MAG 55: Idomeneo

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MAG 55

Joseph Kaiser singt Idomeneo


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Editorial

Sturm und Drang Verehrtes Publikum,

MAG 55/ Januar 2018 Unser Titelbild zeigt Joseph Kaiser, den Titelhelden in unserer «Idomeneo»-­ Premiere. Lesen Sie ein Porträt auf Seite 28. (Foto Florian Kalotay)

zu Mozarts Oper Idomeneo hat das Opernhaus Zürich eine ganz besondere Beziehung. Es war 1980, als der Dirigent Nikolaus Harnoncourt und der Regisseur Jean-Pierre Ponnelle eine folgenreiche Produktion von Idomeneo auf der Bühne unseres Hauses präsentierten. Bis dahin war die Oper als das Nebenwerk eines berühmten Komponisten in den Spielplänen der Opernhäuser vernachlässigt worden. Harnoncourts atemberaubend dramatische Interpretation aber liess deutlich werden, was für ein Geniestreich Mozart mit dieser Oper gelungen ist. Man vernahm, welche musikalischen Urgewalten in der Sturmszene entfesselt werden und wie tief die Musik den Figuren in die Seele blickt. Plötzlich war der Idomeneo keine konventionelle Hofoper mehr, kein dramma per musica im steifen Faltenwurf einer antiken Tragödie, sondern eine packende Sturm-und-Drang-Oper, womöglich das wildeste Bühnenwerk Mozarts überhaupt. Zürich markiert gleichsam den Urknall für die Neubewertung und Wieder­ entdeckung von Idomeneo. Nicht nur das: Harnoncourts Zürcher Idomeneo war ein starker, wenn nicht entscheidender Impuls für die Entwicklungen der sogenannten historischen Aufführungspraxis, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Stil der musikalischen Interpretationen im Repertoire des 17. und 18. Jahrhunderts grundlegend verändert hat. Harnoncourt hatte zuvor (ebenfalls mit Ponnelle als Regisseur) den vielbeachte­ ten Monteverdi-Zyklus in Zürich realisiert, und mit Idomeneo machte er sich nun daran, auch das Mozart-Repertoire mit damals revolutionär neuen stilistischen Überlegungen zu befeuern. Es gibt eine CD-Aufnahme der Zürcher Idomeneo-Produktion, auf der man nachhören kann, mit welcher fanatischen Leidenschaft für eine «sprechende» Artikulation er dem Werk begegnet. Harnoncourt etabliert einen Opernton, geführt wie auf des Messers Schneide, der ganze Musikergenerationen nachhaltig beeinflusste. Der Dirigent Simon Rattle etwa sagt, es sei genau diese Harnoncourtsche Idomeneo-CD gewesen, die seinen Blick auf Mozart radikal verändert habe. Von Karl Böhm und dem damals noch geschätzten apollinischen Mozart-Interpretationsstil habe er nach dem Hören der Aufnahme nichts mehr wissen wollen. Wenn es also eine Mozart-Oper jenseits von Figaro und Don Giovanni gibt, die auf die Bühne des Zürcher Opernhauses gehört, dann ist es Idomeneo, der am 4. Feb­ ruar in einer Neuproduktion Premiere hat. Mit dem Italiener Giovanni Antonini wird ein Dirigent am Pult stehen, der die stilistischen Erkenntnisse der historisch informier­ ten Aufführungspraxis ins 21. Jahrhundert überführt. Er kann seine musikalischen Ideen mit dem auf Originalinstrumenten spielenden Spezialensemble des Opern­hauses, dem Orchestra La Scintilla, realisieren, das sich nicht zuletzt in Folge der Harnoncourtschen Mozart-Erfolge von einst gründete. Eine hochkarätige und stilkompetente Sängerbesetzung von Joseph Kaiser als Idomeneo bis Hanna-Elisabeth Müller als Ilia, von Anna Stéphany als Idamante bis Guanqun Yu als Elettra schickt sich an, den Mozartschen Seelenregungen auf den Grund zu gehen. Und wie es sich für die Sturmund-Drang-Oper eines 24-jährigen feuerköpfigen Komponisten gehört, haben wir mit der Holländerin Jetske Mijnssen eine temperamentsprühende, junge und doch erfahrene Regisseurin mit der Inszenierung betraut. Es ist alles bereit für eine weitere, abenteuerliche Idomeneo-Entdeckungsreise am Opernhaus Zürich. Claus Spahn

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Oper Ballett Konzerte Liederabende Oper für alle

BAYERISCHE STAATSOPER 24. JUNI – 31. JULI 2018 MUNCHNER OPERNFESTSPIELE RICHARD WAGNER PARSIFAL DO, 28.6.2018 KIRILL PETRENKO PIERRE AUDI FESTSPIELPREMIERE JOSEPH HAYDN ORLANDO PALADINO MO, 23.7.2018 IVOR BOLTON AXEL RANISCH FESTSPIELPREMIERE Karten / Infos www.staatsoper.de / tickets@staatsoper.de T +49.(0)89.21 85 19 20

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Inhalt

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A m 4. Februar hat Mozarts Oper «Idomeneo» Premiere. Kathrin Brunner untersucht die tiefgreifenden Ver­ änderungen im Leben der Figuren im Stück sowie im Leben Mozarts D ie Regisseurin Jetske Mijnssen führt Regie im neuen «Idomeneo». Ein Gespräch über be­rührende Musik, tiefe Seelenwunden und die Modernität von Mozarts Figuren

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M it Christian Spucks «Nussknacker und Mausekönig» war das Ballett Zürich zu Gast am Bolschoitheater in Moskau. Michael Küster berichtet von der Reise in die Hochburg des klassischen Balletts Edita Gruberova feiert ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Wir blicken zurück auf die wichtigsten Stationen ihrer Weltkarriere

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 7 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9 Die geniale Stelle – 26 Volker Hagedorn trifft … – 28 Meine Rolle – 40 Der Fragebogen – 42 Kalendarium und Serviceteil – 43 Auf dem Nachhauseweg – 48

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Blindtext

Ein haariges Problem Was passiert, wenn der Bariton eine prachtvoll rückenlange Mähne hat, die Regisseurin sich aber eine Kurzhaarfrisur für ihre Figur wünscht? Dann reiben sich unsere Masken­bildnerInnen die Hände, nehmen Gel, Netz und Kleber zur Hand – und schon ist die Haarpracht unter einer Perücke versteckt. So erging es unserem IOS-Mitglied Cody Quattlebaum in der Kammeroper «Der Traum von Dir». Er weiss nun: Mit kurzen Haaren sähe er auch gut aus.

Foto: XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

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Fotos: Florian Kalotay


Opernhaus aktuell

Ballett

«Un Ballo»

Für zwei Vorstellungen und in teilweise ganz neuer Be­setzung kehrt Un Ballo, der begeistert gefeierte Abend des Junior Balletts aus der vorigen Saison, in den Spielplan zurück. Jiří Kyliáns Cho­reo­grafie zu Musik von Maurice Ravel setzt ganz auf die Musikalität und Sensibili­tät der vier beteiligten Paare. Während Filipe Portugal in Behind the Mirror zum 2. Satz aus Dmitri Schos­­­ takowitschs Erstem Klavier­konzert einen ausdrucksstarken Pas de deux tanzen lässt, konfrontiert Benoît Favre die Juniortänzer in seinem Stück Disrupted mit Jazzklängen des Schweizer Gitar­ risten Joel Gilardini. Grotesker Humor und emo­tionale Tiefe vereinen sich in der energiesprühenden Choreografie Maraschino Cherries von Cayetano Soto.

Ballettgespräch

Wiederaufnahme

Dirigent Paul Connelly im Gespräch

«Parsifal»

Den Alltag eines Ballettdirigenten be­ leuchtet dieses Ballettgespräch. Paul Connelly leitet beim Ballett Zürich viele Aufführungen der grossen Hand­ lungsballette. So stand er u. a. bei Anna Karenina sowie Nussknacker und Mau­se­könig am Pult der Philharmonia Zürich, begleitet die Zürcher Tän­ze­­ rinnen und Tänzer aber auch auf ihren Gastspielen wie jüngst ans Moskauer Bolschoi­theater. Darüber hinaus ist er ein gefragter Gast bei zahlreichen in­ter­ national renommierten Ballettcom­ pagnien. Dramaturg Michael Küster und Ballett­direktor Christian Spuck spre­ chen mit dem charismatischen Künstler. Sonntag, 4 Feb 2018, 11.15 Uhr Studiobühne

Brunch-/Lunchkonzerte

Die Orchester-Akademie stellt sich vor

Wiederaufnahme 11 Feb 2018 Weitere Vorstellung 6 März 2018

Ironie, eine Prise «Savoir vivre» und der Zeitgeist der Zwanziger sind in Bo­ huslav Martinůs La revue de cuisine für sechs Instrumente zu einem typisch französischen Gericht zusam­men­­­ge­rührt. Zusammen mit dem Sextett Mládí, in dem der 70-jährige Leoš Janáček Jugenderinnerungen verarbeitete, und dem Streichquintett op. 26 des fran­ zösischen Romantikers George Onslow steht Martinůs kulinarische Suite auf dem Programm des nächsten Brunch- und Lunchkonzerts. Mit den drei Werken präsentieren sich die Mitglieder unserer Orchester-Akademie. Brunchkonzert: So, 25 Feb, 11.15 Uhr Lunchkonzert: Mo, 26 Feb, 12 Uhr Spiegelsaal

Für Richard Wagners Bühnenweihfest­ spiel Parsifal kehrt eine der be­deu­ tendsten Wagner-Sängerinnen der Ge­ genwart nach Zürich zurück: Die schwedische Sopranistin Nina Stemme wird für ihre Wagner-Interpretationen an den grossen Opernhäusern der Welt gefeiert. Die Titelrolle singt Brandon Jovanovich, der sich bereits als Lohengrin und Walther von der Vogelweide in den Meistersingern im Wagnerfach etabliert hat und nun in Zürich sein Rollendebüt als Parsifal gibt. Am Pult der Philharmonia Zürich steht die australische Dirigentin Simone Young, die in der Saison 2014/15 am Opernhaus Zürich bereits Wagners Lohengrin dirigierte. Die Inszenierung von Claus Guth gehört laut der Neuen Zürcher Zeitung «zum Bewegendsten, was zu Parsifal in den letzten Jahren gesagt worden ist». Guth und sein Bühnen- und Kostümbildner Christian Schmidt deuten das Stück in ihrer Inszenierung aus dem Jahr 2011 aus seiner Ent­ stehungszeit heraus. Die Suche der Grals­ritter nach einer Erlöserfigur wird in Beziehung gesetzt zur Orientierungs­ losigkeit und Sinnsuche in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und re­ flektiert schliesslich die Ereignisse, die 1933 zur sogenannten Machtergreifung in Deutschland führten. Wiederaufnahme 25 Feb 2018 Weitere Vorstellungen 3, 7, 11 März 2018

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Gestiegene Zuschauerzahlen Herr Homoki, der Geschäftsbericht für die Spiel­zeit 2016/17 ist erschie­ nen. Gleichzeitig sind die ersten fünf Jahre Ihrer Intendanz am Opernhaus vorbei. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Zunächst bin ich sehr glücklich, dass wir einen sehr guten Geschäftsbericht vorlegen konnten. Nach fünf Jahren ist zudem ein guter Moment, kurz inne­ zuhalten und sich zu fragen: Was haben wir erreicht bisher? Ich finde, wir sind sowohl künstlerisch als auch finan­ ziell sehr gut unterwegs. Beides ist wichtig, und beides bedingt sich gegen­ seitig. Künstlerisch haben wir be­ stimm­te Schwerpunkte gesetzt. Einer­ seits ging es darum, das Kernrepertoire zu pflegen und zu erneuern, zum Bei­spiel, indem wir jede Saison eine Verdi-­Oper neu herausbringen. Im Be­ reich der Barock­oper haben wir ver­ sucht, interessante Raritäten wie Médée von Charpentier oder La verità in cimento von Vivaldi auf die Bühne zu bringen. Daneben ist uns die Moderne ein besonderes Anliegen, da fand ich Zimmermanns Soldaten eine sehr ge­lun­ gene Produktion, aber auch Wolfgang Rihms Hamlet­maschine. Auch die Familienoper hat für uns einen hohen Stellenwert. Mir persönlich ist die Qualität jeder einzelnen Aufführung wichtig, und zwar nicht nur in der Premierensaison, sondern auch dann, wenn das Stück in einer späteren Saison wiederaufgenommen wird. Das durch­ gängig sehr hohe Niveau unserer Auf­ füh­r ungen bildet das Fundament unseres Hauses, auf dem es dann auch die Möglichkeit zu künstlerischem Risiko gibt. Insgesamt haben wir in den ersten fünf Jahren meiner Intendanz 46 Opern auf der Hauptbühne neu produziert, davon fünf Familienopern. 1.2 Millionen Menschen besuchten unsere Auffüh­ rungen auf der Hauptbühne, zusätzlich erreichten wir 230 000 Be­sucherinnen und Besucher mit Angeboten für Kinder und Schulen, Führungen, Oper für alle, dem Opernball und unserem nach wie vor sehr beliebten Eröffnungsfest.

Und wie fällt die Bilanz der vergange­ nen Spielzeit aus? Was uns vor allem gefreut hat, sind die stark gestiegenen Zuschauerzahlen. Auf der Hauptbühne haben wir eine Gesamtauslastung von 85.1 Prozent er­ reicht, das sind 1.7 Prozent mehr als in der Spielzeit zuvor. An dieser er­ freulichen Entwicklung hat die Sparte Ballett mit einer Auslastung von 89.8 Prozent einen grossen Anteil. Am meisten Zuspruch erhielt unsere Kopro­ duktion von Oper und Ballett, Verdis Requiem in der Regie und Choreografie von Christian Spuck, das allerdings statistisch zur Oper gerechnet wurde – sonst wäre die Auslastung des Balletts sogar bei über 90 Prozent. Christian Spucks Compagnie verzeichnet einen Erfolg nach dem anderen, tanzt Zu­ satzvor­stellungen und erhält tolle Gast­ spiel­einladungen aus der ganzen Welt, darüber freuen wir uns natürlich sehr. Aber der Gewinn ging ja laut Ge­ schäfts­bericht um 50 Prozent zurück – wie kann das sein? In dieser Zahl kommt zum Ausdruck, dass wir in der Saison 2016/17 zum ersten Mal den vollen Effekt der Sub­ ven­tionskürzung von 2 Prozent und die höheren Sparbeiträge an die Pensions­ kasse spüren. Damit fehlen uns fast 3 Millionen im Budget. Das zeigt, dass unsere finanziellen Spielräume deutlich geringer ge­worden sind. Unser Be­ streben ist es, das aus eigener Kraft aufzufangen, ohne in der künstlerischen Qualität Abstriche machen zu müssen. In der letzten Spielzeit sind Einnahmen und Ausgaben mit einem leichten Plus nahezu auf­gegangen. Tatsächlichen Gewinn sollen wir ja auch gar nicht er­ wirtschaften – eine solche Punktlan­ dung reicht also völlig. Aber man muss natürlich auch damit rechnen, dass es einmal nicht so gut läuft mit den Zu­schauerzahlen oder den Sponsoren­­ einnahmen. Und da ist es wichtig, finan­zielle Reserven und Spielräume zu haben.

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Philharmonia Zürich

Faszination Lenau Der Komponist, Dirigent und Oboist Heinz Holliger und der Bariton Christian Gerhaher sind im Februar in Porträtkonzerten auf unserer Studiobühne zu erleben Die Uraufführung von Heinz Holligers neuem Musiktheaterwerk Lunea wirft ihre Schatten voraus. Bevor sie am 4. März über die Bühne des Opernhauses geht, sind zwei zentrale Künstler der Produktion in Konzerten zu erleben: Am 17. Feb­r uar spielt das (aus Mitgliedern der Philharmo­ nia Zürich bestehende) Ensemble Opera nova Kompositionen von Heinz Holliger sowie Werke von Sándor Veress, György Ligeti und György Kurtág – allesamt Komponisten, die für Holligers Schaffen von Bedeutung sind. Holliger selbst wird das Konzert auf der Studiobühne des Opernhauses leiten und auch als Oboist zu hören sein.

