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Sebastian Baumgarten inszeniert «Amerika»


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Editorial

Der Klang der Amöben Verehrtes Publikum,

MAG 109 / März 2024 Unser Titelbild zeigt Sebastian Baumgarten, der Regisseur unserer Neuproduktion. Ein Interview lesen Sie auf Seite 19 (Foto Florian Kalotay)

man soll ja im Theater nichts aus den Proben ausplaudern. Aber bei unserer aktuellen Opernproduktion mache ich mal eine Ausnahme, denn so viele Fragezeichen über den Köpfen aller Anwesenden wie in den ersten Proben zur Oper Amerika von Roman Haubenstock-Ramati habe ich noch nicht gesehen. Das Werk ist in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden. Der Komponist hat darin neue Formen der Notation angewandt – und deshalb blicken nun alle Beteiligten auf rätselhafte, sehr schön anzuschauende grafische Figuren, wenn sie die Partitur aufschlagen. Da gibt es gemalte Gebilde, die wie Amöben über die Seiten fliessen, Nadelhaufen aus kreuz und quer aufs Papier geworfenen Pfeilen und wie mit dem Geodreieck gespurte Bänder aus parallelen Linien, die abrupt ihre Richtung nach oben oder unten ändern. Der Inspizient fragt sich, wo er in solche Noten den verlässlichen Startpunkt für eine Bühnenfahrt eintragen soll. Die Korrepetitorin grübelt darüber, wie sie Mückenschwär­me aus Punkten auf dem Klavier spielen soll. Die Sängerinnen und Sänger haben ihre Partien zu Hause perfekt einstudiert, aber wie die sich zu einem stimmigen Opernabend fügen sollen, ist ihnen ein Buch mit sieben Siegeln. Künstlerinnen und Künstler wären nicht Künstlerinnen und Künstler, wenn sie nicht den Ehrgeiz und gute Ideen mitbrächten, auch scheinbar Unmögliches möglich zu machen. Deshalb sind in den Amerika-Proben die Fragezeichen schnell der Zuversicht gewichen, dass man diese Oper, so wie sie geschrieben ist, sehr wohl zur Auf­führung bringen kann. Die Partitur gibt nämlich beim genaueren Hinsehen durch­ aus genaue Auskünfte zur Realisierung. Der Komponist hat seine Musik nicht grafisch notiert, weil sie ihm nur ungefähr vorschwebte, sondern im Gegenteil, weil er so spezifische Vorstellungen hatte, dass ihm die herkömmliche Notation nicht ausreichte. Und weil in der Musik alles mit dem richtigen Takt beginnt, hat sich die Proben­ situation von dem Moment an entspannt, in dem der Dirigent Gabriel Feltz das Zählsystem erklärte, das er für diese Partitur ertüftelt hat und das sich wie Millimeter­ papier über alle Szenen legen lässt. Was ist das für ein Kosmos, für den sich der in Wien lebende polnisch-jüdische Komponist Roman Haubenstock-Ramati diese ganz und gar aussergewöhnliche Musik ausgedacht hat? Es ist die verrückte Welt des Franz Kafka, dessen Roman Der Verschollene die Stoffvorlage bildet. Mit mehreren Orchestern, die zum Teil vom Band zugespielt werden und im Zuschauerraum erklingen, mit gespenstischen Sprechchören aus dem Off, mit absurden Ballettpantomimen und einem Puzzle aus unterschiedlichsten musikalischen Formen lässt Haubenstock-Ramati das Publikum eintauchen in die Erzähllabyrinthe des Prager Schriftstellers, der vor hundert Jahren gestorben ist und 2024 weltweit mit Ausstellungen, TV-Dokumentationen, Theater­ produktio­nen und Zeitungsartikeln gefeiert wird. Roman Haubenstock-Ramatis Amerika ist das aufwändigste Musiktheaterwerk, das auf einen Stoff von Franz Kafka geschrieben wurde. Es am Opernhaus Zürich in einer grossformatigen szenischen Version erleben zu können, ist eine seltene Gelegenheit und ein Musiktheater-Erlebnis der besonderen Art. Kann schon sein, dass in den Vorstellungen auch über dem Publikum ein paar Fragezeichen schweben. Bei Kafka gehören sie dazu. Claus Spahn

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Podcast

ira m i s s Kra yanova Sto Zwischenspiel Der Podcast des Opernhauses

Die Opernbühnen von Wien, Salzburg und Mailand sind das musikalische Zuhause von Krassimira Stoyanova. Jetzt singt sie die gefürchtete Sopran-Partie in Christian Spucks Inszenierung von Verdis «Messa da Requiem». Im Podcast spricht die bulgarische Sopranistin mit Michael Küster über Singen als Mission und erklärt, warum Oper für sie auch immer eine Art Gottesdienst ist.


Inhalt

12 «Amerika» von Roman Haubenstock-Ramati nach dem Roman von Franz Kafka ist zum ersten Mal in der Schweiz zu erleben. Eine Annäherung von Claus Spahn 19 Regisseur Sebastian Baumgarten im Gespräch über seinen Zugang zu diesem ungewöhnlichen Musiktheaterwerk 32 Volker Hagedorn porträtiert Mojca Erdmann, die als Klara und Therese in «Amerika» zu erleben ist

Ich sage es mal so – 4, Opernhaus aktuell – 7, Drei Fragen an Andreas Homoki – 9, Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 11, Wir haben einen Plan – 30, Volker Hagedorn trifft … – 32, Der Fragebogen – 34, Auf dem Pult – 41, Kalendarium – 44

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Ich sage es mal so Stumme Antworten auf grundsätzliche Fragen – mit Takao Baba, einem Künstler aus der Welt des urbanen Tanzes. Er choreografiert die Ballettpantomime für «Amerika» Fotos Michael Sieber

Takao Baba hat schon viel gemacht in seinem Leben. In jungen Jahren stand er als Tänzer mit den Spice Girls auf der Bühne oder hat in einer Bob-Wilson-Inszenierung des «Dschungelbuchs» getanzt. Inzwischen ist er ein Choreo­graf, der sich, seinen Wurzeln entsprechend, dem urbanen Tanz verpflichtet fühlt. Er leitet eine eigene Tanzkompanie, kuratiert Street Dance Projekte in der Freien Szene und arbeitet regelmässig am Schauspielhaus in Düsseldorf.

Tanz uns den Kafka, Takao!


Wie klingt die Musik von Haubenstock-Ramati?

Was muss ein Streetdancer immer dabei haben?

Passt Streetdance in ein Opernhaus? Womit fängt im Tanz alles an?


BEETHOVEN IM KKL LUZERN

Fr 22.03. | 19.30 Uhr

Lucerne Festival Orchestra | Riccardo Chailly Beethoven Ouvertüre zu Coriolan op. 62 | Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21 | Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36

Sa 23.03. | 19.30 Uhr

Solist*innen des Lucerne Festival Orchestra

FEST

Mozart Flötenquartett D-Dur KV 285 | Dvořák Streichquartett F-Dur op. 96 Amerikanisches | Tschaikowsky Streichsextett d-Moll op. 70 Souvenir de Florence

So 24.03. | 17.00 Uhr

Lucerne Festival Orchestra | Pablo Heras-Casado | Daniel Lozakovich Beethoven Violinkonzert D-Dur op. 61 | Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

lucernefestival.ch

3.5.24 Zürich, Theater 11

3.5.24 Zürich, Theater 11 Kidd Pivot (CAN) «Assembly Hall» Crystal Pite, Jonathon Young

Matronat: Corine Mauch, Stadtpräsidentin Zürich

Infos und Tickets:


Opernhaus aktuell

erst 17-Jähriger schrieb, noch ganz der Tradition der Romantik verpflichtet. Ebenfalls ein Frühwerk ist das gut siebzig Jahre zuvor entstandene Klavier­­ sextett von Mendelssohn, einem heiteren Miniatur-Konzert für Klavier, dem die fünf Streichinstrumente gegenübergestellt sind.

Liederabend Rosa Feola In Liederabenden haben Sie die Gelegenheit, Künstlerinnen und Künstler, die Sie aus Opernaufführungen kennen, ganz anders zu erleben – ohne Kostüme, ohne Maske, gewissermassen pur. Im März ist die sympathische italienische Sopranistin Rosa Feola zu Gast, die zuletzt in Zürich als Liù in Puccinis Turandot das Publikum rührte. Sie präsentiert neben Liedern von Rossini, Martucci und Respighi auch virtuose Opernarien, so die Arie der Donna Anna aus Mozarts Don Giovanni, die erste Arie der Lucia aus Donizettis Lucia di Lammermoor sowie die Arie der Semiramide aus der gleichnamigen Oper von Rossini. Falls Sie also auch an einem Liederabend auf dramatische Szenen nicht ganz verzichten möchten, dann sind Sie an diesem Abend genau richtig. Montag, 11. März, 19 Uhr, Opernhaus

Konzert

Illustration: Anita Allemann

Gesprächskonzert Haubenstock-Ramati Der Wiener Komponist, Lehrer und Verlagslektor Roman Haubenstock-Ramati war ein Pionier für neue Notations­ weisen in der Musik. Er hat Notentext in gra­fische Darstellungen verwandelt und die Form variabel spielbarer musi­ ka­lischer Mobiles entwickelt. Das renommierte Gringolts-Quartett und der Schweizer Komponist und Oboist Heinz Holliger werden am Tag der Premiere von Amerika in einem Gesprächskonzert Kompositionen in variablen Spielformen von Haubenstock-Ramati aufführen, darunter dessen Zweites Streichquartett und das Heinz Holliger gewidmete Multiple V. Das kammer­ musi­kalische Programm wird ergänzt durch Werke von Komponisten, die Haubenstock-Ramati stilistisch geprägt haben. Ausserdem wird Heinz Holliger, der eine enge Freundschaft zu Hauben-

stock-Ramati pflegte, im Gespräch mit Chefdramaturg Claus Spahn Auskunft über das Leben und Denken dieses faszi­nierenden Musik-Künstlers der Moderne geben. Sonntag, 3. März, 11.15 Uhr, Spiegelsaal

Brunch-/Lunchkonzert

Mendelssohn und Dohnányi Zwei Meisterwerke der Klavierkammermusik stehen auf dem Programm des Lunch-/Brunchkonzerts im März. Mitglieder der Philharmonia Zürich bringen gemeinsam mit der Pianistin Kateryna Tereshchenko Ernst von Dohnányis Klavierquintett Nr. 1 c-Moll op. 1 sowie Felix Mendelssohn Bartholdys Klavier­ sextett D-Dur op. 110 zu Gehör. Er selbst hätte es nicht besser machen könnten, urteilte Johannes Brahms über Dohnányis Opus 1, das dieser 1895 als

Brunchkonzert: 24. März, 11.15 Uhr, Lunchkonzert: 25. März, 12 Uhr, Spiegelsaal

Einführungsmatinee

Carmen Andreas Homoki inszeniert mit Georges Bizets Oper Carmen den Opern-Mythos der Neuzeit schlechthin. Wie nähert man sich diesem populären Meisterwerk szenisch und musikalisch? Warum fas­zi­ niert Carmen immer wieder aufs Neue? Dramaturgin Kathrin Brunner unterhält sich mit dem Leading Team sowie weiteren prominenten Künstlerinnen und Künstlern der Produktion. Sonntag, 24. März, 11.15 Uhr Bernhard Theater

Oper! Award

Ehrenvolle Auszeichnung Die Sopranistin Ermonela Jaho wurde vom diesjährigen Oper! Award als beste Sängerin für ihre Interpretation der Magda in La rondine ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hiess es: «Dass Operngesang mehr verlangt als eine schöne Stimme, ist bekannt, doch selten ist ein Mensch bereit, sein Innerstes dem Publikum über Gesang und Darstellung zu offenbaren. In Zürich wurde 2023 aus Puccinis La rondine ein bewegender und beglückender Opernabend mit enormem Tiefgang dank Ermonela Jaho als fulminant gestaltender Magda: trillernde Schwalbe und sterbender Schwan in einem.» Wir gratulieren!

