, wenn er anfängt zu singen. Aber dann spüren die Schüler, welche Überzeugungskraft hinter dem Vortrag steht; es wird ganz still im Raum, und die Kinder sind berührt. • Das Gespräch führte Claus Spahn Weitere Informationen finden Sie im Internet unter: www.opernhaus.ch/jung/opernhaus-jung/


Die geniale Stelle 32

Das Elend der Kreatur Drei Zeilen aus Georg Büchners «Woyzeck»

In diesem Jahr jähren sich nicht nur die Geburtstage Wagners und Verdis zum 200. Mal, auch Georg Büchner wurde 1813 geboren. Dass sein Jubiläum von den beiden anderen etwas überschattet wurde (an unserem Haus stehen freilich gleich zwei Ballette nach seinen Werken auf dem Plan), hat sicherlich damit zu tun, dass er ein so schmales Œuvre hinterlassen hat: Die Lektüre seines dichterischen Gesamtwerks dauert nicht einmal so lange wie der erste Akt des Parsifal. Aber Büchners Werk ist nicht nur von geringem Umfang, sondern auch nur teilweise überliefert. Verloren ist sein Drama über Pietro Aretino und das Druckmanuskript des Woyzeck, zwei Projekte, an denen er in den letzten Tagen seines kurzen Lebens noch gearbeitet hatte. Der Aretino ist spurlos verschollen, aber vom Woyzeck sind immerhin einige Blätter überliefert, auf denen in nahezu unlesbarer Medizinerhandschrift und mit inzwischen fast völlig verblasster Tinte etwa 30 kurze Szenen stehen. Sie erzählen von einem Mann, der aus Verzweiflung zum Mörder an seiner Geliebten wird. Es dauerte fast 100 Jahre, bis man entdeckte, dass diese nach und nach zerfallenden Blätter das wahrscheinlich grösste deutsche Drama des 19. Jahrhunderts enthalten. Büchner hat mit seinem Woyzeck eine vollkommen neue Dramenform geschaffen, die seinen Zeitgenossen, wenn sie den Text zu Gesicht bekommen hätten, vor allem wegen der extremen und bis dahin unvorstellbaren Knappheit der sprachlichen und dramatischen Mittel unbegreiflich und bizarr erschienen wäre. Ein besonders charakteristisches Beispiel findet sich in einer Szene auf dem Kasernenhof, in der Andres erzählt, wie der Tambourmajor mit seinen Liebesnächten bei Woyzecks Marie geprahlt hat. Woyzeck bleibt «ganz kalt», wie es die Regieanweisung sagt, muss aber an das Messer denken, das er in seinem nächtlichen Alptraum sah. Scheinbar gleichgültig macht er sich auf den Weg, um Wein für seinen Hauptmann zu holen, da sagt er plötzlich: «Aber Andres, sie war doch ein einzig Mädel.» Andres: «Wer war?» Woyzeck: «Nix. Adies.» Drei Repliken, zwölf Wörter, mehr braucht Büchner nicht, um das ganze

Elend der geknechteten Kreatur in grelles Licht zu setzen. Eine Replik, mit der die unendliche Trauer und der verzweifelte Schrei nach menschlicher Zuwendung aus dem «armen Teufel» herausbricht, eine für das Erschrecken des Freundes und seine Unfähigkeit, angemessen zu reagieren, und eine letzte – die mit hilflosem Abwinken das Schicksal der beiden Protagonisten besiegelt. Aber die Verknappung der Sprache ist nicht etwa selbstverliebtes Spiel des jungen Dramatikers (er starb wenig später, «alt 23, aus Mangel an Hoffnung», wie Heiner Müller gedichtet hat), der sich an seiner virtuosen Beherrschung der sprachlichen Mittel erfreut. Die wenigen Worte zeigen mit geradezu graphischer Klarheit Menschen, die der Sprache beraubt sind, und die deshalb an dem Versuch scheitern, sich über ihre Lage und ihre Gefühle zu verständigen. So bleibt nur die sinnlose Tat, der Mord an der Geliebten, die sein einziger Lebensinhalt ist («ich hab doch sonst nichts – auf de Welt»). Eine blinde Rebellion, die ins «Nix» führen wird, die aber in dieser Welt auch «nix» bedeutet, weil der, der sie ausführen wird, in dieser Welt ein «Nix» ist. Man hat versucht, Büchners Drama einen existenzialistischen Sinn unterzuschieben, als spräche es von einem Grauen, das unausweichlich aus der «menschlichen Natur» erwächst. Aber Büchner glaubt nicht an ein solches Verhängnis. Er denkt wie Bertolt Brecht, der in seiner Kriegsfibel einer Frau in den Trümmern ihres zerbombten Hauses zuruft: «Doch auch das Schicksal, Frau, beschuldige nicht! / Die dunklen Mächte, Frau, die dich da schinden / sie haben Name, Anschrift und Gesicht.» Büchner nennt Name und Anschrift und gibt diesen Mächten ein Gesicht: Doktor, Hauptmann und Tambourmajor, jene Gestalten, die eine etwas höhere Position auf der sozialen Leiter haben und den da unten quälen, demütigen und verachten – sie stehen für die Ursache des Grauens: eine Welt, in der wenige alles und viele «nix» haben. • Werner Hintze