In einem weiteren Studiobühnen-Kon­ zert stellt sich der weltberühmte Bariton Christian Gerhaher dem Publikum vor. Gerhaher verkörpert die Hauptrolle in Holligers neuer Oper, die von der faszi­ nie­renden romantischen Dichterpersön­ lichkeit Nikolaus Lenau handelt. Begleitet von seinem bewährten Klavierpartner Gerold Huber singt er am 7. Februar Robert Schu­ manns Lieder op. 90 auf Gedichte von Nikolaus Lenau und gibt anschlies­send im Gespräch mit dem Chef­ dramaturgen Claus Spahn Auskunft über seine künstlerische Arbeit.

Foto: Priska Ketterer

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Illustration: Anita Allemann

Es qualmt aus dem Rücken Speak for Yourself, das erste Stück in unserem aktuellen zweiteiligen Ballettabend Emergence, beginnt mit einem sehr starken Bild: Aus der völligen Dunkelheit tritt ein Tänzer hervor und raucht. Nicht mit einer Zigarette im Mund – nein, der Tänzer selbst ist es, der qualmt. Verweilt er an einem Ort, hüllt ihn der Rauch ein, scheint ihm den Atem zu nehmen. Versucht er dem Rauch zu entkommen, so zieht er eine Rauchfahne hinter sich her, die ihn unerbittlich einholt. Im Laufe der ersten Minuten füllt der Tänzer fast die ganze Bühne mit Rauch. Wobei es sich korrekterweise nicht um Rauch (aus Partikeln wie z.B. Russ), sondern um Nebel (aus kleinen Tröpfchen) handelt, der noch dazu gesundheitlich so unbedenklich ist wie der für diese Jahreszeit typische Zürcher Hochnebel. Erzeugt wird dieser Nebel in einer kleinen Nebelmaschine. Erstaunlicherweise genügt diese Erklärung den meisten, dabei wissen selbst im Theater- und Eventbereich sehr wenige Menschen genau, wie der Nebel erzeugt wird und woraus er besteht. Diesen werden Sie am Ende dieser Kolumne einiges voraus haben: In einer Nebelmaschine wird eine Flüssigkeit aus einem Tank gepumpt und in einem Heizelement zum Verdampfen gebracht. Der Dampf einer Flüssigkeit benötigt immer mehr Platz als die Flüssigkeit – deswegen entsteht beim Verdampfen ein Druck, der den Nebel aus dem Heizelement in die Umgebungsluft drückt. Dies hört man (leider) meistens: Es zischelt … Grundsätzlich kann man einfach nur Wasser verdampfen: Doch dann löst der Dampf sich schnell auf, die Maschine verkalkt und alles wird feucht. Damit sich der Nebel nicht so schnell auflöst, hat die Unterhaltungsindustrie seit den alten Griechen einiges ausprobiert und sehr gute Erfahrungen mit dem Stoff Glykol – genauer 1.2-Propandiol – gemacht. Dieser Stoff wird seit über hundert Jahren verwendet, be­ findet sich zum Beispiel in Zahnpasta, Kaugummis, Cremes etc., ist dementsprechend unbedenklich und hat unter anderem die Eigenschaft, beim Verdampfen Wasserteil­ chen anzuziehen. Wenn nun ein Gemisch aus Wasser und 1.2-Propandiol zusammen verdampft, hindert Letzteres das Wasser am Verdunsten und sorgt noch zusätzlich dazu, dass sich das Licht stärker an den Tröpfchen bricht: Der Nebel wird dichter und bleibt länger in der Luft. Will man ganz zähen Nebel erzeugen, so kann man auch nur die Chemikalie verdampfen, denn sie selbst verdunstet sehr viel langsamer als Wasser. Das Wasser wird übrigens vor der Verwendung demineralisiert, dadurch gibt es keine Rückstände in der Nebelmaschine. Ein mit der Maschine erzeugter Nebel steigt in der Regel auf, da dieser durch das Erhitzen wärmer ist als die Luft. Erst wenn er sich abgekühlt hat, bewegt er sich mit der Umgebungsluft zusammen – oder wird von unserem Tänzer bewegt, an dessen Rücken, versteckt unter dem Kostüm, unsere Requisite die Nebel­ maschine befestigt hat. Diese Nebelmaschine hat auf kleinstem Raum einen Tank, in dem sich das «Fluid» – das Gemisch aus Wasser und 1.2-Propandiol – befindet, sowie eine kleine Pumpe, einen Akku, einen Verdampfer und eine Funkfernbedienung zum Auslösen des Nebels. Nicht jeder Nebel wird übrigens mit einer solchen Maschine und mit Fluid hergestellt: Möchten wir Nebel nur am Boden haben oder einen Dunst im ganzen Raum, so wird dieser anders erzeugt. Wenn wir einen spektakulären Einsatz damit haben, ist ein Bericht darüber an dieser Stelle sicher. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Aufbruch zu neuen Ufern In Mozarts grandioser Oper «Idomeneo» stehen alle Figuren auf der Schwelle zu einer neuen Existenz. Tiefgreifende Konflikte machen grosse Lebensveränderungen notwendig. Das gilt aber nicht nur für die Figuren der Oper, sondern auch für den Komponisten: Nach der Uraufführung von «Idomeneo» krempelt Mozart sein Leben völlig um Essay Kathrin Brunner


Foto: Mohammed Abed / AFP


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alzburg, Mai 1780, Fronleichnamstag: … den 25ten um halb acht uhr zum Hagenauer die Pferde scheissen zu sehen», schreibt der 24 -jährige Mozart, und seine Schwester Nannerl ergänzt im gemeinsam geführten Tagebuch, ihr Bruder habe an jenem Tag einen zinnernen Kerzenleuchter aus dem Fenster auf die Fronleichnamsprozession herabgestossen. Nebst Einträgen zu Tarockspiel, Kegeln, Messbesuchen und geselligen Anlässen finden sich aus Mozarts Hand in jener Salzburger-Zeit vor allem Tagebucheinträge zum Salzburger Wetter: « … das abscheulichste Wetter, nichts als giess, giess, giess et caetera …». Mozart langweilt sich ganz offensichtlich in Salzburg. Nur widerwillig ist er dorthin nach seiner Paris-Reise und seinem Aufenthalt in Mannheim zurückgekehrt. Die Stadt ist ihm verhasst, «kein Ort für mein Talent». Die Festanstellung als Hoforganist beim Fürsterzbischof Colloredo, die er seit 1779 hat, erfüllt ihn nicht. Für seinen Dienstherrn muss Mozart zumeist Kirchenmusik schreiben, Kirchensonaten etwa, die nicht länger als drei Minuten dauern dürfen, wenn sie für Gottesdienste bestellt wurden. Mozart, der sich zeitlebens zur Oper hingezogen fühlt, fehlt das Theater, und von Salzburg kann er diesbezüglich nichts erhoffen: Opernaufträge kommen aus anderen Städten, von anderen Fürstenhöfen. Sogar sein Vater Leopold, der ihn nur mit Mühe wieder nach Salzburg hat locken können und die Anstellung als Hoforganist für eine solide Basis hält, erkennt, dass die Heimatstadt für die künstlerische Weiterentwicklung des Sohnes nicht förderlich ist. Dann, endlich, die Erlösung: Im Sommer 1780 trifft aus München der Auftrag ein, eine neue Festoper für den nächsten Karneval zu schreiben. Es war Leopold Mozart, der den Opernauftrag von langer Hand eingefädelt hatte, bei dem nebst zahlreichen Musikerfreunden sogar die Mätresse des in München regierenden Kurfürsten involviert war. Mozart kommt am 5. November 1780 mit der bereits begonnenen Partitur in München an. Jetzt komponiert er wie in Trance. Das Orchester, durchsetzt mit Musikern aus der legendären Mannheimer

Hofkapelle, gehört zu den besten der da­maligen Zeit und versetzt Mozart in Hochstimmung. In den Briefen an den Vater zeigt er sich so konzentriert und reif wie nie zuvor. Später wird er die Zeit, in der die Oper Idomeneo entstand, als die glücklichste in seinem Leben bezeichnen.

Mozart schlägt ein neues Kapitel in seinem Leben auf Idomeneo gilt als entscheidendes Werk des Übergangs im musiktheatralischen Schaffen des 24 -jährigen Komponisten, als «Schwellenwerk» im besten Sinne, das ei­ nem musikalischen Urknall gleichkommt und die Schleusen für sechs weitere Meisteropern öffnet: Die Entführung aus dem Serail, Le nozze di Figaro, Don Giovanni, Così fan tutte, Die Zauberflöte und La clemenza di Tito. Und auch in biografischer Hinsicht bereitet die Zeit des Idomeneo gravierende Veränderungen vor: Kaum ist die Oper vollendet, schlägt Mozart ein neues Kapitel in seinem Leben auf. «Ich will nichts mehr von Salzburg wissen – ich hasse den Erzbischof bis zur Raserei», schreibt er seinem Vater aus Wien, wo er inzwischen mit seinem Dienst­herrn Colloredo weilt. Nun geht Mozart seine Karriere aktiv an. Er provoziert mehrere Zwischenfälle mit Colloredo, lässt Fristen zur Abreise nach Salzburg verstreichen. Obwohl der berühmte «Fusstritt» des Grafen Arco, mit dem der Fürsterzbischof Colloredo Mozart angeblich vor die Tür hat setzen lassen, wohl nie stattgefunden hat und es eine offizielle Kündigung nie gab, löst sich Mozart im Juni 1781 endgültig aus dem ungeliebten Dienstverhältnis. Er ergreift die Gelegenheit, sich in der Musikmetropole Wien niederzulassen, heiratet Constanze Weber und wird einer der ersten freischaffenden Künstler der Epoche. Vater Leopold, der stets auf die Sicherheit seines Sohnes bedacht ist, heisst keinen einzigen dieser Schritte gut und versucht von Salzburg aus alles, um sie zu verhindern. Doch sein Einfluss auf den Sohn ist geschwunden. Die Komposition des Idomeneo hat eine neue Dynamik in Mozarts Leben und seiner künstlerischen Arbeit ausgelöst. Der Vorschlag aus Mün-


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chen, ausgerechnet den Stoff des Idomeneo zu vertonen, hätte zu diesem Zeitpunkt nicht passender sein können. Neben der dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung, die in diesem Stoff thematisiert wird, ist die lebensverändernde Thematik, die Mozart während der Entstehungszeit des Werkes so beschäftigt haben muss, auch im Stück allgegenwärtig: Sämtliche Hauptfiguren stehen vor gravierenden Umwälzungen in ihrem Leben, an der Schwelle zu einer neuen Existenz. Mozart und sein Librettist Varesco beleuchten in Idomeneo den Moment vor einem möglichen Neuanfang.

Die Figuren in «Idomeneo» befinden sich in der Schwebe Zunächst einmal sind die Figuren vor Beginn der Handlung Schutzbedürftige und Errettete. Sie haben Schutz vor Sturm, Wind, Meer, Krieg und Familienfehde gefunden, auf Kreta, einer Insel im Meer, die als Ort Schwellencharakter für alle auf ihr lebenden Menschen besitzt. Ilia und Idomeneo haben beide den Trojanischen Krieg und einen Meeressturm überlebt. Elettra, die Schwester des Orest, ist vor den Bluttaten ihrer Familie von Argos nach Kreta geflohen und lebt nun im Exil. Nur der junge Prinz Idamante ist in einer heilen, geschützten Welt aufgewachsen. Aber auch er wird sich im Laufe der Oper seiner Verletzbarkeit und Gefährdung als Individuum bewusst. Es lohnt sich an dieser Stelle, auf den Begriff der «Schwelle» etwas näher einzugehen. Eine Vorliebe für «Schwellen», für Türschwellen, aber genauso für die abstrakte Vorstellung davon, findet sich beim österreichischen Schriftsteller Peter Handke. Handke empfindet die Schwelle nie als blosse Grenze, sondern als eine eigene Zone, die der Sphäre der Zwischen­ räume angehört, und die er manchmal auch als Durchlass bezeichnet. Immer wieder erkundet Handke in seinem Werk die Schwellenerfahrungen des Lebens, die für ihn letztendlich ganz besondere Kraft­ orte darstellen. Eine besonders prominen­te Rolle nimmt die Schwellen­meta­ phorik in seiner Mordgeschichte Der Chinese des Schmerzes (1983) ein. Die

«Schwelle», so heisst es dort, sei «ein eigener Ort, der Prüfung oder des Schutzes». Der Ich-Erzähler, ein Salzburger Lehrer für alte Sprachen, berichtet: «Seit kurzem unterrichte ich jedoch nicht mehr. Bin ich entlassen, oder beurlaubt, oder krankgeschrieben, oder vorübergehend von meinem Beruf freigestellt? Ich weiss nur: für meinen gegenwärtigen Stand gibt es noch keinen Fachausdruck. Es ist alles in der Schwebe.» Wie bei Handke beschrieben, befinden sich auch Mozarts Figuren nach ihrer Rettung in der Schwebe, in einer Situation des «Dazwischen», in Zuständen des «Nicht-Mehr» und «Noch-Nicht». Sie sind in eine Gegenwart hineingeworfen, die sie für sich zunächst noch nicht annehmen können. Der Kreterkönig Idomeneo hat den Krieg zwar überlebt und auch die Rückreise überstanden. Doch er ist durch ein verhängnisvolles Gelübde, das er gegenüber dem Meeresgott Neptun abgelegt hat, um sein eigenes Leben zu retten, in einen Krieg mit sich selbst geraten: Er soll den ersten Menschen opfern, der ihm in der Heimat begegnet – es ist sein Sohn Idamante. Idamante wiederum, der zehn Jahre lang vaterlos war, findet zwar seinen Vater wieder, wird von ihm jedoch abgewiesen. Ilia ist eine Kriegsgefangene und hat ihre Familie verloren. Sie sollte die Feinde aus Loyalität ihrem Volk gegenüber hassen, empfindet jedoch für Idamante, der sie aus einem Meeressturm gerettet hat, erste Liebesgefühle. Elettra hat Idamante gegenüber Besitzansprüche, die sie mit Liebe gleichsetzt, muss aber immer wieder erfahren, dass sie von ihm abgelehnt wird.