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Apropos Hodler Kunsthaus Zürich Aktuelle Blicke auf eine Ikone 8.3.–30.6.2024

Unterstützt von

Partnerin Kunsthaus Zürich Ernst Göhner Stiftung Boston Consulting Group

Andriu Deplazes, Zwei Körper, zwei Bäume und See (Detail), 2018, Sammlung des Künstlers; Courtesy the artist und Galerie Peter Kilchmann, Zurich/Paris, Foto: Sebastian Schaub, © 2024, ProLitteris, Zurich

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DO/FR 21./22. MÄR 2024

BACH MATTHÄUSPASSION Unter der Leitung von Chefdirigent Roberto González-Monjas, mit der Zürcher Sing-Akademie, Ian Bostridge als Evangelisten und weiteren Solist*innen Mit freundlicher Unterstützung von

Hauptpartnerin

Medienpartner

Konzertpartnerinnen BiedermannMantel-Stiftung

musikkollegium.ch


Drei Fragen an Andreas Homoki

Ich liebe Kafkas Humor Herr Homoki, 2024 jährt sich der Todestag von Franz Kafka zum 100. Mal. Wie kommt es, dass ausgerechnet das Opernhaus mit Amerika einen gewichtigen Beitrag zu diesem Jubiläum im Programm hat? Das liegt daran, dass es vor vier Jahren einen Virus gab, wegen dem wir nicht vor Publikum spielen durften. Und obwohl wir damals versucht haben, so viele Neuproduktionen wie möglich zu realisieren und zu streamen, hat das für Amerika einfach keinen Sinn er­­ geben, denn ein grosser Teil dieser multi­medialen Surround-Situation wäre im Stream einfach komplett verloren gegangen. Abgesehen davon, dass wir dieses Stück wichtig finden, war ein weiterer Grund für uns, es aufzuführen, auch die Überlegung, dass wir mit unseren heutigen technologischen Mög­ lichkeiten den multimedialen Ansprü­ chen des Komponisten eigentlich viel besser gerecht werden können als es zur Zeit der Uraufführung der Fall war. Deshalb haben wir uns damals ent­schie­ den, die Produktion zu retten und zu verschieben, und nun hat es sich er­ geben, dass sie im Kafka-Jahr statt­findet, was uns sehr freut. So wird hoffentlich noch mehr Aufmerksamkeit generiert für dieses sehr besondere und interessante Werk. Welche Berührungspunkte gab es bisher in Ihrer eigenen Karriere mit den Werken Franz Kafkas? Ich liebe Kafka sehr. Wie die meisten von uns habe ich ihn in der Schule kennengelernt und muss leider sagen, dass die schulische Beschäftigung den Zugang nicht erleichtert hat. Damals in den 70ern wurde der gesell­schafts­ kritische, bürokratiekritische Aspekt sehr betont. Aber Kafka ist so viel mehr! Er ist ein Surrealist, der mit Humor und einer bösen Ironie unser ganzes Leben persifliert, nicht nur im Hinblick auf die Bürokratie, sondern auch in Bezug auf die Sinnlosigkeit des menschlichen

Strebens generell. Als ich am Anfang meiner Laufbahn, vor inzwischen genau 30 Jahren, den Auftrag bekam, Das Schloss von Aribert Reimann zu insze­ nie­ren, habe ich die gesamte Prosa von Kafka gelesen. Das hat mich damals unglaublich inspiriert. Diese Inszenie­ rung ist mir auch heute noch in guter Erinnerung – nicht zuletzt, weil sie sehr humorvoll war. Gerade der hintergrün­ dige, böse Humor von Kafka hat mich immer sehr interessiert, denn diese Seite Kafkas kommt in der generellen Wahr­ nehmung leider oft zu kurz. Als regieführender Intendant besuchen Sie auch gerne szenische Proben auf der Probebühne; was sind Ihre ersten Eindrücke? Was ich bisher gesehen habe, macht mich sehr neugierig. Gerade heute habe ich eine Szene miterlebt, die nicht mal eine Minute dauert und fast nur aus Vokalisen ohne Text besteht. Auf der Probe ging es darum, diesen abstrakten Vokalisen einen emotionalen Gehalt zu geben. Das war sehr lustig! Wir haben eine wirklich tolle Besetzung, man hat das Gefühl, die Sängerinnen und Sänger haben ihre Partien schon hundertmal gesungen, so selbstverständlich gehen sie mit dieser komplizierten Musik um. Auch der Probenapparat ist sehr inter­ essant. Es gibt viele Geräusch- oder Mu­­sik­einspielungen in der Partitur, des­ halb sind auf jeder Probe nicht nur eine Pianistin und ein Dirigent anwesend, sondern auch zwei Tonmeister, die die Toneinspielungen fahren, damit man einen Eindruck bekommt von der Vielschichtigkeit und Collagehaftigkeit dieser Musik. Das ist sehr interessant, und ich freue mich wahnsinnig, dass wir nach Lehárs Lustiger Witwe nun dieses selten aufgeführte Stück aus dem 20. Jahrhundert zeigen. Im Mai hat dann mit Monteverdis Orfeo eine der ersten Opern überhaupt Premiere. Unser Spiel­ plan in dieser Spielzeit kann sich, was Vielfalt angeht, wirklich sehen lassen.

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LORTZING IN LEIPZIG © PK FOTOGRAFIE

MUSIKREISE VOM 23. BIS 26. MAI 2024

OPER LEIPZIG – GELEBTE TRADITION Albert Lortzing und Leipzig verbindet viel. Hier wurden nicht nur zahlreiche seiner Opern uraufgeführt, sondern er stand auch selbst als Schauspieler und Sänger auf der Bühne. 2026 wird der Komponist im Rahmen der Festtage der Oper Leipzig geehrt, aber seine Werke gehören schon jetzt zum Repertoire von Oper und Musikalischer Komödie. Erleben Sie die fesselnde Geschichte von Hans Sachs, dem

MUSIKREISE »LORTZING-WOCHENENDE« IN LEIPZIG

Schuster und Meistersänger, der leidenschaftlich in Kunigunde

Termin: 23. bis 26. Mai 2024

verliebt ist. Ihr Herz ist jedoch einem anderen versprochen, dem Augsburger Ratsherrn Eoban Hesse. Im packenden Sängerduell unterliegt Sachs trotz der Volksunterstützung und wird

• 3 x Übernachtung inkl. Frühstück im **** Innenstadthotel • Kulinarischer Stadtrundgang (mit Kostproben) durch das Musik- und Bachviertel

aus der Stadt verbannt. Doch als der Kaiser von Sachs’ Dichtkunst erfährt, nimmt die Geschichte eine überraschende

• Eintrittskarte für das Große Concert am 24.5. im Gewandhaus (Andris Nelsons / Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy)

Wendung. Lortzings »Hans Sachs«, 1840 in Leipzig uraufgeführt, erzählt von Liebe, Verlust und der Kraft der Poesie. Tauchen Sie ein in die Welt der komischen Oper, in der Leipzig nicht nur als Inspirationsquelle, sondern auch als Bühne für musikalische Meisterwerke diente. Ein Meisterwerk, das die Verbindung zwischen

• Geführter Halbtagesausflug ins Leipziger Neuseenland inklusive Rundfahrt durch das Tagebaugebiet • Eintrittskarte für die Aufführung »Hans Sachs« am 25.5. in der Musikalischen Komödie • Führung mit Blick »Hinter die Kulissen« in der Musikalischen Komödie

Lortzing und Leipzig in jedem Ton spürbar macht. Spielstätte Musikalische Komödie

• 1 x Abendessen im Restaurant »Lortzing« in der Musikalischen Komödie Preis pro Person im DZ: ab 649,00 € (EZ-Zuschlag: 160,00 €)

© TOM SCHULZE

Informationen und Buchungen unter: www.leipzig.travel/reiseangebot/lortzing, incoming@ltm-leipzig.de oder +49 (0) 341 7104-275


Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Ein Vorhang? Nein drei... Ich schliesse mit dieser Kolumne inhaltlich direkt an meine letzte Kolumne an: Die Vorhangfahrten der Lustigen Witwe. In der letzten Kolumne beschrieb ich, wie wir den Vorhang ins Bühnenbild und wieder aus dem Bühnenbild hinausfahren lassen können. Doch zur Beschreibung der grossen Verwandlung des Vorhangs fehlte mir Platz. Das hole ich jetzt nach. Viele werden es wahrgenommen haben: Die Vorderseite des Vorhangs ist mit dünnen, silbrigen Spinnweben bedruckt. Das ist sehr vereinfacht ausgedrückt… In Wirklichkeit haben wir einen silbrigen Vorhang mit schwarzer Farbe bedrucken lassen, und die dünnen Linien der Spinnweben sind Bereiche, in denen der Stoff nicht be­ druckt wurde. Da der Vorhang auf der Bühne einen grossen Bogen fährt, sieht man bald auch dessen Rückseite, und es zeigt sich: Es ist nicht ein Vorhang, sondern zwei: Denn die Rückseite ist ein schwarzer Stoff, der den Hintergrund für viele Szenen bildet. Die beiden Stoffe – das bedruckte Spinnwebmotiv und der schwarze Vorhang – sind zusammengenäht und fahren immer zusammen. Ich nenne beide Vorhänge zusammen die «Spinnwebkombi». Nach der Pause erscheint die Rückseite nicht mehr schwarz, sondern leuchtend rot: In der Pause haben wir einen zusätzlichen Vorhang deckungsgleich an der Rückseite der «Spinnwebkombi» befestigt. Nach einigen Szenen mit dem roten Vorhang als Hintergrund fährt die «Spinnwebmitrotervorhang­ kombi» wieder raus, um nach wenigen Minuten wieder mit der schwarzen Rückseite ins Bild zu kommen. Warum ist das eine Kolumne wert? Weil es sich zwar einfach anhört, aber in der Lösung kolumnenwert ist: Die drei Vorhänge sind 14m lang und 6m hoch. Da ist ein schnelles Aushängen in 6m Höhe, noch dazu lautlos und im Dunkeln, ein unmög­ liches Unterfangen. Deswegen haben wir den roten Vorhang in eine eigene Vorhang­ schiene gehängt, die parallel zur Vorhangschiene der «Spinnwebkombi» verläuft. Im ersten Teil der Inszenierung fährt nur die «Spinnwebkombi» ins Bühnenbild und wieder raus. In der Pause ziehen wir den roten Vorhang exakt hinter die «Spinnweb­ kombi» und befestigen oben in der Schiene den Anfang und das Ende des roten Vor­ hangs mit der «Spinnwebkombi», so dass der rote Vorhang immer mit dieser mitfährt. Damit beim Fahren die Vorder- und Hinterkante wie ein Vorhang und nicht wie zwei nebeneinanderfahrende Vorhänge aussieht, haben wir an den Vorder- und Hinter­ kanten alle 20 cm Magnete eingenäht, die beide Vorhänge unsichtbar zu­sam­men­halten. Nach der Pause fahren wir die «Spinnwebmitrotervorhangkombi» dann gemeinsam ins Bühnenbild. Und dann kommt der Moment während des zweiten Teils, in dem die «Spinnwebmitrotervorhangkombi» ein paar Minuten für das Publikum ausser Sicht ist. In dieser Zeit wird oben schnell die Verbindung gelöst, die Magnete werden auseinandergezogen und die «Spinnwebkombi» kann wieder allein ins Bühnenbild fahren. Das passiert mit so einer Leichtigkeit, dass es im Publi­kum überhaupt nicht als Leistung gesehen wird. Auch deswegen ist es eine Kolumne wert. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor

Illustration: Anita Allemann

am Opernhaus Zürich


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Kafka mit allen Sinnen erleben 2024 ist ein weltweit gefeiertes Jubiläumsjahr für den Jahrhundert-Schriftsteller Franz Kafka, der nach wie vor zu den meistgelesenen Romanautoren der Gegenwart gehört. Das Opernhaus bringt jetzt mit Roman Haubenstock-Ramatis Musiktheater «Amerika» die aufwändigste und experimentellste Oper auf die Bühne, die auf ein Werk von Kafka geschrieben wurde. Essay von Claus Spahn

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o geht es zu in der Welt von Franz Kafka: Ein Mensch bricht in ein neues Leben auf, aber gleich der erste Schritt geht versehentlich in die falsche Richtung. Ein, zwei Zufälle kommen hinzu, bei denen nicht abzusehen ist, ob sie glücklich oder unglücklich sind – und plötzlich ist die hoffnungsvolle Zukunft dahin und nur noch von Unmöglichkeiten umstellt. Das Leben wird zu einem Labyrinth, in dem es nur falsche Ausgänge gibt. So ergeht es dem siebzehnjährigen Karl Rossmann, als er im Hafen von New York ankommt. Er will das Schiff verlassen, mit dem er von Europa aus aufgebrochen war, hat aber seinen Regenschirm an Bord vergessen. Er geht zurück, verläuft sich in den Gängen des Schiffsbauchs und begegnet zufällig einem Schiffsheizer, der mit seinem Beruf unzufrieden ist. Spontan will sich Karl für ihn bei dessen Vorgesetzten einsetzen. In der Offizierskajüte trifft er dann einen Mann, der behauptet, sein Onkel zu sein. Der Onkel ist reich und nimmt ihn bei sich auf. Das Glück scheint ganz auf der Seite des Neuankömmlings zu sein, bis er von einem gewissen Pollunder auf dessen Landgut eingeladen wird. Dieser Besuch führt dazu, dass Karl – wie er erst hinterher erfährt – nie wieder zu seinem reichen Onkel zurückkehren darf. Von New York führt die Odyssee des Karl Rossmann Richtung Westen und immer tiefer in den sozialen Abstieg. Er lässt sich mit Kleinkriminellen ein, erlebt die Demü­ tigungen kapitalistischer Ausbeutung, gerät in die Abhängigkeit einer gefallenen, monströs übergewichtigen Gesangs-Diva und wird überall herumgeschubst, aus­ge­ nutzt, verbannt. Seine letzte Hoffnung sieht er schliesslich darin, bei einem riesigen, obskuren Schauspielunternehmen anzuheuern, das sich das «Naturtheater von Okla­ homa» nennt. Es behauptet «grösser als gross» und «die Welt» zu sein und ver­spricht, jeden Bewerber aufzunehmen. An den Anwerbeständen warten tausende Menschen. Sowohl Engel als auch Teufel blasen an den Eingängen auf Trompeten… Der Musterknabe Karl Rossmann meint es gut mit allen, aber gerade deshalb ver­strickt er sich unschuldig immer tiefer in schuldhafte Situationen – das ist eine