Junior Ballett Drei spannende Choreografien pr채sentieren die T채nzerinnen und T채nzer des Junior Balletts in einem eigens f체r sie choreografierten Abend


Wiederaufnahme 35

links: Madoka Kariya (IRIS), oben: Junior Ballett (Bellulus)

Andrei Cozlac, Benoît Favre (Solitude)

JUNIOR BALLETT IRIS Choreografie Douglas Lee Musik Hildur Godnadóttir, Paul Lansky, Frank Henne Bühnenbild und Kostüme Ines Alda Lichtgestaltung Martin Gebhardt Solitude Choreografie Christian Spuck Musik Alessandro Scarlatti, Antonio Vivaldi, Martin Donner Bühnenbild Christian Spuck Kostüme Ina Buschhaus Lichtgestaltung Martin Gebhardt Dramaturgie Michael Küster

Fotos Judith Schlosser

Bellulus Choreografie Stephan Thoss Musik Bizet, Di Capua, Offenbach, Puccini, Verdi, Zimmermann Bühnenbild Arne Walther Kostüme Stephan Thoss Lichtgestaltung Martin Gebhardt Wiederaufnahme Weitere Vorstellungen Gastspiel im Kurtheater Baden Gastspiel im Theater Schweinfurt

14 Dez 2O13 25 Jan, 16, 22 März 2O14 7 Dez 2O13 12, 13 März 2O14


An Romeo und Julia führt kein Weg vorbei. Fast jeder klassische Balletttänzer kommt im Laufe seiner Karriere irgendwann in Berührung mit der grandiosen Ballettpartitur, die Sergej Prokofjew nach der berühmten Shakespeare-Tragödie komponiert hat. Wann immer ich diese glutvolle Musik höre, fällt es mir schwer zu glauben, dass sie seinerzeit von den Verantwortlichen am Moskauer Bolschoi-Theater als «untanzbar» abgelehnt wurde. Und natürlich ist es die unsterbliche Geschichte von Romeo und Julia, die mich immer wieder berührt. Am Beginn meiner Laufbahn gehörte ich in einer Ballettproduktion am Hessischen Staatstheater Wiesbaden zu den Freunden Mercutios und bekam dort einen ersten Eindruck von der spannungsgeladenen und uneinsichtig kriegerischen Atmosphäre, in der Romeo und Julia spielt. Als Sprösslinge zweier aufs Blut verfeindeter Familien setzen sie ihre Liebe den familiären und gesellschaftlichen Zwängen entgegen und ziehen am Ende den Selbstmord jedem Kompromiss vor. In Lyon tanzte ich die Julia in der eigenwilligen, in einer modernen Militärdiktatur angesiedelten Produktion von Angelin Preljocaj. Natürlich war ich begeistert, als Christian Spuck mich für seine Antrittschoreografie beim Ballett Zürich als Lady Capulet besetzen wollte, bietet diese Rolle doch nicht nur tänzerisches, sondern auch darstellerisches Potential. Die Lady ist eine stolze und eigensinnige Frau und handelt doch ganz nach dem eingefahrenen gesellschaftlichen Reglement. Wenn sie ihre Tochter Julia zur standesgemässen Heirat mit dem farblosen Grafen Paris drängt, dann scheint sich ihre eigene Biografie auf tragische Weise zu wiederholen. Auch Lord Capulet ist ein Mann, den sie aus Gründen der Staatsräson und nicht aus Liebe geheiratet hat. Dennoch hat sie den Anspruch auf ihr eigenes kleines Glück noch nicht aufgegeben und unterhält eine Liaison mit Tybalt. Doch nach aussen gilt es, den Schein der wohlanständigen Ehefrau zu wahren. Bei den diversen gesellschaftlichen Anlässen steht Lady Capulet im Blickpunkt der Öffentlichkeit, und so sind es nur wenige Details, mit denen ich diese geheime Beziehung zu Tybalt für das Publikum sichtbar machen kann: eine verstohlene Berührung der Hände, ein suchender Blick in seiner Nähe. Ich finde es wichtig, an jenen Stellen die weichere Seite dieser Frau zu zeigen, deren Härte, gerade im Umgang mit ihrer Tochter, man ansonsten verständnislos gegenüber steht.