Mozart zeigt den Menschen als «homo dolorosus» Die Figuren schwanken hin und her zwischen Macht- und Ohnmachtsgefühlen (Idomeneo), zwischen Hoffnung und Verzweiflung (Idamante, Elettra), Trauer, Hass und Liebe (Ilia). Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes «uneins» mit sich selbst und in einem ständigen inneren Konflikt. Sie leiden an ihren Gefühls­ ambivalenzen, empfinden «Schmerzen» – ein Begriff, der etymologisch auf den


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Stamm (s)mer-d- zurückzuführen ist und soviel wie «aufreiben», «zerdrücken» oder «zermalmen» bedeutet. Tatsächlich ist «O duol!» (O Schmerz!) ein Ausruf, der in Idomeneo auffallend oft vorkommt und von Mozart musikalisch besonders stark emotional aufgeladen wird. Es ist der (negative) Energiepunkt, um den im Li­ bretto Synonyme wie «dolor», «sven­tu­re», «tormenti», «misero core» oder «pena» an­gesiedelt sind. In Mozarts Partitur findet sich diesbezüglich ein immenses Ar­ senal an musikalischer Schmerzrhetorik: Schluchzermotive, ins Unendliche gedehnte, chromatische Linien, harmonische Dissonanzen, Liegetöne, die so gedehnt werden, dass sie zu zerreissen drohen, Koloraturen, die sich wie Fieber­schübe anhören und ein durchgehend unregelmässiges musikalisches Metrum, das Puls und Herzschlag der Figuren gefährlich beschleunigt oder ins Stocken bringt. Die Oper beginnt mit Ilia. Ganz ohne Orchesterbegleitung, wie in die Windstille hinein, stellt sie eine Frage in den Raum: «Quando avran fine omai l’aspre sventure mie?» (Wenn werden meine bitteren Leiden jemals enden?) Es sind Worte, die wie ein Theorem über dem gesamten Werk schweben. Mozart lässt von Beginn an keinen Zweifel aufkommen: im Zentrum des Idomeneo steht der Mensch in seiner ganzen Schwäche, der «homo dolorosus». Mozart dringt tief in das Innere seiner Figuren ein, er beschreibt gleichsam den Zustand ihrer Organe, Muskeln und Nerven – und findet Verletzungen vor. Es überrascht, wie schonungslos er dabei vorgeht, denn die Figuren sind in ihrer Hilflosigkeit und Verzweiflung ganz auf sich selbst zurückgeworfen. Nur selten spendet die Musik Trost und Halt, speit vielmehr das Dunkle, Abgründige, emo­ tio­nal Unangenehme als glühende Magmamasse an die Oberfläche. Mozarts Operation am Menschen ist ein gefährliches Unterfangen, das die Protagonisten zu Grenzgängern macht und sie immer wieder in Extremsituationen führt. Und dennoch ist es vielleicht gerade das Gefühl des Schmerzes und des Leids, das einen das Menschsein besonders intensiv spüren lässt und ein Grund dafür sein mag, warum die Oper Idomeneo ganz besonders berührt. Die Erfahrung des

Schmerzes gehört zu einer der intensivsten Lebensäusserungen – eine Erfahrung zudem, die durchaus auch ein vitales Lebenszeichen sein kann, denkt man etwa an den Moment der Geburt. Die Verbindung, die Text und Musik dabei eingehen können, um die Seelennöte der Protagonisten zu schildern, führt jedenfalls in Regionen, die eine rein sprachliche Beschreibung des Schmerzes weit hinter sich lässt. Mozarts drastische Darstellungsweise findet ihren Höhepunkt im archaischen Moment der Sohnesopferung. Idomeneo ist überzeugt, dass er seinen Sohn tatsächlich opfern muss. Selbst Idamante erscheint die Aufopferung für den Vater als Lösung, den eigenen Schmerz zu überwinden. Doch genau in diesem prekären Moment ist eine Figur fähig, einzuschreiten und den sprichwörtlichen Schritt über die Schwelle zu tun: Ilia, die Fremde des Landes, die Trauer und Hass hinter sich gelassen und die Liebe wiedergefunden hat. Eine Stimme («La Voce») verkündet sogleich die neuen Zustände: Idamante wird der neue Herrscher, Idomeneo tritt als König ab, Idamante und Ilia heiraten. Ein Hochzeitschor und eine feierliche, rund fünfzehnminütige instrumentale Musik, die Mozart für das Münchner Ballett geschrieben hat, besiegeln die neuen Verhältnisse.

Lebensschwellen erweisen sich als Kraftorte Damit vollzieht Mozart in Idomeneo ziemlich genau jene Abfolgeordnung, die der Ethnologe Arnold van Gennep in seinem Buch Les rites de passage (Übergangsriten) beschrieben hat: Das gesamte soziale Leben, so sein Ansatz, sei einem steten Wandel ausgesetzt, einem Wandel, dem immer auch Gefahren innewohnen. Daher würden diese Grenzüberschreitungen in vielen Gesellschaften rituell begleitet. Anhand von Initiationsriten indigener Naturvölker isolierte Van Gennep eine Dreiphasenstruktur, wie sie eben auch in Idomeneo zu erkennen ist: Auf eine Trennungsphase, die vom früheren Ort oder Zustand löst, folgt die Schwellen- oder Umwandlungsphase, die in eine Anglie­


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de­r ungsphase mündet und in den neuen Zustand – meistens in Form eines Festes – führt. In keiner seiner späteren Opern wird Mozart je wieder so weit gehen, so ganz ohne Auffangnetz und doppelten Boden agieren wie in seinem Idomeneo. So sind in seiner vorletzten Oper, der Zauberflöte, die transitorischen Übergänge, die die Figuren zu vollziehen haben, tatsächlich ritualisiert. Immer wieder sind in der Zauberflöte Spielräume zur Vermenschlichung, zur Aufhellung, zu Parodie und Schalk eingebaut, immer ist jemand zum Schutz eines anderen da. Die Radikalität des Idomeneo, der im Übrigen im gleichen Jahr wie Schillers Sturm-und-Drang-Dra­ma Die Räuber entstanden ist, hat Mozart hinter sich gelassen. Doch es bleibt festzuhalten: Für Mozart hatte das Werk, in welchem er keiner­ lei musikalische Begrenzungen mehr akzeptierte und eine ausserordentliche seeli­ sche Tiefe erreichte, eine besondere Bedeutung. Zeitlebens hing er an seiner

«grossen opera», von der Constanze sagte, sie sei Mozarts Lieblingsoper gewesen. Immer wieder unternahm Mozart den Versuch, seinen Idomeneo an anderen Bühnen herauszubringen. Doch es blieb bei den drei nur mässig erfolgreichen Vorstellungen in München sowie einer Privataufführung im März 1786 im Hof­ theater des Prinzen Auersperg in Wien, die wegen der Fastenzeit nur konzertant gegeben werden konnte. Und trotzdem denkt Mozart auch für diese Wiener Aufführung wieder neu, komponiert Arien und Szenen um. Und so trifft wohl auch in diesem Zusammenhang die tiefe Überzeugung Handkes zu, dass (Lebens-) Schwellen Übergänge sind, die zum Frucht­­barsten überhaupt gehören.

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Seelenreisen, die uns schwindeln lassen Die holländische Regisseurin Jetske Mijnssen entdeckt in Mozarts «Idomeneo» überall Figuren, die psychologisch differenziert und extrem modern gezeichnet sind. Fotos Danielle Liniger

Jetske Mijnssen, Mozarts Idomeneo emotionalisiert die Zuhörer wie wenige andere Opern: Wer das Werk einmal erlebt hat, zeigt sich meistens Jahre später noch überwältigt. Wie hast du reagiert, als die Anfrage aus Zürich kam, den Idomeneo zu inszenieren? Im Moment der Anfrage musste ich sofort an mein erstes Erlebnis mit dem Stück denken und daran, was die erste Arie, Ilias, «Padre, germani», in mir ausgelöst hat. Ich sass in der Amsterdamer Oper völlig ahnungslos auf meinem Sitz und fühlte mich beim ersten gesungenen Ton plötzlich so, als ob ein Meteorit in mir eingeschlagen hätte. Ich war in meinem tiefsten Inneren getroffen und von einem Moment auf den anderen wie verwandelt. Diese Arie war wie ein Erweckungserlebnis für mich. Als die Anfrage aus Zürich kam, ging mir daher sofort das Herz auf. Von meinen Regie-Kollegen höre ich allerdings oft, das sei zwar wunderschöne Musik, aber es gebe so wenig Handlung und sei daher schwer zu inszenieren. Trifft das zu? Gibt es wenig Handlung? Überhaupt nicht. Es mag vielleicht äusserlich wenig geschehen und das Stück sogar stellenweise wie ein Oratorium wirken, aber die inneren Konflikte in diesem Stück sind enorm aufreibend. Im Laufe des Abends absolvieren wir mit den Figuren Seelenreisen, die uns schwindeln lassen. Hinzu kommt, dass die Figuren extrem modern gezeichnet sind. Ich muss zugeben, dass ich das zu Beginn meiner Beschäftigung mit dem Stück in dieser Form zunächst nicht erwartet hätte. Das hat mich wirklich umgehauen. Damit deutest du das antike Gewand an, in das die Figuren eigentlich gekleidet sind: Die Geschichte spielt ja kurz nach dem Trojanischen Krieg. Der Krieger und Kreterkönig Idomeneo kehrt in seine griechische Heimat zurück und trifft dort auf seinen Sohn Idamante, auf die trojanische Gefangene Ilia und die im Exil lebende Elettra, Tochter des Agamemnon. Der antike Hintergrund der Geschichte bildet gewissermassen die Folie, den Faltenwurf. Daraus schälen sich aber Figuren heraus, die von Mozart ungemein diffe­ renziert gestaltet und mit schier undurchschaubar vielen psychologischen Ebenen und Schattierungen gezeichnet sind. Sie alle sind so nah an uns, dass sie unsere eigene innere Seelenwelt wirklich spiegeln, ja sogar Gefühle in uns auslösen, von denen wir vielleicht noch gar nicht wussten, dass wir sie haben. Idomeneo, Ilia, Idamante, Elettra und sogar Idomeneos treuer Diener Arbace verspüren grösste Schmerzen, sie müssen mit Verlust, Abschied und Trennung umgehen, sie sind vom Leben gebeutelt und versuchen trotzdem, Mensch zu sein. Den tragischen Knoten der Geschichte bildet ein Gelübde, das Idomeneo dem Meeresgott Neptun gegenüber abgelegt hat. Für den Fall seiner Rettung aus Seenot verspricht er Neptun, jenen ersten Menschen zu opfern, den er nach



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seiner Rettung zuerst erblickt. Es ist sein Sohn Idamante. Eine grauenvolle Verstrickung … Ja. Sein eigenes Kind opfern zu müssen, wofür auch immer, ist etwas völlig Undenkbares. Wir kennen das Kinderopfermotiv jedoch aus vielen antiken und biblischen Quellen, etwa aus der Episode um Jephta, der seine Tochter opfern soll, oder durch Euripides’ Tragödie Iphigenie in Aulis. Ich glaube, dass dieses Motiv eine sehr tiefe, komplexe Bedeutung hat und vielleicht letztendlich als Aufforderung für das Ablegen des egoistischen Anspruchs verstanden werden kann. Das ist aber etwas, was sich nicht inszenieren lässt und sich vielleicht allein über die Musik vermitteln wird. Es verwundert nicht, dass Idomeneo im Laufe der Geschichte immer wieder mit dem Meeresgott hadert. Neptun ist ein Gott, der eng mit Idomeneo verknüpft ist, aber nie explizit auftritt. Neptun ist für mich denn auch ein Fantasiebild, eine Halluzination Idomeneos, zumindest etwas, was mit seinem tiefsten Inneren zu tun hat. Das wird sehr deutlich in seiner Arie «Fuor del mar» im zweiten Akt (Dem Meer entronnen, ist ein Meer in mir), die sicher nicht ohne Grund ziemlich genau in der Mitte des Stücks steht und für mich eine Schlüsselarie ist. Idomeneo vergleicht das Wüten des Meeres mit seiner eigenen Unruhe und Existenzangst. Die Arie ist so stür­misch, dass man das Gefühl hat, dass Idomeneos inneres, aufgewühltes Meer fast ein Bild des Wahnsinns ist. Durch seinen Schwur muss Idomeneo zum Täter werden, und gleichzeitig ist er Opfer, weil er an seinen Schwur gebunden ist und weil es sein eigener Sohn ist, den er umbringen soll. Was bedeutet das für deine Inszenierung?


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Wir dürfen nicht vergessen: Idomeneo war zehn Jahre lang im Krieg. Und wir wissen, was der Krieg mit Menschen macht, welche Traumata, Verletzungen und seelischen Narben dies mit sich bringt. Davon sind die nächsten Generationen unmittelbar betroffen, denn diese Traumata werden immer weitergegeben. Für mich ist es klar, dass der Krieger Idomeneo solche Narben in seiner Seele hat und daher bei seiner Rückkehr keine Beziehung mit seinem Sohn aufbauen kann. Es ist typisch für kriegstraumatisierte Menschen, dass sie kalt gegenüber ihren eigenen Kindern sind und nicht über das Geschehene reden wollen. Sie drücken ihren Schmerz weg. In Holland zum Beispiel ist das noch immer sehr spürbar: Nach dem Zweiten Weltkrieg haben alle versucht, das Leben wieder aufzubauen, und dabei ihren Schmerz verdrängt. Die Wunden sind erst im Alter wieder hochgekommen, aber da war es dann oft zu spät, und die eigenen Kinder waren schon zu Opfern geworden. Idomeneo ist oft steinkalt, er ist bedrohlich, aggressiv, misstrauisch. Das schockiert seinen Sohn Idamante zutiefst, der ihn ja immer wieder fragt, warum er so grausam zu ihm ist. Das ist schrecklich und ist nicht ohne Folgen für Idamantes Persönlichkeit. Idomeneo ist ein Kriegsgeschädigter, aber er ist vor allem auch der Herrscher, ein Machtmensch, dem es schwerfällt, Schwäche zuzulassen. Ja, und er kämpft während des ganzen Stücks dagegen. Idomeneo versucht immer wieder, sich als König aufzubauen, versucht, seine Verletzungen zu vertuschen. Wenn im dritten Akt ein grauenhaftes Monster im Land wütet – für mich ein Bild für den Krieg –, möchte er als König unbedingt wieder wahrgenommen werden und für sein Volk da sein, das von ihm fordert, etwas gegen das Unheil im Lande zu tun. Dadurch fühlt er sich in seiner alten Funktion als König erneut bestätigt und empfindet neue Kraft. Es überrascht nicht, dass er ausgerechnet in dieser Situation dann auch zum ersten Mal tatsächlich bereit ist, seinen Sohn umzubringen. Die Vater-Sohn-Ebene ist eng verknüpft mit Ilia, einer Fremden im Land, die Idamante liebt. Und auch sie ist eine seelisch schwer verletzte Figur. Ilia, die aus Troja stammt und ihre ganze Familie an die Griechen verloren hat, muss ausgerechnet im Feindesland, in der Fremde, ein neues Leben aufbauen. Sie ist innerlich zerrissen, weil sie bereits eine neue Liebe zu Idamante spürt, aber gleichzeitig ist sie ihrer Familie verbunden und in tiefer Trauer. Man muss sich unbedingt bewusst machen, was sie alles verloren hat. Das hat für mich eine unglaubliche Bedeutung. Es muss unfassbar schwer sein, mit einer so grossen Wunde etwas Neues aufzubauen – ein Leben, aber auch eine Beziehung. Darin liegt eine schwierige Aufgabe für Ilia und Idamante. Ilia und Idamante sind also kein klassisches Liebespaar … Nein, Mozart geht einen anderen Weg. Die beiden sind zunächst noch gar nicht bereit füreinander. Sie brauchen Zeit, bis sie sich wirklich einander nähern können. Die Liebe ist von Anfang an spürbar, aber beide sind dermassen verletzlich, zerbrechlich und mit ihrer eigenen Familiengeschichte beschäftigt, dass ihre Annäherung nur ganz vorsichtig vonstatten gehen kann. Darin liegt eine grosse Ehr­ lichkeit und Aufrichtigkeit. Sie finden erst dann richtig zueinander, wenn der Verlust des Anderen droht: Im dritten Akt eröffnet Idamante Ilia, in den Krieg ziehen zu wollen. Sein Vater weist ihn ab, und auch Ilia empfindet er als kalt. Erst in diesem Moment, im Moment des möglichen Todes von Idamante, gesteht ihm Ilia ihre Liebe. Ihre Stimmen münden zum ersten Mal in dieser Oper in ein Duett, wie es schöner nicht sein könnte. Es ist die einzige positive Insel in dieser Oper, wie das wiedergefundene Paradies. Es ist eine unglaubliche Tiefe und Verbundenheit der beiden spürbar, und dennoch empfinde ich selbst in diesem Moment noch Zurückhaltung.