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klassische Konstellation in der Welt des Franz Kafka. Karl Rossmann ist Der Verschollene in dem gleichnamigen Romanfragment, an dem Kafka von 1912 bis 1914 schrieb und das nach seinem Tod unter dem Titel Amerika veröffentlicht wurde. Es erzählt, wie alle Kafka-Geschichten, von der Verlorenheit des Menschen in undurchschau­baren Systemen und vom Ausgeliefertsein des Individuums an anonyme, höhere Instanzen. Verschachtelt ist Kafkas Art zu schreiben, unerbittlich die innere Logik seiner Erzählkonstruktionen und dicht geknüpft das Netz an motivischen Querbezügen, das seine Geschichten zusammenhält. Das liest sich nicht leicht, aber die Welterfahrung, die seine Protagonisten machen, fasziniert uns bis heute: Dass das Leben möglicherweise nur eine verquere Abfolge von Zufällen und Absurditäten ist und man auf Gerechtig­ keit darin am besten gar nicht erst hofft. Das Faszinierende an Franz Kafka, dessen 100. Todestag in 2024 gefeiert wird, geht aber nicht nur von seinen Romanen und Erzählungen aus, sondern auch von seiner Person und seinem Leben, seinen schwierigen Beziehungen zu den Eltern und zu Frauen; den Selbstzweifeln, die ihn plagten; die Angstvorstellungen, die er bildmächtig in Literatur verwandelte; die ständige Qual des Schreibenmüssens, die ihn um den Schlaf brachte. Kafka hat kein umfangreiches literarisches Œuvre hinterlassen, aber die Fülle seiner Tagebücher, Briefe und Notate gibt beredt Auskunft über einen eigenwilligen Menschen, der sich in einem Brief an seine Verlobte Felice Bauer als «verschlossen, schweigsam, ungesellig und unzufrieden» beschreibt. «Alles, was nicht Literatur ist, langweilt mich. Für Familienleben fehlt mir jeder Sinn, und in Besuchen sehe ich förmlich gegen mich gerichtete Bosheit.» Tagsüber ging er als Jurist pflichtbewusst seinem Beruf als Angestellter einer Un­fall-Versicherung nach, nachts schrieb er an seinen Büchern – im Rausch, wenn er einen Schaffensschub hatte, verzweifelnd, wenn nichts voranging. In der Zeit, in der er an seinem Roman Der Verschollene schrieb, liest man Tagebucheintragungen wie: «Heute früh zum ersten Mal seit langer Zeit wieder die Freude an der Vorstellung eines in meinem Herzen gedrehten Messers.» oder «Der Wunsch nach besinnungsloser Einsamkeit. Nur mir gegenübergestellt sein.» Optimismus taucht in seinen Tage­büchern nur als kurz aufscheinender Lichteinfall auf: «Nicht verzweifeln, auch darüber nicht, dass du nicht verzweifelst. Wenn schon alles zu Ende scheint, kommen doch noch neue Kräfte angerückt, das bedeutet eben, dass du lebst.» Was hat ein Opernhaus mit diesem Kafka zu tun, der sich selbst als unmusikalisch bezeichnete? Anders als in der Literatur, auf der Theaterbühne, in Kinofilmen oder der Bildenden Kunst hat sein Schaffen in der Musik keine besonders starke Resonanz ausgelöst. Vom ungarischen Komponisten György Kurtág etwa gibt es einen genialen, kammermusikalischen Zyklus auf Kafka-Texte. Aribert Reimann hat Das Schloss als Vorlage für eine grosse Oper gewählt, Hans Werner Henze die Erzählung Ein Landarzt für eine Kammeroper. Es gibt aber noch eine Oper, die so gut wie keiner kennt: Sie heisst Amerika, stammt von dem polnisch-jüdischen Komponisten Roman Haubenstock-Ramati und ist das aufwändigste und experimentellste Musiktheater, das auf einen Stoff von Kafka geschrieben wurde. Sie basiert auf dem Verschollenen, wurde 1966 an der Deutschen Oper in Berlin uraufgeführt und ist seitdem nur noch in zwei weiteren Produktionen auf die Bühne gekommen – 1992 in Graz und 2004 am Theater Bielefeld. Roman Haubenstock-Ramati war Lektor für Neue Musik und Hauskomponist bei der renommierten Universal Edition in Wien. Er gehörte in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu den führenden Komponisten der Nach­ kriegs­­moderne, war allerdings stiller und zurückhaltender in seinem Auftreten als die Wort­führer der damaligen Avantgarde von Karlheinz Stockhausen bis Pierre Boulez. Amerika ist Haubenstock-Ramatis Hauptwerk, in das alle seine experimentellen Über­ legungen zu neuen Notationsformen, einer dreidimensionalen Gestaltung des Klangs im Raum oder einer variablen Verschränkung von Klang, Text, Szene und Bewegung eingeflossen sind. Alles ist gross gedacht in dieser Kafka-Oper und immens der Aufwand an Mitteln:


«Der Roman ist ins Endlose angelegt und so gross, wie über den ganzen Himmel hin entworfen.»

Ein live spielendes Orchester im Graben wird kombiniert mit bis zu drei weiteren Orchestern, die per Tonband zugespielt werden. Das Stück sieht neben 21 (auf zehn Solistinnen und Solisten verteilte) Rollen einen vielfach aufgespaltenen Sprechchor vor, der ebenfalls vom Band kommt. Der Zuschauerraum soll durch die Installierung von Lautsprechern in die Aufführung einbezogen werden. Bei der Uraufführung 1966 standen dafür nur die bescheidenen Möglichkeiten eines Vier-Kanal-Tonbands zur Verfügung. Haubenstock-Ramatis Vision vom plastisch bewegten Klang im Raum war aber in eine technologische Zukunft gedacht, die sich erst heute (etwa mit einem modernen Surround-System, wie es im Opernhaus Zürich installiert ist) tatsächlich realisieren lässt. Hinzu kommt eine choreografische Spielebene, die als «Ballettpanto­ mime» bezeichnet wird. Auch dem Licht und dem Bühnenbild wird eine «autonome, formbildende Dimension» zugesprochen, die «eigene Handlungen und Spiele entwerfen» soll. Haubenstock-Ramati will mehr als eine Geschichte erzählen. Ihm schwebt ein Musiktheater vor, das sich davon löst, eine Handlung linear zu entwickeln und folgerichtig vom Anfang bis zum Ende auf der Bühne ablaufen zu lassen. Er sah in Kafkas Roman vielmehr das alogische, diskontinuierliche «Bild eines Traumes», in dem «die zeitliche Dimension nicht Ursache des Geschehens» ist, wie er im Vorwort der Partitur schreibt. «ALLES IST DA!», lautet seine Forderung. Haubenstock-Ramati reagiert mit dieser Öffnung der dramatischen Form auf den Fragmentcharakter der Romanvorlage. Kafkas Schreibschwung war in Der Verschollene, wie in all seinen Romanprojekten, irgendwann ins Stocken geraten und schliesslich vollständig erlahmt. Er legte das Manuskript zur Seite, fing Neues an, kehrte wieder zu seinem Projekt zurück und hinterliess nach sechs fertigen Kapiteln nur noch einzelne Episoden, Bruchstücke und ein offenes Ende. Karl Rossmanns letzte Station, das grosse Naturtheater von Oklahoma, bleibt ein Rätselbild: Ist es eine Paradies- oder eine Höllenvision? Ist es überhaupt der letzte Ort im Stationen­drama oder gilt, was Kafka einmal an Max Brod schrieb: Das Werk sei ins Endlose angelegt. «Der Roman ist so gross wie über den ganzen Himmel hin entworfen.» So fragmentarisch wie Kafkas Roman konzipiert Haubenstock-Ramati auch seine Oper: Er schlägt zwar eine Reihenfolge der 25 Szenen vor, zu denen er den Roman verdichtet hat, erklärt diese aber für nicht verbindlich. Umstellungen sind möglich. Er legt das musikalische Material kaleidoskopisch an: Kompositorische Teile tauchen in neuen Kontexten und Kombinationen wieder auf. Und er wendet eine neue Form an, die er selbst entwickelt hat. Er nennt sie Mobile: Eine auskomponierte Zusammen­ stellung an musikalischen Aktionsfeldern wird von einem Instrumentalensemble in unterschiedlichen Abfolgen wiederholt und erklingt so immer wieder neu und anders zusammen. Haubenstock-Ramatis dramaturgisches Ziel ist es, Wirklichkeitsverschiebung, Wahrnehmungsverzerrung, Traumrealität zu erzeugen. Dazu tragen auch die kreuz und quer verkanteten Glissando- und Clusterflächen bei, die den Klang der Streicher prägen. Alles scheint zu schwanken und zu rutschen unter den Füssen des Karl Rossmann. Auf das zentrale Ausdrucksmittel der Gattung Oper, den Gesang, hat Haubenstock-Ramati fast vollständig verzichtet. Für die Solopartien sieht er über weite Strecken nur ein komponiertes Sprechen vor. «Mein Verzicht auf den Belcanto hängt natürlich stark mit der Vorlage Franz Kafkas zusammen», sagte er. «Ich glaube nicht, dass man auf Texte Kafkas Arien schreiben kann. Kafkas Sprache verbietet das gerade­ ­zu.» Die Identifikationsmöglichkeit des Publikums mit Figuren und Situationen über die Gefühlsäusserungen durch Gesang fällt also weg. Stattdessen setzt der Komponist das Publikum mitten hinein in Kafkas Welt. Es ist umgeben von Klang und soll mit allen Sinnen unmittelbar hineingezogen werden in die verrückten Erzähl-Labyrinthe. Der Kafka-Biograf Reiner Stach nennt die Strategie, die Kafka im Verschollenen angewandt hat, eine «radikale Beschränkung des Horizonts auf das Bewusstsein des Helden. An nichts kann der Leser sich halten als den offenen ‹unschuldigen› Blick eines Knaben, der alle Einzelheiten mit bedrängender Genauigkeit erfasst.» So soll es dem Amerika-Publikum auch ergehen. Haubenstock-Ramatis Musiktheater wohnt


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etwas Obsessives inne. Man spürt, dass den Komponisten an Kafka nicht nur die Mög­lichkeit interessiert hat, mit musiktheatralischen Formen frei zu spielen. Aus den Klängen spricht eine existenzielle Dringlichkeit, die ihren Urgrund in der inneren Verwandtschaft hat, die die Reise des Romanhelden Karl Rossmann mit der Biografie des Komponisten verbindet. 1919 in Krakau geboren, war Roman Haubenstock-Ramati während des Zweiten Weltkriegs selbst ein Verschollener. Eine albtraumhafte Odyssee, wie sie Kafka für seine Romanfigur erfunden hat, ist ihm unter viel bedrohlicheren Umständen im wirklichen Leben selbst widerfahren. Als jüdisch Verfolgter entkam er mehrfach nur durch groteske Zufälle dem Tod. Vor Adolf Hitlers Truppen musste er gemeinsam mit seiner Familie zwei Tage nach Beginn des Zweiten Weltkriegs von Krakau nach Lemberg fliehen. Dort verhafteten die russischen Besatzer ausgerechnet ihn, den von den Nazis Verfolgten, wegen angeblicher Spionage und konterrevolutionärer Umtriebe. Die vielen Sprachen, die er sprach, und Reisevisa für die Schweiz und Frankreich hatten ihn verdächtig erscheinen lassen. Er wurde via Odessa nach Sibirien deportiert. Dort liess man ihn nach einiger Zeit ebenso grundlos, wie er verhaftet worden war, wieder frei. Haubenstock-Ramati beschloss, einer polnischen Exilarmee beizutreten, und reiste auf der Suche nach einem entsprechenden Rekrutierungsbüro über Samarkand und Taschkent bis nach Aschchabad in Turkmenistan, wo er tatsächlich auf einen Trupp exilpolnischer Rekruten traf. Die aber brachen ohne ihn auf, weil er an Fleckfieber erkrankte. Mit einer Nachzüglertruppe, für die man ihn als Geiger und Flügelhornspieler einer offenbar unverzichtbaren Militär-Kapelle rekrutiert hatte, verschlug es ihn nach Palästina, wo er den Zweiten Weltkrieg überlebte. Der grösste Teil seiner Familie wurde von den Nazis ermordet. Haubenstock-Ramati ging 1945 zurück nach Krakau, floh zwei Jahre später aber erneut nach Tel Aviv, dieses Mal vor dem repressiven polnischen Sozialismus. Aber auch im jungen Israel wurde er als Kompo­nist der Avantgarde nicht glücklich und landete zunächst in Paris und schliesslich in Wien. Solche Schicksalsvolten als kafkaesk zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Haubenstock-Ramati muss das Leben während und nach seinen Erfahrungen zwischen 1939 und 1950 als undurchschaubar und bar jeder Sinnhaftigkeit vorgekommen sein: Eine Welt auf schwankendem Boden, dessen tückische Gravitationskräfte einen jeder­ zeit in einen tödlichen Abgrund stürzen können. Öffentlich gesprochen hat er über die Parallelen zwischen seinem Leben und dem Kafka-Roman nicht. In einem seiner seltenen Interviews, darauf angesprochen, antwortet er ironisch ausweichend: In allen seinen Werken gebe es Motive, die ihn persönlich beträfen. Haubenstock-Ramati wollte offenkundig nicht, dass seine Amerika-Oper als jüdische Opfergeschichte gelesen wird, was dem multiperspektivischen Werk auch nicht gerecht würde. Haubenstock-Ramati hat zur Uraufführung seiner Oper einen Text veröffentlicht, in dem er «die im breitesten Sinne humanistische Aussage» der Texte von Kafka her­ aus­streicht. Die habe ihn veranlasst, den Stoff für sein Musiktheater zu verwenden. Haubenstock-Ramati hat die düsteren Labyrinthe der Gemeinheiten und der Ungerechtigkeit, durch die Kafka seinen Romanhelden schickt, mit Freiheit in der musiktheatralischen Form aufgehellt, mit chaplinesken Pantomimen und Weite und Offenheit im Klang. Er fragt in seinem Text, ob im mysteriösen grossen Naturtheater von Oklahoma, mit dem der Roman und die Oper enden, Karl Rossmanns immer wieder­ kehrende Ausweisung aus dem Paradies beendet worden wäre, wenn Kafka den Roman zuende gebracht hätte. «Ist das Urteil aufgehoben? Wird das Gesetz umgeschrieben und neu verkündet werden? Das alles wissen wir nicht, auch Kafka nicht.» Dann zitiert Haubenstock-Ramati zwei Sätze aus Kafkas aphoristischen Notaten: «Wir wurden ge­ schaffen, um im Paradies zu leben, das Paradies war bestimmt, uns zu dienen. Unsere Bestimmung ist geändert worden, dass dies auch mit der Bestimmung des Paradieses geschehen wäre, wird nicht gesagt.» Nach einem Happy-End klingt das nicht.