Ganz bewusst setze ich hier das Épaulement, das Verhältnis von Oberkörper, Kopf und Nacken, ein. Als Tybalt im Duell mit Romeo den Tod findet, verliert das Leben für Lady Capulet jeglichen Sinn. In dem Moment, als sie über dem toten Tybalt zusammenbricht, ist es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei, und für einen Augenblick bricht alles Gefühl aus ihr heraus: Liebe, Wut, Trauer und abgrundtiefe Verzweiflung. Es war die wunderbare Idee der Kostümbildnerin Emma Ryott, dass ich in dieser Szene nicht mehr die vornehmen hochhackigen Ballschuhe trage, sondern barfuss auftrete. Das bringt eine viel grössere Expressivität – genau wie die geöffneten langen Haare, mit denen ich mich über Tybalts Leichnam werfe. Wie eine Urkraft bricht es in diesem Moment aus Lady Capulet heraus, und man sieht plötzlich die «animal side» dieser Frau. Danach wirkt sie wie versteinert. Doch ihr Leiden ist noch nicht zu Ende. Sie muss den Tod des eigenen Kindes erleben. Und erst da scheint sie sich in ihrem stummen Schrei und in ihrer anklagenden Geste an Lord Capulet bewusst zu werden, dass der unselige Zwist zwischen den verfeindeten Familien zum Verlust all dessen geführt hat, was ihr lieb und teuer war. Eva Dewaele

ROMEO UND JULIA Ballett von Christian Spuck Nach der Tragödie von William Shakespeare Musik von Sergej Prokofjew Choreografie Musikalische Leitung Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Dramaturgie

Christian Spuck Michail Jurowski Christian Schmidt Emma Ryott Reinhard Traub Michael Küster Ballett Zürich Junior Ballett Philharmonia Zürich

Wiederaufnahme 4 Jan 2014 Weitere Vorstellungen 10, 12, 21 Jan 2014 16, 18, 25 Mai, 4, 6, 15 Juni 2014


Filzstiftporträt 37

EVA DEWAELE beklagt als Lady Capulet in Christian Spucks Ballett «Romeo und Julia» den Tod ihres Geliebten Tybalt.


Opernvorstellungen sind schweisstreibend. Aber was passiert nach dem Schlussapplaus mit den durchgeschwitzten Kostümen der Künstler? Sie wandern in den Wäschekeller des Opernhauses und liegen dann vor der nächsten Vorstellung sauber und frischgebügelt bereit.

Foto Danielle Liniger

VORHANG ZU


Kalendarium 39

DEZEMBER 2O13

MI 11 FAUST 19.OO

SO 1 BALLETTGESPRÄCH 11.15

14.OO

16.OO

CHF 1O Ein Gespräch mit Christian Spuck, Choreografen und Tänzern, Studiobühne

DAS GESPENST VON CANTERVILLE

Preise K Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin, ab 6 Jahren

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

CHF 2O

ab 5 Jahren, Studiobühne 18.OO

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

CHF 2O

19.OO

Preise F

Oper von Ludwig van Beethoven

FR 13 WOYZECK 2O.OO

SA 14 14.OO 14.OO

Preise C

Ballett von Christian Spuck

JUNIOR BALLETT

Preise VV

WIEDERAUFNAHME

GRUSELGESCHICHTEN MIT MUSIK CHF 12–2O

16.OO

GRUSELGESCHICHTEN MIT MUSIK CHF 12–2O Studiobühne

FAUST

Preise F

Oper von Charles Gounod

DI 3 WOYZECK 19.OO

DO 12 FIDELIO

Studiobühne

ab 5 Jahren, Studiobühne 19.3O

Preise F

Oper von Charles Gounod

2O.OO

Preise C

14.3O

CHF 2O DAS GESPENST VON CANTERVILLE, für 6–12 Jährige Studiobühne

19.OO

JENŮFA

Preise E

WIEDERAUFNAHME Ein Projekt von Christoph Marthaler mit Musik von Georg Friedrich Händel