Idomeneo Dramma per musica von W. A. Mozart Musikalische Leitung Giovanni Antonini Inszenierung Jetske Mijnssen Bühnenbild Gideon Davey Kostüme Dieuweke van Reij Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Kathrin Brunner Idomeneo Joseph Kaiser Idamante Anna Stéphany Ilia Hanna-Elisabeth Müller Elektra Guanqun Yu Arbace Airam Hernandez La Voce Ildo Song Orchestra La Scintilla Chor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 4 Feb 2018 Weitere Vorstellungen 7, 10, 13, 16, 18, 23, 27 Feb; 2 März 2018 Mit freundlicher Unterstützung der René und Susanne Braginsky-Stiftung


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Oben links: Hanna-Elisabeth MĂźller in der Rolle der Ilia Unten: Joseph Kaiser als Idomeneo und Airam Hernandez als fĂźrsorglicher Diener Arbace


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Guanqun Yu in der Rolle der Elettra

Im grossen Kontrast zu Ilias und Idamantes Charakter steht nun Elettra, die in vielen Inszenierungen gerne als oberflächliche Hysterikerin gezeigt wird. Mozart hat diese Figur aber überhaupt nicht eindimensional angelegt! Ihre Auftritte sind natürlich sehr effektvoll, aber wenn man den feinen Verästelungen der Musik nachspürt, entdeckt man auch hier eine zutiefst verletzte Figur. Das alles bringt ja schon ihr biografischer Hintergrund mit sich, der im Grunde noch eine Steigerung von Ilias Familientragödie darstellt: Elettras eigene Familie hat sich gegenseitig umgebracht. Diese grausame Familie – der Vater Agamemnon, der sein Kind Iphigenie (Elettras Schwester) opfert, die Mutter Klytemnästra, die den Vater tötet, der Sohn Orest, der die Mutter umbringt – das ist der Rucksack, den Elettra zu tragen hat. Elettra hat gelernt, dass man nur durch Rache überleben kann. Sie ist erfüllt von einer heftigen, obsessiven Liebe zu Idamante und kann sich nicht vorstellen, dass Idamante sie nicht liebt. Gerade deshalb wird sie nicht zum Ziel kommen. Im dritten Akt verknüpft Mozart im Quartett «Andrò ramingo e sorte», dem einzigen grossen Solo-Ensemble in dieser Oper, Elettra mit den anderen drei Hauptfiguren über das Gefühl des Leids und der Verzweiflung. Die Sympathie zu dieser Figur finden wir auch hier über ihre Verletzung. Sie wandelt


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diese Wunden nur immer wieder in Rache um, projiziert ihren Schmerz nach aussen. Tag und Nacht trägt sie die Dämonen ihrer Familie in sich und muss damit irgendwie klarkommen. Sie ist jedenfalls nicht ohne Grund wütend. Wir verspüren Mitleid, wenn sie in ihrer Arie «Idol mio» ehrlich glaubt, mit Idamante in ihre Heimat fahren zu können, und dann bitter enttäuscht wird. Es mag paradox klingen, aber der Idomeneo ist einerseits ein Kammerspiel für fünf Personen und andererseits eine grosse Choroper. In keiner anderen Oper Mozarts wird dem Chor so viel Raum gegeben. Welches ist seine Rolle? Die Auftritte des Chores haben einen eigenen Rhythmus: Sie sind wie Wellen im Meer, die auf den Strand treffen, sich zurückziehen und ineinanderfliessen. Auch wenn der Chor im Libretto Rollen wie Gefangene Trojaner, Griechen oder Priester verkörpert, fällt auf, dass er jedesmal die Gedanken und Emotionen einer Figur, die gerade im Zentrum steht, aufgreift oder vorwegnimmt. Die Aussenwelt wird dadurch zu Abbildern emotionaler Zustände. Und Mozart geht noch einen Schritt weiter: Wenn im dritten Akt vom Monster die Rede ist, das Unheil über das ganze Land gebracht hat, macht Mozart damit die innere Verschrän­kung deutlich, die zwischen den Wunden einer Einzelperson und dem grösseren gesellschaftlichen Kontext besteht. Wir alle sind letztendlich Betroffene, Opfer. Abgesehen vom Duett zwischen Idamante und Ilia und der trügerischen Vorfreude Elettras in ihrer Arie «Idol mio», mit Idamante in ihre Heimat zurückkehren zu können, gibt es kaum helle Momente in diesem Stück. Alles läuft darauf hinaus, dass Idomeneo in seiner Verzweiflung irgendwann tatsächlich bereit ist, seinen Sohn zu opfern. Man fragt sich: Wie finden die Figuren, wie findet Mozart da bloss wieder heraus? Es stimmt, überall sind Verzweifelte, und je mehr das Abgründige geleugnet wird, desto mehr bewegt man sich auf den sicheren Untergang zu. Kurz bevor Idomeneo seinen Sohn wirklich tötet, wirft sich jedoch Ilia dazwischen. Ich bin fest davon überzeugt, dass das etwas in Idomeneo auslöst und ihn letztlich von seinem grau­ samen Vorhaben abhält … ...im Libretto heisst es an dieser Stelle: Die Statue Neptuns erbebt … Ja, und es wirkt so, als ob Idomeneo nun sein Trauma hinter sich lassen könnte. Bis jetzt gab es für Idomeneo nur zwei Lösungen: entweder seinen Sohn oder sich selbst zu töten. Aber dann tritt eine dritte Figur dazwischen, jemand der nicht aus der eigenen Familie stammt, die Fremde, sogar die Feindin Griechenlands, und zeigt einen neuen Weg. Das erlöst Idomeneo aus seinem egozentrischen Tunnel und öffnet ihm die Augen. Ilias Dazwischentreten war ein Opfer aus Liebe und hat eine Kraft, die so stark ist, dass die unseligen Verknotungen gelöst werden können. Dann erklingt La Voce aus der Unterbühne, und damit eine Orakelstimme, die nicht mit Neptun verknüpft ist. Sie verkündet die neuen Verhältnisse und besiegelt einen glücklichen Ausgang. Und hier frage ich mich: Wie geht es danach weiter? Wird es die neue Generation besser machen als die alte? Wird es nachher eine bessere Zukunft geben? Oder nicht sofort? Es ist klar, dass danach noch viel zu tun sein wird für alle, um überhaupt weiterleben zu können. In den Märchen heisst es am Schluss: Und sie lebten noch lange und glücklich … Vielleicht geht es hier darum zu sagen: Und sie lebten! Das Gespräch führte Kathrin Brunner


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Unglaubliche Energien entladen sich in dieser Oper

Foto: Paolo Morello

Giovanni Antonini ist der Dirigent unserer «Idomeneo»-Neuproduktion. Im Interview gibt er Auskunft über die stilistischen Einflüsse und Neuerungen in dieser aussergewöhnlichen Mozart-Oper

Giovanni Antonini leitet das Ensemble «Il Giardino Armonico». Mit Cecilia Bartoli und dem Orchestra La Scintilla realisierte er eine Aufnahme von Bellinis «Norma». Am Opernhaus Zürich dirigierte er ausserdem «Alcina» und «Le nozze di Figaro».

Herr Antonini, von Mozart haben Sie am Opernhaus Zürich zuletzt Le nozze di Figaro dirigiert, jetzt erarbeiten Sie den Idomeneo. Während der Figaro gemeinhin als vollendetes Meisterwerk gilt, nimmt der fünf Jahre zuvor entstandene Idomeneo eine spezielle Position in Mozarts Schaffen ein, kann weder den frühen noch den späten Opern zugeordnet werden. Was unterscheidet den Idomeneo, Ihrer Meinung nach, von Mozarts Opern der Wiener Zeit? Zunächst haben wir es mit ganz unterschiedlichen Formen zu tun: Idomeneo ist eine Opera seria, während die Opern wie Le nozze di Figaro, die in Zusammenarbeit mit dem Librettisten Lorenzo da Ponte in Wien entstanden sind, der Gattung des Dramma giocoso angehören. Die Sprache von da Pontes Textbüchern ist viel moderner und zeitgemässer als der Idomeneo-Text, der auf einer französischen Barocktragödie basiert und inhaltlich auf die griechische Antike zurückgeht. Der Fortschritt, den wir in Mozarts Opern nach Idomeneo feststellen können, liegt also vor allem in der perfekten Symbiose zwischen seinem ausgereiften Musikstil und dem zeitgemässen Text von Lorenzo da Ponte begründet. Als Mozart mit 24 Jahren den Idomeneo komponierte, war er längst im Vollbesitz seiner künstlerischen Fähigkeiten. Ein Jugendwerk ist diese Oper also trotzdem nicht … Überhaupt nicht. Es ist nur die überkommene Form der Opera seria, die Mozart später, in der Zusammenarbeit mit da Ponte, nicht mehr bedient.

Musikalisch ist im Idomeneo aber bereits die Sprache angelegt, die auch die Opern der Wiener Zeit prägt. Ist der Idomeneo denn wirklich eine Opera seria, also eine Oper, die in der italienischen Tradition steht? Das Libretto geht ja auf einen fran­zö­ sischen Text zurück, der bereits von André Campra vertont wurde, und der Auftraggeber, Kürfürst Karl Theodor, hatte einen französisch geprägten Kulturgeschmack, den Mozart natürlich bedienen wollte. Die französische Oper, die im 18. Jahrhundert, vor allem seit den Werken von Jean-Philippe Rameau und Christoph Willibald Gluck, enorm an Bedeutung gewonnen hatte, war für Mozart natürlich eine Inspirationsquelle. Zwei Jahre bevor er den Idomeneo komponierte, war Mozart nach Paris gereist. Und man muss sich vorstellen, was so eine Reise damals bedeutete! Paris war eine musikalische Welt für sich. Was dort komponiert wurde, drang nicht so schnell in andere Städte durch, wie das heute der Fall ist. Während die globale Vernetzung heute dafür sorgt, dass das Wissen in Sekundenschnelle überall verfügbar ist, musste man damals reisen und das Entdeckte in seinem Gedächtnis ab­ speichern. Man kann sich also denken, wie Mozart, der unglaublich lernbegierig war, in Paris alles aufgesogen hat, was er dort zu hören bekam! Bedeutet das also, dass der Idomeneo von französischer Musik inspiriert ist? Ich glaube, dass Mozart in erster Linie nach Abwechslung gesucht hat.


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Das starre Formschema, dem die Opera seria verpflichtet war, interessierte ihn nicht. Natürlich kann man die Divertimenti mit Chören und Ballettmusi­ken, die er für den Idomeneo komponiert hat, in der Tradition der französischen Tragédie en musique sehen. Aber auch die Italiener haben in ihre ernsten Opern heitere Intermezzi eingeschoben, um sie dadurch abwechslungsreicher zu gestalten. Für Mozart war diese Möglichkeit, verschiedene Stile in einer Oper zusammenzuführen, ganz wichtig. Deshalb ist das Dramma giocoso in den Wiener Jahren die perfekte Form für ihn geworden, die ihm erlaubte, das tragische mit dem komischen Genre zu vermischen. Meine Lieblingsstelle, die ich immer gerne als Beispiel anführe, ist die Szene im Don Giovanni, in der die Statue des Komturs Don Giovanni auffordert, mit ihm zu gehen – er meint natürlich in die Hölle, also etwas sehr Ernstes –, und Leporello antwortet: Nein, nein, Don Giovanni hat grad keine Zeit! Für einen solchen Humor bietet der Idomeneo-Stoff mit seinem tragischen Inhalt natürlich noch keine Gelegenheit. Um die Konventionen der Seria-Oper trotzdem zu umgehen, sucht Mozart hier deshalb die stilistische Vielfalt, die auch französisch inspiriert ist. Die Vermischung verschiedener nationaler Stile ist ja zur Zeit Mozarts nichts ganz Neues, und Christoph Willibald Gluck hat bereits 1762, also einige Jahre vor Mozarts Idomeneo seine Oper Orfeo ed Euridice auf die Bühne gebracht und dabei über die Reform der überkommenen heiteren und ernsten Gattungen nachgedacht … Dass sich Komponisten mit Stilen an­ derer Nationen beschäftigen, hat schon im Barock grosse Tradition. Das Imi­ tieren, das heute eher als etwas Schlechtes verstanden wird, war damals eine grosse Kunst! Bereits Georg Philipp Telemann oder François Couperin schrieben Sonaten im italienischen Stil von Arcangelo Corelli. Und Mozart studierte seinerseits die Musik von Johann Sebastian Bach und seinen Söhnen. Wie Gluck,

so versuchte auch Mozart die Abfolge von Einzelnummern zu überwinden. Mit höchst subtilen Übergängen verbindet er die einzelnen Teile des Idomeneo zu einem richtigen Musikdrama. Ähnlich wie Rameau intensivierte Mozart aus­ serdem die Bedeutung und den musikalischen Gehalt der Rezitative: Die sogenannten Recitativi accompagnati, die vom Orchester begleiteten Rezitative, von denen Mozart im Idomeneo oft Gebrauch macht, wurden in der italienischen Oper nur für sehr spezielle Momente verwendet. Bei Mozart hat man das Gefühl, dass er für jedes Wort und jede Bedeutung einen ganz spezifischen Klang sucht. Dadurch verleiht er den einzelnen Charakteren und ihren Gefühlen eine enorme Differenziertheit. Man kann also insgesamt eine Tendenz feststellen, die die bevorstehende Epoche der Romantik einleitet: Nicht mehr starre Formen und Ornamente, sondern fliessende Übergänge und die Offenlegung der Gefühle stehen im Vordergrund. Mit dem Mannheimer Orchester, das dem Kurfürsten Karl Theodor nach München gefolgt war, hatte Mozart für den Idomeneo die besten Musiker der damaligen Zeit zur Verfügung. Beeinflusste das seine Kompositionsweise? Mozart war sich natürlich bewusst, welches Potenzial ihm da zur Verfügung stand. Die Partitur unterscheidet sich deutlich von den früheren Opern, weil im Idomeneo im Kern das ganze Voka­ bular angelegt ist, aus dem er für seine späteren Opern schöpft. Besonders gut kann man die Veränderung auch an der Instrumentation erkennen. Idomeneo ist die erste Oper, in der Mozart Klarinetten einsetzte, und zwar in einem expressiven Sinn. Ursprünglich war die Klarinette eine Art kleine Trompete (italienisch: clarino), deren Klang viel offener und lauter war. Als solche wurde sie im Zusammenhang mit Märschen verwendet. Mozart ist einer der ersten, der sie, nicht nur später im Klarinet­ten­ konzert, sondern auch in seinen Opern ab Idomeneo, als lyrisches Instrument verwendete.

«Mit subtil auskomponierten Übergängen verbindet Mozart die einzelnen Teile zu einem richtigen Musikdrama»


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Findet man ähnliche Neuerungen auch in der Komposition der Gesangsstimmen? Ja, es ist zum Beispiel ungewöhnlich, dass der König Idomeneo von ei­n­em Tenor, also einer Männerstimme, gesungen wird. In der Tradition der Opera seria müsste diese Partie von einem Kastraten gesungen werden. Während die Komponisten im Barock dadurch die Frage nach dem Geschlecht bewusst verschleierten, verlieren die Kastraten am Ende des 18. Jahrhunderts an Bedeutung. Gioachino Rossini, der die Kastratenstimmen liebte, sah darin geradezu den Niedergang der Gesangskunst. Aber bei Mozart setzt sich hier eine neue, moderne Idee durch: nämlich der Wunsch, den Charakter des Königs realistisch und lebensnah dar­ zustellen!