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Er hat die Dinge zu Ende gedacht Sebastian Baumgarten ist der Regisseur der Oper «Amerika» von Roman Haubenstock-Ramati. Ein Gespräch über die Aktualität von Franz Kafkas Romanen, das Bild, das sich der Prager Schriftsteller von Amerika gemacht hat und den Spass, eine Oper zu realisieren, die die Grenzen des Musiktheaters testet.


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Sebastian, lass uns über Kafka reden. Wieviel hat er uns heute noch zu sagen? Kafkas Texte sind so ins Offene geschrieben, dass ich sie als extrem anschlussfähig an unsere Gegenwart empfinde. Das Spannende an seiner Literatur ist ja, dass sie sich aus sich selbst heraus fortschreibt. Kafka formuliert eine Ableitung beim Schreiben und aus der Ableitung eine weitere Ableitung. Eine Fussnote wächst ins Ausführliche und zieht weitere, noch ausführlichere Fussnoten nach sich. Das Schreiben ist wie ein rhizomatischer Vorgang. Die Texte kommen einem vor wie ein Pilzgeflecht unter der Erdoberfläche. Alles ist dicht vernetzt. Man weiss nicht, wo die Textkonstruktionen ihren Anfang und ihr Ende haben, sie greifen in alle möglichen Richtungen aus. Das erzeugt das Gefühl des Labyrinthischen, das wir in Kafkas Literatur immer so stark wahrnehmen. Damit sind seine Texte von grosser Geräumigkeit, um einen Begriff von Heiner Müller zu verwenden. Man kann das Gegenwärtige mit ihnen in Verbindung bringen. Das macht sie auch für uns heute interessant. Die Bedrohlichkeit der verwalteten Welt, der Untergang des Individuums in anonymen hierarchischen Strukturen, der Mensch an den Schnittstellen zur modernen Technik – das sind Themen, die man in Kafkas Werken ausmacht. Haben sie auch für uns heute noch eine Relevanz? Vielleicht nicht mehr in dem Sinne, wie sie sich zu Kafkas Lebzeiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts dargestellt haben. Aber wir haben heute trotzdem mit den Ordnungssystemen der digitalen Welt zu tun, mit den unhintergehbaren hierar­ chischen Strukturen von Computerprogrammen, Algorithmen, künstlicher Intelligenz usw., denen wir uns ausliefern. Da gibt es im Moment wenig Vorsicht. Auch an dieses Thema sind Kafkas Texte anschlussfähig. Man sagt immer, Kafka habe in seinen Romanen die Menschheitskatastrophen des 20. Jahrhunderts vorausgeahnt. Siehst du das so? Man bringt ihn dadurch immer in die Rolle eines «Genies», das mehr gewusst oder geahnt hat als andere zu seiner Zeit. Aber es kommt immer darauf an, wie man das Geniale definiert. Für mich ist Kafka jemand, der sehr genau und sensitiv die Welt um sich herum wahrgenommen, die Themen strukturiert fokussiert und die logischen Konsequenzen daraus gezogen hat. Er formuliert ja keine biblisch-­ prophe­tischen Visionen. Er denkt, was er wahrnimmt, konsequent weiter und zu Ende. Er hatte die Fähigkeit, Komplexität zu erfassen und hochzurechnen. Fast mechanisch. Jedenfalls nicht genieartig mit dem Blitz einer Eingebung oder dem Erspüren von heraufdämmernden Stimmungen in herausgehobener Position. Kafka guckt die Welt nicht von aussen an, er ist Kind seiner Zeit und ganz Teil von ihr. Er nimmt die Dinge wahr, die sich in seinem Leben als Versicherungsangestellter oder Einwohner von Prag ereignen. Es gibt ja den berühmten lakonischen Tagebucheintrag zum Beginn des Ersten Weltkriegs: «Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. Nachmittags Schwimmschule.» So ist es gewesen. Es stehen zwei Sachen nebeneinander, die ursächlich nichts miteinander zu tun haben. Ich habe gerade eine Kurzgeschichte gelesen, in der Kafka einen Sonnenuntergang beschreibt und ein Mädchen. Das geht auf die Strasse, und der Schatten eines grossen Mannes läuft an ihm vorüber. Man fragt sich: Was ist das für eine Form der Literatur? Es könnte die präzise Dokumentation einer konkreten Wahrnehmung sein, die der Autor gerade draussen erlebt hat – und mit seiner Sprache poetisch erfasst. Das zu formulieren, muss man ja auch erstmal hinkriegen. Kafka scheint geahnt zu haben, dass lineare Kausalität nicht mehr ausreicht, um die Welt zu beschreiben, dass nicht mehr im Sinne der Aufklärung logisch eins aus dem anderen hervorgeht. Kafka hat keine dramatischen Texte geschrieben, warum taugen seine Texte trotzdem für das Theater? Ich bin mir gar nicht so sicher, ob sie das wirklich tun. Theater braucht dramatur-


gisch eigentlich immer ein dramatisches Ende, und das versagen uns die Kafka-­ Romane. Ich glaube, es ist eher so, dass sich das Theater an Kafka abarbeitet, um auf seine Höhe zu kommen, und dann immer ein bisschen hinter dem zurückbleibt, was er in literarischer Sprache abzubilden vermag. Wie muss man dann mit Kafka-Texten auf der Bühne umgehen? Ich kann das nur subjektiv für mich beantworten. Ich muss mich von dem befreien, wie Kafka auf der Bühne gerne gezeigt wird – eine düstere, graugrüne Welt, lange Schatten, Endzeitstimmung. Das kann schon alles sein. Aber ich bin überzeugt, dass man Kafka ästhetisch auf sehr unterschiedliche Weise zeigen kann – vielleicht als eine Welt von Buchstaben und Zahlen etwa, als seltsame Verkoppelung von Räumen, als Lichtinstallation und vieles mehr. Was passiert mit Kafkas Roman Der Verschollene in der Oper von Roman Haubenstock-Ramati, die wir gerade produzieren? Wir stecken noch mitten in den Proben und haben deshalb auch noch keine ge­ sicherte Einschätzung. Aber klar ist: Haubenstock-Ramati interpretiert den Roman, und dabei spielen die Erfahrungen, die er als verfolgter polnischer Jude im Zweiten Weltkrieg gemacht hat, zweifellos eine Rolle. Als Kafka den Verschollenen schrieb, waren der Faschismus und der Holocaust noch Zukunft, bei Hauben­stock-­ ­Ramati ist er traumatische Vergangenheit, sein Blick geht darauf zurück. Ich kann mich nicht davon lösen, in der Musik, die er komponiert, auch Krieg, Sirenen, bedrohliche Masse und geisterhafte Stimmen wahrzunehmen. Darüber hinaus trifft hier ein intellektueller avantgardistischer Geist der musikalischen Nachkriegs­ moderne auf eine sehr offene Literatur und stösst in die Grenzbereiche von Musiktheater vor, und das finde ich etwas ganz Besonderes. Die Amerika-Oper ist mit einer irren Konsequenz komponiert. Haubenstock-Ramati spielt mit der Narration und löst sie zugleich im Spiel mit Formen auf. Das ist so, wie wenn man in der Bildenden Kunst gegenständliche und abstrakte Malerei verschränkt. Haubenstock-Ramati schreibt im Vorwort der Partitur: «Es gibt keine Aktion im Sinn des dramatischen Sich-Entwickelns: ALLES IST DA!» Kommt dir das als Theatermacher entgegen? Zunächst erstmal nicht. Was heisst das denn, wenn alles wie eine klanglich-theatrali­ sche Installation angelegt sein soll? Im Sinne eines Theaterabends, der das Publikum über die Dauer der Aufführung in Spannung halten möchte, ist das eher problematisch. Wenn ich aber die Forderung, dass alles immer da sein soll, allgemeiner interpretiere, nämlich dass Zukunft und Vergangenheit in der Gegenwart präsent sind und umgekehrt, finde ich das schon viel interessanter. Das entspricht dann einem der Relativitätstheorie folgenden Weltbild. Es erinnert an die Idee der Kugelgestalt der Zeit in Bernd Alois Zimmermanns zur gleichen Zeit entstandenen Oper Die Soldaten. Was heisst das konkret theatralisch? Alles parallel auf der Bühne zu haben und nur einzelne Elemente an und abzuschalten, finde ich nicht neu. Aber als Idee ist die Gleichzeitigkeit der Zeiten natürlich Ideen stiftend. Haubenstock-Ramati sieht den Klang, die Szene, das Licht und die choreografische Bewegung in Amerika als eigenständige und in gewissem Rahmen voneinander unabhängige theatralische Dimensionen. Findest du das produktiv? Für mich als Brechtianer ist das zunächst etwas sehr Bekanntes, nämlich die Trennung der Elemente. Ist das bei Haubenstock-Ramati gemeint? Es ist schon anders, weil die Mittel nicht eng an eine Narration gebunden sind. Sie

«Als Kafka den Roman schrieb, waren Faschismus und Holocaust noch Zukunft, bei Haubenstock-­ Ramati ist er traumatische Ver­ gangenheit.»


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sind autonom und können sich aus sich selbst heraus entwickeln. Wollte man das in aller Radikalität verfolgen, müsste man an den theatralen Mitteln einzeln über einen längeren Zeitraum arbeiten, an der Bewegung des Klangs, an der Licht­ choreografie, an der Pantomime. Aber das würde dem normalen Zeitmanagement einer Opernproduktion momentan noch widersprechen. Haubenstock-Ramati hat in seiner Oper eine Ballettpantomime vorgesehen. Wie gehst du damit um? Ich finde es sehr spannend, dass er auf die Kunstform der Pantomime zurückgreift. Am Anfang dachte ich, das sei sehr einfach gedacht: Da will einer choreografische Bewegungen, wagt aber nicht den Schritt zu abstraktem Tanz, weil Narratives dargestellt werden soll, also nimmt er Pantomime quasi als abgeschwächte Form des Tanzes. Aber das ist ein Missverständnis. Die Pantomime ist ja eine ernst­zu­ neh­mende Theaterform, die schon sehr früh in der Geschichte des Theaters verwendet wurde und heute etwas aus dem Blickfeld geraten ist. Es ist kein Zwischending zwischen realistischer Darstellung und Tanz, sondern etwas Eigenständiges. Und das versuchen wir wie Haubenstock-Ramati ernst zu nehmen. Unser Choreograf Takao Baba kommt vom urbanen Tanz, der ja in manchen seiner Stilaus­­ prägungen durchaus Nähe zur Pantomime aufweist. Wir haben in den Proben festgestellt, dass freie Improvisationen oder virtuose autonome stilistische Formen der Tänzerinnen und Tänzer im Kontext eines Kafka-Stücks sofort etwas Inter­ mezzo­haftes bekommen. Also beziehen wir die tänzerische Arbeit immer unmittelbar auf die jeweilige Szene. Kafka braucht eine konkrete Anbindung, zumindest in Form von Realitätsfragmenten, sonst funktioniert er nicht. Haubenstock-Ramatis Oper ist wie Kafkas Roman eine Reflexion des Mythos Amerika. Ist das im Jahr 2024 ein dankbares Thema? Die Frage, wohin sich die Vereinigten Staaten entwickeln, beschäftigt uns alle. Aber die Aktualität konkret auf der Bühne zu zeigen, erscheint mir falsch. Unsere Produktion sollte ja ursprünglich 2020 herauskommen und musste dann wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Damals war Trump noch Präsident. Er wurde nicht wiedergewählt, es gab den Sturm aufs Kapitol und vieles mehr. Jetzt, vor dem zweiten Anlauf unserer Produktion, fragen sich alle, ob Trump im Herbst erneut gewählt wird und damit die Demokratie endgültig aushebelt. Die politische Lage ist unglaublich dynamisch, aber sobald Aktualität in einer Inszenierung konkret wird, bezieht sie sich nur auf diesen einen Moment. Und das macht sie klein. Natürlich wohnt dem Kafka-Stoff das Autoritäre und, wenn man so will, Prätotalitäre inne. Es gibt Übergestalten wie den reichen Onkel Jacob, den gefährlichen Oberportier, Brunelda als angsteinflössende Frau, die Menschenmassen, die ins Naturtheater von Oklahoma strömen. Das ist auch ohne direkte aktuelle Bezüge lesbar für unsere Gegenwart. Man darf nicht vergessen: Kafka war nie in Amerika. Bei ihm ist das alles eine vorgestellte Welt. Er kannte Reportagen und Fotos, eine konkrete Bildwelt, auf die er sich bezog. Aber wahrscheinlich war es ein Vorteil, dass er nicht in Amerika gewesen ist. Wie Lars von Trier oder Karl May. Er konnte die Dinge auf die Spitze treiben, ohne sie mit der Realität abgleichen zu müssen. In diesem Sinne ist Kafka wirklich beeindruckend: Teile seiner vorgestellten Welt wurden später Wirklichkeit. Ich möchte noch auf den Schluss des Kafka-Romans zu sprechen kommen, auf das Naturtheater von Oklahoma und das offene, Fragment gebliebene Ende. Dazu gibt es viele Theorien. Wie gehst du damit um? Zu Kafkas Zeiten war der Fortsetzungsroman eine gängige literarische Form. So betrachtet, müsste der Oper die Option einer Fortsetzung innewohnen, und Haubenstock-Ramati hat den Schluss auch offen angelegt. Er endet mit einem Epilog, der den Anfang zitiert.