Ballett von Christian Spuck

MI 4 STÜCKE ENTDECKEN

SALE

SO 15 GRUSELGESCHICHTEN MIT MUSIK 11.OO

Studiobühne

CHF 12–2O Preise F

Preise VV

Oper von Leoš Janáček AMAG-Volksvorstellung

FR 6 FAUST 19.OO

Preise F

Oper von Charles Gounod

Mode·Leder·Pelze

SA 7 DAS GESPENST VON CANTERVILLE 11.OO

Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin CHF 2O–6O

14.OO

BALLETTFÜHRUNG und Mini Workshop CHF 2O

14.3O

OPERN-WORKSHOP

Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 www.kueblerpelz.com

CHF 2O

FIDELIO Probebühne Escher Wyss II 19.OO

JENŮFA Oper von Leoš Janáček

Preise E

SO 8 BRUNCHKONZERT 11.15

14.3O

CHF 6O Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto LA SCINTILLA GOES CHAMBER MUSIC, Spiegelsaal

STÜCKE ENTDECKEN

CHF 2O

FIDELIO, Opern-Workshop für 12-16 Jährige Probebühne Escher Wyss II 19.OO

FIDELIO PREMIERE Oper von Ludwig van Beethoven

Preise G

MO 9 LUNCHKONZERT 12.OO

CHF 2O LA SCINTILLA GOES CHAMBER MUSIC, Spiegelsaal

19.OO

MONTAGSGESPRÄCH

CHF 1O

Ein Gespräch mit dem Regisseur Christof Loy Restaurant Belcanto Russischer Zobelmantel


Kalendarium 40

14.OO

WOYZECK

Preise VV

Ballett von Christian Spuck, AMAG-Volksvorstellung 19.OO

SO 29 DAS GESPENST VON CANTERVILLE 14.OO

FIDELIO

Preise F

19.3O

Oper von Ludwig van Beethoven CHF 6O

19.OO

19.OO

Werkeinführung jeweils 45 Min. vor jeder Vorstellung. (ausgenommen «Das Gespenst von Canterville») Preise F

Oper von Ludwig van Beethoven Preise C

Ballett von Christian Spuck

FR 2O FIDELIO 19.OO

Preise F

15.3O

HÄNSEL UND GRETEL CHF 12 / 2O Für 4–9 Jährige und ihre Eltern, Studiobühne

19.OO

WOYZECK Preise C Ballett von Christian Spuck, OPERNHAUSTAG

SO 22 2. PHILHARMONISCHES KONZERT 15.3O

JANUAR 2O14 MI 1 DAS GESPENST VON CANTERVILLE 14.OO

Preise K Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin

19.OO

FIDELIO

Oper von Ludwig van Beethoven

SA 21 GESCHICHTEN ERZÄHLEN MIT MUSIK ZU

11.15

Preise G

Silvester im Opernhaus

Preise VV

Ein Projekt von Christoph Marthaler mit Musik von Georg Friedrich Händel AMAG-Volksvorstellung

DO 19 WOYZECK 19.OO

Preise F

DI 31 BALLETTGALA 2O.OO

MI 18 FIDELIO 19.OO

FIDELIO Oper von Ludwig van Beethoven

MO 16 LIEDERABEND PAVOL BRESLIK DI 17 SALE

Preise K Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin

Preise VV

Oper von Ludwig van Beethoven AMAG-Volksvorstellung

Preise P1

Tschaikowski / Rachmaninow, Opernhaus

GESCHICHTEN ERZÄHLEN MIT MUSIK ZU HÄNSEL UND GRETEL CHF 12 / 2O Für 4–9 Jährige und ihre Eltern, Studiobühne