«In ‹Idomeneo› hat Mozart das Fundament für seine späteren Opern geschaffen»

Diese Frage ist ja auch hinsichtlich der Götterfiguren interessant. Während den Göttern im Barock grosse Auftritte und die schönsten Gesangslinien zugedacht waren, erklingt in Mozarts Idomeneo als Deus ex machina – wenn man ihn denn als solchen verstehen will – nur eine Stimme aus dem Off. Der Klang dieser Stimme ist bedrohlich und geradezu leidenschaftslos … Man muss das alles im Kontext der Epoche der Aufklärung sehen. Es ist das Zeitalter, in dem man angefangen hat, die Souveränität der Götter, Könige und Herrscher zu hinterfragen und anzuzweifeln. Auch im Barock­ zeitalter war sich das Publikum bewusst, dass Götter nur Metaphern, nur fiktive Bühnenfiguren sind – aber sie akzeptierten es. Aber jetzt, kurz vor der Fran­ zösischen Revolution, waren diese ganzen Zweifel in der Luft. Auch Mozarts Musik und seine Opernfiguren sind Ausdruck dieser grossen denkerischen Umschwünge. Deshalb treten die Götter im Idomeneo nicht auf. Ob die Stimme, die am Ende erklingt und nach deren Worten die Handlung schein­ bar ein glückliches Ende nimmt, eine göttliche oder eher eine menschliche Stimme der Vernunft ist, das kann man schwer beantworten. Es hängt mit

den grossen Fragen der Aufklärung zusammen. Momente der Entwicklung und des Übergangs sind im Zusammen­hang mit dem Idomeneo allgemein von grosser Bedeutung. Der Generati­ onswechsel spielt beispielsweise nicht nur im Stück, zwischen Idomeneo und seinem Sohn Idamante, sondern auch in Mozarts privatem Leben eine Rolle, der für diese Oper noch einmal alle Fragen intensiv mit dem Vater diskutiert hat … . Mich fasziniert die Tatsache sehr, dass der Idomeneo-Kompositionsauftrag, verbunden mit diesem Stoff, genau zum richtigen Zeitpunkt an Mozart heran­ getragen wurde. Er hatte damals seit fünf Jahren keine Oper mehr geschrieben, wünschte sich dies aber sehnlichst. Nach den ersten, sehr erfolgreichen Opern, die in Italien entstanden sind, gab es dort seltsamerweise keine Zukunft für ihn. Es ist interessant zu verfolgen, wie sich Mozarts Begeisterung für Italien in der Folge sehr abkühlte. In der zweiten Lebenshälfte kann man bei ihm eine sehr reservierte Haltung gegenüber Italien beobachten – dafür schuf er sich seine eigene italienische Oper. Man hat das Gefühl, dass sich in den Jahren, in denen er sich nach einer neuen Oper sehnte, unglaublich viele Ideen und riesige Energien in Mozart angestaut haben, die sich dann im Idomeneo entladen. Der umfangreiche Briefwechsel aus dieser Zeit zwischen Mozart und seinem Vater gibt uns heute eine Vorstellung davon, wie intensiv sich Mozart nicht nur mit der Musik, sondern auch mit der Gestaltung eines perfekten Dramas beschäftigt hat. In beiderlei Hinsicht hat Mozart hier das Fundament für seine späteren Opern der Wiener Zeit geschaffen. Das Gespräch führte Fabio Dietsche



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Unaussprechliche Trauer Eine Phrase in Wolfgang Amadeus Mozarts «Idomeneo»-Quartett

König Idomeneo hat sich selbst matt gesetzt: Um dem Tod im Meeressturm zu ent­ gehen, gelobte er, Neptun das erste lebende Wesen zum Opfer zu bringen, das ihm am Strand begegnet – und dieses Wesen war sein eigener Sohn. Der Versuch, den Gott auf etwas dümmliche Weise übers Ohr zu hauen, indem er seinen Sohn heimlich ausser Landes schafft, bewirkt nur, dass die Existenz des ganzen Landes be­droht ist: Ein fürchterliches Meeresungeheuer richtet ein Massaker unter der Bevölkerung an. Wie immer der König nun handelt, er bewirkt den Untergang. Entweder den des eigenen Sohnes oder den seines Volkes. Eine aussichtslose Situation, in die nur dadurch neue Bewegung kommt, dass Idamante beschliesst, den Kampf mit dem Ungeheuer aufzunehmen. Er weiss, und alle wissen es, dass es keine Hoffnung auf Sieg gibt. Er opfert sich, damit seinem Vater erspart bleibt, ihn mit eigenen Händen zu töten. Diesen Moment höchster dramatischer Spannung, in dem sich alle Linien der Handlung in einem Punkt treffen, gestaltet Mozart als Ensemblesatz, der die vier hoff­nungslos verstrickten Hauptfiguren in einen musikalischen Organismus zusammen­ bringt: Den Vater, der aus Überlebensgier die Mitmenschlichkeit vergass; Idamante, der dafür nun büssen muss; und die beiden liebenden Frauen, deren Leben durch Idomeneos Unbedachtheit zerstört wird. Indem Mozart den dramatischen Höhepunkt der Oper als Quartett gestaltet, bedient er sich eines Verfahrens, das zu jener Zeit für die Opera seria neu war. Er hat es nicht erfunden, eignet es sich aber auf ganz eigene, originelle Weise an. Die formal kühnste Stelle dieses Satzes und vielleicht der ganzen Oper findet sich wenige Takte vor Schluss, wenn Idamante das Thema erneut anstimmt, mit dem er das Quartett begann. Der Zuhörer erwartet, dass diesem Thema nun die verkürzte Reprise des Hauptteils und eine stürmische Stretta folgen, in der sich die aufgestauten Emotionen endgültig entladen. Stattdessen bricht der Gesang aber nach wenigen Tönen der todtraurigen Melodie ab, Idamante versagt die Stimme und er verlässt den Schauplatz. Was im Orchester noch folgt, ist kaum als Nachspiel zu bezeichnen, es ist ein harmonisch instabiles Gebilde, ein zielloses Pendeln, schliesslich ein Versinken in der Sprachlosigkeit, der hilflose Ausdruck tiefer Erschütterung und unaussprechlicher Trauer. Indem diese wenigen Takte die Sympathien der Zuschauer ganz auf den unschuldig leidenden Idamante konzentrieren, wird dieser zur zentralen Figur der Tragödie, womit der Titelheld sozusagen entthront, also der Schluss der Oper vorweg­ genommen wird. Und tatsächlich scheint diese Stelle den Schlüssel für das Verständnis der Schluss­ wendung zu enthalten: Der Machthaber hat seine Position egoistisch missbraucht, indem er den Tod eines anderen Menschen in Kauf nahm, um selbst gerettet zu werden. Er handelt wieder egoistisch, wenn er sein ganzes Volk in Gefahr bringt, um seinem Sohn das Leben zu retten. Idamante ist nicht wie sein Vater. Er versteht, dass Macht haben bedeutet, Verantwortung zu tragen für die Untergebenen. Anders als sein Vater wird er dieser Verantwortung gerecht und und nimmt es auf sich, sein Leben für das Wohl der Allgemeinheit zu opfern. Er besteht die Prüfung, an der sein Vater scheiterte. In ihm verkörpert sich das aufklärerische Ideal des Machthabers, die Utopie einer Weltordnung, in der sich der Machthaber als erster Diener seiner Unter­gebenen versteht und zwischenmenschliche Solidarität eine selbstverständliche Tugend ist. Werner Hintze


28 Volker Hagedorn trifft …

Joseph Kaiser Joseph Kaiser hat sein Debüt am Opernhaus Zürich vor drei Jahren in der hochanspruchsvollen Rolle des Michel in Bohuslav Martinůs Oper «Juliette» ge­ge­ben. Dem in Montreal ge­­­bo­ renen, kanadischen Tenor gelang der inter­ natio­­nale Karriere-­ Durchbruch, als er in der «Zau­ber­­flö­te»-­Ver­­ filmung von Kenneth Branagh den Tamino sang. Seither ist er in nahezu allen grossen Opernhäusern der Welt zu erleben.

Jeder Zoll ein König, so steht er da, gut einen Meter neunzig gross, im Anzug mit Krawatte unter dem Vollbart. Aber es ist ein trauriger König, so stark wie gebrochen. Das wenige, das er in dieser Szene singt, trifft den Kern. Den Göttern will er gehor­ chen und den eigenen Sohn opfern, schlachten, «svenar il genitor il proprio figlio». Regisseurin Jetske Mijnssen kümmert sich jetzt nicht um ihn, das muss sie auch nicht, denn es geht gerade um den Chor, um die leidenden Menschen von Kreta, die von allen Seiten auf ihren König zukriechen. Trotzdem legt Joseph Kaiser bei jeder Wie­ derholung alle Intensität in seine wenigen Töne, in das Schweigen davor und danach, halb versteinert von dem, was Idomeneo sagen und tun zu müssen glaubt, «weil er diese Macke hat». So erklärt die Regisseurin knapp den Chorsängern, worüber sie und ihr Titelheld sich eine Menge Gedanken gemacht haben. Kaiser kommt darauf zu sprechen, als wir uns im Foyer der Probebühne zusammensetzen, er mit einem Ge­ müsesnack in der Plastikschachtel. «Warum muss ich diese schreckliche Sache tun, als Idomeneo? Weil ich sehr krank bin. Ein posttraumatisches Stresssyndrom.» Wie in Mozarts Libretto hat dieser Idomeneo Kriegserlebnisse hinter sich und wäre fast ge­ storben, nun aber nicht mehr in der Zeit der Götter. Der Neptun, dem er für seine Rettung den Sohn opfern zu müssen glaubt, ist Wahn. Aber wie findet der Sänger Joseph Kaiser da hinein, dem es so wichtig ist, seine «persönlichen Erfahrungen mit der Rolle zu verbinden»? «Ich war nie beim Militär. Aber ich habe zwei Söhne, einen dreizehnjährigen Jungen und einen elfjährigen – wunderbare Kinder. Und jedes Mal, wenn ich den Konflikt, die Sorge, den Schmerz in Idamantes Gesicht sehe, ist für mich ein Bezug da.» Idamante ist Idomeneos Sohn, der nicht wissen und begreifen kann, warum der Vater ihn nach langer Abwesenheit nicht umarmt. «Für Eltern ist es schon hart, eine Strafe verhängen zu müssen, eine Woche Fernseh- oder Smartphone-Verbot, auch wenn sie wissen, dass es richtig ist. Aber das ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu Idomeneos Not: Dein Sohn leidet, und du kannst ihm nicht sagen, warum du ihn wegschickst, und jedesmal, wenn du ihn anschaust, weisst du, du wirst ihn verletzen müssen.» Dazu noch frage sich Idomeneo, warum er überhaupt gerettet wurde, wenn das der Preis ist. Er weiss ja nicht, dass er krank ist. «Natürlich ist das unbegreiflich, aber genau das liebe ich, diese grosse Herausforderung. Wir müssen das glaubwürdig machen. Ich habe auf der Bühne hundertmal jemanden getötet oder bin gestorben. Im rich­ tigen Leben nicht. Die Opern, die wir lieben, sind voll von extremen dramati­schen Situationen, und wir haben die Chance, da einzutauchen.» Hatte er schon eine Vor­ stellung, ein Konzept von Idomeneo, als die Proben begannen? «Nein. Ich muss am Anfang eine leere Seite sein, und dann können wir gestalten, malen, formen, wie wir es brauchen. Das kann erst wirklich geschehen, wenn in diesem Raum hier all die verschiedenen Leute zusammenkommen, die Sänger, der Dirigent, die Regisseurin, mit ihren unterschiedlichen Herzschlägen.» Joseph Kaiser spricht Amerikanisch, aber britischer als ein Amerikaner und bari­ tonaler als ein Tenor. Was daran liegt, dass er in Montreal zur Welt kam und seine Laufbahn als Bariton begann. Ich bin nicht der erste, der sich über seinen Namen wundert. «Ja, Joseph Kaiser klingt, als wenn in Deutschland jemand George Washing­ ton hiesse. Die Eltern meines Vaters kamen aus Strassburg und St. Gallen, und die meiner Mutter aus Schottland und Kanada.» Und während Josephs Vater Märsche liebte, vor allem die von John Philip Sousa, waren es bei seiner Mutter Opern, «lots of Mozart», und beide mochten auch Bach und Bizet, Abba und die Rolling Stones und Nana Mouskouri. Sie liessen alle vier Kinder Instrumente lernen – bei Joseph


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waren es Geige, Klavier, Cello und Schlagzeug. «Aber ich wollte sehr früh Sänger sein. Es klingt vielleicht albern, aber das gab mir eine Stimme für meine Persönlichkeit, das ist immer noch so.» Dann gab es da diesen magischen Moment in Tanglewood, beim berühmten Festival. Joseph war achtzehn und lauschte mit 1200 Leuten einem Konzert mit der Sopranistin Barbara Bonney, am Klavier von Warren Jones begleitet. «Ich glaube, sie sang fünf Zugaben, die letzte war eine Soloversion von Tonight aus der West Side Story.» Er deutet singend an: «Tonight, tonight, it all began tonight… Warren Jones spielte die letzten Akkorde, und dann war der Saal still. Sechs Sekunden, sieben Sekunden. Ich erinnere mich, dass ich in dem Moment dachte, das möchte ich machen. Ich muss lernen, wie man das hinkriegt.» Seine Stimme liess er an der McGill University in Montreal ausbilden, und in dieser Stadt stellten anno 2002 die Juroren eines Wettbewerbs fest, dass im 25-jähri­ gen Bariton das Potenzial eines Tenors schimmerte. Wenn solche Juroren Teresa Ber­ganza, Grace Bumbry, Marilyn Horne und Cesare Siepi heissen, sollte man sie ernst nehmen. Das tat Joseph. Als später der frischgebackene Tenor in Chicago als Erster Gefangener im Fidelio auf der Bühne stand, bei einer Generalprobe, fiel er zwei Gästen im Parkett auf. Der eine war Daniel Barenboim, der andere der Regisseur Kenneth Branagh, der eigentlich nur den Bassisten René Pape erleben wollte – der sollte den Sarastro in seiner Verfilmung der Zauberflöte singen. Branagh erkannte im hochgewachsenen, athletischen Joseph Kaiser sofort den Tamino seiner Träume – und seiner Alpträume, denn diese Zauberflöte würde mitten im Ersten Weltkrieg spielen, im Gemetzel zwischen Frankreich und Deutschland. Und so kam es, dass das Publi­ kum anno 2007 einen Tamino um ein Haar im schlammigen Graben krepieren sah, von Gasschwaden bedroht und von den unversehens auftauchenden drei Damen gerettet. Abgesehen davon, dass er wunderbar geschmeidig und fokussiert sang und sich nicht bewegte wie ein Opernsänger, der in den falschen Film geraten ist. «Auf der Bühne versuchen wir, alle Gesten zu vergrössern, damit es ankommt. Im Film ist schon ein einziger Zentimeter so viel, dass darin Wahrheit liegen kann, echtes Gefühl.» Darauf sei es Branagh angekommen in seiner aberwitzigen Kreuzung der Sphären: «Wenn es echt ist, nehmen wir den take, wenn nicht, machen wir es noch mal.» Von Branagh und vom Schauspielcoach Jimmy Yuill habe er viel gelernt. Die Kunst der kleinen Gesten und der unauffälligen Blicke merkt man ihm auch auf der Probebühne an. Sah er sich nach dem Erfolg des Films von manchen auf den Kino-Prinzen redu­ ziert? «Sänger sind nur so gut wie ihre jüngste Vorstellung. Natürlich war der Film eine der grössten Chancen meines Lebens, aber niemand geht ins Theater, um einen zu hören, der vor zehn Jahren gut war.» Ausserdem debütierte Kaiser 2007 nicht nur auf der Leinwand, sondern – dank Daniel Barenboim – auch bei den Salzburger Fest­ spielen – als Lensky in Andrea Breths Inszenierung von Eugen Onegin. Worauf viele grossen Häuser folgten, unter anderem sein Zürcher Debüt als träumend verliebter Michel in Bohuslav Martinůs Oper Juliette. Indessen bleibt er seiner Wahlheimat Chicago treu. «Ich habe auch in New York gelebt und mag es, aber ich brauche den ganzen Lärm nicht. Chicago hat mehr mein Tempo. Meine Kinder sind Teil der artistic community geworden. Mein jüngerer Sohn tanzt viel, mein älterer schreibt seit einem Jahr selbst Musik. Ich vermisse die beiden schrecklich! Das ist das Anstrengendste an dieser Karriere.» Von der er sich bei einer Leidenschaft erholt, die bei Musikern verbreitet ist – gut essen. «Das ist wie mit guter Musik: Du fühlst dich inspiriert.» Hobbykoch Joseph investiert darum auch ins Restaurant Oriole an der West Walnut Street. «Du setzt dich hin, ohne Karte, achtzehn kleine Gänge, und willst nicht wieder weg. Miyazaki Wagyu Beef, Roggen­ cappellini mit Trüffeln, Kaviar mit Meertrauben, es ist göttlich!» Und strahlend blickt er auf die leere Snackbox vor sich, als hätte er all das in ihr gefunden. Volker Hagedorn