«Man darf nicht vergessen: Kafka war nie in Amerika. Bei ihm ist alles eine vorge­stellte Welt.»


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Das Naturtheater von Oklahoma könnte die Erfüllung einer Hoffnung oder der Untergang für Karl sein. Was ist es? Vor dem Naturtheater treten Engel und Teufel auf, die auf Trompeten blasen. Das ist ein in sich widersprüchliches Bild, weil es in biblische Dimensionen ausgreift und sich vom konkreten Ort in eine Welt von Himmel und Hölle bewegt wie in Dantes Göttlicher Komödie. Der Vergleich ist vielleicht tragbar, weil Kafka durchaus auch mit komödiantischen Mitteln und nicht mit den Mitteln der Tragödie erzählt. Aber der Aufmarschplatz, die Massen, die sich da in Richtung Naturtheater in Bewegung setzen, sind bedrohlich. Damit haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Kafka beschreibt die Angst vor einer Zeit, die alles vergrössern musste. Grosse Romane, starke Helden im Wald, bedrohliche Architektur. Dagegen schreibt er. Haubenstock-Ramatis Musiktheater Amerika steht mit seinen Anforderungen quer zum konventionellen Opernbetrieb. Das fängt bei der Probendisposition an, geht über die Klangregie, die im Aufführungsort ausgearbeitet werden muss, bis zur Darstellung der Musik in den szenischen Proben, wo eigentlich ein Korrepetitor aus dem Klavierauszug spielt. Wie gross sind die Probleme, die daraus erwachsen? Unsere Erfahrungen zeigen bis jetzt ganz klar: Es ist machbar. Ich würde auch andere Häuser unbedingt ermutigen, sich an das Stück zu wagen. Man findet Lö­ sun­gen. Die Partitur liefert Antworten auf die Fragen, die man sich stellt. Man braucht Geduld und ein künstlerisches Team und Darstellerinnen und Darsteller, die bereit sind, tief in das Projekt einzutauchen. In Zürich haben wir das. Dann wird man belohnt, mit den Mitteln des Theaters die eng gefasste Welt der Oper ver­ lassen zu dürfen. Das Gespräch führte Claus Spahn




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Ein leuchtendes Paradies der liberalen Freiheit? «Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: Dass alle Menschen gleich geschaffen sind ...» So beginnt die berühmte Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika. Dass dieses Gleichheits- und Gerechtigkeitsver­sprechen nur bedingt gilt, hat schon Franz Kafka in seinem Amerika-Roman «Der Verschollene» geahnt. Daran hat sich bis ins 21. Jahrhundert wenig geändert. Essay von Thomas Assheuer

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ls sein Schiff den Hafen von New York erreicht und die «Freiheitsgöttin» in Sichtweite gerät, bemerkt Karl Rossmann, wie sich am Himmel das Licht verändert: Es scheint «plötzlich stärker» zu werden, die Sonne strahlt intensiver. «Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.» Warum spricht Karl Rossmann in Franz Kafkas Roman Der Verschollene von der Freiheitsgöttin – und nicht von der Freiheitsstatue? Warum hält sie statt der Fackel ein Schwert in der Hand? Warum meint Karl, die «freien Lüfte» seien «so hoch»? Sind sie unerreichbar? Wer Kafkas Roman liest, den fröstelt es auf jeder Seite. Was dem siebzehnjährigen Deutschen in Amerika widerfährt, ist spektakulär freudlos, sein Leben ist düster und bedrückend wie ein langer, gedehnter Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Gerechtigkeit existiert nicht, jedenfalls nicht auf Erden und erst recht nicht für Karl Rossmann. Auf Erden gibt es nur Sünde und Schuld – und das Schwert, das Symbol für den Krieg der Gesellschaft, für gnadenlose Konkurrenz, erbitterte Feindschaft und den ständigen Kampf ums Überleben. Die Freiheitsstatue von New York mit einem Schwert und nicht, wie in Wirklichkeit, mit einer Fackel in der Hand in den Roman einzuführen, war kein Fehler Kafkas. Er wollte es so. Ja, in Amerika gibt es Freiheit. Hoch in den Lüften. Kafkas Roman, und darin liegt seine Provokation, stellt Amerikas Selbstbild auf den Kopf. Die älteste Demokratie der Welt erscheint bei ihm nicht als leuchtendes Paradies liberaler Freiheit, sondern als kapitalistische Hölle mit Erniedrigung, Ausbeutung, Gier. Alles Lebendige ist aus der Gesellschaft herausgesaugt, zurück bleiben


Mühsal und Qual, Demütigung und Gewalt. In der Entstehungszeit des Romans, in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, war Kafkas Amerikakritik zwar extrem, aber nicht untypisch. Während der Soziologe Max Weber 1904 noch über die USA staunte, staunten andere Schriftsteller und Philosophen schon nicht mehr. In ihren Augen hatte das Empire of Liberty seinen Nimbus verloren; Amerika war kalt geworden und der Zauber der demokratischen Freiheit verflogen. Kafka hat das gespürt, obwohl er nie in Amerika war und Berichte, Vorträge und Fotos die Quellen seines Amerika-­ Bildes waren. Gewiss, was ihren Erfindergeist und ihre Produktivität anging, war die neue ökonomische Supermacht unschlagbar. Doch das Leben in «God’s own Country» lockte nicht mehr. Zu aufreibend war der Statuskampf, zu gespalten die Gesellschaft, zu obszön das Gebaren der Reichen, zu abstossend das Treiben der Politiker. Auch wenn diese Kritik nun über hundert Jahre zurück liegt: Kommt sie einem nicht bekannt vor? Hat sich unser Amerikabild heute nicht erneut verdunkelt? Als Kafka seinen Roman 1911 in Angriff nahm, war das «Gilded Age» bereits zu Ende. Gemeint ist jene Ära des Hochkapitalismus, die nach dem Bürgerkrieg in den 1870er-Jahren begann und den Vereinigten Staaten ein sagenhaftes Wirtschaftswunder bescherte, einen märchenhaften ökonomischen Aufstieg, der geprägt war von Industriemagnaten wie Andrew Carnegie, J. P. Morgan, Cornelius Vanderbilt oder John D. Rockefeller. Allerdings, dass Mark Twain, der die Epochenbezeichnung er­ funden hatte, nur vom vergoldeten, nicht aber vom goldenen Zeitalter sprechen wollte, hatte einen handfesten Grund: Im «Gilded Age» stand dem frivolen Reichtum der Wenigen die erbärmliche Armut der Vielen gegenüber, in den Städten wucherten riesige Slums und die Arbeiter waren nahezu rechtlos. Damals entstanden die ersten populistischen Parteien und Gewerkschaften; mit grossem Mut und vielen Streiks kämpften sie für faire Arbeitsbedingungen und gegen die sozialdarwinistische Ideologie mit ihrem «Survival of the Fittest», also der zynischen Behauptung, nur die Stärkeren würden überleben. Mary Lease zum Beispiel, die Mitbegründerin der Populist Party, warf den Politikern vor, sie steckten mit den Mächtigen unter einer Decke: «Die Spekulanten, die Landräuber, die Piraten und Glücksspieler haben unaufhörlich an die Türen des Kongresses geklopft, und der Kongress hat in jedem einzelnen Fall ihren Forderungen nachgegeben.» Und womit begründeten die sozialen Bewegungen ihren Protest? Mit den legendären Sätzen aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: «Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräusserlichen Rechten ausgestattet sind; dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören…» Auch wenn die sozialpopulistischen Parteien ihre fragwürdigen Seiten hatten (sie interessierten sich nur für weisse Arbeiter), so sind ihre Provokationen noch immer aktuell. Welchen Wert hat die liberale Freiheit in einer radikal ungleichen Ge­ sellschaft? Hat jeder das Recht, unter Brücken zu schlafen? Hoch und heilig hatten die Verfassungsväter allen Bürgern das Recht auf Freiheit und Gleichheit versprochen, doch in der rohen kapitalistischen Wirklichkeit des «Gilded Age» endeten diese Rechte am Fabriktor – es waren Rechte ohne Wert. Es ist Franz Kafka, der mit geradezu un­ heimlicher Präzision den Finger in die liberale Wunde legt. Als sein Romanheld gefragt wird, ob er «frei sei», lautet die Antwort: «‹Ja, frei bin ich›, sagte Karl und nichts schien ihm wertloser.» Der Auswanderer aus Deutschland hatte alle Freiheit der Welt. Auch die Freiheit zu verhungern. Gewiss, der Anarcho-Kapitalismus ist längst Vergangenheit. Doch in kaum einem anderen westlichen Land sind die Vermögen so ungleich verteilt wie in den USA; nachdem sie eine Zeitlang gesunken war, steigt die Ungleichheit wieder an, das obere eine Prozent der Bevölkerung besitzt fast 42 Prozent der gesamten Vermögen. Könnte es also sein, dass Ungerechtigkeit in Amerika nicht nur eine soziale, sondern auch eine mentalitätsgeschichtliche Tradition hat? Auffällig ist jedenfalls, dass schon in den Gründungsdokumenten, sowohl in der Unabhängigkeitserklärung als auch in der


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Verfassung, von Gleichheit und Gerechtigkeit nur sehr abstrakt die Rede ist. Und in der Tat musste Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1940er-Jahren zugeben, die Gewährung sozialer Rechte sei in den USA ein unerfülltes Versprechen geblieben. Was die Ausformulierung sozialer Rechte angeht, muss man die Verfassungs­väter zunächst in Schutz nehmen. Niemand konnte sich in den 1780er-Jahren die Realität des Hochkapitalismus vorstellen, also eine rasend schnell industrialisierte Gesellschaft mit Luxus, Massenelend und mörderischen Kämpfen. Thomas Jefferson zum Beispiel war der Überzeugung, die Zukunft Amerikas liege in der Landwirtschaft mit fleissigen Bauern auf kleinen Farmen inmitten von blühenden Feldern. Und Alexander Hamilton, der erste Ökonom der USA, hoffte, Amerikas Wirtschaft werde unreguliert und von ganz allein für allgemeine Gerechtigkeit sorgen. Auch über den Sinn der Freiheit glaubten die Gründungsväter nicht gross nachdenken zu müssen. Warum auch? Mit visionärem Mut hatten sie den demokratischen Neuanfang gewagt und – wie Goethe bewundernd schrieb – den Ballast der Vergangenheit abgeworfen: «Amerika, du hast es besser / Als unser Kontinent (…) / Dich stört nicht im Innern / Zu lebendiger Zeit / Unnützes Erinnern / Und vergeblicher Streit.» Kurzum, wer im achtzehnten Jahrhundert dem Ancien Régime entronnen war, der fragte nicht nach dem Sinn von Freiheit – dieser stand ihm vor Augen. Freiheit hiess Freiheit von Europas Königshäusern und ihrer vererbten, autoritär exekutierten Macht. Freiheit hiess, eine Republik gründen zu dürfen, in der alle Menschen dieselben Rechte haben. Volksherrschaft statt Gottesgnadentum. Demokratie statt Standesgesellschaft. We the People. Schon angesichts der riesigen Entfernungen war das amerikanische Experiment ebenso kühn wie riskant. Dreizehn eigenwillige Kolonialstaaten mussten aus dem Herrschaftsbereich der britischen Krone herausgelöst und zu einer demokratisch regierten Union zusammengeführt werden. Als das Experiment gelang, fühlten sich die Revolutionäre zu Recht als Avantgarde der Menschheit. Amerika war vorangegangen, und nun sollten die unterdrückten Völker folgen und ebenfalls ihre Ketten abwerfen. Thomas Paine, Sohn eines englischen Handwerkers und glühender Demo­ krat, sagte es so: «Die Sache Amerikas ist weitgehend die Sache der gesamten Menschheit. Wir haben die Kraft, die Welt neu zu beginnen. Der Tag der Geburt einer neuen Welt steht bevor.» Überflüssig zu erwähnen, welch schwarzer Schatten über der amerikanischen Revolution lag. Die feierlich erklärten Menschenrechte beruhten auf einem grausamen Ausschluss, sie galten weder für die (bereits dezimierten) Ureinwohner, noch für ver­ sklavte Schwarze. Die reichen Siedlerkolonialisten waren in der Regel Sklavenhalter, auch einige der Gründerväter. Allein Thomas Jefferson besass im Lauf seines Lebens mehrere hundert Sklaven, mit einer Sklavin hatte er mehrere Kinder. Rechtlos wie ein Stück Vieh, waren sie «bewegliches Eigentum», mit dem ihre Besitzer machen konnten, was sie wollten. Nicht wenige Forscher sind der Auffassung, dass die enge Verknüpfung von Freiheit, Eigentum und Diskriminierung jenes verhängnisvolle Erbe darstellt, das bis heute nachwirkt und Amerikas Gegenwart prägt. Tatsächlich hatten die Verfassungsväter die «Wohlhabenden und Wohlgeborenen» bevorzugt, übrigens auch deshalb, weil sie glaubten, reiche Bürger würden einen vernünftigen Gebrauch von ihrer Frei­ heit machen. Das gemeine Volk hingegen galt als selbstsüchtig und wankelmütig, es lasse sich – wie James Madison befürchtete – von seinen niederen Instinkten leiten oder fordere so gefährliche Dinge wie «die Gleichverteilung von Eigentum». Begüterte Menschen, mit anderen Worten, stabilisieren die Demokratie. Mitglieder der upper class sind konservativ und haben kein Interesse daran, die sozialen Verhältnisse umzustürzen. Und wenn sie dann noch ihrem ökonomischen Eigennutz folgen, werde es über kurz oder lang allen besser gehen. Angesichts der tiefen politischen Gräben, die heute die USA durchziehen, angesichts einer bis in die Familien reichenden kulturellen Unruhe und Zerrissenheit steht die Frage im Raum, warum es nicht gelingt, den amerikanischen Traum wirksam