11.15

LA BOHÈME

Preise E

WIEDERAUFNAHME Oper von Giacomo Puccini

DO 26 DAS GESPENST VON CANTERVILLE 14.OO

Preise K Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin

19.3O

LA BOHÈME

Preise VV

Oper von Giacomo Puccini AMAG-Volksvorstellung

FR 27 DAS GESPENST VON CANTERVILLE 19.OO

Preise K Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin

SA 28 FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS 16.3O 19.OO

CHF 1O

LA BOHÈME Oper von Giacomo Puccini

Preise E

Ein Film von JIM

JARMUSCH

Ab 19. Dezember im Kino www.filmcoopi.ch


Kalendarium 41

DO 2 DAS GESPENST VON CANTERVILLE 14.OO

Gruseloper von Marius Felix Lange nach einem Libretto von Michael Frowin

19.3O

Ein Projekt von Christoph Marthaler mit Musik von Georg Friedrich Händel

SALE

FR 3 LA BOHÈME 2O.OO

14.OO

Preise E

Preise E

CHF 2O

CHF 2O

11.OO

14.OO

Preise D WIEDERAUFNAHME Ballett von Christian Spuck nach der Tragödie von William Shakespeare, Musik von Sergej Prokofjew

14.3O

SALE

CHF 2O

FIDELIO

19.OO

FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS OPERN-WORKSHOP

CHF 1O

14.3O

19.OO

RIGOLETTO

Preise E

Preise E

Preise F

Oper von Ludwig van Beethoven

MI 8 FIDELIO

CHF 5/7

MINI-FÜHRUNG CHF 5/7

Oper von Giuseppe Verdi

Ein Projekt von Christoph Marthaler mit Musik von Georg Friedrich Händel 2O.OO

Preise C

Ballett von Christian Spuck

RIGOLETTO

Für Kinder ab 5 Jahren Studiobühne 14.OO

14.15

Preise E

WIEDERAUFNAHME Oper von Georges Bizet

SA 18 BALLETTWORKSHOP MIT 14.OO

CHF 1O

Ein Gespräch mit dem Bariton Michael Volle Restaurant Belcanto

FR 17 LEONCE UND LENA

CHF 2O

Für Kinder ab 5 Jahren Studiobühne

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

CHF 2O

ROMEO UND JULIA Preise D Ballett von Christian Spuck nach der Tragödie von William Shakespeare, Musik von Sergej Prokofjew

DI 14 LES PÊCHEURS DE PERLES

2O.OO

ROMEO UND JULIA

SO 5 HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

FAMILIEN-WORKSHOP

MO 13 MONTAGSGESPRÄCH

19.OO

Für Kinder ab 5 Jahren Studiobühne 19.OO

19.3O

19.OO

Für Kinder ab 5 Jahren Studiobühne

HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER

14.3O

PERLENFISCHER Probebühne Escher Wyss I

Oper von Giacomo Puccini

SA 4 HEXE HILLARY GEHT IN DIE OPER 11.OO

Preise K,

Preise F

BILLETTKASSE + 41 44 268 66 66

Oper von Ludwig van Beethoven

FR 1O ROMEO UND JULIA 19.3O

Preise D Ballett von Christian Spuck nach der Tragödie von William Shakespeare, Musik von Sergej Prokofjew

SA 11 FAMILIEN-WORKSHOP

CHF 2O

14.3O

PERLENFISCHER Probebühne Escher Wyss I

16.3O

FÜHRUNG DURCH DAS OPERNHAUS

CHF 1O

FIDELIO

Preise F

19.OO

Oper von Ludwig van Beethoven

SO 12 EINFÜHRUNGSMATINEE 1O.15

14.OO

CHF 1O Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von «Alcina» Bernhard Theater

RIGOLETTO Oper von Giuseppe Verdi

Preise E

KARTENVORVERKAUF T +41 44 268 66 66, Mo–Sa, 11.30 bis 18.00 Uhr F + 41 44 268 65 55 tickets@opernhaus.ch www.opernhaus.ch Billettkasse: Mo–Sa 11.00 bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils 1 ½ Stunden vor Vorstellungsbeginn schriftlich: Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich


Serviceteil 42

Ein begrenztes Kartenkontingent für alle Vorstellungen eines Monats geht jeweils am dritten Samstag des Vormonats in den freien Verkauf. Die AMAG-Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feiertag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Bei AMAG-Volksvorstellungen liegt der Maximalbezug bei 4 Karten pro Person. Für schriftliche Kartenbestellungen sowie Bestellungen per Fax und E-Mail wird eine Bearbeitungsgebühr von CHF 8 erhoben. Die Benachrichtigung über die Platzzuteilung erfolgt in Form einer Rechnung, nach deren Begleichung die Karten per Post zugestellt werden. Für AMAG-Volksvorstellungen sind keine schriftlichen Bestellungen möglich. AMAG-VOLKSVORSTELLUNGEN Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu besuchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvorstellungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per Newsletter angekündigt. OPERNHAUS-TAG Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 5O% Ermässigung für die abendliche Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag er worben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter CLUB JUNG Gemeinsame und individuelle Vorstellungsbesuche zu Spezialkonditionen, Last-Minute-Karten für CHF 15, Probenbesuche und kostenlose Workshops, Gleichgesinnte treffen, Kontakt zu Künstlern, Einblicke in das Geschehen hinter der Bühne und vieles mehr. Weitere Infos: www.opernhaus.ch/clubjung ERMÄSSIGUNGEN Für den Bezug von ermässigten Karten ist ein gültiger Foto-Ausweis des entsprechenden Lehrinstitutes, ein AHV- bzw. IV-Ausweis oder der Schüler- oder Lehrlingsausweis sowohl beim Kauf als auch beim Besuch der Vorstellung vorzuweisen. Das Personal der Billettkasse ist befugt, Ausweise ohne Gültigkeitsdatum zurückzuweisen. Ermässigte Eintrittskarten können nur telefonisch und persönlich an der Billettkasse des Opernhauses erworben werden. Mitglieder des Club Jung können ermässigte Karten auch online erwerben. Sämtliche nachfolgend genannten Ermässigungen gelten nicht bei Fremdveranstaltungen, Premieren, Gala- und Sondervorstellungen und Vorstellungen zu G- und K-Preisen sowie bei Volksvorstellungen. – Kinder (6–16 Jahre) in Begleitung einer erwachsenen Person erhalten in sämtlichen Vorstellungen Karten zu Legi-Preisen. – AHV- und IV-Bezüger erhalten für SonntagnachmittagsVorstellungen eine Ermässigung von 50%.

– Abonnenten erhalten 10% Ermässigung auf max. 4 Karten pro Vorstellung. – Schüler, Studenten und Lernende erhalten aus einem begrenzten Kontingent ab einer Woche vor der Vorstellung Karten zu Legi-Preisen. – Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber erhalten ab 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn alle noch vorhandenen Karten zum Last-Minute-Preis von CHF 20. Mitglieder des Clubs Jung erhalten diese Karten zum Preis von CHF 15. Platzierungswünsche können bei diesem Angebot nicht berücksichtigt werden. – Club-Jung-Mitgliedern steht online ein Kartenkontingent für ausgewählte Vorstellungen zum Preis von CHF 20 Verfügung. Die Vorstellungen werden den Mitgliedern per Newsletter mitgeteilt. – AHV- und IV-Bezüger können online für ausgewählte Vorstellungen Karten mit einer Ermässigung von 50% erwerben. Das Kontingent ist begrenzt. Die Vorstellungen werden den Mitgliedern per E-Newsletter mitgeteilt. Den Newsletter können Sie abonnieren unter www.opernhaus.ch/newsletter ALLGEMEINE BEDINGUNGEN Für den Verkauf von Karten gelten die AGB der Opernhaus Zürich AG, die Sie an der Billettkasse beziehen oder im Internet einsehen können. SPIELPLANINFORMATIONEN – Ausführliche Informationen über das Haus und den Spielplan mit detaillierten Besetzungen und Biografien, Aufführungsfotos, Opernhaus TV, Beiträgen zu allen Neuproduktionen sowie alle tagesaktuellen News bieten wir auf unserer Website www.opernhaus.ch. – Abonnieren Sie unseren Newsletter für aktuelle Informationen und spezielle Angebote unter www.opernhaus.ch/ newsletter. – Gerne senden wir Ihnen unser Saisonbuch sowie die Monatsspielpläne kostenlos an Ihre inländische Adresse. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch. – MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.