La scala di seta Regisseur Damiano Michieletto zeigt Rossinis «Scala di seta» als moderne Sitcom und verschreibt sich dabei ganz dem Motto Rossinis, dass das Alltägliche übertrieben werden muss, damit daraus eine Oper werden kann. Mit Ottavio Dantone am Pult, der in Zürich bereits mit Mozarts «La clemenza di Tito» und Vivaldis «La verità in cimento» überzeugte, darf man sich auf eine spritzige Interpretation freuen. Zudem vereint diese Wiederaufnahme mit Sen Guo, Edgardo Rocha, Elliot Madore und Carlo Lepore ein Rossini-­ Ensemble, bei dem die Koloratur- und Schnellsprech-­ Rädchen wie geschmiert laufen. Wiederaufnahme 9 Feb 2018 Weitere Vorstellungen 11, 17, 24 Feb 2018


Fotos: Suzanne Schwiertz


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Euphorische Reaktionen Mit Christian Spucks Ballett «Nussknacker und Mausekönig» gastierte das Ballett Zürich beim Festival «Dance Inversion» in Moskau Text Michael Küster Fotos Michail Logvinov

Vor der Basilius­ kathedrale: Jean-François Boisnon, Pornpim Karchai, Michael Küster, Dominik Slavkovský, Christian Spuck, William Moore, Giulia Tonelli und Michelle Willems

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it Neugier und Entdeckerfreude holt das renommierte russische Festival Dance Inversion alle zwei Jahre die spannendsten modernen Tanzpro­ duktionen aus aller Welt nach Moskau. Seit 1997 existiert das Festival für zeitgenössischen Tanz, bei dem jetzt erstmals auch das Ballett Zürich zu Gast war. Herz und Seele der Tanzbiennale ist Irina Chernomurova. Mit unermüdlicher Energie reist die resolute Tanzenthusiastin um die Welt, um dem ballettverwöhnten Moskauer Publikum immer wieder eine attraktive Auslese aus den aufregendsten internationalen Ballett­produktionen präsentieren zu können. Auch für den jüngsten Festivaljahrgang,


Ballett Zürich 33

der von Mitte September bis Anfang Dezember vorigen Jahres stattfand, hatte sie sich etwas Besonderes ausgedacht. 2018 feiert die Ballettwelt den 200. Geburtstag von Marius Petipa, und in Vorausschau auf dieses Jubiläum hat sie den legendären Choreo­ grafen ins Zentrum des Festivals gestellt. «Wie kein Zweiter hat Petipa die Sprache des klassischen Balletts geprägt. Neben seiner choreografischen Meisterschaft mit ihren unerreichten Pas de deux beeindrucken uns seine Ballette bis heute durch die Schönheit ihrer architektonischen Anlage», erklärt sie. Aber ist das nicht alles Schnee von gestern? Fast klingt es wie ein Widerspruch, dass Petipas Jubiläum nun ausgerechnet als Motto eines modernen Tanzfestivals dienen soll. Doch Irina Chernomurova hat keiner­lei Bedenken: «Heute erleben wir eine Annäherung von klassischem und modernem Ballett. Ich wollte zeigen, was von Petipas grossartigem Erbe übrig ist, was es für den Tanz zu Beginn des 21. Jahrhunderts bedeutet und was heutige Choreografen in seinen grossen Handlungsballetten finden.» Im Zentrum ihres Festivals standen deshalb die drei berühmtesten, mit Petipas Namen verbundenen Ballette. Les Ballets de Monte-Carlo gastierten mit Jean-Christophe Maillots Dornröschen-Adaption La Belle, während Michael Keegan Doland mit seiner in Irland beheimateten Compagnie Teaċ ∙ sa in Loch na hEala eine neue Sicht auf Schwanensee präsentierte – zu Dam live musizierter, irisch-nordischer Volksmusik. Dass sie Christian Spucks nur wenige Wochen vor dem Festival in Zürich uraufgeführten Nussknacker in Moskau zeigen wollte, war für die Festivalchefin von Anfang an klar. Obwohl die Pro­duktion zum Planungszeitpunkt lediglich in den Entwürfen des Bühnenbild­ ners und im Kopf des Choreografen existierte, war sie nicht von ihrer wagemutigen Idee abzu­bringen. «Natürlich war da ein gewisser Mut zum Risiko dabei», lacht sie, «aber ich kenne Christians Ballettproduktionen seit vielen Jahren und hatte Vertrauen in seine Arbeit. Ich war mir sicher, dass er dem Nussknacker neue Facetten abgewinnen würde.» Im Januar 2017 reiste Irina Chernomurova zur Bauprobe nach Zürich, wo sie Christian Spucks Konzept, das Bühnenbild von Rufus Didwiszus und die Kostüm­ entwürfe von Buki Shiff sofort überzeugten: «In Russland gab es zwar gelegentlich Versuche, stärker auf die dem Nussknacker zugrunde liegende Originalgeschichte von E.T.A. Hoffmann zurückzugehen, jedoch nie mit einer solchen Entschlossenheit und Konsequenz.» Damals war noch nicht vorauszusehen, dass es eine derart aufwendige Pro­duktion werden und am Ende nicht die vereinbarten zwei, sondern fünf riesige Nussknacker-Container auf die lange Reise in die russische Hauptstadt gehen würden. Schauplatz für die zwei Vorstellungen des Balletts Zürich war die «No­ vaya Szena» des Bolschoitheaters. Unmittelbar neben dem berühmten klassi­ zistischen Hauptgebäude mit seinen acht mächtigen Säulen und der von einer bronzenen Quadriga gekrönten Fassade gelegen, ist diese Neue Bühne etwas grösser als das Opernhaus Zürich. Mit ihren zwei ausladenden Rängen und einem herrlichen, berühmte Ballettkostüme von Léon Bakst zitierenden Deckengemälde erinnert sie in ihrer Ausstattung an das Stammhaus der Zür­ cher Tänzerinnen und Tänzer. Eine riesige Plakatwand mit der Ankündigung des Nussknacker-Gastspiels bedeckt die dem Theaterplatz zugewandte Fassade und zeigt Mélisssa Ligurgo als wutschnaubende Mausekönigin. Mit ihren Kollegen hat die aus Belgien stammende Tänzerin schon viele Ballettgastspiele absolviert, aber einmal im Leben am Bolschoitheater zu gastieren, meint sie, sei für jeden Tänzer ein besonderer und einmaliger Moment: «Es ist eine Ehre und ein Pri­ vileg, an diesem für die Tanzgeschichte und -gegenwart so wichtigen Theater aufzu­ treten.» Eine noch intensivere Beziehung zu diesem magischen Ort hat Michelle Willems, die als Marie eine der Hauptrollen in Christian Spucks Ballett tanzt. Für sie ist es eine Heimkehr. Zehn Jahre lang hat sie in Moskau gelebt und zuletzt 2012 als Mitglied der Bolschoi-Akademie auf der legendären Bühne gestanden. «Auf dieser Bühne als Marie aufzutreten, bedeutet eine einmalige Chance und eine grosse Aus­ zeich­nung.» Eine Bewährungsprobe, die sie mit Bravour gemeistert hat. Nicht nur

Im Zuschauerraum des Bolschoitheaters: William Moore, Giulia Tonelli, Dominik Slavkovský und Christian Spuck

Weihnachtsmarkt auf dem Roten Platz: Dominik Slavkovský, Giulia Tonelli, Michelle Willems, Christian Spuck, William Moore


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vom Publikum wurde sie enthusiastisch gefeiert, auch die Zeitung Komersant schwärm­te von der «kleinen, zarten Ballerina» und lobte ihre «gewinnende Natürlichkeit und fantastische Koordination». Auch wenn die Ballettgeschichte des Nussknackers ihren Anfang in St. Petersburg nimmt – dort fand 1892 am Mariinsky-Theater die Uraufführung statt – hat der Schtschelkuntschik, wie er auf Russisch heisst, auch am Bolschoitheater eine lange Tra­ dition. 1919 brachte Alexander Gorski hier eine Version heraus, in der Mascha (Marie) erstmals nicht von einem Kind, sondern von einer erwachsenen Tänzerin verkörpert wurde. Lange im Repertoire war dann eine vom Kirov-Ballett übernommene Produk­ tion von Wassili Vainonen (1934). Doch den Rekord hält bis heute die Inszenierung der russischen Choreografenlegende Juri Grigorowitsch. 1966 uraufgeführt, tanzt sein Nussknacker seit einem halben Jahrhundert über die Bühne des Bolschoitheaters. Und natürlich haben auch das Ballett des Stanislawski-Theaters und das im Kreml­palast beheimate Russische Staatsballett ihre eigenen Versionen im Repertoire. Bei so viel Nussknacker-Tradition ist es verständlich, dass Christian Spuck dem Moskau-Gastspiel seiner Compagnie mit etwas Nervosität entgegensah: «Das Bolschoi­ theater gilt neben Paris und St. Petersburg als Hochburg des klassischen Balletts, seine Tänzer gehören zu den besten der Welt. Natürlich fährt man mit gemischten Gefüh­ len an so einen geschichtsträchtigen Ort. Man kann nur verlieren oder gewinnen.» Dass bei einem eng getakteten Tourneeplan nur eine einzige Bühnenprobe am Vor­ mittag des ersten Vorstellungstages stattfinden soll, macht das Unbehagen nicht ge­ ringer. Auch für das Orchester des Bolschoitheaters, das Dirigent Paul Connelly um­sichtig für die ungewohnten Aufführungen präpariert hat, war diese Probe die erste und einzige Gelegenheit, sich mit dem szenischen Ablauf von Nussknacker und Mausekönig bekannt zu machen. Am Ende wuchsen die im Rampenlicht stehenden Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich über sich hinaus und wurden nach bei­ den Vorstellungen vom Publikum bejubelt. Dabei galt der Applaus auch den vielen hilfreichen Geistern im Hintergrund, die dieses Gastspiel des Balletts Zürich zu einem Triumph werden liessen. Für Junior-Tänzer Gustavo Chalub war es die erste Reise mit seinen Tänzerkollegen: «Mich haben die euphorischen Reaktionen des Moskauer Publikums gefreut. Der Erfolg war nur möglich, weil alle Beteiligten vor und hinter der Bühne eine echt tolle Gemeinschaft waren. Wir sind auf dieser Reise wirklich zu­ sammengewachsen». Nur wenig Zeit bleibt an den drei dicht gefüllten Tagen für Sightseeing. Ge­ meinsam mit dem Fotografen Michail Logvinov, der fast vierzig Jahre lang die grossen Aufführungen des Bolschoiballetts fotografiert hat, brechen Christian Spuck und einige Tänzer zu einer Mini-Tour durch Moskaus Zentrum auf. Eisiger Wind fegt über den Roten Platz, der sich über Nacht in einen Weihnachtsmarkt mit Kunsteisbahn ver­wandelt hat. Nach einer Aufwärmpause im Kaufhaus GUM führt der Weg an der Basiliuskathedrale, am Lenin-Mausoleum und an der Kremlmauer vorbei. Krönender Abschluss jedoch ist eine Visite im Bolschoitheater. Durch die Prunkgemächer des Zaren gelangt man in den in Rot und Gold gehaltenen prachtvollen Zuschauerraum.

Vor dem Bolschoitheater: William Moore, Michelle Willems, Christian Spuck, Dominik Slavkovský, Giulia Tonelli In der Aufführung: Mélissa Ligurgo als Mausekönigin


Ballett Zürich 35

Foto: Gregory Batardon

Eine enge Treppe führt schliesslich bis unter das Dach des Theaters. Hier oben, direkt über der Kuppel des Zuschauerraums, befindet sich eine Probebühne des Bolschoi­ balletts mit eigenem Orchestergraben und kleinem Auditorium. Für einige Minuten dürfen die Tänzer aus Zürich ihren Moskauer Kollegen beim Proben zuschauen. Ein unvergesslicher Moment, und längst nicht der einzige in Moskau! Beim Empfang im Anschluss an die gefeierte erste Vorstellung sind Wladimir Urin, der Generaldirektor des Bolschoitheaters, und Festivalchefin Chernomurova begeistert. Voller Stolz auf den Erfolg des Balletts Zürich zeigt sich nicht nur Yves Rossier, der amtierende Schweizer Botschafter in Moskau, sondern auch Christian Spuck ist glücklich: «Es hat funktioniert! Ich bin froh, dass durch dieses Gastspiel eine Verbindung zwischen dem Bolschoitheater und dem Ballett Zürich enstanden ist, die wir in Zukunft hoffentlich weiter mit Leben erfüllen können.»


Bravour und Gefühlstiefe 1968 stand Edita Gruberova zum ersten Mal auf einer Opernbühne. 50 Jahre später blickt sie zurück auf eine Weltkarriere, in der Zürich immer ein zentraler Ort war. Wir erinnern an die wichtigsten künstlerischen Stationen der Jahrhundert-Sopranistin, der das Opernhaus am 18. Februar mit einem Galakonzert die Ehre erweist Text Bruno Rauch