zu erneuern. Die Erklärung der Historikerin Jill Lepore fällt hart aus. Bedenke man die Anfangsgründe der Republik, schreibt sie in ihrer «Geschichte der Vereinigten Staaten», dürfe einen der Zustand des Landes nicht wundern: «Eine Nation, die eine auf ererbten Privilegien beruhende Adelshierarchie stürzte, nur um sie durch eine Hierarchie des Reichtums zu ersetzen, wird niemals zur Ruhe kommen.» Hinzu kommt, dass die von den USA vorangetriebene Globalisierung auf das Land zurückschlägt und selbst in Zeiten steigender Löhne und sinkender Arbeits­ losigkeit den nationalistischen Reflex entsichert. Aus dem Verlangen nach Sicherheit erwächst die Sehnsucht nach dem starken Mann, der die Bürger an die Hand nimmt und in jene goldene Vergangenheit zurückführt, die es nie gab. Und so eroberte im Herzland der Demokratie 2016 ein moralisch verwahrloster Lügner das höchste Amt im Staat – ein Immobilientycoon, der aus seiner Bewunderung für Diktatoren keinen Hehl macht und verspricht, im Fall seiner Wiederwahl die Gesellschaft von «Ungeziefer» zu säubern. Zitat Donald Trump: «Wir werden die Kommunisten, Marxisten, Faschisten und linksradikalen Gangster ausrotten, die wie Ungeziefer in den Grenzen unseres Landes leben.» Wie gross müssen Wut und innere Leere in der Bevölkerung sein, wenn das Publikum bei solchen Sätzen in Jubel ausbricht? Mit dem Bruch des Völkerrechts im Irakkrieg haben die USA ihre moralische Hegemonie verloren; ausgerechnet jenes Land, das Europa unter grössten Opfern von Hitler befreite, steht in den Augen der Welt als Heuchler dar. Inzwischen scheint sogar das Schicksal der amerikanischen Demokratie ungewiss zu sein. Sollte sie einem rechtsradikalen Demagogen in die Hände fallen, dann könnte ein Vierteljahrtausend nach der Unabhängigkeitserklärung von den USA wieder ein Fanal ausgehen – das Zeichen für den Aufbruch ins autoritäre Jahrhundert. Alle rechten Regierungen dieser Welt dürften triumphieren: Wenn schon das «Land of the Free» den Liberalis­ mus begräbt, dann ist er wirklich tot, und auch der stolze «Westen» gehört der Vergangenheit an. Kafka hat es geahnt. Freiheit gäbe es allein hoch «in den Lüften», und dort, wo die Freiheitsstatue einst die Fackel der Aufklärung in der Hand hielt, trägt sie nun das kalte Schwert der Macht. Thomas Assheuer ist ein deutscher Journalist. Er war von 1997 bis 2023 Redaktor im Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT

Amerika Oper von Roman Haubenstock-Ramati Musikalische Leitung Gabriel Feltz Inszenierung Sebastian Baumgarten Ausstattung Christina Schmitt Choreografie Takao Baba Lichtgestaltung Elfried Roller Video Robi Voigt Klangregie Oleg Surgutschow Sounddesign Raphael Paciorek Dramaturgie Claus Spahn Karl Rossmann Paul Curievici Heizer, Pollunder, Robinson Robert Pomakov Oberkellner, Delamarche, Personalchef Georg Festl Klara, Therese Mojca Erdmann Onkel Jakob, Oberportier, Direktor Ruben Drole Brunelda Allison Cook Die Oberköchin Irène Friedli Sprecher 1, Der Student, Benjamin Mathis Sprecher 2, Sebastian Zuber Tänzerinnen und Tänzer Pouria Abbasi, Yvonne Barthel, Natalie Bury, Kemal Dempster, Theodor Diedenhofen, Steven Forster, Evelyn Angela Gugolz, Michaela Kvet, Solomon Quaynoo, Elisa Pinos Serrano, Anna Virkkunen, Oriana Zeoli Philharmonia Zürich

Der in Zürich lebende Illustrator Benjamin Güdel hat unsere Bildstrecke zur Oper «Amerika» von Roman Haubenstock-Ramati gestaltet. Er ist bekannt für seinen suggestiv düsteren Underground-Comic-Stil und zeigt uns Franz Kafka auf Seite 18 als einen Zeitgenossen von heute.

Mit freundlicher Unterstützung der Landis & Gyr Stiftung Premiere 3 März 2024 6, 9, 15, 24 März; 6, 13 Apr 2024


30

Wir haben einen Plan


Wer nicht weiss, was hier zu sehen ist, könnte glatt mei­ nen, es handle sich um die Umlaufbahnen von Planeten. Da wir aber an einem Opern­ haus sind und zurzeit die Premiere von Roman Hau­ ben­stock-Ramatis Amerika vorbereiten, geht es um etwas anderes – nämlich um die topmoderne Surroundanlage im Zuschauerraum. Damit kann Sounddesigner Raphael Paciorek Klänge durch den Raum wandern lassen. In Haubenstock-Ramatis Par­ti­ tur gibt es nämlich neben dem Orchester im Graben drei weitere Orchester, die elek­tronisch zugespielt werden. Mit der Sourround­ anlage, die 64 im ganzen Zuschauerraum verteilte Lautsprecher umfasst, lässt sich genau bestimmen, welche Instrumentengruppe wann wo zu hören sein soll – und in welcher Geschwindig­ keit sich der Klang von der rechten hinteren Ecke des Zuschauerraums in die linke vordere Ecke be­we­gen soll (grau). Oder von der Kuppel beim Kronleuchter zur Mitte des Bühnen­portals (lila). Als wäre das nicht ge­ nug, kommen noch Sprech­ chöre dazu, die ebenfalls elektronisch zugespielt und im Raum bewegt werden müssen. Eine grosse Aufgabe für unsere Tonabteilung. Und ein ganz neues Höraben­ teuer für unser Publikum.


32 Volker Hagedorn trifft …

Mojca Erdmann Mojca Erdmann ist eine vielseitige Sopranistin, die neben Opern-Auf ­trit­ten auch Liederabende und Kammermusik­abende gestaltet und als Konzert­ sängerin inter­national unterwegs ist. Zu ihrem künstlerischen Profil gehören insbesondere anspruchs­volle Werke der zeitge­nössischen Musik. Am Opernhaus Zürich war sie zuletzt im Oktober 2022 in einem Phil­har­mo­ ni­schen Konzert unter der Leitung von Gian­andrea Noseda zu hören, sie sang «Aria / Ariadne», ein Werk von Wolfgang Rihm für Sopran und Orchester.

«Haben Sie mal die Noten gesehen?» «Nein.» «Ich hab’ sie mitgebracht.» Mojca Erd­mann holt im Café den Klavierauszug aus ihrer Tasche. Sofort zur Sache, nach Amerika, mitten hinein in diese irre Montage aus den 1960ern, nach der von Buhs, Gelächter und Handgemengen umtosten Uraufführung in Berlin bislang nur zwei Mal produziert, eine Herausforderung ohnegleichen. «Was ist das eigentlich?», habe sie sich gefragt, als sie die Noten zum ersten Mal sah. «Ich habe viel neue Musik ge­ macht, aber so etwas ist mir noch nicht untergekommen.» Wir blättern im Klavier­ auszug. Auf manchen Seiten stehen keine Noten, man sieht grafische Gebilde, Linien und Schraffuren zwischen den Taktstrichen, auf anderen gibt es Notenlinien, mal nur drei, auf denen ungefähre Höhen für Sprechgesang notiert sind, denen jählings Töne auf fünf Linien folgen können, ganz präzis, vom b eine grosse Septime runter zum h… Um die zu treffen, ist ein absolutes Gehör hilfreich, wie Mojca Erdmann es hat, aber allein damit kommt man nicht hinein in ein Werk wie die Amerika-Oper von Roman Haubenstock-Ramati nach Kafka. «Ich habe erstmal den Roman gelesen», meint die Sopranistin, «und da ich in Zürich wohne, konnte ich mich mit Michael Richter treffen, dem Studienleiter des Opernhauses, und die Noten mit ihm durch­ gehen.» In Blau hat sie die Passagen markiert, die sie live singt, in Rot die, die von ihrer Stimme aufgenommen und zugespielt werden, die Figur Klara singt mit sich selbst. Uff. Und was sind das für Charaktere, Klara und Therese? «Klara ist im Grunde eine reiche Tochter, verwöhnt, brutal, sehr narzisstisch, wirklich das Gegenteil von Therese. Die ist ein Hilfsmädchen im Hotel Occidental, sehr schüchtern, sie erzählt Karl Rossmann ihre ganze Lebensgeschichte. Es ist in­ ter­­es­sant, diese verschiedenen Frauen schauspielerisch herauszuarbeiten.» Mojca Erdmann selbst hat keine der Eigenschaften, die sie da schildert. Sie wirkt alles andere als selbstbezogen, ohne Diva-Allüren, vollkommen arbeits­ orientiert, freundliche warme Stimme. Und wenn sie, im Gegenteil, so zurückhaltend wäre wie Therese, könnte sie schwerlich längst auf eine Bühnenkarriere zurückblicken, die so reich an Wagnissen ist. Denn tintenfrische Partien lebender Komponisten zu gestalten, ist auch dann ein Wagnis, wenn diese Künstler so etabliert sind wie Wolfgang Rihm und Aribert Reimann, die beide – und nicht als einzige – für sie geschrieben haben, von Liedern bis zu ganzen Opern. Rihms Proserpina wurde 2009 in Schwetzingen vor allem des­ wegen ein Erfolg, weil die damals 33-Jährige die Rolle der in einer antikischen Ehe­ hölle gefesselten Heldin mit grandioser Präsenz und Selbstverausgabung realisier­te. Mit der Opernfantasie Dionysos setzten beide 2010 die Zusammenarbeit in Salzburg fort, es wurde die «Uraufführung des Jahres». «Es ist schon toll, wenn man mit den Komponisten sprechen kann», meint sie. «In Dionysos gab es wenige Stellen, wo ich Wolfgang fragte: Kann man hier was ändern? – Ja, schlag mir was vor … wunderbar, machen wir so.» Nun könnte man ja denken, kein Wunder bei einer Sopranistin, die selbst die Tochter eines Komponisten ist, Helmut W. Erdmann aus Emden. «Nein, durch meinen Vater gab es gar nicht so viel Einfluss, betreffend neue Musik. Er ist auch Flötist, und wir mussten immer leise sein, wenn er Flöte übte …» Sie lacht. Wichtiger war, dass sie schon als Sechsjährige bei den Hamburger Alster­ spatzen mitsang, im Kinderchor auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper stand und das Reisen lieben lernte. Der Chor trat in Spanien, Japan, den USA auf, «mit zehn habe ich im Disneyland gesungen. Aber Singen war für mich Spass, ich wollte Geige studieren.» Dann riet ein Musiklehrer der 14-Jährigen wegen ihrer schönen Stimme, sie solle doch mal Unterricht nehmen, und so wurde sie Schülerin der damals