Serviceteil 43

BILLETTPREISE

SPONSOREN

Platzkategorien

1 Preisstufe A Preisstufe B Preisstufe C Preisstufe D Preisstufe E Preisstufe F Preisstufe G Preisstufe VV Kinderoper K Preisstufe P1 Preisstufe P2 Legi (Preisstufen A-C) Legi (Preisstufen D-G)

92 141 169 198 23O 27O 32O 75 6O 95 125 35 45

2

3

4

5

76 126 152 173 192 216 25O 59 5O 8O 1O5 25 33

65 113 13O 152 168 184 22O 44 4O 65 85 2O 25

43 56 56 92 95 98 98 25 3O 5O 65 18 2O

16 2O 2O 32 35 38 38 15 2O 35 4O 13 15

Alle Preise in CHF

IMPRESSUM Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch, T + 41 44 268 64 00, info@opernhaus.ch Intendant Generalmusikdirektor Ballettdirektor Verantwortlich

Redaktion

Gestaltung Fotografie Bildredaktion Anzeigen Schriftkonzept und Logo Druck Illustrationen

Andreas Homoki Fabio Luisi Christian Spuck Claus Spahn (Chefdramaturg) Sabine Turner (Direktorin für Marketing, PR und Sales) Beate Breidenbach, Kathrin Brunner, Fabio Dietsche, Michael Küster, Claus Spahn Carole Bolli, Martin Schoberer, Florian Streit, Giorgia Tschanz Florian Kalotay, Danielle Liniger Stefan Deuber Christian Güntlisberger Marina Andreatta, Tania Cambeiro Studio Geissbühler Multicolor Print AG Laura Jurt (9, 44), Giorgia Tschanz (36)

MAG kooperiert mit dem Studiengang Redaktionelle Fotografie der Schweizer Journalistenschule MAZ

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

ab PRODUKTIONSSPONSOREN EVELYN UND HERBERT AXELROD FREUNDE DER OPER ZÜRICH WALTER HAEFNER STIFTUNG SWISS RE ZÜRICH VERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT AG PROJEKTSPONSOREN AMAG AUTOMOBIL- UND MOTOREN AG BAUGARTEN STIFTUNG RENÉ UND SUSANNE BRAGINSKY-STIFTUNG ERNST GÖHNER STIFTUNG FREUNDE DES BALLETTS ZÜRICH GRIBI HYDRAULICS AG RINGIER AG ZÜRCHER FESTSPIELSTIFTUNG ZÜRCHER KANTONALBANK GÖNNER ABEGG HOLDING AG ACCENTURE AG ALLREAL ARS RHENIA STIFTUNG BANK JULIUS BÄR BERENBERG SCHWEIZ ELEKTRO COMPAGNONI AG FITNESSPARKS MIGROS ZÜRICH EGON-UND-INGRID-HUG-STIFTUNG JAISLI-XAMAX AG JT INTERNATIONAL SA WALTER B. KIELHOLZ STIFTUNG KPMG AG KÜHNE STIFTUNG LANDIS & GYR STIFTUNG LINDT UND SPRÜNGLI (SCHWEIZ) AG STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ FONDATION LES MÛRONS NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AG THOMAS SABO GMBH FÖRDERER FRANKFURTER BANKGESELLSCHAFT (SCHWEIZ) AG GARMIN SWITZERLAND HOREGO AG SIR PETER JONAS MARSANO BLUMEN AG LUZIUS R. SPRÜNGLI ELISABETH STÜDLI STIFTUNG CONFISERIE TEUSCHER ZÜRCHER THEATERVEREIN