Gala Edita Gruberova 37

Foto: Suzanne Schwiertz

Edita Gruberova mit Octavio Arevalo in «I Puritani», 1998

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a fliegen die Töne, von einem seidenen Teppich getragen, los, umkreisen den Erdball und kommen um tausend zauberhafte Köstlichkeiten bereichert sogleich zurück.» Weiter ist von «zuckersüssem Kantilenenspiel, waghalsigen Trillerketten und tobenden Koloraturen» zu lesen. Und von «Tränen, die bittersüss aus verliebten Augen rinnen». Dass gestandene Musikkritiker derart ins Schwärmen geraten, kommt nicht allzu oft vor. Wenn allerdings eine Operndiva (die diese Bezeichnung für sich strikt ablehnt!) auf der Bühne oder auf dem Konzertpodium steht, darf sich journalistische Eloquenz schon mal zu solch poetisierendem Überschwang versteigen. Ausgelöst hat diese enthusiastischen Zeilen eine Künstlerin, die in diesen Tagen auf eine fünfzigjährige bruchlose Bühnenkarriere zurückblicken darf: Edita Gruberova, 1946 geboren, debütierte am 18. Februar 1968 als Rosina in Gioachino Rossinis Barbiere im Nationaltheater ihrer Heimatstadt Bratislava. «Mit souverän gemeistertem Gesangspart und kultiviertem Vortrag gewann sie das Publikum», lobte danach das Feuilleton des Lokalblatts. Souveräne Technik gepaart mit erlesener Gesangskultur – das sind Eigenschaften, die sich als roter Faden durch die singuläre Laufbahn der Primadonna ziehen. Eine Laufbahn, die sie selbst schlicht als Ergebnis von Talent, Disziplin und harter Arbeit bezeichnet. Entscheidend war gewiss auch die Tatsache, dass sie ihr Repertoire mit Bedacht und Rücksicht auf ihr Stimmtimbre aufgebaut hat. Dazu sagt sie einmal in einem Interview: «Ich hatte schon sehr früh komische Angebote von namhaften Diri­ genten, die mir die Aida, die Frau ohne Schatten oder Salome andrehen wollten. Darüber konnte ich eigentlich nur lachen, weil diese Partien nicht meiner Stimme ent­sprechen und es auch nie tun werden. Trotz der Verlockung, solche Partien zu singen, muss man widerstehen.» Ein weiterer entscheidender Faktor, betont sie, sei die Gabe, sich immer wieder Phasen der Erholung und – besonders als junge Sängerin – Phasen der Entwicklung zu gönnen. Dem kann man mit Blick auf das Tempo im heutigen Kulturbetrieb und die diversen Karriereeinbrüche jüngerer Kollegen nur beipflichten. Schliesslich nennt sie, die durchaus bodenständige Realistin, auch noch «Glück» und meint damit das Unvorhersehbare, Nicht-Planbare – etwa die wegweisende Begegnung mit Menschen, die ihre Karriere befördert haben. Zum Beispiel jener musische Pfarrer, der sie schon als Halbwüchsige zum Eintritt ins Konservatorium ermutigte und darauf vorbereitete. Oder später, nach der gemeinsamen Flucht mit ihrem ersten Ehemann und der Mutter nach Wien, Ruthilde Boesch, eine der renommiertesten Gesangspädagoginnen Österreichs. Mit ihr arbeitete, feilte und polierte sie unter anderem jene Rolle, die sie ein Bühnenleben lang begleiten sollte und die sie an allen grossen Häusern sang: die Zerbinetta in Ariadne auf Naxos von Richard Strauss. 1993 gab sie diese Partie – in schwarzer Mireille-Mathieu-Perücke! – unter Rafael Frühbeck de Burgos in Zürich in der leichtfüssigen Regie von Cesare Lievi. 2009 verabschiedete sie sich in Wien von dieser Rolle, nachdem sie sich in über zweihundert Vorstellungen mit fast mikroskopischer Auslotung jede Note, jede Silbe mit Bravour, Koketterie, Humor, Selbstironie und, ja, auch emotionalem Tiefgang zu eigen gemacht hatte. Eine weitere Lebensrolle, erstmals 1977 an der Met und in Folge ebenfalls über zweihundert Mal verkörpert, ist diejenige der sternflammenden Königin in Mozarts Zauberflöte. Eine Partie, der sie im Laufe der Jahre – neben makellosen Koloraturen und mühelosen hohen Fs – immer mehr Zwischentönen und Klangnuancen hinzufügte, um hinter der furiosen Attacke auch den Schmerz und die Verzweiflung erahnen zu lassen. Überhaupt Mozart: Das ABC und die Pflichtnahrung für Sänger sei er, ist sie überzeugt. Besonders in der ersten Periode ihrer Karriere sind Mozarts Frauenrollen zentral. Davon hat sie viele auf der Bühne, einige ausschliesslich auf Tonträger und nur gerade zwei zwar studiert, aber nie auf der Bühne gesungen: Susanna und Blondchen, erstere aus Gründen des lyrischen Stimmcharakters. Letztere hätte sie gern gesungen – vielleicht kam da einfach die juvenile Ambition auf die Konstanze in die Quere, oder die Entscheidung der damaligen Intendanten. 1978 erschloss sie sich an der Wiener Staatsoper die Welt des Belcanto, und zwar gleich mit einer der Parade-


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O S T E R F E S T I V A L 17. – 25. März 2018

Martin Angerer | Florian Boesch | Riccardo Chailly | Christian Elsner | Roberto González Monjas | Ulrike Grosch | Mariss Jansons | Julia Kleiter | Julia Lezhneva | Denis Matsuev | Schaghajegh Nosrati | Matthias Pintscher | Gerhild Romberger | Fatma Said | Sir András Schiff | Dmitry Sinkovsky | Rolando Villazón Akademiechor Luzern | Cappella Andrea Barca | Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks | Ensemble intercontemporain | Ensemble der LUCERNE FESTIVAL ALUMNI | Filarmonica della Scala | Iberacademy Orchestra, Medellín | La Voce Strumentale und viele mehr Karten und Informationen: +41 (0)41 226 44 80

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Gala Edita Gruberova 39

rollen: Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti, die sie dreimal auf Ton­träger aufnahm. Hatte die extrovertierte Zerbinetta offenbar Gruberovas komödiantische, zirzensische Ader getroffen, so schien nun die tragische Heldin, die von ihrem Bruder zwangsverheiratet wird und in geistiger Umnachtung noch in der Brautnacht den ungeliebten Bräutigam ersticht, eine verletzliche, melancholische Saite der Künstlerin zum Schwingen zu bringen. 1989 gab sie diese Partie unter Ralf Weikert erstmals in Zürich, nachdem sie das hiesige Publikum ein Jahr zuvor mit der jugendlich-kessen Regimentstochter Marie begeistert hatte. Für Robert Carsens Inszenierung des schottischen Schauerdramas hatte Richard Hudson eine sinistre Bühne gebaut: dem römischen Pantheon nachempfundene kassettierte Wände, grau und bedrohlich schief. Mittlerweile auf dem Zenit ihrer Kunst, gestaltete «La Gruberova» die im Wortsinn Wahnsinns-Partie mit einer darstellerischen Wahrhaftigkeit und Zerbrechlichkeit, die die atemberaubende Perfektion ihrer Gesangstechnik glatt vergessen liessen. Mit subtil kalkulierter Farbnuancierung und Tongebung lotete sie die emotionalen Grenzbereiche aus, und als Lucia endlich entseelt zu Boden sank und der Chor die blut­ triefende Rechte – alle mitschuldig an der Tragödie – in die Höhe reckte, gelang eines jener suggestiven Operntableaus, die unvergessen bleiben. Trotz des Erfolgs in Wien blieben anfänglich die erhofften Belcanto-Anfragen aus. Dafür fiel in jene Zeit die erste Zusammenarbeit mit Jean-Pierre Ponnelle. Einen Markstein bildete dessen Zauberflöte in Salzburg (1978), auf die Mozarts Lucio Silla in Zürich mit Nikolaus Harnoncourt folgte (1981). Sowohl in Ponnelle als auch in Harnoncourt traf sie auf geistige Verwandte – Künstler, die szenisch wie musikalisch detailbesessen arbeiten, die Tiefenschichten der Werke erforschen, Unterschwelliges ausloten, aber stets den Gestus der Musik respektieren. In Genf 1982 erfolgte mit Amina in Bellinis Sonnambula die zweite Belcanto-Partie, eine äusserst schwierige Produktion, die sie nach der zweiten Vorstellung frustriert verliess. Eine Inszenierung von Verdis Rigoletto (Florenz, 1985) in der Regie von Juri Ljubimow, in der sie Gildas Sterbe-Arie schwankend auf einer Schaukel singen musste, wurde gar zum Regie­skandal, dem einzigen ihrer Karriere. Solche der Musik zuwiderlaufende Regieflausen sind der Sopranistin ein Gräuel, die sich andererseits unerwartet offen zeigt, wenn sich ihr eine Idee als sinnstiftend erschliesst. Uneitle Aufgeschlossenheit im Dienste des künstlerischen Ausdrucks bewies sie beispielsweise in einer weiteren Rolle, die neue darstellerische Facetten offenbarte: Um die Jahrhundertwende zeigte das Opernhaus Zürich eine Serie von Belcanto-Opern mit der Gruberova, darunter Donizettis Roberto Devereux. Regie führte Giancarlo del Monaco, der das Werk 1990, ebenfalls mit der Gruberova als Elisabetta, im Teatro Liceu herausgebracht hatte. In der Schlussszene, nachdem die verbitterte Tudor-­ Köni­gin den geliebten Vasallen an eine jüngere Rivalen verloren hat, unterzeichnet sie blutenden Herzens dessen Todesurteil. In Barcelona wie in Zürich nahm sich Elisabeth, gepanzert im prachtvollen Staatsornat, die rote Perücke vom Kopf, den nur noch ein paar schüttere weisse Strähnen überzogen: eine glatzköpfige Monarchin, die auch als Frau und Geliebte abdankt – wiederum ein bestürzendes Bild, das sich tief ins kollektive Operngedächtnis einbrannte. 2013 kam Edita Gruberova nach zehnjähriger Abstinenz erneut nach Zürich in einem Rollendebüt, zu dem sie der Regisseur Christof Loy, mit dem sie offenbar ein tiefes künstlerisches Vertrauen verbindet, regelrecht hatte überreden müssen. Ihre Fans, die sie liebevoll «Grubi» nennen, jubeln. Auch die Kritik überschlägt sich: Zum Schluss entpuppt sich Donizettis Straniera als Königin, geschmückt «mit den tollsten Klunkern. Zu Recht! Kein Brillant ist zu teuer, um sich um Ihren Hals, um diese Stimm­bänder zu legen», schrieb der eingangs erwähnte Kritiker. Wir sagen es schlichter: Herzlichen Glückwunsch zum fünfzigjährigen Bühnenjubiläum, Edita Gruberova! Bruno Rauch ist Musikjournalist in Zürich und hat Edita Gruberovas Bühnenkarriere über viele Jahrzehnte hinweg journalistisch begleitet


40 Meine Rolle

Rätselhaft und geheimnisvoll

Die schwedische So­pra­nistin Nina Stemme ist die zurzeit inter­national ge­ fragteste Interpretin von Rollen wie Wagners Brünnhilde in «Wal­ küre», «Siegfried» und «Götterdämmerung», Isolde in «Tristan und Isolde» und Elektra von Richard Strauss. Am Opernhaus Zürich war sie bereits als Isolde und als Ariadne in «Ariadne auf Naxos» zu sehen. Nun kehrt sie als Kundry zurück.

Wenn ich auf der Bühne stehe und die Kundry singe, dann bin ich in diesem Moment Kundry, ohne viel nachzudenken. Abstrakt über die Figur zu sprechen, ist nicht leicht. Denn was sie ausmacht, ist ja gerade das Geheimnis, das sie umgibt. Man darf sie nicht zu sehr festlegen, sie muss rätselhaft bleiben. Sie kommt aus dem Nichts und verschwin­ det ins Nirgendwo. Niemand weiss, woher sie kommt, wohin sie geht. Und sie ist auch für sich selbst ein Geheimnis – denn sie ist eine Suchende. Einer ihrer ersten Sätze im ersten Akt lautet: «Ich helfe nie.» Auch das ist rätselhaft – was meint sie damit? Warum hilft sie nicht? Hat sie nicht gerade eben einen Balsam gebracht – «von weiter her, als du denken kannst» –, der Amfortas heilen soll, dessen Wunde sich nicht schlies­sen will? Als «wildes Weib» bezeichnet Wagner Kundry im ersten Akt. Für mich ist sie eine Art Ur-Frau. Kundry hat ein geheimes Wissen, sie versteht viel – und vor allem hat sie eine extrem starke Intuition. Und manchmal kommen Worte aus ihr heraus, die sie nicht kontrollieren kann. Sie ist zudem die einzige Frau in dieser Männerge­ sellschaft um den Gral. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, denke ich auch nicht darüber nach, ob ich eine Frau spiele oder einen Mann. Ich denke an uns alle als Men­ schen, als Existenzen, nicht als Frauen und Männer. Kundry lebt durch alle Zeiten. Dass sie mit einer schweren Schuld zu kämpfen hat, ist vielleicht das Menschlichste an ihr. Sie sah Jesus am Kreuz – und verlachte ihn. Seither ist sie verflucht, ewig weiterzuleben, sich «endlos durch das Dasein zu quälen». Nun soll sie – im zweiten Akt – auf Geheiss Klingsors Parsifal verführen, so wie sie schon Amfortas und viele andere zuvor verführt hatte; doch diesmal scheitert sie, Parsifal kann sich von ihr losreissen; es ist ausgerechnet ihr Kuss, der Parsifal «welt­ hellsichtig» macht. Am Schluss des Stückes stirbt Kundry; und ich persönlich empfinde das als Erlösung für sie. Aber auf der Bühne sollte man das nie so konkret darstellen, das Publikum muss zu einer eigenen Interpretation finden können darüber, was der Tod bedeutet. In jedem Fall geht es hier um einen transzendenten Tod, um einen Übergang in einen anderen Zustand. Musikalisch oder stimmlich ist für mich die grösste Herausforderung in dieser Partie, lyrisch und schlank in der Tongebung zu bleiben. Ich singe oft Brünnhilde aus der Götterdämmerung, und meine Stimme ist sehr dramatisch. Deshalb ist Kundry für mich fast wie ein Liederabend. Verglichen mit anderen Partien von Wagner ist es eher eine kurze Partie; es ist auch keine von den hochdramatischen Wagner-Rollen. Aber man braucht viele Farben und Nuancen in der Stimme. In Zürich habe ich seit 2001 regelmässig gesungen, und ich bin sehr gern hier. Auch freue ich mich, wieder in einer Inszenierung von Claus Guth aufzutreten; ich habe mit ihm Tristan und Isolde hier in Zürich erarbeitet und die Ariadne in seiner Inszenierung in der Wiederaufnahme gesungen. Gemeinsam mit Christian Schmidt schafft er es, sehr tief in die Stücke und die Situationen einzudringen. Das gefällt mir sehr, ich geniesse den Luxus, sich die Zeit zu nehmen, den Charakter einer Figur Schicht um Schicht freizulegen. Neben der Musik ist es genau das, was mich immer wieder an Wagner reizt: Seine Figuren sind psychologisch unglaublich interessant. Nina Stemme

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Nina Stemme über die Rolle der Kundry in «Parsifal»



42 Fragebogen

Cohen AitchisonDugas Aus welcher Welt kommst du gerade? Aus der faszinierenden Bienenwelt der kanadischen Choreografin Crystal Pite. Ihr Stück Emergence ist absolut atemberaubend. Worauf freust du dich im Ballettabend Un Ballo am meisten? Ich freue mich auf die Wiederbegegnung mit Filipe Portugals Pas de deux Behind the Mirror, den er im vorigen Jahr für meine Tänzerkollegin Belle Beasley und mich kreiert hat. Sie war dann verletzt und konnte nicht mit mir auftreten. Sich dem Stück mit ihr jetzt aus einer neuen Perspektive und um einige Erfahrungen reicher erneut zu nähern, macht gerade sehr viel Spass. Der ganze Abend ist spannend, weil der turnusmässige Wechsel in der Besetzung des Junior Balletts – wir haben sieben neue Mitglieder – den einzelnen Stücken eine ganz neue Energie verleiht.

Lehrer der Gegenwart und beschäftigt sich darin mit dem geistig-seelischen Zustand der Menschheit, der Rolle des Egos und des Materialismus. Ich merke, wie sich da gerade meine Sicht auf die Welt verändert und ich mir vieler Dinge bewusst werde. Welche CD hörst du immer wieder? Eine CD läuft bei mir selten von Anfang bis Ende. Oft höre ich ganz gegensätzliche Sachen: Independent Songs, klassische Musik... Im Moment zum Beispiel laufen bei mir Rachmaninows 2. Klavierkonzert, Titel der australischen Multiinstrumentalistin Tash Sultana und der Song Call me mother von der amerikanischen Dragqueen RuPaul. Welchen überflüssigen Gegenstand in deiner Wohnung liebst du am meisten? Ein Armband, dessen Steine ich über die Jahre von meiner Familie und meinen Freunden bekomme habe. Jeder Stein steht für eine Station oder ein wichtiges Erlebnis, wie etwa ein Schwan für mein erstes Ballett oder eine Lilie für meine Heimatstadt Québec.

Welches Bildungserlebnis hat dich besonders geprägt? Als mein Vertrag beim National Ballet of Canada nach der ersten Saison nicht verlängert wurde, war ich in einer schwierigen Lage. Verletztungsbedingt hatte ich nicht genügend Fortschritte gemacht und musste überlegen, ob ich den Traum einer Tänzerkarriere weiter verfolgen oder mit dem Tanzen lediglich als Hobby weitermachen woll­te. Damals habe ich mich für das Weitermachen entschieden. Ich wollte an mir arbeiten, um immer besser zu werden. Und das nicht nur beim Tanzen.

Nenne drei Gründe, warum das Leben schön ist! 1. Du kannt alles schaffen, was du willst, wenn du genug Leidenschaft dafür hast. 2. Die Vielfalt des Lebens. 3. Die Möglichkeit, als Mensch schöpfe­ risch tätig sein zu können.