33

27-jährigen Evelyn Herlitzius, die dann eine der grossen dramatischen Sopranistinnen wurde. «Ab da war mir klar, dass die Stimme mein Instrument ist.» Geige studierte Mojca Erdmann aber trotzdem neben dem Gesang, zur Sicherheit. «Ich wusste durch meinen Vater, dass es nicht einfach ist, als Musiker zu überleben. Geige spielte ich auch schon, seit ich sechs war, und wusste, da kann ich als Orchestermusikerin oder Geigenlehrerin mein Geld verdienen. Ich wollte aber weg von zu Hause und habe in Köln vier Semester lang beides studiert.» Wieder Glück: Ihr Gesangsprofessor war Hans Sotin, legendärer Wagner-Bass, der Gurnemanz schlechthin, und er riet der 21-jährigen dringend zu, als sie mitten im Studium nach einem Vorsingen in Berlin das Angebot bekam, ins Ensemble der Komischen Oper zu gehen, mit Intendant und Regisseur Harry Kupfer. «Das war für mich eine unglaublich wichtige Zeit, das Laufenlernen auf der Bühne, zwischen erfahrenen Kollegen. Wie es ist, im Betrieb einzuspringen, nach sechs Stunden Proben noch eine Vorstellung zu singen und dabei die Kräfte einzuteilen.» Von den kleineren Rollen, den Despinas und Ännchens, kam sie zu den grösseren, andere Häuser wurden auf sie aufmerksam. Kent Nagano holte die 29-Jährige als Gast an die Staatsoper, wo er My way of life dirigierte, ein aus Fragmenten des ver­ storbenen Tōru Takemitsu gefügtes Musiktheater, «das war eine Collage, an die mich Amerika ein bisschen erinnert». Danach wagte sie den Sprung ins Freiberufliche – und später den nach Zürich. «Ich wollte nach einer Trennung ein neues Kapitel starten, nach elf Jahren in Berlin, und bin allein hierher gereist und habe eine Woh­ nung ge­sucht, während des Vulkanausbruchs auf Island. Das war unglaublich kom­ pliziert, weil ich auch noch eine Vorstellung in Wien singen musste.» Die Asche­ wolken des Eyjafjallajökull legten bekanntlich den Flugverkehr im April 2010 lahm. Aber es klappte, sie fand eine Wohnung zwei Minuten vom See, «es war eine super Entscheidung». Da sie ausser im Winter täglich im See schwimmt, können auch die sportlichen Anforderungen der Amerika-Inszenierung sie nicht schrecken. Es gibt Kampfszenen, in denen Kopfnüsse und Ohrfeigen genau sitzen müssen, Jiu-Jitsu ist dabei, break dance, «und Bewegungsabläufe Richtung Tai-Chi, es braucht viel Kontrolle, weil es sehr langsame Bewegungen sind, und dann das hohe C zu singen … da sind wir noch dran!» Dazu kommen noch die Finessen des Sprechgesangs. «Es ist spannend, mit Sebastian Baumgarten zu arbeiten, der vom Schauspiel kommt und anders mit Wor­ ten arbeitet. Man kann auch gegen den Text sprechen», Sebastian hatte so einen Bei­spielsatz: «Ich bring dich um!» Sie sagt ihn und lässt die letzte Silbe mal eben in die Höhe hüpfen. Ein irrer Effekt. Fällt es ihr leicht, sich in die Kafka-Figuren einzufühlen? «Ich kann schnell um­ denken und mich nach einer Vorstellung sofort über völlig andere Dinge unterhalten. Natürlich wird man in eine Rolle immer etwas von seinem eigenen Erleben rein­bringen. Das ist dann aber die Rolle und nicht Mojca» – übrigens wird der Name, auf ihre slowenische Mutter zurückgehend, wie «Moiza» ausgesprochen. Welche Rollen sind ihr am nächsten? «Figuren mit einer grösseren Fallhöhe. Ich war nie ein grosser Fan von Zerlina und Despina. Ich mag Bergs Lulu und Vitellia in Mozarts La clemenza di Tito, die an den Rand ihrer Emotionen getrieben werden. In Hamburg habe ich letztes Jahr die Blanche in Poulencs Dialogues des Carmélites gesungen, das war schon sehr, sehr intensiv. Wenn da am Ende während des Chorals eine Nonne nach der anderen geköpft wird, gingen wir mit Tränen in den Augen auf die Bühne, zusammen ins Ende.» Ebenfalls sehr nah ist ihr die Salome, zu der ihr viele rieten. Ein konzer­ tanter Auftritt mit dieser Partie entfiel wegen Corona. Dafür machte sie im Lockdown eine Aufnahme von Arnold Schönbergs Pierrot Lunaire, mit Zubin Mehta am Pult, Daniel und Michael Barenboim und dem Flötisten Emmanuel Pahud. «Eine unglaub­ liche Atmosphäre», sagt Mojca Erdmann. «An den Umgang mit Sprechgesang in Pierrot Lunaire erinnert mich Amerika besonders.» Volker Hagedorn


34 Fragebogen

Paul Curievici Aus welcher Welt kommst du gerade? Meine letzten Projekte waren Lady Macbeth von Mzensk und Elektra, und ich finde es erfrischend, jetzt mal dem gewaltsamen Tod zu entkommen, obwohl Karl Rossmann in Amerika natürlich sehr unangenehme Erfahrun­ gen macht auf seiner Reise. Kannst du in zwei Sätzen beschreiben, was diesem Karl widerfährt? Oh, der arme Karl... Wenn wir ihm be­ gegnen, ist er gerade fortgeschickt worden, um in Amerika sein Glück zu suchen, nachdem seine Eltern ihn rausgeschmissen haben und er von einer viel älteren Haushälterin verführt worden war. Dort gerät er unter den Einfluss von sehr bizarren und nervigen Figuren, als er auf der Suche ist nach einem Ort zum Überleben. Welche Fähigkeiten braucht man, um sich in der Partitur von Roman Haubenstock-Ramati zurechtzufinden? Die Partitur ist nicht schwierig in dem Sinne, in dem viele andere zeitgenössi­ sche Partituren schwierig sind – sie ist rhythmisch nicht sehr komplex oder schwer zu singen. Die Herausforderung ist vielmehr, einen Sinn zu finden in den abstrakten Patterns, die sich von Abend zu Abend auch noch verändern können. Das musikalische Material ist fragmentarisch, beinhaltet aber viele Details. Man braucht ein gutes Gedächt­ nis, Beharrlichkeit und Humor. Wir müssen erfinderisch sein, um einen Weg zu finden. Und wir brauchen Vertrauen in den Dirigenten! Zum Glück haben wir Gabriel Feltz, der das Stück gut kennt und uns die Ruhe bewahrt. Wie ist die Proben-Stimmung? Wir sind wie eine Gruppe von Schul­ kindern, die versucht, ein kompliziertes Puzzle zusammenzusetzen. Eine tolle Truppe, sowohl auf als auch hinter der Bühne; wir sind am Abend erschöpft, haben aber auch viel gelacht.

Wie ist dein Verhältnis zu Franz Kafka und seinen Romanen? Als ich in den 20ern war, habe ich viel Kafka gelesen und liebte seinen selt­ samen Humor und seine visuelle Vor­ stellungskraft. Später habe ich dann mehr von den Figuren verstanden und von der erdrückend sinnlosen Bürokra­ tie, der sie ausgesetzt sind. Kafkas Ein­ fluss ist überall zu spüren – bei Borges, Nabokov und Ionesco, aber auch in den Filmen von David Lynch und Terry Gilliam, dessen Brazil mir immer vor­ kommt wie George Orwell, betrachtet durch einen Kafka-Filter. Wie erholst du dich von den Anstrengungen der zeitgenössischen Musik? Ich finde es gar nicht so anstrengend! Dieses Stück ist eine freudvolle Heraus­ forderung. Wenn ich unterwegs bin, verbringe ich meine freie Zeit gern mit Lesen. Im Moment lese ich gerade Jon Fosses Septologie über einen Künst­ ler, der versucht, sich im Durcheinander seines Gedächtnisses zurechtzufinden, und Red Memory über die Nachwir­kun­ gen der Kulturrevolution in China. Ausserdem gehe ich spazieren, was toll ist in Zürich. Und es gibt immer eine nächste Rolle zu lernen... Welchen überflüssigen Gegenstand in deiner Wohnung liebst du am meisten? Wir haben eine Kiste mit Zeichnungen unserer Kinder, und wir bringen es nicht übers Herz, sie wegzuwerfen. Es ist grossartig, wie fantasievoll diese Bilder sind. Beim Betrachten frage ich mich, was den Kindern wohl durch den Kopf gegangen sein muss, als sie sie gemalt haben.

Paul Curievici hat seine Gesangsausbildung in London absolviert, singt in Produktionen von Barcelona bis Paris und liebt es, sich mit zeitgenössischen Partituren zu beschäftigen. In «Amerika» spielt er die Hauptrolle und steht in nahezu jeder Szene auf der Bühne.


5 NOMINIERUNGEN BESTER FILM · BESTE REGIE · BESTES ADAPTIERTES DREHBUCH BESTER FREMDSPRACHIGER FILM · BESTER TON

«Wuchtig, verstörend und beklemmend.» OUTNOW.CH

«Der wichtigste Beitrag des Festivals von Cannes.» NZZ

«Ein Meisterwerk!» SRF KULTUR

EIN FILM VON

JON AT H A N GL A ZER

MIT

CHRISTIAN FRIEDEL, SANDRA HÜLLER RALPH HERFORTH, MAXIMILIAN BECK

JETZT IN DEN


Tanz in den Abgrund Die Feierlaune will man sich an Bord dieser Luxusjacht nicht verderben lassen, auch wenn die Welt in Flammen steht ... In der Wiederaufnahme von Lehárs «Csárdásfürstin» steht der Schweizer Jungstar unter den Dirigenten am Pult, Lorenzo Viotti. Mit Annette Dasch, Pavol Breslik u.a. Vorstellungen: 10, 13, 17, 23, 30 März, 1 Apr 2024


Wiederaufnahme 37

Fotos: T + T, Toni Suter

Alle Infos zur Produktion


38 Wiederaufnahme

Wenn ein Stern verlischt In ihrem Ballett The Cellist erzählt Cathy Marston die Lebens­geschichte der legendären Cellistin Jacqueline du Pré und stellt deren geradezu sym­ biotische Be­ziehung zu ihrem Instrument in den Mittelpunkt. Vorstellungen: 17, 20, 27 März, 5 Apr, 26, 27 Jun 2024


Fotos: Gregory Batardon

Alle Infos zur Produktion


s e o D l t i v s E Exi t o N

. 4 . 1 1 o D Ab Kino im


Auf dem Pult 41

Amerika Die Pianistin und Korrepetitorin Anna Hauner über ihre Lieblingsstelle in «Amerika» von Roman Haubenstock-­Ramati

In dieser Partitur mag ich die Seiten 232 und 233 ganz besonders. Es ist eine optische Lieblingsstelle und keine klangliche – obwohl das Optische und das Klangliche in diesem Stück ja eng aneinander gekoppelt sind. Die übliche musikalische Grammatik ist Haubenstock-Ramatis Amerika aufgehoben, es sind mehr Klangwelten als Harmonien oder Melodien. Meine Lieblingsstelle ist eine Szene, die am Ende des Stücks spielt, im grossen Naturtheater von Oklahoma. Man hört hier ein reines Streichorchester, das live spielt, sowie zwei parallel dazu erklingende Aufnahmen, die ebenfalls mit Streichorchester sind. Als Korrepetitorin sitze ich in den szenischen Proben am Klavier und ersetze in diesen Proben für die Sängerinnen und Sänger das Orchester. Das ist dieses Mal fast unmöglich, denn die jeweiligen Klangwelten funktionieren nur für die vorgesehenen Instrumente. Daher muss ich am Klavier die Grafik der Partitur mit meiner Fantasie so umsetzen, dass die Sängerinnen und Sänger diese Stelle später wiedererkennen, wenn das Orchester dazukommt. Zu diesem Zweck habe ich mir zwei kleine Bongos und ein kleines Becken organisiert und habe Stifte, mit denen man in die Klaviersaiten fahren oder auf das Holz des Klaviers klopfen kann. Mit Klavierspiel im klassischen Sinne hat das natürlich wenig zu tun. An Haubenstock-Ramatis Partitur fasziniert mich, dass jede Nummer eine andere grafische Gestaltung hat: Rechtecke, Pfeile, Bäuche oder geschwungene Linien – ich finde, dass man sich grundsätzlich sehr gut vorstellen kann, wie das klingen soll. Wir hatten bereits zwei Proben mit dem Orchester, und ich war überrascht, dass sich die Klänge durchaus mit meiner Vorstellung deckten... Kafkas Roman hat bekanntlich kein richtiges Ende, doch das lässt mich nicht mit einer Enttäuschung zurück, sondern macht mich geradezu zufrieden. Diese offene Form widerspiegelt sich auf geniale Weise in Haubenstock-Ramatis Musik. Anna Hauner


Rheingold, reines Gold! Bevor der gesamte «Ring» als Zyklus gezeigt wird, stehen im April zwei Vorstellungen von Richard Wagners «Rheingold» auf dem Spielplan, hierfür gibt es noch Karten! Mit Matthias Klink, Christopher Purves, Tomasz Konieczny, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke u.a. Vorstellungen: 20, 27 Apr; 3, 18 Mai 2024