Sibylle Berg geht in die Oper 44

Illustration: Laura Jurt

Es werde Licht Beleuchtungsmeister am Opernhaus. Wie schön das klingt, nach klar umrissenen Aufgaben und einem blauen Kittel, in dem Phasenprüfer stecken. Warum Phasenprüfer? Ist doch egal, Hauptsache Kittel. Ton, Licht, Malerei im Theater, das sind Traumjobs, möchte man meinen. Das einzig Bedauernswerte an dem Beruf ist die mangelnde Anerkennung seitens des Publikums. Die Kunst des Lichtsetzens ist eine unaufdringliche, nur als Stimmung wahrnehmbar. Meist. Ausser es gibt einen Totalausfall, wie sie dem Beleuchtungsmeister Elfried Roller nur einmal passiert ist. Innerhalb von Minuten wurde jedoch wieder Licht. Das – laut der verbürgten Angabe seiner Eltern im Schwäbischen – war Elfrieds erstes Wort. Der gutaussehende kittellose Herr, der seit fünf Jahren an der Zürcher Oper arbeitet, lernte Elektriker und studierte Elektrotechnik. Dass er am Theater arbeiten wollte und zwar nicht auf der Bühne, stand für ihn seit der Schule fest. Wir sind unterdessen im Dach des Opernhauses angelangt. Hier sieht es aus, als hätten unbegabte Set-Designer die Kulisse für einen Raumfahrtfilm eingerichtet. Treppen, Rundläufe, Gitter und der Arbeitsplatz für zwei Beleuchter, die hier von Hand Verfolger auf Darsteller richten, die gefühlte sechstausend Meter unter ihnen auf der Bühne stehen, beziehungsweise sich bewegen. Immerzu wollen die Regisseure ja, dass sich die Sänger bewegen, das macht den Beleuchter-Job nicht leichter. Zwei Sessel stehen bereit, in denen sich die Arbeiter niederlassen, wenn sie etwa bei einer dieser endlosen Wagner-Opern nur am Anfang und am Ende etwas zu tun haben. Sechs Stunden Wagner! Ich weiss nicht, was es ausser dem Fegefeuer Unangenehmeres geben kann. (Spüren wir hier eine Ambivalenz der Autorin, Wagner betreffend?) Der Kronleuchter, gross wie drei Fussballfelder, hängt unter mir, Herr Roller sagt, es sei eine urbane Opernlegende, dass Menschen auf ihn klettern würden, um ihn zu reinigen. Das Monster wird einmal im Jahr abgesenkt. Aber nicht heute. Heute besichtige ich alle Orte, die Herrn Roller gehören. Er erklärt, ich bin mir sicher, es begreifen zu können, die

Schnittstellen, die Umrechnungsfunktionen, die liebevoll gebündelten Kabelstränge. Ich habe den elektrotechnischen Unterricht in der Schule ausserordentlich geliebt, weil Elektronik so wunderbar übersichtlich ist. Der Meister erzählt von den Anfängen des Theaterlichtes, Säulen mit Kerzen und Kerzendimmern, er berichtet von abenteuerlichen Arbeitseinsätzen am Ural, wo Kabel blank um Nägel geschlungen lagen, und von Experimenten, die ich hier, auf Rücksicht auf seine Angehörigen, nicht wiederholen will. Ein guter Lichtmann. Soviel steht fest. Er gehört zu jenen, die Teil einer Inszenierung sind und Ideen haben, die weit über die Technik hinausgehen. Heute würde man sagen: Er kuratiert das Licht. Elfried Roller ist neben den Produktionen, die er lichttechnisch begleitet, für 32 Mitarbeiter zuständig. Seit dem Intendantenwechsel wurde viel investiert, um die Technik auf den neusten Stand zu bringen, das heisst, der Meister muss sich laufend fortbilden, heute ist LED das neue Ding. Sparsamer, heller, kälter, da muss experimentiert werden, damit das Publikum am Ende doch nur wieder nichts merkt. Tiefe, Dreidimensionalität, Räume schaffen, Stimmungen wie Kälte, Wärme, Einsamkeit – all das vermag gutes Licht. Aber im Publikum nimmt die Arbeit niemand wahr. Und so wird Herr Roller wieder im Beleuchtungsraum am Ende des Zuschauerraumes sitzen und von keinem gesehen werden. Doch er sieht alles. Wie jetzt gerade in der Wiederaufnahme der Meistersinger von Nürnberg, jeden Patzer, jeden Hänger. Drehen Sie sich das nächste Mal beim Schlussapplaus doch kurz um. Da sitzen all die, die nie gesehen werden und zum Gelingen eines Abends viel beitragen. Nicken Sie kurz und anerkennend. Vielen Dank! Bis zum nächsten Mal Ihre Frau Berg Die Schriftstellerin Sibylle Berg ist Schweizerin und lebt in Zürich


Blindtext 28

SILVESTER PARTY Ballettgala mit 13 Stücken, 9 Choreografen, 49 Tänzerinnen und Tänzer, einer Uraufführung, 7 Schweizer Erstaufführungen und einem grossen Fest! Tickets für die Ballettgala zu CHF 32O, 25O, 22O, 98, 38 Silvesterdiner inkl. Party und Getränke zu CHF 24O Tickets für Silvesterparty auf der Bühne inkl. Getränke zu CHF 14O Billettkasse: + 41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch Alle Informationen: www.opernhaus.ch/silvester


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