Welches Buch würdest du niemals weggeben? Gerade bin ich mitten in der Lektüre von Eckhart Tolles Buch Eine neue Erde. Tolle ist einer der bekanntesten und einflussreichsten spirituellen

Cohen Aitchison-Dugas stammt aus Kanada und gehört seit voriger Saison zum Junior Ballett. Am 11. Februar und am 6. März ist er in der Wiederaufnahme des Ballettabends «Un Ballo» zu erleben.

Mit welchem Künstler würdest du gerne einmal essen gehen? Meine lange Wunschliste würde den Platz dieser Seite sprengen.


Kalendarium 43

Januar 2O18 26  L’Heure espagnole / L’Enfant et les sortilèges Fr

19.00

Zwei Kurzopern von Maurice Ravel Preise D

28 So Märchen auf dem Klangteppich –

15.30

«Der Nussknacker»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

L’Heure espagnole / L’Enfant et les sortilèges

27 Sa Führung Opernhaus

20.00

Märchen auf dem Klangteppich –

29 Mo Lunchkonzert

16.00

15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

«Der Nussknacker»

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Emergence 19.00

Choreografien von Sol León  /  Paul Lightfoot und Crystal Pite Ballett-Abo Gross, Preise B

28 So Brunchkonzert

11.15

«Chansons tristes» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Emergence 14.00

Choreografien von Sol León  /  Paul Lightfoot und Crystal Pite Preise H  AMAG-Volksvorstellung

12.00

19.00

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Do L’Heure espagnole / 1  L’Enfant et les sortilèges

19.30

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski, Preise D

Sa 3  Führung Opernhaus

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Workshop «Alabama Songs»

Nussknacker und Mausekönig

16.00

19.00

Workshop-Reihe 16 +, Ensembleproberaum

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski, Preise D

So 4  Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Idomeneo Premiere

19.00

Shearling Lamm Mantel

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Nussknacker und Mausekönig

19.00

kueblerpelz.com

Zwei Kurzopern von Maurice Ravel Donnerstag-Abo A, Preise D

Fr 2  Führung Bühnentechnik

14.00

Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486

Choreografien von Sol León  /  Paul Lightfoot und Crystal Pite Dienstag-Abo C, Preise B

Februar 2O18

1 8 4 2

«Chansons tristes» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

3O  Di Emergence

16.00

Mode ·Leder ·Pelze

Zwei Kurzopern von Maurice Ravel Sonntag-Abo C, Preise D

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Premieren-Abo A, Preise F


44 Kalendarium

1O Sa Hexe Hillary geht in die Oper

Mi Gesprächskonzert 7  Christian Gerhaher

19.00

15.00

Studiobühne, CHF 50

Idomeneo

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Premieren-Abo B, Preise E

9  La scala di seta Wiederaufnahme Fr

19.00

Oper von Gioachino Rossini Freitag-Abo B, Preise E

1O Sa Hexe Hillary geht in die Oper

13.00

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Idomeneo

19.00

Für 7- bis 12-Jährige (ohne Begleitung von Erwachsenen) Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Misch-Abo A, Misch-Abo C, Preise E

So 11  La scala di seta

14.00

Oper von Gioachino Rossini Sonntag-Abo B, Preise E

Un Ballo Wiederaufnahme

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballett-Führung mit Mini-Workshop

14.30

Führung Maskenbildnerei

15.00

19.30

Ballette entdecken «Un Ballo» 14.30

Führung Opernhaus

14.00

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Choreografien von Jiří Kylián, Benoît Favre, Filipe Portugal und Cayetano Soto Ballett-Abo Gross, CHF 60

13 Di Idomeneo

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Dienstag-Abo B, Preise E

16 Fr Idomeneo

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Misch-Abo B, Mozart-Abo, Preise E

DIE OPER KOMMT INS KINO

LOHENGRIN SO 18.02.2018, 11.00 UHR

ARTHOUSE PICCADILLy

AUFZEICHNUNG AUS DER SEMPEROPER DRESDEN OPER IN 3 AKTEN VON RICHARD WAGNER Mit: ANNA NETREBKO, PIOTR BECZAłA, GEORG ZEPPENFELD Dirigent: CHRISTIAN THIELEMANN regie: CHRISTINE MIELITZ Dauer: 3 h 35 Min Preise: Preise: CHF 42.– / 40.– (AHV, Legi), CHF 36.– (Arthouse Kinokarte)

«Reines Glück!” FAZ So 18. 03. 2018, 11.00 Uhr: LE NOZZE DI FIGARO, Aufzeichnung Salzburger Festspiele Do 19. 04. 2018, 20.00 Uhr: DON PASQUALE, L I V E aus der Mailänder Scala Mi 16. 05. 2018, 20.00 Uhr: LE CORSAIRE, L I V E aus der Mailänder Scala Do 07. 06. 2018, 19.45 Uhr: BORIS GODUNOV, L I V E aus der Opéra de Paris Weitere KinOpera Termine unter www.arthouse.ch / kinopera Mit der Kinokarte.ch günstiger auch an die Live-Events: www.arthouse.ch / kinokarte

STADELHOFEN

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Kalendarium 45

17 Sa Führung Opernhaus 14.00

La scala di seta

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

19.00

Oper von Gioachino Rossini Gute Laune-Abo, Preise H  AMAG-Volksvorstellung

Porträtkonzert Heinz Holliger

Studiobühne, CHF 50

18 So Einführungsmatinee «Lunea» 11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Idomeneo

13.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Preise H  AMAG-Volksvorstellung

Galakonzert Edita Gruberova 19.30

Zum 50. Bühnenjubiläum Sonntag-Abo D, Belcanto-Abo, Preise F

19  Workshop «Was ist Choreografie» Mo

10.00

Ferien-Workshop für 12- bis 18-Jährige, Ballettsaal B

23 Fr Idomeneo 19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Kombi-Abo, Preise E

24  Führung Opernhaus Sa

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

La scala di seta

19.00

Oper von Gioachino Rossini Samstag-Abo, Belcanto-Abo, Italienische Oper-Abo Preise E

28 Mi Nussknacker und Mausekönig

19.00

März 2O18 Do Nussknacker und Mausekönig 1

19.00

16.00

19.00

14.00

Hexe Hillary geht in die Oper

13.00

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Parsifal Wiederaufnahme

1400

Oper von Richard Wagner Sonntag-Abo A, Preise E

Führung Maskenbildnerei

Ballett-Führung mit Mini-Workshop

14.15

14.30

14.30

26 Mo Lunchkonzert

«Jeunesse» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

27  Idomeneo Di

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Dienstag-Abo D, Preise E

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Oper von Richard Wagner Samstag-Abo, Preise E

4 So Brunchkonzert

13.00

12.00

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Parsifal

17.00

Hexe Hillary geht in die Oper Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Hexe Hillary geht in die Oper

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Familienworkshop

11.15

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Freitag-Abo A, Preise E

Sa 3  Führung Opernhaus

«Jeunesse» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Idomeneo

11.15

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D

Fr 2  Führung Bühnentechnik

25  Brunchkonzert So

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D, Mittwoch-Abo A

«Porträtkonzert Heinz Holliger» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Hexe Hillary geht in die Oper

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Familienworkshop

14.30

«Nussknacker und Mausekönig»

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20


46 Kalendarium

4 So Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

Für Kinder ab 6 Jahren Studiobühne, CHF 30

Lunea Premiere

19.00

Oper von Heinz Holliger Premieren-Abo A, Preise F

5 Mo Lunchkonzert

12.00

«Porträtkonzert Heinz Holliger» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

6  Un Ballo Di

19.00

Choreografien von Jiří Kylián, Benoît Favre Filipe Portugal und Cayetano Soto Junior Ballett, CHF 60

Mi Parsifal 7

18.00

Oper von Richard Wagner Preise H  AMAG-Volksvorstellung

Do Lunea 8

19.30

Oper von Heinz Holliger Premieren-Abo B, Preise E

1O Sa Opernball Zürich 18.00 Spezialpreise So Parsifal 11

17.30

Oper von Richard Wagner Preise E

13 Di Lunea

19.30

Oper von Heinz Holliger Dienstag-Abo A, Modern-Abo, Preise E

14  Petruschka / Sacre Wiederaufnahme Mi

19.30

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Mittwoch-Abo B, Preise C

15 Do Lunea

19.00

16 Fr Nussknacker und Mausekönig

20.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D

17 Sa Familienworkshop «Der fliegende Holländer»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Nussknacker und Mausekönig

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Preise D

18 So Der fliegende Holländer

14.00 Wiederaufnahme Oper von Richard Wagner Wahl-Abo, Preise E

Familienworkshop «Der fliegende Holländer»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Lunea

20.00

Oper von Heinz Holliger Preise H AMAG-Volksvorstellung

19 Mo Liederabend Diana Damrau

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Lieder von Hugo Wolf und Richard Strauss Lieder-Abo, Misch-Abo C

21 Mi Der fliegende Holländer

19.00

Oper von Richard Wagner Mittwoch-Abo A, Preise E

22 Do Petruschka / Sacre

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Donnerstag-Abo A, Preise C

Oper von Heinz Holliger Donnerstag-Abo B, Preise E

Billettkasse +41 44 268 66 66 www.opernhaus.ch Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


Serviceteil 47

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Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Andrea Zahler Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

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48 Auf dem Nachhauseweg

Pirouetten auf dem Eis Dass in Ballettvorstellungen ein Publikum sitzt, das sich vom Opernpublikum unterscheidet, ist Frau Mani schon lange aufgefallen. Beim Ballett aber von ihren Freunden geradezu mit Erstaunen begrüsst zu werden – damit hatte sie nicht gerechnet. «Sie hier, Frau Mani, beim Ballett?» Was soll das nun bitteschön heissen? Darf man denn immer nur mit Begeisterung für die angestammte Sparte aufwarten? Die eingängige Nussknacker-Suite noch im Ohr, eilt Frau Mani hinaus auf den Sechseläutenplatz, sie verfällt am Ausgang in einen Trippelschritt, wobei sie auch schon die Arme ausstreckt, in Erwartung des schlimmen Aufpralls – der allerdings ausbleibt. Dennoch ist ihr, als würde sie sich auf den flachen Fusssohlen ein wenig um ihre Achse drehen. Da steht sie jetzt, von einem leichten Schwindel befallen, steht wie auf dem Kopf, den böigen Wind im Gesicht, umrauscht von Tschaikowskis extremem Legato, das sie doch stets so wehmütig macht. Sie streckt erneut die Arme aus, öffnet die Augen: vor ihr eröffnet sich auf dem Sechseläutenplatz anstelle des Weihnachtsmarktes mit den gelben Lichtlein ein raumgreifendes Eislauffeld. Wann wurde dieses errichtet? War ihr etwas entgangen? Eis über Eis. Frau Manis Blick streicht drüber, er verliert sich bald im Ungefähren und dessen Spiegelung. Sie schreitet voran. Frau Mani wendet den Kopf zum Opernhaus zurück, das, nüchtern beleuchtet, nun in der Entfernung immer kleiner wird: Frau Mani gleitet rückwärts, das Sprungbein ausgestreckt, sie sticht mit der linken Zacke ins Eis und stösst sich ab zu einer Pirouette im Uhrzeigersinn. «Frau Mani», hört sie im Rausch der Drehung, «Sie waren beim Ballett! Bravo! Bravo!» Als sie landet, wird sie von ihrem Jugendfreund Andreas aufgefangen. Er trägt eine blaue Soldatenuniform aus dem 19. Jahrhundert mit goldenen Schnüren und Knöpfen und eine Kappe mit roter Feder. An seinem Arm schwebt sie hinaus in die dunkle Nacht. Die Musik in ihrem Kopf wirbelt die Schneeflocken auf, die das spärliche Licht der Strassenlaternen in die Dunkelheit hinaustragen. «Man meint es doch zu kennen», sagt Frau Mani, die Arme tief im warmen Muff, «und trotzdem habe ich den Nussknacker so nicht gekannt … » Frau Mani legt den Kopf auf Andreas’ Schulter, während sie, seitlich geneigt, synchrone, schnelle Übersetzschritte vollführen und dann dahingleiten in Richtung des Opernhauses, das nun grünlich leuchtet wie das Mariinski-Theater in Sankt Petersburg. «Ich finde das schön, dass du dich auch auf Geschichten einlässt, die du nicht gleich verstehst», flüstert ihr Andreas ins Ohr. Im Hintergrund ertönt der Chor zum Schneeflockenwalzer: «Aa-a-a-a-a … » Frau Mani singt mit, und ihre Stimme geht in die Harmonie des Ganzen ein, während die schöne Elena Vostrotina vom Himmel heruntersteigt, in schwanenhafter Grazie, mit glänzenden Punkten im schwarzen Tütü.

Illustration: Anita Allemann

Dana Grigorcea


Denn wer am 4. März NEIN stimmt, stimmt

Für Demokratie Radio und Fernsehen haben den verfassungsmässigen Autrag, die Bevölkerung unabhängig, ausgewogen und aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass jedes Mitglied unserer Gesellschaft eine eigene Meinung bilden und seine demokratischen Rechte und Pflichten gewissenhaft ausüben kann. Die Initiative will diesen wichtigen Auftrag streichen, was nicht absehbare negative Auswirkungen auf unser Gemeinwesen und unsere solidarische Demokratie hätte.

4. März

ScHwEIzERIScHER BüHNENVERBAND UNIoN DES THEATRES SUISSES UNIoNE DEI TEATRI SVIzzERI

Der Schweizerische Bühnenverband als Dachorganisation der bedeutendsten Berufstheater der Schweiz sagt NEIN zur «No Billag»-Initiative.

Die Schweiz ist einzigartig und bunt. Kein anderes europäisches Land ist sprachlich so divers und räumlich so stark gegliedert. Diese Vielfalt bringt grosse Herausforderungen für die regionale und lokale Berichterstattung mit sich. Radio und Fernsehen sind gemäss Bundesverfassung dazu verpflichtet, diese geografische und sprachliche Vielfalt abzubilden. Deshalb gehören Formate wie «Mini Beiz, dini Beiz» genauso dazu, wie die Sendungen «Pardonnez-moi», «Un’ora per voi» und «Telesguard». Die Initiative «No Billag» will diese Vielfalt verhindern und verunmöglicht so eine gleichwertige Berichterstattung in allen vier Landesteilen.

Für Kultur Die SRG und die zahlreichen vom Bund unterstützten lokalen Radio- und Fernsehstationen sind wichtige Partner für das Schweizer Kulturschaffen. Insbesondere die SRG spielt eine herausragende Rolle bei der direkten Förderung, aber auch indirekt bei der Verbreitung des Schweizerischen Kulturschaffens als Medienpartnerin oder als Berichterstatterin. Die Initiative streicht diese wichtige kulturpolitische Aufgabe. Deshalb am 4. März 2018 ein NEIN zu «No Billag» in die Urne!

am

Nein zu «No Billag»

Für Schweizer Vielfalt


“Im Luxuszug durch Kanada „ R EI S EN M IT S TI L

Rocky Mountaineer Bus

K ANADA | ZUG REISE

RAINFOREST TO GOLD RUSH AT LEISURE Entdecken Sie die vielfältige Landschaft der nördlichen Rocky Mountains, vom Regenwald zu Wüstencanyons und imposanten Bergkulissen. Die Fahrt im legendären Rocky-Mountaineer-Zug ist nur eines der Highlights dieser exklusiven Reise.

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pro Person inkl. 10 Übernachtungen, Fahrt im Rocky Mountaineer von Vancouver nach Jasper inkl. 3 x Frühstück und 2 x Mittagessen an Bord, Busfahrt von Jasper bis Calgary, Ausflüge, Stadtrundfahrten und Eintritte gemäss Programm, Bahnhof-Transfers in Vancouver, Whistler, Quesnel und Jasper, Gepäcktransport, Englisch sprechende lokale Reiseleitung > globusreisen.ch/kanada

B E R AT U N G U N T E R 0 5 8 5 6 9 9 5 0 7 | G L O B U S R E I S E N . C H | BA SEL | B ERN | G EN F | L AUSAN N E | LUZERN | ZUG | ZÜ RICH |

Banff

Calgary


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