Fotos: Admill Kuyler

Alle Infos zur Produktion


Wiederaufnahme 43

Foto: Monika Rittershaus

Alle Infos zur Produktion


44 Kalendarium

März 1 Fr Die lustige Witwe 19.00

Operette von Franz Lehár

Zurich Talks Dance 19.00

2

Sa

19.00

Neue Gesprächsreihe Toni Areal

Messa da Requiem

Märchen auf dem Klangteppich Adam und seine Tuba 15.30

Die lustige Witwe 20.00

11 Mo Liederabend Rosa Feola 19.00

12 Di open space tanz 19.00

So

Spiegelsaal

Familienworkshop Messa da Requiem 14.30

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Ballettsaal A

Amerika

19.00 Oper von Roman Haubenstock-Ramati Premiere

5 Di Die lustige Witwe 19.00

Operette von Franz Lehár

open space stimme 19.00

Chor-Workshop, Dienstags

Tanz-Workshop Ausnahmsweise am Dienstag

Die lustige Witwe 19.30

Operette von Franz Lehár

13 Mi Die Csárdásfürstin 19.00

Operette von Emmerich Kálmán

14 Do Die lustige Witwe 19.00

Operette von Franz Lehár

15 Fr Amerika 19.00

Oper von Roman Haubenstock-Ramati

16 Sa overdress! 20.30

Das Kostümfest

17 So The Cellist

6 Mi open space tanz 19.00

Iain Burnside, Klavier

11.15

Operette von Franz Lehár

Requiem von Giuseppe Verdi, Ballett von Christian Spuck

3 Gesprächskonzert Haubenstock-Ramati

Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Studiobühne

14.00

Tanz-Workshop, Mittwochs

Ballett von Cathy Marston AMAG Volksvorstellung

Amerika

Die Csárdásfürstin

20.00

Oper von Roman Haubenstock-Ramati

20.00

19 Di Horizonte

7 Do Die lustige Witwe 19.30

19.00

Operette von Franz Lehár

Operette von Emmerich Kálmán

Choreografien von Shaked Heller, Samantha Lynch und Vittoria Girelli

8

Fr

19.00

Messa da Requiem

2O Mi The Cellist

Requiem von Giuseppe Verdi, Ballett von Christian Spuck

19.00

9 Sa Horizonte 11.00

Choreografien von Shaked Heller, Samantha Lynch und Vittoria Girelli

Märchen auf dem Klangteppich Adam und seine Tuba 15.30

Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Studiobühne

Von Wagners Ring zu Star Wars 19.00

Oper von Roman Haubenstock-Ramati AMAG Volksvorstellung

1O So Die Csárdásfürstin 14.00

Operette von Emmerich Kálmán

ab 16 Jahren Treffpunkt Billettkasse

21 Do The Unanswered Question 19.00

Konzert Ensemble Opera Nova, Studiobühne

22 Fr Messa da Requiem

Amerika 19.00

Ballett von Cathy Marston

19.00

Requiem von Giuseppe Verdi, Ballett von Christian Spuck

23 Sa Ballette entdecken The Cellist 14.30

Workshop für Kinder von 7 bis 12 Jahren Ballettsaal A


Kalendarium 45

Die Csárdásfürstin 19.00

Operette von Emmerich Kálmán

24 So Mendelssohn Dohnányi 11.15

Brunchkonzert, Spiegelsaal

Einführungsmatinee Carmen 11.15

Bernhard Theater

Amerika 14.00

Oper von Roman Haubenstock-Ramati

Messa da Requiem 20.00

Requiem von Giuseppe Verdi, Ballett von Christian Spuck

25 Mo Mendelssohn Dohnányi 12.00

Verkauf: andrekist ler.ch

Lunchkonzert, Spiegelsaal

27 Mi The Cellist

20.00

Ballett von Cathy Marston

Künstler der abstrakten Malerei 16 Gemälde

28 Do Messa da Requiem 19.00

Requiem von Giuseppe Verdi, Ballett von Christian Spuck

3O Sa Die Csárdásfürstin 19.00

Operette von Emmerich Kálmán

April 1 Mo Die Csárdásfürstin 14.00

Operette von Emmerich Kálmán AMAG Volksvorstellung

Messa da Requiem 20.00

Requiem von Giuseppe Verdi, Ballett von Christian Spuck

Familienworkshop Carmen 14.30

Carmen 19.00

Chor-Workshop, Dienstags

8 Mo Hummel Balakirew 12.00

Tanz-Workshop, Mittwochs

1O Mi Carmen 19.00

Ballett von Cathy Marston

12 Fr Carmen 19.00

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

13 Sa Amerika 19.30

14 So Strauss 11.15

Oper von Roman Haubenstock-Ramati

7 So Hummel Balakirew 11.15

Brunchkonzert, Spiegelsaal

Oper von Roman Haubenstock-Ramati

Amerika 19.00

Oper von Georges Bizet

6 Sa Familienworkshop Carmen 14.30

Oper von Georges Bizet

5 Fr The Cellist 19.00

Lunchkonzert, Spiegelsaal

3 Mi open space tanz 19.00

Oper von Georges Bizet Premiere

2 Di open space stimme 19.00

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

6. Philharmonisches Konzert Gianandrea Noseda, Musikalische Leitung

Carmen 19.00

Oper von Georges Bizet


46 Kalendarium

19 Fr Carmen 19.00

Oper von Georges Bizet

Die Walküre 16.00

Oper von Richard Wagner

7 Di Siegfried

2O Sa Das Rheingold 19.00

21 So Einführungsmatinee Atonement 11.15

19.00

8 Mi Beziehungszauber: Die Leitmotive im Ring des Nibelungen

Oper von Georges Bizet

3. La Scintilla Konzert Kristian Bezuidenhout, Musikalische Leitung

24

Mi

19.00

Carmen

Oper von Georges Bizet

19.00

Oper von Richard Wagner

19.30

Brunchkonzert, Spiegelsaal

9 Do Götterdämmerung 16.00

Ballett von Cathy Marston Premiere

11 Sa Carmen 19.00

Lunchkonzert, Spiegelsaal

12 So Atonement 14.00

14.30

Atonement

19.30

15 Mi Carmen

Ballett von Cathy Marston

19.00

3 Fr Das Rheingold Oper von Richard Wagner

19.30

Oper von Georges Bizet

16 Do Hinterm Vorhang mit Harald Schmidt

Oper von Benjamin Britten Premiere, Theater Winterthur

19.00

Hauptbühne Opernhaus

17 Fr

L’Orfeo

A Midsummer Night’s Dream 19.30

19.00

11.15

Bernhard Theater

Oper von Claudio Monteverdi Premiere

A Midsummer Night’s Dream 19.30

5 So Einführungsmatinée L’Orfeo

Oper von Benjamin Britten Theater Winterthur

Hotel Baur au Lac

Carmen

Oper von Georges Bizet

A Midsummer Night’s Dream

4 Sa Richard Wagner im Baur au Lac

Ballett von Cathy Marston

19.00

Ballett von Cathy Marston

14 Di Atonement

1 Mi Atonement

11.15

Oper von Benjamin Britten Theater Winterthur

Mai

18.00

Ballett von Cathy Marston

A Midsummer Night’s Dream

20.00

19.00

Oper von Georges Bizet

29 Mo Bax Elgar 12.00

Oper von Richard Wagner

Atonement 19.00

Oper von Benjamin Britten Theater Winterthur

28 So Bax Elgar 11.15

Spiegelsaal

A Midsummer Night’s Dream

27 Sa Das Rheingold 19.00

Chor-Workshop Dienstags

Mozart 20.00

Oper von Richard Wagner

open space stimme

Bernhard Theater

Carmen 14.00

17.30

Oper von Richard Wagner

Oper von Benjamin Britten Theater Winterthur


Kalendarium 47

n e h c s n ü w Wir harmonische Zeiten

Herzlich willkommen im ERMITAGE Wellness- & Spa-Hotel in Gstaad-Schönried, Ihrem Zuhause für erstklassige Erholung und authentische Gastfreundschaft inmitten der Schweizer Alpen. Treten Sie ein in das Chalet-Wellness-Resort, das mit einem Frei- & Hallen-Solbad, 10 Saunen / Dampfbädern, begleiteten Ausflügen in die Natur (Mo–Fr), einer heimeligen Atmosphäre und einem reichen Angebot an kulturellen Erlebnissen punktet. Wir laden Sie ein, gemeinsam erinnerungswürdige Momente zu schaffen. 3 Übernachtungen inklusive ERMITAGE Kulinarik 1 frischer Fruchtsaft an unserer Juice-Bar 1 aus 3 Anwendungen nach Wahl:  Aromaölmassage à 50 Minuten  Alpienne Harmonie Massage à 50 Minuten  Fussreflexzonenmassage à 50 Minuten Ab CHF 685.– p.P. im Zweibettzimmer Nord. Die Preise variieren nach Saison. Gültig ab 1. April bis 4. Juli 2024 bei Anreise Sonntag, Montag oder Dienstag (exklusive Feiertage). Reservationen: 033 748 04 30 oder welcome@ermitage.ch.

ERMITAGE Wellness- & Spa-Hotel, Dorfstrasse 46, 3778 Gstaad-Schönried, 033 748 04 30, welcome@ermitage.ch, www.ermitage.ch

18 Sa Das Rheingold 19.00

Oper von Richard Wagner

L’Orfeo 19.30

Oper von Claudio Monteverdi

26 So Einführungsmatinée I Vespri siciliani

2O Mo Die Walküre 16.00

Oper von Richard Wagner

11.15

22 Mi L’Orfeo 19.00

Oper von Claudio Monteverdi

imprO-Opera Die Welt der Wagner-Opern 15.30

23 Do Atonement 19.00

Ballett von Cathy Marston

24 Fr Siegfried 17.30

11.15

16.00

imprO-Opera Die Welt der Wagner-Opern 15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Oper von Richard Wagner

Oper von Richard Wagner

Hotel Baur au Lac

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Götterdämmerung

3O Do Atonement

25 Sa Richard Wagner im Baur au Lac

Bernhard Theater

19.30

Ballett von Cathy Marston

31 Fr L’Orfeo 19.00

Oper von Claudio Monteverdi


48 Kalendarium

Juni

Führungen

1 Sa Musikgeschichten Die chinesische Nachtigall 15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Studiobühne

Atonement 19.00

Ballett von Cathy Marston

2 So Atonement 14.00

Ballett von Cathy Marston

Musikgeschichten Die chinesische Nachtigall 15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Studiobühne

L’Orfeo 20.00

Führung Opernhaus 2, 3, 9, 10, 23, 30 März; 6, 7, 13, 14, 20, 21, 28 Apr 2024

Guided Tour Opera House 2, 10, 23, 30 März; 6, 13, 21, 28 Apr 2024

Familienführung Mittwochnachmittags 6, 20, 27 März; 17 Apr 2024

Führung Bühnentechnik 1 März; 5 Apr; 3 Mai; 7 Jun; 5 Jul 2024

Führung Maskenbildnerei 6, 20 Apr; 4, 18 Mai; 15, 29 Jun 2024

Führung Kostümabteilung 5 Apr; 24 Mai 2024

Oper von Claudio Monteverdi

3 Mo Bach 19.30

4. La Scintilla Konzert Riccardo Minasi, Musikalische Leitung und Violine

Tickets für die Führungen sind im Vorverkauf erhältlich

4 Di open space stimme 19.00

Chor-Workshop Dienstags

Unter opernhaus.ch/fuer-alle gibt es Angebote für jeden Geldbeutel

5 Mi Liederabend Piotr Beczała 19.00

Helmut Deutsch Klavier

6 Do L’Orfeo 20.00

Oper von Claudio Monteverdi

7 Fr Atonement 19.00

Ballett von Cathy Marston

8 Sa Musikgeschichten Die chinesische Nachtigall 15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Studiobühne

L’Orfeo 19.00

Oper von Claudio Monteverdi

9 So Mozart 11.15

Brunchkonzert, Spiegelsaal

Musikgeschichten Die chinesische Nachtigall 15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Studiobühne

I vespri siciliani 19.00

Oper von Giuseppe Verdi Premiere

Das Kalendarium mit Preisangaben finden Sie auf der Website


Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­nalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Schwyz.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda Ballettdirektorin Cathy Marston Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Fotografie Florian Kalotay Admill Kuyler Danielle Liniger Michael Sieber Anzeigen Linda Fiasconaro Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann

Partner

Produktionssponsoren

Förderinnen und Förderer

AMAG

Art Mentor Foundation Lucerne

Atto primo

CORAL STUDIO SA

Clariant Foundation

Theodor und Constantin Davidoff Stiftung

Freunde der Oper Zürich

Dr. Samuel Ehrhardt

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG Garmin Switzerland

Projektsponsoren

Elisabeth K. Gates Foundation

René und Susanne Braginsky-Stiftung

Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter,

Freunde des Balletts Zürich

junger Musiker und Musikerinnen

Ernst Göhner Stiftung

Irith Rappaport

Hans Imholz-Stiftung

Luzius R. Sprüngli

Max Kohler Stiftung

Madlen und Thomas von Stockar

Kühne-Stiftung Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung Swiss Life Swiss Re Zürcher Kantonalbank Gönnerinnen und Gönner Josef und Pirkko Ackermann

MAG abonnieren MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Alfons’ Blumenmarkt Familie Thomas Bär Bergos Privatbank Margot Bodmer Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Landis & Gyr Stiftung Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung StockArt – Stiftung für Musik Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Elisabeth Weber-Stiftung


DER SOUND DES OPERNHAUSES


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